Internationale Wirtschaftsbeziehungen [5., vollständig überarb. Aufl.] 9783486599688

Ein neues Standardwerk zur Außenwirtschaft kündigt sich an!

182 68 59MB

German Pages 596 [585] Year 2010

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Internationale Wirtschaftsbeziehungen [5., vollständig überarb. Aufl.]
 9783486599688

Citation preview

(ft

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen Von

Universitätsprofessor

Dr. Gustav Dieckheuer

5., vollständig überarbeitete Auflage

R.Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek CIP-Einheitsaufnahme -

Dieckheuer, Gustav:

Internationale Wirtschaftsbeziehungen / von Gustav Dieckheuer. 5., vollst. Überarb. Aufl.. München ; Wien : Oldenbourg, 2001 ISBN 3-486-25806-0 -

-

© 200.1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089)45051-0

www.oldenbourg-verlag.de

Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei GmbH ISBN 3-486-25806-0

Vorwort Mehr denn je steht die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern im Zeichen der Globalisierung. Die internationalen Gütertransaktionen und insbesondere die Kapitaltransaktionen weisen Jahr für Jahr hohe Zuwachsraten auf. Es entstehen regionale Integrationsräume, die die Strukturen der Weltwirtschaft maßgeblich beeinflussen. Für die nationalen Wirtschaftspolitiken sowie die Investitions-, Beschaffungs- und Absatzpolitiken vieler Unternehmungen gewinnen deshalb internationale Dependenzen und weltwirtschaftliche Interdependenzen zunehmend an Bedeutung. Vor diesem

sich heute jeder Studierende der Wirtsowohl der Volks- als auch der Betriebswirtschaftswissenschaften schaftslehre eingehend mit den institutionellen Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft, den theoretischen Ansätzen der internationalen Ökonomik, den empirischen Fakten zum internationalen Güter- und Kapitalverkehr sowie den prozess- und ordnungspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten im weltwirtschaftlichen Kontext beschäftigen. Dieses Wissen wird im vorliegenden Buch vermittelt. Es gibt einen Einblick in die aktuellen außen- und weltwirtschaftlichen Entwicklungen und Probleme, zeigt auf theoretischanalytischer Basis die wichtigsten Zusammenhänge im Rahmen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen auf und führt in die grundlegenden Fragen der Außenwirtschafts- und Weltwirtschaftspolitik ein. Die erste Auflage dieses Buches ist in der zweiten Hälfte der 80er Jahre geschrieben worden. Seither haben viele Ereignisse die Weltwirtschaft gravierend verändert: der Zusammenbruch der Zentralverwaltungssysteme und die nachfolgende ökonomische Transformation Osteuropas, das stürmische wirtschaftliche Wachstum in Süd-Ostasien, das Wiedererstarken Lateinamerikas, die Fortschritte in der realwirtschaftlichen und monetären Integration Europas, die Entstehung neuer regionaler Wirtschaftsräume in Nordund Südamerika, die Finanzkrisen in Mexiko und Asien. Solche Ereignisse haben die internationalen Wirtschaftspolitiken vor neue Herausforderungen gestellt, und vor diesem Hintergrund ist auch die theoretische Analyse der Außen- und Weltwirtschaft vorangeschritten. Soweit wie möglich wurde

Hintergrund

muss

-

-

den aktuellen Entwicklungen zwar schon in den weiteren Auflagen zuletzt in der vierten Auflage des Jahres 1998 Rechnung getragen, bei der Vorbereitung einer weiteren Auflage zeigte sich aber, dass eine grundlegende Überarbeitung erforderlich war. Diese liegt nun mit der fünften Auflage vor. Sie ist das Resultat eines weitgehend neuen strukturellen Aufbaus sowie tiefgreifender inhaltlicher Anpassungen im Hinblick auf neuere Entwicklungen in Theorie, Empirie und Wirtschaftspolitik. In methodischer -

-

VI

Vorwort

Hinsicht ist die rein formale Analyse auf das Notwendigste beschränkt und wo immer nötig durch ausführliche verbale Erklärungen ergänzt worden. Nur mit diesen grundlegenden Änderungen war es möglich, in einem konsistenten Kontext Altes und Neues zu verbinden und den Umfang des Buches gegenüber der vierten Auflage sogar noch etwas zu reduzieren. Großen Dank bin ich meinen Mitarbeitern am Institut für Industriewirtschaftliche Forschung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster schuldig: Dr. Matthias Göcke, Thomas Köhler, Dr. Stefan Kooths, Gisela Plaßmann, Eric Ringhut, Ute Stemmann, und Stefan Uhlenbrock. Mit ihnen konnte ich viele für das Buch wichtige fachliche Details diskutieren, und sie waren mir bei der Datenbeschaffung und aufbereitung sowie den Korrekturarbeiten behilflich. Mein besonderer Dank gilt meiner Sekretärin Helga Balzer, die umfangreiche Schreibarbeiten erledigt hat, Herrn Dr. Markus Langenfurth und Herrn Eric Ringhut, die beim konzeptionellen Aufbau und der Formatierung des Buches unverzichtbare Arbeit geleistet haben, sowie Herrn Marcel Mlakar, der die meisten Abbildungen und Formeln erstellt und in den Text eingebunden hat. Zu danken habe ich schließlich auch meinen studentischen Mitarbeiterinnen Elke Albers, Bettina Schneider und Insa Ulrich sowie meinem studentischen Mitarbeiter Otmar Koetz, die bei der Erstellung von Abbildungen und Formeln und der Formatierung des Buches mitgewirkt haben. -

Münster

Gustav Dieckheuer

Inhaltsverzeichnis

Symbolverzeichnis.XVI Kapitel 1 Außenwirtschaft und Globalisierung.1 1.1 Internationale Transaktionen und Zahlungsbilanzen.1 1.1.1 Aspekte der außenwirtschaftlichen Analyse.1 1.1.2 Die Zahlungsbilanz eines Landes.2 1.1.3 Bewertungsverfahren und -probleme.8 1.1.4 Die Zahlungsbilanzen Deutschlands und der Europäischen Währungsunion.9 1.1.5 Zahlungsbilanz und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung.12 1.1.6 Finanzierungssaldo und Nettoauslandsposition.15 1.1.7 Gleichgewicht oder Ungleichgewicht in der Zahlungsbilanz.16 1.1.8 Der Zusammenhang zwischen Leistungs- und Kapitalbilanz.17 1.2 Entwicklung und Struktur der Weltwirtschaft.18 1.2.1 Die Entwicklung des Welthandels.18 1.2.2 Internationale Handelsverflechtungen.20 1.2.3 Handelsquoten.24 1.2.4 Interdependenzen.25 1.3 Globalisierung.27 1.3.1 Kennzeichen der Globalisierung.27 1.3.2 Ursachen der Globalisierung.31 1.3.3 Wirkungen der Globalisierung.33 1.3.4 Vorteile und Risiken der Globalisierung.34 1.4 Grundlegende Fragen der internationalen Ökonomik.40 Kapitel 2 Faktorproduktivitäten, internationale

Preisdifferenzen und Außenhandel.47

2.1 Motive und Bedingungen für internationalen Handel.47 2.2 Außenhandelsgewinne durch Produktivitätsvorteile.49 2.2.1 Die Ideen von Adam Smith und David Ricardo.49

VIII

Inhaltsverzeichnis

2.2.2 Produktionstheoretische Grundlagen.50 2.2.3 Absolute Produktivitätsvorteile.53 2.2.4 Komparative Produktivitätsvorteile.55 2.3 Preisverhältnis und Außenhandel.57 2.3.1 Produktivität und Güterpreise.57 2.3.2 Internationale Preisdifferenzen und Richtung des

Außenhandels.58

2.3.3 Der Einfluss des Wechselkurses.60 2.4 Die Bedeutung der Güternachfrage für den Außenhandel.63 2.4.1 Nachfragestruktur und Tauschkurve.63 2.4.2 Das internationale Tauschgleichgewicht.67 Außenhandel bei sinkenden Grenzproduktivitäten.69 2.5 2.5.1 Transformationskurve und Güterangebot.69 2.5.2 Reaktion von Angebot und Nachfrage: die Tauschkurve.72 2.5.3 Das Tauschgleichgewicht.75 2.6 Unterschiedliche Nachfragepräferenzen und Außenhandel.78 2.6.1 Kompensation von Produktivitätsunterschieden.78 2.6.2 Außenhandelsvorteile ohne Produktivitätsunterschiede.79 2.6.3 Inverser Handel.80

Kapitel 3 Faktorausstattung, Außenhandel und Einkommensverteilung.85 3.1 Relative Faktorverfügbarkeit und Außenhandel.85 3.1.1 3.1.2

Der Ansatz von Heckscher und Ohlin.85 Faktorintensität und relative Preise von Faktoren und

Gütern.86 3.1.3 3.1.4

Optimale Produktion und Transformationskurven.89 Aufnahme

Außenhandel.95 3.2 Faktorausstattungs-These und Außenhandelsrealität.97 3.2.1 Das Leontief-Paradoxon.97 von

3.2.2 Faktordifferenzierung.98 3.2.3 Divergierende Nachfragepräferenzen.99 3.2.4 Protektionismus.99 3.3 Wachstum und Außenhandel.100 3.3.1 Veränderung der Produktionsmöglichkeiten.100 3.3.2 Produktionseffekte.101 3.3.3 Nachfrageeffekte.103

Inhaltsverzeichnis

FX

3.3.4 Terms-of-Trade-Effekte.105 3.4 Außenhandel und Einkommensverteilung.107 3.4.1 Faktorpreisverhältnisse und Verteilungseffekte.107 3.4.2 Wohlfahrtsverluste durch Verteilungseffekte?.110 3.4.3 Außenhandel, Lohninflexibilität und Beschäftigung.111

Kapitel 4 4.1

Economies of scale, unvollkommene Märkte und intraindustrieller Außenhandel.117

Außenhandel bei steigenden Skalenerträgen.117 4.1.1 Externe und interne Skaleneffekte.117 4.1.2 Spezialisierung bei steigenden Skalenerträgen.119 4.1.3 Wohlfahrtsgewinne und Wohlfahrtsverluste bei

steigenden Skalenerträgen.121

4.2 Unvollkommene Märkte.123 4.2.1 Ursachen und Bedeutung des unvollkommenen

4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6

Wettbewerbs.123 Angebotsmonopol und Wettbewerb durch Außenhandel.125

Dumping.128 Internationale Preisdifferenzierung.130

Internationale Kartelle.134 Unvollkommene Märkte: Wirkungen im Überblick.139 4.3 Produktdifferenzierung, monopolistische Konkurrenz und intraindustrieller Außenhandel.140 4.3.1 Nachfragepräferenzen.140 4.3.2 Monopolistische Preisspielräume.142

Kapitel 5 Außenhandelspolitik, Freihandel und Protektionismus ....147 5.1 Leitbilder der Außenhandelspolitik.147 5.2 Ziele und Instrumente einer protektionistischen Außenwirtschaftspolitik.150 5.3 Zölle.152 5.3.1 Partialanalyse für den Importgütermarkt.152 5.3.2 Preiselastizitäten und Zollwirkungen.156 5.3.3 Der Effektivzoll.158 5.3.4 Erhaltungs- und Anpassungsschutz.162 5.3.5 Erziehungszölle.163 5.3.6 Zölle und internationales Tauschgleichgewicht.164

X

Inhaltsverzeichnis

5.3.7 Der Optimalzoll.168 5.3.8 Zoll Wirkungen: einige Schlussfolgerungen.170 5.4 Nichttarifäre Handelshemmnisse.171 5.4.1 Importkontingente.171 5.4.2 Exportselbstbeschränkung.174 5.4.3 Administrativer Protektionismus.175 5.5 Staatliche Subventionen.176 5.5.1 Subventionen als „versteckte" Protektion.176 5.5.2 Exportsubventionen.177 5.5.3 Subventionen für importkonkurrierende Güter.178 5.6 Devisenbewirtschaftung.181 5.7 Strategische Handelspolitik.184 5.7.1 Ziele.184 5.7.2 Verteilung der Wohlfahrtswirkungen.184 5.7.3 Unvollkommene Märkte.185 5.7.4 Externe Effekte.187 5.7.5 Anpassungsschutz.189

Kapitel 6 Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik.193 6.1 Ziele und Formen der ökonomischen Integration.193 6.1.1 Integrationsziele.193 6.1.2 Integrationsformen.194 6.1.3 Ökonomische Integration in der Praxis.197 6.1.4 Europa auf dem Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion.199 6.1.5 6.1.6 6.2

NAFTA.202 MERCOSUR.204

Wirkungen einer ökonomischen Integration.205 6.2.1

Handelsschaffende und handelsumlenkende Effekte einer Zollunion.205 6.2.2 Wohlfahrtseffekte einer Zollunion.211 6.2.3 Zollunion und Wettbewerb.214 6.3 Faktorbewegungen im Gemeinsamen Markt.216 6.3.1 Freiheiten in einem Gemeinsamen Markt.216 6.3.2 Wirkungen freier Kapitalbewegungen.217 6.3.3 Freizügigkeit von Arbeitskräften.219

Inhaltsverzeichnis

XI

6.4 Multilaterale Handelspolitik.223 6.4.1 Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT.223 6.4.2 Die Welthandelsorganisation WTO.225

Kapitel 7 Devisengeschäfte, Wechselkurse und

Währungssysteme.233

7.1 Der Devisenmarkt.233 7.1.1 Internationalisierung und weltweiter Tausch von

Währungen.233

7.1.2 7.1.3 7.2

7.3

Angebot und Nachfrage auf einem Devisenmarkt.234 Kassa- und Terminmarkt.236

Devisengeschäfte.237 7.2.1 Kurssicherungsgeschäfte.237 7.2.2 Arbitragegeschäfte.240 7.2.3 Spekulationsgeschäfte.244 Wechselkurssysteme.247

7.3.1 Reines und kontrolliertes Floaten.247 7.3.2 Wechselkursfixierung.249 7.3.3 Wechselkursanpassung.252 7.3.4 Übersicht.253 7.4 Vor- und Nachteile fester und flexibler Wechselkurse.255 7.4.1 Argumente für flexible und gegen feste Wechselkurse.255 7.4.2 Argumente für feste und gegen flexible Wechselkurse.258 7.5 Währungssysteme in der Praxis.263 7.5.1 Die Goldwährung.264 7.5.2 Das Währungssystem von Bretton Woods.269 7.5.3 Das Europäische Währungssystem EWS.273 7.5.4 Die Europäische Währungsunion EWU.275 7.5.5 Das Currency Board-System.280 7.5.6 Dollarisierung.282 7.6 Währungsintegration und optimale Währungsräume.283

Kapitel 8

Theorie des Wechselkurses.293

8.1 Wechselkursmodelle: Ein Überblick.293 8.2 Kaufkraftparität und Wechselkurs.295 8.2.1 Die Kaufkraftparitätentheorie.295 8.2.2 Realer und effektiver Wechselkurs.298

XII

Inhaltsverzeichnis

8.3 Die Zinsparitätentheorie.301 8.4 Der Portfolioansatz.302 8.4.1 Das Modell.302 8.4.2 Expansive Geldpolitik.305 8.4.3 Erhöhung des Angebots an inländischen Wertpapieren.306 8.4.4 Weitere Datenänderungen und Kritik.307 8.5 Die monetäre Wechselkurstheorie.308 8.5.1 Das Modell.308 8.5.2 Langfristige Wechselkursbildung.309 8.5.3 Kurz- und mittelfristige Lösung.310 8.5.4 Kritik.315 8.6 Wechselkurserklärung in einem keynesianischen Modell.315 8.6.1 Das grundlegende Modell.315 8.6.2 Geldpolitik bei konstanten Güterpreisen.317 8.6.3 Veränderung der Güternachfrage.319 8.6.4 Ergebnisse, Kritik und Erweiterungen.321 8.7 Rationale Wechselkurserwartungen.324 8.7.1 Zur Effizienz von Devisenmärkten.324 8.7.2 Risikoprämie und Wechselkurs.327 8.7.3 Wechselkurs und Wechselkurserwartungen bei neuen

Informationen.328

8.7.4 Spekulative „Bubbles".330 8.7.5 Nicht-rationale Erwartungen: Charttechniken.334 8.8 Der Gleichgewichts Wechselkurs.336

Kapitel 9 Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen ....343 9.1 Internationaler Kapitalverkehr und Leistungstransaktionen.343 9.1.1 Formen des internationalen Kapitalverkehrs.343 9.1.2 Finanz- und Leistungstransaktionen in der Zahlungsbilanz.345 9.1.3 Autonomer Kapitalexport und Leistungstransaktionen.348 Der klassische Transfermechanismus.350 Der keynesianische Transfermechanismus.351 9.2 Wertpapier-, Kredit- und Geldmarkttransaktionen.354 9.2.1 Determinanten.354 9.2.2 Eurowährungsmärkte.355 9.3 Direktinvestitionen im Ausland.362 9.1.4 9.1.5

Inhaltsverzeichnis

9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.4

XIII

Entwicklung der internationalen Direktinvestitionen.362 Direktinvestitionen im Ausland.363 Zahlungsbilanzeffekte von Direktinvestitionen.366 Beurteilung von Direktinvestitionen.371 Determinanten

von

Auslandsposition und Auslandsverschuldung.375 9.4.1 Leistungstransaktionen, Finanzierungssalden und Veränderung der Auslandsposition.375 9.4.2 Entstehung und Dynamik von Auslandsverschuldung.378 9.4.3 Ursachen von Leistungsbilanzdefiziten und von

Auslandsverschuldung.380

9.4.4 Auslandsverschuldung ein ökonomisches Problem?.384 9.4.5 Lösung von Verschuldungsproblemen.387 9.5 Internationale Finanzkrisen.393 9.5.1 Kennzeichen von Finanzkrisen.393 9.5.2 Ursachen von Finanzkrisen.395 9.5.3 Vermeidung von Finanzkrisen.399 9.5.4 Bewältigung von Finanzkrisen.401 -

Kapitel 10 Wechselkurs und Leistungsbilanz.407 10.1 Importe, Exporte und Außenbeitrag.407 10.2 Reaktion des Außenbeitrags auf Wechselkursänderungen bei vollkommen preiselastischem Güterangebot.408 10.2.1 Exportgütermarkt.408 10.2.2 Importgütermarkt.410 10.2.3 Außenbeitrag.414 10.3 Reaktion des Außenbeitrags auf Wechselkursänderungen bei preiselastischem Güterangebot.416 10.4 Reaktion des Außenbeitrags in Auslandswährung.419 10.5 Wirkungsverzögerungen einer Wechselkursänderung.421 10.5.1 DerJ-Kurven-Effekt.421 10.5.2 Langfristige Substitutionseffekte.424 10.6 Realer Wechselkurs und realer Außenbeitrag.426 10.7 Der Elastizitätsansatz: kritische Anmerkungen und notwendige

Erweiterungen.430 Kapitel 11 Außenbeitrag, Wechselkurs und Einkommen.433 11.1 Einkommenseffekte in einem kleinen Land.433

XIV

Inhaltsverzeichnis

11.2 Einkommenseffekte bei internationalen Rückwirkungen.437 11.3 Außenhandel und Konjunkturzusammenhang.443 11.4 Volkswirtschaftliche Ersparnisse und Außenbeitrag.446 11.4.1 Güter- und finanzwirtschaftliche Grundlagen von Ersparnissen und Außenbeitrag.446 11.4.2 Ein intertemporaler Ansatz zur Erklärung des

Außenbeitrags.448

Kapitel 12 Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz.455 12.1 Zinssatz und Zahlungsbilanz.455 12.1.1 Zinsabhängigkeit der Güternachfrage: Die IS-Kurve.456 12.1.2 Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage: Die LM-Kurve.457 12.1.3 Monetäre Basis und Zahlungsbilanz.458 12.1.4 Internationaler Kapital verkehr und Z-Kurve.460 12.2 Einkommenseffekte bei festem Wechselkurs.464 12.2.1 Geldpolitik.465 12.2.2 Autonome Veränderung der inländischen

Güternachfrage.467

12.2.3 Wechselkurspolitik.470 12.2.4 Zinsänderung auf dem internationalen Kapitalmarkt.472 12.2.5 Wirkungen eines autonomen Kapitalexports.473 12.3 Einkommenseffekte bei flexiblem Wechselkurs.475 12.3.1 Geldpolitik.475 12.3.2 Autonome Veränderung der heimischen Gütemachfrage ....477 12.3.3 Zinsänderung auf dem internationalen Kapitalmarkt.480 12.3.4 Wirkungen eines autonomen Kapitalexports.482 12.3.5 Ergebnisübersicht.482 12.4 Koordination wirtschaftspolitischer Maßnahmen.483 12.4.1 Fiskal- und Wechselkurspolitik bei festem Wechselkurs.483 12.4.2 Geld- und Fiskalpolitik bei flexiblem Wechselkurs.486 12.4.3 Kritische Beurteilung der Koordinationspolitik.487 12.5 Einkommen und Zahlungsbilanz bei internationalen

Rückwirkungen.488 Problemstellung und Modellrahmen.488 Geldpolitik bei zinselastischem Kapitalverkehr.490 Fiskalpolitik bei zinselastischem Kapitalverkehr.494

12.5.1 12.5.2 12.5.3

Inhaltsverzeichnis

XV

12.5.4 Geld- und Fiskalpolitik bei zinsunelastischem

Kapitalverkehr.499

12.5.5 Ergebnisübersicht.500 12.6 Einkommens- und Zinseffekte in einer Währungsunion.501 12.6.1 Das Modell einer Währungsunion.501 12.6.2 Einkommenseffekte der Geld- und Fiskalpolitik in einer kleinen Währungsunion.505 12.6.3 Einkommenseffekte der Geld- und Fiskalpolitik in einer

großen Währungsunion.511

Kapitel 13

Der internationale Preiszusammenhang.519

13.1 Preisniveau, Zahlungsbilanz und Einkommen.519 13.1.1 Die Reaktion der Güternachfrage auf Preisänderungen.519 13.1.2 Die gesamtwirtschaftliche Preisfunktion.525 13.1.3 Einkommens- und Preiseffekte bei festem Wechselkurs.528 13.1.4 Einkommens- und Preiseffekte bei flexiblem

Wechselkurs.531 13.1.5 Ergebnisübersicht.536 13.1.6 Preis- und Einkommenseffekte der Fiskalpolitik bei festem Wechselkurs und internationalen

Rückwirkungen.537 13.2 Internationale Preisimpulse und Kaufkraftparitätentheorem.539 13.2.1 Absolute und relative Kaufkraftparität.540 13.2.2 Die Kaufkraftparität bei Differenzierung von nationalen und internationalen Gütern.543 13.3 Internationale Preisübertragungen.545 13.3.1 Transmissionswege internationaler Preisimpulse.545 13.3.2 Preisübertragungen bei festen Wechselkursen.548 13.3.3 Preisübertragungen bei flexiblen Wechselkursen.562

Register.567

XVI

A

Faktor Arbeit

beitsstunden) AB AP AV B

(geleistete Ar-

Außenbeitrag (real) Auslandsposition (netto) Auslandsverschuldung Wert inländischer Wertpapiere;

Anlagebetrag

BIP Bruttoinlandsprodukt BNE Bruttonationaleinkommen BPR Bruttoproduktionswert Privater Konsum C D Devisenmenge, Güternachfrage Saldo der Devisenbilanz DB DIF Forderungen aus Direktinvestitionen DIV Verbindlichkeiten aus Direktinvestitionen EKB Saldo der erweiterten Kapitalbilanz EWL Entwicklungsländer EX Exporte (real)

EX" F

Wertpapiere

(in Auslandswährung) FA FS G GZD H HN I IB

P

Auslandsforderungen Finanzierungssaldo Gewinn, Staatsausgaben Gedeckte Zinsdifferenz Heimische Absorption Heimische Nachfrage Private Investitionen Saldo der Direktinvestitionsbi-

P*, Pe Ph

Pj RB

S SK SW

IM" IMV K

Industrieländer

Importe (mengenmäßig) Importwert Importe von Vorleistungsgütern Kapitalverkehr (+: Kapitalimport)

Geldnachfrage (real)

Leistungsbilanzsaldo Lohnstückkosten

Geldmenge, Geldangebot Monetäre Basis

Mengeneinheit Nettoproduktionswert Nettoauslandsposition Nationaleinkommen Preisniveau (des Bruttonatio-

Importgüter in Auslandswährung Preisniveau der Exportgüter in Inlandswährung Preisniveau der

Preisniveau der heimischen (international nicht handelbaren) Güter Preisniveau der international handelbaren Güter

Faktor Kapital Bilanz der Restposten Heimische Ersparnisse Stückkosten

Swapsatz

Saldo der Übertragungen bzw. der Übertragungsbilanz UZD Ungedeckte Zinsdifferenz

ÜB V

Geldvermögen

VA

Auslandsverbindlichkeiten

VB

Saldo der

lanz IL IM

Saldo der Kapitalbilanz

naleinkommens)

R

Exportwert Wert ausländischer

KB L LB LK M MB ME N NAP NE

W WB

Vermögensübertragungsbilanz Bruttoproduktion bzw. Bruttoproduktionswert Saldo der Wertpapier- und Kreditbilanz

WKF

Forderungen aus Wertpapieren und Krediten

XVII

Symbolverzeichnis WKV Verbindlichkeiten aus Wertpapieren und Krediten WR Währungsreserven X Aggregierte Produktion (real) Y Nationaleinkommen bzw. Bruttonationaleinkommen Z Zahlungsbilanzsaldo ZB Leistungs- und Finanztransakti-

q

q* r

realer Wechselkurs Terms of Trade Rendite des Realkapitals (Zins-

satz)

s

marginale Sparquote

t

Zeitindex

v

Vorleistungskoeffizient, Anteil des Geldvermögens, Zinskoeffizient des Kapitalverkehrs

w

Nomineller Wechselkurs

we

Erwarteter Wechselkurs

wg

Gleichgewichtswechselkurs

g

Außenbeitrags Exportmenge eines Gutes Geldschöpfungsmultiplikator

wK

hj

Zinskoeffizient der heimischen

hY

Absorption marginale Absorptionsquote

wT

z

Kassakurs Terminkurs Angebots- bzw. Produktionsmenge eines Gutes Nachfragemenge eines Gutes Zollsatz

a

Arbeitsproduktivität

ß

verschiedene Parameter Text

gemäß

Y

verschiedene Parameter Text

gemäß

onen

a,, ex

kj

Zinssatz (sowie Index für ein Gut, einen Produktionssektor oder ein Land) Importmenge eines Gutes Index für ein Gut, einen Produktionssektor oder ein Land Zinskoeffizient der Geldnach-

ky

frage Kassenhaltungskoeffizient

i

im

j

/

/h l, m n

p pz

pw

pY

(Preisnotierung)

Wechselkurskoeffizient des

Lohnsatz Lohnsatz im Sektor der heimischen Güter Lohnsatz im Sektor der internationalen Güter

marginale Importquote Index für „nominell"; Nettoproduktionswert je Produkteinheit Preis eines Gutes Koeffizient in der Preisfunktion im Hinblick auf die Lohnstückkosten Koeffizient in der Preisfunktion im Hinblick auf Wechselkurs und Auslandspreisniveau Einkommenskoeffizient in der Preisfunktion

x

y

8

marginale Veränderung

e

n

Preiselastizität des Angebots Preiselastizität der Nachfrage

K

Kapitalintensität

X

verschiedene Parameter Text

u

Multiplikator Exportpreisniveau in Auslandswährung Importpreisniveau in Inlandswährung

pe pm

q> co

O

Preisverhältnis Lohn-Zins-Verhältnis Effektivzollsatz

Index für Ausland

gemäß

Kapitel 1 Außenwirtschaft und Globalisierung I

Untersuchungsziele_| Beschreibung, Definition und statistische Erfassung der grenzüberschreitenden Güter-, Faktor- und Kapitaltransaktionen im Rahmen der Zahlungsbilanz eines Landes.

Einbindung der Zahlungsbilanz in die volkswirtschaftliche Gesamt- und Finanzierungsrechnung eines Landes. Darstellung von Entwicklung und Struktur der Weltwirtschaft auf der Grundlage verfügbarer internationaler Daten. Beschreibung und Analyse der internationalen Handelsverflechtungen sowie der daraus resultierenden makroökonomischen Zusammenhänge zwischen Ländern und Ländergruppen. Aufzeigen maßgeblicher Indikatoren der Globalisierung. Darlegung von Ursachen und Wirkungen sowie von Vorteilen und Risiken des Globalisierungsprozesses. 1.1 Internationale Transaktionen und 1.1.1

Zahlungsbilanzen

Aspekte der außenwirtschaftlichen Analyse Zentrum der internationalen Wirtschaftsanalysen

stehen die grenzIm überschreitenden ökonomischen Transaktionen zwischen souveränen Nationalstaaten. Dabei lassen sich zwei Perspektiven unterscheiden: • Aus nationaler Perspektive werden die Transaktionen betrachtet, die

zwischen einem bestimmten Land und einem anderen Land, einer Gruppe von Ländern oder dem Rest der Welt stattfinden. • Aus globaler Perspektive werden die Transaktionen betrachtet, die zwischen bestimmten Gruppen von Ländern oder weltweit zwischen allen Staaten stattfinden. Die ökonomischen Untersuchungen der außenwirtschaftlichen Beziehungen umfassen im wesentlichen • die Beschreibung und die statistische Aufbereitung der internationalen Transaktionen • die Erklärung der Ursachen sowie der nationalen und der länderübergreifenden Wirkungen internationaler Transaktionen • die Analyse der wirtschaftspolitischen Möglichkeiten zur Beeinflussung internationaler Transaktionen

2

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

den Entwurf außenwirtschaftspolitischer Systeme, mit denen sowohl auf nationaler als auch auf weltweiter Ebene ein ordnungspolitischer Rahmen für eine möglichst störungsfreie und effiziente Gestaltung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen geschaffen werden soll. Die Untersuchungen im vorliegenden Kapitel beschränken sich weitgehend auf die Beschreibung und die statistische Aufbereitung. Dabei geht es zunächst um die nationale Perspektive der internationalen Transaktionen, ehe später auch die globale Perspektive einbezogen wird. Die überwiegend theoretisch fundierten Analysen zu den Ursachen und Wirkungen sowie den wirtschaftspolitischen Aspekten folgen in den weiteren Kapiteln. •

1.1.2 Die

Zahlungsbilanz eines Landes Die wichtigsten internationalen wirtschaftlichen Transaktionen sind • die Warenexporte und Warenimporte • die grenzüberschreitenden Dienstleistungen • die grenzüberschreitenden Faktorleistungen und die daraus entstehenden Einkommensbewegungen die unentgeltlichen Übertragungen zwischen Ländern, z. B. in Form von Entwicklungshilfe, Renten und Pensionen sowie Heimatüberweisungen •

ausländischer Arbeitnehmer • die Übertragung von Eigentumsrechten zwischen In- und Ausländern, z. B. im Rahmen von Erbfällen • der grenzüberschreitende Kapital verkehr, z. B. im Rahmen von KreditWertpapier- oder Devisengeschäften sowie von Unternehmensbeteiligungen. Der Wert aller ökonomischen Transaktionen, die Inländer mit Ausländern in einem bestimmten Zeitraum abwickeln, wird in der Zahlungsbilanz eines Landes erfasst. Anders als der Begriff vermuten lässt, enthält die Zahlungsbilanz keine Aufzeichnung von Bestandsgrößen, die sich auf einen Zeitpunkt beziehen, sondern von Stromgrößen, die die Transaktionswerte innerhalb eines Zeitraums beschreiben. Zur

systematischen Erfassung

der internationalen Transaktionen ist

es

üblich, die Zahlungsbilanz in Teilbilanzen aufzugliedern. Die Tabelle 1.1

zeigt, welche internationalen Transaktionen den verschiedenen Teilbilanzen zugeordnet werden.

Außenwirtschaft und Globalisierung Tabelle 1.1: Struktur einer Zahlungsbilanz Salden der Teilbilanzen

Transaktionen

Saldo der Handelsbilanz

Warenexporte minus Warenimporte Exporte von Dienstleistungen Saldo der minus Importe von DienstDienstleistungsbilanz leistungen Empfangene Faktoreinkommen Saldo der (Erwerbs- und Vermögensein- Faktoreinkommenskommen) minus geleistete bilanz

Saldo der

Leistungsbilanz (LB)

Faktoreinkommen

Empfangene laufende Übertragungen minus geleistete laufende

Übertragungen

Saldo der Bilanz der laufenden Übertragungen

Vermögensübertragungen vom Saldo der Ausland minus VermögensVermögensübertragungsbilanz (VB) übertragungen an das Ausland Ausländische Direktinvestitionen im Inland minus inländische Direktinvestitionen im Ausland

Ausländischer Erwerb inländischer Wertpapiere minus inländischer Erwerb ausländischer Wertpapiere

Saldo der Direktinvestitionsbilanz

Saldo der

Wertpapierbilanz

Saldo der

Kapitalbilanz (KB)

Ausländische Kreditgewährung Saldo der an Inländer minus inländische Bilanz des KreditverAusländer an kehrs und der sonstigen Kreditgewährung

(inkl. sonstige Anlagen)

Anlagen

Veränderung der Auslandsforderungen der Zentralbank minus Veränderung der Auslandsverbindlichkeiten der Zentralbank

Veränderung der Währungsreserven (AWR)

Die Handels- und Dienstleistungs- und Faktoreinkommensbilanz sowie die Bilanz der laufenden Übertragungen werden zur Leistungsbilanz zusammengefasst. Die Leistungsbilanz enthält die Leistungstransaktionen, die im statistischen Sinne einen direkten Einfluss auf die inländischen Einkommen haben. Die laufenden unentgeltlichen Übertragungen gehen in die

4

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

weil sie unmittelbar die verfügbaren Einkommen der Inländer berühren. Die unentgeltlichen Vermögensübertragungen werden demgegenüber in der Vermögensübertragungsbilanz gesondert erfasst. Diese haben unmittelbar nur einen Einfluss auf Vermögensbestände, nicht aber auf Einkommen.

Leistungsbilanz ein,

Kapitalbilanz werden alle internationalen Finanztransaktionen gevon privaten Wirtschaftssubjekten und von öffentlichen Haushalten (mit Ausnahme der Zentralbank) durchgeführt werden. Man unterscheidet hier zwischen Direktinvestitionen, Wertpapieranlagen sowie Krediten und sonstigen internationalen Anlagen. Zu den Direktinvestitionen zählen alle Kapitalanlagen, durch die Beteiligungen an Unternehmungen In der

bucht, die

mehr als 20 Prozent erreicht werden oder die im Rahmen solcher Beteiligungen stattfinden. Es wird vermutet, dass bei solchen Beteiligungen das Ziel einer unternehmerischen Tätigkeit im Vordergrund steht. Demgegenüber geht es bei den Wertpapieranlagen und einem erheblichen Teil des Kreditverkehrs primär um die Erzielung von Zinserträgen am internationalen Kapitalmarkt. Solche zinsinduzierten internationalen Transaktionen werden als Portfolioinvestitionen bezeichnet. von

Der Kreditverkehr schließt allerdings auch internationale Transaktionen ein, bei denen die Zinserzielung keine oder nur eine unwesentliche Rolle spielt. Hervorzuheben sind diesbezüglich Handelskredite, die im Rahmen von Waren- und Dienstleistungstransaktionen gewährt werden, sowie öf-

fentliche Kredite, die Gegenstand entwicklungspolitischer Maßnahmen sind. Das gilt gleichermaßen auch für die sonstigen Anlagen, zu denen beispielsweise Transaktionen im Rahmen von öffentlichen Beteiligungen an internationalen Institutionen, z. B. an Entwicklungsbanken, zählen. Abgerundet wird die Zahlungsbilanz schließlich von der Devisenbilanz, in der alle Transaktionen ihren Niederschlag finden, durch die die Währungsreder Zentralbank verändert werden. Die Aufzeichnungen in der Zahlungsbilanz erfolgen nach dem Prinzip der doppelten Buchführung. Gebucht wird nicht nur die originäre Leistungsoder Finanztransaktion, sondern auch jeweils die entsprechende Gegenserven

leistung. •



Werden

beispielsweise Waren im Rahmen der Entwicklungshilfe unentgeltlich an das Ausland abgegeben, so erfolgt gleichzeitig eine Buchung in der Handelsbilanz (Warenexporte) und in der Bilanz der laufenden Übertragungen (geleistete Übertragungen). Werden Güter importiert und gewährt der ausländische Exporteur dafür einen Handelskredit, so sind diese Transaktionen in der Handelsbilanz (Warenimporte) und in der Bilanz des Kreditverkehrs (ausländische Kreditgewährung an Inländer) zu buchen.

Außenwirtschaft und Globalisierung •

5

Kaufen Inländer ausländische Wertpapiere und werden dabei Devisen eingesetzt, die aus den Beständen der Zentralbank stammen, so erfolgt die Buchung in der Wertpapierbilanz (inländischer Erwerb ausländischer Wertpapiere) und in der Devisenbilanz (Verringerung der Auslandsfor-

derungen bzw. der Währungsreserven der Zentralbank). Mit Blick auf die Tabelle 1.1 resultiert aus dem Prinzip der doppelten Buchführung die folgende Zahlungsbilanzgleichung: AWR LB + VB + KB (1.1) Die Veränderung der Währungsreserven der Zentralbank entspricht der Summe der Salden der Leistungsbilanz, der Vermögensübertragungsbilanz und der Kapitalbilanz. In den internationalen Statistiken ist es üblich, analog zum Saldo der Kapitalbilanz einen Saldo der Devisenbilanz auszuweisen, der sich aus der Differenz zwischen der Veränderung der Auslandsverbindlichkeiten und der Veränderung der Auslandsforderungen der Zentralbank ergibt. Dieser Saldo hier mit DB bezeichnet entspricht somit der negativen Veränderung der Währungsreserven: DB -AWR (1.2) Setzt man diese Beziehung in die Gleichung (1.1) ein, so erhält man: LB + VB + KB + DB 0 (1.3) Diese Gleichung zeigt unmittelbar, dass sich die Salden der Teilbilanzen der Zahlungsbilanz zu null addieren. In diesem Sinne ist die Zahlungsbilanz immer ausgeglichen. Exkurs: Buchungsbeispiele für internationale Transaktionen =

-

-

=

=

Zusammenhänge in einer Zahlungsbilanz zu verdeutlichen, werden einige Buchungsbeispiele in der Zahlungsbilanz eines Landes betrachtet. Die folgenden internationalen Transaktionen mögen stattfinden: (1) Inländische Unternehmen exportieren Waren im Wert von 150 Mrd. €. Es kommt dadurch in gleicher Höhe zu einem Devisenzufluss, durch den die Währungs- bzw. Devisenreserven der Zentralbank erhöht werden. (2) Inländische Unternehmungen importieren Waren im Wert von 100 Mrd. €. Um die

Die ausländischen Lieferanten räumen in Höhe dieses Betrags Handelskredite ein, die erst nach Ablauf des Zeitraums, für den die Zahlungsbilanz erstellt wird, zurückzuzahlen sind. (3) Zur Aufbauhilfe werden einem Entwicklungsland vom Inland unentgeltlich Waren im Wert von 30 Mrd. € zur Verfügung gestellt. (4) Im Rahmen einer Erbschaft fallen Inländern die Eigentumsrechte an ausländischen Grundstücken im Wert von 5 Mrd. € zu.

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Das Inland verzichtet im Rahmen eines Schuldenerlasses auf Forderungen gegen ein Entwicklungsland in Höhe von 10 Mrd. €. (6) Ausländische Unternehmungen beteiligen sich an inländischen Unternehmungen mit einem Betrag von 25 Mrd. €. Die ausländischen Anleger nehmen in Höhe dieses Betrags Kredite bei inländischen Banken auf. (7) Inländer erwerben ausländische Wertpapiere im Wert von 120 Mrd. €. Das impliziert einen Devisentransfer in gleicher Höhe, durch den die Währungs- bzw. Devisenreserven der Zentralbank verringert werden. Die Buchungen (a) und Gegenbuchungen (b) sind in der folgenden Tabelle dargestellt worden.

(5)

Tabelle 1.2:

Teilbilanzen Handelsbilanz

Bilanz der lfd.

Übertragungen

Buchungsbeispiele in einer Zahlungsbilanz Betrag Transaktionen (1a) (2a) (3b) (3a)

Warenexporte Warenimporte Warenexporte Geleistete

Übertragungen

Mrd.€ 150 -100 30 -30

Leistungsbilanz

(4a) Vermögensübertragungen vom Ausland Vermögensübertragungsbilanz (5a) Vermögensübertragungen an Direktinvestitionsbilanz

(6a) (4b)

Wertpapierbilanz (7a) Bilanz des Kreditverkehrs und der sonstigen

Anlagen

(2b)

(6b) (5b)

das Ausland Ausländische Direktinvestitionen im Inland Inländische Direktinvestitionen im Ausland Inländischer Erwerb ausländischer Wertpapiere_ Ausländische Kreditgewährung an das Inland Inländische Kreditgewährung an das Ausland Verringerung der inländischen Kreditforderungen gegen das

Ausland_

5

-10 25 -5 -120

100

-25 10

Kapital bilanz Devisenbilanz

(1b) Erhöhung der Währungsreserven (7b) Verringerung der Währungsreserven

-150 120

Außenwirtschaft und Globalisierung

Bei den Buchungen ist Folgendes zu beachten: Bei den Warenexporten gemäß (1) sind sowohl die Leistungsbilanz als auch die Devisenbilanz betroffen. Neben der Verbesserung der Leistungsbilanz ergibt sich eine Erhöhung der Währungsreserven. Damit geht eine negative Veränderung der Devisenbilanz einher. • Die Transaktionen im Rahmen der Warenimporte gemäß (2) gehen in die Leistungsbilanz und in die Kapitalbilanz ein. Die Leistungsbilanz wird verschlechtert, wogegen sich die Kapitalbilanz um den gleichen Betrag verbessert. Die ausländische Kreditgewährung an die Inländer stellt einen Kapitalimport dar. • Die unentgeltlichen Warenlieferungen gemäß (3) müssen gleichzeitig in der Übertragungs- und in der Handelsbilanz gebucht werden. Der Verschlechterung der Bilanz der laufenden Übertragungen steht in gleicher Höhe eine Verbesserung der Handelsbilanz gegenüber. Der Saldo der Leistungsbilanz bleibt somit von diesen Transaktionen unberührt. • Der Erbschaftsfall gemäß (4) wird in der Vermögensübertragungs- und in der Direktinvestitionsbilanz verbucht. Einerseits handelt es sich um eine unentgeltliche Übertragung vom Ausland an das Inland, andererseits verbleibt dieser Vermögensbesitz im Ausland, so dass Direktinvestitionen von Inländern im Ausland vorliegen. • Der Schuldenerlass gemäß (5) stellt eine unentgeltliche Vermögensübertragung an das Ausland dar. Zugleich verringern sich dadurch die Kreditforderungen des Inlands gegen das Ausland. Dementsprechend wird die Vermögensübertragungsbilanz verschlechtert und die Bilanz des Kreditverkehrs verbessert. Dass sich bei dieser Transaktion eine Verbesserung der Kapitalbilanz ergibt, erscheint auf den ersten Blick paradox zu sein. Zu beachten ist allerdings, dass die Verringerung inländischer Forderungen gegen das Ausland einen Kapitalimport darstellt, durch den sich die Kapitalbilanz verbessert. • Die ausländischen Direktinvestitionen im Inland gemäß (6) stellen einerseits einen Kapitalimport dar, der in der Direktinvestitionsbilanz zu buchen ist, bedeuten andererseits aber aufgrund der inländischen Kreditgewährung einen Kapitalexport, der in der Bilanz des Kreditverkehrs gebucht wird. Die Kapitalbilanz bleibt somit unberührt. • Der Erwerb ausländischer Wertpapiere durch Inländer gemäß (7) ist ein Kapitalexport. Die Wertpapierbilanz und die Kapitalbilanz werden somit um diesen Betrag verschlechtert. Weil sich die Währungsreserven in gleicher Höhe verringern, erfolgt die Gegenbuchung in der Devisenbilanz. Insgesamt verbessert sich die Leistungsbilanz um 50 Mrd. €, wogegen die Vermögensübertragungsbilanz um 5 Mrd. € und die Kapitalbilanz um 15 Mrd. € verschlechtert werden. Die Währungsreserven der Zentralbank erhöhen sich konsequenterweise um 30 Mrd. €. Dieses Ergebnis findet sich in •

1

1

I I

1

I I

I

7

Übereinstimmung mit der Zahlungsbilanzgleichung (1.1).

8

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Bewertungsverfahren und -probleme Bei Warenlieferungen ins Ausland und aus dem Ausland fallen in der Regel Transport- und Versicherungskosten an, die vom Lieferanten und vom Abnehmer oder anteilig von beiden getragen werden müssen. Vor einer Buchung in der Zahlungsbilanz ist zu klären, inwieweit solche Kosten dem Wert der Warenexporte oder der Warenimporte zugerechnet werden sollen. Zwei Bewertungsverfahren sind international gebräuchlich: • Bei einer Bewertung gemäß „fob" (free on board) sind im Wert der Warenlieferungen die Transport- und Versicherungskosten bis zur Grenze 1.1.3

des Lieferlandes enthalten. • Bei einer Bewertung gemäß cif" (cost, insurance, freight) enthält der Wert der Warenlieferungen die Transport- und Versicherungskosten bis zur Grenze des Abnehmerlandes. Die Warenexporte werden in der Regel gemäß „fob" bewertet, wogegen bei den Warenimporten beide Verfahren zu finden sind. Die Wahl des Bewertungsverfahrens hat sowohl Bedeutung für die Höhe der Salden der Handelsbilanz und der Dienstleistungsbilanz als auch für die internationale Kompatibilität von Handelsbilanzsalden. Am Beispiel einer Warenlieferung zwischen Deutschland und den USA sei das erläutert. Ein deutscher Importeur möge Waren aus den USA beziehen, die unter Einschluss der Transport- und Versicherungskosten bis zur Einschiffung im amerikanischen Exporthafen einen Wert von 100.000 € haben. Die Frachtund Versicherungsleistungen bis zur deutschen Grenze mögen 5.000 € betragen. Es sei angenommen, dass diese Leistungen von einem amerikanischen Spediteur erstellt werden. „

Bei einer

Bewertung gemäß „fob" werden in der Handelsbilanz der USA Warenexporte in Höhe von 100.000 € und in der Handelsbilanz Deutschlands Warenimporte ebenfalls in Höhe von 100.000 € gebucht. Gleichzeitig findet ein Dienstleistungsexport der USA sowie ein Dienstleistungsimport Deutschlands in Höhe von 5.000 € statt, der jeweils in der Dienstleistungsbilanz zu buchen ist. Vor diesem Hintergrund verbessert sich die amerika-

nische Handelsbilanz um 100.000 € und die amerikanische Dienstleistungsbilanz um 5.000 €. Dem steht jeweils in gleicher Höhe eine Verschlechterung der deutschen Handelsbilanz und der deutschen Dienstleis-

tungsbilanz gegenüber. Würden die Exporte in den USA gemäß „fob", die deutschen Importe demgegenüber jedoch gemäß „cif bewertet, so ergäbe sich Folgendes: In

den USA verbessert sich die Handelsbilanz um 100.000 € und die Dienstleistungsbilanz um 5.000 €. Dem steht eine Verschlechterung der deutschen Handelsbilanz um 105.000 € gegenüber. Die deutsche Dienstleistungsbi-

Außenwirtschaft und Globalisierung

9

lanz bleibt unberührt. Die Kompatibilität von Handelsbilanzen und Dienstleistungsbilanzen ist in diesem Fall somit nicht mehr gegeben. Allerdings haben die Bewertungsunterschiede keinen Einfluss auf den Saldo der Leis-

tungsbilanz.

Obwohl eine einheitliche Bewertung gemäß „fob" im Interesse einer internationalen Vergleichbarkeit von Handelsbilanzen wünschenswert wäre, ist die Bewertung von Warenimporten nach dem „cif '-Verfahren weiterhin gebräuchlich. Für das Empfängerland sind damit zwei Vorteile verbunden: Zum einen liegt dem gesamten Warenverkehr der Wert an der eigenen Grenze zugrunde und zum anderen entfällt die oftmals aufwendige Beschaffung von Informationen über die Transport- und Versicherungskosten zwischen den Lieferländern und der eigenen Grenze. Die

Kompatibilität von Handelsbilanzen wird auch vom Zeitpunkt der Erfassung bzw. Buchung der internationalen Transaktionen berührt. Als Alternativen bieten sich beispielsweise der Zeitpunkt der Lieferung oder der Zeitpunkt der Zahlung an. Es ist allerdings üblich, dem güterwirtschaftlichen Transferzeitpunkt und nicht dem Zeitpunkt des entgegen gerichteten monetären Transfers den Vorzug zu geben. Ein Land erfasst seine Warenexporte und Warenimporte deshalb im Allgemeinen zum Zeitpunkt des materiellen Überschreitens der eigenen Grenzen. Bei längeren Transportwegen fallen dabei aber die Zeitpunkte der Erfassung im Liefer- und Empfängerland u.U. auseinander. Zwischen den für einen bestimmten Zeitraum festgestellten nationalen Handelsbilanzsalden kann es deshalb zu gewissen Divergenzen kommen. Abweichungen zwischen den Liefer- und den Zahlungsterminen schlagen sich in der Kapitalbilanz eines Landes nieder. Erfolgt eine Zahlung auf Ziel, so ist in der Kapitalbilanz des Lieferlandes eine Kreditgewährung und in der Kapitalbilanz des Empfängerlandes eine Kreditaufnahme zu buchen. In der Praxis erweist sich jedoch die statistische Erfassung solcher Kreditbeziehungen und der genauen Zahlungstermine im Zusammenhang mit Gütertransaktionen als äußerst schwierig, zumal hierüber seitens der Exund Importeure in der Regel keine umfassende Auskunftspflicht besteht. Wie weiter unten noch deutlich wird, ist das ein Grund für Erhebungsfehler, die sich nach statistischer Aufbereitung darin zeigen, dass die Zahlungsbilanzgleichung (LI) nicht erfüllt ist. 1.1.4 Die

Zahlungsbilanzen Deutschlands und der Europäischen Wäh-

rungsunion Die Tabelle 1.3

zeigt die Zahlungsbilanzen Deutschlands und der Europäischen Währungsunion im Jahr 1999 jeweils im Hinblick auf die Salden von

Teilbilanzen.

10

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Tabelle 1.3: Die Zahlungsbilanzen Deutschlands und der Europäischen Währungsunion im Jahr 1999 Saldo der Teilbilanzen Handelsbilanz

Dienstleistungsbilanz Faktoreinkommensbilanz Bilanz der laufenden Übertragungen

Leistungsbilanz Vermögensübertragungsbilanz Direktinvestitionsbilanz

Wertpapierbilanz

BRD Mrd. €

60,1 -40,8

-11,9 -25,7 -18,3

EWU Mrd. €

83,4

-11,8 -32.4

-43,6 -18,6

-45,0 -5,? 13,5 -120,6 -41,7

33,1 -29,2 35,1

171,2 8,9 -26,8

+12,5

+ 10,2

-0,1

Bilanz des Kreditverkehrs und der sonstigen

Anlagen Kapitalbilanz Restposten Devisenbilanz

(Zunahme der Währungsreserven: -; Abnahme der Währungsreserven: + )

Quelle: Deutsche Bundesbank, Zahlungsbilanzstatistik, Februar 2001; Europäische Zentralbank, Monatsbericht, Februar 2001. Auf einige bemerkenswerte Details sei kurz •





eingegangen: Die Handelsbilanzen weisen jeweils einen positiven Saldo und damit einen Exportüberschuss im Warenverkehr auf. Exportüberschüsse waren

auch in früheren Jahren zu beobachten, so dass im Bereich des Warenhandels sowohl für Deutschland als auch für die Europäische Währungsunion offenbar eine relativ hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit besteht. Die Dienstleistungsbilanz ist jeweils negativ. Deutschland weist einen besonders hohen Importüberschuss bei Dienstleistungen auf, der insbesondere auf erhebliche Defizite (in Höhe von etwa 30 Mrd. €.) in der Reiseverkehrsbilanz zurückzuführen ist. Die Faktoreinkommensbilanzen sind ebenfalls negativ, wobei vor allem die Nettokapitalerträge zu Buche schlagen, die an das Ausland überwiesen wurden. Für Deutschland machten sie einen Betrag von etwa 12 Mrd. € aus.

11

Außenwirtschaft und Globalisierung

Defizitär sind auch die Bilanzen der laufenden Übertragungen. Maßgeblich dafür sind Überweisungen an internationale Organisationen sowie Leistungen im Rahmen von Entwicklungshilfen. Auffallend ist das hohe Defizit in der Direktinvestitionsbilanz sowohl für Deutschland als auch für die Europäische Währungsunion. Die Anlagen von Inländern im Ausland übertrafen somit im Berichtszeitraum bei weitem die ausländischen Anlagen in den betrachteten Ländern. Häufig wird das Defizit bei den Direktinvestitionen mit einer relativ schlechten Standortqualität eines Landes in Verbindung gebracht. Ein solcher, negativ bewerteter Zusammenhang ist zwar nicht auszuschließen, aber es kann sehr wohl andere Gründe für Nettodirektinvestitionen im Ausland geben, die in einem positiven Licht zu sehen sind. So ist es beispielsweise möglich, dass deutsche und andere europäische Unternehmungen im Zuge der Globalisierung weltweit Produktionsstandorte aufbauen oder ausweiten und erst dadurch die Zukunft der deutschen bzw. europäischen Mutterunternehmungen sichern. Die Leistungsbilanzen sind im Berichtszeitraum jeweils defizitär. Der Handelsbilanzüberschuss reichte somit nicht aus, die Defizite in den drei anderen Teilbilanzen auszugleichen. Deutschland weist bereits seit 1991 Leistungsbilanzdefizite auf, wogegen in der Zeit davor meistens Leistungsbilanzüberschüsse zu verzeichnen waren. Maßgebliche Ursachen dafür sind zum einen in einem permanenten Anstieg der Defizite in der Dienstleistungsbilanz und zum anderen in den seit Jahren sehr hohen Defiziten in der Bilanz der laufenden Übertragungen zu sehen. Erhebliche Bedeutung haben dabei die hohen Defizite im Reiseverkehr sowie die Nettozahlungen Deutschlands an die Europäische Union. Die (negative) Veränderung der Währungsreserven sowohl Deutschlands als auch der Europäischen Währungsunion lässt sich nicht allein mit den statistisch entwickelten Salden der Leistungsbilanz, der Vermögensübertragungsbilanz und der Kapitalbilanz erklären. In Deutschland ergab sich in diesem Zusammenhang im Jahr 1999 ein Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen ein sogenannter Restposten in Höhe von 35,1 Mrd. €. Der Restposten der EWU betrug -26,8 Mrd. €. Im Wesentlichen sind diese Restposten auf statistische Erfassungsmängel zurückzuführen. Im Einzelnen verbergen sich dahinter beispielsweise Transaktionen im Rahmen des Reiseverkehrs, die sich nicht exakt erheben lassen, oder internationale Finanztransaktionen, die z. B. aus Gründen der Steuerhinterziehung unter Umgehung von Meldepflichten vorgenommen werden. Vor diesem Hintergrund besitzen die ausgewiesenen Salden der Leistungsbilanz, der Vermögensübertragungsbilanz und der Kapitalbilanz nur eine beschränkte Aussagekraft. Es ist unmöglich, festzustellen, mit welchen Ungenauigkeiten die Salden der drei Teilbilanzen -

-

12

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

behaftet sind. Die einzige in den Zahlungsbilanzstatistiken genau ausgewiesene Größe ist die Veränderung der Währungsreserven der Zentralbank. Im Hinblick auf die statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen muss die Zahlungsbilanzgleichung (1.1) um den Restposten bzw. die Restpostenbilanz RB ergänzt werden:

(1.4)

AWR

=

LB

+

VB

+

KB

+

RB

Bei Berücksichtigung des Saldos der Devisenbilanz erhält man:

(1.5)

LB

+

VB

+

KB

+

DB

+

RB

=

0

Die Salden der Leistungsbilanz, der Vermögensübertragungsbilanz, der Kapitalbilanz und der Devisenbilanz addieren sich somit wegen der statistischen Erhebungsprobleme nicht zu null. Der Ausgleich der Zahlungsbilanz wird über die Bildung des Restpostens RB „künstlich" hergestellt. Weil der Restposten nur auf Fehler in den statistischen Erhebungen zurückzuführen ist, findet er sich lediglich in den Zahlungsbilanzstatistiken. In den theoretischen Untersuchungen zur Zahlungsbilanz, in denen die Leistungs- und Finanztransaktionen vollständig erfasst und erklärt werden, spielt ein Restposten konsequenterweise keine Rolle. In den folgenden Analysen, in denen empirische Erfassungsprobleme überwiegend keine Bedeutung haben und die häufig theoretisch angelegt sind, wird deshalb die Zahlungsbilanzgleichung (1.1) oder die Gleichung (1.3) verwendet. 1.1.5

Zahlungsbilanz und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Vor allem für Analysen zur internationalen Makroökonomik sind die Zusammenhänge zwischen den in der Zahlungsbilanz erfassten inter-

nationalen Transaktionen und den nationalen makroökonomischen Größen von erheblicher Bedeutung. Diese Zusammenhänge werden in den Tabellen 1.4 bis 1.7 verdeutlicht. Tabelle 1.4:

Außenbeitrag, Finanzierungssaldo und Zahlungsbilanz

Saldo der Handels- und der Dienstleistungsbilanz

Saldo der Faktoreinkommensbilanz

Saldo der Bilanzen der lfd. Übertragungen und der

Vermögensübertragungen

Außenbeitrag Bruttoinlandsprodukt Außenbeitrag zum

zum =

Bruttonationaleinkommen

Finanzierungssaldo Negativer Saldo der Kapitalbilanz zzgl. Veränderung der Währungsreserven

Außenwirtschaft und Globalisierung

13

Die Salden der Handelsbilanz und der Dienstleistungsbilanz entsprechen dem Außenbeitrag im Rahmen des Bruttoinlandsprodukts. Das Bruttoinlandsprodukt setzt sich auf der Entstehungsseite zusammen aus den Einkommen, die aus dem Einsatz von Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital) im Inland resultieren, aus den Abschreibungen sowie der Differenz zwischen den Produktions- und Importabgaben und den Subventionen. Dem stehen auf der Verwendungsseite der private und öffentliche Konsum, die privaten und öffentlichen Bruttoinvestitionen sowie die Differenz zwischen den Waren- und Dienstleistungsexporten auf der einen und den Waren- und Dienstleistungsimporten auf der anderen Seite gegenüber. Diese außenwirtschaftliche Differenz ergibt den Saldo der Waren- und Dienstleistungsbilanz. Sie wird als Außenbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt bezeichnet. Tabelle 1.5: Einkommen Inland

aus

Außenbeitrag und Bruttoinlandsprodukt

Faktoreinsatz im

Abschreibungen im Inland Produktions- und Importabgaben (indirekte Steuern)

minus Subventionen

Bruttoinlandsprodukt (BIP)

Konsum im Inland Bruttoinvestitionen im Inland

Saldo der Waren- und

Dienstleistungsbilanz Außenbeitrag zum BIP Bruttoinlandsprodukt (BIP) =

Das Bruttoinlandsprodukt entsteht somit aus dem Einsatz von Produktionsfaktoren im Inland. Entscheidend dabei ist, dass sich diese Faktoren im Besitz von Inländern oder von Ausländem befinden können. Sofern Ausländer Produktionsfaktoren besitzen, fließt ein Teil des in der Inlandsproduktion entstandenen Einkommens ins Ausland ab. Andererseits erhalten Inländer Einkommen aus dem Ausland, wenn sie dort Produktionsfaktoren besitzen. Die grenzüberschreitenden Faktoreinkommen aus dem Besitz von inländischen Produktionsfaktoren im Ausland und aus dem ausländischen Besitz im Inland werden in der Faktoreinkommensbilanz erfasst. Werden diese berücksichtigt, so gelangt man zum Bruttonationaleinkommen bzw. zum

Bruttosozialprodukt.

Das Bruttonationaleinkommen setzt sich auf der Entstehungsseite aus den Faktoreinkommen von Inländern, den Abschreibungen sowie der Differenz aus Produktions- und Importabgaben und Subventionen zusammen. Hier werden somit die Faktoreinkommen erfasst, die Inländern zufließen und zwar unabhängig davon, ob diese Produktionsfaktoren im Inland oder im Ausland eingesetzt werden. Wie sich der Verwendungsseite des Nationaleinkommenskontos bzw. der rechten Spalte der Tabelle 1.6 entnehmen -

Wirtschaftsbeziehungen

Internationale

14

man zum Bruttonationaleinkommen, indem dem Bruttoinder Saldo der Faktoreinkommensbilanz hinzugefügt wird. landsprodukt Ergänzend sei erwähnt, dass die Faktoreinkommen der Inländer auch als Volkseinkommen bezeichnet werden.

lässt, gelangt

Tabelle 1.6:

Außenbeitrag und Bruttonationaleinkommen

Faktoreinkommen von Inländern Volkseinkommen Abschreibungen im Inland Produktions- und Importabgaben (indirekte Steuern) minus Subventio=

nen

Konsum im Inland Bruttoinvestitionen im Inland Saldo der Waren- und Dienstleistungsbilanz und Saldo der Faktoreinkommensbilanz -

Außenbeitrag zum BNE_

Bruttonationaleinkommen (BNE)

Bruttonationaleinkommen (BNE)

Zieht man vom Bruttonationaleinkommen die gesamten Konsumausgaben und die Bruttoinvestitionen ab und fügt alle Nettotransfers aus dem Ausland, die aus den laufenden Übertragungen und den Vermögensübertragungen resultieren, hinzu, so erhält man den Finanzierungssaldo des betrachteten Landes. Wie bereits in der Tabelle 1.4 gezeigt, entspricht diesem Finanzierungssaldo im außenwirtschaftlichen Bereich die Summe der Salden aus Waren-, Dienstleistungs- und Faktoreinkommensbilanz, der Bilanz der laufenden Übertragungen sowie der Vermögensübertragungsbilanz. Tabelle 1.7: Bruttonationaleinkommen (BNE) Konsum im Inland Bruttoinvestitionen im Inland

Dienstleistungsbilanz +

Saldo der Faktor-

+

einkommensbilanz Saldo der Bilanz der

+

lfd. Übertragungen Saldo der Vermögens-

-

-

+

Nettoübertragungen aus

dem Ausland

Finanzierungssaldo

Saldo der Waren- und

Veränderung der Währungsreserven Saldo der Kapitalbilanz -

übertragungsbilanz

Finanzierungssaldo (FS) Finanzierungssaldo (FS) Finanzierungssaldo (FS) Struktur einer Zahlungsbilanz sowie der Zahlungsbilanzgleichung (1.1) ist zu entnehmen, dass der Summe dieser Salden die Differenz zwischen der Veränderung der Währungsreserven der Zentralbank und dem Saldo der Kapitalbilanz gegenübersteht. Zwischen dem Finanzierungssaldo eines Landes und den außenwirtschaftlichen Transaktionen besteht somit der folgende Zusammenhang: Der Tabelle 1.1

(1.6)

FS

=

LB

zur

+

VB

=

AWR

KB -

Außenwirtschaft und Globalisierung

15

Die Salden der Waren-, Dienstleistungs- und Faktoreinkommensbilanz sowie der Bilanz der laufenden Übertragungen wurden hier zum Saldo der Leistungsbilanz LB zusammengefasst. Das betrachtete Land besitzt somit gegenüber dem Ausland einen Finanzierungsüberschuss, wenn die Summe der Salden aus Leistungs- und Vermögensübertragungsbilanz positiv ist. Dem entspricht zugleich eine positive Differenz zwischen der Veränderung der Währungsreserven und dem Saldo der Kapitalbilanz. Umgekehrt liegt ein Finanzierungsdefizit gegenüber dem Ausland vor, wenn die Summe der Salden aus Leistungs- und Vermögensübertragungsbilanz negativ ist.

Finanzierungssaldo und Nettoauslandsposition Der Finanzierungssaldo zeigt zugleich, wie sich die Finanzierungsposition eines Landes gegenüber dem Ausland in einer bestimmten Periode verändert hat. Bei einem Finanzierungsüberschuss entstehen Nettoforderungen des Inlands gegen das Ausland, bei einem Finanzierungsdefizit erwirbt das Ausland Nettoforderungen gegen das Inland. Die gesamten Nettoforderungen eines Landes gegen das Ausland die Nettoauslandsforderungen werden als Nettoauslandsposition bezeichnet. Während der Finanzierungssaldo eine Stromgröße ist, die sich auf einen bestimmten Zeitraum (in der Regel auf ein Jahr) bezieht, ist die Nettoauslandsposition eine Bestandsgröße, die für einen bestimmten Zeitpunkt (z. B. den 31.12. eines Jahres) definiert ist. Die Nettoauslandsposition resultiert zum einen aus den vergangenen Finanzierungssalden im Rahmen der 1.1.6

-

-

internationalen Transaktionen des betrachteten Landes und zum anderen aus Veränderungen der Bewertung der Nettoauslandsforderungen (bzw. der Nettoauslandsverbindlichkeiten). Der Finanzierungssaldo gibt somit nur die Veränderung der Nettoauslandsposition an, die aus den internationalen Transaktionen in der betrachteten Periode resultieren:

(1.7)

ANAPT

=

FS

Der Index T steht hier für die durch Transaktionen induzierte Veränderung der Nettoauslandsposition.

maßgeblichen Ursachen von Bewertungsänderungen der Nettoauslandsposition zählen die Wechselkursänderungen, die Kursänderungen von Wertpapieren sowie Veränderungen des Goldpreises. Die Nettoauslandsposition eines Landes wird in der Inlandswährung ausgewiesen, so dass Wechselkursänderungen unmittelbar Veränderungen der Werte der in Auslandswährung nominierten Forderungen und Verbindlichkeiten nach sich ziehen. Darüber hinaus liegen Bewertungsänderungen vor, wenn sich die Bestandspreise von Direktbeteiligungen im Ausland oder die Kurse von Wertpapieren (einschließlich Aktien) verändern. Schließlich ist zu beachZu den

16

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

ten, dass die Währungsreserven der Zentralbank eines Landes in der Regel Goldreserven einschließen, deren Wert durch Preisänderungen an den internationalen Goldmärkten ebenfalls verändert wird. Der Zusammenhang zwischen dem Finanzierungssaldo und dem Saldo der Kapitalbilanz eines Landes gemäß Tabelle LI oder Gleichung (1.6) macht deutlich, dass ein positiver Saldo der Kapitalbilanz bzw. ein Nettokapitalimport ceteris paribus eine Verschlechterung des Finanzierungssaldos bewirkt. Dabei ist zu beachten, dass ein Nettokapitalimport wie der Tabelle 1.1 zu entnehmen ist ceteris paribus zu einer Erhöhung der Nettoforderungen von Ausländern gegenüber dem Inland führt. Sind beispielsweise die ausländischen Direktinvestitionen im Inland höher als die inländischen Direktinvestitionen im Ausland, so wird von hierher ceteris paribus der Finanzierungssaldo und damit auch die Nettoauslandsposition des Inlands verschlechtert. Denn diese positive Direktinvestitionsbilanz bedeutet, dass Ausländer ceteris paribus Nettoforderungen gegen das Inland erworben haben. Ähnliche Zusammenhänge gelten auch für die Wertpapiertransaktionen, den Kreditverkehr und die Transaktionen im Rahmen der sonstigen Kapitalanlagen. -

-

1.1.7 Gleichgewicht oder Ungleichgewicht in der Zahlungsbilanz Manchmal wird das Zahlungsbilanzgleichgewicht als ein wirtschaftspolitisches Ziel genannt. Die Zahlungsbilanz eines Landes ist aber ex post immer ausgeglichen, denn die Zahlungsbilanzgleichung (1.1) ist aufgrund des Prinzips der doppelten Buchführung jederzeit erfüllt. Das Ziel eines Zahlungsbilanzgleichgewichts macht somit nur Sinn in Bezug auf eine Teilbilanz oder auf mehrere Teilbilanzen der Zahlungsbilanz. So könnte beispielsweise das Ziel verfolgt werden, in einem längeren Zeitraum durchschnittlich eine ausgeglichene Leistungsbilanz zu erreichen oder sogar Leistungsbilanzüberschüsse zu realisieren. Ein anderes Ziel könnte darin bestehen, entweder in einem längeren Zeitraum im Durchschnitt einen Ausgleich der Direktinvestitionsbilanz oder einen Überschuss in der Direktinvestitionsbilanz zu erreichen. •

Ausgeglichene Leistungsbilanz Dieses Ziel ist vor allem für Länder von Bedeutung, deren Nettoauslandsposition bereits einen hohen negativen Betrag aufweist, deren Auslandsverbindlichkeiten somit größer sind als die Auslandsforderungen. Um ein weiteres Anwachsen der Nettoauslandsverbindlichkeiten zu verhindern, muss gemäß Gleichung (1.6) eine ausgeglichene Leistungsund Vermögensübertragungsbilanz erreicht werden. Da sich die Vermögensübertragungen in der Regel in engen Grenzen halten, spielt der Ausgleich der Leistungsbilanz die maßgebliche Rolle.

Außenwirtschaft und Globalisierung •

17

Überschuss in der Direktinvestitionsbilanz Ausländische Direktinvestitionen können eine erhebliche Bedeutung für Aufbau und Weiterentwicklung eines Landes haben. Ein Land könnte deshalb bemüht sein, z. B. mit steuerlichen Maßnahmen ausländische Direktinvestitionen im Inland zu fördern. Es ist allerdings zu beachten, dass von einer solchen Maßnahme auch Wirkungen auf die Leistungsbilanz ausgehen können. So ist es beispielsweise möglich, dass die Währung des betrachteten Landes durch die gezielte Erhöhung des Kapitalimports aufgewertet wird und sich dadurch eine Verschlechterung der Leistungsbilanz ergibt. Möglicherweise wird dadurch das Ziel, eine ausgeglichene Leistungsbilanz zu erreichen bzw. zu erhalten, verletzt.

1.1.8 Der Zusammenhang zwischen Leistungs- und Kapitalbilanz Wie in späteren

Kapiteln noch zu zeigen ist, hängt die Veränderung der Währungsreserven der Zentralbank im Rahmen der internationalen Transaktionen entscheidend davon ab, welches Wechselkurssystem praktiziert wird. Bei völlig freier Wechselkursbildung (in einem System flexibler Wechselkurse) beteiligt sich die Zentralbank eines Landes in aller Regel nicht am Geschehen auf den Devisenmärkten. Internationale Transaktionen des Landes haben deshalb keinen Einfluss auf den Bestand an Währungsreserven. In diesem Fall reduziert sich die Zahlungsbilanzgleichung (1.1) zu:

(1.8)

LB

+

VB

+

KB

=

0

Die Salden der Leistungs-, Vermögensübertragungs- und Kapitalbilanz addieren sich somit zu null. Sieht man von der quantitativ in der Regel nur unbedeutenden Vermögensübertragungsbilanz ab, so wird deutlich, dass einem Leistungsbilanzüberschuss zwingend eine negative Kapitalbilanz bzw. ein Nettokapitalexport gegenüberstehen muss. Umgekehrt wird ein Leistungsbilanzdefizit durch eine positive Kapitalbilanz bzw. durch einen Nettokapitalimport ausgeglichen. Dieser Ausgleich ist ex post immer gewährleistet. Allerdings lässt sich in einer Zahlungsbilanzstatistik nicht erkennen, welche Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge die Salden der Teilbilanzen der Zahlungsbilanz determiniert haben und welche Kausalzusammenhänge zwischen den in der Leistungsbilanz erfassten Leistungstransaktionen auf der einen Seite und den in der Kapitalbilanz erfassten Finanztransaktionen bestanden haben. Erkenntnisse darüber lassen sich nur im Rahmen theoretischer Analysen gewinnen. Theoretische Untersuchungen zu den Zusammenhängen zwischen Leistungs- und Finanztransaktionen werden in den folgenden Kapiteln wiederholt vorgenommen.

18

1.2

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Entwicklung und Struktur der Weltwirtschaft

1.2.1 Die

Entwicklung des Welthandels

Im Anschluss an die industrielle Revolution zunächst in Europa, anschließend auch in Nordamerika und in Japan, fand im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine erhebliche Intensivierung der weltwirtschaftlichen Beziehungen statt, die eine rasche Ausweitung des Welthandels mit sich brachte. Diese Entwicklung wurde durch den Ersten Weltkrieg und vor allem durch die große Weltwirtschaftskrise zwischen 1929 und 1933 jäh unterbrochen. In dieser Zeit ging das Welthandelsvolumen um etwa zwei Drittel des Standes von 1928/29 zurück. Zwar trat anschließend vorübergehend eine leichte Erholung ein, aber die nationalstaatlichen Bewegungen der 30er-Jahre, die überwiegend mit einer rigiden protektionistischen Außenwirtschaftspolitik verbunden waren, sowie der Zweite Weltkrieg verhinderten letztlich ein Wiedererstarken des Welthandels. Erst nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs gelang es, durch multilaterale Abkommen neue Ordnungssysteme für die Weltwirtschaft und damit wichtige Rahmenbedingungen für die Ausweitung der wirtschaftlichen Beziehungen zu schaffen. Von besonderer Bedeutung waren dabei das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT), das Währungssystem von Bretton Woods und die Errichtung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Die 50er- und die 60er-Jahre waren daraufhin von einem hohen Wachstum des Welthandelsvolumens geprägt, das einherging mit einer allgemeinen ökonomischen Prosperität in vielen Regionen der Welt. Trotz einiger Krisen insbesondere bedingt durch den Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton Woods 1971 sowie durch die drastischen Ölpreissteigerungen in den Jahren 1973/74 und 1979/80 hat sich die positive Entwicklung des Welthandels bis heute fortgesetzt. Das Schaubild 1.1 macht deutlich, wie sich das Exportvolumen bzw. die preisbereinigten Exporte in einigen Ländergruppen seit 1970 entwickelt haben. -

-

Das globale Exportvolumen ist in den 30 Jahren zwischen 1970 und 2000 um rund 350% gestiegen. Dem ist in etwa auch die Entwicklung des ExBemerkenswert ist das exportvolumens in den Industrieländern trem hohe Wachstum in den Entwicklungs- und Schwellenländern Asiens. Hier waren es zunächst (etwa ab 1975) die Stadtstaaten Hongkong und Singapur sowie die kleineren Länder Südkorea und Taiwan, die in einem beispiellosen industriellen Aufholprozess den Anschluss an den Entwick-

gefolgt.1

1

zu den Industrieländern: Australien, Island, Neuseeland, Norwegen, Japan, Kanada, Schweiz und USA sowie die EU-Länder Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien.

In den internationalen Statistiken zählen

19

Außenwirtschaft und Globalisierung

der Industrieländer schafften. Von diesen neuen asiatischen Industrieländern (den four little tigers) gingen maßgebliche Impulse auf die Entwicklung anderer Regionen in Asien aus. Etwa ab 1985 begann auch dort ein Entwicklungsprozess, der von einer ungewöhnlichen Ausweitung des Außenhandels begleitet war. Diese Entwicklung wurde zwar kurzzeitig (1997 bis 1999) durch die sogenannte Asienkrise gebremst, sie scheint sich aber wenn auch mit geringeren Wachstumsraten als früher in Zukunft fortzusetzen.

lungsstand

-

-

Abbildung 1.1: Regionale Entwicklung des Außenhandels (1970= 100)

o

H-1-1-1-1-1-1-1 1970

1975

1980

1985

1990

1995

2000

Jahr

Quelle: IMF, Balance of Payments Statistics, Yearbook 2000; IMF, Direction of Trade Statistics, Yearbook 2000.

Nach einer zwischen 1970 und 1990 eher verhaltenen Entwicklung des Exportvolumens zeigt sich in Lateinamerika etwa seit 1990 eine ähnliche Wachstumsdynamik wie in Asien. Wichtige Grundlagen dafür waren die Überwindung der Verschuldungskrise, die vor allem in den 80er-Jahren lähmend auf die Wirtschaft wirkte, Erfolge bei der binnenwirtschaftlichen und politischen Stabilisierung, die wirtschaftliche Integration Mexikos in die Nordamerikanische Freihandelszone NAFTA sowie die Errichtung der Südamerikanischen Freihandelszone MERCOSUR. Höchst problematisch ist demgegenüber die Entwicklung in Afrika. In der Zeit von 1970 bis 2000 lag die Wachstumsrate des Exportvolumens dort im Länder- und Jahresdurchschnitt bei nur etwa 2%. Der Vergleich mit der weltweiten Entwicklung sowie der Entwicklung in den anderen Ländergruppen macht bereits deutlich, dass sich die Welthandelsanteile des afrikanischen Kontinents erheblich verringert haben.

20

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Es besteht kein Zweifel daran, dass der Außenhandel von maßgeblicher Bedeutung auch für die binnenwirtschaftliche Entwicklung eines Landes ist. Vieles deutet darauf hin, dass sich die Inlandsprodukte und Inlandseinkommen im Sog des Außenhandels entwickeln. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die jährlichen Wachstumsraten der realen Exporte von Waren und Dienstleistungen in der gesamten Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg für alle Warengruppen und damit weltweit meistens größer waren als diejenigen der Bruttoinlandsprodukte. Hierin wird nicht zuletzt die starke Tendenz zur Globalisierung der Wirtschaft deutlich. Tabelle 1.8: Anteile am Welthandel (Jahresdurchschnitte) Zeitraum

Industrieländer

Afrika

Asien*

Lateinamerika

Rest

1970- 1984

69,4

4,1

7.8

5,4

13,3

1985

68,9

2,5

14.9

5,1

9,5

1999 -

*ohne Japan; einschl. neue asiatische Industrieländer. Quelle: IMF, Direction of Trade Statistics, Yearbook 2000; IMF, Balance of Payments Sta-

tistics, Yearbook 2000; eigene Berechnungen.

Die Tabelle 1.8 zeigt die Anteile am Welthandel verschiedener Ländergruppen jeweils im Jahresdurchschnitt in den Zeiträumen zwischen 1970 und 1984 sowie zwischen 1985 und 1999. Im gesamten Zeitraum entfallen mehr als zwei Drittel des Welthandels auf die Industrieländer. Analog zur Handelsentwicklung im Schaubild Abbildung LI wird einerseits der zunehmende Anteil Asiens, andererseits aber der gravierende Anteilsverlust Afrikas deutlich. Zu den übrigen Ländern (dem Rest) zählen die Erdöl exportierenden Staaten des Nahen Ostens sowie die osteuropäischen Länder. Der Rückgang seit 1985 ist insbesondere auf sinkende Erdölpreise sowie auf die Transformationsprozesse in den osteuropäischen Ländern zurückzuführen. 1.2.2 Internationale Handelsverflechtungen

Über die Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen sind die nationalen Gütermärkte der meisten Länder der Welt mehr oder weniger eng miteinander verbunden. Die Liberalisierung des internationalen Handels und die Globalisierung der Märkte bringt es mit sich, dass zum einen immer mehr Länder in das internationale Netzwerk eingebunden werden und zum anderen Wert und Volumen der internationalen Handelsverflech-

tungen ständig zunehmen. Die Tabelle 1.9 macht mit Bezug auf den Wert der Warenexporte die Handelsverflechtungen zwischen ausgesuchten Ländern und Ländergrup-

21

Außenwirtschaft und Globalisierung pen im Jahr 1999 deutlich. Sie

Verflechtungen

zeigt in einem ersten Block (dunkelgrau) die

zwischen Deutschland, Frankreich und der gesamten EU,

in einem zweiten Block (hellgrau) die Verflechtungen zwischen den Industrieländern, den Entwicklungsländern und der Welt insgesamt sowie in den beiden anderen Blöcken die Verflechtungen zwischen Deutschland, Frankreich und der EU auf der einen Seite sowie den Industrieländern, den Entwicklungsländern und der gesamten Welt auf der anderen Seite. Es ist zu beachten, dass Deutschland und Frankreich Mitglieder der EU sind und die EU in der Gruppe der Industrieländer enthalten ist. Die Gruppe der Entwicklungsländer umfasst hier auch die neuen asiatischen Industrieländer (Hongkong, Singapur, Südkorea und Taiwan), Schwellenländer (z. B. Mexiko), die in ihrer industriellen Entwicklung bereits weit vorangeschritten sind, die osteuropäischen Transformationsländer sowie die Erdöl exportierenden Länder des Nahen Ostens. Tabelle 1.9:

Welthandelsverflechtungen 1999

(Warenexporte in Mrd. US-Dollar) an

von

D

D

61,5 47,5

*

EU

IL"

305,1

407,4

128,1

535,6

192,3

239,6

66,3

305,9

EWL*

WELT

EU

260,8

214,9

1.345,8

1.700,5

465,0

2.165,5

IL"

332,3

245,4

1.675,9

2.690,6

1.018,1

3.708,7

EWL*

113,4

56,0

432,9

1.108,6

794,8

1.903,4

WELT

445,7

301,4

2.101,8

3.799,2

1.812,9

5.612,1

IL: Industrieländer; EWL: Entwicklungsländer, Schwellenländer, rieländer und nicht spezifizierte Lander

neue

asiatische Indust-

Quelle: IMF, Direction of Trade Statistics, Yearbook 2000; eigene Berechnungen. Die Tabelle macht deutlich, dass •





Deutschland und Frankreich den größten Teil ihrer Exporte (etwa 60% des Exportwerts) innerhalb der Europäischen Union abwickeln die Gruppe der Industrieländer, die 25 Staaten umfasst, zwei Drittel des gesamten Welthandels bestreitet (3708,7 von 5612,1) die EU einen Anteil am Welthandel von knapp 40% besitzt (2165,5 von

5612,1)



der Anteil des intra-regionalen Handels innerhalb der EU (Warenexporte der EU-Länder in andere EU-Länder) mit über 60% (1345,8 von 2165,5) sowie der intra-regionale Handel der Industrieländer (Warenex-

22

Internationale

Industrieländern in andere Industrieländer) mit über 70% (2690,6 von 3708,7) relativ hoch sind der intra-regionale Handel zwischen den Entwicklungsländern (Warenexporte von Entwicklungsländern in andere Entwicklungsländer) mit rund 40% (794,8 von 1903,4) noch vergleichsweise gering ist.

porte •

Wirtschaftsbeziehungen

von

Weitere Daten zu den internationalen Handelsverflechtungen lassen sich der Abbildung 1.2 und der Abbildung 1.3 entnehmen.

Abbildung 1.2: Handelsverflechtungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern

'

einschl. Mexiko; 'einschl. neue asiatische Industrieländer Quelle: IMF, Direction of Trade Statistics, Yearbook 2000, eigene

Berechnungen.

Die Abbildung 1.2 zeigt die Handelsverflechtungen (1999) zwischen den Industrieländern einerseits sowie den Entwicklungsländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas andererseits. Zu den Entwicklungsländern zählen auch hier wieder die neuen asiatischen Industrieländer sowie die Schwellenländer vor allem in Asien und Lateinamerika. Folgendes wird deutlich: •

Der Anteil des intra-regionalen Handels ist in der Gruppe der Industrieländer mit 72,5% am höchsten und innerhalb Afrikas mit 10,3% am geringsten. Darin kommt zugleich der Grad der wirtschaftlichen Integration zwischen Ländern einer bestimmten Region oder eines bestimmten Entwicklungsstandes zum Ausdruck. Der hohe Anteil des intra-regionalen

Außenwirtschaft und Globalisierung

23

Handels der Industrieländer spiegelt wider, dass hier zum einen die Gütermärkte weitgehend liberalisiert sind und zum anderen eine starke Differenzierung des Güterangebots gegeben ist. Die geringe Quote des intra-regionalen Handels in Afrika resultiert demgegenüber zum einen aus protektionistischen Marktzugangsbeschränkungen zwischen den Nachbarländern sowie zum anderen aus den nur gering differenzierten und ähnlichen Produktangeboten. • Der Exportanteil der Industrieländer ist mit 11,3% nach Asien, 6% nach Lateinamerika und lediglich 1,8% nach Afrika relativ gering. Umgekehrt weisen vor allem die Länder Afrikas und Lateinamerikas mit über 70% ihrer Exporte eine hohe Abhängigkeit von den Industrieländern auf. Aber auch für die Entwicklungs- und Schwellenländer Asiens besteht mit einem Exportanteil von weit mehr als 50% eine beachtliche Außenhandelsabhängigkeit von den Industrieländern. Die Abbildung 1.3 zeigt die Handelsverflechtungen zwischen der Europäischen Union und der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA, Japan sowie der übrigen Länder der Welt im Jahr 1999.

Abbildung 1.3: Handelsverflechtungen der Europäischen Union

"

2)

Kanada, Mexiko, USA

Entwicklungs- und Schwellenländer ohne Mexiko sowie übrige Industrieländer Quelle: IMF, Direction of Trade Statistics, Yearbook 2000, eigene Berechnungen.

24

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Die Daten in der Tabelle 1.9 sowie in der Abbildung 1.2 und der Abbildung 1.3 geben lediglich die Situation in einem einzigen Jahr wieder. Wie schon erwähnt, nimmt die Intensität der Welthandelsverflechtungen im Prozess der Globalisierung laufend zu. Dabei dürfte es auch zu strukturellen Verschiebungen einerseits zwischen Ländern und Ländergruppen sowie andererseits innerhalb von Ländergruppen kommen. Das wird sowohl Veränderungen der Anteile des intra-regionalen Handels als auch Veränderungen der Außenhandelsabhängigkeiten der Ländergruppen untereinander mit sich bringen. Einigermaßen genaue Aussagen darüber, welche Veränderungen dabei im Einzelnen eintreten werden, sind allerdings nicht möglich. 1.2.3

Handelsquoten Zuge der Ausweitung

des Welthandels hat sich in den meisten LänIm dern der Welt der Anteil des Außenhandels am Bruttoinlandsprodukt erhöht. Einerseits bedeutet dies zwar eine stärkere Integration in die Weltwirtschaft und damit eine Partizipation an der dynamischen Entwicklung des Welthandels, andererseits nimmt aber auch die Abhängigkeit von externen ökonomischen Entwicklungen zu, die sich mit rein nationalen Maßnahmen kaum beeinflussen lassen. Die Abbildung 1.4 zeigt die Exportquoten einiger Länder im Durchschnitt der Jahre 1990 bis 1994 und 1995 bis 1999.

Abbildung 1.4: Exportquoten (Anteil der Exporte am Bruttoinlandsprodukt)

90-94 «95-99

Quelle: IMF, Balance of Payments Statistics, Yearbooks 1992, rechnungen.

1995 und 2000;

eigene

Be-

Außenwirtschaft und Globalisierung

25

Wie schon in der Zeit davor, so sind die Exportquoten auch in den hier betrachteten Zeiträumen überwiegend gestiegen. Aus dem Anstieg lässt sich nicht zuletzt erkennen, dass einige Länder (Irland, Spanien, Südkorea, Indonesien und Mexiko) erhebliche Fortschritte bei ihrer Integration in die Weltwirtschaft erzielt haben. Bemerkenswert ist die Exportquote Singapurs: sie liegt über 100%. Möglich ist das nur deshalb, weil Singapur auch eine ähnlich hohe Importquote hat. Maßgeblich für solch hohe Quoten ist die Bedeutung Singapurs zum einen als Umschlagplatz für internationale Handelsgeschäfte und zum anderen als Produktionsstandort im Rahmen der passiven Lohnveredlung. Dabei werden importierte Vorprodukte weiter verarbeitet und anschließend als Endprodukte exportiert. Die passive Lohnveredlung erfolgt meistens im Rahmen von Joint Ventures. Um die Lohnkosten zu verringern, verlagert eine ausländische Unternehmung einen Teil ihrer Produktion in eine kooperierende Unternehmung eines anderen Landes (hier nach Singapur), um anschließend die weiter verarbeiteten Produkte das sind in der Regel Endprodukte im eigenen Land oder weltweit zu vermarkten. -

-

1.2.4

Interdependenzen Die Exportquoten vermitteln nicht zuletzt einen Eindruck von der Intensität der grenzüberschreitenden Interdependenzen, die auf Außenhandel zurückzuführen sind. Solche Interdependenzen werden jetzt auf der Grundlage eines Input-Output-Ansatzes skizziert. Die Zusammenhänge, die sich aus den Ex- und Importverflechtungen für die Bruttoproduktion und das Nationaleinkommen eines jeden Landes ergeben, sind in der Tabelle 1.10 dargestellt worden. Die Bruttoproduktion bzw. der Wert der Produktion setzt sich in jedem Land i aus der heimischen Absorption H und den Exporten EXS zusammen. Die Exporte des Landes i entsprechen den Importen der übrigen Länder aus diesem Land. Die Importe eines jeden Landes richten sich nach der Bruttoproduktion. Vereinfachend wird angenommen, dass eine lineare Beziehung besteht und dass die auf die Bruttoproduktion bezogenen Importkoeffizienten ajj eines Landes i konstant sind. Ein solcher Importkoeffizient zeigt an, wie hoch der Wert der Importe des Landes i aus einem Land j ist, die das Land i zur Realisierung seiner Bruttoproduktion benötigt. Wie sich der Tabelle 1.10 entnehmen lässt, lautet die Bruttoproduktion eines Landes i:

(1.9)

Wj Hj + EX, Hi + =

=

i>jiWj

j-i

26

Wirtschaftsbeziehungen

Internationale

Tabelle 1.10: Ex- und Importverflechtungen an

von

Land 1 Land 2 Land 3

Land 1

a2iW2

allgemeiner Ansatz HN

n

BPR 2)

a3,W3

a„iWn

EX,

H,

Wi

a32W3

a„2Wn

EX2

H2

W2

an3Wn

EX3

H3

W3

EXn

Hn

EX IM

H

Land 2

a12W,

Land 3

ai3W,

a23W2

Land

a,nW,

a2„W2

a3„W3

IM,

IM,

IM,

W,

W2

W,

n

Land

-

IM„

=

W

NE' BPR

w

"Heimische Nachfrage;2) Bruttoproduktionswert;31 Nationaleinkommen

Das Nationaleinkommen eines Landes i ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Bruttoproduktionswert und den Importen bzw. dem Wert der Importe dieses Landes:

(1.10)

Yi Wi-IMi =

=

Wi-2>ljWi j=i

Zur Vereinfachung wird jetzt eine Verflechtung mit lediglich drei Ländern betrachtet. Die Bruttoproduktionswerte dieser Länder setzen sich gemäß Tabelle 1.10 wie folgt zusammen:

(1.11)

Wi

(1.12) (1.13)

W2 H2 + a12W, + a32W3

=

FL

+

a21W2 + a31W3

=

W3 H3 + a13W, + a23W2 =

Löst man dieses Modell nach den Bruttoproduktionswerten der drei Länder auf, so erhält man beispielsweise für das Land 1:

(1.14)

W,

=

u.[(l

-

mit:

a23a32)H,

+

(a2]

+

a23a31)H2 + (a3J

+

a21a32)H3]

1->

0 ai2(a2i + a3ia23; ai3(a3i + a2ia32j a23a32 Die Bruttoproduktion bzw. der Produktionswert des Landes hängt somit von der heimischen Nachfrage aller drei Länder sowie von allen Importu.

=

—-

i

27

Außenwirtschaft und Globalisierung

koeffizienten ab. Das gilt gemäß Gleichung (1.10) auch für das Nationaleinkommen des Landes. Für die beiden anderen Länder trifft das gleichermaßen zu. Es besteht somit eine intensive Verflechtung der drei Länder. Die Verflechtung drückt sich einerseits im Quotienten u aus: je größer die Importkoeffizienten a^ sind, desto größer ist dieser Quotient. Andererseits zeigt sich die Verflechtung in den Klammerausdrücken vor den inländischen Nachfragegrößen Hj bis H3. In den ersten Klammerausdruck geht das Produkt a23a32 mit negativem Vorzeichen ein. Hiermit wird erfasst, dass ein Teil der inländischen Nachfrage Hi über die Importe des Landes 1 an die beiden anderen Länder „verloren geht", weil diese beiden Länder untereinander Handelsbeziehungen unterhalten, die dem Land 1 nicht direkt zugute kommen. Der zweite Klammerausdruck zeigt zwei positive Einflüsse: die Befriedigung der inländischen Nachfrage des Landes 2 erfordert Importe aus dem Land 1 und dem Land 3. Das kommt dem Land 1 über den Importkoeffizienten a2i des Landes 2 direkt zugute. Darüber hinaus ergibt sich noch ein indirekter Effekt über das Produkt a23a3i, denn die Importe des Landes 2 aus dem Land 3 sind Teil der Bruttoproduktion des Landes 3 und diese Bruttoproduktion ist Determinante der Importe des Landes 3 aus dem Land 1. Analog dazu ist der positive Einfluss des dritten Klammerausdrucks zu

interpretieren. 1.3

Globalisierung

1.3.1 Kennzeichen der

Globalisierung Die Internationale Arbeitsteilung ist kein neues Phänomen. Sie war jedoch über einen sehr langen Zeitraum von teilweise erheblichen Restriktionen •



geprägt:

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den meisten Ländern beschränkte sich weitgehend auf den Austausch von Gütern. Die Internationalisierung der Volkswirtschaften kam deshalb im Wesentlichen im Außenhandel zum Ausdruck. Weil sich die nationalen Produktionsstrukturen und die internationalen Transportmöglichkeiten nur langsam veränderten, war auch die Weltwirtschaftsstruktur sowohl im Hinblick auf die Art der Außenhandelsgüter als auch auf die regionalen Handelsbeziehungen relativ stark ver-

festigt. •

-

Viele Länder bedienten sich einer protektionistischen Politik, mit der der Außenhandel bewusst behindert wurde.

28

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Nach dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere seit Beginn der 90erJahre des 20sten-Jahrhunderts weist die Weltwirtschaft jedoch eine Dynamik auf, die in der Weltgeschichte ohne Beispiel ist: •





Die Anzahl der Länder, die sich mit maßgeblichen Anteilen in die Weltwirtschaft integrieren, nimmt laufend zu. Es entstehen weltweit neue Märkte für neue international handelbare Produkte. Produktionsstätten verlieren mehr und mehr ihre traditionelle Bindung an lokale Standorte.

Vor diesem Hintergrund gewinnen die internationalen Wirtschaftsbeziehungen für alle Länder immer mehr an Bedeutung. Der internationale Handel mit Gütern weist anhaltend hohe Wachstumsraten auf, der internationale Kapitalverkehr gewinnt weltweit an Gewicht, und die Veränderungen der Weltwirtschaftsstruktur vollziehen sich mit einer bisher unbekannten Intensität und Geschwindigkeit. Diese Prozesse werden als Globalisierung bezeichnet. Die in historischer Perspektive bemerkenswerte dynamische Entwicklung einerseits des Außenhandels und andererseits des internationalen Kapitalverkehrs lässt sich deutlich an den internationalen Daten ablesen.

Abbildung 1.5: Entwicklung des Welthandels und Weltkapital Verkehrs (1987

=

100 auf der Basis

Drei-Jahres-Durchschnitten)*

von

600n

0 I

i

i

i

i

i

i

i

i

i

i

i

l

1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 Bei Direkt- und Portfolioinvestitionen jeweils Zunahme der Forderungen gegen das Ausland; jeweils Wertgrößen. Quelle: IMF, Balance of Payments Statistics, Yearbooks 1992 bis 2000. *

von

Jahr

Inländern

29

Außenwirtschaft und Globalisierung

Abbildung 1.5 liegen gleitende Drei-Jahres-Durchschnittswerte zugrunde, die für das Jahr 1987 mit dem Index 100 normiert worden sind. Der

Es wurden somit Daten ab 1985 verwendet. In diesem Jahr waren die wirtschaftlichen Folgen der zweiten Ölpreiskrise, die 1980 ihren Höhepunkt erreichte, weitgehend überwunden. Überdies entwickelte sich die Weltwirtschaft in den folgenden 15 Jahren relativ störungsfrei. Deutlich erkennbar sind die hohen Wachstumsraten sowohl der Portfolioals auch der Direktinvestitionen im Rahmen des internationalen Kapitalverkehrs. Diese Investitionen sind allerdings wie die Abbildung 1.6 zeigt weltweit recht ungleichmäßig verteilt. -

-

Abbildung 1.6: Verteilung der Direkt- und Portfolioinvestitionen (jeweils Zuflüsse im Durchschnitt der Jahre

1995 bis

1999)

Portfolioinvestitionen

Direktinvestitionen

JL

89,3% Rest

Lateinamerika

2,7% LateinAsien Afrika amerika

11,7% Asien

4,0%

3,1% 0,9%

15,9% Quelle: IMF, Balance of Payments Statistics, Yearbook 2000; eigene Berechnungen. Die Abbildung 1.7 zeigt auf, wie die Direktinvestitionen innerhalb der Gruppe der Industrieländer einerseits und der Entwicklungsländer andererseits verteilt sind.

Abbildung 1.7: Verteilung der Direktinvestitionen auf Länder (jeweils Zuflüsse im Durchschnitt der Jahre

1995 bis

1999)

Entwicklungsländer

Industrieländer Rest (16 Länder)

USA

Rest (140 Länder)

29,0%

38,9%

47,6%

China

26,0%

Japan

Brasilien

"

0,6%

7,7% Ivfexiko

63% 8,3% 12,9%

Argentinien 4,1%

Singapur 6,6% 49%

Quelle: IMF, Balance of Payments Statistics, Yearbook 2000; eigene Berechnungen.

30

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Bei den Industrieländern liegen die USA mit etwa 39% gefolgt von Großbritannien mit etwa 13% an der Spitze. Bemerkenswert sind die relativ geringen Anteile Deutschlands (4%) und insbesondere Japans (0,6%). Von den ausländischen Direktinvestitionen in der Gruppe der Entwicklungsländer ist mehr als ein Viertel nach China geflossen. Auf lediglich sechs Länder entfallen mehr als 50% der gesamten Direktinvestitionen in den Ent-

wicklungsländern. Wie sich der Abbildung

1.8 entnehmen lässt, sind auch die weltweiten Portfolioinvestitionen höchst ungleichmäßig auf die Länder verteilt.

Abbildung 1.8: Verteilung der Portfolioinvestitionen auf Länder (jeweils Zuflüsse im Durchschnitt der Jahre 1995 bis 1999)

Entwicklungsländer

Industrieländer Rest (16 Länder)

USA

Rest (140 Länder)

Russland

Quelle: IMF, Balance of Payments Statistics, Yearbook 2000; eigene Berechnungen. In der Gruppe der Industrieländer entfallen rund 85% der Zuflüsse aus Portfolioinvestitionen auf sechs Länder, wobei die Spitzenposition wiederum von den USA gehalten wird. In der Gruppe der Entwicklungsländer sind es etwa 75% der gesamten Portfolioinvestitionen in dieser Gruppe, die lediglich auf sechs Länder entfallen. Die Daten zum Außenhandel und machen Folgendes deutlich: •





zum

internationalen

Kapitalverkehr

Die im Globalisierungsprozess entstehende Dynamik drückt sich in relativ hohen Wachstumsraten des Außenhandels und vor allem des internationalen Kapital Verkehrs aus. Im Zuge der Globalisierung ist es zwar etlichen Ländern aus der Gruppe der Entwicklungs- und Transformationsländer gelungen, eine stärkere Integration in die Weltwirtschaft zu vollziehen und dabei ihre Anteile am Außenhandel und am internationalen Kapitalverkehr zu vergrößern, aber nach wie vor sind die Industrieländer bei weitem dominierend. Gemessen am Anteil des internationalen Handels und des internationalen Kapitalverkehrs ist der weitaus größte Teil der Entwicklungsländer bis-

Außenwirtschaft und Globalisierung

31

her noch unzulänglich in die Weltwirtschaft integriert. Das gilt insbesondere für die Entwicklungsländer Afrikas, deren Außenhandels- und Kapitalverkehrsanteile nicht nur sehr gering, sondern in den vergangenen zwanzig Jahren sogar merklich gesunken sind.

1.3.2 Ursachen der Globalisierung Die zuvor dargelegten Daten zeigen eindrucksvoll, welche Dynamik die weltwirtschaftlichen Güter- und Kapitalströme vor allem im Laufe der zweiten Hälfte der 90er-Jahre des 20sten-Jahrhunderts entfaltet haben. Obwohl insbesondere in der Gruppe der Entwicklungsländer keineswegs alle Länder gleichermaßen am Globalisierungsprozess beteiligt sind, ist deutlich erkennbar, dass die Anzahl der Länder, die an der weltwirtschaftlichen Entwicklung maßgeblich teilhaben, in den vergangenen Jahren sukzessive angestiegen ist. Das trifft insbesondere für die neuen Industrieländer und die Schwellenländer Asiens sowie einige Transformationsländer Osteuropas zu. Es ist zu erwarten, dass es auch in den kommenden Jahren mehr und mehr Ländern gelingt, sich stärker in die Weltwirtschaft zu integrieren. Die folgenden Gründe waren maßgeblich für den Globalisierungsprozess: •





Bei der Liberalisierung des Außenhandels sind weltweit erhebliche Fortschritte erzielt worden. Nicht nur seitens der Industrieländer, sondern auch in der Gruppe der Entwicklungs-, Schwellen- und Transformationsländer wurden sowohl tarifäre als auch nicht-tarifäre Handelshemmnisse verringert und teilweise sogar gänzlich abgebaut. Grundlage für diese Liberalisierungserfolge war und ist das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT), der sich in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg die meisten Länder unterworfen haben. Zunächst innerhalb der Gruppe der Industrieländer, später aber auch in einer Reihe von Schwellenländern vor allem in Asien, Lateinamerika und Osteuropa wurde der Kapitalverkehr zunehmend liberalisiert. Zum einen implizierte das den Abbau administrativer Kapitalverkehrsbeschränkungen, zum anderen wurden auch die rechtlichen und institutionellen Bedingungen für ausländische Kapitalanlagen verbessert. In einer Reihe von Entwicklungsländern, insbesondere jedoch in den Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas sowie den Transformationsländern Osteuropas wurde das System der Zentralverwaltungswirtschaft mehr und mehr durch ein marktwirtschaftliches System ersetzt. Die Spielräume für privatwirtschaftliche Aktivitäten wurden dadurch erheblich erweitert. Damit verbunden war eine grundlegende Verbesserung der Bedingungen zum einen für die Ausdehnung der Außenhandelsbe-

Internationale

Ziehungen

und

zum

Wirtschaftsbeziehungen

anderen für ausländische

Kapitalanlagen

in diesen

Ländern. Vor allem seitens der lateinamerikanischen Länder sind in den 90erJahren des 20sten-Jahrhunderts beachtliche Fortschritte im Hinblick sowohl auf die politische und soziale Stabilität als auch auf die wirtschaftliche Stabilisierung erzielt worden. Damit wurden zugleich bessere Bedingungen für Außenhandelsgeschäfte und für ausländische Kapitalanlagen geschaffen. Durch den Auf- und Ausbau der regionalen und lokalen Verkehrsinfrastruktur sowie durch die Entwicklung des Luftverkehrs haben sich die weltweiten Bedingungen für den Transport von Waren erheblich verbessert.

Durch die weltumspannende Einrichtung modemer Kommunikationstechniken sind günstige Bedingungen für den internationalen Dienstleistungs- und Kapitalverkehr geschaffen worden. Darin ist nicht zuletzt ein Grund für die deutliche Erhöhung der Mobilität des Kapitals zu sehen. Die Errichtung des gemeinsamen Marktes in der Europäischen Union hat hervorragende Bedingungen für eine expansive Entwicklung des Handels und des Kapitalverkehrs zwischen den europäischen Ländern geschaffen. Im Sog der EU sind auch in Nordamerika (NAFTA) und in Südamerika (MERCOSUR) Freihandelszonen geschaffen worden, durch die Handel und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedsländern gefördert werden. Die Befürchtung, dadurch würde es zu einer Regionalisierung der internationalen Wirtschaft kommen, hat sich nicht bewahrheitet. Vielmehr gehen von diesen regionalen Integrationsräumen erhebliche positive Impulse auf den weltweiten Handel und Kapitalverkehr aus. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Entfaltung der marktwirtschaftlichen Kräfte in den Integrationsräumen zum einen die Suche nach weiteren Exportmöglichkeiten unterstützt und zum anderen für Drittländer neue Absatzmöglichkeiten eröffnet hat. Über die Ausweitung des Außenhandels und Kapitalverkehrs, insbesondere jedoch über die internationalen Direktinvestitionen ist der weltweite Technologietransfer intensiviert worden. Dadurch werden immer mehr Länder in die Lage versetzt, neue Produktionsverfahren einzusetzen und neue Produkte herzustellen und so ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. In der Bildungspolitik sind in vielen Ländern nicht zuletzt in den Entwicklungs- und Schwellenländern Maßnahmen zur Verbesserung der Qualifikation des Faktors Arbeit ergriffen worden. Auch das ist ein Schlüssel für die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von -

-

Außenwirtschaft und Globalisierung



33

Ländern. Von hierher sind in den kommenden Jahren weitere Impulse für die Weltwirtschaft zu erwarten. Im Zuge der Entwicklung der neuen Informationstechnologien entstehen weltweit neue Produkte, deren Herstellung nicht mehr an bestimmte Standorte gebunden ist. So bilden sich neue Produktions- und Standortstrukturen, die den Prozess der internationalen Arbeitsteilung vorantreiben.

Wirkungen der Globalisierung Die im Rahmen der Globalisierung zu beobachtende dynamische Entwicklung des Außenhandels und des internationalen Kapitalverkehrs vollzieht sich vor dem Hintergrund von Wirkungsabläufen, durch die die nationalen und weltweiten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert wer1.3.3

den: •

Auf den Märkten der international handelbaren Güter steigt die Wettbewerbsintensität, weil zum einen durch die Integration neuer Länder in die Weltwirtschaft die Anzahl der Anbieter zunimmt und zum anderen z. B. über den Technologietransfer und über bildungspolitische Erfolge immer mehr Länder befähigt werden, neue Produktionsverfahren einzusetzen und neue oder verbesserte Produkte auf die internationalen Märkte zu bringen. Die internationale Streuung von Produktionsstandorten wird intensiver sowie der Wechsel von Standorten häufiger. Denn mit der Schaffung stabiler ökonomischer Bedingungen und marktwirtschaftlicher Systeme wird es für Unternehmungen einfacher und attraktiver, weltweit Produktionsstandorte im Hinblick auf Beschaffungs-, Absatz- oder Kostenaspekte zu wählen. Für den „Global Player" sind nationale Bindungen zwar nicht völlig obsolet geworden, sie sind aber bei Standortentscheidungen nur noch ein Kalkül unter vielen. Die freie Wahl von Produktionsstandorten wird nicht zuletzt dadurch begünstigt, dass viele Produkte der informations- und wissensbasierten Wirtschaft nur noch einen relativ geringen physischen Kapitaleinsatz erforderlich machen. Wesentlich für die Standortwahl ist in diesem Fall insbesondere die Verfügbarkeit des -

-



geeigneten Humankapitals. •

Die räumlichen Bindungen im Rahmen von Wertschöpfungsketten werden gelockert. Das bedeutet konkret, dass Unternehmungen in der Lage sind, im Hinblick auf die Ausnutzung von Kostenvorteilen gewisse Teile des Produktionsprozesses in andere Länder zu verlagern. Entscheidend dafür ist einerseits die Verringerung der Transaktionskosten, die aus der Verbesserung der internationalen Transport- und Kommunikationswege

34

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

resultiert, sowie andererseits die Verbesserung der ökonomischen Rah-

menbedingungen. •



Insbesondere in den traditionellen Industrieländern verstärkt sich der Anpassungsdruck auf den Arbeitsmärkten. Geringer qualifizierte Arbeitskräfte sind in den weniger entwickelten Ländern, die im Zuge der Globalisierung auf die Weltmärkte drängen, reichlich vorhanden. Diese Länder besitzen somit in den Produktionsbereichen komparative Vorteile, in denen der Faktor „einfache Arbeit" intensiv eingesetzt wird. Zum einen über einen Exportdruck und zum anderen aufgrund von Produktionsverlagerungen wird sich deshalb die Beschäftigungslage für die weniger qualifizierten Arbeitskräfte in den Industrieländern verschlechtern. Diese sehen sich zunehmend einem Druck ausgesetzt, entweder Lohnsenkungen zu akzeptieren oder aber ihre Qualifikation zu verbessern. In den traditionellen Industrieländern, insbesondere in Europa impliziert die Globalisierung einen zunehmenden Zwang, sowohl die Steuersysteme als auch die Systeme der sozialen Sicherung zu verändern. Die Erhöhung der internationalen Wettbewerbsintensität sowie die Möglichkeit, Produktionsstandorte frei zu wählen, Standorte zu wechseln oder Teile der Wertschöpfungskette zu verlagern, führen dazu, dass die Belastung von Produktionsfaktoren mit Steuern und Sozialabgaben zu einer Schlüsselgröße für die nationale wirtschaftliche Entwicklung wird. Einzelne Länder werden im Zuge des Globalisierungsprozesses immer weniger in der Lage sein, eine in nationalen Grenzen isolierte Steuer- und Sozialpolitik zu betreiben. Nicht nur die Güter- und Arbeitsmärkte, sondern auch die nationalen Steuer- und Sozialsysteme werden einem zunehmenden internationalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Das impliziert einen Autonomieverlust der nationalen Politiken.

1.3.4 Vorteile und Risiken der Globalisierung Die Aufzählung der möglichen Wirkungen lässt bereits erkennen, dass die Globalisierung einerseits einzelnen Ländern sowie Gruppen von Ländern Vorteile bringen kann, andererseits aber auch mit Risiken verbunden ist. Einige dieser Vorteile und Risiken sollen mit Blick auf Außenhandel, Güterpreise, Beschäftigung, Innovation, Integration und soziale Sicherung

aufgezeigt werden.

Außenhandel und Wohlfahrt Die Ausweitung des Außenhandels hat für alle beteiligten Länder in der Regel positive Wohlfahrtseffekte, weil nicht nur das Niveau, sondern meistens auch die Vielfalt und die Qualität der Güterversorgung zunehmen. Diese Effekte lassen sich in theoretischen Ansätzen wie in den weiteren Kapiteln noch zu zeigen ist erklären und eindeutig nachweisen, sofern •

-

-

Außenwirtschaft und Globalisierung

35

keine staatlichen Markteingriffe mit konterkarierenden Wirkungen erfolgen. Solche Ergebnisse werden in empirischen Untersuchungen bestätigt. Typisch für die Steigerung des Welthandels im Rahmen der Globalisierung ist allerdings das Vordringen neuer Länder (z. B. der neuen asiatischen Industrieländer) auf bereits bestehende internationale Märkte. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass die etablierten Länder (insbesondere die alten Industrieländer) hier nicht nur Marktanteile verlieren, sondern nun sogar Produkte importieren, die mit Gütern aus der heimischen Produktion konkurrieren. Das aber ist ein unvermeidlicher Strukturwandel in einer dynamischen Weltwirtschaft. Er erzeugt selbstverständlich einen Zwang zur Anpassung sowohl auf Seiten der Unternehmungen als auch auf Seiten der Arbeitnehmer. Fehlt es an der nötigen Anpassungsflexibilität, so sind vermutlich Verluste für Unternehmungen und Arbeitnehmer unvermeidlich. Dieses Risiko besteht allerdings nicht nur bei dem hier zugrunde gelegten außenwirtschaftlich induzierten Strukturwandel, sondern auch bei jedem binnenwirtschaftlich verursachten Strukturwandel. Dem Risiko stehen aber auch Chancen gegenüber. Nur über die Ausweitung des Außenhandels sind Länder in der Regel in der Lage, ihre eigene wirtschaftliche Situation zu verbessern und selber zu maßgeblichen Importeuren von Gütern zu werden. Dadurch werden internationale Märkte vergrößert und neue internationale Märkte geschaffen. Das bietet Exportpotenziale auch für die etablierten Länder sofern sie die nötige Anpassungsflexibilität aufbringen. -

Güterpreise Die Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung im Rahmen der Globalisierung geht einher mit einer stärkeren Ausnutzung weltweiter komparativer Produktionskostenvorteile. Die Güterproduktion ist dort wettbewerbsfähig, wo sie mit den relativ geringsten Kosten möglich ist. Unter der Bedingung, dass die internationalen Märkte frei oder zumindest weitgehend frei sind von staatlichen Preisregulierungen, hat die Kostenminimierung unmittelbar Auswirkungen auf die internationalen Güterpreise: Die Globalisierung erzeugt einen Preisdruck und führt vor allem auf den •

Märkten der traditionellen international handelbaren Güter zu Preissenkungen. Das ist in vielen Ländern (vor allem in den traditionellen Industrieländern) zum einen vorteilhaft für die Konsumenten, deren Realeinkommen und reale Kaufkraft zunimmt, und zum anderen aufgrund sinkender Beschaffungskosten auch vorteilhaft für Unternehmungen, die Vorleistungs-

güter importieren.

Dem steht allerdings ein Nachteil für solche Unternehmungen gegenüber, deren internationale Wettbewerbsposition durch den Preisdruck verschlechtert wird. Für sie gibt es zwei Optionen: Senkung der Produktions-

36

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

kosten oder Verringerung möglicherweise sogar Einstellung der Produktion. Kosten lassen sich beispielsweise dadurch senken, dass die Produktivität der eingesetzten Produktionsfaktoren erhöht wird oder dass die Faktorkosten, insbesondere die Lohnkosten und die Beschaffungskosten für Vorleistungsgüter verringert werden. Zweifellos birgt die Globalisierung mit ihrem Preisdruck für ein Land ein Risiko in sich, wenn es den betroffenen Unternehmungen dieses Landes nicht oder nicht rechtzeitig genug gelingt, die zuvor genannten Kostensenkungen zu erreichen. -

-

Allerdings dürfen dabei die oben genannten Vorteile nicht übersehen werden. Die Schaffung realer Kaufkraft der Konsumenten dürfte dazu führen, dass die Nachfrage nach anderen Produkten zunimmt und sich somit auf den entsprechenden Märkten zusätzliche Produktionspotenziale eröffnen. Die geringeren Beschaffungskosten für importierte Vorleistungsgüter bieten die Grundlage dafür, dass Unternehmungen ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit ihre nationale und internationale Marktposition stärken können. Führt man sich die verschiedenen Wirkungen vor Augen, so wird deutlich, dass der durch die Globalisierung verursachte Preisdruck in einem Land einen Strukturwandel notwendig macht, der wie oben schon erwähnt eine hohe Anpassungsflexibilität voraussetzt. -

-



Beschäftigung Die

zuvor genannten Anpassungszwänge sind von maßgeblicher Bedeufür die Beschäftigungssituation eines Landes. Betroffen sind insbetung sondere Arbeitskräfte in solchen Produktionsbereichen, die dem zusätzlichen internationalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind. Diese Arbeitskräfte konkurrieren indirekt mit Arbeitskräften in den Ländern, die vergleichbare Produkte preisgünstiger herstellen können. Um ihren Arbeitsplatz zu erhalten, könnten diese Arbeitskräfte Lohnsenkungen akzeptieren, mit denen es den Unternehmungen möglich wird, im Preiswettbewerb mitzuhalten. Sind sie dazu nicht bereit, so wird zumindest ein Teil von ihnen den Arbeitsplatz in den betroffenen Unternehmungen oder Branchen verlieren, denn hier werden entweder durch Produktivitätssteigerungen oder durch Produktionskürzungen Arbeitskräfte freigesetzt. Ob das in eine länger anhaltende Arbeitslosigkeit führt, hängt im Wesentlichen von der Qualifikation und der Mobilität der Arbeitskräfte ab. Problematisch erweist sich diese Situation erfahrungsgemäß für solche Arbeitskräfte, die nur gering qualifiziert sind und zu Qualifikationsanpassungen nicht fähig oder nicht willens sind. Für sie ist das globalisierungsbedingte Risiko, längerfristig oder auf Dauer arbeitslos zu werden, relativ hoch.

Aber auch für die besser Qualifizierten kann sich ein Arbeitsplatzwechsel als schwierig erweisen, wenn sich Unternehmungen nicht oder nicht rechtzeitig an die neuen Bedingungen auf den Märkten für international handel-

Außenwirtschaft und Globalisierung

37

bare Güter anpassen. Wie weiter oben schon erwähnt, besteht eine solche Anpassung beispielsweise darin, die neu entstehenden internationalen Marktpotenziale rechtzeitig zu erkennen und durch entsprechende Produktionsaktivitäten zu nutzen. Gelingt dies, so bestehen gute Chancen, dass sich der durch die Globalisierung erzwungene Strukturwandel in einem Land weitgehend reibungslos bewältigen lässt und die Arbeitslosigkeit letztlich nur auf eine relativ kleine Gruppe von gering Qualifizierten beschränkt bleibt. Der Wunsch, die hier aufgezeigten Wirkungen auf das Niveau und die Struktur der Beschäftigung zu verhindern, erweist sich in aller Regel als eine Illusion. Möglich wäre das nur mit staatlichen Erhaltungsmaßnahmen, die im Hinblick auf die Außenwirtschaft letztlich protektionistisch ausgerichtet sein müssen. In einem internationalen Umfeld, das durch eine Liberalisierung der Handelsbeziehungen und nicht durch Protektionismus geprägt ist, lässt sich eine solche Politik nicht durchhalten. Entweder reagieren andere Länder mit Gegenmaßnahmen, so dass der Arbeitsplatzverlust gleichwohl unvermeidlich ist, oder die staatlichen Maßnahmen lähmen die zukünftige Anpassungsflexibilität sowohl der Arbeitskräfte als auch der Unternehmungen so weit, dass sich von hierher über kurz oder lang ein Verlust des gesamten Landes an internationaler Wettbewerbsfähigkeit mit neuen

Beschäftigungsproblemen ergibt.

Als Fazit bleibt somit festzuhalten, dass man sich den Beschäftigungsrisiken der Globalisierung so oder so nicht entziehen kann, dass sich diese aber minimieren lassen, wenn sowohl auf Seiten der Unternehmungen als auch der Arbeitskräfte Fähigkeit und Bereitschaft zur Anpassung an den Strukturwandel hoch sind. Nur so kann die Globalisierung letztlich sogar Chancen für Beschäftigungszuwächse eröffnen. •

Innovation

bewirkt zum einen über den zunehmenden Wettbeund anderen über die Direktinvestitionen sowohl eine zum werbsdruck Verbesserung der Produktionsverfahren als auch die Entwicklung neuer oder qualitativ höherwertiger Produkte. Zwei Vorteile sind damit verbunden: Den Verbrauchern in allen Handelsländern steht eine breitere und bessere Produktpalette zur Verfügung; die Unternehmungen erreichen aufgrund der Verfahrens- und Produktinnovation eine höhere internationale Wettbewerbsfähigkeit und können mit Produktinnovationen neue Märkte erschließen und so das Unternehmenswachstum fördern. In diesen Wirkungen sind Wohlfahrts-, Produktions-, Beschäftigungs- und Einkommenseffekte impliziert, die einem Land insgesamt und letztlich weltweit vielen Ländern zugute kommen. Die

Globalisierung

38

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Mit Blick auf die Ursachen der globalisierungsbedingten Produkt- und Verfahrensinnovationen sind allerdings häufig auch kritische Stimmen zu hören: Im Rahmen von Direktinvestitionen finden Technologietransfers in andere Länder statt, durch die deren Wettbewerbsfähigkeit relativ gestärkt und die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Landes somit relativ geschwächt wird. Dieses Risiko ist nicht auszuschließen. Zu bedenken ist aber, dass es vielen Ländern ohne Direktinvestitionen und Technologietransfer nicht gelingen dürfte, den Anschluss an die weltwirtschaftliche Entwicklung zu erreichen. Allerdings mag ein Technologietransfer, der überwiegend eine relativ geringe Qualitätsstufe des technischen Know-hows impliziert, unproblematisch sein. Aber auch ein Technologietransfer auf höherer Qualitätsstufe in weiter entwickelte Länder kann Chancen eröffnen. Durch Produkt- und Verfahrensinnovationen sind auch dort ökonomische Effekte zu vermuten, die letztlich erheblich zum Wachstum des Welthandelsvolumens beitragen und darüber auch den Technologie exportierenden Ländern neue Absatzchancen eröffnen. Aus der Wirtschaftsgeschichte ist nicht zuletzt die Erkenntnis zu ziehen, dass sich technologische Innovationen im Wirtschaftsprozess weder konservieren noch monopolisieren lassen und eine möglichst breite Diffusion von technologischem Wissen für die weltweite Wirtschaftsentwicklung unverzichtbar ist. Von entscheidender Bedeutung ist, dass Länder, die im Preiswettbewerb Nachteile besitzen, im technologischen Wettbewerb um Produkt- und Verfahrensinnovation den Anderen immer einen Schritt voraus sein müssen. Dieser Zwang ist nicht neu, er wird durch die Globalisierung nur verstärkt. •

Integration in die Weltwirtschaft

Wie zuvor schon mehrmals erwähnt, bietet die Globalisierung den weniger entwickelten Ländern die Chancen einer verstärkten Integration in die Weltwirtschaft, von der maßgebliche positive Impulse auf die binnenwirtschaftliche Entwicklung und den Lebensstandard der Bevölkerung zu erwarten sind. Möglich wird das durch die zunehmende Liberalisierung des internationalen Handels, durch die letztlich allen Ländern zusätzliche Absatzchancen eröffnet werden, durch die Mobilität und das dynamische Wachstum des internationalen Kapitals, das nach neuen Anlagemöglichkeiten sucht, sowie durch die Tendenz, weltweit

nicht zuletzt durch Pro-

duktionsverlagerung komparative Produktionskostenvorteile zu nutzen. Allerdings können nur solche Länder davon profitieren, die sich der außenwirtschaftlichen Liberalisierungsbewegung anschließen, die eine politische und eine ökonomische Stabilität im eigenen Land schaffen und nachhaltig gewährleisten, die insbesondere mit bildungs- und sozialpolitischen Maßnahmen ihre Ausstattung mit Humankapital verbessern und die -

-

Außenwirtschaft und Globalisierung

39

schließlich institutionelle Rahmenbedingungen herstellen, die privaten ausländischen Investoren eine langfristige Anlagesicherheit einräumen. Selbstverständlich ist eine solche Integrationsstrategie auch mit Risiken behaftet. So könnte es bei einer Außenhandelsliberalisierung zu Leistungsbilanzdefiziten kommen, weil einerseits die Importe zunehmen, andererseits aber die Fähigkeit zur Steigerung der Exporte zu langsam ansteigt. Ausländische Direktinvestitionen könnten darauf angelegt sein, lediglich die billigen Arbeitskräfte zu nutzen, ohne den technologischen Entwicklungsstand des Landes zu verbessern. Angesichts solcher Risiken auf eine Integration in die Weltwirtschaft zu verzichten, hieße aber, sich auch allen Chancen der Globalisierung zu verschließen und zu akzeptieren, dass das Land auf einem niedrigen Entwicklungsniveau relativ zur weltweiten Situation immer weiter zurückfällt. •

Soziale Sicherung Vor allem in den traditionellen

europäischen Industrieländern wird immer Befürchtung geäußert, die Globalisierung vernichte nicht nur Arbeitsplätze, sondern zerstöre auch das gewachsene, vorwiegend staatliche System der sozialen Sicherung. Ein solches Risiko der Globalisierung ist in der Tat nicht auszuschließen. Die wesentliche Ursache dafür liegt in der Notwendigkeit, die Lohn- und die Lohnnebenkosten zu senken, um im internationalen Preiswettbewerb bestehen zu können und die Freisetzung von Arbeitskräften durch Produktionsverlagerungen ins Ausland zu verhindern oder möglichst gering zu halten. Die Globalisierung führt somit auf wieder die

diesem

Wege

letztlich auch

zu

einem Wettbewerb der nationalen Sozial-

systeme. Eine einfache Lösung dieses Problems gibt es allerdings nicht. Vor allem in den europäischen Ländern ist das erreichte soziale Sicherheitsniveau ein hohes privates und gesellschaftliches Gut, auf das die Mehrheit der Bevölkerung keineswegs verzichten möchte. Die Reaktion auf den Globalisierungsdruck kann deshalb nur darin bestehen, einerseits die Sozialsysteme durch Stärkung der privaten Anreize effizienter zu gestalten, und andererseits durch Innovation die qualitative internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und so die Bedeutung des internationalen Preis Wettbewerbs abzuschwächen. Letzteres setzt insbesondere eine Stärkung von Unternehmerinitiativen und eine qualitative Verbesserung des Humankapitals voraus. Wenn das gelingt, könnte die Globalisierung über die Entstehung neuer Märkte für qualitativ hochwertige Produkte sogar die Möglichkeit bieten, das Niveau der Sozialsicherung nicht nur zu erhalten, sondern im weltweiten Vergleich sogar zu steigern.

40

Internationale

1.4

Wirtschaftsbeziehungen

Grundlegende Fragen der internationalen Ökonomik

Die Untersuchungen im ersten Kapitel beschränkten sich im Wesentlichen auf Definitionen der außenwirtschaftlich wichtigen Variablen sowie auf eine Beschreibung außenwirtschaftlicher und weltwirtschaftlicher Phänomene. In den folgenden Kapiteln steht demgegenüber die theoretisch fundierte ökonomische Analyse im Vordergrund. Auf dieser Grundlage geht es vor allem darum, die Ursachen und Wirkungen internationaler ökonomischer Transaktionen zu erklären sowie die Möglichkeiten und Grenzen wirtschaftspolitischer Maßnahmen zur Beeinflussung von Außen- und Weltwirtschaft aufzuzeigen. In den folgenden Kapiteln werden auf dieser analytischen Grundlage insbesondere Antworten auf die folgenden Fragen gesucht: •







Warum tauschen Länder Güter untereinander aus? Worin liegen die Vorzüge des internationalen Handels? Welche Faktoren bestimmen Richtung und Umfang der internationalen Handelsströme? Wie wirken sich marktspezifische Rahmenbedingungen auf den internationalen Handel aus? Welche Handels-, Beschäftigungs-, Produktions-, Preis- und Wohlfahrtseffekte ergeben sich durch außenwirtschaftspolitische Aktivitäten? Welche Bedeutung und welche Wirkung haben nationale und internationale protektionistische Politiken? Welche Vorzüge und welche Nachteile sowohl aus nationaler als auch weltweiter Sicht hat die räumliche wirtschaftliche Integration mehrerer Länder? Lassen sich mit einer Integration grundlegende Weltwirtschaftsprobleme vermeiden? Welche internationalen Transaktionen finden auf den Devisenmärkten statt und wie bilden sich dabei die Wechselkurse? Wodurch werden Wechselkursfluktuationen verursacht? Welche Währungsordnung sollte praktiziert werden, um eine möglichst störungsfreie binnen- und außenwirtschaftliche Entwicklung zu gewährleisten? Warum haben sich bestimmte Währungssysteme in der Praxis nicht bewährt? Ist die Europäische Währungsunion geeignet, zumindest im Kreis der Mitgliedsländer eine binnen- und außenwirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten? Wie und durch welche Leistungstransaktionen entstehen internationale Kreditbeziehungen? Welche Zusammenhänge bestehen zwischen den Leistungs- und den Finanztransaktionen eines Landes? Welcher Zusammenhang besteht zwischen den internationalen Transaktionen und der Nettoauslandsposition eines Landes? Worin sind die wesentlichen internen und externen Ursachen der Auslandsverschuldung -

-









Außenwirtschaft und Globalisierung





41

von Ländern zu sehen? Welche Möglichkeiten bieten sich an, um internationale Verschuldungsprobleme zu verhindern? Welche Einflüsse gehen von der Außen- und Weltwirtschaft auf wichtige ökonomische Größen eines Landes, so insbesondere auf die Leistungsund Kapitalbilanz, auf Beschäftigung und Einkommen, auf das Zinsniveau sowie auf die Güterpreise aus? Auf welche Einflüsse sind beispielsweise bestimmte Leistungsbilanzreaktionen zurückzuführen? Inwieweit beeinträchtigen internationale Einflüsse die Möglichkeiten der nationalen Wirtschaftspolitiken bei der internen Steuerung von Einkommen, Beschäftigung, Zinsniveau und Preisniveau? Welche wirtschaftspolitischen Möglichkeiten gibt es, außen- und weltwirtschaftlich be-

dingten Wirkungen entgegenzutreten? Häufig wird die Frage gestellt, wie die globale Weltwirtschaftsordnung

beschaffen sein sollte, um einerseits die internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu fördern, andererseits aber auch eine möglichst gleichmäßige weltwirtschaftliche Entwicklung zu gewährleisten und grenzüberschreitende ökonomische Konflikte zu vermeiden. Auf diese Frage ist bis heute keine befriedigende Antwort gefunden worden. Vermutlich ist es eine unlösbare Aufgabe, den äußerst komplexen weltwirtschaftlichen Beziehungen einen allgemein gültigen Ordnungsrahmen zu geben, der den Ansprüchen und Zielvorstellungen aller oder zumindest der meisten Länder gerecht wird. In den kommenden Kapiteln wird wegen der Komplexität des Problems darauf verzichtet, der Frage nach einer umfassenden Weltwirtschaftsordnung nachzugehen oder gar den Entwurf einer solchen Ordnung zur Diskussion zu stellen. Nur vereinzelt, z. B. im Hinblick auf den internationalen Kapitalverkehr, werden einige Lösungsansätze für ein internationales

Ordnungssystem dargelegt.

[ Zusammenfassung_| Die Werte der internationalen Transaktionen eines Landes werden in der Zahder Zahlungsbilanz orientiert sich mit ihren Teilbilanzen an der Art der Transaktionen. Alle Leistungstransaktionen, die unmittelbar einkommenswirksam sind, fließen in die Leistungsbilanz ein, die unentgeltlichen Vermögensübertragungen werden in der Vermögensübertragungsbilanz gebucht, die Finanztransaktionen werden schließlich in der Kapitalbilanz und in der Devisenbilanz erfasst. Die Zahlungsbilanz eines Landes ist immer ausgeglichen, weil sich die Salden der Teilbilanzen der Zahlungsbilanz zu null addieren. Der Summe der Salden der Leistungs- und der Vermögensübertragungsbilanz steht somit mit umgekehrtem Vorzeichen eine entsprechend hohe Summe aus den Salden der Kapital- und der Devisenbilanz gegenüber. Aufgrund statistischer Erhebungsfehler ist es in den Statistiken allerdings erforderlich, den Ausgleich der Zahlungsbilanz über einen Restposten herzustellen.

lungsbilanz erfasst. Die Struktur

42

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Der Finanzierungssaldo eines Landes gegenüber dem Ausland entspricht in einer bestimmten Periode (z. B. in einem Jahr) der Summe aus den Salden der Leistungs- und der Vermögensübertragungsbilanz. Ein positiver Finanzierungssaldo impliziert eine transaktionsbedingte Verbesserung der Nettoauslandsposition des Landes. Darüber hinaus resultieren Veränderungen der Nettoauslandsposition aus Wertänderungen von Beständen an Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland. Die Globalisierung der Wirtschaftsaktivitäten drückt sich zum einen in hohen Wachstumsraten des Außenhandels, der Faktorbewegungen im Zuge von Direktinvestitionen sowie des Kapitalverkehrs im Rahmen von Portfolioinvestitionen aus. Zum anderen nimmt der Anteil des Außenhandels am Bruttoinlandsprodukt in den meisten Ländern der Welt erheblich zu.

Der Globalisierungsprozess ist insbesondere zurückzuführen auf die fortschreitende Liberalisierung des internationalen Handels und Kapitalverkehrs, die steigende internationale Mobilität des Kapitals, die Schaffung günstiger institutioneller Rahmenbedingungen für Außenhandel und ausländische Investitionen, die binnenwirtschaftlichen Stabilisierungserfolge in einer Reihe von Entwicklungs- und Schwellenländern, die Zurückdrängung der Zentralverwaltungswirtschaften zugunsten marktwirtschaftlicher Systeme, den weltweiten Ausbau der Verkehrs- und Kommunikations-Infrastruktur sowie die Schaffung von Humankapital mit Hilfe bildungspolitischer Aktivitäten. Die Globalisierung hat Auswirkungen auf Produktionsstandorte und dadurch auf die weltwirtschaftliche Produktionsstruktur, auf Beschäftigung und Einkommen im nationalen Rahmen sowie weltweit, auf Güter- und Faktorpreise, auf nationale Steuer- und Sozialsysteme sowie auf den Grad der Autonomie nationaler

Wirtschaftspolitiken. Die Globalisierung bringt

aus der Sicht einzelner Länder einerseits Vorteile, ist andererseits aber auch mit gewissen Risiken verbunden. Weil das internationale Marktvolumen größer wird und neue Märkte mit neuen Produkten entstehen, bieten sich Chancen für mehr Beschäftigung und niedrigere Güterpreise. Diese Chancen lassen sich allerdings nur nutzen, wenn eine Volkswirtschaft die notwendige Anpassungsflexibilität besitzt. Die Globalisierung wird demgegenüber zum Risiko, wenn die nationalen Produktionsstrukturen, Gütermärkte, Arbeitsmärkte sowie Wirtschafts- und Sozialpolitiken zu starr bzw. zu wenig anpassungsfähig sind.

Im Rahmen der Globalisierung verstärken sich über die Handels- und Kapitalverflechtungen die länderübergreifenden ökonomischen Abhängigkeiten. Die Interdependenzen innerhalb bestimmter Ländetgruppen sind bereits sehr hoch, z. B. innerhalb der EU oder der NAFTA. Andere Ländergruppen, z. B. die neuen asiatischen Industrieländer, osteuropäische Transformationsländer sowie Schwellenländer in Südamerika bauen ihre Handelsverflechtungen sowohl in

regionalen Integrationsräumen als auch weltweit zunehmend aus, so dass sich auch von hierher ein höherer Grad an internationaler Interdependenz ergibt. Einer beachtlich großen Anzahl von Entwicklungsländern (z. B. in Afrika) ist es bisher nicht gelungen, eine ausreichende Integration in die Weltwirtschaft zu vollziehen und so am globalen Wachstum zu partizipieren. Die internationale Wohlfahrtsverteilung ist somit noch immer höchst ungleichmäßig. Es wäre allerdings verfehlt, dieses Ergebnis der Globalisierung anzulasten. Nur sie bietet letztlich allen Ländern die Chance, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten und ihren Lebensstandard zu steigern.

43

Außenwirtschaft und Globalisierung

Literatur Berthold, N. I Berg, H., Globalisierung der Wirtschaft: Ursachen, Formen, Konsequenzen, Berlin 1999. Dieckheuer, G. I Lueb, T. I Plaßmann, G., Globalisierung: Risiken, Chancen und Anpassungsstrategien in den Industrieländern, insbesondere in

Deutschland, in: Eschenburg, R. / Dabrowski, M. (Hrsg.), Konsequen342. zen der Globalisierung, Münster 1998, S. 299 Frenkel, M. I John, K.D., Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 4. Aufl., München 1999, insbesondere Kapitel 2-6, 10, 12 und 13. Haslinger, F., Die Zahlungsbilanz, in: WiSt, Heft 7, 1997, S. 341 349. International Monetary Fund (IMF), World Economic Outlook, Washing-

-

ton, D.C. 1997.

Knorr, A., Globalisierung, in: WiSt, Heft 5, 1998, S. 238 243. Nunnenkamp, P. I Grundlach, E. I Agarwal, J.P., Globalisation of Production and Markets, Kieler Studien, Nr. 262, Tübingen 1994. Nunnenkamp, P., Winners and Losers in the Global Economy: Recent -

Trends in the International Division of Labour and Policy in: Kieler Diskussionsbeiträge, Nr. 281, Kiel 1996.

Challenges,

Ruckriegel, K„ Die Zahlungsbilanz, in: WISU, Nr. 4, 1998, S. 360 Stobbe, A., Volkswirtschaftliches Rechnungswesen, 8. Aufl., Berlin delberg New York 1994, insbesondere Kapitel 3, 5 und 6.

366.

-

Hei-

-

Grundlegende Literatur und internationale Statistiken Borchert, M., Außenwirtschaftslehre, Theorie und Politik, 6. Aufl., Wiesbaden 1999.

Carbaugh, R.J., International Economics, 7. Aufl., Cincinatti 2000. Dernburg, T.F., Global Macroeconomics, New York 1989. Dornbusch, R., Open Economy Macroeconomics, New York 1980. Ethier, W., Modem International Economics, 3. Aufl., New York London -

1995.

Gandolfo, G., International Economics I, The Pure Theory of International Trade, 2. Aufl., Berlin Heidelberg New York 1994. Gandolfo, G., International Economics II, International Monetary Theory and Open-Economy Macroeconomics, 2. Aufl., Berlin Heidelberg -

New York 1995.

-

-

-

44

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Grossman, GM. /Helpman, E. /Rogoff, K., (Hrsg.), Handbook of International Economics, New York 1995. Hill, C.W.L., International Business: Competing in the Global Marketplace, 3. Aufl., Boston 1999. Jarchow, H.-J. I Rühmann, P., Monetäre Außenwirtschaft I, Monetäre Außenwirtschaftstheorie, 5. Aufl., Göttingen 1994. Jarchow, H.-J. I Rühmann, P., Monetäre Außenwirtschaft II, Internationale Währungspolitik, 4. Aufl., Göttingen 1997. Jones, R. W. / Kenen, P.B., (Hrsg.), Handbook of International Economics, Vol. 1 und Vol. 2,4. Aufl., Amsterdam 1996. Kenen, P.B., The International Economy, 4. Aufl., Englewood Cliffs 2000. Kreinin, M.E., International Economics, 8. Aufl., Fort Worth 1998. Krugman, P.R. I Obstfeld, M., International Economics, Theory and Policy, 5. Aufl., Reading (Mass.) 2000. Maennig, W. I Wilfing, B., Außenwirtschaft, Theorie und Politik, München 1998.

Mundell, RA., International Economics, New York 1967. Niehans, J., Geschichte der Außenwirtschaftstheorie im Überblick, Tübingen 1995. Obstfeld, M. I Rogoff, K., Foundations of International Macroeconomics, Cambridge (Mass.) 1996.

Pugel,

T.A. I Lindert, P.H., International Economics, 11. Aufl., Boston

2000.

Rose, K. I Sauernheimer, K., Theorie der Außenwirtschaft, 13. Aufl., München 1999.

Salvatore, D., International Economics, 6. Aufl., New York 1999. Schmitt-Rink, G. / Bender, D., Makroökonomie geschlossener und offener Volkswirtschaften, 2. Aufl., Berlin Heidelberg 1992. Siebert, H, Außenwirtschaft, 7. Aufl., Stuttgart 2000. Siebert, H, Weltwirtschaft, Stuttgart 1997. Ströbele, W. I Wacker, H., Außenwirtschaft, Einführung in Theorie und Politik, 2. Aufl., München 2000. Willms, M., Internationale Währungspolitik, 2. Aufl., München 1995. -

Internationale Statistiken: ECB, Jahresbericht, Frankfurt am Main

(jährlich).

Außenwirtschaft und Globalisierung International Monetary Fund (IMF), Balance of Payments Statistics; Direction of Trade Statistics; International Financial Statistics; World Economic Outlook, jeweils Washington, verschiedene Jahrgänge.

OECD, OECD Wirtschaftsausblick, (halbjährlich). Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch für das Ausland, Wiesbaden, verschiedene Jahrgänge.

WTO, Annual Report, Genf (jährlich). Weltbank, Weltentwicklungsbericht, Washington D.C. (jährlich).

45

Kapitel 2

Faktorproduktivitäten, internationale Preisdifferenzen und Außenhandel

I Untersuchungsziele_| Aufzeigen der Bestimmungsgründe des Außenhandels. Erklärung der Vorteile und der Richtung des Außenhandels

auf der Grundlage unterschiedlicher sektoraler und internationaler Faktorproduktivitäten. Analyse des Einflusses der Produktions- und Nachfragebedingungen sowie anderer Marktbedingungen (z. B. der Wechselkurse) auf die internationalen Preisdifferenzen.

Bestimmung Rahmen

von

der Export- und Importmengen sowie der Preisverhältnisse im internationalen Tauschgleichgewichten.

2.1 Motive und Bedingungen für internationalen Handel Die Wirtschaftssubjekte eines Landes werden bei freier Entscheidung internationale Handelsbeziehungen nur dann aufnehmen und aufrechterhalten, wenn ihnen daraus Vorteile erwachsen. Von Bedeutung sind dabei: • • •

Differenzen zwischen den Preisen in- und ausländischer Güter die Verfügbarkeit von Gütern die im Inland nicht angeboten werden persönliche, sachliche oder räumliche Käuferpräferenzen für bestimmte in- oder ausländische Anbieter, für spezifische in- oder ausländische Produkte oder für Güter einer bestimmten regionalen Herkunft. ,

Sind bestimmte Güter im Ausland unter Berücksichtigung von Transportkosten billiger zu beschaffen als im Inland, so dürfte es zu Importen kommen. Umgekehrt ist mit einer entsprechenden Exporttätigkeit zu rechnen, wenn das Inland bestimmte Güter preisgünstiger anbietet als ausländische Unternehmungen. Die Außenhandelsgewinne resultieren in diesem Beispiel aus internationalen Preisdifferenzen für direkt vergleichbare und folglich gegeneinander substituierbare Güter. Solche Preisdifferenzen lassen sich bei freien nationalen und internationalen Gütermärkten mit divergierenden Produktions- oder Nachfragebedingungen in den Handelsländern erklären. Hinsichtlich der Produktionsbedingungen spielen vor allem Unterschiede in der relativen Ausstattung der Länder mit Produktionsfaktoren oder unterschiedliche Faktorproduktivitäten in vergleichbaren Produktionssektoren der Länder eine wichtige Rolle. Internationale Preisdifferenzen können aber auch auf externe Eingriffe in -

-

48

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Gütermärkte zurückzuführen sein, die eine freie Preisbildung sowie den freien Güteraustausch an den internationalen Märkten verhindern. Hierunter fallen beispielsweise Preisabsprachen, Dumping, Mengenkartelle sowie Protektionismus durch staatliche Zoll-, Steuer-, Subventions- oder Kontin-

gentierungspolitik. Internationale Preisdifferenzen haben als Determinante des internationalen Handels keine oder nur eine geringe Bedeutung, wenn bestimmte Güter in einem Land überhaupt nicht oder nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Der Mangel an Verfügbarkeit kann vielfältige Ursachen haben: Zur Produktion unbedingt erforderliche Rohstoffe sind nicht vorhanden; die natürlichen klimatischen Bedingungen lassen bestimmte Produktionen nicht zu; Produktionstechnologie, technisches Know-how oder Fähigkeiten des Humankapitals sind vergleichsweise unterentwickelt; Kapazitätsengpässe begrenzen das inländische Güterangebot. Nichtverfügbarkeit von Ressourcen oder Produkten muss allerdings kein Dauerzustand sein. Nahezu jede Produktionsrestriktion lässt sich über kurz oder lang durch Substitution (z. B. bei Rohstoffmangel), Innovation (z. B. bei fehlender Technologie), Ausbildung (z. B. bei Qualifikationsdefiziten der Arbeit) oder Investitionen (z. B. bei Kapazitätsengpässen) beseitigen. Da aber immer wieder neue Restriktionen auftreten können, kommt dem Verfügbarkeitsargument gleichwohl eine große Bedeutung für die Begründung des internationalen Handels zu. Der Vorteil des Handels mit ansonsten nicht verfügbaren Gütern ist evident: nur durch ihn kann eine Befriedigung entsprechender Nachfrage und folglich die Realisierung bestimmter Gewinn und Nutzen bringender Produktions- und Verbrauchswünsche erfolgen. Die Argumente der Preisdifferenzierung und der Verfügbarkeit finden im Allgemeinen auf solche international handelbaren Güter Anwendung, die eine objektive Differenzierung zulassen und für die es aus der Sicht eines Landes eindeutige Handelsrichtungen gibt. Konkret bedeutet das, dass ein bestimmtes Gut nur Import-, nicht jedoch Exportgut ist und vice versa. In diesem Fall spricht man von einem inter-industriellen oder intersektoralen Außenhandel. Die Erfahrung zeigt aber, dass Güter, die scheinbar objektiv der gleichen Kategorie zugeordnet werden, zugleich Import- und Exportgüter eines Landes sein können. Daraus resultiert der intra-industrielle oder intra-sektorale Außenhandel. Eine Hauptursache für intra-industriellen Handel dürfte die Existenz persönlicher, sachlicher oder räumlicher individueller Präferenzen sein, die ihrerseits Ausdruck subjektiver Bewertungen sind. So wird beispielsweise ein bestimmtes Produkt im Ausland gekauft, obwohl es im Inland zu einem günstigeren Preis verfügbar ist, weil besondere persönliche Beziehungen zum ausländischen Lieferanten bestehen, weil das ausländische Produkt

Faktorproduktivitäten,

internationale Preisdifferenzen und Außenhandel

49

des Fehlens objektiver Differenzierungsmerkmale als qualitativ besser eingeschätzt wird oder weil emotionale Bindungen zum Lieferland bestehen. Aufgrund solcher Präferenzen liegt auf den internationalen Gütermärkten heterogene Konkurrenz vor. Es ist zu beobachten, dass Produktdifferenzierungen innerhalb gleicher Güterkategorien auf den internationalen Märkten zunehmend an Bedeutung gewinnen. Diese zielen insbesondere auf die Bildung sachlicher Präferenzen ab. Der Vorteil des Außenhandels ergibt sich in diesem Fall aus dem im Vergleich zum Kauf eines subjektiv höheren subjektiven Nutzen. nur ähnlichen inländischen Produkts Die internationalen Preisdifferenzen und ihre Bedeutung für den Außenhandel nehmen in der Außenhandelstheorie den breitesten Raum ein. Zum einen bieten dafür die Modelle der Preistheorie einen bewährten Erklärungsrahmen, und zum anderen lassen sie sich empirisch relativ leicht erfassen. Die Produktverfügbarkeit und die Produktdifferenzierung als Determinanten des internationalen Handels sind dagegen einer theoretischen und empirischen Analyse weit weniger zugänglich. Der Schwerpunkt der folgenden Untersuchungen liegt vor diesem Hintergrund auf der Bedeutung der Preisdifferenzen. trotz

-

-

2.2

Außenhandelsgewinne durch Produktivitätsvorteile

2.2.1 Die Ideen

von

Adam Smith und David Ricardo

Dass Arbeitsteilung für die Güterversorgung einer Volkswirtschaft vorteilhaft ist, gehört zu den Grunderfahrungen im ökonomischen Handeln von Menschen. Diese Erkenntnis liegt auch der klassischen Nationalökonomie zugrunde, die sich eingehend mit der Frage beschäftigte, wie der Wohlstand von Nationen vermehrt werden könne. Mit der Wohlstandsvermehrung durch Außenhandel haben sich insbesondere Adam Smith (1723 1790) und David Ricardo (1772 1823) beschäftigt, die zu den bekanntesten Begründern der heute als klassische Nationalökonomie bezeichneten Lehre gehören. -

-

Nach der im 17. und 18. Jahrhundert vorherrschenden Lehre des Merkantilismus war zur Steigerung und Bewahrung der nationalen Wohlfahrt eine strikte staatliche Regulierung des Außenhandels erforderlich. Der Nutzen des Außenhandels wurde aus einer engen nationalen Perspektive beurteilt. Die Politik bestand demnach einerseits in einer Förderung von Exporten, andererseits aber in einer Beschränkung von Importen auf solche Güter, die im eigenen Land nicht verfügbar waren. Diesem Leitbild des Außenhandels trat Adam Smith mit der Forderung nach freiem Güteraustausch gegenüber. Seine These lautete, dass Außenhandel einem Land den größten Nutzen bringt, wenn es die Güter expor-

50

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

tiert, die es absolut kostengünstiger produziert, und dafür im Rahmen eines

freien Handels die Güter importiert, die im Ausland absolut kostengünstiger hergestellt werden. Gemäß dieser These wäre Außenhandel für ein Land unter dem Aspekt der quantitativen Güterversorgung nicht vorteilhaft, wenn es alle Güter kostengünstiger produzieren könnte als andere Länder. Analog dazu würde sich für ein Land, das alle Güter mit höheren Kosten produziert, Außenhandel verbieten, da den Importen keine Exporte entge-

gengesetzt werden könnten.

Es ist vor allem das Verdienst David Ricardos, den Ansatz der absoluten Kostenvorteile zu einem allgemeinen Ansatz erweitert und erst damit die wesentliche Begründung für den Nutzen des internationalen Handels geliefert zu haben. Ricardo zeigte, dass Handel zwischen Ländern auch dann Wohlstand fördernd ist, wenn es keine absoluten Kostenvorteile gibt, sofern nur bestimmte Güter in den verschiedenen Ländern mit relativen bzw. komparativen Kostenvorteilen produziert werden. Das nach dieser Erkenntnis benannte Gesetz des komparativen Vorteils besagt, dass sich mit Außenhandel eine größtmögliche quantitative Güterversorgung einzelner Volkswirtschaften und aller Nationen insgesamt erreichen lässt, wenn sich jedes Land auf die Produktion der Güter spezialisiert, bei denen es komparative Kostenvorteile besitzt, und diese Güter international gegen Güter tauscht, die sich in inländischer Produktion nur mit komparativen Kostennachteilen herstellen lassen. Die Kostenvorteile wurden in den klassischen Ansätzen von Smith und Ricardo mit unterschiedlichen sektoralen und nationalen Arbeitsproduktivitäten erklärt. Auf diese Erklärung wird jetzt näher eingegangen.

2.2.2 Produktionstheoretische

Grundlagen Die Analyse geht von relativ einfachen güterwirtschaftlichen Zusammenhängen aus. Damit wird es gleichwohl möglich, die wesentlichen Aspekte der absoluten und der komparativen Kostenvorteile zu erfassen: • •





Es werden zwei Länder, das Inland und das Ausland, betrachtet. In jedem Land gibt es zwei Produktionssektoren, die jeweils ein homogenes Gut, das Gut 1 und das Gut 2, herstellen. Zur Produktion eines jeden Gutes wird nur ein Produktionsfaktor eingesetzt. Im klassischen Modell ist das der Faktor Arbeit. Auf Seiten der Nachfrager gibt es keine persönlichen, sachlichen und räumlichen Präferenzen, so dass es für sie völlig gleich ist, ob bestimmte Güter aus in- oder ausländischer Produktion stammen.

Analog zum Ansatz von Ricardo sei angenommen, dass in jedem Sektor und in jedem Land ein linearer Zusammenhang zwischen Produktionsmen-

Faktorproduktivitäten, internationale Preisdifferenzen und Außenhandel ge und Faktoreinsatz besteht. Die sektoralen Landes lassen sich dann wie folgt schreiben:

(2.1)

xi

=

(XiAi

(2.2)

x2

=

a2A2

(2.3)

xj

=

et!

Ai

(2.4)

x2

=

a2

A2

Produktionsfunktionen

51

eines

x*

und x2 sind die Produktionsmengen der Güter 1 und 2 im Inland bzw. im Ausland innerhalb eines bestimmten Zeitraums, z. B. eines Jahres. Ai und A2 bzw. A* und A2 geben die erforderlichen Faktoreinsätze, z. B. ausgedrückt in geleisteten Arbeitsstunden, an. Schließlich drücken (Xi und cc2 Dzw- a* una* a2 jeweils die Arbeitsproduktivität in den Produktionssektoren aus. Es ist allerdings möglich, Ai und A2 (bzw. im Ausland A* und A2) jeweils als Indikator für ein Konglomerat mehrerer verschiedener Produktionsfaktoren zu interpretieren, die in einer bestimmten festen Kombination im Produktionsprozess eingesetzt werden. Entsprechend würde dann mit cti und a2 (bzw. a* und a2) die Produktivität dieser Faktormengenkombination bezeichnet. xj und x2 bzw.

Die gesamte im Produktionszeitraum zur Verfügung stehende Faktorausstattung der potentielle Arbeitsinput ist mit A bzw. A* fest vorgegeben: -

-

(2.5)

A

=

Ai A2 +

A* A* + A2 Folglich ergibt sich von hierher

(2.6)

=

eine Begrenzung der Produktionsmögbestimmen die sich wenn die Faktormengenrestriktion lässt, lichkeiten, Produktionsfunktionen bzw. in die (2.1) und (2.2) bzw. (2.3) und (2.6) (2.5) demnach die folgende Produktiwird. Inland besteht Im (2.4) einbezogen onsgrenze für das Gut 1 bzw. für das Gut 2:

(2.7)

x,

=

aiA- —x2 a2

mit:x,>0;x2>0

Dieser Zusammenhang macht deutlich, um welche Menge die Produktion des Gutes 1 bei Vollauslastung des Produktionsfaktors Arbeit verringert werden muss, wenn die Produktion des Gutes 2 erhöht werden soll. Das entsprechende Transformationsverhältnis -dx]/dx2 ergibt sich aus dem Verhältnis der Arbeitsproduktivitäten a/a2 in den beiden Produktionssektoren. Man bezeichnet dieses Verhältnis auch als Grenzrate der Transformation, hier der Transformation von Gut 1 in Gut 2. Zugleich gibt dieses Verhältnis die sogenannten marginalen Oppottunitätskosten der Produktion

52

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

des Gutes 2 an, denn es zeigt, welche Kosten in Form eines Verzichts auf das Gut 1 die Produktion einer zusätzlichen Mengeneinheit des Gutes 2 verursacht. Umgekehrt lassen sich aus der Gleichung (2.7) auch die Opportunitätskosten der Produktion des Gutes 1 bestimmen. Löst man nach x2 auf, so erhält man als Grenzrate der Transformation bzw. als marginale Opportunitätskosten:

(2.8)

dx2 -t^ dX]

= ~

a2 ^

tXi

Aufgrund des linearen Zusammenhangs zwischen X[ und x2 ergibt die grafische Darstellung der Gleichung (2.7) in der Abbildung 2.1 eine Gerade, die Transformationslinie genannt wird. Sie zeigt die Produktionsmöglichkeiten auf, die das betrachtete Land hier das Inland aufgrund der vorhandenen Faktorausstattung und der Faktorproduktivitäten in den beiden Produktionssektoren besitzt. Die Steigung der Linie entspricht dem zuvor erläuterten Transformationsverhältnis. Die Schnittpunkte mit den Achsen geben jeweils die Maximalproduktion eines jeden Gutes für den Fall an, dass die vorhandenen Ressourcen nur in einem einzigen Sektor Verwendung finden. Analog zur Gleichung (2.7) und zur Abbildung 2.1 ist auch die Transformationslinie des Auslands darstellbar. -

-

Abbildung 2.1: Produktivität und Transformation x.

tx,A

Wie hoch die tatsächliche Produktion von Gut 1 und Gut 2 in dem betrachteten Land ist, lässt sich aus der Transformationslinie nicht ablesen. Ohne Kenntnis der Nachfrageverhältnisse kann hierüber keine Aussage getroffen werden. Geht man, wie im klassischen Modell, davon aus, dass die verfügbaren Produktionsfaktoren (hier der Faktor Arbeit) immer vollständig beschäftigt bzw. ausgelastet sind, so ist lediglich bekannt, dass die tatsächlich realisierte Gütermengenkombination auf der Transformationslinie liegt.

Faktorproduktivitäten, internationale Preisdifferenzen und Außenhandel

53

2.2.3 Absolute Produktivitätsvorteile Das Inland

möge bei der Herstellung des Gutes 1, das Ausland bei der

Herstellung des Gutes 2 einen absoluten Produktivitätsvorteil besitzen. Das drückt sich in den Arbeitsproduktivitäten aus, die mit a, 4 im Inland und mit a2 5 im Ausland absolut größer sind (siehe Tabelle 2.1). In beiden Ländern sei die gleiche Faktorausstattung mit A 1000 gegeben. Im Autarkiezustand ohne Außenhandel mögen die in der Tabelle ausgewiesenen Mengen produziert und nachgefragt werden. Tabelle 2.1: Ein Beispiel für absolute Produktivitätsvorteile =

=

=

-

-

Arbeitsproduktivitäten Gut 1

a, =4

a.

Gut 2

a2

2

a2

Die folgende Länder.

=

Abbildung zeigt

Produktionsmengen bei Autarkie x,

=

1500

xi= 1300

x2= 1250

5

die

=

x2

Produktionsmöglichkeiten

=

1750

der beiden

Abbildung 2.2: Produktionsbedingungen im In- und Ausland

Inland

Ausland

1500

0

1250

1750

Gemäß Gleichung (2.7) ergeben sich die onslinien in den beiden Ländern als:

(2.9)

X!

(2.10)

xl

=

2x2

4000

entsprechenden

Transformati-

(Inland)

-

=

2000 -

0,4 x2

(Ausland)

Es sei angenommen, dass die Nachfragestruktur im Autarkiezustand, also Aufnahme von internationalem Handel, im Inland durch den Punkt A und im Ausland durch den Punkt B bestimmt ist. vor

54

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Die beiden Transformationslinien werden in der Abbildung 2.3 so zusammengefügt, dass neben den länderspezifischen Produktionsmöglichkeiten auch die internationalen Tauschmöglichkeiten erfasst werden. Aus internationaler Sicht werden die Produktionsmengen für jedes Gut maximiert, wenn sich jedes Land auf die Herstellung des Gutes spezialisiert, bei dem es einen absoluten Produktivitätsvorteil besitzt. Diese Produktionssituation ist im Punkt E gegeben.

Abbildung 2.3: Absolute Produktivitätsvorteile

Offen ist allerdings die Frage, wie diese Produktionsmengen auf die beiden Länder verteilt werden, zumal aus dem Autarkiezustand bekannt ist, dass in jedem Land für jedes Gut ein Bedarf besteht. Ein Land wird nur dann freiwillig zur Aufnahme von internationalen Handelsbeziehungen bereit sein, wenn sich im Vergleich zur Autarkiesituation zumindest keine Verschlechterung der Güterversorgung ergibt. Ein Anreiz zu internationalem Handel besteht allerdings erst dann, wenn sich die Güterversorgung erhöhen lässt.

Der internationale Handel ist eindeutig mit einer besseren Güterversorgung verbunden, wenn zumindest von einem der beiden Güter eine größere Menge als im Autarkiezustand verfügbar wird, ohne dass die Menge des anderen Gutes sinkt. Diese Konstellation sowie die beiden Situationen gleichbleibender Güterversorgung werden in der Abbildung 2.3 durch das Feld ABCD abgedeckt. Kommt eine Güterverteilung im Punkt C zustande, so liegt der Außenhandelsgewinn für das Inland in einer besseren Güterversorgung beim Gut 1 und für das Ausland in einer besseren Güterversorgung beim Gut 2. Erreicht wird diese Verteilung dadurch, dass das Inland die Menge EF des Gutes 1 exportiert und dafür die Menge EG des Gutes 2 aus dem Ausland importiert. Man bezeichnet dieses Tauschverhältnis auch als Terms of Trade. Diese geben an, welche Menge an Importgütern ein Land

Faktorproduktivitäten,

internationale Preisdifferenzen und Außenhandel

im internationalen Handel für eine bestimmte hält.

Menge

an

Exportgütern

55 er-

Wird die durch den Punkt D bezeichnete Güterverteilung realisiert, so ist das internationale Tauschverhältnis durch die Strecken EH (Exportmenge des Inlands bzw. Importmenge des Auslands) und EI (Importmenge des Inlands bzw. Exportmenge des Auslands) bestimmt. Die Terms of Trade sind hier im Vergleich zur Verteilungssituation im Punkt C für das Inland besser und für das Ausland schlechter. Im Vergleich zur Autarkiesituation ergeben sich allerdings für beide Länder Gewinne. Es ist offensichtlich, dass bei einer Güterverteilung gemäß Punkt A nur dem Ausland sowie gemäß Punkt B nur dem Inland Außenhandelsgewinne zufallen. Innerhalb des Feldes ABCD liegen schließlich alle Verteilungssituationen, bei denen sich in jedem Land für jedes Gut eine bessere Versorgung ergibt und die folglich beiden Ländern eindeutig Handelsgewinne bringen. Es ist durchaus möglich, dass der Außenhandel von beiden Ländern auch dann als vorteilhaft bewertet wird, wenn die Güterverteilung zwar im Bereich zwischen den beiden Transformationsgeraden, aber außerhalb des Feldes ABCD liegt. Um hierüber konkret Aussagen machen zu können, müssen die entsprechenden Bewertungskriterien bekannt sein. Darauf kann erst näher eingegangen werden, wenn die Güternachfrage explizit in die Analyse einbezogen wird. Bis dahin bleiben eindeutige Ergebnisse zu den Gewinnen des internationalen Handels auf das Feld ABCD beschränkt.

2.2.4

Komparative Produktivitätsvorteile Untersucht wird jetzt eine Situation, in der das

Inland absolute Produktivitätsvorteile bei der Produktion beider Güter hat. Das Ausland möge allerdings komparative Produktivitätsvorteile bei der Produktion eines Gutes besitzen. Die Tabelle 2.2 zeigt hierfür ein konkretes Beispiel. Tabelle 2.2: Ein Beispiel für komparative Produktivitätsvorteile

Arbeitsproduktivitäten Gut 1

a,

Gut 2

a2 = 6

Gemäß

(2.11)

=

4

a,

=

2

a2 = 5

Produktionsmengen bei Autarkie 2200

X!

=

1300

x2 = 2700

x2

=

1750

x.

=

Gleichung (2.7) gilt jetzt für die Transformationslinie des Inlands:

Xl=4000-|x2

Die Transformationslinie des Auslands bleibt unverändert.

gemäß Gleichung (2.10)

56

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Analog zur Abbildung 2.3 wird dieser Fall in der Abbildung 2.4 dargestellt. Es wird deutlich, dass es vorteilhaft ist, wenn sich das Inland auf die Herstellung des Gutes 1 und das Ausland auf die Herstellung des Gutes 2 spezialisiert. Mit Blick auf die nationalen Transformationsverhältnisse lässt sich erkennen, dass das Inland für die Produktion einer zusätzlichen Mengeneinheit des Gutes 1 auf die Produktion von 1,5 Mengeneinheiten des Gutes 2 verzichten muss, während andererseits im Ausland eine zusätzliche Produktion des Gutes 2 von 1,5 Mengeneinheiten lediglich einen Produktionsverzicht von 0,6 Mengeneinheiten für das Gut 1 bedeutet. Durch die Spezialisierung entstehen somit aus internationaler Sicht Produktionszuwächse bei beiden Gütern. Abbildung 2.4: Komparative Produktivitätsvorteile

Ob nach

Produktionsspezialisierung und Aufnahme von internationalen Handelsbeziehungen für beide Länder Außenhandelsgewinne entstehen, hängt von der Verteilung der Produktionszuwächse ab. Wie schon in der Abbildung 2.3 für den Fall absoluter Vorteile, so lassen sich auch hier ohne Kenntnis der nationalen Nachfragebedingungen keine konkreten Aussagen über Verteilungssituationen im Feld ABCD machen. Fest steht lediglich, dass bei allen Verteilungssituationen innerhalb dieses Feldes keines der beiden Länder hinsichtlich der Güterversorgung schlechter gestellt wird als im Autarkiezustand. Bestimmte Nachfragepräferenzen vorausgesetzt, sind aber auch hier bei Verteilungssituationen außerhalb des Feldes ABCD, die allerdings im Bereich zwischen den Transformationslinien liegen müssen, Außenhandelsgewinne für beide Länder möglich. Die Analyse der Nachfrageseite wird das deutlich machen. Besitzt ein Land absolute Produktivitätsvorteile bei beiden Gütern und bestehen außerdem keine relativen Produktivitätsvorteile, so lassen sich unter dem Aspekt der quantitativen Güterversorgung aus dem internatio-

Faktorproduktivitäten, internationale Preisdifferenzen und Außenhandel

57

nalen Handel keine Gewinne erzielen. Internationale Produktionszuwächse durch Spezialisierung sind somit in diesem Fall nicht möglich. Die Analyse führt somit zu folgendem Ergebnis: Internationaler Handel eröffnet die Möglichkeit einer insgesamt besseren quantitativen Güterversorgung, wenn jedes der beteiligten Länder die Produktion des Gutes ausweitet, für das aufgrund der relativen Produktivitäten ein komparativer Kostenvorteil im Vergleich zu den anderen Handelsländern besteht. Bei linearen Produktionszusammenhängen wie im Ricardo-Modell wird die maximal mögliche internationale Güterversorgung durch eine vollständige Produktionsspezialisierung auf das Gut mit den komparativen Produktivitäts- bzw. Kostenvorteilen erreicht. -

-

2.3 Preisverhältnis und Außenhandel 2.3.1 Produktivität und Güterpreise In dem zuvor zugrunde gelegten Modell konnte lediglich gezeigt werden, dass sich durch Außenhandel die weltweite Güterversorgung erhöhen lässt, wenn relative Produktivitätsunterschiede bestehen. Aus diesen Unterschieden können zugleich komparative Produktionskostenvorteile resultieren. Allerdings enthält das Modell keine Güterpreise. Folglich lassen sich internationale Preisdifferenzen und deren Bedeutung für den Außenhandel nicht unmittelbar erkennen. In den modernen Volkswirtschaften sind Güterpreise sowie Preisdifferenzen jedoch maßgebliche Determinanten der güterwirtschaftlichen Transaktionen sowohl auf den nationalen als auch auf den internationalen Märkten. Um diesen Aspekt zu erfassen, wird das Modell nun um Güterpreise erweitert.

Betrachtet wird zunächst die Autarkiesituation, in der jedes Land zwei Güter herstellt. In jedem der beiden Sektoren entspricht der Wert der Produktion ex definitione jeweils dem nominellen Faktoreinkommen. In den beiden inländischen Sektoren gilt demnach:

(2.12)

p,X! = /iAi

p2x2 /2A2 Vor dem Hintergrund einer vollkommenen Mobilität des Faktors Arbeit innerhalb eines Landes (nicht jedoch zwischen den beiden Ländern) ist der nominelle Lohnsatz in beiden Sektoren gleich: l U l2. Unter Berücksichtigung der Arbeitsproduktivitäten gemäß den Produktionsfunktionen (2.1) und (2.2) lassen sich die beiden Preisfunktionen dann wie folgt schreiben:

(2.13)

=

=

(2.14)

p,=-f

=

Internationale

58

(2.15)

p2

=

Wirtschaftsbeziehungen

-f

Analog dazu ergeben sich die Preise des Auslands:

P;=4 p*=40-2

(2.16) (2.17)

Aus den Gleichungen (2.14) und (2.15) lässt sich unmittelbar ableiten, dass das Preisverhältnis dem umgekehrten Verhältnis der Arbeitsproduktivitäten entspricht:

(2.18) Das

p2

CLi

gilt gemäß (2.16) und (2.17) auch für das Ausland:

(2.i9)

i=4 P2 Oll

wichtige Erkenntnisse wurden damit gewonnen: Das Gut, das mit einer relativ hohen Arbeitsproduktivität hergestellt wird, ist relativ preisgünstig.

Zwei •

Relative Produktivitätsunterschiede drücken sich auch in relativen Preisunterschieden aus. Aus den Gleichungen (2.8) und (2.18) folgt außerdem, dass die Grenzrate der Transformation und somit die Steigung der Transformationslinie nicht nur dem Verhältnis der Arbeitsproduktivitäten, sondern auch dem umgekehrten Verhältnis der Güterpreise in den beiden Sektoren entspricht. Das gilt analog für das Ausland. •

2.3.2 Internationale Preisdifferenzen und

Richtung des Außenhandels

In der Tabelle 2.3 werden die bereits aus der Tabelle 2.2 bekannten Arbeitsproduktivitäten für den Fall komparativer Produktivitätsunterschiede

zugrunde gelegt.

Faktorproduktivitäten, internationale Preisdifferenzen und Außenhandel Tabelle 2.3:

59

Arbeitsproduktivitäten und Güterpreise Ausland

Inland ProdukGütertivität preise

Produktivität

Güterpreise

Lohnsatz

/ = 18

r=i2

Gut 1

4,50

Gut 2

3,00

6,00 2,40

/

=

18

9,00 3,60

/ =7,50

3,75 1,50

Im Inland wird ein Lohnsatz von / 18 angenommen. Gemäß den Preisfunktionen (2.14) und (2.15) ergeben sich im Autarkiezustand die inländischen Güterpreise pi 4,50 und p2 3,00. Für das Ausland werden alternativ drei Lohnsätze betrachtet. Dementsprechend lassen sich dort für die Autarkiesituation für jedes Gut alternativ drei Preise berechnen: =

=



=

Bei einem Lohnsatz von /* 12 besitzt das Ausland im Vergleich zum Inland einen absoluten Preisvorteil beim Gut 2. Für das Inland liegt der Preisvorteil demgegenüber beim Gut 1. Bei Aufnahme von Außenhandel wird das Inland somit das Gut 1 exportieren und das Gut 2 importieren. Das entspricht dem Ergebnis, das weiter oben im Modell ohne Berücksichtigung von Güterpreisen gewonnen wurde. Liegt der Lohnsatz im Ausland bei 1* = 18, so sind die Preise beider Güter dort höher als im Inland. Käme es jetzt zu Handelsbeziehungen, wäre es für die Nachfrager im Ausland vorteilhaft, beide Güter zu importieren. Ein gegenseitiger Austausch von Gütern käme somit nicht zustande. Es ist in diesem Fall fraglich, ob das Ausland überhaupt zur Aufnahme von Außenhandel bereit wäre. Bei einem Lohnsatz von 1* 7,50 hat das Ausland bei beiden Gütern einen Preisvorteil. In diesem Fall wird das Inland nicht an einer Aufnahme von Außenhandel interessiert sein. -





=

Damit es zur Aufnahme von Außenhandel mit einem gegenseitigen Güteraustausch kommen kann, muss im vorliegenden Beispiel gelten:

p*

pi < und p2 > p2 Sind diese Bedingungen erfüllt, so spiegeln die internationalen Preisdifferenzen die Produktivitätsunterschiede wider.

(2.20)

Es wird deutlich, dass das Verhältnis der in- und ausländischen Lohnsätze bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten darf, um die Aufnahme von Außenhandel möglich zu machen. Diese Grenzwerte ergeben sich wie folgt aus den Gleichungen (2.14), (2.15), (2.16) und (2.17) sowie aus der Bedingung (2.20):

60

Internationale

(2.21)

OC2 / < ,* a2 / *


w-p2 Daraus lassen sich unmittelbar die Grenzwerte für den Wechselkurs bestimmen:

(2.22)

(2.23)

£i

0

im2 im, im,,

im

Der Vergleich zwischen der hier betrachteten Subvention und einem Zoll auf Importe macht Folgendes deutlich: •



Zollerhebung bewirkt eine Erhohung, die Subvention demgegeniiber eine Verringerung des inlandischen Preisniveaus der Importgiiter. Die subventionsbedingte inlandische Preissenkung impliziert ebenfalls umgekehrt zur Wirkung des Zolls eine Zunahme der inlandischen Nachfrage nach Impoitgiitern und importkonkurrierenden Giitern (auf ymi) sowie der Konsumentenrente. Wahrend der Zoll dem Staat i. d. R. Einnahmen bringt, bedeutet die Subvention eine Budgetbelastung. Die Subvention macht einen Betrag aus, der der markierten Flache ABCD entspricht. Hinsichtlich der anderen Effekte ergeben sich demgegeniiber ahnliche Ergebnisse wie bei der Zollerhebung: Die inlandische Produktion steigt; die Importmenge sinkt; die Leistungsbilanz wird wegen der Abnahme des Importwerts verbessert; die inlandischen Terms of Trade verbessern Die

-

-





sich ebenfalls; die Produzentenrente nimmt trotz der inlandischen Preis-

senkung zu. Von entscheidender Bedeutung fur die Ergebnisse ist allerdings die Preiselastizitat des auslandischen Importangebots. Ist dieses Angebot vollkom-

180

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

preiselastisch (z. B. im Fall von MS1), so bleibt nicht nur das in Auslandswahrung nominierte intemationale Preisniveau, sondern auch das in Inlandswahrung nominierte nationale Preisniveau der Importgiiter unverandert. Dementsprechend verandern sich die inlandische Nachfrage, die Konsumentenrente und die Terms of Trade nicht. Im Ubrigen sind auch in diesem Fall eine Erhohung der inlandischen Produktion (auf x^), eine Zunahme der Produzentenrente, eine Verringerung der Importmenge (auf im2) sowie eine Verbesserung der Leistungsbilanz zu beobachten. Wenn uberhaupt eine protektionistische Politik in Betracht zu ziehen ist, bietet die staatliche Forderung des inlandischen Sektors der importkonkurrierenden Giiter im Vergleich zu den Zollen, den Importkontingenten und den Exportpramien offensichtlich Vorteile: Sie bewirkt keine Erhohung des inlandischen Preisniveaus und erspart somit den Nachfragem einen Verlust an realer Kaufkraft auf dem Importgiitermarkt. men





Die Gefahr, dass

es zu

auslandischen Retorsionsmafinahmen kommt, ist

geringer. Es darf aber nicht iibersehen werden, dass die staatlichen Subventionen das Budget belasten. Da die Subventionsempfanger und diejenigen, die beispielsweise iiber Steuem die Subvention finanzieren, in aller Regel nicht identisch sind, resultiert hieraus ein (weiterer) intemer Umverteilungseffekt, der dem Land insgesamt WohlfahrtseinbuBen bringen kann.

Dariiber hinaus ist zu beachten, dass man mit Subventionen grundsatzlich Gefahr lauft, die „Schlafmutzenkonkurrenz" zu fordern und die innovativen Krafte eines Landes zu lahmen. Auch die hier diskutierten Subventionen miissen deshalb mit groBer Skepsis betrachtet werden. Im Hinblick auf die Wirkungen staatlicher Subventionen im Rahmen auBenwirtschaftlicher MaBnahmen gelangt man somit zu folgenden Ergebnissen: •





Subventionen, die inlandischen Produzenten von importkonkurrierenden Gutern oder von Exportgutern gewahrt werden, stellen meistens eine

versteckte Protektion dar. Kurzfristig lassen Exportsubventionen zwar positive Produktions- und Handelseffekte erwarten, aber sie haben i. d. R. negative Wirkungen auf die Terms of Trade, die Leistungsbilanz sowie die Wohlfahrt des Subventionslandes. Uberdies treten Belastungen des offentlichen Budgets auf, die Umverteilungseffekte implizieren. Subventionen fur importkonkurrierende Sektoren haben kurzfristig ahnliche Wirkungen auf Importmengen, Leistungsbilanz, Terms of Trade, inlandische Produktion und Produzentenrente wie Zolle. Im Unterschied

Aufienhandelspolitik, Freihandel und Protektionismus

181

Preissenkung und eine Erhbhung der KonsuDie Budget- und Umverteilungseffekte entsprechen denjenigen der Exportsubventionen. Auf langere Sicht schmalern Subventionen die internationale Wettbewerbsfahigkeit eines Landes und gefahrden von daher die mit ihnen angestrebten Beschaftigungsziele.

zu

Zollen ist

jedoch

eine

mentenrente zu erwarten. •

5.6

Devisenbewirtschaftung

Mit der Devisenbewirtschaftung greift der Staat direkt in den internationalen Zahlungsverkehr ein. Der Devisenerwerb und die Devisenverwendung werden dabei administrativ gelenkt. Im Allgemeinen kommt die Devisenbewirtschaftung zur Anwendung, wenn sich ein Land chronischen Zahlungsbilanzdefiziten gegeniibersieht und eine offizielle Finanzierung dieser Defizite wegen Devisenmangels unmoglich ist. Ohne staatliche Eingriffe kame es in einer solchen Situation zu Anpassungsprozessen, in denen sich Wechselkurse und/oder andere wirtschaftspolitisch wichtige GroBen des betrachteten Landes (z. B. Guterpreise, Zinssatze, Beschaftigung) so lange andern wiirden, bis die Zahlungsbilanz ausgeglichen ware. An die Stelle der quasi automatischen Zahlungsbilanzanpassung tritt bei der Devisenbewirtschaftung die staatliche Zahlungsbilanzregulierung, mit der der Zahlungsbilanzausgleich auf administrativem Wege erzwungen wird. Vor diesem Hintergrund dient die Devisenbewirtschaftung somit der Vermeidung der Zahlungsbilanzanpassung bzw. der damit verbundenen unerwiinschten Auswirkungen auf interne wirtschaftspolitische ZielgroBen. Wie noch zu zeigen ist, kann die Devisenbewirtschaftung mit einer quantitativen Beschrankung von Guterimporten verbunden sein. In diesem Fall hat sie eine protektionistische Wirkung.

In Hinsicht auf den Geltungsbereich der staatlichen Regulierung ist zwischen einer totalen und einer partiellen Devisenbewirtschaftung zu unterscheiden: •



Total ist die

Devisenbewirtschaftung, wenn der gesamte internationale Zahlungsverkehr eines Landes staatlich gelenkt wird. Partiell ist die Devisenbewirtschaftung, wenn sich die staatliche Lenkung nur auf bestimmte Zahlungsvorgange erstreckt, beispielsweise auf Zahlungen im Rahmen des Giiterverkehrs oder auf den Zahlungsverkehr mit bestimmten Landern.

Die partielle Devisenbewirtschaftung ist allerdings in aller Regel ohne eine umfassende staatliche Kontrolle aller internationalen Zahlungsvorgange ineffektiv. Fehlt diese Kontrolle, so ist zu erwarten, dass Wirtschaftssubjekte Devisengeschafte, die der staatlichen Regulierung unterliegen, Uber

182

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Umweg nicht regulierter Transaktionen abwickeln. Versucht der Staat beispielsweise, den Kapitalverkehr zu steuern, indem er eine restriktive Devisenzuteilung flir den Kapitalexport vornimmt, so konnen unkontrollierte Devisenzuflusse aus den nicht regulierten Giiterexporten unmittelbar in den Kapitalexport flieBen. Wenn Giiterimporte aus einem bestimmten Land sowie Kapitalexporte in dieses Land direkt nur mit einer staatlichen Devisenzuteilung moglich sind, lassen sich diese Transaktionen iiber ein drittes Land abwickeln, fur dessen Wahrung keine Regulierung besteht. Die partielle Devisenbewirtschaftung entwickelt sich deshalb iiber kurz oder lang meistens zu einer totalen Devisenbewirtschaftung. Die Technik der totalen Devisenbewirtschaftung sei anhand der Abbildung 5.10 erlautert, in der eine bestimmte Angebots- und Nachfragekonstellation auf dem Devisenmarkt dargestellt ist. DA bezeichnet das private Devisenangebot, DN die private Devisennachfrage. w ist der Wechselkurs bzw. der inlandische Preis einer Einheit der auslandischen Wahrung. Den wirtschaftspolitischen Zielvorstellungen des Landes entspreche der Wechselkurs w0. Bei diesem Kurs besteht eine Uberschussnachfrage nach Devisen in Hohe der Strecke BC. Die Wahrung des betrachteten Landes ist in diesem Fall uberbewertet, denn bei freier Wechselkursbildung wiirde diese Wahrung abgewertet werden. Die hohe Bewertung der eigenen Wahden

rung hat fiir das Land den Vorteil, dass auslandische Giiter zu relativ niedrigen Preisen importiert werden konnen. Eine Zahlungsbilanzfinanzierung, bei der die Zentralbank des Landes das fehlende Devisenangebot aus ihrem Bestand decken wiirde, oder eine Zahlungsbilanzanpassung, bei der sich z. B. der Wechselkurs auf wg erhohen wiirde, ist ausgeschlossen. Im Rahmen der Devisenbewirtschaftung muss der Devisenbetrag D0, der beim offiziellen Wechselkurs w0 aus Giiterexporten und Kapitalimporten ins Land flieBt, der also ein Devisenangebot darstellt, an den Staat abgeliefert werden. Dieser Devisenbetrag wird dann fiir bestimmte Verwendungen zugeteilt. Hierfiir gibt es zwei Moglichkeiten: •

Nachfragern werden nach bestimmten Kriterien Devisenkontingente zugeteilt. Bei Guterimporten richten sich diese Kriterien i. d. R. an sogenannten volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten aus. Der Staat teilt dabei Devisen nur fiir die Einfuhr spezifischer Giiter zu, z. B. fiir die Einfuhr Den

Rohstoffen oder lebensnotwendigen Konsumgutern. Die Zuteilung erfolgt zum Wechselkurs w0, so dass das Devisenmarktgleichgewicht durch eine Kontingentierung bzw. durch eine Rationierung erreicht wird (Kontingentierungs- bzw. Rationierungsverfahren). In Hinsicht auf die Giiterimporte entspricht dieses Verfahren den weiter oben schon erlauterten quantitativen Einfuhrbeschrankungen. Folglich lassen sich hier die gleichen Wirkungen beobachten. von

Aufienhandelspolitik, Freihandel und Protektionismus

183

Abbildung 5.10 Devisenbewirtschaftung

D, D0 •

Devisenmenge (D)

Devisenmarktgleichgewicht wird mit Hilfe einer Wechselkursspaltung hergestellt. Die Devisen miissen in diesem Fall zwar zum Kurs von w0 an den Staat abgeliefert werden, aber der Staat bietet seinerseits den zugeflossenen Devisenbetrag zum Kurs von wj am Devisenmarkt an. Hinsichtlich der Giiterimporte hat dieses Verfahren Ahnlichkeit mit einem Mengenzoll. An die Stelle der zollinduzierten Erhohung tritt hier die wechselkursinduzierte Erhohung des inlandischen Importpreises. Von daher sind ahnliche Wirkungen zu erwarten, wie sie bereits weiter oben fur den Mengenzoll auf Importe aufgezeigt wurden. Wie beim Zoll, Das

so erzielt der Staat auch bei diesem Verfahren Einnahmen. Diese resultieren aus der Differenz zwischen dem hoheren Zuteilungskurs und dem

niedrigeren Ablieferungskurs.

Beide Verfahren konnen auch nebeneinander angewendet werden, z. B. die Zuteilung eines Devisenbetrags zum Wechselkurs w0 in Hohe der Strecke D0Di im Wege der Kontingentierung sowie die Abgabe eines Devisenbetrags D! an den Devisenmarkt zum Wechselkurs w2 mit Hilfe der Wech-

selkursspaltung.

Es wurde schon erwahnt, dass die Devisenbewirtschaftung in Hinsicht auf den Giiterverkehr ahnliche Wirkungen hat wie eine Importkontingentierung oder ein Mengenzoll auf Importe. Auf diese Wirkungen soil hier nicht erneut eingegangen werden. Wegen der Beeinflussung des intemationalen Kapitalverkehrs konnen allerdings zusatzliche Wirkungen auftreten. So ist beispielsweise zu erwarten, dass sich die Kapitalimporte mit Einfuhrung der Devisenbewirtschaftung verringern und die Zahlungsbilanz des Landes von daher verschlechtert wird. Die auslandischen Anleger miissen befiirchten, dass es wegen der Devisenbewirtschaftung zu Problemen beim

184

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Transfer der Kapitalertrage sowie beim Riicktransfer der Anlagebetrage kommt. In der Abbildung 5.10 lasst sich dieser Vorgang in einer Verschiebung der Devisenangebotskurve nach links auszudriicken. Infolge der Devisenbewirtschaftung wiirde das Devisenangebot beim gewunschten Wechselkurs w0 somit noch knapper. Allein dieses Beispiel zeigt, dass die Devisenbewirtschaftung kein geeignetes Mittel ist, entweder die Zahlungsbilanzprobleme zu losen oder im Rahmen einer protektionistischen Politik die

Guterimporte zu regulieren. 5.7

Strategische Handelspolitik

5.7.1 Ziele

Die strategische Handelspolitik eines Landes ist darauf angelegt, protektionistische Instrumente wie Zolle, Kontingente oder Subventionen gezielt zur Wohlfahrtssteigerung einzusetzen. Sie geht davon aus, dass die bei Freihandel erzielten oder erzielbaren Marktergebnisse dem Land kein Wohlfahrtsoptimum bringen und dass deshalb staatliche Markteingriffe erforderlich sind. Um die Wohlfahrtssteigerung zu erreichen, sollen • durch Verbesserung der komparativen Vorteile inlandischer Unternehmungen Renten geschaffen werden (rent creation) • Renten aus dem Ausland ins Inland umgelenkt werden (rent shifting). Aus den theoretischen Untersuchungen in den vorangegangenen Kapiteln ist bekannt, dass durch AuBenhandel bei freier internationaler Preisbildung in alien beteiligten Landern positive Effekte im Hinblick auf Guterversorgung und Wohlfahrt moglich sind. Um die strategische Handelspolitik begriinden zu konnen, muss deshalb aufgezeigt werden, in welchen Situationen der freie internationale Handel aus der Sicht eines einzelnen Landes nicht zu den gewunschten Ergebnissen fiihrt. Mehrere Aspekte und Begriindungen sind moglich, die im Folgenden kurz dargelegt werden. 5.7.2

Verteilung der Wohlfahrtswirkungen

Durch die Aufnahme von AuBenhandel mag zwar die Wohlfahrt in alien beteiligten Landern steigen, aber die Verteilung der Wohlfahrtsgewinne bzw. der Renten ist nicht determiniert. Es ist durchaus moglich, dass die nach Aufnahme oder Ausweitung von AuBenhandel erzielten Renten iiberwiegend dem Ausland zuflieBen. Das Inland kbnnte deshalb versuchen, die Verteilung mit gezielten Markteingriffen zu seinen Gunsten zu verandern. Hier geht es somit um eine Umlenkung von Renten auf das eigene Land (rent shifting). Eine Verringerung des bei Freihandel erzielten bzw. erzielbaren Wohlfahrtsniveaus des Auslands wird bei dieser Politik bewusst in

Aufienhandelspolitik, Freihandel und Protektionismus

185

Kauf genommen. Ein Beispiel daftir liefert die weiter oben dargestellte Theorie des Optimalzolls. Die so ausgerichtete strategische Handelspolitik ist mit mehreren Risiken verbunden: •





Weder Hohe noch Verteilung der Wohlfahrtsgewinne lassen sich empirisch eindeutig feststellen, so dass die Behauptung einer Benachteiligung des Inlands bestenfalls auf MutmaBungen beruht. Den staatlichen Entscheidungstragern ist nicht ausreichend bekannt, wie handelspolitische MaBnahmen auf den Gesamtbereich der auBenwirtschaftlichen Transaktionen wirken, so dass die Wohlfahrtseffekte hochst ungewiss sind. Es ist zu erwarten, dass das Ausland mit RetorsionsmaBnahmen reagiert, durch die letztlich fur alle Wohlfahrtsverluste eintreten.

5.7.3 Unvollkommene Markte Die wohlfahrtssteigernde Wirkung des freien AuBenhandels wird in der traditionellen Theorie in der Regel mit Modellen erklart, denen vollkommene Gutermarkte zugrunde liegen. Diese Markte sind durch einen umfassenden Informationsstand der Marktteilnehmer, den freien Marktzutritt fur alle potentiellen in- und auslandischen Anbieter und Nachfrager, einen hohen Wettbewerbsdruck und eine freie Preisbildung gekennzeichnet. Mit solchen Modellen wird die Realitat allerdings nur teilweise erfasst. Zweifellos gibt es auf internationaler Ebene eine Reihe von Gutermarkten mit einem relativ hohen Vollkommenheitsgrad. Hierfur treffen die giiterwirtschaftlichen Effekte des AuBenhandels, die aus der traditionellen Theorie bekannt sind, weitgehend zu. Andererseits lassen sich jedoch auf etlichen auBenwirtschaftlich relevanten Gutermarkten Unvollkommenheiten beobachten, so dass hier die Bedingungen fiir die Erzielung der positiven Wohlfahrtseffekte gemaB der traditionellen Theorie nicht erfullt sind. Zu beobachten ist beispielsweise auf einzelnen Markten eine monopolistische Marktmacht des Auslands, aus der fiir das Inland relativ hohe Importpreise und fiir das Ausland demgemass sogenannte Monopolrenten resultieren. Die strategische Handelspolitik kbnnte vor diesem Hintergrund darauf an-

gelegt sein, entweder einen Teil dieser Monopolrenten selbst abzuschopfen (rent shifting) oder eigenen Anbietern den Markteintritt zu ermoglichen (rent creation).

Die Moglichkeit der Abschopfung von Monopolrenten wird in der Abbildung 5.11 fiir eine auslandische Unternehmung untersucht, die bei einem bestimmten Produkt auf dem inlandischen Markt iiber Importe Angebotsmonopolist ist. Diese Monopolstellung moge daraus resultieren, dass

186

Internationale

Wirtschafisbeziehungen

die auslandische Unteraehmung aufgrund von economies of scale erhebliche Skalenvorteile besitzt, durch die den inlandischen Untemehmungen der Markteintritt unmoglich oder zumindest erschwert ist. Dementsprechend

produziert der Angebotsmonopolist mit sinkenden durchschnittlichen len Kosten, die in der Kurve DTK* zum Ausdruck kommen.

tota-

Abbildung 5.11. Abschopfung von Monopolrenten

Pt

0

x, Xq

x

In der Ausgangssituation wird mit PAF0 die Preis-Absatz-Situation des auslandischen Angebotsmonopolisten auf dem inlandischen Markt beschrieben. GemaB seiner Grenzkostenkurve GK* und der Grenzerloskurve GEo maximiert der Anbieter seinen Gewinn bei einem Preis von p0 und einer Absatzmenge von x0 (Punkt A auf der Preis-Absatz-Kurve). Mit Blick auf seine totalen Durchschnittskosten (Kurve DTK*) erzielt er einen Stiickgewinn in Hohe der Strecke AB.

Um den Gewinn des auslandischen Anbieters abzuschopfen, moge das Inland einen Mengenzoll erheben. Das verschlechtert unmittelbar die PreisAbsatz-Situation des Anbieters. Die fur ihn relevante Preis-Absatz-Kurve verschiebt sich um den Zollsatz nach unten. Die vollstandige Gewinnabschopfung gelingt dem Inland mit einem Zollsatz in Hohe der Strecke CD. Die Preis-Absatz-Kurve verschiebt sich parallel nach PAFi. Der Angebotsmonopolist maximiert in diesem Fall seinen Gewinn gemaB seiner

Grenzkosten GK* und der jetzt relevanten Grenzerloskurve GEi bei einem Preis von pi und einer Menge von Xi (Punkt D). Im Punkt D tangiert die Kurve der totalen Durchschnittskosten DTK* die Preis-Absatz-Kurve PAFi. Auf dem inlandischen Markt erzielt er somit keinen Gewinn mehr. Im Inland liegt der Preis des Gutes gemaB Punkt C auf der fur die inlandischen Nachfrage nach wie vor relevanten Preis-Absatz-Kurve PAF0 um den Zollsatz iiber dem Preis pi. Er betragt somit p2. Der Staat erzielt Zollein-

Aufienhandelspolitik, Freihandel und Protektionismus

187

nahmen, die der markierten Flache entsprechen. In Hbhe dieses Betrages

findet ein rent shifting vom Ausland ins Inland statt. Die Zollerhebung hat auf dem betrachteten Markt somit fur die inlandischen Nachfrager eine Preiserhbhung zur Folge, auf die sie mit einer Mengeneinschrankung reagieren. Daraus kbnnte fur sie ein Wohlfahrtsverlust resultieren. Dem stehen aber die Einnahmen aus dem rent shifting gegeniiber. Es ist mbglich, dass deren Verwendung einen solchen Verlust mehr als aufwiegt, so dass sich fur das Inland durchaus ein Nettowohlfahrtsgewinn ergeben kann. Allerdings ist auch hier mit RetorsionsmaBnahmen des Auslands zu rechnen, die bekanntlich mit Wohlfahrtsverlusten verbunden sind. 5.7.4 Externe Effekte Die Modelle der traditionellen AuBenhandelstheorie lassen einen Aspekt auBer Acht, der in den modernen Volkswirtschaften von groBer Bedeutung geworden ist: Das Auftreten externer Effekte. Drei Auspragungen spielen dabei im Zusammenhang mit AuBenhandel und strategischer Handelspolitik eine besondere Rolle: •





Durch AuBenhandel sind Spezialisierungseffekte mbglich, bei denen im Inland die Produktion von Giitern fur den Export begunstigt wird, die in diesem Land mit relativ hohen Umweltbelastungen hergestellt werden. Daraus resultieren fur das Inland externe Kosten, die nicht iiber die Exportpreise abgegolten werden. Die Preise der umweltbelastenden Exportgiiter orientieren sich demnach nicht an den sozialen Kosten, sondern nur an den privaten Kosten der Produktion. Der AuBenhandel begunstigt den Import von Giitern, die im Importland bestimmte Umweltstandards nicht erfiillen oder in diesem Land Umweltbelastungen nach sich ziehen. Auch hier liegen externe Kosten vor, die in den Preisen der umweltschadlichen Importgliter nicht erfasst sind. Diese Preise basieren lediglich auf den privaten Kosten der auslandischen Produzenten. heimischer Unternehmungen, die fur den AuBenhandel und die internationale Wettbewerbsfahigkeit des Landes

Technologische Neuerungen

maBgeblicher Bedeutung sind, werden im Rahmen von Diffusionsprozessen relativ rasch von auslandischen Unternehmungen nutzbar gemacht, ohne dass diesen daraus Kosten entstehen. Fur das Ausland bedeutet dies externe Ersparnisse, fur die die innovativen Unternehmungen des Inlands keine Gegenleistung erhalten. Das hat zur Folge, dass einerseits die Motivation inlandischer Unternehmungen zur (des Inlands)

von

188

Internationale

Wirtschafisbeziehungen

Innovation geschwacht und andererseits die landischer Unteraehmungen gestarkt wird.

Wettbewerbsfahigkeit

Je nach Art der externen Effekte wird sich eine darauf gerichtete sche Handelspolitik verschiedener Instrumente bedienen: •





aus-

strategi-

Im ersten Fall konnte z. B. einerseits durch Subventionierung der importkonkurrierenden Produktionsbereiche und andererseits durch Steuerbelastung der Exportsektoren versucht werden, das Preisverhaltnis zu Gunsten der Importgiiter und zu Lasten der Exportgiiter so weit zu andern, dass die Spezialisierungsrichtung umgekehrt wird: Die vormaligen Importgiiter werden nun zu Exportgutern und umgekehrt. Auf diese Weise konnte die umweltschadliche Produktion der vormaligen Exportgiiter ins Ausland verlagert sowie umgekehrt gleichzeitig die relativ umweltschonende Produktion der vormaligen Importgiiter aus dem Ausland ins Inland gezogen werden. Im zweiten Fall miisste der Import der umweltproblematischen Giiter beispielsweise durch Zolle oder Kontingente verringert oder durch Importverbote ganzlich unterbunden werden. Im dritten Fall bieten sich drei Einsatzbereiche an: erstens staatliche Zuwendungen an die innovativen Unternehmungen, um die nicht erzielten Ertrage aus den externen Effekten auszugleichen; zweitens eine direkte finanzielle Beteiligung des Staates an den Kosten der technischen Neuerungen im Rahmen eines Programms zur Forderung von Forschung und Entwicklung; drittens staatliche Regulierungen zur Eindammung der unentgeltlichen Technologietransfers ins Ausland. In den beiden ersten Bereichen geht es um Subventionen, die ahnliche auBenwirtschaftliche Wirkungen haben wie direkte Exportsubventionen. Sie lassen sich relativ

einfach realisieren. Als weitaus schwieriger erweisen sich MaBnahmen im dritten Bereich. Erforderlich waren hier z. B. Kontrollen zur Verhin-

derung von Industriespionage oder Sanktionen den internationalen Patentschutz verletzen.

gegeniiber Landern,

die

Die Absicht, eine strategische AuBenhandelspolitik zur Vermeidung oder zum fmanziellen Ausgleich externer Effekte zu betreiben, mag zwar im Hinblick auf Umweltschutz und Technologieentwicklung den Interessen eines Landes dienen, aber gleichwohl sind Einwande angebracht: Erstens besitzen die staatlichen Entscheidungstrager im Allgemeinen nur unzulangliche Informationen iiber die auBenwirtschaftlich bedingten externen Effekte, so dass bei Einsatzfeldern und Dosierungen von MaBnahmen die Gefahr von Willkiir groB ist; zweitens haben MaBnahmen, die auf Giiter und Sektoren mit auBenwirtschaftlich bedingten externen Effekten gerichtet sind, wahrscheinlich auch restriktive Wirkungen auf andere Giiter und

Aufienhandelspolitik, Freihandel und Protektionismus

189

dass letztlich der gesamte AuBenhandel betroffen sein kann; drittens ist auch hier mit RetorsionsmaGnahmen des Auslands zu rechnen.

Sektoren,

so

Anpassungsschutz Von strategischer Handelspolitik lasst sich auch im Hinblick auf zwei Zielrichtungen sprechen, die weiter oben bereits erwahnt wurden: 5.7.5





Neuen Produktionssektoren, die iiber Lemeffekte erst noch weiteres Innovationspotential entwickeln miissen, um international wettbewerbsfahig zu werden, wird ein zeitlich befristeter Anpassungsschutz gewahrt. Hier geht es somit um das „infant industry "-Argument, an dem sich auch die sogenannten „Erziehungszdlle" orientieren. Alten Produktionssektoren, in denen aufgrund zunehmender auslandischer Konkurrenz ein Abbau von Arbeitsplatzen droht, wird ein voriibergehender Anpassungsschutz gewahrt, der es ermoglichen soil, die freigesetzten Arbeitskrafte allmahlich in andere Verwendungen uberzufiihren.

Wie schon erlautert, besteht in beiden Fallen die Gefahr, dass der urspriinglich zeitlich befristete Anpassungsschutz zu einem dauerhaften Erhaltungsschutz wird. Damit ist im ersten Fall zu rechnen, wenn die neuen Produktionssektoren unter dem staatlichen Schutz zwar expandieren und dabei sowohl Produktion als auch Arbeitsinput steigern, aber gleichwohl keine internationale Wettbewerbsfahigkeit erreichen. Im zweiten Fall wird es zu einem Erhaltungsschutz kommen, wenn den Arbeitskraften die notige Anpassungsfahigkeit oder Anpassungsbereitschaft fehlt und sich beispielsweise Gewerkschaften massiv fur den Erhalt von Arbeitsplatzen in den international nicht mehr wettbewerbsfahigen Sektoren einsetzen. Die strategische Handelspolitik konnte in diesen Fallen letztlich mit erheblichen sozialen Kosten verbunden sein, die sich zumindest mittelfristig vermeiden lieBen, wenn man auf Eingriffe in den freien AuBenhandel verzichten wiirde.

I Zusammenfassung_| Die moderne AuBenhandelspolitik ist gepragt von einer Gratwanderung zwischen Freihandel und Neomerkantilismus. Einerseits ist erkennbar, dass der freie internationale Handel eine weltweit hohere Guterversorgung und daruber Wohlfahrtsgewinne ermoglicht. Andererseits besteht aber in einzelnen Landern ein politischer und gesellschaftlicher Druck, strukturelle Anderungen, die dem AuBenhandel zugeschrieben werden, zu verhindern, eine vermeintliche Ungleichverteilung der auBenwirtschaftlich erzielbaren Wohlfahrtsgewinne zu korrigieren sowie Unternehmungen mit staatlicher Unterstutzung komparative AuBenhandelsvorteile zu verschaffen.

190

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

protektionistischen AuBenhandelspolitik (Zolle, Importkontingerite, Subventionen, Exportselbstbeschrankung, administrative Instrumente) sind jeweils mit einer Reihe von Wirkungen auf den Importmarkten und/oder den Exportmarkten verbunden. Dazu zahlen Wirkungen auf nationale und internationale Preise der Handelsguter, auf Handelsmengen und Leistungsbilanzsalden, auf die Terms of Trade der Handelslander, auf Niveau und Verteilung der Wohlfahrt der Handelslander, auf Produktionsmengen und Produktionsstrukturen sowie Einkommen und Beschaftigung innerhalb der Handelslander, auf die binnenwirtschaftliche Verteilung von Die tarifaren und die nichttarifaren MaBnahmen einer

Renten in Form von Produzenten- und Konsumentenrenten sowie auf das 6ffentliche Budget. Weil spezifische protektionistische MaBnahmen, die auf bestimmte Sektoren oder Guter gerichtet sind, meistens breit gestreute Wirkungen auf den gesamten AuBenhandel haben, weil haufig eine Retorsion des Auslands provoziert wird und weil der Schutz bestimmter inlandischer Sektoren erfahrungsgemaB langerfristig einen umfassenden Verlust an internationaler Wettbewerbsfahigkeit verursacht, ist jede Form des Protektionismus hochst problematisch. Zum einen werden die damit beabsichtigten Ziele meistens nicht erreicht, und zum anderen werden der Welthandel und dessen guter- und wohlstandsvermehrende Effekte

gefahrdet. Die strategische Handelspolitik

eines Landes zielt im Wesentlichen darauf ab, Landes dieses komparative AuBenhandelsvorteile zu verUnternehmungen schaffen (rent creation), zumindest einen Teil der im AuBenhandel erzielbaren Wohlfahrtsgewinne vom Ausland ins Inland umzulenken (rent shifting) sowie auBenwirtschaftlich bedingte externe Effekte zu verhindern oder zu internalisieren. Der Begriff „strategisch" suggeriert, dass es sich urn eine gesellschaftlich notwendige und sinnvolle Politik des Staates handelt. Nicht zuletzt aufgrund erheblicher Informationsdefizite besteht aber die Gefahr, dass die Idee der strategischen Handelspolitik letztlich nur eine Begrundung liefert fur einen mehr oder weniger willkurlichen staatlichen AuBenhandelsprotektionismus. Ob die genannten Ziele dann erreicht werden, ist hochst fraglich.

Literatur

Baldwin, R.E., Are Economists' traditional Trade Policy Views still valid? in: Journal of Economic Literature, Vol. 30, 1992, S. 804 829. Berg, H., AuBenwirtschaftspolitik, in: Bender, D. u.a. (Hrsg.), Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Band 2, 7. Aufl., Munchen 1999, S. 543 591, Kapitel 1 und 2. Bhagwati, J., Protectionism, Cambridge (Mass.), 1988. Borchert, A/., AuBenwirtschaftslehre, Theorie und Politik, 6. Aufl., Wiesbaden 1999, Kapitel 2, Abschnitte 2.3 und 2.10; Kapitel 4, Abschnitte -

-

4.1 und 4.2.

Cohen, B., The Political Economy of International Trade, International Organization, Vol. 44, 1990.

Aufienhandelspolitik, Freihandel und Protektionismus

191

Corden, W.M., The Theory of Protection, Oxford 1971. Corden, W.M., Trade Policy and Economic Welfare, 2. Aufl., Oxford 1997. Eaton, J. I Grossman, G., Optimal Trade and Industrial Policy under Oligopoly, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 101, 1986, S. 383 -

406.

Kosters, W., Freihandel 72, 1992, S. 49 56.

versus

Industriepolitik,

in: Wirtschaftsdienst, Bd.

-

Krugman, P.R. I Obstfeld, M., International Economics, Theory and Policy, 5. Aufl., Reading (Mass.) 2000, Kapitel 8 bis 11. Maennig, W. I Wilfling, B., AuBenwirtschaft, Theorie und Politik, Miinchen 1998, Kapitel 3, Abschnitt 3.3 sowie Kapitel 4. Pugel, T.A. I Lindert, P.H., International Economics, 11. Aufl., Boston

2000, Kapitel 7 bis 14. Rose, K. I Sauernheimer, K., Theorie der AuBenwirtschaft, 13. Aufl., Miinchen 1999, Teil IV, Kapitel 1 bis 5. Siebert, H., Strategische Handelspolitik, Theoretische Ansatze und wirtschaftspolitische Empfehlungen, in: AuBenwirtschaft, Bd. 43, 1988, S. 549

584.

-

Siebert, H., AuBenwirtschaft, 7. Aufl., Stuttgart 2000, Kapitel 10.

Kapitel 6 Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik

| Untersuchungsziele_| Darstellung der verschiedenen Formen und Stufen einer regionalen wirtschaftliIntegration. Beschreibung wichtiger Merkmale der zur Zeit bedeutenden Integrationsraume

chen

EU, NAFTA und MERCOSUR.

Analyse der Wirkungen einer Zollunion auf den intra-regionalen Handel zwischen den Mitgliedslandern sowie auf den Handel mit Drittlandern. Aufzeigen der Wohlfahrtseffekte in den Mitgliedslandern einer Zollunion. Untersuchungen zu den Wirkungen von Faktorbewegungen bei Freizugigkeit von Kapital und Arbeit in einem Gemeinsamen Markt. Darstellung von Aufgaben, grundlegenden Prinzipien und Wirkungen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens GATT. Beschreibung der multilateralen Handelspolitik im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO. 6.1 Ziele und Formen der okonomischen

Integration

Integrationsziele Unter einer regionalen

6.1.1

okonomischen Integration versteht man die Zuzwei oder mehr Landern auf dem Gebiet ihrer gemeindariiber hinausgehend den Zusamen Wirtschaftsbeziehungen oder sammenschluss von zwei oder mehr Landern zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum. Ein Hauptziel einer Integration ist es, fur die beteiligten Lander okonomische Vorteile zu erreichen und so die Wohlfahrt in den Landern zu steigern. Ein solches Ziel lasst sich allerdings, wenn iiberhaupt, nur langerfristig erreichen, und dariiber hinaus ist es schwierig, die Realisierung dieses Ziels zu messen. In der praktischen Integrationspolitik ist es deshalb iiblich, operationale MaBnahmen einzusetzen, mit denen das sammenarbeit

von

-

Hauptziel mutmaBlich erreicht spielsweise: •

• •

Abbau

von

-

werden kann. Solche MaBnahmen sind bei-

Handelshemmnissen zwischen den

Mitgliedslandern

des In-

tegrationsraums Liberalisierung der Faktorbewegungen im Integrationsraum Schaffung einheitlicher institutioneller und ordnungspolitischer menbedingungen fiir Wirtschaftsaktivitaten im Integrationsraum

Rah-

Internationale

194 •

Koordination oder

Wirtschaftsbeziehungen

Vereinheitlichung

der

AuBenwirtschaftspolitiken

der

Mitgliedslander Koordinierung der binnenorientierten Wirtschaftspolitiken der Mitgliedslander. Charakteristisch fur jede regionale okonomische Integration ist ein Abbau von Handelshemmnissen im Warenverkehr zwischen den Mitgliedslandern. Dieser Abbau kann sich auf die AuBenhandelsbeziehungen auf einem bestimmten Giitermarkt oder einigen Giitermarkten beschranken oder die AuBenhandelsbeziehungen der Mitgliedslander auf alien Giitermarkten umfassen. Mit Blick auf diese MaBnahme zeigt sich, dass eine regionale wirtschaftliche Integration insbesondere darauf angelegt ist, im Integrationszumindest teilweise zur Geltung raum die Vorteile des Freihandels •

kommen

zu

las sen.

-

-

Wahrend somit einerseits einige oder alle Handelshemmnisse im Integrationsraum abgebaut werden, bleiben Handelsbeschrankungen gegeniiber Drittlandern in der Regel erhalten. Die regionale okonomische Integration stellt gewissermaBen einen Schritt dar auf dem Weg von einem nationalstaatlichen Protektionismus in Richtung auf einen umfassenderen Freihandel.

6.1.2

Integrationsformen nach Integrationstiefe und

nach Geltungsbereich lassen sich verschieJe dene Formen bzw. verschiedene Stufen einer regionalen okonomischen Integration unterscheiden:

(1) Praferenzzone Zwei oder mehr Lander vereinbaren in bilateralen bzw. multilateralen Vertragen, sich fiir den Handel mit bestimmten Giitern Vorzugsbedingungen einzuraumen. Ublich ist die Einraumung niedrigerer Zolle oder die Festlegung hoherer Einfuhr- und Ausfuhrquoten jeweils verglichen mit der durch Protektionismus gekennzeichneten Ausgangssituation. Praferenzzonen werden iiblicherweise zwischen Industrie- und Entwicklungslandern gebildet. Beispielsweise raumt ein Industrieland einem Entwicklungsland Praferenzen bei landwirtschaftlichen Produkten ein und erhalt im Gegenzug Praferenzen bei

Industrieprodukten.

(2) Freihandelszone Im Unterschied zur Praferenzzone umfasst die Freihandelszone in der Regel den gesamten Giiterverkehr. Die Mitgliedslander verpflichten sich, die zwischen ihnen bestehenden Handelsbeschrankungen groBtenteils oder vollstandig abzubauen und somit weitgehend oder umfassend einen freien

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 195

gewahrleisten. Im Verhaltnis zu Drittlandern wird jedoch keine gemeinsame Handelspolitik betrieben. Jedes Mitgliedsland kann somit gegeniiber Landern auBerhalb der Freihandelszone ProtektionsmaBnahmen

Handel

zu

nach freier Wahl einsetzen, so z. B. die Hohe der AuBenzolle frei bestimmen. Diese Moglichkeit erweist sich dann als problematisch, wenn die Handelsbeschrankungen der Mitgliedslander gegeniiber den Drittlandern stark voneinander abweichen. Ein Drittland konnte in diesem Fall Guterimporte in ein beliebiges Land der Freihandelszone iiber das Mitgliedsland abwickeln, dessen Protektionsschranken am niedrigsten sind. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Handelsablenkungseffekt. Um diesen zu verhindern, miissen Ursprungsregeln festgelegt werden, die fur den Handel in der Freihandelszone gelten. Will man die Einhaltung solcher Regeln gewahrleisten, so sind allerdings (weiterhin) Kontrollen des Giiterverkehrs zwischen den Mitgliedslandern erforderlich.

(3) Zollunion Die Unionslander vereinbaren nicht nur wie in einer Freihandelszone die Beseitigung der internen Handelsbeschrankungen, sondern setzen auch einheitliche AuBenzolle fest. Der Handelsablenkungseffekt spielt somit in einer Zollunion keine Rolle. Haufig beschrankt man sich allerdings in einer Zollunion nicht auf den Abbau von Zollschranken, sondern erweitert die MaBnahmen auf den Abbau anderer protektionistischer Hemmnisse, z. B. den Abbau von mengenmaBigen Handelsbeschrankungen oder administrativen Hemmnissen. Auch in dieser Hinsicht erfolgt dann eine einheitliche Politik gegeniiber Drittlandern. -

-

(4) Gemeinsamer Markt Wahrend in einer Freihandelszone und in einer Zollunion lediglich ein freier Giiterverkehr zwischen den Mitgliedslandern garantiert ist, wird in einem gemeinsamen Markt zusatzlich die Freiheit der Faktorbewegungen gewahrleistet. Im Zuge der Schaffung eines gemeinsamen Marktes verstandigen sich die Mitgliedslander in aller Regel zunachst auf eine Liberalisierung des Kapitalverkehrs, ehe sie in weiteren Schritten die Bedingungen fur eine Freiziigigkeit der Arbeitskrafte und eine Niederlassungsfreiheit von Unternehmungen schaffen. Probleme konnten allerdings aus unterschiedli-

chen Standortbedingungen innerhalb des Integrationsraums entstehen. So konnten beispielsweise unterschiedliche Belastungen im Rahmen der Steuer-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik dazu fiihren, dass Unternehmungen ihre Produktionen in die Mitgliedslander verlagern bzw. Kapitalexporte in die Mitgliedslander vornehmen, in denen die Produktionskosten am niedrigsten sind. Um das zu verhindern, sind die Lander entweder gezwungen,

196

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Anpassungen ihrer Politiken vorzunehmen oder aber in Absprache mit den anderen Landern eine gewisse Harmonisierung herbeizufuhren. (5) Wirtschaftsunion Der zuvor genannte Zwang zur Harmonisierung von Wirtschaftsordnungen und Wirtschaftspolitiken fiihrt letztlich zu einer Integrationsform, die nicht nur Freihandel und Freiziigigkeit der Produktionsfaktoren gewahrleistet, sondern auch gemeinsame Aktivitaten in alien Bereichen der Wirtschaftspolitik impliziert. Das lasst sich entweder iiber eine Harmonisierung oder aber iiber die Schaffung supranationaler wirtschaftspolitischer Entscheidungstrager erreichen. Mit einer Wirtschaftsunion wird somit im gesamten Gebiet der Mitgliedslander ein einheitlicher Binnenmarkt mit einer weitgehenden oder vollstandigen Vereinheitlichung der okonomischen Rahmenbedingungen geschaffen, die sowohl die Ordnungspolitik als auch die Prozesspolitik betreffen. Die Tabelle 6.1 gibt mit Blick auf einige wesentliche Charakteristika einen Uberblick iiber die zuvor genannten Formen der regionalen giiterwirtschaftlichen Integration.

Tabelle 6.1: Formen guterwirtschaftlicher Integration Praferenzzone

Freihandelszone

Zollunion

Gemeinsamer

Wirtschafts-

Markt

Handelsliberalisierung auf Teilmarkten

Handelsliberalisierung auf alien Markten Gemeinsame

AuBenzollpolitik Freie Faktor-

bewegungen Harmonisierung der Wirtschaftspolitiken Wahrend sich die giiterwirtschaftliche Integration insbesondere auf den Handel mit Waren und Dienstleistungen bezieht und auf hoheren Integrationsstufen auch den fur die Giiterproduktion wichtigen Austausch von Produktionsfaktoren einbezieht, ist eine monetare Integration auf die Geldund Devisenmarkte der Mitgliedslander gerichtet. Zu den wichtigsten Zielen einer monetaren Integration gehort es, zum einen Geldmarktbedingungen herzustellen, die ein moglichst inflationsfreies Wachstum ermoglichen, und zum anderen wechselkursbedingte Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedslandern des Integrationsraumes zu verhindern. Das setzt folgende institutionelle Regelungen voraus:

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 197 •



Koordination der nationalen Geldpolitiken oder Errichtung einer gemeinsamen Zentralbank, die fur die Geldpolitik des gesamten Integrationsraums zustandig ist Einrichtung eines Systems fester Wechselkurse fiir die Wahrungen aller Mitgliedslander oder Einfuhrung einer gemeinsamen Wahrung im gesamten

Integrationsraum.

Die hochste Stufe der monetaren Integration ist eine Wahrungsunion mit einer gemeinsamen Wahrung und einer gemeinsamen Zentralbank. Die Europdische Wahrungsunion (EWU) liefert hierfiir ein herausragendes Beispiel. Die monetare Integration und insbesondere eine Wahrungsunion ist allerdings nur fiir solche Lander sinnvoll, die im giiterwirtschaftlichen Bereich bereits eine hohe Integrationsstufe erreicht haben. Denn eine Vereinheitlichung auf den Geld- und Devisenmarkten des Integrationsraums wird nur dann einen Beitrag zum Hauptziel der Wohlfahrtssteigerung leisten, wenn auch die wirtschaftlichen Aktivitaten, die letztlich den Vorgangen auf den Geld- und Devisenmarkten zugrunde liegen, liberalisiert worden sind und gewissen einheitlichen institutionellen sowie ordnungspolitischen Regeln unterliegen. Das aber impliziert zwingend, dass es im monetaren Integrationsraum einen freien Handel mit Waren und Dienstleistungen sowie einen freien Kapitalverkehr geben muss und dariiber hinaus eine gewisse Harmonisierung der Wirtschaftspolitiken gegeben ist. Eine monetare Integration insbesondere in Form einer Wahrungsunion empfiehlt sich deshalb bestenfalls dann, wenn zumindest die Integrationsstufe des Gemeinsamen Marktes erreicht worden ist. Fiir die Europaische Wahrungsunion ist diese Bedingung erfiillt. Allerdings kann die Funktionsfahigkeit einer giiterwirtschaftlichen Integration in Form eines Gemeinsamen Marktes oder einer Wirtschaftsunion sehr wohl auch dann gegeben sein, wenn auf eine monetare Integration verzichtet wird. Die zunachst folgenden Untersuchungen beschranken sich auf die giiterwirtschaftliche Integration. Die fiir eine monetare Integration wichtigen geld- und wahrungspolitischen Aspekte werden erst in spateren Kapiteln behandelt. -

6.1.3 Okonomische

-

Integration in der Praxis Die Tabelle 6.2 gibt einen Uberblick iiber regionale wirtschaftliche Integrationsraume, die zur Zeit aus weltweiter Perspektive bereits eine groBe Bedeutung haben oder von denen zu erwarten ist, dass sie sich in absehbarer Zeit zu einflussreichen Integrationszonen entwickeln konnen.

198

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Tabelle 6.2: Guterwirtschaftliche Integrationsraume

Bezeichnung / Jahr des Inkrafttretens APEC (Asian-Pacific Economic Cooperation) 1989

AFTA (ASEAN Free Trade Area) 1992

Anzahl / Lander 21: AFTA-Staaten

(ohne

Ziele / Realisierung Freihandelszone bis 2020

Kambodscha, Laos, Myanmar), Australien, Chile, China, Japan, NAFTAStaaten, Papua-Neuguinea, Peru, Russland, Taiwan 10: Brunei, Indonesien, Freihandelszone Kambodscha, Laos, Malasia, bis 2002

Myanmar, Philippinen, Sin-

Thailand, Vietnam 5: Bolivien, Ecuador, Zollunion Kolumbien, Peru, Venezuela bis 2005 gapur,

CAN (Comunidad Andina de Naciones;

Andenpakt)

1969; Reform 1996 EFTA (European Free Trade Association) 1960 EU (European Union) 1952: Montanunion 1958: EWG 1993: Binnenmarkt 1993: EU-Vertrag EWR

(Europaischer

Wirtschaftsraum)

4:

Island, Liechtenstein,

Freihandelszone

Norwegen, Schweiz 15: Belgien, Danemark,

Wirtschafts- und

Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, GroGbritannien, Italien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Osterreich, Portugal, Schweden, Spanien_

(realisiert)_

Wahrungsunion

Realisiert: Gemeinsamer Markt und teilweise Wahrungsunion

18: EU-Staaten und EFTAStaaten ohne Schweiz

Freihandelszone plus freier Kapitalverkehr und Freiziigigkeit von Personen

4:

Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay

Zollunion (nur teilweise

3: Kanada, Mexiko, USA

Freihandelszone

1994

(weitgehend realisiert) MERCOSUR (Mercado Comun del Cono Sur) 1995 NAFTA (North American

Free Trade Agree-

ment) 1994_

realisiert)

(weitgehend realisiert)

Beispielhaft fiir eine mehrere Lander umfassende bkonomische Integratiist die 1957 gegrundete Europaische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) geworden, die inzwischen Teil der Europaischen Union ist. Insbesondere on

nach diesem Vorbild hat es im Laufe der 60er- und 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts in verschiedenen Weltregionen, vor allem in Afrika sowie in Mittel- und Siidamerika eine Reihe von Integrationsbestrebungen gegeben. Haufig wurde das Ziel einer regionalen Handelsliberalisierung

Wirtschafiliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 199

jedoch nicht oder nur ftir einige wenige guterwirtschaftliche Beziehungen erreicht. So gibt es zwar noch immer etliche vertragliche Integrationsvereinbarungen, aber diese wurden bisher nicht oder nur unzulanglich erfullt. Ihre Realisierung ist auch in Zukunft ungewiss. Regionale Integrationsraume, in denen die angestrebten Ziele vollstandig

weitgehend erreicht wurden, sind innerhalb Europas neben der EU die Europaische Freihandelszone EFTA und der Europaische Wirtschaftsraum oder

EWR sowie in Nordamerika das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA. Im Integrationsraum MERCOSUR in Sudamerika sind ebenfalls wichtige Schritte in Richtung auf eine umfassende Handelsliberalisierung vollzogen worden. Gleichwohl treten hier immer wieder Friktionen auf, die den Liberalisierungsprozess verzogern und letztlich sogar den Erfolg in Frage stellen konnen. Mit dem Andenpakt in Sudamerika, der AFTA in Asien sowie der APEC im asiatisch-pazifischen Raum gibt es weitere Integrationsvereinbarungen, die fiir die Mitgliedslander bereits einige Handelserleichterungen gebracht haben und die insbesondere fiir einen groBeren Integrationsraum die Errichtung einer Freihandelszone oder einer Zollunion vorsehen.

6.1.4

Europa auf dem Weg zur Wirtschafts- und Wahrungsunion Wichtige Schritte auf dem Weg der Europaischen Union zu einem okonomischen Integrationsraum waren die Romischen Vertrdge, in denen die Griindung der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zum 1.1.1958 vereinbart wurde die Einheitliche Europaische Akte, mit der der europaische Binnenmarkt zum 1.1.1993 geschaffen wurde der Vertrag iiber die Europaische Union vom 1.11.1993, mit dem u.a. die Errichtung der Europaischen Wirtschafts- und Wahrungsunion ver•





einbart wurde.

Die Europaische Wirtschaftsgemeinschaft wurde mit dem Ziel gegriindet, einen gemeinsamen Markt zu schaffen und dadurch die wirtschaftliche Stability zu verbessern, den Lebensstandard anzuheben und die Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten zu fordern. Im EWG-Vertrag sind eine Reihe von MaBnahmen genannt worden, mit denen diese Ziele erreicht werden sollten, so insbesondere: •

Abschaffung der Zolle, der quantitativen Ein- und Ausfuhrbeschrankungen sowie aller weiteren handelsbeschrankenden Einfliisse innerhalb

die

der Gemeinschaft

200 •



• •







Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Einfuhrung eines gemeinsamen Zolltarifs und einer gemeinsamen Handelspolitik gegeniiber Drittlandern die Realisierung eines freien Dienstleistungsverkehrs sowie freier Faktorbewegungen zwischen den Mitgliedsstaaten die Durchfiihrung einer gemeinsamen Agrar- und Verkehrspolitik die Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Ge-

die

meinschaft die Koordinierung und schrittweise Annaherung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedsstaaten die Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, soweit sie fiir den gemeinsamen Markt von Bedeutung sind die Anwendung von Verfahren, die geeignet sind, Zahlungsbilanzungleichgewichte zu vermeiden.

Die beiden zuerst genannten MaBnahmen implizieren eine Zollunion. Diese bildete die erste Integrationsstufe der Europaischen Gemeinschaft. Dariiber hinaus wurde mit der Agrarmarktordnung eine gemeinsame Agrarpolitik etabliert, die allerdings nicht eine Liberalisierung, sondern eine umfassende staatliche Regulierung der Agrarmarkte gebracht hat. Die mit der Zollunion verbundene Liberalisierung der Giitermarkte wurde innerhalb relativ kurzer Zeit bis 1968 erreicht. Die anderen im EWGVertrag genannten MaBnahmen bzw. Ziele konnten demgegeniiber fur lange Zeit nicht oder nur zu einem geringen Teil realisiert werden. Erst mit der Einheitlichen Europaischen Akte gelang es, den angestrebten Gemeinsamen Markt zu schaffen und in diesem Zusammenhang die sogenannten „vier Freiheiten" den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen weitgehend zu gewahrleisten. -

-

-

-

Obwohl eine Reihe von Liberalisierungsschritten, die mit der Errichtung des europaischen Binnenmarktes vorgesehen waren, von einzelnen Mitgliedsstaaten noch nicht vollstandig in die Praxis umgesetzt worden sind, ist die Realisierung des Gemeinsamen Marktes Europa schon jetzt als Erfolg zu werten. Erstmals in der Geschichte der Weltwirtschaft ist es gelungen, in einem groBeren regionalen Raum mit vielen politisch unabhangigen sowie sprachlich und kulturell unterschiedlichen Staaten eine Integrationsstufe zu erreichen, mit der umfangreiche okonomische und auch politische Freiheiten und Freiziigigkeiten gewahrt werden. Die Europaische Union ist heutzutage durch intensive Handelsverflechtungen gekennzeichnet, die ohne die weitreichende Liberalisierung der Markte sicherlich nicht moglich gewesen waren. Einen Eindruck von den Verflechtungen vermittelt die Tabelle 6.3, in der die Anteile der Exporte eines Mitgliedslandes bzw. einer Gruppe von Mitgliedslandern in die iibri-

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 201 gen Lander der EU an den gesamten Exporten des Landes bzw. der Landergruppe erfasst worden sind.. Sie werden als intra-regionale Exportanteile bezeichnet. Alle Lander wickeln weit mehr als 50% ihrer Exporte mit den ubrigen Landern der EU ab. An der Spitze liegen dabei die slidlichen Lander mit einem durchschnittlichen Exportanteil von 72,5% (einschlieBlich der Exporte innerhalb der Sudgruppe). Gemessen an den intraregionalen Exportanteilen ist die Integration GroBbritanniens am geringsten

ausgepragt. Tabelle 6.3:

Intra-regionale Exportanteile in der EU 1999 (auf Basis der Exportwerte, in %)

an

von

D

D

GB

11,5 16,3 11,1

GB

I

Nord1

Mitte2'

SudJ

EU

8,5 10,9

7,5 9,5 4,4

5,2 2,8 4,0 2,4

18,1 14,1 18,9 8,5

6,3 11,7 5,5 9,9

10,4

4,4

57,1 65,3 53,1 57,4 59,2

16,5

9,2 13,0

7,1

Nord

13,8

5,2

9,3

3,7

Mitte

22,5

12,1

11,1

7,8

3,8

Siid

14,5

17,4

8,5

2,6

''

4,9

(46,8)

67,1 (62,2)

72,5

8,4 Einwohner)

(60,2)

Nord: Danemark, Finnland, Schweden (ca. 18,7 Mio. Mitte: Belgien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Osterreich (ca. 37 Mio. Einwohner) 3) Siid: Griechenland, Portugal, Spanien (ca. 59 Mio. Einwohner) 4) Jeweils Anteile der Exporte der einzelnen Lander in die ubrigen EU-Lander; bei den Gruppen Nord, Mitte und Siid einschlieBlich des intra-regionalen Handels innerhalb der Gruppe; in Klammern Anteile der Exporte der gesamten Landergruppe in die Rest-EU. Quelle: IMF, Direction of Trade Statistics, Yearbook 2000; eigene Berechnungen. 2)

Die im Vertrag Liber die Europaische Union vorgesehene Errichtung der Wirtschafts- und Wahrungsunion ist bisher nur teilweise gelungen. Die Wahrungsunion trat zum 1.1.1999 in Kraft und umfasst inzwischen alle EU-Lander mit Ausnahme von Danemark, GroBbritannien und Schweden. Es ist fraglich, ob diese Lander in absehbarer Zeit der Wahrungsunion beitreten werden, zumal sich der groBte Teil ihrer Bevolkerung jedenfalls vorerst noch gegen einen Beitritt ausspricht. Erhebliche Hindernisse gibt es noch immer auf dem Weg zur Wirtschaftsunion, mit der die bereits im EWG-Vertrag vorgesehene „schrittweise Annaherung" der nationalen Wirtschaftspolitiken erreicht werden soil. Nach wie vor liegen die wesentlichen wirtschaftspolitischen Entschei-

-

202

Internationale

Wirtschafisbeziehungen

dungs- und Handlungsbefugnisse auf den nationalen Ebenen. Offenbar besteht derzeit nur eine geringe Bereitschaft, die entsprechenden Kompetenzverteilungen zu andern. Zwar verpflichtet der EWG-Vertrag die Mitgliedsstaaten zur Koordination ihrer Wirtschaftspolitiken, aber faktisch ist es nur selten zu verbindlichen Abstimmungen iiber die wirtschaftspolitischen Ziele und MaBnahmen gekommen. Allerdings hat die starke wirtschaftliche Verflechtung innerhalb der Gemeinschaft zu einem engen Verbund in Bezug auf Beschaftigung, Inflation und Wachstum gefiihrt. Daraus resultiert unmittelbar ein gewisser Zwang zur Koordination der nationalen Konjunktur- und Wachstumspolitiken. Dieser Zwang wird sich in Zukunft noch verstarken. Auch wenn sich alle

Erwartungen, die mit dem EWG-Vertrag und den Folgevertragen verkniipft waren, nach mehr als 40 Jahren praktischer Gemeinschaftspolitik noch immer nicht erfiillt haben, ist es als Erfolg zu werten, dass etliche wichtige okonomische Ziele erreicht wurden, so z. B. • die Aufhebung der Zolle und der quantitativen Handelsbeschrankungen, durch die der Giiterverkehr innerhalb der Gemeinschaft erheblich gefor•





dert wird die groBtenteils verwirklichte Freiziigigkeit von Dienstleistungen und Faktorleistungen, die zum einen die wirtschaftliche Prosperitat und zum anderen die gesellschaftliche Integration Europas giinstig beeinflusst die Konsultationen in vielen Politikbereichen, durch die Konflikte zwischen den Mitgliedslandern der Gemeinschaft zwar nicht grundsatzlich vermieden, aber in engen Grenzen gehalten werden die gemeinsame AuBenwirtschaftspolitik, die die internationale Position aller Mitgliedslander der Gemeinschaft starkt und durch die ein beachtlicher weltwirtschaftlicher Einfluss ermoglicht wird.

6.1.5 NAFTA Die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA wurde 1994 eingerichtet. Die USA, Kanada und Mexiko vereinbarten einen weitgehenden Abbau der tarifaren und der nicht-tarifaren Handelshemrnnisse innerhalb eines Zeitraums von 10 bis 15 Jahren. Mit einer Reihe von Sonderregelungen fiir bestimmte Sektoren bleiben allerdings gewisse Handelsbeschrankungen weiterhin bestehen, so insbesondere fiir die Textil- und Bekleidungsindustrie, fiir die Landwirtschaft, den Fahrzeugbau, den Energiebereich und fiir etliche Dienstleistungen (z. B. Finanzdienstleistungen und Luftverkehr). Fur Direktinvestitionen und fiir Dienstleistungen, die nicht den Sonderregelungen unterliegen, wird im Freihandelsabkommen das Prinzip der Nichtdiskriminierung festgeschrieben. Das schlieBt sowohl die Inlander-

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 203

gleichbehandlung als auch die Meistbegunstigung ein. Inlandergleichbehandlung bedeutet, dass in- und auslandische Investoren im Fall der Di-

rektinvestitionen sowie in- und auslandische Anbieter im Fall der Dienst-

leistungen gleichgestellt sind. Mit dem Prinzip der Meistbegunstigung wird gewahrleistet, dass Investoren und Anbieter aus einem NAFTA-Land die

Rechte und Vorteile besitzen bzw. erhalten, die Investoren und Anbietern aus einem anderen NAFTA-Land und aus Drittlandera eingeraumt werden. Einerseits verhindern zwar die Sonderregelungen die vollstandige Liberalisierung des Kapitalverkehrs insbesondere zwischen den USA und Kanada einerseits und Mexiko andererseits, aber aufgrund des Prinzips der Nichtdiskriminierung eroffnen sich Spielraume fiir eine gewis-

gleichen

se

Kapitalmobilitat.

Fiir den Faktor Arbeit gilt das allerdings nicht. Eine Freiziigigkeit des Faktors Arbeit zwischen Mexiko auf der einen Seite und den USA und Kanada auf der anderen Seite ist vertraglich ausgeschlossen. Zu erklaren ist das mit den erheblichen Entwicklungsunterschieden der Lander. Die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit und die relativ geringen Arbeitseinkommen in Mexiko wiirden ohne solche Mobilitatshemmnisse eine erhebliche Wanderungsbewegung in Richtung USA und Kanada auslosen.

Die gravierenden Entwicklungsunterschiede sind auch der wesentliche Grund dafiir, dass zwischen den USA, Kanada und Mexiko lediglich eine Freihandelszone vereinbart wurde. Eine Zollunion und erst recht ein gemeinsamer Markt sind nicht vorgesehen. Die NAFTA betreibt somit keine gemeinsame AuBenhandelspolitik. Jedes Mitgliedsland ist berechtigt, den Handel mit Drittlandern nach eigenen Zielvorstellungen zu gestalten bzw. zu beeinflussen. Um eine Handelsablenkung bzw. Guterimporte aus Drittlandern iiber ein Mitgliedsland der NAFTA zu verhindern, enthalt das Freihandelsabkommen eine Reihe von Ursprungsregeln. Der Abbau der Handelsbeschrankungen zwischen den NAFTA-Landern gilt demnach nur fiir Giiter, die vollstandig oder mit einem bestimmten, in der Regel relativ hohen Wertschopfungsanteil innerhalb des NAFTA-Raums hergestellt werden. Solche Ursprungsregeln sind problematisch, weil zum einen die Vorschriften iiber Wertschopfungsanteile recht kompliziert sind und zum anderen eine Kontrolle zwar erforderlich, aber hochst aufwandig ist.

gibt einen Eindruck von den intra-regionalen Handelsverinnerhalb der NAFTA. Kanada und Mexiko tatigen etwa 90% flechtungen ihrer gesamten Warenexporte im Integrationsraum. Es fallt allerdings auf, dass die Handelsquoten zwischen Kanada und Mexiko auBerst gering sind und die Integration zwischen diesen beiden Landern offenbar noch nicht weit vorangeschritten ist. Die AuBenhandelsaktivitaten beider Lander sind weitgehend auf die USA gerichtet, die schon wegen ihrer GroBe in der Die Tabelle 6.4

204

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

NAFTA eine dorninierende Position besitzen. Trotz ihrer GroBe wickeln die USA jedoch einen beachtlichen Anteil ihrer Exporte mit den beiden anderen Mitgliedslandern ab. Bemerkenswert ist die hohe Quote der USExporte nach Mexiko. Diese hat sich seit Griindung der NAFTA um etwa ein Drittel erhoht. Zu erklaren ist das nicht zuletzt mit der Zunahme der passiven Lohnveredelung, bei der in den USA hergestellte Vorprodukte nach Mexiko exportiert, dort meistens im Rahmen einer arbeitsintensiven Produktion weiter verarbeitet und anschlieBend als Endprodukte von den USA importiert werden. Tabelle 6.4:

Intra-regionale Exportanteile in der NAFTA 1999 (auf Basis der Exportwerte, in %)

USA

von

Kanada

Mexiko

23,6

12,5 0,4

NAFTA

36,1 Kanada 88,0 87,6 Mexiko 1,8 90,1 88,3 Quelle: IMF, Direction of Trade Statistics, Yearbook 2000; eigene Berechnungen. USA







6.1.6 MERCOSUR Der gemeinsame sudamerikanische Markt MERCOSUR besteht seit 1995. Mitglieder sind Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Chile und Bolivien sind assoziierte Mitglieder, denen bereits bestimmte Praferenzen eingeraumt wurden, die aber erst spater zu Vollmitgliedern werden sollen. Mit dem MERCOSUR soil allerdings anders als der Name verkein gemeinsamer Markt, sondern lediglich eine Zollunion muten lasst Diese umfasst drei Bereiche: werden. geschaffen -

-



• •

weitgehend freien Waren- und Dienstleistungsverkehr mit Ubergangsfristen fvir bestimmte Giiter ein gemeinsames AuBenzollsystem gegeniiber Drittlandern Harmonisierung der institutionellen Bedingungen insbesondere fiir AuBenhandel, Kapitalverkehr, Verkehr und Kommunikation sowie Wah-

einen

rung und Steuern. Die Errichtung des MERCOSUR hat zweifellos wichtige Impulse fiir einen Abbau von Handelshemmnissen zwischen den Landern Siidamerikas gegeben. Der Handel einerseits zwischen den Mitgliedslandern und andererseits zwischen dem MERCOSUR-Raum und anderen Landern Slid- und Mittelamerikas, insbesondere den assoziierten Landern Chile und Bolivien, ist maBgeblich gefordert worden. Allerdings sind die mit dem MERCOSUR-Vertrag vereinbarten Ziele bis heute nur zum Teil erreicht

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 205

Umsetzung einer umfassenden Zollunion erweist sich offenbar als schwieriger erwartet. Verursacht wird das vor allem dadurch, dass das Entwicklungsniveau der vier Mitgliedslander noch recht unterschiedlich ist und daruber hinaus landerspezifische bkonomische und politische Probleme bestehen, die gegen einen vollstandigen Freihandel gerichtet sind. Es bleibt deshalb abzuwarten, ob MERCOSUR letztlich ebenso erfolgreich sein wird wie die Europaische Wirtschaftsgemeinschaft. Die Tabelle 6.5 zeigt die intra-regionalen Exportanteile der Mitgliedslander im Jahr 1999. Die gegenseitigen Abhangigkeiten sind hochst unterschiedlich. Das im Hinblick auf geografische GroBe, Bevolkerungszahl und Sozialprodukt bei weitem dominierende Land Brasilien realisiert nur 14% seiner Exporte im Integrationsraum. Die kleinen Lander Uruguay und Paraguay sind mit intra-regionalen Exportquoten von 45% bzw. fast 56% verstandlicherweise erheblich starker eingebunden. Derzeit sind die Handelsverflechtungen im MERCOSUR-Raum offenbar noch nicht so intensiv wie innerhalb der EU und innerhalb der NAFTA. Es ist allerdings zu erwarten, dass diese weiter zunehmen werden allerdings vorausgesetzt, dass der Integrationsprozess in Richtung auf eine vollstandige Handelsliberalisierung voranschreitet. Tabelle 6.5: Intra-regionale Exportanteile im MERCOSUR 1999 worden. Die

-

(auf Basis der Exportwerte, in %)

an von

Argentinien

Argentinien Brasilien

11,1

Paraguay Uruguay

28,0 16,5

Brasilien

Paraguay

Uruguay

MERCOSUR

24,3

2,4 1,5

3,5 1,4

30,2 14,0 55,7 45,0

26,4 24,9

1,3 3,6

Quelle: IWF, Direction of Trade Statistics, Yearbook 2000; eigene Berechnungen.

6.2

Wirkungen einer okonomischen Integration

6.2.1 Handelsschaffende und handelsumlenkende Effekte einer Zollunion Griinden zwei oder mehrere Lander eine Zollunion,

so

verpflichten

sie

sich, •

die Handelsbeschrankungen innerhalb des Integrationsraums vollstandig oder zumindest weitgehend zu beseitigen und so einen freien Waren- und

Dienstleistungsverkehr zu gewahrleisten

206

Internationale

Wirtschafisbeziehungen

die Handelsbeschrankungen insbesondere die Zblle gegenUber Drittlandern zu vereinheitlichen und in diesem Sinne eine gemeinsame AuBenhandelspolitik zu betreiben. Durch den Wegfall der Handelsbeschrankungen (insbesondere der Zblle) innerhalb der Zollunion einerseits und die Erhebung eines einheitlichen AuBenzolls andererseits werden Giiter aus Drittlandern im Integrationsraum relativ teurer. Es ist zu erwarten, dass es hierdurch zu einer Substitution von Giitern aus Drittlandern durch Giiter aus den Mitgliedslandern kommt. Diese Substitution wird als handelsumlenkender Effekt bezeichnet. DarUber hinaus ist es mbglich, dass ein Mitgliedsland Giiter aus anderen Mitgliedslandern nach Beseitigung der Zblle nicht nur relativ billiger als aus Drittlandern, sondern auch zu absolut niedrigeren Preisen importiert. Hierdurch wird die Nachfrage nach solchen ImportgUtern in der Regel erhbht. Dieser absolute Nachfrageranstieg lasst sich als preisinduzierter handelsschqffender Effekt einer Zollunion bezeichnen. Die Handelsumlenkung von Drittlandern zu Mitgliedslandern impliziert eine Zunahme der Produktion und hierdurch eine Erhbhung der Einkommen innerhalb der Zollunion. AuBerdem ist damit zu rechnen, dass sich die Realeinkommen in der Zollunion aufgrund der zuvor genannten absoluten Preissenkungen von ImportgUtern erhbhen. Beide Wirkungen kbnnen dazu fUhren, dass in jedem Mitgliedsland und demnach in der gesamten Zollunion die Nachfrage nach ImportgUtern steigt. Das ist ein einkommensinduzierter handelsschaffender Effekt, der nicht nur den Mitgliedslandern sondern auch Drittlandern zugute kommen kann. Die hier aufgezeigten Effekte einer Zollunion werden jetzt mit Hilfe einer einfachen Partialanalyse verdeutlicht. Betrachtet werden zwei Lander A und B, die sich zu einer Zollunion zusammenschlieBen, sowie ein Drittland C. Aufgezeigt werden die Wirkungen auf dem Markt der ImportgUter des Landes A. Es sei angenommen, dass diese GUter vor GrUndung der Zollunion zu einem Teil im Land A selbst produziert und zum anderen Teil aus den Landern B und C importiert werden. Der linke Abbildungsteil zeigt den Importmarkt des Landes A. In der Ausgangssituation vor GrUndung der Zollunion wird das Angebot auf dem ganzen Markt durch IMSo beschrieben. Dem steht die Nachfrage 1MD gegenUber. Im Gleichgewicht (Punkt A) ergibt sich somit ein Preis von p0 und •

-

-

imo- Das gesamte Importangebot auf diesem Markt setzt sich aus dem Angebot des Landes B gemaB der Angebotskurve XB0 sowie des Landes C gemaB der Angebotskurve XC0 zusammen. Somit liefert das Land B die Menge b0 und das Land C die Menge c0 an das Land A: imo b0 + c0.

eine

Importmenge

=

von

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 207

Abbildung 6.1: Wirkungen einer Zollunion I Land A:

Land B:

Importmarkt

im0 im,

0

im 0

Importangebot

b0 b,

b 0

Land C:

Importangebot

CjC,,

c

Es sei angenomrnen, dass in der Ausgangssituation auf die Lieferungen des Landes B und des Landes C der gleiche Mengenzoll erhoben wird. Dieser moge der Strecke CD bzw. CD' entsprechen. Bilden das Land A und das Land B eine Zollunion, so entfallt dieser Zoll fur die Lieferungen des Landes B. Das hat eine Preissenkung bzw. eine Angebotsausweitung seitens des Landes B zur Folge. Die Angebotskurve verschiebt sich um den Zollsatz parallel nach unten, hier nach XBi.Weil das Land C nicht entlastet wird, bleibt dort die Angebotskurve XC0 weiterhin gultig. Ohne Zoll ware es XCi. Die Preissenkung bzw. die Angebotsausweitung des Landes B kommt in einer Verschiebung der Angebotskurve auf dem Importmarkt des Landes A nach MSi zum Ausdruck. Aufgrund der zuvor genannten Reaktionen ergibt sich auf dem Importmarkt des Landes A ein neues Gleichgewicht im Punkt B. Der Importpreis sinkt somit auf pl5 und die Importmenge steigt auf imj. Ein Blick auf die Angebotssituation in den Landern B und C macht Folgendes deutlich: Die Lieferungen des Landes C gehen auf C! zuriick, wogegen die Lieferungen des Landes B auf bj steigen. Die Zunahme im Land B resultiert aus zwei

Wirkungen: • aus der Handclsumlenkung Differenz c0 C! aus der preisinduzierten

vom

Land C in das Land B in Hohe der

-



Handelsschaffung, die der Differenz imi into -

entspricht. Es gilt somit: bj b0 (c0 Ci) + (in^ imo). In der Abbildung 6.1 lasst sich leicht nachvollziehen, dass der Importpreis fiir das Land A noch weiter gesunken ware, wenn man auch die Zolle auf =

-

-

-

208

Internationale

Wirtschafisbeziehungen

Lieferungen des Landes C abgeschafft hatte. In diesem Fall ware allerdings nur ein handelsschaffender und kein handelsumlenkender Effekt aufgetreten. Die Liefermenge des Landes B in das Land A ware konsequenterweise nicht so stark gestiegen wie im Fall der Zollunion. Das Land C hatte demgegeniiber keine AbsatzeinbuBe hinnehmen mussen, sondern seine Lieferungen in das Land A steigern konnen. Das Beispiel macht Folgen-

die

des deutlich: •



Nachfrager im Land A profitieren zwar von den preissenkenden Wirkungen der Zollunion, sie waren aber in den Genuss einer noch grbBeren Preissenkung kommen, wenn der Freihandel auch auf die Drittlander (hier auf das Land C) ausgedehnt worden ware. HauptnutznieBer der Zollunion sind die Anbieter des Landes B, weil Die

ihnen der handelsumlenkende Effekt der Zollunion zugute kommt. Auf dem Importmarkt des Landes B und dementsprechend fur die Lieferungen des Landes A und des Landes C in das Land B ergeben sich ahnliche Wirkungen wie zuvor dargestellt. Zu erwarten ist auch hier ein handelsumlenkender Effekt und ein preisinduzierter handelsschaffender Effekt. Infolge des handelsumlenkenden Effektes verliert das Land C auch auf dem Importmarkt des Landes B Marktanteile. Es ist damit zu rechnen, dass die Nachfrager im Land B ahnlich wie im Land A in den Genuss einer Preissenkung kommen. Aber bei Ausdehnung des Freihandels auf die Drittlander bzw. auf das Land C ware die Preissenkung auf jeden Fall hoher -

-

ausgefallen. Der einkommensinduzierte handelsschaffende Effekt wurde bisher nicht beriicksichtigt. Durch die Handelsumlenkung sowohl zu Gunsten des Landes A als auch zu Gunsten des Landes B wird die Produktion in der Zollunion insgesamt ausgedehnt. Das hat sehr wahrscheinlich einen positiven Effekt zur Folge. Dariiber hinaus konnen die Preissenkungen fur Importgiiter und importkonkurrierende Produkte sowohl im Land A als auch im Land B zu einer Erhohung der Realeinkommen fiihren. Es ist zu erwarten, dass sich diese Einkommenseffekte auf die Nachfrage des Landes A und des Landes B nach Importgutern auswirken. Dementsprechend wird sich beispielsweise die Nachfragekurve auf dem Importmarkt des Landes A in der Abbildung 6.1 nach rechts verschieben. Es lasst sich unschwer nachvollziehen, dass hieraus ein handelsschaffender Effekt resultiert, der sowohl dem Land B als auch dem Land C zugute kommt. Wie stark dieser Effekt ist, kann allerdings in der theoretischen Analyse nicht feststellt werden. Somit bleibt ungewiss, ob und inwieweit die AbsatzeinbuBen des Landes C, die sich aufgrund des handelsumlenkenden Effektes ergeben, von hierher kompensiert werden konnen.

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 209 Ftir das in der Abbildung 6.1 zugrunde gelegte Beispiel ergibt sich neben dem handelsumlenkenden Effekt auf dem Importmarkt des Landes A (und analog auf dem Importmarkt des Landes B) eine Preissenkung und hierdurch ein preisinduzierter handelsschaffender Effekt. Es sind allerdings Angebotsbedingungen denkbar, durch die die Preissenkung auf dem Importmarkt des Landes A (und analog des Landes B) und demnach auch der preisinduzierte handelsschaffende Effekt verhindert werden. Das wird mit Hilfe der Abbildung 6.2 verdeutlicht.

Abbildung 6.2: Wirkungen einer Zollunion ii Land A:

Importmarkt

Land B:

Importangebot

Land C:

Importangebot

E' C D'

xc,

b 0

Wie im vorangegangenen

Beispiel, so wird auch jetzt ein preiselastisches des Landes B Angebot zugrunde gelegt. Im Unterschied zur Abbildung 6.1 sei aber nun angenommen, dass das Angebot des Landes C vollkommen preiselastisch ist. Bei diesen Angebotsbedingungen ergibt sich auf dem Importmarkt des Landes A eine geknickte Angebotskurve, die fur die Ausgangssituation vor Griindung der Zollunion mit jMSo bezeichnet ist. Das Gleichgewicht im Punkt A impliziert einen Importpreis von p0 und eine Importmenge von irrio. Das Land B liefert hiervon die Menge b0 und das Land C die Menge c0. In der Ausgangssituation moge ein Mengenzoll auf die Lieferungen beider Lander erhoben werden, der der Strecke CD und der Strecke CD' entspricht. Griinden die Lander A und B eine Zollunion, so verschiebt sich die Angebotskurve des Landes B nach XB^ Die Angebotskurve des Landes C bleibt mit XC0 unverandert. Dementsprechend verandert sich die Gesamtangebotskurve auf dem Importmarkt des Landes A nach jMSi. Somit bringt die Zollunion das folgende Ergebnis:

210 •



Internationale

Wirtschafisbeziehungen

Auf dem Importmarkt des Landes A verandern sich weder der Preis noch die Importmenge. Ein handelsschaffender Effekt tritt folglich nicht ein. Weil das Land B infolge der Zollsenkung seine Giiter bis zur Menge bi preisgtinstiger anbieten kann als das Land C, kommt es zu einer Substitution zu Gunsten des Landes B. Darin ist ein handelsumlenkender Effekt impliziert, durch den die Absatzmenge des Landes C um c0 Ci sinkt und die Absatzmenge des Landes B um die Menge b] bo = c0 C! -

-

steigt.

-

Fur die Nachfrager des Landes A ergibt sich demnach aus der Zollunion unmittelbar kein Vorteil. NutznieBer der Zollunion sind wegen des handelsumlenkenden Effektes die Anbieter des Landes B. Weist das Angebot des Landes C auch auf dem Importmarkt des Landes B eine sehr hohe Preiselastizitat auf oder ist dieses Angebot vollkommen preiselastisch, so konnen Preis und Menge auch auf diesem Markt nach Griindung der Zollunion unverandert bleiben. Es ergibt sich dann hier ebenfalls nur ein handelsumlenkender Effekt jetzt zu Gunsten der Anbieter des Landes A. -

Wenn allerdings die Produktion in der Zollunion durch den handelsumlenkenden Effekt steigt, ist wie weiter oben erlautert ein einkommensinduzierter handelsschaffender Effekt zu erwarten. In der Abbildung 6.2 wiirde sich die Nachfragekurve auf dem Importmarkt des Landes A nach rechts verschieben. Es lasst sich leicht nachvollziehen, dass dieser Effekt nur den Anbietern des Landes C zugute kame. Denn gemaB der Angebotskurve XBi ist den Anbietern des Landes B eine Angebotsausweitung nur zu einem hoheren Preis als po moglich. Die fiir die Abbildung 6.1 und die Abbildung 6.2 gewahlten Beispiele machen deutlich, dass die Wirkungen einer Zollunion maBgeblich von der Preiselastizitat des Guterangebots der Drittlander (hier des Drittlands C) abhangig sind. Dariiber hinaus spielen selbstverstandlich auch die Preiselastizitaten sowohl des Angebots als auch der Nachfrage in den Mitgliedslandern der Zollunion eine entscheidende Rolle. So lasst sich beispielsweise in der Abbildung 6.1 nachvollziehen, dass sowohl der handelsumlenkende Effekt zu Lasten des Landes C als auch der handelsschaffende Effekt zu Gunsten des Landes B umso hoher ausfallen, je groBer bei sonst gleichen Bedingungen die Preiselastizitat des Angebots des Landes B ist. Die Erklarung dafiir ist einfach: Je groBer die Preiselastizitat der Anbieter des Landes B ist, desto starker ist aufgrund des Zollabbaus nach Griindung der Zollunion sowohl der Preisdruck als auch der Angebotsdruck der Anbieter des Landes B auf dem Importmarkt des Landes A. Dadurch ist zum -

-

Verdrangung von Angebot aus dem Land C und zum anderen die Preissenkung fiir die Nachfrager des Landes A betrachtlich. einen die

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 211 6.2.2 Wohlfahrtseffekte einer Zollunion Die zuvor aufgezeigte Handelsumlenkung bedeutet zugleich, dass die Produktion in den Mitgliedslandern der Union zu Lasten der Produktion in Drittlandern erhoht wird. Das konnte leicht zu dem Schluss verleiten, dass der handelsumlenkende Effekt zugleich eine positive Wirkung auf die Wohlfahrt der gesamten Zollunion impliziert. Dass dies vermutlich ein Trugschluss ist, soil jetzt anhand von zwei Beispielen verdeutlicht werden. Die Abbildung 6.3 greift die Nachfrage- und Angebotsbedingungen auf, die bereits in der Abbildung 6.2 zugrunde gelegt worden sind. Das Importangebot des Landes C (des Drittlandes) ist vollkommen preiselastisch, wogegen das Importangebot des Landes B (eines Mitgliedlandes) zwar eine gewisse Preiselastizitat aufweist, aber nicht vollkommen preiselastisch ist. Wie bereits in der Abbildung 6.2 skizziert, resultiert daraus auf dem Importmarkt des Landes A die geknickte Angebotskurve nvfs. Der ansteigende Teil dieser Kurve entspricht dem Importangebot des Landes B zum einen vor Grundung und zum anderen nach Griindung der Zollunion.

Abbildung 6.3: Wohlfahrtseffekte einer Zollunion I

0

im0

im„

im

Durch Beseitigung der Zollbelastung fiir die Giiter des Landes B verschiebt sich die Angebotskurve dieses Landes um den Zollsatz CD nach unten. Es ergibt sich somit eine Handelsumlenkung in Hohe von Ab. Ein preisinduzierter handelsschaffender Effekt tritt, wie oben schon gezeigt, nicht auf. Die Handelsumlenkung und die damit verbundene Produktionssteigerung im Land B hat folgende Wirkungen: •

Die Zolleinnahmen, die das Land A aufgrund der Importe aus dem Land C erzielt, sinken um einen Betrag, der den Flachen I und II entspricht.

212

Internationale

Wirlschafisbeziehungen

Die Zolleinnahmen des Landes A aufgrund der Importe aus dem Land B sinken um einen Betrag, der in der Flache III erfasst ist. • Die Produzentenrente des Landes B steigt um einen Betrag, der in den Flachen II und III zum Ausdruck kommt, denn die Anbieter erzielen weiterhin einen Preis von p0, sie miissen aber jetzt zum einen nicht mehr die Zollbelastung in Hohe der Flache III tragen und haben zum anderen ihre Absatzmenge um Ab gesteigert. Betrachtet man die Zollunion insgesamt, so wird deutlich, dass die durch die Flachen II und III beschriebene Verringerung der Zolleinnahmen des Landes A durch die zusatzliche Produzentenrente des Landes B kompensiert wird. Fur die Verminderung der Zolleinnahmen des Landes A, die der Flache I entsprechen, findet demgegenuber keine Kompensation statt. Der gesamten Zollunion gehen somit Einnahmen verloren, die vorher vermutlich eine positive Wohlfahrtswirkung gehabt haben. Es ist deshalb zu erwarten, dass sich von hierher fur die Zollunion eine WohlfahrtseinbuBe •

ergibt. Bei vergleichbaren Nachfrage- und Angebotsbedingungen treten ahnliche Wirkungen auch auf dem Importmarkt des Landes B auf. Zwar steigt analog zum gerade skizzierten Beispiel die Produzentenrente im Land A, aber gleichwohl wird hierdurch der Ruckgang der Zolleinnahmen nicht vollstandig kompensiert. Folglich ergibt sich auch von hierher wahrscheinlich eine WohlfahrtseinbuBe.

Im vorliegenden Beispiel findet keine preisinduzierte Handelsschaffung statt, aber es ist sehr wohl moglich, dass die Handelsumlenkung in der Zollunion einen Einkommensanstieg bewirkt, der eine hohere Versorgung mit Giitern aus der Zollunion und mit importierten Giitern aus Drittlandern moglich macht. Diese Einkommens- und Handelsschaffung kann sich positiv auf die Wohlfahrt in der Zollunion auswirken. Von hierher ist es dann moglich, dass die zuvor aufgezeigte WohlfahrtseinbuBe der Handelsumlenkung kompensiert oder sogar iiberkompensiert wird. Aus dem hier dargestellten Beispiel lasst sich somit kein eindeutiges Ergebnis zu den Wohlfahrtseffekten einer Zollunion ableiten.

zwei weiteren Beispielen, die in den Teilen a) und b) der Abbildung 6.2 dargestellt worden sind, soil nun verdeutlicht werden, dass auch der preisinduzierte handelsschaffende Effekt einer Zollunion von maBgeblicher Bedeutung fur die Wohlfahrtseffekte sein kann. Es wird angenommen, dass auf dem Importmarkt des Landes A sowohl das Angebot des Landes B als auch das Angebot des Landes C vollkommen preiselastisch sind. In der Ausgangssituation vor Griindung der Zollunion erhebt das Land A auf alle Importe einen Mengenzoll, der jeweils der Strecke AC in den Abbildungsteilen a) und b) entsprechen moge. Bei dieser ZollbelasMit Hilfe

von

-

-

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 213 tung sei das Land B auf dem Importmarkt des Landes A nicht wettbewerbsfahig, so dass das Land A lediglich Giiter aus dem Land C importiert. Diese Situation ist jeweils durch den Gleichgewichtspunkt A beim Preisniveau p0 und einer Importmenge von into bezeichnet worden. Abbildung 6.4: Wohlfahrtseffekte einer Zollunion II

b)

a)

0

im0

im,

im

0

im„

im,

im

Bildet das Land A mit dem Land B eine Zollunion und kann das Land B deshalb seine Giiter ohne Zollbelastung in das Land A liefern, so ergibt sich eine vollig neue Situation. Jetzt ist das Land C nicht mehr wettbewerbsfahig, so dass das Land A Giiter ausschlieBlich aus dem Land B importiert. Dadurch ergeben sich die folgenden Wirkungen: • Es findet eine Handelsumlenkung in Hohe der gesamten Importe des Landes A in Hohe von imo zugunsten des Landes B und somit zu Lasten des Landes C statt. • Durch die Abschaffung des Zolls liefert das Land B die Importguter nun zum Preis von p! (gemaB der Angebotskurve XB]). Hierdurch ergibt sich ein preisinduzierter handelsschaffender Effekt, durch den die Importe des Landes A auf iirii zunehmen. • Durch die Handelsumlenkung gehen dem Land A Zolleinnahmen verloren, die der Flache ACDE entsprechen. • Durch die Preissenkung erhoht sich die Konsumentenrente im Land A um die Flache ABEF. Ein Teil des Verlustes an Zolleinnahmen wird somit durch die Zunahme der Konsumentenrente kompensiert. • Der nicht kompensierte Verlust an Zolleinnahmen gemaB der Flache I wirkt wohlstandsmindemd. Demgegenuber wird die Wohlfahrt erhoht durch den Teil der zusatzlichen Konsumentenrente, der nicht fur die

214

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Kompensation des Verlustes an Zolleinnahmen verloren geht. Das ist die

Flache II.

Abbildungsteil a) ist die Flache I, die eine WohlfahrtseinbuBe impliziert, groBer als die Flache II, die Ausdruck eines positiven Wohlfahrtseffektes ist. Im Abbildungsteil b) ist es umgekehrt. Es zeigt sich also, dass die wohlstandsmindernde Wirkung der Handelsumlenkung durch die wohlstandssteigernde Wirkung der Erhohung der Konsumentenrente kompensiert oder wie im Abbildungsteil b) sogar uberkompensiert werden kann, wenn der preisinduzierte handelsschaffende Effekt relativ groB ist. Im

-

-

Handelsschaffende und handelsumlenkende Effekte sowie deren Wohlfahrtswirkungen, wie sie zuvor fiir eine Zollunion aufgezeigt wurden, konnen selbstverstandlich auch im Rahmen anderer Integrationsformen auftreten, sobald bestehende Handelshemmnisse zwischen den Mitgliedslandern verringert oder beseitigt werden, gegeniiber Drittlandern aber erhalten bleiben. Allerdings lassen sich diese Effekte fiir eine Praferenzzone und fiir eine Freihandelszone sowohl theoretisch als auch empirisch erheblich schwerer erfassen als fiir eine Zollunion. Bekanntlich beziehen sich die Regelungen in einer Praferenzzone nur auf einige spezifische Giiter. Hier sind deshalb internationale Substitutionsvorgange zu Gunsten oder zu Lasten anderer Giiter denkbar, die ihrerseits mit handelsschaffenden und handelsumlenkenden Effekten verbunden sein konnen. In einer Freihandelszone fehlt es an einer gemeinsamen Protektionspolitik gegeniiber Drittlandern. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass Drittlander Importumwege wahlen und so moglicherweise handelsumlenkende Effekte verhindern. Solche Wirkungen einer Praferenz- oder einer Freihandelszone konnen nur im Rahmen einer differenzierten giiter- und landerspezifischen Analyse aufgezeigt werden. 6.2.3 Zollunion und Wettbewerb Der Zollabbau innerhalb der Zollunion und die daraus resultierende Handelsumlenkung sind von erheblicher Bedeutung fiir die Wettbewerbssituation zum einen innerhalb der Zollunion und zum anderen im Verhaltnis von Zollunion und Drittlandern. Weil innerhalb der Zollunion ein freier Handel ermoglicht wird, nimmt hier die Wettbewerbsintensitat auf den Markten der international handelbaren Giiter zu. Das konnte im Integrationsraum zum einen weitere Preissenkungen bewirken und zum anderen den Zwang zur Produkt- und Verfahrensinnovationen erhohen. Einige nicht ausreichend anpassungsfahige Unternehmungen diirften dabei Marktanteile verlieren oder ganz vom Markt verschwinden, aber fiir die Zollunion insgesamt wiirden die wettbewerbsinduzierten Preis- und Innovationseffekte letztlich positive Wirkungen auf Einkommen, Beschaftigung und Wohlfahrt haben.

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 215 AuBerdem ist zu erwarten, dass von hierher noch (weitere) handelsschaffende Effekte induziert werden, die sowohl der Zollunion als auch den Drittlandern zugute kommen. Die Beibehaltung des AuBenzolls bedeutet jedoch andererseits, dass die Drittlander im Vergleich zu den Mitgliedslandern der Zollunion diskriminiert werden und somit der externe Wettbewerbsdruck auf Unternehmungen der Zollunion vermindert wird. Besonders deutlich zeigt sich das an dem in der Abbildung 6.4 dargestellten Beispiel. Die Handelsumlenkung geht hier so weit, dass die Konkurrenten aus den Drittlandern vollkommen verdrangt werden und deshalb fiir Unternehmungen der Zollunion quasi eine nach auBen wettbewerbsfreie Zone geschaffen wird. Die Verminderung oder wie im zuvor erwahnten Beispiel Beseitigung des externen Wettbewerbsdrucks hat aber erfahrungsgemaB zur Folge, dass zum einen der Zwang zu Produkt- und Verfahrensinnovationen geringer wird und zum anderen der Technologietransfer aus Drittlandern abnimmt, der sich ansonsten quasi als Begleiterscheinung intensiver Handelsbeziehungen ergibt. Weil durch Griindung der Zollunion die Wettbewerbsposition der Drittlander geschmalert wird und diesen Landern Marktanteile verloren gehen, ist zu erwarten, dass dort erhebliche Anstrengungen unternommen werden, Marktanteile in der Zollunion zuriickzugewinnen. Zum einen werden die Unternehmungen der Drittlander bemiiht sein, durch Verfahrensinnovationen und Produktivitatssteigerungen die Preise ihrer Giiter zu senken. Zum anderen werden sie durch Produktinnovationen versuchen, ihre Position im Qualitatswettbewerb zu verbessern und so die preisbedingten Wettbewerbsnachteile gegeniiber den Unternehmungen der Zollunion zu uberwinden. Sowohl die Verminderung des Wettbewerbsdrucks auf die Unternehmungen innerhalb der Zollunion als auch die Erhohung des Anpassungsdrucks auf die Unternehmungen in den Drittlandern lassen letztlich negative Wirkungen auf Einkommen, Beschaftigung und Wohlfahrt innerhalb der Zollunion erwarten. Fasst man alle mit einer Zollunion iiber kurz oder lang induzierten Wirkungen zusammen, so sind eindeutige Aussagen dariiber, ob fiir die Mitgliedslander die Vorteile oder die Nachteile iiberwiegen, auf der Grundlage einer theoretischen Analyse nicht moglich. Auf jeden Fall stellt eine regio-

-

nale okonomische Integration in Form einer Zollunion im Vergleich zu einem umfassenden oder sogar weltweiten Freihandel eine „Second-bestLosung" dar, mit der zwar einerseits im Integrationsraum gewisse positive Freihandelseffekte erzielt werden konnen, aber andererseits gegeniiber Drittlandern eine gewisse Diskriminierung betrieben wird. Eine vollstandige Ausschopfung von internationalen komparativen Produktionsvorteilen ist somit nicht moglich.

216

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Mit Blick auf die Europaische Union und die NAFTA lassen die empirischen Fakten die Vermutung zu, dass bei der regional begrenzten Liberalisierung des Guterverkehrs sei es in einer Freihandelszone oder einer Zollunion neben den handelsumlenkenden Effekten maBgebliche handelsschaffende Effekte aufgetreten sind. Die haufig geauBerte Befiirchtung, durch solche okonomischen Integrationen kame es zu einer Regionalisierung des Welthandels und zu Abschottungen der Integrationsraume gegeniiber dem Rest der Welt, hat sich offenbar nicht bewahrheitet. Mit Blick auf die EU zeigt sich beispielsweise, dass zwar einerseits der intra-regionale Handel zwischen den EU-Landera teilweise erheblich zugenommen hat, dass aber gleichzeitig erfolgreich eine Intensivierung der AuBenhandelsbeziehungen zu Drittlandern betrieben worden ist. -

-

6.3

Faktorbewegungen im Gemeinsamen Markt

6.3.1 Freihciten in einem Gemeinsamen Markt Wie weiter oben bereits aufgezeigt, ist ein Gemeinsamer Markt zum einen durch einen freien Handel mit Waren und Dienstleistungen und zum anderen durch die Moglichkeit freier Faktorbewegungen gekennzeichnet. Ein Beispiel ist der seit 1993 bestehende Binnenmarkt der Europaischen Union. Die Freiheit der Faktorbewegungen impliziert einen freien Kapitalverkehr, der sowohl die Portfolioinvestitionen als auch die Direktinvestitionen einbezieht • die Freiziigigkeit auf den Arbeitsmarkten, durch die es Arbeitnehmern moglich wird, an einem beliebigen Ort im gesamten Integrationsraum eine Beschaftigung aufzunehmen • die Niederlassungsfreiheit, mit der Selbstandigen Freiziigigkeit eingeraumt und damit die Moglichkeit gegeben wird, an einem beliebigen Ort im Integrationsraum einer Unternehmertatigkeit nachzugehen. Freilich sind internationale Faktorbewegungen nicht auf Integrationsraume mit gemeinsamen Markten beschrankt. Ein weitgehend freier Kapitalverkehr ist heutzutage zwischen den meisten Industrielandern moglich, ohne dass sich diese in einer regionalen okonomischen Integrationszone zusammengeschlossen haben. Auch viele Schwellen-, Transformations- und Entwicklungslander haben inzwischen erkannt, dass die Liberalisierung des Kapitalverkehrs vor allem im Hinblick auf Direktinvestitionen einen wichtigen Beitrag leistet fur den binnenwirtschaftlichen Fortschritt sowie fur eine starkere Partizipation an der weltwirtschaftlichen Entwicklung. Demgegeniiber bestehen hinsichtlich der Freiziigigkeit von Arbeitskraften und Selbstandigen weltweit nach wie vor erhebliche Restriktionen. Die Immigration von Arbeits•

-

-

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 217 kraften und die Niederlassung von Selbstandigen unterliegt in den meisten Landern der Welt einer direkten staatlichen Regulierung. Das gilt auch fur die EU im Verhaltnis zu Drittlandern. Zwar findet illegale Einwanderung statt (z. B. aus Mexiko in die USA sowie aus Afrika, Asien und Osteuropa in die EU), aber legale Beschaftigungsverhaltnisse sind dabei in der Regel

ausgeschlossen.

Eine weitreichende Freiheit aller Faktorbewegungen besteht zur Zeit nur innerhalb des Gemeinsamen Marktes der Europaischen Union. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass diese Freiheiten ausgeschopft werden und die Faktoren im Integrationsraum vollkommen mobil sind. Einerseits ist beim Faktor Kapital eine hohe Mobilitat zu beobachten, andererseits bestehen aber vor allem bei Arbeitskraften nach wie vor erhebliche Mobilitatshemmnisse. Als Ursachen sind zu nennen: • •





kulturelle und

sprachliche Unterschiede unvollkommene Informationen iiber Arbeitsmoglichkeiten Integrationsraum

im gesamten

teilweise erhebliche Transaktionskosten, die im Rahmen eines Ortswechsels entstehen lokal ausgerichtete Praferenzen von Arbeitgebern.

Ahnliche Mobilitatshemmnisse sind auch im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit zu beobachten. Gleichwohl ist damit zu rechnen, dass die grenzuberschreitenden Bewegungen des Faktors Arbeit sowohl der abhangig Beschaftigten als auch der Selbstandigen im europaischen Integrationsraum in Zukunft weiter zunehmen werden. -

-

6.3.2

Wirkungen freier Kapitalbewegungen Es werden zwei Lander betrachtet, die beispielsweise im Rahmen eines Gemeinsamen Marktes die Bedingungen fur einen freien Kapitalverkehr schaffen. Das Inland moge in der Ausgangssituation also vor der Kapitalmarktliberalisierung iiber einen Kapitalstock in Hohe von R verfugen. Das Ausland besitze in dieser Situation den Kapitalstock R*. Es wird angenommen, dass die Grenzproduktivitat des Kapitals in beiden Landern gemaB den dort bestehenden Produktionsbedingungen mit steigendem Kapitaleinsatz sinkt. Die Grenzproduktivitaten sind in der Abbildung 6.5 mit den Geraden GPR im Inland und GPR* im Ausland erfasst worden. Bei optimalem Kapitaleinsatz ergibt sich im Inland ein realer Zinssatz von r0 -

-

-

-

und im Ausland ein realer Zinssatz

von

rj",.

Im Inland erzielen die Kapitaleigner die Glaubiger einen Zinsertrag in Hohe von r0R. Im Ausland liegt der Zinsertrag der Kapitaleigner bei roRv*. -

-

218

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Die restliche Flache unter der Grenzproduktivitatsgeraden zeigt sowohl im Inland als auch im Ausland die Produzentenrente bzw. den Ertrag der Kapitalnutzer (der Schuldner). Im Inland ergibt sich somit aus dem verfiigbaren Kapital fiir die Glaubiger und Schuldner insgesamt ein Ertrag, der der Flache I entspricht. Im Ausland ist das analog dazu ein Gesamtertrag gemaB der Flache II.

Abbildung 6.5: Wirkungen internationaler Kapitalbewegungen

R

R*

Bei Offnung der Kapitalmarkte und Verschmelzung zu einem einheitlichen Kapitalmarkt im Integrationsraum ist es fiir die auslandischen Kapitaleigner vorteilhaft, Kapital ins Inland zu exportieren, denn die doit erzielbare reale Verzinsung ist hoher als im eigenen Land. Gleichzeitig ist es fiir die Produzenten bzw. die Kapitalnutzer des Inlands vorteilhaft, Kapital aus dem Ausland zu importieren, denn die realen Kreditkosten sind dort niedriger als im eigenen Land. Es findet deshalb eine Kapitalbewegung vom Ausland in das Inland statt. Weil Kapital nun im Inland reichlicher und im Ausland knapper wird, sinkt der reale Zinssatz im Inland, wogegen der reale Zinssatz im Ausland zunimmt. Die Kapitalbewegungen halten bei vollkommenen Kapitalmarktbeziehungen so lange an, bis es zu einer Angleichung der realen Zinssatze im In- und im Ausland gekommen ist. Ein Gleichgewicht stellt sich somit im Punkt C, also im Schnittpunkt der beiden Grenzproduktivitatsgeraden ein. Letztlich importiert das Inland Kapital in Hohe von AR aus dem Ausland.

folgende Effekte: Im Inland steigt der gesamte Ertrag aus dem Kapitaleinsatz um die Flache ACDE. Hiervon flieBt ein Betrag in Hohe von riAR (Flache CFDE)

Das hat •

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 219 in Form von Zinszahlungen ins Ausland. Folglich erhoht sich der Nettoertrag des Inlands um die Flache ACF bzw. urn die Flache IV. • Im Ausland vermindert sich der gesamte Ertrag aus dem Kapitaleinsatz die Flache BCDE. Dem stehen um allerdings die Zinseinnahmen aus dem Inland in Hohe von riAR r*iAR (Flache CFDE) gegeniiber. Der Nettoertrag des Auslands steigt somit um die Flache BCF bzw. um die Flache III. • Fiir den gesamten Integrationsraum hat der Ertrag, der sich mit dem insgesamt verfugbaren Kapital in Hohe von R + R* erzielen lasst, um einen Betrag erhoht, der den Flachen III und IV entspricht. Gewinner der Kapitalmarktliberalisierung sind sowohl das Inland als auch das Ausland und demnach der Integrationsraum insgesamt. Gleichwohl gibt es in beiden Landern auch Verlierer: Die Kapitaleigner des Inlands erzielen nun nur noch einen Ertrag in Hohe von rjR. Der Betrag, der ihnen vor Kapitalmarktoffnung zugeflossen ist in Hohe von (r0 ri)R -, kommt jetzt den Produzenten bzw. den Kapitamutzern zugute. Im Ausland verringert sich die Produzentenrente um die Flache BCGH. NutznieBer sind hier die Kapitaleigner, denen ein zusatzlicher Ertrag in Hohe von (r* ro)R* zuflieBt. Die Analyse macht deutlich, dass bei Kapitalmarktliberalisierung Kapital in dem Land (hier im Inland) billiger wird, das iiber relativ wenig Kapital verfiigt, und in dem Land teurer wird, in dem Kapital relativ reichlich vorhanden ist. Die realen Zinssatze in beiden Landern passen sich bei vollkommenen Kapitalmarktbeziehungen im Zuge der Kapitalbewegungen so lange an, bis sie iibereinstimmen. Ist das erreicht, so wird das im gesamten Integrationsraum verfugbare Kapital effizient eingesetzt, d.h. eine weitere Ertragssteigerung ist nicht moglich. =

-

-

-

6.3.3

Freiziigigkeit von Arbeitskraften Wahrend einerseits die Mobilitat des Kapitals heutzutage sehr hoch ist, zeigen sich andererseits bei Arbeitskraften teilweise erhebliche Mobilitatshemmnisse. Auch wenn in einem Integrationsraum die Bedingungen fiir eine vollstandige Freiziigigkeit von Arbeitskraften geschaffen wurden, ist ein Ortswechsel mit relativ hohen Transaktionskosten verbunden. Deshalb ist nicht zu erwarten, dass sich die Lohnsatze auf den freien Arbeitsmarkten innerhalb eines Integrationsraums angleichen. Gleichwohl ist zu erwarten, dass die Lohnunterschiede zwischen den Mitgliedslandern des Integrationsraums aufgrund von Freiziigigkeit auf den Arbeitsmarkten verringert werden. Welche Wirkungen sich hieraus ergeben, wird jetzt mit Hilfe eines einfachen Beispiels verdeutlicht.

220

Internationale

Wirtschafisbeziehungen

Die Abbildung 6.6 zeigt die Arbeitsmarkte zweier Lander (des Inlands und des Auslands), die in einem Gemeinsamen Markt die Freiziigigkeit der Arbeitskrafte vereinbaren. Die Arbeitsnachfrage wird in diesem Land durch die Grenzproduktivitat des Faktors Arbeit bestimmt. Sie wird hier mit GPA im Inland und mit GPA* im Ausland bezeichnet. Zwischen der Arbeitsnachfrage und dem realen Lohnsatz besteht somit jeweils eine negative

Beziehung. Abbildung 6.6: Wirkungen einer regionalen Integration auf Arbeitsmarkten Inland GPA

0

Ausland

A.

A0 A,

AO

A*,

A*0

A*

Das Arbeitsangebot wird durch die mit As bezeichneten Kurven beschrieben. Hier besteht in Bezug auf den Reallohnsatz ein positiver Zusammenhang. In der Ausgangssituation vor Liberalisierung der Arbeitsmarkte moge ein Gleichgewicht in den Punkten A und A' gegeben sein. Der inlandische Reallohnsatz ist somit in dieser Situation hoher als der auslandische Reallohnsatz. Entscheidend dafiir sind zum einen die Produktionsbedingungen in den beiden Landern, aus denen die Grenzproduktivitaten des Faktors Arbeit resultieren, und zum anderen das Angebot an Arbeit. -

-

Nach Offnung der Arbeitsmarkte moge eine Migration von Arbeitskraften vom Ausland in das Inland stattfinden, die der Strecke BC bzw. B'C' entspricht. Weil das Arbeitsangebot im Inland zunimmt, verringert sich dort der Reallohnsatz, im Beispiel auf lx. Im Ausland ist es umgekehrt. Dort verringert sich das Arbeitsangebot, und der Reallohnsatz steigt dadurch auf l[. Die Arbeitsangebotskurven haben sich dementsprechend verschoben. In den Punkten B und B' ergibt sich somit ein neues Arbeitsmarktgleichgewicht. Gleichwohl bleibt eine Lohndifferenz in Hohe von d = l\ I* bestehen. Diese Differenz weist auf die Transaktionskosten hin, die beim Wechsel vom auslandischen zum inlandischen Arbeitsmarkt entstehen. -

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 221 Im Inland treten folgende Wirkungen auf: •











Aufgrund der Lohnsenkung und des zusatzlichen Arbeitseinsatzes erhoht sich die Produzentenrente um einen Betrag, der den Flachen I und II entspricht. Die inlandischen Arbeitnehmer miissen aufgrund der Lohnsenkung einen

Verlust an Rente hinnehmen, der in der Flache I zum Ausdruck kommt. Der Zuwachs an Produzentenrente ist um die Flache II groBer als der Verlust an Rente auf Seiten der Arbeitnehmer. Diese Flache zeigt somit den Nettogewinn des Inlands. Fur das Ausland ergeben sich die folgenden Wirkungen: Die Produzentenrente verringert sich aufgrund der Lohnsteigerung um einen Betrag, der den Flachen III und IV entspricht. Die Rente der im Ausland verbleibenden Arbeitskrafte erhoht sich wegen der Lohnsteigerung um einen Betrag, der in der Flache III zum Ausdruck kommt. Hieraus ergibt sich fur das Ausland insgesamt ein Verlust, der sich in der Flache IV zeigt.

Zu beriicksichtigen ist allerdings noch, dass die ins Inland gewanderten Arbeitskrafte aufgrund der Lohnsteigerung einen Rentenzuwachs erzielen. Zwar erhalten sie im Inland einen Lohnsatz von lu aber wegen der Transaktionskosten, die in der Differenz d erfasst wird, kommt ihnen nur faktisch ein Lohnanstieg auf l\ zugute. Immerhin resultiert daraus ein Rentenzuwachs, der sich aus der Summe der Flachen IV und V ergibt. Fasst man alle Gewinne und Verluste zusammen, so zeigt sich das folgende Ergebnis: • Der Nettogewinn der Gesamtheit der Produzenten bzw. der Nachfrager nach Arbeit sowie der Anbieter von Arbeit im Integrationsraum macht einen Betrag aus, der der Summe der Flachen II und V entspricht. Zu begrunden ist dieser Zuwachs damit, dass Arbeitskrafte in das Land wandern, in dem die Grenzproduktivitat des Faktors Arbeit relativ hoch ist. Dadurch werden die Arbeitskrafte im gesamten Integrationsraum effizienter eingesetzt. Wenn die Transaktionskosten (hier die Strecke d) vermindert werden konnten, lieBe sich diese Effizienz noch weiter steigern.

Die Abbildung 6.6 zeigt nur die Wirkungen der Migration auf die Renten auf, die auf Seiten der Nachfrager nach Arbeit sowie der Anbieter von Arbeit im Inland und im Ausland anfallen. Zu beachten ist allerdings, das dariiber hinaus weitere Effekte von Bedeutung sein konnen. Zu nennen sind hier insbesondere die Einkommenstransfers, die fiskalischen Effekte sowie die externen Kosten und Ertrage der Migration.

222

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

ErfahrungsgemaB nehmen auslandische Arbeitnehmer haufig Einkommenstransfers in ihre Heimatlander vor, die dort fiir Konsum und Investitionen verwendet werden und von daher im Ausland positive Einkommenseffekte nach sich ziehen. Unter fiskalischem Aspekt ist es denkbar, dass einerseits die Steuereinnahmen des Auslands infolge der Abwanderung der Arbeitskrafte sinken und andererseits diejenigen des Inlands infolge der Zuwanderung zunehmen, so dass sich quasi eine Umverteilung im Migrati-

ergibt. Es ist jedoch auch moglich, dass das Ausland uberwiegend Arbeitskrafte verliert, die dort ohnehin arbeitslos waren. In diesem Fall konnte im Ausland wegen sinkender Sozialleistungen sogar eine fiskalische Entlastung eintreten, wogegen im Inland fiskalische Einnahmen wegen der migrationsbedingten Beschaftigungszunahme moglicherweise zunehmen. Es kame dann im In- und Ausland zu positiven fiskalischen Effekten. onsraum

Hinsichtlich der externen Effekte sind die

folgenden Gesichtspunkte von

Bedeutung: Mit der Migration erfolgt zugleich ein Wissenstransfer •



vom Ausland in das Inland. Im Ausland sind in der Phase des Wissenserwerbs der mobilen Arbeitskrafte soziale Kosten entstanden, denen nun private Ertrage im Inland gegenuber stehen. Im Inland konnen infolge der Migration soziale Kosten dadurch entstehen, dass zusatzliche offentliche Infrastruktur zur Verfugung gestellt werden muss und dass moglicherweise soziale Konflikte aufgrund der Zuwanderung auftreten.

Allerdings ist es nicht moglich, die zuvor genannten Effekte eindeutig zu bestimmen und dementsprechend zu beurteilen, ob solche Effekte fiir den Integrationsraum insgesamt letztlich von Vorteil oder von Nachteil sind. Es ist

Freizugigkeit von Arbeitskraften, sofem sie maBgeblicher GroBenordnung ist, iiber kurz oder lang erheblich dazu beitragt, den grenziiberschreitenden Wissenstransfer zwischen alien Landem des Integrationsraums zu fordern. Arbeitskrafte, die in ein Land mit relativ hoher Arbeitsproduktivitat wandern, bringen nicht nur Wissen mit, sondem erweitem in ihren neuen Arbeitslandern ihr Wissen. ErfahrungsgemaB gehen viele solcher Arbeitskrafte wieder zuriick in ihre Heimatlander, wo sie das neu erworbene Wissen zum Nutzen der dortigen Volkswirtschaft anwenden. Langerfristig diirfte sich somit die Liberalisierung von Arbeitsmarkten vorteilhaft fur alle beteiligten Lander auswirken. von

zu

vermuten, dass die

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 223

6.4 Multilaterale Handelspolitik 6.4.1 Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT Aus okonomischer Sicht lassen sich die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung und die weltwirtschaftlichen Wohlfahrtspotentiale nur ausschopfen, wenn ein moglichst weitreichender Freihandel besteht. Die Liberalisierung von Giitermarkten im Rahmen regional begrenzter Integrationswie oben zonen kann zwar ein Schritt in diese Richtung sein, aber sie ist gezeigt nur eine Second-best-Losung. ErfahrungsgemaB sind Freihandelsvereinbarungen zwischen einigen wenigen Landern nicht geeignet, das Ziel einer umfassenden weltweiten Handelsliberalisierung zu erreichen. Erforderlich ist eine Welthandelsordnung, die auf multilateraler Ebene von einer groBen Mehrheit der Lander der Welt getragen wird. -

-

Auf dieser Idee beruht das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade = GATT), das 1947 zwischen 23 Landern geschlossen wurde. In der Griindungsphase des GATT ging es vor allem darum, den intensiven Handelsprotektionismus, durch den die Zeit nach der groBen Weltwirtschaftskrise gepragt war, abzubauen. Die empirischen Fakten machten sehr deutlich, dass die umfangreichen weltweiten Handelsbeschrankungen gravierende negative Wirkungen auf Wirtschaftswachstum, Beschaftigung und Wohlfahrt in alien Landern der Welt hatten. Die grundlegenden Ziele des GATT bestanden somit darin, durch eine weitreichende Handelsliberalisierung das weltweite Wirtschaftswachstum zu fordern und giinstige Bedingungen fiir mehr Beschaftigung und eine Erhohung des Lebensstandards zu schaffen. Anfangs war geplant, zur Erreichung dieser Ziele eine Welthandelsorganisation mit eigenen Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen zu griinden. Weil etliche Lander einen Verlust an nationalstaatlicher wirtschaftspolitischer Autonomie befiirchteten, kam eine solche Organisation jedoch nicht zustande. Immerhin verpflichteten sich die 23 Griindungslander zur Einhaltung grundlegender Prinzipien des Welthandels. Dem schlossen sich in den Folgejahren bis 1995 mehr als 100 weitere Lander an. Die grundlegenden Prinzipien des GATT sind:

(1) Handelsliberalisierung •



Zolle werden im gegenseitigen Einvernehmen schrittweise abgebaut. Auf Zollerhohungen sowie neue Zolle ist grundsatzlich zu verzichten. Quantitative Beschrankungen des internationalen Guterverkehrs sowie andere nicht-tarifare Handelshemmnisse sind grundsatzlich verboten.

224

Internationale

Wirtschafisbeziehungen

(2) Nichtdiskriminierung •



GemaB dem Meistbegiinstigungsprinzip miissen alle Handelsvorteile bzw. Handelsvergiinstigungen, die eine Vertragspartei einer anderen eingeraumt hat, unverziiglich und uneingeschrankt auch alien anderen Mitgliedern des GATT gewahrt werden. GemaB dem Prinzip der Inlandergleichbehandlung diirfen auslandische Importgiiter gegeniiber inlandischen Giitern und dementsprechend auslandische Anbieter gegeniiber inlandischen Anbietern auf den heimischen Markten nicht diskriminiert werden.

(3) Reziprozitat Der Abbau von Handelsbeschrankungen erfolgt grundsatzlich nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit, d.h., wenn ein Land A Beschrankungen gegeniiber einem Land B abbaut, so gilt das umgekehrt auch fur das Land B im Verhaltnis zum Land A.

(4) Konfliktvermeidung

Handelskonflikte sollen innerhalb des GATT auf dem Verhandlungswege gelost werden, um einerseits ein gegenseitiges Aufschaukeln von handels-

beschrankenden MaBnahmen zu verhindern und andererseits die Interessen der nicht unmittelbar beteiligten Lander zu wahren. Schon bei der Griindung 1947, aber auch in weiteren Verhandlungsrunden in den Folgejahren wurden etliche Ausnahmeregelungen formuliert, die Abweichungen von den grundlegenden Prinzipien des GATT moglich

machten, •







so

insbesondere:

Einer Vertragspartei (einem Land) sind dann quantitative Beschrankungen des internationalen Handels temporar erlaubt, wenn in diesem Land anhaltende Zahlungsbilanzprobleme bestehen und dadurch dem Land eine internationale Zahlungsunfahigkeit droht. Eine Vertragspartei (ein Land) kann temporar von einer mehrheitlich vereinbarten Zollsenkung ausgenommen werden, wenn zu befiirchten ist, dass durch einen starken Anstieg von Importen heimische Produzenten importkonkurrierender Guter in ihrer Existenz emsthaft gefahrdet sind. Abweichungen von den GATT-Prinzipien sind zulassig, wenn die 6ffentliche Ordnung, die Gesundheit oder die nationale Sicherheit durch den freien Handel gefahrdet sind. Freihandelszonen und Zollunionen sind erlaubt. Damit wird das Prinzip der Meistbegiinstigung verletzt. Allerdings muss sichergestellt sein, dass bestehende Handelsbeschrankungen gegeniiber Drittlandern nicht restriktiver sind als vor Griindung der Integrationszonen.

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 225

Agrar- und Fischereiprodukte sind mengenmaBige Einfuhrbeschrankungen sowie Exportsubventionen erlaubt. • Durch das Weltbaumwollabkommen (1962) und das Multifaserabkommen (1973) wurden mengenmaBige Handelsbeschrankungen fur Textilien und Bekleidung erlaubt. • 1965 wurden Sonderbedingungen fiir Entwicklungslander vereinbart, die Abweichungen vom Prinzip der Meistbegunstigung und der Reziprozitat zulassen. Eingeflihrt wurde das allgemeine Praferenzsystem, mit dem es zulassig ist, dass Entwicklungslandern von Industrielandern einseitig Handelspraferenzen eingeraumt werden. Trotz der vielfach in Anspruch genommenen Ausnahmeregelungen ist das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen zweifellos die maBgebliche Grundlage fiir den Abbau des weltweiten Protektionismus in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Mit dem Abkommen von 1947 selbst, aber vor allem in einer Reihe von weiteren Verhandlungsrunden (KennedyRunde 1964 bis 1967, Tokio-Runde 1973 bis 1979, Uruguay-Runde 1986 bis 1993) konnte eine beachtliche Verringerung der weltweiten Handelsbeschrankungen erreicht werden. Im Zeitraum von 1964 bis 1993 wurde beispielsweise der durchschnittliche Zollsatz auf Industriegiiter von 15% auf etwa 3,5% verringert. Dariiber hinaus hat das GATT wesentlich dazu beigetragen, dass protektionistische Handelspraktiken aufgedeckt und in einem internatio•

Fur



nalen Forum offen diskutiert wurden



durch die regelmaBigen Abstimmungen zwischen den Vertragsparteien sowie im Rahmen der oben genannten multilateralen Verhandlungsrunden weltweite Handelskonflikte erheblich begrenzt wurden.

6.4.2 Die

Welthandelsorganisation WTO Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen war, wie der Name schon sagt, lediglich ein multilateraler Handelsvertrag, mit dem sich die Vertragsparteien verpflichteten, im internationalen Warenhandel bestimmte Grundprinzipen einzuhalten und bestimmte LiberalisierungsmaBnahmen durchzufiihren. Eine wesentliche Erweiterung brachte die Uruguay-Runde. Hier wurden nicht nur wesentliche Fortschritte in Richtung auf weltweiten Freihandel erzielt, sondem man einigte sich auch drauf, eine internationale Organisation mit eigener Rechtspersonlichkeit zu schaffen. Diese wurde als Welthandelsorganisation (World Trade Organization WTO)9 mit Sitz in =

9

Zu Informationen iiber die

Welthandelsorganisation siehe insb. www.wto.org.

226

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Genf am 1.1.1995 eingerichtet. Damit besteht jetzt im Unterschied zum GATT eine eigenstandige Institution, die • gewisse Vollmachten zur Durchsetzung der in den Statuten festgehalte-

-

nen •

• •



Grundprinzipien des internationalen Handels besitzt nationalen Handelspolitiken der Mitgliedslander und insbesondere Durchfiihrung von vereinbarten MaBnahmen zur Handelsliberalisie-

die die rung iiberwacht Vorschlage zu weiteren Liberalisierungsschritten erarbeitet als Moderator und Forum multilateraler Verhandlungen iiber den internationalen Handel dient in besonders geregelten Streitbeilegungsverfahren an der Verhinderung von internationalen Handelskonflikten mitwirkt.

Die Aufgabenbereiche der Welthandelsorganisation umfassen drei Elemente, die auch als die drei Sdulen der WTO bezeichnet werden: • Das bereits bestehende, aber entsprechend den Vereinbarungen der Uruguay-Runde aktualisierte Zoll- und Handelsabkommen (GATT), in dem die oben genannten Grundprinzipien des internationalen Warenhandels erfas st sind • Das Dienstleistungsabkommen (General Agreement on Trade in Services GATS), das Grundsatze fur den internationalen Dienstleistungshandel enthalt • Das Abkommen iiber geistige Eigentumsrechte (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights TRIPS), in dem Grundsatze fiir den Schutz geistiger Eigentumsrechte aufgestellt worden sind, die im Rahmen des internationalen Handels von Bedeutung sind. =

-

Welthandelsorganisation sind zur Zeit (im Jahr 2001) etwa 140 Mitgliedslander angeschlossen. Im Unterschied zum GATT, in dem auch eine sogenannte begrenzte Mitgliedschaft moglich war, sieht die WTO die einheitliche Mitgliedschaft (single package) vor, wonach ein Mitgliedsland alle in der WTO gultigen Abkommen in ihrer Gesamtheit akzeptieren muss. Davon abweichend bestehen allerdings vier plurilaterale Abkommen, die sich auf den Handel mit Zivilluftfahrzeugen, Milcherzeugnissen und Rindfleisch sowie auf das offentliche Beschaffungswesen beziehen. Die WTOMitgliedschaft hangt jedoch nicht davon ab, ob ein Land diesen SonderabDer

kommen beitritt oder nicht.

Zu den wesentlichen Erweiterungen im aktuellen GATT zahlen beispielsweise: Einbeziehen des Handels mit Agrarprodukten sowie mit Textilien und Bekleidung in die allgemeinen GATT-Bestimmungen; Verpflichtungen zu einem weiteren umfassenden Zollabbau, an dem sich auch die Entwicklungs- und Schwellenlander beteiligen miissen; Verpflichtun-

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik Til gen zum Abbau von Subventionen und technischen Handelshemmnissen; verscharfte Regeln fur Antidumping-MaBnahmen; Bestimmungen zu Ursprungsregeln, Einfuhrlizenzen und Zollwertermittlungen; Verpflichtungen zum Abbau handelsrelevanter InvestitionsmaBnahmen (Trade Related Investment Measures = TRIMs). Hintergrund der zuletzt genannten Verpflichtungen sind landerspezifische Auflagen, mit denen sowohl der internationale Handel verzerrt als auch die Rentabilitat von auslandischen Direktinvestitionen unmittelbar beeintrachtigt werden. Dazu zahlen insbesondere:

Inlandsauflagen (local content): bei den im Inland verkauften Produkten muss ein Mindestwertschopfungsanteil im Inland entstanden oder ein Mindestanteil an Vorprodukten aus dem Inland enthalten sein. • Handelsbilanzauflagen: Die Relation zwischen dem Wert der importierten Vorprodukte und der exportierten Endprodukte darf einen festgelegten Betrag nicht uberschreiten. Solche Auflagen spielen vor allem im Rahmen der Passiven Lohnveredlung eine Rolle. • Exportauflagen: Von den im Inland hergestellten Giitern muss eine Mindestmenge exportiert werden. Solche Auflagen, die vor allem auslandische Investoren betreffen, sind den protektionistischen MaBnahmen zuzuordnen, mit denen die heimische Produktion geschiitzt oder administrativ gefordert werden soil. Das neue GATT sieht vor, diese Form des Protektionismus innerhalb einer gewissen Ubergangszeit vollstandig zu beseitigen, wobei allerdings Entwicklungslandern unter bestimmten Bedingungen Ausnahmemoglichkeiten einge•

raumt

werden.

Grundlegend neu sind die Abkommen iiber den Dienstleistungshandel und den handelsrelevanten Schutz geistiger Eigentumsrechte. Die Umsetzung dieser Abkommen wird sich allerdings nur in kleinen Schritten vollziehen lassen und sich vermutlich iiber viele Jahre hinziehen. Die wichtigsten Bestandteile bzw. Grundprinzipien seien hier kurz genannt. (1) GATS Der Dienstleistungshandel gemaB dem GATS umfasst den zwischenstaatlichen Handel (z. B. Transporte, Kommunikation, Handel per Internet), im Inland geleistete Dienste fur Auslander (z. B. im Tourismus), im Ausland geleistete Dienste von Inlandern (z. B. Beratung) sowie Dienste im Rahmen einer unternehmerischen Niederlassung im Ausland (z. B. Banken, Versicherungen). Von maBgeblicher Bedeutung sind dabei die folgenden Grund-

prinzipien: •

Wie im GATT, so gilt auch hier gilt das Prinzip der Nichtdiskriniinierung (Meistbegunstigung und Inlanderbehandlung). Allerdings sind in

228







Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

einer Ubergangszeit eine Reihe von landerorientierten Ausnahmen zulassig, die in einer sogenannten Negativliste erfasst wurden. Die Lander sind zur Transparenz verpflichtet, d.h., die fiir den Dienstleistungshandel relevanten rechtlichen und institutionellen Bestimmungen miissen fiir jeden zuganglich sein. Ohne Einschrankung muss die Frciheit des grenzuberschreitenden Zahlungsverkehrs gewahrleistet werden. Die Lander sind zur progressiven Liberalisierung verpflichtet, d.h., der Marktzugang fiir Dienstleistungen muss kontinuierlich verbessert und unter Leitung der WTO in neuen Verhandlungsrunden die weitere Marktliberalisierung vorangetrieben werden.

(2) TRIPS Fiir die moderne Informations- und Wissensgesellschaft gewinnen individuelle geistige Eigentumsrechte immer mehr an Bedeutung. ErfahrungsgemaB nimmt die Piraterie solcher Rechte weltweit zu. Mit Blick auf handelsrelevante Wirkungen hat der mangelhafte Schutz von geistigen Eigentumsrechten Beeintrachtigungen sowohl auf den Export- als auch auf den Importmarkten der Lander zur Folge. Zwei Beispiele seien hier genannt: Exporte innovativer Giiter werden in solche Lander erschwert oder sogar unmoglich gemacht, wenn dort ahnliche Produkte in Form von Nachahmungen oder Falschungen wegen des Fehlens von Entwicklungs- und Patentkosten erheblich preisgunstiger auf den Markt gebracht werden. Umgekehrt sind inlandische Hersteller von importkonkurrierenden Produkten nicht mehr wettbewerbsfahig, wenn Importprodukte aufgrund von Innovationspiraterie kostengiinstiger hergestellt und angeboten werden kbnnen. Mit dem TRIPS-Abkommen soli deshalb ein Schutz solcher Marken-, Patent- und Urheberrechte erreicht werden, die fiir international handelbare Waren und Dienstleistungen maBgeblich sind. Zu den •

wichtigsten Elementen dieses Abkommens gehoren: besitzt auch hier das Prinzip der (Meistbegiinstigung und Inlanderbehandlung) ei-

Wie im GATT und im GATS,

so

Nichtdiskriminierung grundlegende Bedeutung.

ne •

Mindestschutzbestimmungen, die fiir bestimmte geistige Eigentumsrechte (z. B. Software, Vermietungsrechte Ausdriicklich formuliert sind

Filmen, Leistungen von Kiinstlern und Schriftstellern, Markengebrauch, Patente u.s.w.) verpflichtend sind sowie Schutzfristen festvon

schreiben.

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 229 •

Zur

Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte sind die Mitgliedslander verpflichtet, gegen Verletzungen solcher Rechte vorzugehen. Fiir den Fall von Schutzrechtsverletzungen sieht das Abkommen Sanktionen vor.

Das TRIPS-Abkommen ist aus okonomischer Sicht nicht unumstritten. Denn einerseits ist ein grenziiberschreitender Schutz geistiger Eigentumsrechte erforderlich, um den individuellen Anreiz fiir Innovation und Technologietransfer zu gewahrleisten, andererseits konnen jedoch vor allem mit eng ausgelegten Regelungen marktbeherrschende Positionen bestimmter Anbieter geschutzt werden. Der erste Aspekt lasst positive Wohlfahrtseffekte des Abkommens erwarten, der zweite Aspekt spricht fiir Wohlfahrtsverluste. Es wird Aufgabe der WTO sein, den Bereich der zu schiitzenden geistigen Eigentumsrechte genau zu umreiBen, diesen Bereich immer wieder kritisch zu iiberpriifen sowie zu verhindern, dass mit dem TRIPS-Abkommen neue Formen eines internationalen Protektionismus entstehen. -

-

I Zusammenfassung_| Eine einer

regionale okonomische Integration zielt darauf ab, im Handel zwischen begrenzten Anzahl raumlich miteinander verbundener Lander gewisse Freihandelsbedingungen einzurichten. Mit Blick auf Breite und Grad der Marktliberalisierung lassen sich verschiedene Formen bzw. Stufen der Integration unterscheiden: die Praferenzzone bei Freiheit auf einzelnen Gutermarkten, die Freihandelszone bei weitgehender Liberalisierung alter Gutermarkte, die Zollunion bei Freihandel mit gemeinsamer AuBenzollpolitik, der Gemeinsame Markt mit zusatzlichen Freiheiten fiir die Faktorbewegungen, die Wirtschaftsunion mit voller Liberalisierung des Guter- und Faktorverkehrs sowie Harmonisierung von Wirtschaftspolitiken. Bei Grundung einer Zollunion treten im Allgemeinen handelsumlenkende und handelsschaffende Effekte auf. Die Handelsumlenkung begunstigt die Unionslander und geht somit zu Lasten von Drittlandern. Handelsschaffung ist mbglich aufgrund von Preissenkungen und Realeinkommenssteigerungen. Diese kon-

auch Drittlandern zugute kommen. Die Wirkungen einer Zollunion auf die Wohlfahrt der Mitgliedslander ist theoretisch unbestimmt. Die Handelsumlenkung ist wahrscheinlich mit einer WohlfahrtseinbuRe verbunden, wogegen die Handelsschaffung Wohlfahrtsgewinne bringen kann. Eine Zollunion kann einerseits den Konkurrenzdruck auf die Produzenten in den Mitgliedslandern verringern, weil Anbieter aus Drittlandern diskriminiert werden; andererseits besteht zumindest auf langere Sicht die Gefahr, dass die Produzenten der Drittlander mit Produkt- und Verfahrensinnovationen die Zollhurden uberwinden und so zu einer Gefahr fiir die Anbieter aus der Union werden, die angesichts des vermeintlichen Schutzes Innovationen versaumt haben. Weltweit sind eine Reihe von Ansatzen zur regionalen okonomischen Integration zu beobachten. Bereits erfolgreich oder zumindest erfolgversprechend sowie nen

230

Internationale

Wirtschajisbeziehungen

groBerer Bedeutung sind aber derzeit nur wenige Integrationen, so vor allem der Gemeinsame Markt der EU, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA und die Sudamerikanische Freihandelszone MERCOSUR. Charakteristisch fur den Gemeinsamen Markt der EU sind die vier Freiheiten des Warenverkehrs, des Dienstleistungsverkehrs sowie der grenzuberschreitenden Bewegungen des Faktors Kapital und des Faktors Arbeit. Die Freizugigkeit des Faktors Kapital fuhrt zu einer (weitgehenden) Angleichung der Kapitalrenditen und uber eine effizientere Nutzung des vorhandenen Kapitals wahrscheinlich zu positiven Wohlfahrtseffekten fur die Gesamtheit des Invon

tegrationsraums. Die Freizugigkeit des grenzuberschreitende

Faktors Arbeit impliziert zwar die Bedingungen fur eine Mobilitat von Arbeitskraften, wird aber faktisch beispielsweise durch kulturelle und sprachliche Barrieren erheblich begrenzt. Gleichwohl bewirkt sie eine gewisse Annaherung nationaler Lohnsatze im Integrationsraum und dadurch eine effizientere Allokation des Faktors Arbeit. Die Wohlfahrtswirkungen der Migration sind nicht eindeutig bestimmt, weil neben den Veranderungen der Renten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern auch die fiskalischen Effekte sowie externe Effekte in den betroffenen Landern maBgeblich sein konnen.

Auf weltweiter Ebene hat das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT wesentlich dazu beigetragen, die internationalen Handelsbeschrankungen sukzessive zu verringern und dadurch maBgeblich Erfolge auf dem Weg zu mehr Freihandel zu erzielen. Mit der Welthandelsorganisation WTO ist eine eigenstandige internationale Institution geschaffen worden, die mit gewissen Kompetenzen zur Durchsetzung grundlegender Prinzipien des internationalen Handels gemaB den GATTBestimmungen ausgestattet ist, die im Rahmen der GATS- und TRIPSAbkommen das Ziel verfolgt, auch im Dienstleistungshandel grenzuberschreitende Beschrankungen abzubauen sowie den Schutz geistiger Eigentumsrechte zu gewahrleisten, und die als Streitschlichtungsstelle fungiert, mit der internationale Handelskonflikte verhindert werden sollen.

Balassa, B., The Theory of Economic Integration, London 1961. Behar, J., Cooperation and Competition in a Common Market, Studies on the Formation of MERCOSUR, Heidelberg 2000. Berg, H., AuBenwirtschaftspolitik, in: Bender, D. et. al. (Hrsg.), Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Band 2, 7. Aufl., Munchen 1999, S. 543 591, insbesondere Kapitel 2, Abschnitt 2.3 sowie

Kapitel 3.

-

Blank, J.E. I Clausen, H. I Wacker, H., Internationale okonomische Integration, Von der Freihandelszone zur Wirtschafts- und Wahrungsunion, Munchen 1998.

Wirtschaftliche Integration, Faktorbewegungen und multilaterale Handelspolitik 231

Borchert, M., AuBenwirtschaftslehre, Theorie und Politik, 6. Aufl., Wiesbaden 1999, Kapitel 6, Abschnitt 6.1. Cecchini, P., Europa '92: Der Vorteil des Binnenmarktes, Baden-Baden 1988.

Dieckheuer, G. I Liitke-Wostmann, C, ,J?estung Mercosur"? Entwicklung

und Auswirkungen der regionalen Integration im „Gemeinsamen Markt des Siidens", in: Eschenburg, R. et. al. (Hrsg.), Lateinamerika Gesellschaft Raum Kooperation, Frankfurt 1999, S. 329 351. El-Agraa, A.M., The Theory and Measurement of International Economic Integration, New York 1989. El-Agraa, A.M., The Theory of Economic Integration, in: El-Agraa, A.M. (Hrsg.), Economic Integration Worldwide, London 1997, S. 34 73. -

-

-

-

-

The European Union: Economics and Policies, 6. Aufl., London, New York 2001. Frenkel, M. I Bender, D. (Hrsg.), GATT und neue Welthandelsordnung, Wiesbaden 1996. Hauser, H. I Schanz K.-U., Das neue GATT, Die Welthandelsordnung nach Abschluss der Uruguay-Runde, 2. Aufl., Munchen 1995.

El-Agraa,

A.M. et. al.

(Hrsg.),

Klemmer, P. (Hrsg.), Handbuch Europaische Wirtschaftspolitik, Munchen 1998.

Krugman, P.R. I Obstfeld, M., International Economics, Theory and Policy, 5. Aufl., Reading (Mass.) 2000, Kapitel 7 und 9. Lang, F.P. I Stange, A.M., Integrationstheorie, Eine kritische Ubersicht, in:

Jahrbuch fur Sozialwissenschaft, Bd. 45, 1994, S. 141 170. Michael, M.S., International Capital Mobility and the Economics of Integration, in: International Economic Journal, Vol. 7, 1993, S. 61 -73. Molle, W., The Economics of European Integration: Theory, Practice, Policy, 3. Aufl., Aldershot 1997. -

Ohr, R. (Hrsg.), Europaische Integration, Stuttgart Berlin Koln 1996. Ohr, RI Gruber, 71, Zur Theorie regionaler Integration, in: Ohr, R. / Theurl, T. (Hrsg.), Kompendium Europaische Wirtschaftspolitik, Mun-

chen 2001, S. 1-39. Pugel, T.A. I Lindert, P.H., International Economics, 11. 2000, Kapitel 11 und 25.

-

Aufl., Boston

Rose, K. I Sauernheimer, K., Theorie der AuBenwirtschaft, 13. Aufl., Munchen 1999, Teil IV, Kapitel 6 und 7. Siebert, H., AuBenwirtschaft, 7. Aufl., Stuttgart 2000, Kapitel 7.

232

Internationale

Wirtschafisbeziehungen

Siebert, H., Weltwirtschaft, Stuttgart 1997, Kapitel 5, 12 und 13. Viner, J., The Customs Union Issue, New York 1950. Weintraub, S., The North American Free Trade Agreement, in: El-Agraa, A.M.

229.

(Hrsg.), Economic Integration Worldwide, London 1997, S. 203

-

Welfens, P.J.J., Europaische Union: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik, in: von Hagen, J. et. al. (Hrsg.), Springers Handbuch der Volkswirtschaftslehre, Band 2, Wirtschaftspolitik und Weltwirtschaft, Berlin Heidelberg 1997, S. 281 -323. Woyke, W., Europaische Union, Erfolgreiche Krisengemeinschaft, Mun-

chen 1998.

Kapitel 7

Devisengeschäfte, Wechselkurse und Währungssysteme I Untersuchungsziele_| Beschreibung des Angebots und der Nachfrage auf einem Devisenmarkt und Bestimmung des Wechselkurses auf Grundlage dieser Marktbedingungen. Darstellung der wichtigsten Devisengeschäfte im Rahmen von Kurssicherung, Kurs- und Zinsarbitrage sowie Währungsspekulation. Analyse von Währungssystemen sowie der Vor- und Nachteile fester und flexibler Wechselkurse.

Beschreibung

und

Beurteilung

historisch bedeutender sowie

zur

ter Währungssysteme.

Darlegung der Kriterien für eine optimale Währungsintegration lung der Europäischen Währungsunion.

Zeit

praktizier-

sowie Beurtei-

7.1 Der Devisenmarkt 7.1.1

Internationalisierung und weltweiter Tausch von Währungen Mit der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen haben auch die Devisengeschäfte erheblich an Bedeutung gewonnen. Die meisten internationalen Transaktionen von Gütern und Kapital sind mit einem Tausch von inländischer gegen ausländische Währung und umgekehrt verbunden. Es besteht somit ein enger Zusammenhang einerseits zwischen dem Angebot und der Nachfrage auf den Devisenmärkten und andererseits den Ex- und Importen von Waren und Dienstleistungen, den grenzüberschreitenden Käufen und Verkäufen von Wertpapieren, der Aufnahme und Vergabe von internationalen Krediten sowie den Direktinvestitionen im Ausland. Darüber hinaus gibt es Devisengeschäfte, die sich unmittelbar auf den Tausch von Devisen richten, so insbesondere spekulative Devisenkäufe und -Verkäufe sowie Interventionen offizieller Währungsbehörden. Man schätzt, dass das tägliche Transaktionsvolumen auf den weltweiten Devisenmärkten derzeit (im Jahr 2001) etwa 1,5 Billionen US-Dollar be-

trägt. Auf einem Devisenmarkt werden zwei Währungen getauscht. Der Preis, der sich neben der Devisenmenge aus dem Angebot und der Nachfrage auf diesem Markt ergibt, ist der Wechselkurs. Er zeigt an, welche Menge einer Währung für eine Einheit einer anderen Währung zu zahlen ist, z. B. 1,11 € je US-Dollar oder umgekehrt 0,90 US-Dollar je Euro. Im ersten Fall

234

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

spricht man von der Preisnotierung, im zweiten Fall von der Mengennotierung einer Währung, hier des Euro. Der Devisenmarkt ist im Allgemeinen kein räumlich begrenzter Markt. Da Währungen bzw. Devisen jeweils ein absolut homogenes „Gut" sind, ist ein Tausch an jedem beliebigen Ort der Welt zu jedem beliebigen Zeitpunkt möglich. Der Devisenmarkt ist somit nicht durch seine Lokalisierung, sondern allein durch die Transaktionsobjekte gekennzeichnet. Gleichwohl bestehen einige Börsenplätze, auf denen ein großer Teil des täglichen Devisentausches abgewickelt wird. Etwa 40% aller Devisengeschäfte finden gegenwärtig in London und New York, weitere 30% an den Börsenplätzen Tokio, Singapur, Frankfurt, Paris, Hongkong und Zürich statt. London ist der bei weitem größte Börsenplatz für Devisen, wobei der Tausch von Britischem Pfund gegen eine ausländische Währung nur einen relativ geringen Teil ausmacht. In London werden täglich etliche verschiedene Währungen gegeneinander getauscht. Weltweit gibt es zur Zeit etwa 140 verschiedene Währungen. Die meisten von ihnen werden jedoch nur auf regional eng begrenzten Märkten gehandelt. Häufig unterliegen diese Märkte überdies einer staatlichen Regulierung. Frei zugängliche Devisenmärkte mit überregionaler und teilweise weltweiter Bedeutung existieren nur für relativ wenige Währungen. Mit etwa vierzig Währungen bieten die großen Börsenplätze London und New York die meisten Tauschmöglichkeiten mit einer überwiegend täglichen Preis- bzw. Kursbildung. Der bei weitem größte Teil der internationalen Währungstransaktionen konzentriert sich allerdings auf wenige Währungen, insbesondere auf den US-Dollar, den Euro, den japanischen Yen, das Britische Pfund und den Schweizer Franken. 7.1.2

Angebot und Nachfrage auf einem Devisenmarkt

Auf dem Devisenmarkt werden Forderungen, die in einer bestimmten Währung nominiert sind, gegen eine andere Währung angeboten oder nachgefragt. Die Forderungen setzen sich aus Banknoten, Münzen und vor allem aus Sichtguthaben bei Banken zusammen. Häufig werden auch in Auslandswährung nominierte Forderungen zu den Devisen gezählt, die eine etwas längere Fristenbindung haben, z. B. Terminguthaben und Geldmarkt-

papiere. Die Abbildung 7.1 zeigt einen Devisenmarkt, auf dem beispielsweise auf Euro lautende Forderungen gegen Forderungen getauscht werden, die in US-Dollar nominiert sind. Auf der Abszisse wird die Menge an US-Dollars bzw. die Anzahl der Währungseinheiten des US-Dollars erfasst. Auf der Ordinate wird der Wechselkurs abgetragen, der hier definiert ist als der in Euro ausgedrückte Preis einer Einheit des US-Dollars (Euro je US-Dollar).

Devisengeschäfte,

Wechselkurse und

Währungssysteme

235

Abbildung 7.1: Der Devisenmarkt

d0

0

d

[$]

Bei freier Preis- und Mengenbildung ergibt sich aus dem Angebot (Linie DSo) und der Nachfrage (Linie DD0) ein Wechselkurs von w0, zu dem die Menge do an US-Dollar getauscht wird. Es sei angenommen, dass dieser Gleichgewichts-Wechselkurs w0 = 1,10 € je US-Dollar beträgt. Folglich werden d0 Einheiten des US-Dollars gegen 1,10d0 Einheiten des Euro getauscht. Nimmt das Angebot an US-Dollar zu, so verschiebt sich die Angebotskurve nach rechts, z. B. nach DS]. Ein neues Gleichgewicht ergibt sich beispielsweise beim Wechselkurs w, = 1,00 Euro je US-Dollar. Der Dollar wird infolge der Angebotssteigerung billiger. Würde demgegenüber die Nachfrage nach Dollar zunehmen und sich dementsprechend die Nachfragekurve nach DDi verschieben, so käme es zu einem neuen Gleichgewicht im Punkt C. Der Dollar wäre dann mit w2 = 1,15 Euro je US-Dollar teurer. Der Zusammenhang zwischen Devisenangebot und Devisennachfrage einerseits und Wechselkurs andererseits sei hier kurz mit Blick auf Güterund Kapitaltransaktionen erläutert. Der Wechselkurs w möge steigen, so dass für jeden US-Dollar ein höherer Betrag an Euro aufzuwenden ist. Somit sinkt der Wert des Euros. Der Euro wird abgewertet. Umgekehrt kommt es zu einer Aufwertung des US-Dollars im Verhältnis zum Euro.

(1) Güterverkehr Durch die Abwertung werden die Exportgüter der Länder des EuroRaums für die Länder des Dollar-Raums billiger. Es ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach diesen Gütern steigt und somit die Exportmenge der Euro-Länder zunimmt

(Mengeneffekt).

Diesem Effekt dürfte

allerdings

236

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

eine Verringerung des in US-Dollar ausgedrückten Exportgüterpreisniveaus gegenüberstehen (Preiseffekt). Es sei angenommen, dass der Mengeneffekt überwiegt. In diesem Fall nimmt der in US-Dollar nominierte Exportwert zu. Dementsprechend erhöht sich auf dem Devisenmarkt das Angebot an US-Dollar, wenn die Exporteure der Euro-Länder ihre Exporterlöse in Euro umtauschen. Bei den Importgütern ist es umgekehrt. Da sie durch die Abwertung im Euro-Raum teurer werden, ist mit einer Verringerung der Importnachfrage zu rechnen (Mengeneffekt). Weil überdies der Dollarpreis der Importgüter in dieser Situation sehr wahrscheinlich nicht steigt, sondern konstant bleibt oder sinkt (Preiseffekt), ergibt sich eine Verringerung des in US-Dollar nominierten Importwerts. Demzufolge geht die Nachfrage nach US-Dollar am Devisenmarkt zurück. Vor diesem Hintergrund hat die aus den Güterexporten resultierende Devisenangebotskurve eine positive Steigung sowie die Devisennachfragekurve eine negative Steigung.

(2) Kapitaltransaktionen Infolge der Abwertung des Euro wird

für Wirtschaftssubjekte des Dollar-Raums preiswerter, Kapitalanlagen im Euro-Raum zu erwerben. Lässt man andere Einflussgrößen (z. B. Wechselkurserwartungen) außer Acht, so nehmen dementsprechend die Kapitalimporte der Länder des Euro-Raums zu. Auf dem Devisenmarkt resultiert daraus eine Zunahme des Angebots an US-Dollar. Umgekehrt dazu werden Kapitalanlagen von Wirtschaftssubjekten des Euro-Raums im Dollar-Raum teurer. Treten keine anderen Einflüsse auf, so nehmen die Kapitalexporte der Euro-Länder ab. Auf dem Devisenmarkt verringert sich somit die Nachfrage nach USDollars. Im Verlauf der Devisenangebotskurve kommt somit ein Teilzusammenhang zwischen dem Wechselkurs und den Kapitalimporten sowie in der Devisennachfragekurve ein Teilzusammenhang zwischen dem Wechselkurs und dem Kapitalexport zum Ausdruck. es

7.1.3 Kassa- und Terminmarkt

Devisengeschäften sind unterschiedliche Fristigkeiten üblich. Man unterscheidet diesbezüglich zwischen den kurzfristigen Kassageschäften und den mittel- und längerfristigen Termingeschäften. Dementsprechend Bei

werden die Devisenmärkte in Kassamärkte und Terminmärkte unterteilt. Auf den Kassamärkten erfolgt der Tausch von Devisen in der Regel spätestens innerhalb von zwei Handelstagen. Bei Termingeschäften sind

Devisengeschäfte,

Wechselkurse und

Währungssysteme

237

mit Fristen von 30, 60 oder 90 Tagen sowie sechs und zwölf Monaten üblich. Weiter gehende Fristen bis zu zehn Jahren sind selten. Der Wechselkurs auf einem Kassamarkt ist der Kassakurs (spot rate), der Wechselkurs auf einem Terminmarkt der Terminkurs (forward rate). Diese Kurse bilden sich, wie zuvor in dem einfachen Beispiel eines einzigen Devisenmarktes gezeigt, aus Angebot und Nachfrage jeweils auf dem Kassa- oder auf dem Terminmarkt. Da allerdings viele Fristigkeiten möglich sind, bestehen für die Tauschbeziehungen zwischen zwei Währungen mehrere verschiedene Terminmärkte. Dementsprechend bilden sich auch mehrere verschiedene Terminkurse.

Tauschvereinbarungen

Vor dem Hintergrund der verschiedenen Fristigkeiten stimmen der Kassakurs und die Terminkurse in aller Regel nicht überein. Ausdruck dieser Differenz ist der Swapsatz, der wie folgt definiert ist: SW

(7.1)

=

^^ wK

Der Swapsatz ist somit die auf den Kassakurs bezogene relative Differenz zwischen dem Terminkurs wT und dem Kassakurs wK. Man spricht von einem Report bzw. von einer Prämie, wenn der Swapsatz positiv ist, und von einem Deport, wenn der Swapsatz negativ ist. Beträgt der Kassakurs beispielsweise 1,00 €/$ und der Terminkurs für ein 90 Tage US-DollarTermingeschäft 1,05 €/$, so ergibt sich ein Swapsatz von 0,05 (= 5%) und dementsprechend ein Report. Zur Umrechnung auf Jahresbasis müsste dieser Swapsatz mit 360/n multipliziert werden, wobei n die Laufzeit des Termingeschäfts, hier 90 Tage, angibt. Im vorliegenden Beispiel würde sich somit ein Swapsatz per Annum in Höhe von 20% ergeben.

7.2

Devisengeschäfte

7.2.1

Kurssicherungsgeschäfte

Geschäfte auf den internationalen Güter- und Kapitalmärkten sind häufig mit Wechselkursrisiken verbunden sind. Bei Güterexporten und Güterimporten entstehen diese Risiken dann, wenn zwischen Kontraktzeitpunkt oder Liefertermin einerseits und Zahlungstermin andererseits ein mehr oder weniger langer Zeitraum liegt. Ähnlich besteht bei ausländischen Kapital-

anlagen

eine zeitliche Divergenz zwischen dem Zeitpunkt der Anlage einerseits und den Zeitpunkten, zu denen die Zinserträge erzielt werden sowie die Anlage wieder verkauft oder fällig wird. Zum Kontraktzeitpunkt oder zum Anlagezeitpunkt sind die Wechselkurse, die auf die späteren Zahlungs- oder Rückzahlungsbeträge anzuwenden sind, nicht bekannt. Somit können sich aus unerwarteten Wechselkursveränderungen erhebliche

Ertragsrisiken ergeben.

238

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Vor diesem

Hintergrund gibt es zwei Möglichkeiten: Man betreibt eine Devisenspekulation, in der die Devisenverbindlichkeiten oder Devisenforderungen als offene Positionen gehalten werden, oder man tätigt ein Kurssicherungsgeschäft, mit dem die Verbindlichkeiten oder Forderungen ge-

gen das Wechselkursrisiko abgesichert werden. Im internationalen Handel mit Waren und Dienstleistungen ist es üblich, offene Devisenpositionen zu vermeiden und dementsprechend die Handelsgeschäfte mit Kurssicherungsgeschäften zu verbinden. Demgegenüber dominieren beim internationalen Kapitalverkehr Geschäfte mit offenen Devisenpositionen, so dass hier offenbar spekulative Motive eine wichtige Rolle spielen. z.

Zur Kurssicherung steht eine Reihe von Instrumenten B. Terminkontrakte, Futures, Optionen und Swaps.

zur

Verfügung,

a) Devisentermingeschäfte Terminkontrakte bzw. Devisentermingeschäfte haben bei Güterexporten und Güterimporten die größte Bedeutung. Exporteure verkaufen die Devisenbeträge aus den später fälligen Exporterlösen schon heute also zum Kontrakt- oder Lieferzeitpunkt am Devisenterminmarkt. Umgekehrt kaufen Importeure per Termin die Devisenbeträge, die sie für die spätere Begleichung der Beschaffungskosten benötigen. Der Kauf oder der Verkauf von Devisen per Termin erfolgt zu den am Markt gebildeten Kursen. Abgewickelt werden diese Geschäfte meistens über Banken, so dass von hierher noch zusätzliche Transaktionskosten entstehen. -

-

b) Devisenfutures Wechselkursrisiken lassen sich auch mit Devisenfutures absichern. Ähnlich wie beim Terminkontrakt stellt ein Futures-Kontrakt eine Verpflichtung dar, eine bestimme Währung zu einem bestimmten Termin gegen eine andere Währung zu tauschen. Während allerdings Terminkontrakte von den Vertragspartnern, z. B. einem Importeur und einer Bank, strikt einzuhalten sind, können Futures-Kontrakte an speziellen Börsen jederzeit zu einem bestimmten Kurs gekauft oder verkauft werden. Ein Importeur, der mit einem Futures-Kontrakt den Anspruch auf ausländische Devisen zu einem bestimmten Zeitpunkt erworben hat, kann diesen Kontrakt vor diesem Zeitan der Börse verkaufen, wenn er beispielsweise glaubt, die entsprechenden Devisen zu einem günstigeren Kassakurs als von ihm ursprünglich erwartet erwerben zu können.

punkt

Devisentermingeschäfte und Futures-Kontrakte haben den Nachteil, dass der erst später zum Zahlungs- oder RückZahlungstermin relevante Wechselkurs der Terminkurs fixiert ist und bei unerwarteten Wechselkursänderungen Opportunitätskosten entstehen können. Kauft beispielsweise ein -

-

Devisengeschäfte,

Wechselkurse und

Währungssysteme

239

heute einen Devisenbetrag zu einem bestimmten Terminkurs, könnte er diese Devise jedoch entgegen seinen ursprünglichen Erwartungen zum Zahlungstermin per Kasse zu einem günstigeren Kurs erwerben, so ist der Importeur gleichwohl an seinen Termin- oder Futures-Kontrakt gebunden. Zwar kann er den Futures-Kontrakt schon vor Fälligkeit verkaufen, aber je näher der Fälligkeitstermin rückt, desto mehr passt sich der Kurs des Futures-Kontrakts der aktuellen Entwicklung des Wechselkurses an.

Importeur

c) Währungsoptionen Der zuvor aufgezeigte Nachteil lässt sich mit Währungsoptionen vermeiden. Der Käufer einer Währungsoption erwirbt das Recht, einen Devisenbetrag zu einem bestimmten Zeitpunkt und zu einem festgelegten Preis (strike-Preis) zu kaufen oder zu verkaufen. Dementsprechend handelt es sich um eine Kaufoption (call) oder eine Verkaufsoption (put) für eine ausländische Währung. Während einerseits der Verkäufer einer Währungsoption verpflichtet ist, den Vertrag über die vereinbarte Devisentransaktion zum Fälligkeitsdatum zu erfüllen, besteht für den Käufer der Option kein Erfüllungszwang. Aus der Sicht des Käufers besteht darin auch der wesentliche Unterschied zum Terminkontrakt. Für den Käufer einer Währungsoption fallen selbstverständlich Gebühren an, die an den Verkäufer zu entrichten sind. Diese stellen quasi das Entgelt dafür dar, die Option auszuüben zu können oder nicht. Vorteilhaft ist der Kauf einer Währungsoption insbesondere dann, wenn •



entweder die Möglichkeit von Wechselkursänderungen in Betracht gezogen wird, die trotz der Gebühren bei Nichtausübung der Option Wechselkursgewinne ermöglichen würden und/oder unsichere Informationen über Höhe und Zeitpunkt der Devisenbeträge bestehen, die bei internationalen Transaktionen anfallen.

d) Währungsswaps und Hedging Eine weitere Möglichkeit der Kurssicherung besteht in Währungsswaps. Dabei vollzieht sich zwischen zwei Vertragspartnern gleichzeitig ein Devisenkassa- und ein Devisentermingeschäft. Die Vertragspartner tauschen zum gegenwärtigen Zeitpunkt Forderungen, die auf verschiedene Währungen lauten, mit der Verpflichtung, diese Forderungen zu einem zukünftigen Zeitpunkt zurückzutauschen. Eine Unternehmung A erhält beispielsweise heute aus einem Exportgeschäft einen bestimmten US-Dollarbetrag, der erst in drei Monaten für ein Importgeschäft wieder verwendet werden soll. In der Zwischenzeit benötigt die

Unternehmung zur Finanzierung

von

Investitionen einen

entsprechend

240

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

hohen Eurobetrag. Die Unternehmung kann zur Abwicklung dieser Geschäfte einen Drei-Monats-Swap von Dollar in Euro vornehmen. Sie tritt dabei heute den Dollarbetrag gegen Euro an den Vertragspartner B ab verbunden mit der Verpflichtung, den Eurobetrag nach drei Monaten wieder gegen Dollar zurückzutauschen. Der Vertragspartner B nimmt in diesem Beispiel einen Drei-Monats-Swap von Euro in US-Dollar vor, wobei ähnliche Motive maßgebend sind wie für die Unternehmung A. Die Transaktionskosten dieses Swapgeschäfts sind im allgemeinen niedriger als diejenigen, die entstehen, wenn der Dollarbetrag auf dem Kassamarkt in Euro getauscht wird und gleichzeitig zur Kurssicherung per Termin wieder USDollars gekauft werden. Beide Parteien haben die Währungsrisiken mit dem Swapgeschäft ausgeschaltet. -

Es gibt noch weitere Möglichkeiten, sich gegen das Wechselkursrisiko abzusichern und dementsprechend ein Hedging zu betreiben. So könnte beispielsweise eine Unternehmung ein Geschäft auf dem Gütermarkt mit einem entgegen gerichteten Geschäft auf dem Wertpapiermarkt verbinden. Benötigt ein Importeur zu einem zukünftigen Zeitpunkt einen bestimmten Währungsbetrag, so könnte er zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein auf diesen Betrag lautendes ausländisches Wertpapier erwerben, das zum Zeitpunkt seiner Zahlungsverpflichtung fällig wird. Welche Form der Kurssicherung die Akteure an den internationalen Güund Kapitalmärkten wählen, hängt im Wesentlichen ab von dem Verwendungszweck, von den Kosten der verschiedenen zur Verfügung stehenden Instrumente und nicht zuletzt von den Zugangsmöglichkeiten, die ein Akteur zu den verschiedenen Angeboten der Kurssicherung besitzt. ter-

7.2.2

Arbitragegeschäfte a) Kursarbitrage Arbitragegeschäfte sind darauf angelegt,

durch Ausnutzung regionaler Preis- oder Kursunterschiede Gewinne zu erzielen. Kursarbitrage (auch Devisenarbitrage genannt) ist dann lohnenswert, wenn die Notierungen des Wechselkurses zweier Währungen an verschiedenen Börsenplätzen voneinander abweichen. Wird beispielsweise ein US-Dollar in Frankfurt mit 1,00 € und in New York zum gleichen Zeitpunkt mit 1,02 € notiert, so lässt sich ein Gewinn erzielen, wenn man in Frankfurt US-Dollars erwirbt und diese in New York unverzüglich verkauft. Ein Betrag von 1 Mio. € brächte dann einen Gewinn von 20.000 € (abzüglich der Transaktionskosten). Während der Arbitragegewinn in diesem Beispiel aus direkten regionalen Kursdifferenzen zweier Währungen resultiert, sind bei Dreiecksarbitrage drei Währungen beteiligt, deren Kreuzwechselkurs an zwei Börsenplätzen

Devisengeschäfte, Wechselkurse und Währungssysteme

241

verschieden ist. Der Kreuzwechselkurs zwischen Euro, US-Dollar und Yen ist wie folgt definiert:

(7.2,

[€/¥] *f$=wff/«

Der Yen-Dollar-Kurs entspricht somit dem Verhältnis Dollar-Kurs und dem Euro-Yen-Kurs.

aus

dem Euro-

Es sei angenommen, dass in Frankfurt Kurse von 1,05 €/$ und von 0,01 €/¥ notiert werden. Daraus errechnet sich am Börsenplatz Frankfurt ein Kreuzwechselkurs von 105 ¥/$. In New York möge der Yen zur gleichen Zeit mit 100 ¥/$ notiert sein. Auf US-Dollar-Basis ist der Yen somit in Frankfurt billiger als in New York. Es lohnt sich deshalb, in Frankfurt YenBeträge gegen Euro zu kaufen, diese in New York gegen US-Dollar zu tauschen und die US-Dollar Beträge in Frankfurt wieder gegen Euro einzulösen. Würde dabei ein Betrag von 1 Mio. € eingesetzt, so brächte dies einen Gewinn von 50.000 € (abzüglich der Transaktionskosten). Die Kurs- bzw. die Devisenarbitragegeschäfte lassen sich mit den modernen Kommunikationstechniken in kürzester Zeit abwickeln. Da die Hauptakteure auf den internationalen Devisenmärkten über diese Wege jederzeit vollkommene Information besitzen, sind Gewinne aus Kursarbitragegeschäften nur bei äußerst schneller Reaktion möglich. Diese Geschäfte implizieren somit kurzfristige Kursanpassungen, durch die auf zwei bestimmte Währungen bezogene Wechselkurse weltweit permanent zum Ausgleich gebracht werden.

b) Zinsarbitrage

Zinsarbitragegeschäfte sind darauf gerichtet, durch Ausnutzung internationaler Zinsdifferenzen einerseits für Geld- und Kapitalmarktforderungen eine möglichst hohe Rendite zu erzielen sowie andererseits bei Verbindlichkeiten möglichst geringe Kreditkosten zu erreichen. Im Rahmen solcher Geschäfte werden üblicherweise Forderungen oder Verbindlichkeiten erworben, die in Auslandswährung nominiert sind. Daraus resultiert ein Wechselkursrisiko, das jedoch durch ein Kurssicherungsgeschäft ausgeschaltet werden kann. Bei einer in Auslandswährung nominierten Forderung erfolgt die Kurssicherung dadurch, dass der bei Fälligkeit zurückfließende Währungsbetrag bereits zum Zeitpunkt des Forderungserwerbs per Termin gegen inländische Währung verkauft wird. Bei einer in Auslandswährung nominierten Verbindlichkeit muss der bei Fälligkeit aufzubringende Währungsbetrag heute per Termin gekauft werden. Neben der Zinsdifferenz ist deshalb bei der Rendite- oder Kostenberechnung die Differenz zwischen dem Kassakurs und dem Terminkurs von Bedeutung.

242

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Um das zu verdeutlichen, wird eine Anlagealternative auf dem in- und dem ausländischen Kapitalmarkt betrachtet. Die geplante Anlage möge eine Laufzeit von zwölf Monaten haben. Der Zinssatz auf dem inländischen Kapitalmarkt beträgt i, derjenige auf dem ausländischen Kapitalmarkt i*. Der Kassakurs sei mit wK, der Terminkurs mit wT bezeichnet. Es handelt sich dabei jeweils um den in Inlandswährung ausgedrückten Preis einer Einheit der ausländischen Währung, z. B. Euro je US-Dollar (€/$). Wird der in Inlandswährung nominierte Betrag B am inländischen Kapitalmarkt angelegt, so ergibt sich hieraus am Ende des Anlagezeitraums:

(7.3)

Q (1 + i)B Bei einer Anlage im Ausland sind die Devisengeschäfte am Kassa- und am Terminmarkt zu beachten. Zum einen muss der Betrag B am Kassamarkt in Auslandswährung umgetauscht werden (B/wK), und zum anderen muss dieser ausländische Währungsbetrag zur Kurssicherung am Terminmarkt gleichzeitig verkauft werden (wTB/wK). Am Ende des Anlagezeitraums erhält man deshalb den folgenden Betrag: =

Q*

(7.4)

=

(l

+

0 —B wK

Aus der Gegenüberstellung der Beträge Q und Q* lässt sich ablesen, auf welchem der beiden Kapitalmärkte dem inländischen oder dem ausländischen die höchste Rendite zu erzielen ist: -

-

(7.5) Nach n f.\

(7.6)

(l+ÖB^l+iV^B wK Kürzung von B und Division durch

1

+

i* erhält man hieraus:

_L±j>wT -—:r 0). Wird eine Abwertung der inländischen Währung erwartet, so führt das schon kurzfristig zu einer faktischen Abwertung. Das gilt analog für eine Aufwertungserwartung. Auf dieser Grundlage zeigt die Abbildung 8.1 den Zusammenhang zwischen dem Kassakurs und dem inländischen Zinssatz. von

302

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Abbildung 8.1: Zinsparität und Wechselkurs w*

i0

0

Die Zinsparitätenkurve mit ZP bezeichnet hat gemäß Gleichung (8.7) eine negative Steigung. Wenn der ausländische Zinssatz oder der erwartete Wechselkurs steigen, verschiebt sich die ZP-Kurve nach oben, z. B. von ZP0 nach ZP., so dass bei jedem beliebigen inländischen Zinssatz eine Abwertung der inländischen Währung angezeigt wird. -

-

Nicht zuletzt diese grafische Darstellung des Zinsparitätentheorems lässt erkennen, dass es sich nur um einen rudimentären Ansatz zur Erklärung des Wechselkurses handelt. Die Zinsdifferenz und die Wechselkurserwartung sind erklärende Variablen. Interdependenzen zwischen diesen Größen und dem Wechselkurs werden nicht erfasst. Deshalb ist eine Simultanbestimmung von Wechselkurs und inländischem Zinssatz mit diesem Ansatz nicht möglich. Trotz der Einwände besteht jedoch kein Zweifel daran, dass internationale Zinsdifferenzen und Wechselkurserwartungen einflussreiche Determinanten der kurzfristigen Wechselkursbildung sind. Für die Wechselkurserklärung ist das Zinsparitätentheorem deshalb als ein Partialansatz sehr wohl von Bedeutung.

8.4 Der Portfolioansatz 8.4.1 Das Modell Zu den wesentlichen Kennzeichen der Zinsparitätentheorie gehört die Annahme, dass der internationale Kapitalverkehr auf vollkommenen Kapitalmärkten stattfindet. Das schließt nicht zuletzt ein, dass es keine Präferenzen für die in- oder ausländischen Finanzanlagen gibt und dass im Hinblick auf in- und ausländische Anlagen keine Risikounterschiede bestehen. Vor diesem Hintergrund sind die in- und ausländischen Finanzanlagen vollkommene Substitute. Demgegenüber wird im Portfolioansatz angenommen,

303

Theorie des Wechselkurses

dass in- und ausländische Anlagen nicht vollkommen gegeneinander substituierbar sind. Vielmehr geht man davon aus, dass Anleger gewisse Präferenzen für Anlagen auf dem inländischen Kapitalmarkt haben. Die Gründe dafür mögen in unterschiedlichen Risikoeinschätzungen, in Informationsdefiziten, in höheren Transaktionskosten für Auslandsanlagen oder einfach nur in einem nicht völlig rationalen Verhalten liegen. Es sei angenommen, dass das Geldvermögen V der privaten Wirtschaftssubjekte eines Landes den Bestand an inländischem Geld M, an inländischen Wertpapieren B und an ausländischen Wertpapieren wF umfasst. Die Größe F bezeichnet die in Auslandswährung nominierten Nettoauslandsforderungen der Inländer. Mit Hilfe des Wechselkurses w erfolgt die Umrechnung in Inlandswährung. Für die Portfoliostruktur gilt somit:

(8.8)

V =M

+

B

+

wF

Auf den drei betrachteten Märkten, dem Geldmarkt, dem inländischen Kapitalmarkt und dem Markt für ausländische Wertpapiere gelten die fol-

genden Gleichgewichtsbedingungen: (8.9)

M

=v,(i, i*)V

(8.10)

B

=v2(i,i*)V

(8.11)

wF

+

-

=

v3(i, i*)V

mit: V]

+

v2

+

v3

=

1

Auf der linken Seite steht jeweils das Angebot. Die Nachfrage auf der rechten Seite der Gleichungen wird jeweils beschrieben als Produkt aus einem Anteil v am Geldvermögen V und dem Geldvermögen selbst. In den Anteilen kommt die gewünschte Portfoliostruktur zum Ausdruck. Die Anteilsgrößen und damit die Portfoliostruktur hängen zum einen vom inländischen Zinssatz i sowie zum anderen vom ausländischen Zinssatz i* ab. Weitere mögliche Determinanten, z. B. Einkommen, Güterpreise oder erwartete Wechselkurse, werden im Modell nicht erfasst. Die Einflussrichtung der Zinssätze ist jeweils durch ein entsprechendes Vorzeichen angegeben worden. Die Geldnachfrage besitzt eine negative Zinsabhängigkeit in Bezug auf den inländischen und auf den ausländischen Zinssatz. Die Anlage am inländischen Kapitalmarkt wird positiv vom in-

ländischen Zinssatz und negativ vom ausländischen Zinssatz bestimmt. Dazu umgekehrt sind die Abhängigkeiten für Anlagen auf dem Markt für ausländische Wertpapiere.

Geldangebot M, das Angebot an inländischen Wertpapieren B, das in Auslandswährung nominierte Angebot an ausländischen Wertpapieren F und der ausländische Zinssatz i sind exogene Modellgrößen. DemgegenDas

über werden der aktuelle Wechselkurs

w

und der inländische Zinssatz i

304

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

endogen bestimmt. Weil der Wechselkurs w endogen ist, gilt dies gemäß Gleichung (8.8) auch für das gesamte Geldvermögen V. Die drei Gleichgewichtsbedingungen (8.9) bis (8.11) sind unter Berücksichtigung der zuvor skizzierten Zins- und Wechselkursabhängigkeiten der Vermögensanteile sowie der in Gleichung (8.8) erfassten Gesamtstruktur des Portfolios in der Abbildung 8.2 dargestellt worden. Abbildung 8.2: Märkte und Gleichgewicht im Portfolio-Modell

Gleichgewichtskurve des Geldmarktes, mit M bezeichnet, besitzt eine positive Steigung. Das lässt sich wie folgt erklären: Ein Anstieg des Wechselkurses w erhöht gemäß Gleichung (8.8) das Geldvermögen und darüber die Nachfrage nach Geld. Bei unverändertem Geldangebot lässt sich das Gleichgewicht auf dem Geldmarkt nur aufrechterhalten, wenn das inländische Zinsniveau steigt und es von daher zu einer zinsinduzierten Verringerung der Geldnachfrage kommt. Die Gleichgewichtskurve des inländischen Kapitalmarktes, mit B bezeichnet, besitzt eine negative Steigung. Das resultiert aus folgenden Zusammenhängen: Wenn der Wechselkurs w steigt und sich dadurch das Geldvermögen erhöht, nimmt die Nachfrage nach inländischen Wertpapieren zu. Um das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, muss dem eine zinsinduzierte Verringerung der Nachfrage gegenüberstehen. Das aber setzt eine Die

Reduktion des inländischen Zinssatzes

voraus.

Die Gleichgewichtskurve auf dem Markt für ausländische Wertpapiere hat ebenfalls eine negative Steigung. Hierzu ist zu berücksichtigen, dass bei einem Anstieg des Wechselkurses das in Inlandswährung ausgedrückte Angebot an ausländischen Wertpapieren gemäß Gleichung (8.11) zunimmt. Um den gleichen Betrag erhöht sich im Gleichgewicht gemäß Gleichung (8.8) das gesamte Geldvermögen. Zwar nimmt dadurch die Nachfrage nach

Theorie des Wechselkurses

305

ausländischen Wertpapieren zu, aber weil der Vermögenszuwachs auf alle drei Portfoliopositionen aufgeteilt wird, steigt die Nachfrage um einen geringeren Betrag als das Angebot. Um den Ausgleich von Angebot und Nachfrage herzustellen, muss der inländische Zinssatz sinken, damit neben der wechselkursinduzierten Erhöhung auch noch eine zinsinduzierte Erhöhung der Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren eintritt. Weil auch die Geldnachfrage vom Zinssatz negativ abhängig ist, verläuft die Gleichgewichtskurve für die ausländischen Wertpapiere flacher als diejenige für die inländischen Wertpapiere. Durch den Schnittpunkt der drei Gleichgewichtskurven werden der Wechselkurs und der inländische Zinssatz bestimmt, die ein Gleichgewicht auf allen drei Märkten implizieren. Die Abbildung macht bereits deutlich, dass nur zwei Gleichgewichtskurven erforderlich sind, um diese Wechselkurs-Zins-Kombination zu bestimmen. Hierin kommt das Gesetz von Walras zum Ausdruck. Demnach ist im vorliegenden Modell der dritte Markt im Gleichgewicht, wenn die beiden anderen Märkte ebenfalls im Gleichgewicht sind. Vor diesem Hintergrund beschränken sich die folgenden Untersuchungen jeweils nur auf zwei Gleichgewichtskurven. 8.4.2

Expansive Geldpolitik

Die Zentralbank des Inlands möge eine expansive Offenmarktpolitik betreiben. Sie kauft inländische Wertpapiere und gibt dafür Zentralbankgeld ab. Indem sie Wertpapiere durch Geld substituieren, nehmen die privaten Wirtschaftssubjekte in ihrem Portefeuille eine Strukturänderung vor. Das private Geldvermögen V verändert sich hierdurch nicht. In der

Abbildung 8.3 impliziert die Erhöhung der Geldmenge eine Verschiebung der Gleichgewichtskurve des Geldmarktes nach links, hier von M0 nach Mi. Demgegenüber wird die Gleichgewichtskurve für die Auslandsanlagen in ihrer Lage nicht beeinflusst. Ein neues Gleichgewicht bildet sich somit im Punkt C. Der inländische Zinssatz ist auf ii gesunken und der Wechselkurs ist auf wi gestiegen. Diese Wirkungen ergeben sich aus folgenden Zusammenhängen: Die expansive Geldpolitik hat eine Zinssenkung zur Folge, die bei un•





verändertem Wechselkurs w0 den Betrag AB ausmachen würde. Infolge der Zinssenkung nimmt die Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren zu. Der Kapitalexport steigt, so dass die inländische Währung abgewertet wird (Aw > 0). Das lässt sich in einer Bewegung auf der F-Kurve von A in Richtung auf den Punkt C nachvollziehen. Aufgrund der Abwertung steigt gemäß Gleichung (8.8) das private Geldvermögen. Dadurch nimmt die Geldnachfrage zu. Der anfänglichen

306

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Zinssenkungstendenz wird von hierher entgegengewirkt (Bewegung der MrKurve von B in Richtung auf den Punkt C). Abbildung 8.3: Wirkungen einer expansiven Geldpolitik

auf

Da sich das Angebot an inländischen Wertpapieren wegen des Ankaufs durch die Zentralbank verringert, verschiebt sich die Gleichgewichtskurve des inländischen Kapitalmarktes nach links, hier von B0 nach Bi. Wegen der Gültigkeit des Gesetzes von Walras wird auch dabei der neue Gleichgewichtspunkt C realisiert.

Erhöhung des Angebots an inländischen Wertpapieren Das Angebot auf dem inländischen Kapitalmarkt nimmt beispielsweise zu, wenn der Staat zur Finanzierung eines Budgetdefizits Kredite aufnimmt bzw. Staatspapiere emittiert oder wenn Unternehmungen zur Finanzierung von Investitionen Kredite aufnehmen. Hierdurch erhöht sich das private Geldvermögen. Dieser Vermögensanstieg bewirkt seinerseits eine Erhöhung der Nachfrage nach in- und nach ausländischen Wertpapieren. Vor diesem Hintergrund verschieben sich in der Abbildung 8.4 die Gleichgewichtskurven für die inländischen und ausländischen Kapitalanlagen jeweils nach rechts hier von B0 nach B] sowie von F0 nach Fi. Die Verschiebung der B-Kurve resultiert aus der relativ starken Ausweitung des Angebots an inländischen Wertpapieren, die nur teilweise durch die vermögensinduzierte Nachfrageerhöhung kompensiert wird. In der Verschiebung der F-Kurve kommt die vermögensinduzierte Erhöhung der Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren zum Ausdruck. Nach Erreichen des neuen Gleichgewichtspunktes C ist der inländische Zinssatz auf ii gestiegen und der Wechselkurs auf W] gesunken. 8.4.3

-

307

Theorie des Wechselkurses

Abbildung 8.4: Wirkungen einer Kreditaufnahme

0

io

i,

i

aufgezeigten Wirkungen erklären sich wie folgt: Auf dem inländischen Kapitalmarkt entsteht ein Überschussangebot, so dass der inländische Zinssatz steigt. Bei unverändertem Wechselkurs w0

Die •



würde er um die Strecke AB zunehmen. Infolge der Zinserhöhung geht die Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren zurück. Dadurch verringert sich der Kapitalexport oder erhöht sich der Kapitalimport. Die inländische Währung wird folglich aufgewertet (Aw




Das Geldmarktgleichgewicht sei durch die Kurve MP0 und die Kaufkraftparität durch die Linie KKP0 ausgedrückt. Daraus resultiert ein Preisniveau von P0 und ein Wechselkurs von w0. Die Zinsparitätenkurve ZP0 verläuft durch den Gleichgewichtspunkt D. Der erwartete und der tatsächliche Wechselkurs stimmen in dieser Situation überein. Die expansive Geldpolitik kommt darin zum Ausdruck, dass sich die Gleichgewichtskurve des Geldmarktes im vorliegenden Beispiel nach MPi verschiebt. Weil die langfristige Wirkung dieser Maßnahme auf das inlän=

312

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

dische Preisniveau und auf den Wechselkurs annahmegemäß richtig antizipiert wird, nehmen die Wirtschaftssubjekte umgehend eine Anpassung des erwarteten Wechselkurses vor. Das drückt sich in einer Verschiebung der Zinsparitäten-Kurve nach oben, hier nach ZPi aus. Konkret wird die ZPKurve beim langfristigen Zinssatz i0, der dem ausländischen Zinssatz entspricht, gemäß Gleichung (8.13) um den Betrag der langfristigen Wechselkursänderung nach oben verschoben. Ist wg der neue langfristige Gleichgewichtswechselkurs, so beträgt die Wechselkursänderung wg w0, so dass sich eine Verschiebung um die Strecke DF ergibt. -

Abbildung 8.6: Kurz- und mittelfristige Anpassungsprozesse

b) Kurzfristige Wirkungen

Aufgrund der Erhöhung der nominellen Geldmenge treten kurzfristig die folgenden Wirkungen auf: • Weil sich das inländische Preisniveau kurzfristig nicht verändert, steigt die reale Geldmenge proportional zur nominellen Geldmenge. Das hat eine Verringerung des inländischen Zinssatzes zur Folge, im Beispiel auf ii (Verschiebung der MP-Kurve um die Strecke AB).

313

Theorie des Wechselkurses •





schneller Reaktionen auf dem internationalen Kapitalmarkt bewirkt diese Zinssenkung umgehend Kapitalexporte. Weil eine Abwertung der inländischen Währung erwartet und dementsprechend der erwartete Wechselkurs angehoben wird (Awe > 0), kommt es auch von hierher umgehend zu Kapitalexporten. Die zinsinduzierten und die erwartungsinduzierten Kapitalexporte verursachen eine faktische Abwertung der inländischen Währung (Aw > 0). Dabei ergibt sich durch den Zinseinfluss kurzfristig ein aktueller Wechselkurs, der über dem neuen langfristigen Gleichgewichtswechselkurs wg

Angesichts

liegt.

Die zuletzt genannte Wirkung lässt sich erkennen, wenn die tengleichung (12.13) nach dem Wechselkurs aufgelöst wird:

(8.17)

w

=

we

wE .*

l+i-i .

.

Zinsparitä-

.*

l+i-i .

.



kurzfristig i < i* gilt, ist der Nenner kleiner als eins. Demnach folgt: neuen langfristigen Gleichgewicht ist wg we, so dass damit impliziert ist: w > wg. Die expansive Geldpolitik hat im vorliegenden Modell in der kurzen Frist somit eine bemerkenswerte Wirkung: Es kommt zu einem „Überschießen" des Wechselkurses über seinen langfristigen Gleichgewichtswert hinaus. Wesentlich dafür sind zum einen die Preisstarrheit im güterwirtschaftlichen Weil

w >

we. Im

=

Bereich und zum anderen die schnellen Reaktionen auf den Finanzmärkten, die sich in umgehenden Änderungen des inländischen Zinssatzes und des Wechselkurses niederschlagen.

c) Mittelfristige Anpassungsprozesse •





Mittelfristig finden die folgenden Anpassungsvorgänge statt: Die Gütermärkte reagieren zeitlich verzögert und allmählich auf die Zinssenkung. Dabei nimmt die Güternachfrage zu. Weil die Produktionskapazitäten im Hinblick auf die Vollbeschäftigungsannahme vollständig ausgelastet sind, hat der so entstehende Nachfrageüberhang nur Preissteigerungen, nicht jedoch Einkommenssteigerungen zur Folge. Die Preissteigerungen entfalten sich allerdings wegen der Reaktionsverzögerungen nur langsam. Aufgrund der Preiserhöhungen sinkt die reale Geldmenge. Demzufolge steigt der inländische Zinssatz allmählich wieder an. Infolge des Zinsanstiegs verbessert sich die inländische Kapitalverkehrsbilanz. Von hierher wird ausgehend vom kurzfristigen Wechselkurs w, die inländische Währung aufgewertet (Aw < 0). -

-

314

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Die Anpassungsvorgänge lassen sich in Bewegungen auf der Gleichgewichtskurve des Geldmarktes von B in Richtung auf den Punkt C sowie auf der Zinsparitätenkurve von E in Richtung auf den Punkt F nachvollziehen. In der Bewegung auf der MPrKurve zeigt sich der Einfluss der Preissteigerung auf den inländischen Zinssatz. Die Bewegung auf der ZP!-Kurve macht den Einfluss der Zinssteigerung auf den Wechselkurs deutlich. Die

Anpassungen halten so lange

an, bis wieder der langfristige Zinssatz neue erwartete Wechselkurs we gemäß der Zins-

io erreicht ist und der paritätengleichung (8.13) dem tatsächlichen i0

=

neuen

Gleichgewichtskurs wg

entspricht. Das inländische Preisniveau hat sich auf Pi erhöht, so dass die Kaufkraftparität wP = P gemäß Gleichung (8.12) wiederhergestellt ist. Damit sind letztlich auch zwischenzeitliche Wechselkurs- und preisinduzierte Störungen des internationalen Güterarbitragegleichgewichts behoben. Langfristig stellt sich somit ein Arbitragegleichgewicht ein. Die zuvor erläuterten kurzfristigen Reaktionen in der Periode t = 1 und die mittelfristigen Anpassungen in den Perioden t = 1 bis t = n des Zinssatzes, des Wechselkurses und des Preisniveaus sind in der Abbildung 8.7 skizziert worden. Es sei noch einmal auf die Besonderheit des Überschießens des Wechselkurses hingewiesen.

Abbildung 8.7: Ergebnisse des monetären Modells i

Theorie des Wechselkurses

315

8.5.4 Kritik

Ergebnisse im Modell der monetären Wechselkurstheorie beruhen maßgeblich auf den eingangs wiedergegebenen Annahmen. Folgende Einwände lassen sich dagegen vorbringen: Es ist höchst fraglich, ob die Akteure an den Devisenmärkten zum einen die Preiseffekte der expansiven Geldpolitik und zum anderen die aus Preisänderungen resultierenden langfristigen Wechselkurseffekte richtig oder auch nur annähernd richtig antizipieren können. Wenn aber diese Effekte falsch eingeschätzt werden, kann es sehr wohl zu anderen als den im Modell erfassten Wechselkursentwicklungen kommen, die nicht zwingend ein Überschießen des Wechselkurses implizieren. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass sich die langfristigen Erwartungen der AkDie



den Finanz- und Devisenmärkten nach wie vor an sogenannten fundamentalen ökonomischen Zusammenhängen orientieren und dabei der Quantitätstheorie des Geldes und der Kaufkraftparitätentheorie eine gewisse Bedeutung zukommt. teure an



Güterwirtschaftliche Vorgänge sind im Modell nur rudimentär enthalten und werden durch die Vollbeschäftigungsannahme darüber hinaus stark vereinfacht. Produktionsanpassungen und Einkommensänderungen auf den nationalen und internationalen Gütermärkten können jedoch mittelund längerfristig für die Wechselkursbildung von erheblicher Bedeutung sein. Das betrifft sowohl das Ergebnis des kurzfristig überschießenden Wechselkurses als auch die mittelfristigen Anpassungsprozesse und das

langfristige Gleichgewicht. Trotz der Einwände gilt die monetäre Wechselkurstheorie als ein wichtiger Beitrag zur Erklärung der kurz-, mittel- und langfristigen Wechselkursbildung. Auch wenn ihre Beschränkungen eine vollständige Erfassung aller wechselkursrelevanten Einflüsse ausschließen, zeigt sie gleichwohl einige zweifellos wichtige Aspekte der Vorgänge auf den Devisenmärkten auf. neue

8.6

Wechselkurserklärung in einem keynesianischen Modell

8.6.1 Das grundlegende Modell •

Keynesianische Modelle zeichnen sich durch folgende Merkmale aus: Die Güternachfrage spielt eine maßgebliche Rolle bei der Bestimmung

wichtiger

ökonomischer Größen (z. B. Einkommen, Zinsniveau, Wech-

selkurs). •

Die Vollbeschäftigung in einer Volkswirtschaft wird eher als Ausnahme denn als Regel betrachtet. Typisch sind Unterbeschäftigungssituationen,

316

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

in denen durch exogene Impulse Produktions- und Einkommenssteigerungen möglich sind. • Vor dem Hintergrund von Unterbeschäftigung und geringer Kapazitätsauslastung wird außerdem häufig angenommen, dass das Güterpreisniveau zumindest kurz- und mittelfristig konstant ist. Allerdings gibt es auch Modellerweiterungen, in denen Preisstarrheiten nur kurzfristig bestehen und somit mittel- und längerfristig Preisänderungen möglich sind. Hier wird ein Modell mit konstanten Güterpreisen

zugrunde gelegt: (8.18)

Y

=

H(Y, i) + AB(Y, +

(8.19)

M" p

=

M

=



r

Gütermarktgleichgewicht

+

-

L(Y, i) +

Geldmarktgleichgewicht

-

(8.20)

i

=

i

*

+

we

w —

———

Ungedeckte Zinsparität

Die reale Güternachfrage setzt sich aus der heimischen Absorption H und dem Außenbeitrag AB zusammen. Die heimische Absorption umfasst die private Konsumnachfrage und die private Investitionsnachfrage der Inländer sowie die Nachfrage des Staates. Es besteht hier eine Abhängigkeit vom Realeinkommen und vom Zinssatz. Der Außenbeitrag entspricht der Differenz von Güterexporten und Güterimporten. Wichtige Determinanten der Importe sind das inländische Realeinkommen Y und der reale Wechselkurs wPTp. Die Exporte hängen ebenfalls vom realen Wechselkurs ab, darüber hinaus aber auch vom ausländischen Einkommen, das im Modell jedoch eine konstante Größe ist und deshalb nicht explizit erfasst wird. Im Gleichgewicht stimmen gemäß Gleichung (8.18) die reale Güternachfrage und das Realeinkommen der Volkswirtschaft überein. Das Geldmarktgleichgewicht und die ungedeckte Zinsparität sind bereits aus der monetären Wechselkurstheorie bekannt. Beide Beziehungen sind auch Bestandteile des hier formulierten keynesianischen Modells. Bei konstantem Preisniveau lässt sich das Gütermarktgleichgewicht gemäß Gleichung (8.18) in allgemeiner Form wie folgt darstellen:

(8.21)

Y

=

Y(i, w)

IS-Kurve

+

-

Die grafische Darstellung dieser Gleichung ist die aus der MakroÖkonomik bekannte IS-Kurve. In ihr kommt der negative Zusammenhang zwischen dem Realeinkommen Y und dem Zinssatz i zum Ausdruck.

317

Theorie des Wechselkurses

Das Geldmarktgleichgewicht gemäß Gleichung (8.19) kann in allgemeiner Form (bei konstantem Preisniveau) auch wie folgt formuliert werden:

(8.22)

i

=

i(Y, Mn)

LM-Kurve

+

Die grafische Darstellung dieser Gleichung ist die ebenfalls aus der MakroÖkonomik bekannte LM-Kurve. Normale Zinsabhängigkeiten vorausgesetzt, zeigt sich hierin der im Geldmarktgleichgewicht bestehende positive Zusammenhang zwischen dem Zinssatz und dem Realeinkommen: Werden das Einkommen und damit die Nachfrage nach Transaktionskasse erhöht, so muss bei konstantem Geldangebot der Zinssatz steigen, um ausreichend zinsbedingte Geldhaltung freizusetzen. 8.6.2

Geldpolitik bei konstanten Güterpreisen Der rechte Teil der Abbildung 8.8 enthält die IS-Kurve gemäß Gleichung (8.21) sowie die LM-Kurve gemäß Gleichung (8.22). Der linke Teil zeigt die Zinsparitätenkurve gemäß Gleichung (8.20). In der Ausgangssituation besteht ein Güter- und Geldmarktgleichgewicht im Punkt A. Der inländische Zinssatz möge in dieser Situation dem ausländischen Zinssatz i entsprechen. Mit Blick auf die Zinsparitätengleichung (8.20) stimmen somit der tatsächliche Wechselkurs w und der erwartete Wechselkurs we überein.

Abbildung 8.8: Wechselkursbildung im keynesianschen Modell

w

w2

w,w0

0

Y0

Y, Y2

Y

Im Zuge der expansiven Geldpolitik wird die reale Geldmenge M erhöht. Dementsprechend verschiebt sich die LM-Kurve nach unten bzw. nach rechts, hier nach LM;. Im Inland ergibt sich eine Zinssenkung. Diese hat schon kurzfristig einen Nettokapitalexport zur Folge, durch den die inländische Währung abgewertet wird. Die Abwertung impliziert bei konstanten Güterpreisen eine Erhöhung des realen Wechselkurses wP*/P. Gemäß Gleichung (8.21) ergibt sich daraus eine positive Wirkung auf die Güternach-

318

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

und das Realeinkommen. Diese Wirkung kommt allerdings erst allmählich zur Entfaltung, weil die Gütermärkte relativ langsam reagieren. Mit dem Anstieg des Einkommens nehmen die inländischen Importe zu, so dass von hierher ein weiterer Abwertungsdruck auf die inländische Währung entsteht. Wenn der erwartete Wechselkurs unverändert bleiben würde, käme es aufgrund der vorgenannten Anpassungsvorgänge zu einem neuen Güterund Geldmarktgleichgewicht im Punkt B und zu einem Gleichgewicht auf der Zinsparitätenkurve im Punkt E. Es ist aber zu erwarten, dass die faktische Abwertung der inländischen Währung zu einer Erwartungskorrektur führt und dabei der erwartete Wechselkurs erhöht wird. Eine solche Reaktion entspricht der adaptiven Erwartungshypothese, die sich beispielsweise wie folgt beschreiben lässt:

frage

(p(wt_, w,!,) Mit einer gewissen Rate, die im Koeffizienten

(8.23)

A Wt

=

-

(p zum Ausdruck kommt, wird der erwartete Wechselkurs in der laufenden Periode t im Hinblick auf den Erwartungsirrtum w,_i wt_i in der Vorperiode angepasst. Diese Anpassung drückt sich darin aus, dass die Zinsparitätenkurve sukzessive nach außen verlagert wird. -

Weil im vorliegenden Beispiel eine Abwertungserwartung entsteht, folgt dem anfangs eingetretenen zinsinduzierten Kapitalexport von hierher zusätzlich ein erwartungsinduzierter Kapitalexport. Die inländische Währung wird deshalb noch weiter abgewertet. Dadurch verbessert sich der inländische Außenbeitrag, so dass sich ein weiterer positiver Einkommenseffekt ergibt. In der grafischen Darstellung drückt sich diese Wirkung in einer zusätzlichen Verschiebung der IS-Kurve nach rechts aus. Der Einkommensanstieg impliziert eine höhere Nachfrage nach Transaktionskasse. Bei dem jetzt vorgegebenen Geldangebot resultiert daraus eine Zinssteigerung. Die zuvor aufgezeigten Vorgänge vollziehen sich je nach Anpassungsgeschwindigkeit auf den Güter- und Finanzmärkten in einem mehr oder weniger langen Zeitraum. Die Wechselkursanpassungen in Verbindung mit dem Zinsanstieg lassen sich in der Abbildung 8.8 in einer Bewegung vom Punkt E in Richtung auf den Punkt F nachvollziehen. Die Zinsparitätenkurve wird sukzessive nach außen verschoben. Die wechselkursinduzierte Einkommenserhöhung und der daraus resultierende Zinsanstieg drückt sich in einer Bewegung auf der LMrKurve von B in Richtung auf den Punkt C aus. Dabei wird die IS-Kurve schrittweise nach rechts verlagert. Ein neues Gleichgewicht ist erreicht, wenn erwarteter und tatsächlicher Wechselkurs übereinstimmen und gemäß Gleichung (8.23) keine weiteren Anpassungen des erwarteten Wechselkurses erforderlich sind. In diesem

Theorie des Wechselkurses

319

Fall entspricht der inländische Zinssatz wie der Gleichung (8.20) zu entnehmen ist wieder dem ausländischen Zinssatz. Die expansive Geldpolitik hat somit letztlich eine Erhöhung des inländischen Einkommens sowie eine Abwertung der inländischen Währung bewirkt. Im Beispiel sind das Einkommen auf Y2 und der Wechselkurs auf w2 gestiegen. -

-

8.6.3

Veränderung der Güternachfrage Ausgehend von einem Gleichgewicht mit einem Einkommen von Y0 und einem Zinssatz von i0 möge die inländische Gütemachfrage zunehmen. Das kann verschiedene Ursachen haben, beispielsweise eine Erhöhung der Staatsausgaben im Rahmen einer fiskalpolitischen Maßnahme oder eine Erhöhung der privaten Investitionsnachfrage aufgrund von Verbesserungen der ökonomischen Rahmenbedingungen (z. B. durch Abbau administrativer Hemmnisse) oder der Konjunkturaussichten. In der Abbildung 8.9 zeigt sich dieser autonome Impuls in einer Verschiebung der IS-Kurve nach rechts.

Abbildung 8.9: Wechselkurseffekte einer Veränderung der Güternachfrage







Folgende Wirkungen sind zu beobachten: Vor dem Hintergrund der Annahme eines konstanten Preisniveaus steht der zusätzlichen Gütemachfrage im Rahmen des keynesianischen Modells ein entsprechend hohes zusätzliches Angebot gegenüber, so dass die Nachfrageerhöhung einen Einkommensanstieg impliziert. Die höhere Gütemachfrage und dementsprechend das höhere Einkommen sind mit einer zusätzlichen Nachfrage nach Transaktionskasse verbunden. Weil das Geldangebot fixiert ist, folgt daraus ein Zinsanstieg. Wenn der ausländische Zinssatz unverändert bleibt und der erwartete Wechselkurs noch nicht verändert wird, erhöht sich die Zinsdifferen-

-

320

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Gunsten des Inlands. Die internationalen Finanzmärkte reagieren darauf unverzüglich, indem der Nettokapitalimport des Inlands zunimmt. Daraus resultiert eine Aufwertung der inländischen Währung. zen zu



Diese Aufwertung impliziert ceteris paribus eine Verschlechterung des inländischen Außenbeitrags. Hierdurch wird die IS-Kurve wieder etwas nach links verschoben. Außerdem wirkt sich die einkommensinduzierte Zunahme der Importe negativ auf den inländischen Außenbeitrag aus. Die Gesamtreaktion des Außenbeitrags führt zu einer Dämpfung des

Aufwertungsdrucks. Wenn der erwartete Wechselkurs unverändert bleiben würde, käme es wie in der Abbildung 8.9 dargestellt beispielsweise zu einem neuen Zinssatz i. und beim Wechselbeim Einkommen beim Yu Gleichgewicht kurs wi. Die IS-Kurve wäre somit nach ISj in den neuen Gleichgewichtspunkt B verschoben worden. Die Zinsparitätenkurve hätte ihre Lage nicht verändert, so dass sich auf der Kurve ZP0 der neue Gleichgewichtspunkt E ergeben würde. Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass die Akteure an den Devisenmärkten ihre Wechselkurserwartungen unverändert lassen, obwohl es zu einer faktischen Aufwertung der inländischen Währung gekommen ist. Man kann davon ausgehen, dass sie den Erwartungsirrtum korrigieren und dass demgemäß der erwartete Wechselkurs an die tatsächliche Wechselkursentwicklung angepasst wird. Es sei auch hier angenommen, dass sich diese Anpassung mit der adaptiven Erwartungshypothese gemäß Gleichung (8.23) beschreiben lässt. Vor diesem Hintergrund treten mit einer mehr oder weniger langen zeitlichen Verzögerung die folgenden Wirkungen auf: -

-









Weil die Anpassung der Wechselkurserwartungen auf eine Aufwertung der inländischen Währung gerichtet sind, nehmen die Nettokapitalimporte des Inlands zu. Das hat eine weitere Aufwertung der inländischen Währung zur Folge. Dementsprechend verschiebt sich die ZP-Kurve sukzessive nach rechts bzw. in Richtung auf den Ursprung. Aufgrund dieser Aufwertung kommt es zu einer weiteren Verschlechterung des inländischen Außenbeitrags. Das drückt sich in einer Verschiebung der IS-Kurve nach links aus. Mit der Verschlechterung des Außenbeitrags verringert sich das inländische Einkommen, so dass auch die Nachfrage nach Transaktionskasse zurückgeht. Demzufolge sinkt der inländische Zinssatz. Der hier skizzierte Vorgang zeigt sich in einer Bewegung auf der LM-Kurve vom Punkt B in Richtung auf den Punkt A. Mit der Zinssenkung wird allmählich die Aufwertung der inländischen

Währung gebremst.

Die

Wirkungen

der

Erwartungsanpassung

und der

321

Theorie des Wechselkurses

Zinssenkung drücken sich in einer Bewegung von E in Richtung auf den Punkt F aus. Ein

neues

Gleichgewicht

ist erreicht,

wenn

die

Anpassungen des

erwar-

teten Wechselkurses abgeschlossen sind und dementsprechend der erwartete und der tatsächliche Wechselkurs übereinstimmen. Gemäß Gleichung

(8.20) entspricht dann der inländische Zinssatz wieder dem ausländischen Zinssatz. Letztlich ergibt sich somit in dem in der Abbildung 8.9 skizzierten Beispiel ein Einkommen von Y0, ein Zinssatz von i0 = i und ein Wechselkurs von w2. Die autonome Erhöhung der inländischen Gütemachfrage bleibt somit nach Abschluss der Anpassungsvorgänge ohne Wirkung auf das inländische Einkommen und den inländischen Zinssatz. Eingetreten ist lediglich eine Aufwertung der inländischen Währung. Diese Aufwertung hat den an sich positiven Einkommensimpuls der autonomen Erhöhung der Gütemachfrage letztlich zunichte gemacht. Es ist dementsprechend zu einem

wechselkursinduzierten Crowding-out-Effekt gekommen.

8.6.4

Ergebnisse, Kritik und Erweiterungen In ein herkömmliches keynesianisches IS-LM-Modell wurde das Zinsparitätentheorem integriert. Mit Blick auf die schon in kurzen Fristen gültige ungedeckte Zinsparität gemäß Gleichung (8.20) liegt diesem Theorem die Annahme eines vollkommenen internationalen Kapitalmarktes zugrunde. Obwohl selbst in den hochentwickelten Ländern beispielsweise in den Ländern der EU sowie in Japan und den USA noch immer gewisse Unvollkommenheiten beim internationalen Kapitalverkehr zu beobachten sind, z. B. aufgrund von nicht rationalen Präferenzen für Inlandsanlagen, kommt die Annahme des vollkommenen internationalen Kapitalmarktes der Situation in solchen Ländern recht nahe. Problematisch ist sie dagegen für Länder mit weniger entwickelten Finanzmärkten. Hierfür wäre die Verwendung des Portfolio-Ansatzes, in dem unterschiedliche Unvollkommenheitsgrade der Kapitalmärkte möglich sind, vorzuziehen. Dieser Ansatz ließe sich ohne große Schwierigkeiten in das keynesianische IS-LM-Modell integrieren. Die Literatur bietet einige Beispiele dafür. Auf eine Darstellung soll hier jedoch verzichtet werden. Insbesondere bei Gültigkeit des Zinsparitätentheorems und damit eines vollkommenen internationalen Kapitalmarktes kommt den Wechselkurseffekten im Rahmen des keynesianischen Modells eine entscheidende Bedeutung zu: Die expansive Geldpolitik hat letztlich nur deshalb einen positiven Einkommenseffekt, weil die inländische Währung abgewertet wird und diese Abwertung eine positive Wirkung auf den inländischen Außenbeitrag -

-



und darüber das inländische Einkommen hat.

322

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Erhöhung der Güternachfrage, z. B. im Rahmen einer expansiven Fiskalpolitik, hat letztlich keinen Einkommenseffekt, weil die inländische Währung aufgewertet wird und von daher über eine Verschlechterung des Außenbeitrags der positive Nachfrageimpuls vollständig kompensiert wird. Diese Ergebnisse hängen allerdings maßgeblich von zwei Restriktionen des zuvor dargestellten keynesianischen Modells ab: von der Annahme, •

Die autonome

dass die betrachteten Maßnahmen in einem kleinen Land stattfinden, das keine nennenswerten Einflüsse auf ökonomische Größen im Ausland ausübt, sowie von der Annahme, dass das Güterpreisniveau auch in einem mittel- und längerfristigen Zeitrahmen weder nach oben noch nach unten flexibel ist. Wie sich die Aufhebung dieser Annahmen auswirken kann, wird im folgenden kurz erläutert.

(1) Großes Land Würde ein

betrachtet,

großes Land

so

mit

maßgeblichem Einfluss

auf

Auslandsgrößen

müssten Reaktionen sowohl des ausländischen Zinssatzes als

auch des ausländischen Einkommens in Betracht gezogen werden. Für die expansive Geldpolitik könnten sich daraus folgende Konsequenzen ergeben: Weil dem inländischen Kapitalexport im Ausland nun ein durchaus maßgeblicher Kapitalimport gegenübersteht, dürfte es dort ebenfalls zu einer Zinssenkung kommen. Mit Blick auf die Abbildung 8.8 ist damit zu rechnen, dass sich letztlich ein neues Gleichgewicht bei einem inund ausländischen Zinssatz ergibt, der zwischen den Werten i0 und ij liegt. Das impliziert zugleich ein Güter- und Geldmarktgleichgewicht, das auf der LMrKurve zwischen den Punkten B und C liegt, sowie ein Gleichgewicht auf einer neuen Zinsparitätenkurve, das sich zwischen den Punkten E und F befindet. Im Inland fallen dementsprechend sowohl der Einkommensanstieg als auch die Abwertung geringer aus. Für den Fall einer Erhöhung der autonomen inländischen Güternachfrage wird bereits in einer relativ kurzen Frist nicht nur der inländische, sondern auch der ausländische Zinssatz steigen. Denn dem inländischen Kapitalimport steht ein entsprechend hoher ausländischer Kapitalexport gegenüber. Im Hinblick auf das in der Abbildung 8.9 skizzierte Beispiel ist zu erwarten, dass der in- und ausländische Zinssatz auf ein Niveau zwischen i0 und ii steigen. Damit ist ein neues Güter- und Geldmarktgleichgewicht auf der LM-Kurve im Bereich zwischen den Punkten A und B impliziert. Das Einkommen erhöht sich zwar nicht auf Y., geht aber auch nicht auf den Ausgangswert zurück. Die autonome Nachfrageerhöhung hätte somit im Inland eine positive Wirkung auf das Einkommen. In diesem Zusammenhang fiele die Aufwertung der inländischen Währung geringer aus.

Theorie des Wechselkurses

Das neue Gleichgewicht wird auf einer Punkten E und F liegen.

Zinsparitätenkurve

323 zwischen den

(2) Preisflexibilität

keynesianischen Ansätzen mit Preisflexibilität ist es üblich, das Güterpreisniveau eines Landes in Abhängigkeit von Größen zu erklären, die einerseits den Auslastungsgrad der vorhandenen Produktionskapazitäten und andererseits die Produktionskosten wiedergeben. Der Auslastungsgrad hängt maßgeblich von der Gütemachfrage ab, die sich aus den IS-LMZusammenhängen ergibt. In die Produktionskosten fließen einerseits die Lohnstückkosten und andererseits die Stückkosten der importierten Vorleistungsgüter ein. Mit Blick auf das in Inlandswährung nominierte Preisniveau der importierten Güter wP* wird deutlich, dass auch der Wechselkurs In

eine Determinante der Produktionskosten und darüber des inländischen Preisniveaus ist. Bei Veränderungen des Auslastungsgrads und/oder der Produktionskosten finden Preisanpassungen statt, die sich allerdings wegen einer gewissen Trägheit des güterwirtschaftlichen Bereichs mit zeitlichen Verzögerungen entfalten.

Im Unterschied zur monetären Wechselkurstheorie wird in keynesianischen Ansätzen auch bei langfristiger Betrachtung nicht generell die Gültigkeit des Kaufkraftparitätentheorems angenommen. Zwar kommt es zu Preisanpassungen, aber gleichwohl werden länger anhaltende Abweichungen von der Kaufkraftparität für möglich gehalten. Damit ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass die Preisanpassungen langfristig doch zur Herstellung bzw. Wiederherstellung der Kaufkraftparität führen. Wie die Preisflexibilität die oben gewonnenen Ergebnisse beeinflussen, sei jetzt kurz für den Fall der expansiven Geldpolitik eines kleinen Landes dargelegt. Bekanntlich bewirkt die expansive Geldpolitik eine Zinssenkung und darüber eine Zunahme der inländischen Gütemachfrage sowie eine Abwertung der inländischen Währung. Beide Wirkungen haben positive Impulse auf das Preisniveau zur Folge: durch den Anstieg der Gütemachfrage verbessert sich zumindest vorübergehend der Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten, durch die Abwertung erhöhen sich die Stückkosten der importierten Güter. Es ist möglich, dass die so in Gang gesetzten Preissteigerungen im Hinblick auf eine Sicherung realer Lohnpositionen eine Anpassung der Nominallöhne nach sich ziehen. Darüber wird der Preisanstieg noch verstärkt. Die Preiserhöhung hat folgende Wirkungen: -



Die reale

-

Geldmenge verringert sich, so dass der expansive Impuls der Geldpolitik und damit der Zinssenkungsdruck allmählich abgebaut wer-

324

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

den. Das drückt sich in einer Verschiebung der LM-Kurve nach oben bzw. nach links aus. • Die abwertungsbedingte Verbesserung des realen Wechselkurses wird durch die preisinduzierte Verschlechterung ebenfalls allmählich abgebaut. Von hierher verschlechtert sich der Außenbeitrag. Beide Wirkungen sind mit negativen Einkommensreaktionen verbunden. Der Einkommenseffekt der Geldpolitik ist somit bei flexiblem Preisniveau geringer als bei konstantem Preisniveau. Wenn die Kaufkraftparitätentheorie gültig ist und demnach durch die Preisanpassungen langfristig die Kaufkraftparität wiederhergestellt wird, hat die Geldpolitik letztlich keinen Einkommenseffekt. In diesem Fall verändert sich der reale Wechselkurs langfristig nicht, so dass der Außenbeitrag und die Gütemachfrage letztlich wieder auf das Ausgangsniveau zurückfallen. In der grafischen Darstellung befinden sich die LM- und die ISKurve dann wieder in ihrer Ausgangslage. Die expansive Geldpolitik hat vor diesem Hintergrund langfristig nur eine Abwertung der inländischen Währung bewirkt. Das ist das Ergebnis, das sich langfristig auch im Ansatz der monetären Wechselkurstheorie ergibt.

8.7 Rationale Wechselkurserwartungen 8.7.1 Zur Effizienz von Devisenmärkten In den zuvor dargestellten theoretischen Ansätzen stehen die sogenannten ökonomischen Fundamentalfaktoren im Zentrum der Wechselkurserklärung. Das sind die Güterpreise in der Kaufkraftparitätentheorie, die Zinsdifferenzen in der Zinsparitätentheorie, Zinssätze und Geldvermögen im Portfolio-Ansatz, die Geldmenge in der monetären Wechselkurstheorie sowie das Einkommen in den keynesianischen Ansätzen. Allerdings ist bereits deutlich geworden, dass neben diesen Faktoren die Erwartungen über die zukünftigen Wechselkurse eine maßgebliche Bedeutung für die aktuellen Wechselkurse haben können. Es besteht kein Zweifel daran, dass Fundamentalfaktoren die Wechselkursbildung erheblich beeinflussen, denn zum einen sind sie wichtige Determinanten des internationalen Güter- und Kapitalverkehrs und zum anderen finden sie bei der Bildung von Wechselkurserwartungen Beachtung. Schon die wenigen oben dargestellten Ansätze der Wechselkurstheorie lassen allerdings erkennen, dass es viele Fundamentalfaktoren gibt, die in der kurzen, mittleren und langen Frist wirksam sind. In der Realität treten diese Wirkungen in der Regel überlappend auf. Es ist deshalb kaum möglich, die für die Wechselkursbildung aktuell jeweils bedeutsamen Fundamentalfaktoren zu identifizieren. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich,

Theorie des Wechselkurses

325

auf empirischer Basis bisher nicht gelungen ist, eindeutige Zusammenhänge zwischen Wechselkursen und Fundamentalfaktoren nachzuweidass

es

sen.

Typisch für die Wechselkursentwicklung ist zum einen die hohe Volatililänger anhaltende gravierende Auf- oder AbwerBeides lässt sich mit tungen. Schwankungen oder einseitigen Veränderuntät und sind zum anderen

Fundamentalfaktoren meistens nicht erklären. Andere Faktoren müssen somit einen möglicherweise sogar dominierenden Einfluss auf die Wechselkursbildung haben. gen

von

Vor diesem Hintergrund ist die Frage gestellt worden, ob Devisenmärkte überhaupt effizient sind. Man bezeichnet einen Devisenmarkt dann als effizient, wenn alle verfügbaren Informationen in die Wechselkursbildung einfließen und der aktuelle Wechselkurs somit diese Informationen wiederspiegelt. Das setzt voraus, dass zum einen auf dem Devisenmarkt über den Wechselkurs das Arbitragegleichgewicht hergestellt wird und dass zum anderen alle Informationen über die relevanten Wechselkursabhängigkeiten in die Bildung von Wechselkurserwartungen einfließen und von daher jederzeit der „richtige" Wechselkurs gebildet wird. Zur Überprüfung der Devisenmarkteffizienz wird im Allgemeinen auf die schon weiter oben dargestellten und wiederholt verwendeten Zinsparitäten

zurückgegriffen: (8.24)

i-i* *I^ w =

Im

Arbitragegleichgewicht der kursgesicherten Devisengeschäfte gilt die gedeckte Zinsparität. Betrachtet wird ein bestimmter Zeitpunkt t. wT ist der Terminkurs, der zum Zeitpunkt t für auf den Zeitpunkt t+1 bezogene Termingeschäfte gültig ist. Ähnlich gilt für Spekulationsgeschäfte am Kassamarkt die ungedeckte Zinsparität: (8.25)

i-i

=-

w

we ist der im aktuellen Zeitpunkt t für den zukünftigen Zeitpunkt t+1

er-

wartete Kassakurs.

Die beiden Zinsparitätengleichungen implizieren, dass der erwartete Wechselkurs und der Terminkurs übereinstimmen:

(8.26)

we

=

wT

Gleichung gibt das Arbitragegleichgewicht für die reine Terminmarktspekulation wieder. Nur wenn diese Bedingung erfüllt ist, besteht ein Die

326

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

vollständiges Arbitragegleichgewicht. Systematische Arbitragegewinne sind dann nicht möglich. Wenn alle wechselkursrelevanten Informationen in die Erwartungsbildung einfließen, dürfen keine systematischen Prognosefehler auftreten. Der tatsächliche Wechselkurs (der Kassakurs) in der Periode t+1 muss dann bis auf Zufallsfehler also nicht systematische Fehler mit dem erwarteten Wechselkurs und gemäß Gleichung (8.26) auch mit dem Terminkurs übereinstimmen: -

(8.27)

wt+1

=

we + Ut+,

-

=

wT +

n,+,

Die Zufallsfehler für die Periode t+1 sind in der Größe ut+i erfasst worden. Im Durchschnitt müssen sich diese Fehler ausgleichen. Entsprechend muss der Erwartungsweit von ut+i null sein: E(ut+i) = 0. Außerdem darf es bei den Zufallsfehlem keine seriellen Korrelationen zwischen den pWerten in aufeinanderfolgenden Zeiträumen, also zwischen ut, ut+i, ut+2 usw. geben, weil ansonsten eine Systematik bestehen würde, die sich anti-

zipieren ließe. Der in der Gleichung (8.27) enthaltene Zusammenhang zwischen dem tatsächlichen Kassakurs zu einem Zeitpunkt t+1 und dem zum Zeitpunkt t gültigen Terminkurs mit Bezug auf t+1 ist für die wichtigsten Weltwährungen einer Reihe von empirischen Tests unterzogen worden. Der Terminkurs erwies sich jedoch in den meisten Fällen nicht als ein zuverlässiger Prediktor für den Kassakurs. Häufig ließen sich beträchtliche Abweichungen zwischen den beiden Kursen beobachten.

Vereinzelt wurde aus diesem Ergebnis bereits der Schluss gezogen, die Devisenmärkte seien nicht effizient. Denn schließlich war mit Blick auf die empirischen Befunde entweder die Wechselkurserwartung falsch, oder es gab Differenzen zwischen dem für t+1 erwarteten Wechselkurs und dem für t+1 gültigen Terminkurs. Eine falsche Wechselkurserwartung impliziert aber, dass sich die wechselkursrelevanten Informationen nicht vollständig im zukünftigen Wechselkurs widerspiegeln. Die Differenz zeigt an, dass mit der Wechselkursbildung nicht zugleich das vollständige Arbitragegleichgewicht hergestellt wurde. Ansätze der Wechselkurstheorie entwickelt worden, die entweder erklären, warum der Terminkurs und der erwartete Wechselkurs nicht zwingend übereinstimmen müssen und gleichwohl Devisenmarkteffizienz besteht, oder die deutlich machen, dass auch bei rationaler Erwartungsbildung Irrtümer auftreten können. Einige dieser Ansätze werden im Folgenden dargestellt.

Vor diesem Hintergrund sind einige

neue

327

Theorie des Wechselkurses

Risikoprämie und Wechselkurs Die Zinsparitätentheorie geht von der Annahme aus, dass die in- und ausländischen Finanzanlagen vollkommene Substitute sind. Nur unter dieser Bedingung ist die ungedeckte Zinsparität gültig. Wahrscheinlich trifft die Annahme jedoch nicht zu. Erfahrungsgemäß schätzen selbst größere institutionelle Anleger und erst recht kleinere private Anleger die Risiken einerseits von in- und ausländischen Finanzanlagen sowie andererseits von Auslandsanlagen in verschiedenen Ländern oder verschiedenen Währungen unterschiedlich ein. Das kann beispielsweise verursacht werden 8.7.2

-

-

durch Unsicherheiten, die aus vermeintlichen Informationsdefiziten resultieren, aus Unsicherheiten in Bezug auf entstehende Transaktionskosten oder aus Unsicherheiten über zukünftige wirtschaftspolitische Aktivitäten. Die Überlegungen, dass die zur Wahl stehenden Finanzanlagen keine vollständigen Substitute sind, ist nicht zuletzt grundlegend für den weiter oben dargestellten Portfolio-Ansatz. Hierin werden allerdings die Portfoliostrukturen und die darin enthaltenen unterschiedlichen Risikoeinschätzungen in der Regel nicht näher erklärt und somit als fest vorgegeben betrachtet.

Demgegenüber ist im Risikoprämienansatz eine Risikokomponente explizit als eine variable Größe enthalten. Mit dieser Größe hier mit x bezeichnet ergibt sich die folgende modifizierte ungedeckte Zinsparität: -

-

Die Wechselkurserwartung wird somit um eine Risikoprämie erweitert bzw. korrigiert. Es sei einmal angenommen, dass der aktuelle Wechselkurs zum Zeitpunkt t einen Wert von 1,00 €/$ hat. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bekannten Informationen über die Fundamentaldaten werde ein Wechselkurs zum Zeitpunkt t+1 von 1,10 €/$ erwartet. Die Spekulanten gehen somit davon aus, dass es zu einer Abwertung des Euro bzw. zu einer Aufwertung des Dollars kommt. Gleichwohl möge bei den Anlegern eine gewisse Unsicherheit im Hinblick auf Dollaranlagen bestehen, weil beispielsweise der zukünftige Kurs der amerikanischen Geldpolitik nicht ganz klar ist. Dementsprechend werde eine Risikoprämie von x 0,05 €/$ eingeplant. Gemäß Gleichung (8.28) besteht vor diesem Hintergrund ein Arbitragegleichgewicht bei einer Zinsdifferenz von i i* 0,05 (5%). Der Terminkurs bildet sich durch Angebot und Nachfrage auf dem Devisenterminmarkt. Hierin sind unterschiedliche Risikoeinschätzungen, falls sie bestehen, bereits enthalten. Somit bleibt die Gleichung (8.24) der gedeckten Zinsparität unverändert erhalten. Aus dieser Gleichung und der =

=

-

Gleichung (8.28) folgt unmittelbar:

328

(8.29)

Internationale wT

=

we

Wirtschaftsbeziehungen

t -

Der Terminkurs und der erwartete Wechselkurs jeweils auf den zukünftigen Zeitpunkt t+1 bezogen unterscheiden sich demnach um die Risikoprämie. Das ist zugleich das Arbitragegleichgewicht auf dem Devisenterminmarkt. Wird beispielsweise ein Wechselkurs von 1,10 €/$ erwartet und eine Risikoprämie von t 0,05 angesetzt, so muss der Terminkurs trotz des relativ hohen erwarteten Wechselkurses unter einem Wert von 1,05 €/$ liegen, damit im Rahmen einer Terminspekulation am Terminmarkt zusätzliche US-Dollars gekauft werden, um diese zum Zeitpunkt t+1 am Kassamarkt wieder gegen Euro zu verkaufen. Löst man die Gleichung (8.28) nach dem Wechselkurs w auf, so erhält -

-

=

man:

Hier wird deutlich, dass Änderungen der Risikoprämie x unmittelbar Wirkungen auf den aktuellen Wechselkurs haben. Steigt beispielsweise die Risikoprämie (für Anlagen in ausländischer Währung), so wird die inländische Währung ceteris paribus aufgewertet (Aw < 0). Zu jedem Zeitpunkt in dem sich die Risikoprämie verändert, kommt es somit ceteris paribus zu einer Veränderung des aktuellen Wechselkurses. Der Risikoprämienansatz kann demnach eine Erklärung dafür liefern, dass der im Zeitpunkt t für den Zeitpunkt t+1 bestehende Terminkurs kein brauchbarer Prediktor für den tatsächlichen Kassakurs im Zeitpunkt t+1 ist. Häufige Änderungen der Risikoprämie können zu erheblichen Abweichungen zwischen diesen beiden Wechselkursen führen, obwohl eine rationale Erwartungsbildung zugrunde

liegt. Ein gravierender Nachteil des Risikoprämienansatzes besteht darin, dass die Risikoprämie selbst nicht endogen erklärt wird. Insofern bleibt es offen, wie stark der Einfluss nicht neutraler Einschätzungen und deren Änderungen auf die tatsächliche Wechselkursbildung ist. 8.7.3 Wechselkurs und tionen

Wechselkurserwartungen

bei

neuen

Informa-

Erwartungsbildung ist nur dann rational, wenn zu jedem Zeitpunkt verfügbaren Informationen berücksichtigt werden. Bei rationalen Wechselkurserwartungen impliziert demnach jede neue Information die Überprüfung und gegebenenfalls die Korrektur des erwarteten Wechselkurses. Dieser Aspekt ist Gegenstand des sogenannten „News"-Ansatzes der Die

alle

Wechselkurstheorie.

Theorie des Wechselkurses

329

„News" können beispielsweise darin bestehen, dass die Zentralbank eines

Landes eine Lockerung der Geldpolitik ankündigt oder dass die Gewerkschaften höhere Lohnforderungen stellen. Die Akteure an den Devisen-

märkten könnten vor diesem Hintergrund erwarten, dass es alsbald zu einem Anstieg des Güterpreisniveaus kommt und von daher gemäß der Kaufkraftparitätentheorie die inländische Währung unter Abwertungsdruck gerät. Diese „News" fließen bei rationaler Erwartungsbildung unmittelbar in den erwarteten Wechselkurs ein. Mit Blick auf das Arbitragegleichgewicht finden diese „News" auch sofort Berücksichtigung auf dem Terminmarkt und damit bei der Bildung des Terminkurses. Und in Hinsicht auf die ungedeckte Zinsparität gemäß Gleichung (8.25) wird über den Erwartungseinfluss auch der aktuelle Kassakurs von den „News" determiniert. Der Einfluss der „News" sowohl auf die Wechselkurserwartungen als auch auf den Terminkurs und den aktuellen Kassakurs hat folgende Konsequenzen: • Der Terminkurs ist ein schlechter Prediktor für den zukünftigen Kassakurs. Denn der zum Zeitpunkt t gebildete Terminkurs (mit Bezug auf einen Zeitpunkt t+1) erfasst nur Informationen, die zum Zeitpunkt t verfügbar waren, wogegen sich der Kassakurs zum Zeitpunkt t+1 unter dem Einfluss von Neuigkeiten bildet. • Die empirisch häufig beobachtete enge Korrelation zwischen dem aktuellen Kassakurs und dem zum gleichen Zeitpunkt bestimmten Terminkurs lässt sich damit erklären, dass beide Wechselkurse auf der Basis der zum Zeitpunkt t verfügbaren Informationen gebildet werden. • Je häufiger Informationsänderungen und darin enthaltene „News" über vermeintlich wechselkursrelevante Vorgänge auf den Devisenmärkten auftreten, desto häufiger kommt es zu Veränderungen des Kassakurses. Damit kann zumindest teilweise die häufig beobachtete Volatilität von Wechselkursen erklärt werden.

Der „News"-Ansatz ist allerdings ebenso problematisch wie der Ansatz auf der Grundlage der Risikoprämie. Sowohl das Entstehen neuer Informationen als auch deren Konsequenz für die Bildung von Wechselkurserwartungen werden nicht endogen erklärt. Dass neue Informationen für Wechselkurserwartungen und tatsächliche Wechselkursbildung von Bedeutung sind, lässt sich nicht von der Hand weisen. Mehr als diese Erkenntnis vermag der „News"-Ansatz jedoch nicht zu geben. Weder theoretisch noch empirisch liefert er einen verlässlichen Beitrag zur Wechselkurserklärung.

330 8.7.4

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Spekulative „Bubbles"

Entfernt sich ein Wechselkurs immer weiter von dem Kurs, der aufgrund der ökonomischen Fundamentaldaten zu erwarten wäre, so spricht man von einem spekulativen Bubble. Eine Währung wird in diesem Prozess häufig anhaltend auf- oder abgewertet, so mit steigenden Veränderungsraten dass eine zunehmende Überbewertung oder eine zunehmende Unterbewertung entsteht. Der Prozess wird getrieben von den Wechselkurserwartungen der spekulativ operierenden Akteure an den Devisenmärkten. Ist beispielsweise aus irgendeinem Grund eine Währung aufgewertet worden und erwarten die Spekulanten eine weitere Aufwertung, so wird allein aufgrund dieser Erwartung die Währung tatsächlich noch weiter aufgewertet. Ähnlich wie auf Aktienmärkten, so nährt auch hier die Hausse die Hausse oder die Baisse die Baisse. Die Erwartungen werden somit erfüllt. Es entsteht ein Selbsterfiillungseffekt. Vor diesem Hintergrund ist die Erwartungsbildung sehr wohl rational. Liegt ein Prozess spekulativer Bubbles vor, so ist der gegenwärtige Terminkurs als Prediktor des zukünftigen Kassakurses in der Regel unbrauchbar. Denn im Zuge der Aufblähung des Wechselkurses werden spekulative Aktivitäten entfaltet, die sich bei den Geschäften auf den aktuellen Devisenterminmärkten nicht oder zumindest nicht exakt genug voraussehen lassen. Mit dem Begriff „Bubble" ist allerdings impliziert, dass die Wechselkursentwicklung plötzlich in sich zusammenbrechen, die Blase also platzen kann. Ein Platzen ist zwar theoretisch nicht zwingend, erfahrungsgemäß treten aber permanente Über- oder Unterbewertungen von Währungen nicht auf. Die empirischen Fakten zeigen, dass zwar spekulative Blasen entstehen und ein Aufblähungsprozess durchaus länger anhalten kann, dass aber die fundamentalen Faktoren irgendwann wieder ins Zentrum der Wechselkurserwartungen rücken und die übertriebenen Auf- oder Abwertungsbewegungen umgekehrt werden. Häufig ergibt sich dabei ein jähes Ende des Prozesses und somit eine sehr schnelle Bewegung des Wechselkurses in Richtung auf den vermeintlichen Fundamentalkurs. Angesichts dieser Erfahrungen werden die Akteure an den Devisenmärkten ins Kalkül ziehen, dass sich der Bubble-Prozess nicht unvermindert -

-

fortsetzen wird und dass die Blase sogar plötzlich platzen kann. Allerdings ist ihnen der Zeitpunkt der Umkehr oder des Platzens nicht bekannt. Bei den Erwartungen über die weitere Wechselkursentwicklung spielen deshalb subjektive Wahrscheinlichkeiten in Hinsicht auf Andauern des BubbleProzesses sowie auf Kursumkehr oder Platzen der Blase eine wichtige Rolle.

331

Theorie des Wechselkurses

In einem einfachen theoretischen Ansatz wird die Wechselkursentwicklung im Rahmen eines Bubble-Prozesses aufgezeigt. Um die Berechnung zu vereinfachen, wird das Modell in Logarithmenschreibweise dargestellt. Darin sind die Wechselkurse nicht jedoch die Zinssätze logarithmierte Größen. Es gilt: In w co. Grundlegend ist eine Gleichung des sog. Vermögensansatzes (asset market approach) der Wechselkurstheorie: -

-

=

(8.31)

cot

=

cof + Y(it-0

Die Differenz zwischen dem aktuellen (hier logarithmierten) Wechselkurs co, in der Periode t und dem (ebenfalls logarithmierten) Fundamentalkurs cof hängt demnach von der Zinsdifferenz ab. Im Arbitragegleichgewicht stimmen bei vollkommenem internationalen Kapitalmarkt der in- und der ausländische Zinssatz überein. Der Fundamentalkurs ist demnach ein Gleich-

gewichtskurs. Die Zinsdifferenz entspricht gemäß dem Zinsparitätentheorem bekanntlich der relativen Differenz zwischen dem erwarteten und dem aktuellen Wechselkurs. In logarithmierter Form ergibt sich demnach:

(8.32)

i, i*

=

-

cot

-

co,

Hierin ist CO, der Erwartungswert des (logarithmierten) Wechselkurses in der Folgeperiode. Setzt man diesen Ausdruck in die Gleichung (8.31) ein, so erhält man: cot = cof + y((üt cot) Der Parameter y drückt die Elastizität des aktuellen Wechselkurses in Bezug auf eine Abweichung zwischen dem erwarteten und dem tatsächlichen

(8.33)

-

Wechselkurs

aus.

Die Spekulanten mögen mit einer Wahrscheinlichkeit von ß erwarten, dass die Blase in der nächsten Periode platzt und der aktuelle Wechselkurs dann unmittelbar (wieder) mit dem Fundamentalkurs übereinstimmt. Mit einer Wahrscheinlichkeit von (1 ß) gehen sie somit davon aus, dass die sich aufblähende Wechselkursentwicklung anhält und in der Folgeperiode der Wechselkurs wt+1 (bzw. cot+i in logarithmierter Form) auf dem BubblePfad realisiert wird. Der erwartete Wechselkurs lässt sich für diesen Fall in einer einfachen Form wie folgt erklären: -

(8.34) Setzt

co' ßcof + (l-ß)cot+1 =

man

ergibt sich:

diesen erwarteten Wechselkurs in die

Gleichung (8.33) ein,

so

332

(8.35) Diese

Internationale Wirtschaftsbeziehungen

tot

-^w^-X-[ßcof 1 y y

=

1 +

+

Gleichung

wird

+

(l-ß)cot+1]

nach dem Wechselkurs der

nun

Folgeperiode auf-

gelöst:

Es handelt sich hier um eine inhomogene Ordnung, die die folgende Lösung hat:

(8.37)

Differenzengleichung

erster

CL)f + k f_L±X

ü)t =

Yd-ß)

Der Parameter k wird durch die Anfangsbedingungen des BubbleProzesses bestimmt. Dieser Prozess wird durch eine irgendwie entstehende Differenz zwischen dem tatsächlichen Wechselkurs und dem Fundamentalkurs ausgelöst. Dementsprechend gilt für den Parameter:

(8.38)

k

=

coo-ü)f

Setzt man diese man schließlich:

(8.39)

cot

=

Anfangsbedingung in die Gleichung (8.37) ein,

cof + (coo cof) -

so

erhält

lY(l ~p))

Der zweite Summand beschreibt den Bubble-Prozess. Dieser wird zum einen durch die Gleichgewichtsstörung in der Ausgangssituation und zum anderen durch den Elastizitätsparameter y sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit (1 ß) bestimmt. Der zweite Klammerausdruck im zweiten Summanden ist größer als eins, so dass dieser (mit dem Zeitindex als Exponenten) im Zeitablauf exponentiell zunimmt. -

Reaktionsmöglichkeiten zu: Wird erwartet, dass die Wechselkursentwicklung entlang des BubblePfades unvermindert anhält, dass also die Blase nicht platzt, so ist ß 0.

Das Modell lässt drei •

=



Der Wechselkurs entfernt sich immer weiter vom Fundamentalkurs. Diese Entwicklung ist in der Abbildung 8.10 mit dem Pfad AB wiedergegeben worden. Wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 0 < ß < 1 erwartet, dass die Blase platzen könnte, so ergibt sich ein Bubble-Pfad, der steiler verläuft als im Fall von ß = 0. In der Abbildung 8.10 ist das der Pfad AC. Ist der betrachtete Wechselkurs in Euro je US-Dollar definiert, so wird der Dollar demnach umso stärker aufgewertet je höher die Wahrscheinlichkeit eines

333

Theorie des Wechselkurses

Platzens der Blase eingeschätzt wird. Dafür gibt es eine plausible Erklärung: Wird das Platzen der Blase erwartet, ist aber der Zeitpunkt noch ungewiss, so muss sich der Dollar stärker aufwerten, um das Risiko eines •

plötzlichen Kurseinbruchs zu kompensieren. Bei ß 1 wird gemäß Gleichung (8.34) erwartet, dass die Blase unverzüglich platzt. Der aktuelle Wechselkurs fällt dann unmittelbar auf den Fundamentalkurs zurück. In der Abbildung 8.10 ist das im Zeitpunkt tn =

der Fall.

Abbildung 8.10: Bubble-Theorie und Wechselkurs w+

0

to

I,

t

Mit dem Bubble-Ansatz ist es möglich, Wechselkursentwicklungen aufzuzeigen, die auf der Grundlage einer rationalen Erwartungsbildung länger anhaltende und im Zeitablauf sogar zunehmende Unter- oder Überbewertungen von Währungen implizieren. Beispiele dafür sind die Aufwertungsbewegungen des US-Dollars gegenüber den meisten Währungen der Welt in der ersten Hälfte der 80er Jahre sowie gegenüber dem Euro im Jahr 2000, die nicht allein mit den herkömmlichen Fundamentaldaten zu erklären waren. Die Überbewertung des Dollars in den 80er Jahren, die sich über mehr als ein Jahr vollzogen hatte, wurde in einem sehr kurzen Zeitraum von einer Abwertungsbewegung abgelöst, die so stark war, dass es wiederum zur Abweichung vom vermeintlichen Fundamentalkurs kam nun al-

lerdings mit einer Unterbewertung des Dollars. Obwohl vor diesem Hintergrund Wechselkursentwicklungen in Form von

Bubble-Prozessen in der Realität offenbar zu beobachten sind, liefert der oben skizzierte theoretische Bubble-Ansatz nur einen sehr beschränkten Beitrag zur Wechselkurserklärung. Folgende Kritikpunkte sind anzubringen:

334 •



Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Der fundamentale Wechselkurs ist unbestimmt, so dass sich aufgrund empirischer Daten nicht eindeutig sagen lässt, ob überhaupt und falls ja in welchem Ausmaß bereits eine spekulative Blase entstanden ist. Zwar könnte beispielsweise die Kaufkraftparitätentheorie in den BubbleAnsatz integriert und damit der Fundamentalkurs erklärt werden, aber damit wäre die weiter oben dargelegte Kritik an der Kaufkraftparitätentheorie nicht ausgeräumt. Die Wahrscheinlichkeiten ß und (1 ß) für das Platzen der Blase oder die Weiterführung des Bubble-Prozesses sind ebenfalls unbestimmt. Weder theoretisch noch empirisch gibt es Anhaltspunkte für diese Größen. Der Zeitpunkt für das Platzen einer Blase ist ungewiss. Insofern vermag der Ansatz nicht zu erklären, wie weit sich der tatsächliche Wechselkurs von einem vermeintlichen Fundamentalkurs entfernt. Das Platzen der Blase impliziert eine „harte Landung" auf den Fundamentalkurs. Allmähliche Wiederanpassungen an den Fundamentalkurs (bzw. „weiche Landungen"), so wie sie häufiger beobachtet wurden, vermag der Bubble-Ansatz nicht zu erklären. -





8.7.5 Nicht-rationale

Erwartungen: Charttechniken Wechselkurserwartungen haben, daran besteht kein Zweifel, einen maßgeblichen Einfluss auf die tatsächlichen Wechselkurse und deren Entwicklungen im Zeitablauf. In den neueren Ansätzen der Wechselkurstheorie besitzen deshalb Erwartungsbildungen einen hohen Stellenwert. In einigen Ansätzen spielen sie sogar eine dominierende Rolle. Typisch für die meisten theoretischen Ansätze sind rationale Wechselkurserwartungen. Wechselkurserwartungen werden modelltheoretisch dann als rational bezeichnet, wenn sie jederzeit alle verfügbaren wechselkursrelevanten Informationen einbeziehen und die Modellzusammenhänge korrekt wiedergeben, sie somit modellkonsistent sind. Es wird daher unterstellt, dass die Akteure an den Devisenmärkten die Funktionsweise dieses Marktes kennen und bei Störungen ihre Erwartungen korrekt anpassen. Systematische Erwartungsfehler sind folglich in rationalen Erwartungsmodellen ausgeschlossen.

Die Ergebnisse vieler empirischer Untersuchungen auf der Basis solcher Ansätze fielen enttäuschend aus. Zwar war es äußerst schwierig, die Erwartungsbildung in verfügbaren quantitativen Größen eindeutig zu erfassen, so dass exakte Aussagen ohnehin nicht zu erwarten waren, aber gleichwohl gab es genügend Hinweise darauf, dass sich eine durchgängige rationale Erwartungsbildung empirisch nicht bestätigen lässt. Im Rahmen von Befragungen einer großen Anzahl von einflussreichen Akteuren an den Devisenmärkten zeigte sich vielmehr, dass Wechselkurserwartungen auf

335

Theorie des Wechselkurses

kürzere Sicht häufig mit Hilfe von Charttechniken gebildet werden. Viele Varianten solcher Techniken implizieren eine Extrapolation der vergangenen Wechselkursentwicklung, wobei der unmittelbar zurückliegenden Entwicklung in der Regel das größte Gewicht beigemessen wird. Die Erwartungsbildung der Chartisten lässt sich wie folgt beschreiben: n

n

(8.40)

wt

=

^YjWt-j

mit:

Jjj

=

1

Die erwartete Veränderungsrate des Wechselkurses wird demnach von den tatsächlichen Veränderungsraten des Wechselkurses in zurückliegenden Perioden bestimmt, wobei yj das Gewicht angibt, mit dem die Veränderungsrate einer bestimmten Periode in die Erwartungsbildung einfließt. Weil in diesem Ansatz verfügbare Informationen über zukünftige Markteinflüsse keine Berücksichtigung finden, spricht man von einer nichtrationalen Erwartungsbildung. Wenn Informationen über die Entwicklung von Fundamentalfaktoren, die unbestritten eine wichtige Rolle für den internationalen Güter- und Kapitalverkehr spielen, bei der Bildung von Wechselkurserwartungen unberücksichtigt bleiben, ist es nicht verwunderlich, dass auch in längeren Zeiträumen sogar erhebliche Abweichungen des tatsächlichen Wechselkurses von einem vermeintlichen Fundamentalkurs auftreten können. Der ChartistenAnsatz bietet darüber hinaus eine Erklärung dafür, dass es auf den Devisenmärkten immer wieder zu zyklischen Wechselkursbewegungen kommt. Denn in den Charttechniken spielen nicht zuletzt Höchstkurse und Niedrigstkurse, die in der Vergangenheit beobachtet worden sind, eine gewisse Rolle, so dass es bestimmte Wendepunkte gibt, nach deren Erreichen jeweils eine Entwicklungsumkehr erfolgt.

Welche

Bedeutung

Charttechniken für die Wechselkursentwicklung haan dem extrem hohen Anteil der reinen Finanz-

ben, lässt sich vielleicht

transaktionen an den täglichen Devisenmarktgeschäften ermessen. Weit mehr als 90% der Devisentransaktionen resultieren aus sehr kurzfristigen Finanzgeschäften, wobei der weitaus größte Teil dieser Geschäfte zwischen Banken und einflussreichen Devisenhändlern erfolgt. Internationale Gütertransaktionen sowie längerfristige Kapitaltransaktionen, z. B. bei Direktinvestitionen, spielen somit in den täglichen Devisengeschäften nur eine untergeordnete Rolle. Es sind aber gerade diese Transaktionen, für die die aus der Theorie bekannten Fundamentalfaktoren wichtig sind. Weil sich Banken und Devisenhändler jedoch erfahrungsgemäß der Charttechniken bedienen, wird das Geschehen an den Devisenmärkten folglich weitgehend von solchen Techniken beeinflusst. Für die ökonomische Theorie der Wechselkurserklärung ist das eine ernüchternde Erkenntnis.

336

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

8.8 Der Gleichgewichtswechselkurs welcher Wechselkurs als ein „Gleichgewichtswechselkurs" kann oder welcher Wechselkurs „richtig" ist, war schon seit jeher gelten von grundlegender Bedeutung zum einen für die Akteure an den Devisenmärkten und zum anderen im Rahmen der praktischen Wirtschaftspolitik. Dabei liegt allerdings jeweils eine andere Perspektive zugrunde: • Die Akteure an den Devisenmärkten sind vor allem daran interessiert zu wissen, welcher Wechselkurs als Orientierungsgröße für die mittel- und längerfristige Wechselkursentwicklung gelten kann und an welchem Wechselkurs folglich ihre Erwartungen und Planungen ausgerichtet werden sollten. Die



Frage,

In der praktischen Wirtschaftspolitik steht die Frage im Vordergrund, mit welchem Wechselkurs ein möglichst großer Beitrag zur Erreichung grundlegender wirtschaftspolitischer Ziele geleistet wird.

Die Perspektive der Akteure an den Devisenmärkten spielt auch in der Wechselkurstheorie eine wichtige Rolle. Um die Wechselkursbildung erklären zu können, muss bekannt sein, woran sich Wechselkurserwartungen orientieren und ob den Anpassungsprozessen an den Devisenmärkten Kräfte immanent sind, die trotz kurzfristiger zyklischer Abweichungen dazu führen, dass sich im mittel- und längerfristigen Trend ein gewisser Gleichgewichtskurs oder Fundamentalkurs einstellt. Darin impliziert ist die Frage, ob und welche Fundamentaldaten maßgeblich für den mittel- und längerfristigen Wechselkurs sind. Lange Zeit galt die Kaufkraftparität als eine wesentliche Fundamentalgröße. Ein theoretisches Beispiel für ihren Einfluss liefert das Modell von Dombusch. Die vorangegangenen Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass es neben den internationalen Preisverhältnissen, die für die Kaufkraftvergleiche relevant sind, eine Reihe weiterer ökonomischer Faktoren gibt, die zwar von fundamentaler Bedeutung für die Wechselkursbildung sind, deren Gewicht sich aber weder theoretisch noch empirisch einigermaßen exakt bestimmen lässt. Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass Wechselkurserwartungen häufig nicht rational im Sinne einer vollkommenen Ausrichtung an vermeintlichen Fundamentalfaktoren sind. Vor diesem Hintergrund

ist es zumindest zur Zeit noch kaum möglich, genaue Aussagen zum fundamentalen Wechselkurs oder zum Gleichgewichtswechselkurs zu machen, der auf einem Devisenmarkt quasi als Gravitationsgröße wirkt. Eine sichere theoretische und empirische Basis für die Planungen und Erwartungen bei Devisenmarktgeschäften gibt es somit nicht. Die wirtschaftspolitische Perspektive spielt für eine Volkswirtschaft zweifellos eine wichtige Rolle. Sie ist nicht zuletzt dann von Bedeutung, -

-

337

Theorie des Wechselkurses

wirtschaftspolitische Maßnahmen darauf gerichtet werden, die Wechselkursbildung zu beeinflussen, um einen politisch gewünschten Wechselkurs zu erreichen oder diesem zumindest näher zu kommen. Ein Beispiel für einen solchen Wechselkurs ist der ,fimdamentale Gleichgewichtswechselkurs11 .18 Häufig wird dieser als ein Wechselkurs definiert, der in einem mittel- und längerfristigen Zeitrahmen konsistent ist mit einem internen und externen makroökonomischen Gleichgewicht in einer Volkswirtschaft. Konkret bedeutet dies, dass der Wechselkurs optimal ist, der die Erreichung binnenwirtschaftlicher Ziele (z. B. Preisstabilität, hohes Beschäftigungsniveau, Wohlfahrt) und außenwirtschaftlicher Ziele (z. B. eine positive oder zumindest ausgeglichene Leistungsbilanz) so weit wie möglich unterstützt. Diese Rolle des Wechselkurses wird anhand der Abbildung 8.11 verdeutlicht. Auf der Ordinate wird der reale Wechselkurs q wP fP abgetragen. Die Abszisse zeigt den Grad der binnen- und der außenwirtschaftlichen Zielerfüllung. Abbildung 8.11: Der Gleichgewichtswechselkurs wenn

=

ZE0 Zielerfüllungsgrad (ZE)

0

eines Landes (hier des Inlands) q aus. Es ist zu erwarten, dass sich die Leistungsbilanz verbessert, wenn eine reale Abwertung stattfindet und q somit steigt. Dieser Zusammenhang wird in der Kurve AZ der außenwirtschaftlichen Zielsetzung erfasst. Eine reale Abwertung impliziert aber auch, dass die Importgüter relativ teurer werden und sich die Terms of Trade des Eine reale Abwertung der drückt sich in einem Anstieg

Währung

von

der „Fundamental Equilibrium Exchange Rate", mit FEER abgekürzt, J. Williamson. Siehe hierzu: J. Williamson, The Exchange Rate System, Institute of International Economics, Policy Analyses in International Economics, No. 5, Washington (D.C.) 1985; J. Williamson (Hrsg.), Estimating Equilibrium Exchange Rates, Institute of International Economics, Washington (D.C.) 1995. Das

Konzept

stammt

von

338

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Landes verschlechtern. Von hierher kann sowohl das interne Ziel der Preisstabilität gefährdet sein als auch die Wohlfahrt des Landes beeinträchtigt werden. Dieser Aspekt kommt in der Kurve BZ der binnenwirtschaftlichen

Zielsetzung zum Ausdruck. Der Schnittpunkt der AZ- und der BZ-Kurve zeigt den realen Wechselkurs an (hier qz), der gleichzeitig das außen- und das binnenwirtschaftliche Ziel zu einem gewissen Grad erfüllt. Dieser Wechselkurs kann als Gleichgewichtswechselkurs bezeichnet werden. Es wird deutlich, dass mit dem einen Instrument „Wechselkurs" nicht simultan jeweils ein fest umrissenes außenwirtschaftliches Ziel (z. B. ein Leistungsbilanzausgleich) und ein binnenwirtschaftliches Ziel (z. B. eine Preissteigerungsrate von maximal x Prozent) erreicht werden kann. Der Wechselkurs kann nur einen gewissen Beitrag zur Zielerreichung leisten. Weitere wirtschaftspolitische Maßnahmen (z. B. im Rahmen der Geld- und Fiskalpolitik) sind unverzichtbar. Das wirtschaftspolitisch ausgerichtete Konzept des Gleichgewichtswechselkurses wirft allerdings einige Probleme auf: • Die in dem theoretischem Ansatz enthaltenen Zusammenhänge zwischen

dem Wechselkurs sowie den außen- und binnenwirtschaftlichen Zielen, die der Abbildung 8.11 zugrunde liegen, lassen sich empirisch kaum exakt feststellen. Von daher besteht die Gefahr, dass „Gleichgewichtswechselkurse" mehr oder weniger willkürlich festgelegt werden und im Gefolge darauf bezogener Interventionen an Devisenmärkten Störungen verursacht werden, die den Zielen zuwider laufen. • Wechselkurse betreffen immer mehrere Länder, so dass die wirtschaftspolitische Festlegung eines „Gleichgewichtswechselkurses" im Rahmen einer internationalen Koordinierung erfolgen müsste. Die außen- und binnenwirtschaftlichen Ziele der betroffenen Länder sind aber oftmals nicht miteinander kompatibel. Es dürfte deshalb schwierig sein, überhaupt zu einer gemeinsamen Wechselkursstrategie zu gelangen, die den Zielsetzungen aller Länder entgegen kommt. • Erfahrungsgemäß ist es selbst den Währungsbehörden bzw. Zentralbanken größerer Länder nicht möglich, die Wechselkurse ihrer Währungen durch Interventionen an den Devisenmärkten über einen längeren Zeitraum einigermaßen exakt zu steuern. Der Umfang spekulativer privater Devisengeschäfte ist so groß, dass wechselkurspolitische Ziele von hierher schnell konterkariert werden können. Man gelangt somit zu dem Schluss, dass das Konzept des „fundamentalen Gleichgewichtswechselkurses" zwar theoretisch interessant ist, aber in der

praktischen Umsetzung gravierende Schwierigkeiten aufweist, Anwendung wenig sinnvoll erscheinen lassen.

die eine

Theorie des Wechselkurses

339

| Zusammenfassung_| Der Wechselkurs zwischen zwei Währungen wird zum einen von ökonomischen Fundamentalfaktoren und zum anderen von Erwartungen über zukünftige

Wechselkursänderungen bestimmt.

Zu den wichtigsten Fundamentalfaktoren zählen in der kurzen Frist internationale Zinsdifferenzen, in einem mittelfristigen Zeitrahmen Einkommens-, Beschäftigungs- und Preisentwicklungen sowie langfristig die internationale Kauf-

kraftparität.

Unvollkommenheiten auf den Kapitalmärkten implizieren, dass kurzfristig neben der internationalen Zinsdifferenz Risikoprämien und individuelle Präferenzen für wechselkursrelevante Anlageentscheidungen von Bedeutung sein können. Die rationalen Erwartungen über zukünftige Wechselkursänderungen orientieren sich zwar im Wesentlichen an den aus Theorie und Empirie bekannten Zusammenhängen zwischen Fundamentalfaktoren und Wechselkursen, berücksichtigen aber gleichwohl Entwicklungen, die mit Divergenzen zwischen aktuellen und fundamentalen Wechselkursen verbunden sind. Die am langfristigen Fundamentalfaktor „Kaufkraftparität" ausgerichtete Wechselkurserwartung bietet im Dornbusch-Ansatz der monetären Wechselkurstheorie eine Erklärung für das zeitweilige „Überschießen" von Wechselkursen über ihre Fundamentalwerte. Kommt es aufgrund eines beliebigen Störeinflusses zu einer Abweichung des aktuellen Wechselkurses vom Fundamentalkurs und erwarten die Devisenmarktakteure, dass die Abweichung eine gewisse Zeit anhalten wird, so kann daraus eine Wechselkursentwicklung entstehen, bei der sich der Wechselkurs eventuell sogar exponentiell immer weiter von seinem Fundamentalkurs entfernt. Man spricht in diesem Fall von einem Bubble-Prozess. Treibende Kraft des Prozesses sind die sich jeweils selbst erfüllenden Wechselkurserwartungen. Die rationalen Erwartungen beziehen aber auch die Möglichkeit eines Platzens der Blase ins Kalkül, so dass dann, wenn solche Erwartungen dominierend werden, der Bubble-Prozess sehr schnell abgebrochen und möglicherweise in seiner Richtung umgekehrt wird. Die große Anzahl wechselkursrelevanter Fundamentalfaktoren sowie die vielfältigen Einflüsse, unter denen Erwartungen über zukünftige Wechselkursveränderungen gebildet werden, machen es sehr schwer, wenn nicht sogar unmöglich, mit empirischen Untersuchungen eindeutige Zusammenhänge zwischen bestimmten Determinanten und Wechselkursen nachzuweisen. Angesichts der zuvor genannten empirischen (und auch theoretischen) Erfassungsproblematik ist kaum feststellbar, ob Devisenmärkte überhaupt effizient in dem Sinne sind, dass die Wechselkursbildung jeweils auf der Grundlage aller relevanten Informationen (z. B. über Entwicklungen von Fundamentalgrößen) -

-

erfolgt.

Der weitaus

größte Teil der täglichen Devisentransaktionen beruht auf

sehr

kurzfristigen Spekulationsgeschäften einflussreicher Akteure und nicht auf mittel- und längerfristigen Güter- und Kapitaltransaktionen. Es ist zu beobachten,

dass bei solchen Geschäften Charttechniken ein maßgebliches Instrument der Erwartungsbildung sind und dass somit Wechselkursentwicklungen offenbar nur zu einem geringen Teil von Fundamentalfaktoren und rationalen Erwartungen determiniert werden.

Internationale

340

Wirtschaftsbeziehungen

„Gleichgewichtswechselkurs" hat sowohl Bedeutung für Planungen und Erwartungen im Rahmen von Devisenmarktgeschäften als auch für die Errei-

Ein

und außenwirtschaftlicher Ziele im Rahmen der Wirtschaftspolitik. Die ökonomische Theorie bietet, z. B. mit der Kaufkraftparitätentheorie, einige Ansätze an, einen fundamentalen Wechselkurs oder einen Gleichgewichtswechselkurs zu bestimmen, aber faktisch sind für die mittel- und längerfristige Wechselkursbildung so viele verschiedene Einflüsse maßgeblich, dass solche Wechselkurse in der empirischen Praxis kam zu erfassen sind. Überdies treten bei Definition und Festlegung eines „Gleichgewichtswechselkurses" im Hinblick auf wirtschaftspolitische Ziele gravierende Probleme auf. Diese legen eher den Schluss nahe, auf eine wirtschaftspolitisch begründete Fixierung eines „Gleichgewichtswechselkurses" zu verzichten.

chung binnen-

Althammer, W., Spekulative Attacken bei festen Wechselkursen, in: WiSt, Heft 7, 1999, S. 330 334. Copeland, L. S., Exchange Rates and international Finance, 2. Aufl., Wo-

kingham 1994. Dornbusch, R., Purchasing Power Parity, in: The New Palgrave, Vol. 3,

London New York 1987, S. 1075 1085. Dornbusch, R., Expectations and Exchange Rate Dynamics, in: Journal of Political Economy, Vol. 84, S. 1161 1176. Frankel, J. A. I Froot, K., Chartists, Fundamentalists, and Trading in Foreign Exchange Markets, in: American Economic Review, Papers and Proceedings, 1990, S. 181 185. -

-

-

-

Frenkel, M., Neuere Entwicklungen in der Wechselkurstheorie, in: WiSt, Heft 1, 1995, S. 8 15. Gärtner, M., MakroÖkonomik flexibler und fester Wechselkurse, 2. Aufl., -

Berlin

Heidelberg 1997. hard, P., Exchange Rate Economics, Cambridge 1995. Jarchow, H.-J., Rationale Wechselkurserwartungen, Devisenmarkteffizienz und spekulative Blasen, in: WiSt, Heft 10, 1997, S. 509 516. -

-

Jarchow, H.-J. I Rühmann, P., Monetäre Außenwirtschaft L Monetäre Außenwirtschaftstheorie, 5. Aufl., Göttingen 2000, Kapitel X bis XIII. Konrad, A., Alternative Formen der Währungsbindung, in: WISU, Heft 1, 2000, S. 106-111. Krugman, P.R. I Obstfeld, M., International Economics: Theory and Policy, 5. Aufl., Reading (Mass.) 2000, Kapitel 13 bis 15.

341

Theorie des Wechselkurses

MacDonald, R. I Taylor, M.P., Exchange Rate Economics. A Survey, in: IMF Staff Papers, Vol. 39, 1992, S. 1 57. MacDonald, R. I Stein, J., Equilibrium Exchange Rates, London 1999. Neely, C.J., Technical Analysis in the Foreign Exchange Market: A Layman's Guide, in: Review, Federal Reserve Bank of St. Louis, 1997, S. -

38.

23 -

Neidner, M., Geld- und Währungsordnungen Gestaltungsmöglichkeiten und konkrete Entscheidungsformen, in: WiSt, Heft 6, 1998, S. 287 -

294.

-

Paulsen, P.-U., Sichtweisen der Wechselkursbestimmung, Heidelberg 1991.

Pugel, T.A. I Lindert, P.H., International Economics, 11. Aufl., Boston 2000, Kapitel 18 bis 20. Rogoff, K., The Purchasing Power Parity Puzzle, in: Journal of Economic Literature, Vol. 34, 1996, S. 647 668. -

Rose, K. I Sauernheimer, K., Theorie der Außenwirtschaft, 13. Aufl., München 1999, Teil II, Kapitel 3. Siebert, H., Außenwirtschaft, 7. Aufl., Stuttgart 2000, Kapitel 14 bis 16. Taylor, M.P., The Economics of Exchange Rates, in: Journal of Economic Literature, Vol. 33, 1995, S. 13 47. Williamson, J. (Hrsg.), Estimating Equilibrium Exchange Rates, Washing-

(D.C.) 1994. Willms, M., Internationale Währungspolitik, 2. Aufl., München 1995, Katon

pitel 7.

Zimmerer, T., Das Zinsparitätentheorem, in: WiSt, Heft 2, 1997, S. 80 84. Zimmerer, T., Das Kaufkraftparitätentheorem Reine Theorie oder empirische Evidenz?, in: WISU, Heft 2, 1997, S. 120- 124. -

-

Kapitel 9 Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen | Untersuchungsziele_ Analyse der Zusammenhänge zwischen den internationalen Finanz- und Leistungstransaktionen eines Landes. Darlegung der Determinanten des kurz- und mittelfristigen Kapitalverkehrs im Rahmen von internationalen Anlagen auf den Geld-, Wertpapier- und Kreditmärkten.

Darstellung der Kapitalbewegungen und der Geldschöpfung auf den Eurowährungsmärkten. Untersuchungen zu den Bestimmungsgründen und den außenwirtschaftlichen Wirkungen internationaler Direktinvestitionen aus der Perspektive der Geberund der Empfängerländer. Aufzeigen der Entstehungsgründe der Auslandsposition eines Landes. Analyse der Ursachen und der grundlegenden ökonomischen Probleme der Auslandsverschuldung eines Landes sowie Darlegung von Lösungen des Verschuldungsproblems. Beschreibung der Ursachen und Wirkungen einer internationalen Finanzkrise sowie Analyse von Ansätzen zur Vermeidung und Bewältigung von Finanzkrisen.

9.1 Internationaler Kapitalverkehr und Leistungstransaktionen 9.1.1 Formen des internationalen

Kapitalverkehrs

Alle Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern, die Veränderungen von Forderungen und Verbindlichkeiten implizieren, werden als internationaler Kapitalverkehr bezeichnet. Im Hinblick auf die Determinanten und die Wirkungen, die weiter unten untersucht werden, ist es sinnvoll, zwischen verschiedenen Formen des internationalen Kapitalverkehrs zu unterscheiden. Eine mögliche Differenzierung ist in der Tabelle 9.1 dargestellt worden. Das erste Unterscheidungskriterium bezieht sich auf die Akteure an den internationalen Kapitalmärkten. Die Anlageentscheidungen der privaten Wirtschaftssubjekte (Haushalte, Produktions- und Finanzunternehmungen) werden insbesondere von den internationalen Renditen, bei Handelskrediten jedoch auch von güterwirtschaftlichen Zielen geleitet. Bei den öffentlichen Haushalten ist zwischen nationalen und multilateralen Institutionen zu unterscheiden. Zu den multilateralen Institutionen zählen beispielsweise der Internationale Währungsfonds (International Monetary

344

Fund

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

MF) und die Weltbank19. Hier stehen die Finanzierung

Budgetdefiziten und/oder von Entwicklungsprojekten im Vordergrund. Getrennt von den öffentlichen Haushalten werden die Zentralbanken betrachtet. Ihr internationaler Kapitalverkehr betrifft unmittelbar die offiziellen =

von

Währungsreserven.

Tabelle 9.1: Formen des internationalen Kapitalverkehrs Akteure / Fristigkeit

Formen

Direktinvestitionen

Langfristiger privater Kapitalverkehr

Wertpapiere Portfolioinvestitionen =

(z. B. Dividendenpapiere, Investmentzertifikate

_festverzinsliche Wertpapiere)_ Kredite

Kurzfristiger privater Kapitalverkehr

(Handels- und Finanzkredite) Kredite (Handels- und Finanzkredite)

Geldmarktanlagen

(z. B. Geldmarktpapiere, Depositen)

Kapitalverkehr

öffentlicher Haushalte

Kapitalverkehr der

Zentralbanken

Kredite

Währungsreserven

Beim

privaten Kapitalverkehr wird im Allgemeinen zwischen dem kurzfristigen Kapitalverkehr mit Laufzeiten bis zu einem Jahr und dem langfristigen Kapitalverkehr unterschieden. Der langfristige Kapitalverkehr umfasst die Direktinvestitionen, die Investitionen in Wertpapieren, die auch als Portfolioinvestitionen bezeichnet werden, sowie die Kredite. Bei Direktinvestitionen handelt es sich um Beteiligungen, mit denen ein maßgeblicher Einfluss auf eine ausländische Unternehmung verbunden ist oder begründet wird. Kommt es zwar, z. B. bei Aktienkäufen, zu einer Unternehmensbeteiligung, nicht aber zu einem maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftspolitik einer ausländischen Unternehmung, so werden die entsprechenden Transaktionen den Portfolioinvestitionen zugeordnet. Der kurzfristige private Kapitalverkehr setzt sich aus den Krediten und den Geldmarktanlagen zusammen. Wie bei den langfristigen Krediten, so umfassen auch die kurzfristigen Kredite die Handelskredite von Unternehmungen und Banken, die im Rahmen des Güterverkehrs gewährt werden,

sowie die Finanzkredite, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit einer Gütertransaktion stehen. Zum kurzfristigen privaten Kapitalverkehr zählen 19

Zu Informationen über die Weltbank siehe

www.worldbank.org.

345

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

schließlich auch die Geldmarktanlagen, die insbesondere Einlagen bei ausländischen Banken (Depositen) sowie Wertpapiere mit kurzen Laufzeiten (Geldmarktpapiere) einschließen. Im Jahr 1999 wurden rund 85% des weltweiten Kapital Verkehrs zwischen den Industrieländern abgewickelt. An weiteren 5% des Kapitalverkehrs waren multilaterale Institutionen, insbesondere IWF und Weltbank beteiligt. Einen Einblick in die Struktur des internationalen Kapitalverkehrs der Industrieländer vermittelt die Tabelle 9.2. Tabelle 9.2:

Kapitalverkehr der Industrieländer 1999 (Mrd. US-Dollar) Veränderung

Formen

Veränderung

der Verbindlichkeiten

der Forderungen

Saldo

458,3

585,5

-127,2

(Wertpapiere)

829,9

896,6

-66,7

Übrige Investitionen (Kredite)

496,6

292,2

204,4

Summe = Privater und öffentlicher Kapitalverkehr

1784,8

1774,3

10,5

Direktinvestitionen

Portfolioinvestitionen

Kapitalverkehr der Zentralbank (Differenz zwischen Verbindlichkeiten und Forderungen)

19,3

Nettokapitalimport: + ; Nettokapitalexport: Quelle: IMF, Balance of Payments Statistics, Yearbook 2000. -

9.1.2 Finanz- und

Leistungstransaktionen in der Zahlungsbilanz Aus den Untersuchungen zur Zahlungsbilanz im ersten Kapitel ist bereits bekannt, dass zwischen den außenwirtschaftlichen Leistungstransaktionen und den internationalen Finanztransaktionen bzw. dem Kapitalverkehr eines Landes ein enger Zusammenhang besteht. Das wird in der Tabelle 9.3 noch einmal verdeutlicht.

Aus den gesamten internationalen resultiert der Leistungsbilanzsaldo:

(9.1)

LB

=

AB

+

Leistungstransaktionen

eines Landes

ÜB

der Saldo der Bilanz der laufenden Überhier kurz Übertragungsbilanz genannt. tragungen, Die internationalen Finanztransaktionen der privaten Wirtschaftssubjekte, der öffentlichen Haushalte sowie der Zentralbank des Landes werden in der erweiterten Kapitalbilanz erfasst: AB ist der

Außenbeitrag und ÜB

346

Internationale

(9.2)

EKB

=

WB

+

TB

+

Wirtschaftsbeziehungen

DB

Die Finanztransaktionen der privaten Wirtschaftssubjekte und der öffentlichen Haushalte umfassen die Wertpapier- und Kredittransaktionen sowie die Direktinvestitionen. Der Saldo der Devisenbilanz resultiert aus den internationalen Finanztransaktionen der Zentralbank. Ein positiver Saldo impliziert eine Verringerung der Devisenreserven. Tabelle 9.3: Salden der Zahlungsbilanz*

Zusammengefasste Bilanzen

Transaktionen / Teilbilanzen

Saldo des Waren-, Dienstleistungs- und Faktorverkehrs Außenbeitrag (AB) =

Saldo der Übertragungen (ÜB) Saldo der Wertpapier- und Kredittransaktionen (Wertpapier- und Kreditbilanz WB) Saldo der Direktinvestitionen

(Direktinvestitionsbilanz IB) Saldo der Finanztransaktionen der Zentralbank (Devisenbilanz DB)

Saldo der Leistungstransaktionen (Saldo der Leistungsbilanz LB) Saldo der Finanztransaktionen (Saldo der erweiterten Kapitalbilanz bzw. Saldo der Kapitalver-

kehrsbilanz EKB)** LB

EKB = 0 weniger bedeutenden Vermögensübertragungen werden nicht berück-

Saldo der Zahlungsbilanz

quantitativ

*

Die

**

sichtigt. Nettokapitalimport: EKB > 0; Nettokapitalexport:

Die

EKB


0 liegt ein externer Finanzierungsüberschuss und entsprechend bei S < I bzw. LB < 0 ein externes Finanzierungsdefizit vor. Ein Defizit kann daraus resultieren, dass die heimische Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern die heimische Güterproduktion übersteigt und das Angebotsdefizit durch Nettoimporte gedeckt werden muss. Hält dieser Zustand länger an, so lebt das Land analog zum Konsumverhalten eines einzelnen Haushalts „über seine Verhältnisse".

Bei S

>

-

-

Dem Leistungsbilanzsaldo steht mit umgekehrtem Vorzeichen der Saldo der erweiterten Kapitalbilanz EKB des Landes gegenüber. Gemäß Gleichung (9.21) gilt demnach auch: FS

(9.22)

EKB

= -

In der Kapitalbilanz werden die Finanztransaktionen erfasst, die entweder die Verwendung eines externen Finanzierungsüberschusses oder die Finanzierung eines externen Finanzierungsdefizits implizieren. Es gilt:

(9.23) FS AFA AVA AFA bezeichnen die Veränderung der Forderungen des Inlands gegen das =

-

Ausland und AVA die Veränderung der Verbindlichkeiten des Inlands gegenüber dem Ausland in einer bestimmten Periode, üblicherweise in einem bestimmten Jahr. Die Differenz zwischen der Veränderung der Auslandsforderungen und der Auslandsverbindlichkeiten zeigt zugleich die Veränderung der Nettoauslandsposition des Landes an:

(9.24) Die

AAP

=

FS

aufgezeigten Zusammenhänge machen deutlich, dass

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen •



377

Ersparnissen und Investitionen grenzüberschreitende Leistungstransaktionen impliziert der Saldo der Leistungstransaktionen entgegengerichtete Nettofinanz-

eine Differenz zwischen den heimischen

transaktionen bedingt die internationalen Finanztransaktionen somit zugleich Ausdruck der Spar- und Investitionsentscheidungen eines Landes sind • internationale Nettofinanztransaktionen zugleich die Nettoauslandsposition des Landes verändern. Ein Blick in die internationalen Statistiken zeigt, dass es Länder gibt, die über längere Zeiträume Jahr für Jahr Leistungsbilanzdefizite und damit externe Finanzierungsdefizite aufweisen, denen zwingend andere Länder mit Leistungsbilanzüberschüssen bzw. Finanzierungsüberschüssen gegenüberstehen. Eklatante Beispiele für akkumulierte Finanzierungsdefizite im Zeitraum von 1991 bis 2000 sind die USA mit rund 1500 Mrd. US-Dollar und die lateinamerikanischen Entwicklungsländer mit etwa 450 Mrd. US-Dollar. Dem standen im gleichen Zeitraum akkumulierte Finanzierungsüberschüsse Japans von etwa 1050 Mrd. US-Dollar, der Europäischen Union von etwas mehr als 300 Mrd. US-Dollar und der neuen asiatischen Industrieländern von rund 260 Mrd. US-Dollar gegenüber. Hier wird deutlich, dass bei den weltweiten Leistungstransaktionen und damit in Bezug auf die Leistungsbilanzsalden erhebliche Ungleichgewichte vorliegen, die entsprechend hohe internationale Nettofinanztransaktionen erforderlich machen und zugleich mit gravierenden Änderungen der Nettoauslandspositionen von Ländern oder von Ländergruppen verbunden sind. Aus der Akkumulation der jährlichen Finanzierungssalden resultiert die Nettoauslandsposition eines Landes zum Ende einer bestimmten Periode üblicherweise zum Jahresende. Allerdings werden in dieser Bestandsgröße neben den transaktionsbedingten Änderungen auch Wertänderungen berücksichtigt, die sich insbesondere aus Kursänderungen von Wertpapieren sowie aus Wechselkursänderungen ergeben. Die Tabelle 9.8 zeigt die Nettoauslandspositionen (international investment positions) der USA und Japans. Bemerkenswert sind die hohen Nettoverbindlichkeiten der USA aus Wertpapieren und Krediten, die im Wesentlichen die negative Auslandsposition ausmachen. Diese ist, wie oben erläutert, überwiegend aus den jährlichen Leistungsbilanzdefiziten der USA entstanden. Japan hat demgegenüber aus den länger anhaltenden Leistungsbilanzüberschüssen eine positive Nettoauslandsposition geschaffen, die sich in beachtlichen Nettoauslandsforderungen äußert. •

-

378

Internationale

Tabelle 9.8:

Wirtschaftsbeziehungen

Nettoauslandspositionen (Ende 1999 in Mrd. US-Dollar)

Forderungen •

Direktinvestitionen



Wertpapiere und Kredite Währungsreserven



Verbindlichkeiten •

Direktinvestitionen

Wertpapiere und Kredite Nettoauslandsposition •

Quelle:

USA

Japan

(5.948,0) 2.140,5 3.661,5 146,0

(3.013,7) 248,8 2.477,2 287,7

(7.485,5)

(2.184,5)

2.194,1 5.291,4

46,1 2.138,4

-1.537,5

929,2

IMF, International Financial Statistics, Yearbook 2000.

Entstehung und Dynamik von Auslandsverschuldung Während in der Nettolauslandsposition alle Forderungen und

9.4.2

Verbindlichkeiten eines Landes erfasst werden, ist es in den internationalen Statistiken üblich, in die Größe „Auslandsverschuldung" nur die Nettoauslandsverbindlichkeiten eines Landes einzubeziehen, die mit Zinszahlungen und Tilgungen verbunden sind und deshalb laufend Leistungs- und Finanztransaktionen nach sich ziehen. Deshalb ist die Auslandsverschuldung nicht identisch mit der negativen Nettoauslandsposition eines Landes. Die Veränderung der Auslandsverschuldung Auslandsneuverschuldung genannt ergibt sich vor diesem Hintergrund im Wesentlichen aus folgenden Zu-

-

sammenhängen: (9.25) AAV

=

AWKV

AWKF = -

= -

-

(LB AWR + ADIV ADIF) -

-

(LB + DB + IE)

Die Auslandsneuverschuldung entspricht der Veränderung der NettoverAWKF. Diese bindlichkeiten aus Wertpapieren und Krediten AWKV Differenz ist der Saldo der Wertpapier- und Kreditbilanz des Landes. -

Mit Blick auf das Zahlungsbilanzgleichgewicht stimmt dieser Saldo überein mit der negativen Summe aus dem Leistungsbilanzsaldo LB, dem Saldo der Devisenbilanz DB -AWR sowie dem Saldo der Bilanz der Direktinvestitionen IB ADIV ADIF. Hier bezeichnen AWR die Veränderung der Währungsreserven sowie ADIV und ADIF die Veränderung der Verbindlichkeiten und der Forderungen aus Direktinvestitionen. Zur Bestimmung der Auslandsneuverschuldung wird somit der Leistungsbilanzsaldo um die Salden der Devisenbilanz und der Direktinvestitionsbilanz korrigiert. Das ist wie folgt zu begründen: =

=

-

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen •

379

Wird beispielsweise ein Leistungsbilanzdefizit durch Hergabe von Währungsreserven finanziert, so ergeben sich keine Zinszahlungen und Tilgungsverpflichtungen. Das gilt in aller Regel auch dann, wenn das Land keine Währungsreserven besitzt und Leistungsbilanzdefizite durch Erhöhung der Nettoauslandsverbindlichkeiten der Zentralbank finanziert werden. Die Zentralbank verschafft sich in diesem Fall die für die Leistungstransaktionen erforderlichen Devisen in aller Regel durch Rückgriff auf internationale Reserven, die überwiegend z. B. in Form von Sonderziehungsrechten vom Internationalen Währungsfonds zur Verfügung gestellt werden und nicht mit (wesentlichen) Zins- und Tilgungsverpflichtungen verbunden sind. Das Leistungsbilanzdefizit hat vor diesem Hintergrund keine Auslandsneuverschuldung zur Folge. Direktinvestitionen von Ausländern im Inland sind im Allgemeinen langfristig ausgerichtet und nicht unmittelbar mit Zinszahlungs- und Tilgungsverpflichtungen des Landes verbunden. Das gilt umgekehrt auch für Direktinvestitionen des Inlands im Ausland. Stehen beispielsweise einem Leistungsbilanzdefizit Nettozuflüsse aus Direktinvestitionen gegenüber, so ergeben sich folglich keine Zins- und Tilgungsverpflichtungen des Landes, so dass die Auslandsverschuldung nicht verändert wird. Problematisch ist die Größe AWKF, die die Veränderung der Forderungen des Landes aus Wertpapieren und Krediten bezeichnet. Vor allem in Ländern, die unter einer Verschuldungskrise leiden, ist häufig eine massive Kapitalflucht beobachtet worden. Diese impliziert einen Kapitalexport und somit eine Veränderung der Forderungen aus Wertpapieren und Krediten gegenüber dem Ausland. Die daraus resultierenden Zinszahlungen und Tilgungen fließen aber meistens nicht in das betrachtete Land zurück, so dass sie nicht als Kompensation für Zins- und Tilgungsverpflichtungen des Landes aus Wertpapier und Kreditverbindlichkeiten dienen können. -

-





Die

Zinszahlungen, die im Rahmen von Auslandsverschuldung anfallen, implizieren eine gewisse Verschuldungsdynamik, weil sie ihrerseits Leistungstransaktionen sind und den Leistungsbilanzsaldo verschlechtern. Bezeichnet man mit i den für die Auslandsverschuldung relevanten Zinssatz und fasst man die in der Gleichung (9.25) jeweils in der Klammer enthaltenen Leistungs- und Finanztransaktionen ohne die Zinszahlungen zu einer Größe ZB zusammen, so ergibt sich die folgende Veränderung der Auslandsverschuldung in einer Periode t: (9.26)

AAV,

= -

ZB, + i.AV,.,

Die Zinszahlungen richten sich nach der Höhe der Auslandsverschuldung Ende der Vorperiode bzw. zu Beginn der betrachteten Periode t. Divi-

am

380

Internationale

durch AWt.u so erhält schuldung in einer Periode t:

diert

man

(921) (9-27) Die

Wirtschaftsbeziehungen

man

die Wachstumsrate der Auslandsver-

AVA__^ + lt VA,,- VA,., Wachstumsrate der Auslandsverschuldung hängt

somit

maßgeblich

(durchschnittlichen) Zinssatz ab, der den Zinszahlungen bzw. dem Zinsendienst in der Periode t zugrunde liegt. vom

9.4.3 Ursachen

von

Leistungsbilanzdefiziten

und

von

Auslandsver-

schuldung Wie die Gleichung (9.25) erkennen lässt, ist ein Leistungsbilanzdefizit eine maßgebliche Ursache von Auslandsneuverschuldung und dadurch letztlich auch für den Bestand an Auslandsschulden. Allerdings impliziert wie oben erläutert nur der Teil des Leistungsbilanzdefizits eine Auslandsneuverschuldung, der nicht aus Währungsreserven finanziert wird und dem keine Nettozuflüsse aus Direktinvestitionen gegenüberstehen. Hierbei handelt es sich quasi um kompensatorische Transaktionen. Primäre Ursache von Auslandsneuverschuldung und Auslandsverschuldung sind gleichwohl nur die Leistungsbilanzdefizite. Zur Erfassung der Ursachen der Auslandsverschuldung werden jetzt einige wichtige Entstehungsgründe von Leistungsbilanzdefiziten aufgezeigt. Die Gleichung (9.20) macht deutlich, dass der Leistungsbilanzsaldo einerseits direkt aus dem Außenbeitrag und den Nettoauslandsübertragungen gebildet wird und andererseits indirekt mit den Ersparnissen und Investitionen eines Landes verbunden ist. Zunächst wird geprüft, wie über die Komponenten des Außenbeitrags direkt ein Leistungsbilanzdefizit entstehen -

-

kann.

a) Außenbeitrag Ein

negativer Außenbeitrag kann zum einen aus den länderspezifischen Bedingungen auf den Ex- und Importmärkten resultieren und zum anderen auf makroökonomische Entwicklungen zurückzuführen sein, die Einfluss auf die relativen Preise von Ex- und Importgütern haben. Im Hinblick auf die Marktbedingungen sind die Importabhängigkeit und die Exportschwäche von Bedeutung. Für die relativen Preise spielen die hausgemachte Inflation und Wechselkurse eine wichtige Rolle.

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

381

(1) Importabhängigkeit Besitzt ein Land bei Produkten, die für Konsum und/oder Investitionen unbedingt erforderlich sind, keine oder nur eine unzureichende importkonkurrierende Produktion, so sind Importe zur Bedarfsdeckung unverzichtbar.

Es besteht deshalb eine hohe Importabhängigkeit. Ein Preiswettbewerb ist dem Land nicht oder nur in geringem Maße möglich, so dass sich die Importabhängigkeit in der Regel in einer relativ geringen Preiselastizität der Importnachfrage äußert. Damit ist impliziert, dass die Importmenge nur geringfügig oder im Extremfall gar nicht sinkt und der Importwert beachtlich erhöht wird, wenn die internationalen Preise der Importgüter steigen. Davon betroffen sind insbesondere Entwicklungsländer und Transformationsländer (ET-Länder). Sie sind häufig auf Importe von Rohstoffen und Investitionsgütern angewiesen, die zur Aufrechterhaltung der eigenen Produktion sowie für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes unbedingt benötigt werden. Zwar sind auch viele Industrieländer von Rohstoffimporten abhängig, aber sie besitzen meistens das technische Know-how, um solche Abhängigkeiten zumindest mittelfristig durch Verbesserung von Produktionsverfahren und Einsatz von substitutiven Produkten zu mindern. Besonders gravierend ist die Importabhängigkeit in etlichen ärmeren Entwicklungsländern, die zur Deckung des lebensnotwendigen Grundbedarfs sogar auf den Import von Konsumgütern angewiesen sind.

(2) Exportschwächen

Exportfähigkeit eines Landes hängt ebenfalls von seinem Entwicklungsstand ab. Bedeutend sind beispielsweise die Breite des Güterangebots, die Qualität der Produkte oder die Zuverlässigkeit der Lieferanten. Diesbezügliche Defizite finden sich wiederum insbesondere in den ET-Ländern. Im Exportbereich beschränkt sich das Güterangebot häufig auf primäre Produkte (Grundstoffe, landwirtschaftliche Produkte) sowie auf gewerbliche Produkte mit relativ niedriger technologischer Reife. Solche Produkte werden erfahrungsgemäß von vielen Ländern angeboten, die sich auf einer ähnlichen Entwicklungsstufe befinden. Daraus resultiert eine Tendenz zur Angebotsausweitung und demzufolge ein anhaltender Druck auf die Preise. Die

Andererseits sind sowohl die Preiselastizität als auch die Einkommenselastizität der weltweiten Nachfrage nach diesen Produkten in der Regel relativ gering. Das impliziert zweierlei: Preissenkungen, die beispielsweise durch den Angebotsdruck verursacht werden, regen die Nachfrage nur geringfügig an, so dass die Exporterlöse sinken können; im Zuge einer günstigen weltwirtschaftlichen Einkommensentwicklung nimmt die Nachfrage ebenfalls nur relativ wenig zu, so dass das Wachstum der Exporterlöse

-

382

Internationale

möglicherweise

erheblich wirtschaft zurückbleibt.

Wirtschaftsbeziehungen

hinter dem -

allgemeinen

Wachstum der Welt-

(3) Hausgemachte Inflation Die in einem Land verursachte Inflation, die sogenannte hausgemachte Inflation, verschlechtert ceteris paribus die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Bei festen Wechselkursen verändern sich die relativen Preise der Exportgüter und der importkonkurrierenden Güter zu Ungunsten des betrachteten Landes des Inlands. Je größer die Preiselastizitäten der Nachfrage nach diesen Gütern sind, desto mehr verringert sich einerseits der Exportwert und steigt andererseits der Importwert. Das kann eine anhaltende Verschlechterung des Außenbeitrags mit sich bringen. -

Sind die Wechselkurse flexibel, so ist eine Abwertung der Landeswährung zu erwarten. Diese kompensiert zumindest teilweise die Wirkung auf die relativen Preise der Exportgüter und der importkonkurrierenden Güter. Die inflationsbedingte Beeinträchtigung der Exporte wird hierdurch abgeschwächt oder sogar verhindert. Dem steht allerdings eine abwertungsbedingte Erhöhung der Preise aller Importgüter gegenüber. Bestehen relativ hohe Importabhängigkeiten, so kann dieser Preisanstieg eine durchaus erhebliche Zunahme des gesamten Importwerts zur Folge haben. Auch für den Fall, dass die negative Wirkung der Inflation auf den Exportwert durch die Aufwertung kompensiert wird, ergibt sich von hierher eine möglicherweise länger anhaltende Verschlechterung des Außenbeitrags. -

-

Darüber hinaus kann der Anstieg der Importpreise im Inland weitere Inflationsimpulse auslösen und so die defizitäre Entwicklung des Außenbeitrags noch verstärken. Die hier aufgezeigten Wirkungen einer hausgemachten Inflation sind in ET-Ländern besonders ausgeprägt, die einerseits auf Exportmärkten einem hohen Preiswettbewerb ausgesetzt sind und andererseits eine relativ hohe Importabhängigkeit besitzen. Gleichwohl spielen die außenwirtschaftlichen Effekte einer hausgemachten Inflation auch für Industrieländer eine durchaus beachtliche Rolle.

(4) Falsche Wechselkurse Vor allem im Festkurssystem von

Bretton Woods ist deutlich geworden, Wechselkurszielen gravierende Leistungsbilanzungleichgewichte implizieren kann. Länder, deren Währungen im Hinblick auf die relativen Preise der international handelbaren Güter überbewertet waren, sahen sich mit länger anhaltenden Leistungsbilanzdefiziten konfrontiert. Zwar hat ein hoher Außenweit den Vorteil relativ geringer Importpreise, aber eine Überbewertung impliziert zugleich einen möglicherweise gravierenden Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit,

dass ein Festhalten

an

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

383

durch den der Exportwert wahrscheinlich sinkt und der Importwert trotz der

günstigen Importpreise steigen kann. Industrieländer reagieren auf solche wechselkursbedingten Effekte erfahrungsgemäß mit produktivitätssteigernden Maßnahmen, durch die sie die

relativen Preise wieder zu ihren Gunsten verändern. Wiederum sind es die weniger entwickelten Länder, die nur unzureichend mit Verfahrensinnovationen reagieren können und deshalb aus eigener Kraft zur Kompensation der wechselkursbedingten Wettbewerbsverzerrungen nicht fähig sind. Trotzdem neigen in jüngerer Zeit vor allem die ET-Länder dazu, den Außenwert ihrer Währungen so weit wie möglich zu fixieren. Sie verfolgen damit das Ziel, die Preise von dringend benötigten Importgütern niedrig zu halten, im eigenen Land Preisdisziplin zu erzwingen sowie insbesondere das Vertrauen ausländischer Investoren zu gewinnen. Gleichwohl ist eine Überbewertung von Währungen problematisch. Über kurz oder lang resultieren daraus Leistungsbilanzdefizite und zunehmende Auslandsverschuldung. Vor diesem Hintergrund lassen sich abrupte Wechselkursanpassungen bzw. Abwertungen der Währungen nicht vermeiden. Daraus können letztlich ökonomische Instabilitäten entstehen, durch die die Leistungsbilanzprobleme noch verschärft werden, zumal das Vertrauen ausländischer Investoren hierdurch gravierend beeinträchtigt wird.

b) Differenz zwischen Investitionen und Ersparnissen Die internationalen Leistungstransaktionen sind indirekt mit den Ersparnissen und Investitionen eines Landes verbunden. Für den Außenbeitrag sind die Sparneigung oder die Sparfähigkeit sowie die Investitionsneigung der Wirtschaftssubjekte des Landes von maßgeblicher Bedeutung. Ein markantes Beispiel für anhaltende Leistungsbilanzdefizite, die gleichzeitig aus einer geringen Sparneigung und einer hohen Investitionsneigung resultieren, sind die USA. Die private Sparquote in den USA tendierte in der Zeit zwischen 1995 und 2000 gegen null, wogegen andererseits die positive Wirtschaftsentwicklung ein äußerst günstiges Investitionsklima bewirkte. Beides hatte zur Folge, dass die Konsum- und Investitionsansprüche nicht mehr vollständig aus der Inlandsproduktion befriedigt werden konnten und somit ein anhaltender Importsog entstand.

Beispiele

für eine

geringe Sparfähigkeit

sind etliche

Entwicklungslän-

der. Vor allem in ärmeren Entwicklungsländern lässt sich mit dem Volkseinkommen für einen großen Teil der Bevölkerung häufig nur das Existenzminimum sichern. Für Investitionen stehen deshalb nicht genügend

Ersparnisse zur Verfügung. Das hat sowohl für die Exporte als auch für die Importe gravierende Folgen. Die heimische Produktion reicht nicht aus, um auf der einen Seite genügend Güter für den Export zur Verfügung zu stellen

384

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

und auf der anderen Seite den heimischen Bedarf an Konsumgütern und an Investitionsgütern zu decken. Importüberschüsse und damit verbundene Leistungsbilanzdefizite sind somit unvermeidlich. Weil hierdurch die Auslandsverschuldung steigt und in Zukunft zunehmende Belastungen aus dem Zinsendienst resultieren, geraten die betroffenen Länder aufgrund der hier aufgezeigten Zusammenhänge in einen Teufelskreis: Die geringe Sparfähigkeit, die Ursache des Problems war, wird noch weiter verstärkt, weil die zusätzlichen Zinszahlungen an das Ausland aus dem laufenden Volkseinkommen geleistet werden müssen.

Auslandsverschuldung ein ökonomisches Problem? Auslandsverschuldung ist mit laufenden Zinszahlungsverpflichtungen verbunden und impliziert in Zukunft Kapitalexporte, die im Zuge von Tilgungen auftreten. Im Folgenden soll verdeutlicht werden, unter welchen Bedingungen hieraus ökonomische Probleme entstehen können. Die Untersuchungen richten sich auf vier Aspekte: Währungsnomination, die Verwendung der Auslandskredite, die Laufzeiten der Auslandskredite und die Gläubigerstruktur. 9.4.4

-

a) Währungsnomination Auslandskredite werden meistens in einer international anerkannten Transaktionswährung nominiert. Das ist überwiegend der US-Dollar. Aber auch Währungen von Industrieländern mit relativ hoher Stabilität finden Verwendung, so insbesondere der Euro, der japanische Yen, das Britische Pfund und der Schweizer Franken. Ein Land, dessen Auslandsverschuldung in eigener Währung nominiert ist, läuft nicht Gefahr, aufgrund von Zinsund Tilgungsverpflichtungen in Liquiditätsschwierigkeiten zu geraten. Das gilt beispielsweise für die USA, so dass die relativ hohe Auslandsverschuldung für dieses Land im Hinblick auf den Aspekt der Währungsnomination unproblematisch ist.

Vorzug haben die meisten ET-Länder nicht. Ihre Auslandsverschuldung ist vorwiegend in US-Dollar nominiert. Das kann folgende KonDiesen

sequenzen haben: • Verfügt das Land nicht über Dollar-Devisen (in Form von Währungsreserven) und kommt es über Kapitalimporte oder über Leistungsbilanzüberschüsse nicht zu einem ausreichenden Dollarzufluss, so droht dem Land eine internationale Zahlungsunfähigkeit, die den Zinsendienst und die Tilgungen unmöglich machen. • Aufwertungen des US-Dollars (gegenüber der Inlandswährung) erhöhen die in eigener Währung nominierten Leistungen für den Zinsendienst

385

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

implizieren somit, dass ein größerer Teil des Volkseinkommens für Zinszahlungen an das Ausland aufgewendet werden muss. und

b) Verwendung der Auslandskredite

Zinszahlungen auf die Auslandsschulden sind Leistungstransaktionen, die dem laufenden Volkseinkommen bestritten werden müssen. Tilgungen implizieren einen Kapitalexport, der aus vorher gebildeten Ersparnissen erfolgen muss. Ob und inwieweit daraus kontraktive Einkornmenseffekte resultieren, hängt entscheidend von der Verwendung der Auslandskredite ab. Werden mit ihnen im Inland zusätzliche Einkommen geschaffen, die zumindest ausreichen, um die Zinsen und Tilgungen zu leisten, so treten aus

kontraktive Effekte nicht auf. Wenn das nicht erreicht wird, führen Zinsendienst und Tilgungen zu einem laufenden Entzug von Einkommen und von daher zu negativen Wirkungen auf Güternachfrage und Einkommensentste-

hung.

Auch im Hinblick auf diesen Aspekt unterscheiden sich Industrieländer wie die USA auf der einen sowie viele Entwicklungsländer auf der anderen Seite gravierend: In den USA werden die Auslandskredite insbesondere von privaten Wirtschaftssubjekten zum größten Teil direkt oder auch indirekt über das Bankensystem in rentable Investitionsobjekte gelenkt, deren Renditen oftmals weit mehr als ausreichen, um Zinsen und Tilgungen problemlos zu leisten. In etlichen Entwicklungsländern werden Auslandskredite demgegenüber nicht nur zur Finanzierung von öffentlichen und privaten Investitionen, sondern auch zur Finanzierung von öffentlichem und privatem Konsum verwendet. Beim Konsum handelt es sich oftmals um Importgüter, so dass aus diesem Teil der Auslandskredite im Inland keine wesentlichen Einkommenseffekte und somit keine Renditen erzielt werden. Aber auch die Investitionen werfen häufig eine zu geringe Rendite ab, um Zinsendienst und Tilgungen für die zugrunde liegenden Auslandskredite bestreiten zu können. Die Folge ist ein laufender Einkommensentzug, der von weiteren kontraktiven Nachfrage- und Einkommenseffekten begleitet wird. In diesem Fall erweist sich eine Kreditaufnahme im Ausland mittel- und längerfristig als schädlich, auch wenn damit kurzfristig ein dringender Bedarf an Konsum- und/oder

Investitionsgütern finanziert werden konnte.

c) Laufzeiten Mit Blick auf die Laufzeiten der Auslandskredite sind zwei besonderer Bedeutung: •

Aspekte

von

Je kurzfristiger die Kredite sind (im Extremfall mit täglicher Fälligkeit), desto größer ist die Gefahr, dass Ausländer ihre Forderungstitel binnen

386

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

kürzester Zeit zurückziehen und dadurch entweder für das betroffene Land wegen eines Mangels an Devisen Liquiditätsprobleme entstehen können oder die Währung des Landes eventuell massiv abgewertet wird. Es kann so eine Währungskrise auftreten. • Haben Banken langfristige Ausleihungen mit kurzfristigen Auslandskrediten refinanziert, so kann es zu einer Bankenkrise kommen, wenn die ausländischen Gläubiger ihre Kreditforderungen abziehen und den Banken eine ausreichende Anschlussfinanzierung unmöglich ist. Im ersten Aspekt ist ein Liquiditätsproblem auszuschließen, wenn die Auslandsschulden in der Währung des Schuldnerlandes nominiert sind. Wie schon erwähnt, trifft das beispielsweise für die USA zu, nicht jedoch für die Mehrzahl der ET-Länder. Allerdings kann auch der US-Dollar unter Abwertungsdruck geraten, wenn Ausländer in großem Umfang in Dollar nominierte Kreditforderungen kurzfristig auflösen. Gleichwohl befinden sich die USA auch diesbezüglich in einer besseren Position als die ETLänder. Der Dollar genießt nicht zuletzt wegen der Wirtschaftsstärke der USA international ein hohes Vertrauen, so dass sich eine aus den zuvor genannten Gründen erfolgende Abwertung erfahrungsgemäß in vertretbaren Grenzen hält. Dieses Vertrauen fehlt den Währungen der meisten ETLänder. Ein kurzfristiger Abzug von Auslandskapital kann hier sehr wohl eine destabilisierende Abwertungsentwicklung auslösen und so zu einer Währungskrise führen. Der zweite Aspekt einer drohenden Bankenkrise spielt für die traditionellen Industrieländer und insbesondere für die USA keine Rolle, weil hier Bankenaufsicht und strenge Vorschriften über Fristigkeitsstrukturen von Aktiva und Passiva zur Anwendung kommen. So findet sich die Praxis der ungleichgewichtigen Laufzeiten bzw. Fristentransformation wiederum insbesondere in den ET-Ländern.

d) Gläubigerstruktur Die Laufzeiten der Auslandskredite, die zuvor beschriebene Gefahr des kurzfristigen Kapitalabzugs sowie die Höhe der durchschnittlichen Zinssätze der Auslandsverschuldung sind nicht zuletzt abhängig von der Art der Gläubiger. Vor allem für die ET-Länder spielen bilaterale Kredite anderer Länder sowie Kredite internationaler Organisationen wie Weltbank und Internationaler Währungsfonds eine wichtige Rolle. Solche offiziellen Kredite haben überwiegend lange Laufzeiten und sind mit relativ niedrigen Zinssätzen ausgestattet. Überdies werden seitens dieser Gläubiger oftmals Tilgungsstreckungen eingeräumt, wenn ein Schuldnerland in Liquiditätsschwierigkeiten geraten sollte. Auf der anderen Seite legen private Wirtschaftssubjekte insbesondere Banken und Investmentfonds in ET-

-

387

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

Ländern nur dann Kapital an, wenn dies mit kurzfristigen Fälligkeiten sowie einer relativ hohen Verzinsung möglich ist. Die mit der Auslandsverschuldung verbundenen Belastungen und Risiken sind für ein Schuldnerland somit ceteris paribus umso geringer, je kleiner der Anteil der privaten Kredite ist. Industrieländern wie den USA stehen nur selten offizielle Kredite zur Verfügung. Sofern Auslandsverschuldung besteht, beruht sie hier zum weitaus größten Teil auf privaten Krediten. Das zuvor für ET-Länder skizzierte Problem ist für Industrieländer und insbesondere für die USA allerdings nur von geringer Bedeutung. Ausländische private Gläubiger schätzen das Risiko von Kapitalanlagen in solchen Ländern gering ein und sind deshalb bereit, sich dort auch langfristig zu binden und eine niedrigere Verzinsung als bei Anlagen in ET-Ländern zu akzeptieren.

9.4.5

Lösung von Verschuldungsproblemen Wie zuvor deutlich gemacht wurde, erwachsen Industrieländern aus einer Auslandsverschuldung i.d.R. keine ökonomischen Probleme. Das gilt insbesondere für die USA, deren Verschuldung fast vollständig in US-Dollar nominiert ist. Demgegenüber stellt Auslandsverschuldung für viele Entwicklungsländer vor allem für die ärmeren Länder im Zuge des Zinsendienstes und der Tilgungen eine erhebliche Belastung für die ökonomische Entwicklung dar. Die Tabelle 9.9 gibt einen Überblick über die Auslandsverschuldung sowie einige Schuldenindikatoren der Entwicklungsländer (einschließlich Schwellen- und Transformationsländer) insgesamt sowie größerer Gruppen von Entwicklungsländern. Tabelle 9.9: Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer (Ende 1999) -

-

Anteil der

Verschul-

(Mrd. $)

Anteil der kurzfristigen Kredite

privaten Kredite

dungsquote*

2.554

15,7%

35,0%

41,5%

18,7%

Sub-SaharaAfrika

231

19,4%

23,5%

75,8%

14,8%

Süd-Ost-Asien und Pazifik

830

13,8%

35,3%

33,2%

14,7%

Lateinamerika

793

15,5%

41,7%

46,2%

34,5%

16,2%

33,9%

42,2%

14,8%

Gesamt

Alle Entwick-

lungsländer

Osteuropa und Zentralasien *

Auslandsverschuldung/Bmttonationaleinkommen

Zinsendienst und laufende Tilgungen/Exporterlöse Quelle: The World Bank, Global Development Finance, 2000. **

Schuldendienst-

quote**

388

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Die gesamte Auslandsverschuldung macht mehr als 40% des Bruttonationaleinkommens aus. Im Vergleich zu dem am stärksten im Ausland verschuldeten Industrieland, den USA (mit etwa 17%) ist das relativ viel. Als problematisch erweisen sich allerdings wie zuvor erläutert vorwiegend die Kredite privater Kreditgeber und dabei insbesondere die kurzfristigen Kredite. Ein wichtiger Indikator für die Schuldenbelastung ist die Schuldendienstquote. Sie zeigt an, welcher Teil der Erlöse aus den Güterexporten im Jahr für Zinsen und Tilgungen verwendet werden muss und somit nicht mehr zur Finanzierung von Güterimporten zur Verfügung steht. Mit fast 35% ist diese Quote in Lateinamerika bedenklich hoch. Aber auch die Quoten der anderen Ländergruppen sind angesichts der entwicklungspolitischen Aufgaben dieser Länder, für deren Bewältigung Güterimporte unverzichtbar sind, mit etwa 15% zu hoch. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in einer Reihe von Entwicklungsländern immer wieder eklatante Devisenengpässe auftreten, die den Schuldendienst zeitweise unmöglich machen und damit quasi eine Schuldenkrise bewirken. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, mit welchen Maßnahmen das Problem der Auslandsverschuldung von Entwicklungsländern bewältigt werden könnte. Die Maßnahmen können darauf gerichtet sein, die aktuellen Schuldenlasten zu verringern, sie müssen aber insbesondere bewirken, Verschuldungsprobleme grundlegend zu verhindern. Auf einige Maßnahmen wird jetzt kurz eingegangen. -

-

a) Verringerung von Schuldenlasten (1) Umschuldungen Ziel einer Neustrukturierung der Auslandsverschuldung ist es, die laufenden Belastungen aus dem Zinsendienst und den Tilgungen zu verringern. Dafür seien einige Beispiele genannt: • Die Laufzeiten von Krediten und entsprechend die Tilgungsfristen werden verlängert. Der Schuldenstand bleibt erhalten, so dass sich zwar der kurzfristige Schuldendienst (Zins- und Tilgungsbeträge) verringert und damit eventuell eine kurzfristige Liquiditätskrise überwunden werden kann, aber ein Teil der Schuldenbelastungen wird gleichwohl lediglich in die Zukunft verschoben. • Die Gläubigerstruktur wird geändert, indem z. B. internationale Organisationen (IWF, Weltbank) an die Stelle privater Gläubiger treten und dabei gleichzeitig sowohl die Zinsbelastungen reduziert als auch die Tilgungsfristen verlängert werden. Der Schuldenstand bleibt auch hier erhalten, aber es besteht die Hoffnung, dass die neuen Gläubiger bei zukünftigen Liquiditätskrisen weitere Krediterleichterungen einräumen.

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

389

Kreditforderungen ausländischer Gläubiger werden in Beteiligungen an Unternehmungen in den Schuldnerländern umgewandelt {Debt-EquitySwaps). Der Verringerung der Kreditverbindlichkeiten steht somit eine Erhöhung der Verbindlichkeiten im Rahmen von Direktinvestitionen gegenüber. Definitionsgemäß ist damit unmittelbar eine Abnahme der Auslandsverschuldung verbunden. Entscheidend ist allerdings, dass die Direktinvestitionen langfristig angelegt sind und nur dann „Zinstransfers" verursachen, wenn Gewinne angefallen sind. Überdies besteht die



Chance, dass Gewinne im Schuldnerland reinvestiert werden. Diese Form der Umschuldung steht allerdings nur Entwicklungsländern offen,

die attraktive Investitionsmöglichkeiten bieten können und deren wirtschaftliche Situation und Entwicklung von ausländischen Anlegern ohnehin als relativ günstig eingestuft wird.

(2) Schuldenerlass Nicht nur von den verschuldeten Entwicklungsländern selbst, sondern auch von einer Reihe politischer und kirchlicher Organisationen in den Industrieländern sind in den vergangenen Jahren immer wieder Forderungen nach einem Schuldenerlass laut geworden. Es wird die Meinung vertreten, dass sich das Verschuldungsproblem oder die Verschuldungskrise der Entwicklungsländer insbesondere der ärmeren Länder nur lösen lässt, wenn auf Forderungen ganz oder zumindest teilweise dauerhaft verzichtet wird. Viele Entwicklungsländer, so die Auffassung, seien nicht nur in kurzfristigen Liquiditätsschwierigkeiten, sondern befänden sich bereits in einer Situation der Insolvenz. So wie es bei Kreditforderungen gegenüber Unternehmungen im nationalen Raum üblich ist, sei in einer solchen Situation ein Vergleich anzustreben, der zwingend einen gewissen Forderungsverzicht -

-

impliziere.

Öffentliche Kreditgeber, darunter insbesondere die Weltbank und der

IWF, haben sich in den vergangenen Jahren schon mehrmals in Einzelfällen

einem solchen Schritt entschlossen. Vor allem den ärmeren Entwicklungsländern sind seitens dieser Gläubiger Schulden erlassen worden. Private Gläubiger sind demgegenüber meistens nur dann zu einem Schuldenerlass bereit, wenn es zu öffentlichen Ausgleichszahlungen kommt. zu

Ein genereller Schuldenerlass für viele oder sogar alle der dürfte allerdings kaum ratsam sein: •

Entwicklungslän-

Es besteht die Gefahr, dass die Schuldnerländer im Vertrauen auf zukünftige Schuldenerlasse in ihren Anstrengungen nachlassen, ihre ökonomische Situation grundlegend zu verbessern und so die Bedingungen dafür zu schaffen, dass anhaltende Leistungsbilanzdefizite und ein permanentes Anwachsen der Auslandsverschuldung vermieden werden. Ei-

390

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

solche Reaktion ist Ausdruck eines Moral-Hazard-Problems. Dadurch ergeben sich quasi zwangsläufig neue Schuldenkrisen und der Zwang zu weiteren Schuldenerlassen. Sofern für private Gläubiger im Rahmen von Schuldenerlassen Verluste auftreten, ist zu befürchten, dass private Kreditgeber in Zukunft nicht oder nur mit hohen Risikozuschlägen bereit sind, erneut Kredite an Entwicklungsländer zu geben. Dadurch kann die ökonomische Entwicklung dieser Länder erheblich beeinträchtigt werden, zumal nicht zu erwarten ist, dass bilaterale und multilaterale Kredite von Staaten und internationalen Organisationen die Lücke ausfüllen können. ne



Vor diesem Hintergrund kann ein Schuldenerlass nur in Ausnahmefällen und nur dann zur Anwendung kommen, wenn gleichzeitig konkrete politische und wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Verbesserung der internen ökonomischen Bedingungen ergriffen werden.

b) Verbesserung der Leistungsbilanzsituation Das Ziel, Auslandsverschuldung zu jeder Zeit grundsätzlich zu vermeiden, ist vor allem für Entwicklungsländer zum einen kaum zu erreichen, zum anderen aber auch entwicklungspolitisch wenig sinnvoll. Leistungsbilanzdefizite sind in vielen Fällen die Folge einer gezielten entwicklungspolitischen Strategie, bei der Importe von Investitionsgütern und Technologien einen hohen Stellenwert haben. Vor diesem Hintergrund sind Auslandskredite unverzichtbar. Um daraus jedoch nicht ein fundamentales Verschuldungsproblem oder gar eine Verschuldungskrise entstehen zu lassen, muss erreicht werden, dass Leistungsbilanzdefizite, die mit Fremdkapital finanziert werden, nur temporären Bestand haben. Es geht deshalb darum, binnen- und außenwirtschaftliche Bedingungen zu schaffen, die auf längere Sicht eine ausgewogene Leistungsbilanz gewährleisten. Dieses Ziel lässt sich nur mit einem umfassenden entwicklungspolitischen Maßnahmenkatalog erreichen, der sich nicht nur auf die Außenwirtschaftspolitik beschränkt, sondern auch darauf gerichtet ist, geeignete politische und ökonomische Rahmenbedingungen für die nationale Entwicklung von Produktion und Märkten zu schaffen. Im Folgenden werden allerdings nur zwei außenwirtschaftspolitische Maßnahmen betrachtet, die in einer mittelfristigen Ausrichtung einer Verbesserung der Leistungsbilanzsituation dienen könnten.

(1) Exportmärkte

Leistungsbilanzprobleme vieler Entwicklungsländer resultieren, wie oben bereits dargelegt, nicht zuletzt aus gravierenden Exportschwächen. Das kann verschiedene Ursachen haben:

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

391

geringe Produktdiversifizierung, so dass Abhängigkeiten von der Konjunktursituation auf nur wenigen Exportmärkten bestehen weitgehende Beschränkung auf Güter des Grundstoffsbereichs, für die geringe Preis- und Einkommenselastizitäten der internationalen Nachfrage typisch sind zu hohe Produktionskosten und/oder zu geringe Qualität von Produkten aus gewerblicher Produktion, so dass es an internationaler Wettbewerbsfähigkeit mangelt Protektionismus von Industrieländern, durch den komparative Produktionsvorteile von Entwicklungsländern zunichte gemacht werden einseitige Ausrichtung der Exporte auf Industrieländer und dementsprechend zu geringe Handelsbeziehungen mit anderen Entwicklungsländern, wobei ebenfalls Protektionismus eine maßgebliche Ursache ist. Die Exportfähigkeit von Entwicklungsländern kann nur gestärkt werden, wenn geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Ursachen getroffen werden. Um eine breitere Produktdiversifizierung sowie komparative Produktionsvorteile und internationale Wettbewerbsfähigkeit auch bei Gütern •

zu









der sekundären und tertiären Produktionsbereiche zu erreichen, sind erfahrungsgemäß ausländische Direktinvestitionen unverzichtbar. Diese können erheblich dazu beitragen, unmittelbar Kontakte zu Märkten im Ausland herzustellen, technisches Know-how und Managementfähigkeiten ins Land zu holen und nicht zuletzt eine finanzielle Basis für den Aufbau neuer Produktionsbereiche bereitzustellen. Dieser Weg ist allerdings nur dann Erfolg versprechend, wenn in den Ländern stabile ordnungspolitische Rahmenbedingungen gegeben sind. Dem Protektionismus der Industrieländer insbesondere bei Agrarprodukten und Gütern der Textil- und Bekleidungsindustrie muss noch stärker als bisher im Rahmen der WTO begegnet werden. Schließlich können die Entwicklungsländer versuchen, durch regionale wirtschaftliche Integrationen gegenseitige Handelshemmnisse abzubauen, umso neue regionale Handelspotentiale zu schaffen. -

-

(2) Importmärkte Zur Verringerung von Leistungsbilanzdefiziten können auch Maßnahmen ergriffen werden, die darauf gerichtet sind, den Importwert eines Landes zu verringern. In der praktischen Außenwirtschaftspolitik sind dazu seitens der Entwicklungsländer immer wieder zwei Strategien verfolgt worden, zum einen die Importsubstitution und zum anderen die Importbeschränkung. Ziel der Importsubstitution ist es, importkonkurrierende Produktionsbereiche aufzubauen oder auszubauen und so die Importnachfrage nach be-

392

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

stimmten Gütern wenigstens teilweise durch eigene Angebote zu befriedigen. Das ist vor allem in solchen Produktbereichen sinnvoll, in denen ein Entwicklungsland zwar grundlegende komparative Produktionsvorteile besitzt, diese Vorteile aber aus irgendwelchen Gründen nicht adäquat genutzt werden. Vielen Entwicklungsländern erscheint die Importsubstitution leichter durchführbar als eine Exportförderung. Dafür gibt es folgende Gründe: •





Während auf den Exportmärkten im Allgemeinen ein relativ hoher Konkurrenzdruck besteht, der sich nur über ausreichende Fähigkeiten im Preis- und Qualitätswettbewerb bewältigen lässt, können importkonkurrierende Wirtschaftsbereiche durch protektionistische Maßnahmen geschützt werden. Exportgüter erfordern angesichts des Konkurrenzdrucks einen hohen Einsatz an moderner Technologie, die oftmals nicht verfügbar ist. Demgegenüber lässt sich importkonkurrierende Produktion insbesondere dann, wenn sie durch protektionistische Maßnahmen geschützt wird, auf einem erheblich niedrigeren technologischen Niveau realisieren. Bei Exportgütern bestehen relativ hohe und häufig nicht erfüllbare Qualitätsanforderungen. Diese sind bei importkonkurrierenden Produkten im eigenen Lande erheblich geringer.

Diese Gründe sind zwar zutreffend, machen aber zugleich deutlich, wie problematisch eine Politik der Importsubstitution sein kann. Sofern sie nur dazu dient, dem internationalen Wettbewerbsdruck auszuweichen, wird sie letztlich nicht erfolgreich sein. Leider haben viele Erfahrungen mit einer Politik der Importsubstitution diese Schlussfolgerung bestätigt. Folgende Aspekte lassen die Importsubstitution in einem kritischen Licht erscheinen: •





Die

Importsubstitution wird häufig ohne Rücksicht auf internationale komparative Produktionsvorteile durchgeführt. Eine entsprechende Poli-

tik dürfte deshalb letztlich mit Wohlfahrtsverlusten verbunden sein. Importsubstitution hat ihre Grenzen dort, wo der Import bestimmter Güter vollständig verdrängt wird (exzessive Importsubstitution). Das aber impliziert, dass auch die Wachstumsimpulse einer solchen Politik begrenzt sind, die andernfalls aus einer Exportförderung oder Exportdiversifizierung hätten erzielt werden können. Eine starke Ausrichtung auf eine Politik der Importsubstitution ist in aller Regel mit einer Vernachlässigung der gezielten Exportförderung und Exportdiversifizierung verbunden, so dass die Gefahr besteht, auf der Exportseite an internationaler Wettbewerbsfähigkeit noch mehr zu verlieren.

393

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen •

Protektionistische Maßnahmen zum Schutz importkonkurrierender Produktionsbereiche können Retorsionsmaßnahmen anderer Länder auch anderer Entwicklungsländer hervorrufen und so eine Beeinträchtigung des gesamten Außenhandels mit sich bringen. -

-

Trotz dieser kritischen Einwände und der eher schlechten Erfahrungen werden Entwicklungsländer auch in Zukunft nicht vollständig auf eine Politik der Importsubstitution verzichten können. Im Rahmen einer umfassenden entwicklungspolitischen Strategie, die die Exportförderung und Exportdiversifizierung gleichermaßen berücksichtigt und die sich gezielt an vorhandenen oder erreichbaren komparativen Produktionsvorteilen ausrichtet, stellt die Importsubstitution sehr wohl eine erwägenswerte handelspolitische Maßnahme dar. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Entwicklungsland Gefahr läuft, sogar in traditionellen Produktionsbereichen von Importen abhängig zu werden. Die Importsubstitution allein reicht aber auf keinen Fall aus, Leistungsbilanz- und Verschuldungsprobleme dauerhaft zu überwinden.

Angesichts der Verschuldungskrise und der beschränkten Möglichkeiten, mit Hilfe einer Politik der Exportförderung oder der Importsubstitution kurzfristig Leistungsbilanzverbesserungen zu erreichen, liegt es nahe, dass Entwicklungsländer zum Instrument der quantitativen Importbeschränkungen greifen. Diese erweisen sich aber nach allen Erfahrungen über kurz oder lang als ein untaugliches Mittel. Vielmehr besteht die Gefahr einer erheblichen Problemverschärfung. Werden Investitionsgüterimporte beschränkt, so kommt es zu einer Beeinträchtigung der internen ökonomischen Entwicklung. Wird der Import von Gütern des Grundbedarfs beschränkt, so können soziale Spannungen entstehen. In beiden Fällen drohen Instabilitäten, die wirtschaftspolitische Handlungsunfähigkeit zur Folge haben können und von daher eine Bekämpfung der Ursachen von Leistungsbilanz- und Verschuldungsproblemen letztlich unmöglich machen. 9.5 Internationale Finanzkrisen 9.5.1 Kennzeichen

von

Finanzkrisen

Internationale Finanzkrisen kommen in den Ausdruck: •

massiver

kurzfristiger Kapitalabzug

folgenden

ausländischer

Phänomenen

Kreditgeber

zum

bzw. In-

vestoren •



gravierender Mangel an internationaler Liquidität der betroffenen Länder, so dass die Devisennachfrage nicht befriedigt werden kann starke nominelle und reale Abwertungen der betroffenen Währungen

394 •

• •



Internationale

Verfall von Ländern

Immobilienpreisen

Wirtschaftsbeziehungen und Aktienkursen in den betroffenen

Kapitalflucht seitens inländischer Wirtschaftssubjekte erhebliche Zahlungsschwierigkeiten von Banken und Nichtbanken der betroffenen Länder sowohl gegenüber ausländischen Gläubigern als auch im nationalen Schuldner-Gläubiger-Verhältnis Ausbreitung der Krisenerscheinungen auf Länder mit ähnlichen ökonomischen Rahmenbedingungen. Die Finanzkrise impliziert somit (1) Probleme im Bereich des internatio-

nalen und nationalen Kreditverkehrs, die meistens zu einer nationalen Bankenkrise führen, (2) Liquiditäts- und Wechselkursprobleme auf den Devisenmärkten, die eine Währungskrise implizieren sowie (3) im Hinblick auf Aktien- und Immobilienmärkte Bewertungs- und Renditeprobleme, die häufig eine tiefgreifende realwirtschaftliche Krise auslösen. Markante Beispiele für internationale Finanzkrisen sind in jüngerer Zeit vor allem die Mexikokrise (bzw. Peso-Krise) 1994/95, die Asienkrise 1997/98 sowie die Krisen in Russland und in Brasilien in den Jahren 1998/99. Jede dieser Krisen wurde ausgelöst durch einen kurzfristigen massiven Rückzug ausländischer Kredite, teilweise gefolgt von inländischer Kapitalflucht. Daraus resultierten jeweils erhebliche Abwertungen der betroffenen Währungen sowie insbesondere in der Asienkrise ein Verfall von Aktienkursen und Immobilienpreisen. Die Abbildung 9.1 macht exemplarisch für einige von der Asienkrise betroffene Länder den Kurseinbruch auf den Devisenmärkten unmittelbar nach Ausbruch der Krise deutlich. Thailand machte Mitte 1997 den Anfang, ehe kurz darauf Indonesien und Malaysia sowie andere Länder in Süd-Ostasien folgten. Innerhalb weniger Monate wurden die indonesische Währung um etwa 80%, die thailändische Währung um 50% und die Währung Malaysias um 40% abgewertet. Um die realwirtschaftlichen Folgen abzuschwächen sowie eine Eskalation und Ausbreitung der Krise mit letztlich negativen Wirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft zu verhindern, stellten internationale Organisationen (Weltbank, IWF) und einzelne große Industrieländer (USA, EU, Japan) den Krisenländern umfangreiche Liquiditätshilfen zur Verfügung, durch die die internationale Zahlungsfähigkeit wiederhergestellt wurde. Die Währungsund die Bankenkrisen konnten dadurch überwunden oder zumindest erheblich abgeschwächt werden. Zugleich wurde eine gewisse realwirtschaftliche Stabilisierung erreicht. Wie die Abbildung 9.1 zeigt, konnten in Asien bereits im Laufe des Jahres 1998 die Wechselkurse nicht zuletzt aufgrund der zuvor genannten Liquiditätshilfen auf nunmehr niedrigerem Niveau stabilisiert werden. -

-

-

-

395

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

Abbildung 9.1: Bilaterale Wechselkurse gegenüber dem US-Dollar (Index Januar 1996 100) =

120 t-1

Ol-.-.1996

1997

-1

1998

Quelle: PACIFIC (Policy Analysis Computing & Information Facility change Rate Service; http://pacific.commerce.ubc.ca/xr. 9.5.2 Ursachen

von

1999

In

Commerce),

Ex-

Finanzkrisen

Bei den Ursachen sind • • •

folgende Bereiche zu unterscheiden: die institutionellen Rahmenbedingungen die nationale Währungs- und Finanzpolitik das Verhalten der Akteure auf den nationalen und internationalen Finanzmärkten.

a) Institutionelle Rahmenbedingungen Die Erfahrungen zeigen, dass solche Länder für Krisen anfällig sind, die keine stabile Finanzmarktordnung besitzen und in denen sowohl nicht nur die privaten Nichtbanken, sondern auch die privaten Banken nur unzureichende Erfahrungen mit Geschäften auf freien internationalen Kapitalmärkten haben. Mit Blick auf die Finanzmarktordnung gibt es in den meisten Entwicklungs-, Schwellen- und Transformationsländern erhebliche Mängel im Bankensystem. Vorschriften über Eigenkapitalquoten, Einla-

Währungsrisiken, Fristenkongruenz bei Aktiva und Passiva sowie Bankenaufsicht fehlen vollständig oder sind zumindest unzureichend. Begünstigt durch die ordnungspolitischen Mängel bestehen häufig enge personelle Verflechtungen zwischen Regierung und gensicherungen, Absicherung

von

396

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

auf der einen Seite und Zentralbank und privaten Banken auf der anderen Seite. Hierdurch wird die Korruption gefördert, die ihrerseits Finanzkrisen auslösen oder verstärken kann. Vor diesem Hintergrund sind die Banken in solchen Ländern oftmals durch eine viel zu geringe Eigenkapitalbasis, durch ein schlecht ausgebildetes Management sowie durch unsolide Geschäftspolitiken gekennzeichnet. Die Aufarbeitung der Finanzkrisen in Mexiko, Asien und Russland hat gezeigt, dass im Vorfeld der Krisen erhebliche ordnungspolitische Widersprüche bestanden: Auf der einen Seite wurden die nationalen Finanzmärkte liberalisiert und für das internationale Kapital geöffnet, auf der anderen Seite wurde es aber versäumt, einen dafür passenden neuen Ordnungsrahmen z. B. nach dem Vorbild der Finanzmarktordnungen der traditionellen Industrieländer zu schaffen. Nach dem Übergang vom staatlichen oder staatlich strikt regulierten System zu (weitgehend) freien Finanzmärkten blieb bei Banken und Nichtbanken zunächst ein großes Vertrauen in die aus früheren Tagen bekannte Regulierungskraft der staatlichen Institutionen erhalten. Das war ein Grund dafür, dass private Wirtschaftssubjekte zu teilweise höchst risikoreichen Finanzgeschäften bereit waren, denen wegen des mangelhaften Ordnungsrahmens keine oder nur enge Grenzen gesetzt wurden. Aus den ordnungspolitischen Widersprüchen resultierte nicht zuletzt das Moral-Hazard-Problem, wonach private Akteure an den Finanzmärkten im Vertrauen auf eine staatliche Risikoabsicherung höchst riskante Geschäfte tätigen. In der Tat sah sich der Staat nach Ausbruch der Krise gezwungen, die privaten Verluste zumindest teilweise zu übernehmen.

Verwaltung

-

-

b) Nationale Währungs- und Finanzpolitiken Die genannten praktischen Fälle haben jeweils deutlich gemacht, dass die nationalen Währungs- und Finanzpolitiken internationale Finanzkrisen begünstigen und sogar auslösen können. Vielfach wurde eine Festkurspolitik betrieben, bei der die eigene Währung nominell an den US-Dollar oder vereinzelt an eine andere international anerkannte Währung gebunden wurde. Wenn aber die eigene Inflationsrate durchweg höher ist als in den USA oder anderen traditionellen Industrieländern, kommt es zwingend zu einer anhaltenden realen Aufwertung der nationalen Währung. Mit einer solchen Politik lässt sich zwar einerseits das Ziel erreichen, Importgüter möglichst preisgünstig zu beschaffen, aber andererseits sinkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft mit der Folge zunehmender Leistungsbilanzdefizite. Diese Defizite lassen sich zeitweise problemlos durch Kapitalimporte aus Auslandskrediten finanzieren, sie führen jedoch nach einer gewissen Zeit zu einem Vertrauensverlust

397

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

sowohl auf Seiten der ausländischen Kreditgeber als auch der inländischen Finanzmarktakteure. Diese sehen in den anwachsenden Leistungsbilanzdefiziten einen Indikator dafür, dass der Wechselkurs schon bald nicht mehr halten ist. Das gibt zum einen den Anstoß für einen Rückzug ausländischer Kreditgeber vom heimischen Finanzmarkt und zum anderen für die Kapitalflucht seitens inländischer Wirtschaftssubjekte. Die ausländischen Anleger befürchten, dass zur Verteidigung des Wechselkurses die ohnehin knappen Währungsreserven des Schuldnerlandes vollends aufgebraucht und dann dem Land Rückzahlungen der zumeist in US-Dollar nominierten Verbindlichkeiten unmöglich werden. Diese Erwartungen und Reaktionen haben quasi zwangsläufig einen Selbsterfüllungseffekt zur Folge: Kapitalabzug und Kapitalflucht setzen die Währung des Landes massiv unter Druck; zur Stützung der Währung interveniert die Zentralbank, indem sie Devisenreserven verkauft; vor dem Hintergrund knapper Reserven lässt sich das Wechselkursziel schon nach kurzer Zeit nicht halten, so dass die Währung faktisch abgewertet wird. Dieser Prozess wird noch möglicherweise sogar dramatisch verstärkt, wenn erste Probleme bei der Rückzahlung von Devisenverbindlichkeiten bzw. von in Auslandswährung nominierten Kreditverbindlichkeiten offen sichtbar werden und ausländische Kreditgeber in kürzester Zeit versuchen, ihre Forderungen quasi fluchtartig zu retten. zu

-

-

finanzpolitische Aktivitäten können eine Finanzkrise ebenfalls begünstigen. Ein Beispiel dafür liefert Mexiko. Zur Finanzierung öffentlicher Defizite wurden 1994 kurzfristige Papiere (die sogenannten „tesobonos") emittiert, die mit einer Dollar-Rückzahlungsgarantie ausgestattet waren. Das machte solche Papiere attraktiv, so dass sie in großem Umfang in Umlauf gebracht wurden. Die Hoffnung des Staates, bei Fälligkeit der Papiere problemlos refinanzieren zu können, erfüllte sich jedoch nicht. Bei den ersten Anzeichen der Finanzkrise wurden dem Staat die kurzfristigen Papiere mit der Forderung auf Rückzahlung in US-Dollar präsentiert. Dazu war man aber wegen knapper Dollarreserven nicht in der Lage. Es blieb deshalb nicht aus, dass die Krise hierdurch noch zusätzlich angeheizt wurde. Vor diesem Hintergrund erweist es sich als höchst problematisch, wenn öffentliche Budgetdefizite mit Krediten finanziert werden, die in Auslandswährung nominiert sind. Falsche

der Akteure auf den nationalen und internationalen Finanzmärkten

c) Verhalten

Eine Finanzkrise resultiert nicht zuletzt aus dem Verhalten bzw. den Entscheidungen und Handlungen der Akteure. Das sind auf der einen Seite die Kreditnehmer in einem Land und auf der anderen Seite die internationalen

398

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Kreditgeber.

Die privaten Kreditgeber sind vorwiegend Banken und Investmentfonds aus den hochentwickelten Industrieländern (insbesondere USA, EU und Japan). Sie verfügen meistens über eine relativ hohe freie Liquidität, für die möglichst gewinnbringende Anlagen gesucht werden. Typisch sind folgende Verhaltensweisen: •





Anlagen in den sogenannten Emerging-Markets (z. B. Mexiko, Brasilien, Schwellenländer Süd-Ostasiens sowie Russland) sind im Allgemeinen mit vergleichsweise hohen Zinssätzen ausgestattet, so dass hierin eine willkommene Möglichkeit zur Renditesteigerung gesehen wird. Da man sich bei der Kreditvergabe vorwiegend auf Makrodaten stützt, die überdies nur mit zeitlichen Verzögerungen verfügbar und mit nicht einschätzbaren statistischen Ungenauigkeiten behaftet sind, sowie genaue Informationen über die Kreditverwendung meistens fehlen, wird das Anlagerisiko unterschätzt. Vor dem Hintergrund solcher Informationsdefizite werden in der Regel nur kurzfristige Kredite vergeben, teilweise sogar mit täglichen Fälligkeiten. Auch die Investmentfonds gehen von der Vorstellung aus, Emerging-Markets-Aktien kurzfristig abstoßen zu können. Aufgrund der Informationsdefizite ist auf Seiten der Kreditgeber ein gewisses Herdenverhalten zu beobachten, und zwar zunächst in der Phase der Kreditvergabe sowie später bei den ersten Anzeichen einer Krise, wenn einige Investoren beginnen, ihre Anlagen zurückzuholen.

Die beiden zuerst genannten Verhaltensweisen erklären, warum es überhaupt zu der relativ hohen Kreditvergabe an Länder der Emerging Markets kommt. Die übrigen Verhaltensweisen sind von grundlegender Bedeutung für das Ausbrechen und die Akzeleration einer Finanzkrise: Ein Kapitalabzug ist in kürzester Zeit möglich und das Herdenverhalten impliziert schnell eine erhebliche Krisenverschärfung. Zwar kämen internationale Finanzkrisen nicht zum Ausbruch oder wären zumindest schwächer, wenn die Kreditgeber bei möglichst umfassender Information nach den in den Industrieländern üblichen Maßstäben verfahren würden, aber gleichwohl liegen wesentliche Gründe für eine Krise bei den Kreditnehmern in den Schuldnerländern: •



Die Banken der Schuldnerländer betreiben eine risikoreiche Fristentransformation: Sie nehmen im Ausland kurzfristige Kredite auf und geben ihrerseits auf dieser Grundlage längerfristig laufende höher verzinsliche Kredite an inländische Nichtbanken. Wie schon erwähnt, gibt es nur selten Vorschriften, die dieses Verhalten unterbinden. Die Banken, aber auch die Nichtbanken (Unternehmungen und öffentlicher Haushalte) nehmen einerseits in Auslandswährung nominierte Kre-

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

399

dite auf, betreiben andererseits aber in der Regel kein Hedging zur Absicherung der Wechselkursrisiken. So stehen den z. B. in US-Dollar nominierten Verbindlichkeiten keine oder nur unzureichende Forderungen in der gleichen



Währung gegenüber. Angesichts eines hohen Liquiditätszuflusses aus dem Ausland sowie aufgrund des mangelhaften ordnungspolitischen Rahmens und der unzulänglichen Anlageerfahrungen neigen die Kreditnehmer dazu, Kredite für Anlagen zu verwenden, deren Renditen nicht solide abgesichert sind.

Vor allem im Vorfeld der asiatischen Krise hat das zu einem Boom bei Immobilienpreisen und Aktienkursen geführt, die letztlich von der realwirtschaftlichen Rendite völlig abgehoben waren. Hier entstand somit eine typische spekulative Blase. Es leuchtet ein, dass solche Verhaltensweisen der Kreditnehmer ein Nährboden für Finanzkrisen sind. Sobald durch irgendeinen Anlass, z. B. durch schlechtere Makrodaten als erwartet, ausländische Kreditgeber ihre Anlagen abziehen und eine kurzfristige Refinanzierung im Ausland nicht möglich ist, geraten die Kreditnehmer der Schuldnerländer in erhebliche Schwierigkeiten: Wegen der vorgenommenen Fristentransformation und wegen des fehlenden Hedgings sind sie schon in kürzester Zeit nicht in der Lage, die in Auslandswährung nominierten ausländischen Kredite zu bedienen. Das aber führt zwangsläufig zu einer Krisenverschärfung. Sobald sich der Liquiditätszufluss umkehrt, bleibt auch der Verfall der Immobilienpreise und Aktienkurse nicht aus. Dadurch werden Einkommensplanungen und Einkommenserwartungen der Investoren in kurzer Zeit zunichte gemacht. Von daher löst die Finanzkrise möglicherweise auch eine realwirtschaftliche Krise aus. 9.5.3

Vermeidung von Finanzkrisen Internationale Finanzkrisen gefährden nicht nur die ökonomische Stabili-

tät der auslösenden

Schuldnerländer, sondern können sich auch auf andere ausbreiten und darüber schließlich weitreichende Instabilitäten auf Länder den Finanz- und Gütermärkten hervorrufen. Sie implizieren eine Fehlallokation von Kapital, die nicht zuletzt in Verlusten sowohl in den Schuldnerländern als auch in den Gläubigerländem zum Ausdruck kommt. Das schließt keineswegs aus, dass es auf Seiten der Kreditgeber und der Kreditnehmer auch Gewinner gibt. Das sind die Akteure, die noch kurz vor oder bei Ausbruch einer Krise Gewinne realisiert haben oder die Nutznießer von Rettungsmaßnahmen staatlicher oder internationaler Institutionen sind. Gleichwohl verursacht eine Krise meistens erhebliche private und insbesondere soziale Kosten.

400

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Es besteht somit ein länderübergreifendes Interesse, Finanzkrisen zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen. Dazu sind Maßnahmen auf nationaler Ebene und auf internationaler Ebene möglich. Mit Blick auf die oben dargelegten Ursachen ist es erforderlich, dass in den Ländern, die Kreditnehmer auf den internationalen Kapitalmärkten sind, grundlegende ordnungspolitische Reformen vorgenommen werden, so wie sie weiter oben schon erläutert wurden. Häufig anzutreffen sind allerdings auch Vorschläge zur Kontrolle und Regulierung des internationalen Kapitalverkehrs der Schuldnerländer: • Beschränkungen des kurzfristigen Kapital Verkehrs, z. B. durch Festlegung quantitativer Limits oder durch spezifische Steuern auf kurzfristige

grenzüberschreitende Kapitalbewegungen. Hinterlegung eines Devisenbetrags bei der

heimischen Zentralbank in Höhe eines bestimmten Anteils der Auslandskredite. Mit solchen Maßnahmen könnte man zum einen die Gefahr des sehr kurzfristigen Kapitalabzugs seitens der ausländischen Kreditgeber und des kurzfristigen Kapitalexports inländischer Wirtschaftssubjekte begegnen und zum anderen Devisenreserven aufbauen, um Liquiditätsprobleme zu vermeiden. Allerdings haben solche Maßnahmen zur Folge, dass zumindest der kurzfristige Kapitalzufluss aus dem Ausland geringer wird und die nationalen Kreditkosten steigen. Wendet ein einzelnes Land diese Maßnahmen an, so könnte es in der Konkurrenz um das knappe internationale Kapital einen Wettbewerbsnachteil erleiden. Es besteht zwar die Erwartung, dass ausländische Kreditgeber solche Maßnahmen im Hinblick auf das geringere Kreditrisiko honorieren, aber die Erfahrungen scheinen das nicht zu •

bestätigen.

Auf weltweiter Ebene steht die

Errichtung

einer

neuen

internationalen

Finanzarchitektur zur Diskussion. Diese könnte beispielsweise vorsehen: weltweit verbindliche Richtlinien für die nationalen Finanzmarktordnungen, so wie sie oben exemplarisch für die Schuldnerländer skizziert wurden • Einrichtung einer globalen länderübergreifenden Finanzmarktaufsicht • generelle Einschränkung des kurzfristigen internationalen Kapitalverkehrs, z. B. durch eine für alle Länder verbindliche Steuer (Tobin-Steuer) auf entsprechende Kapitalbewegungen. Eine so gestaltete internationale Finanzmarktordnung ließe sich als ein Pendant zur Gütermarktordnung begreifen, wie sie mit dem GATT in der WTO praktiziert wird. Während sich die zuvor genannten Ordnungselemente angesichts der Erfahrungen mit Finanzkrisen ökonomisch begründen lassen und gewisse Realisierungschancen besitzen, sind weitergehende Vorschläge weder öko•

401

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

vernünftig noch durchsetzbar. Dazu zählen beispielsweise die Errichtung eines neuen weltweiten Festkurssystems gegebenenfalls mit einer einheitlichen Weltzentralbank sowie eine weltweite Regulierung des Kapitalverkehrs. Mit dem Scheitern des Währungssystems von Bretton-Woods ist sehr deutlich geworden, dass feste Wechselkurse in einer Welt mit gravierenden Unterschieden der nationalen Wirtschaftsstrukturen nicht geeignomisch

sind, die monetären und realen Märkte zu stabilisieren, sondern dass sie vielmehr destabilisierende Wirkung haben. Ebenso schlecht sind die Erfahrungen mit umfassenden staatlichen Kapitalverkehrskontrollen. In aller Regel hat das eine starke Einschränkung des internationalen Kapitalverkehrs zur Folge, von der vor allem die Länder am meisten betroffen sind, die zur Entwicklung ihrer Volkswirtschaften auf ausländisches Kapital dringend angewiesen sind. net

9.5.4

Bewältigung von Finanzkrisen Wenn eine Finanzkrise bereits ausgebrochen ist, sind kurzfristig wirkende

Maßnahmen erforderlich, um eine Eskalation zu vermeiden. Den betroffeSchuldnerländern fehlen aber meistens die dafür notwendigen Mittel. Es stellt sich deshalb die Frage, ob und zu welchen Bedingungen internationale Organisationen (z. B. IWF, Weltbank) oder Regierungsstellen anderer Länder Rettungsmaßnahmen ergreifen sollten. Umfangreiche internationale Hilfen hat es beispielsweise während der Mexiko-Krise und der Asien-Krise gegeben. Internationale Rettungsmaßnahmen sind darauf angelegt nen



die Zentralbanken der betroffenen Schuldnerländer mit Devisen auszustatten und so die kurzfristigen Liquiditätsprobleme zu dämpfen oder zu



den

beseitigen Regierungen der betroffenen

zu

Schuldnerländer Mittel

zur

Verfügung

stellen, mit denen die kontraktiven realwirtschaftlichen Wirkungen

der Krise bekämpft werden können. Die internationalen Rettungsmaßnahmen insbesondere diejenigen des Internationalen Währungsfonds (IWF) sind immer wieder kritisiert worden. Zum einen wird die Effektivität der Maßnahmen angezweifelt und zum anderen wird auf unerwünschte Folgewirkungen verwiesen. Im Hinblick auf die Effektivität lässt die Eindämmung der Mexiko- und der Asien-Krise vermuten, dass das Eingreifen internationaler Organisationen erfolgreich gewesen ist. Andererseits ist die Finanzkrise in Russland im Jahr 1998 ohne maßgebliche Auswirkungen auf andere Länder geblieben, obwohl internationale Hilfsmaßnahmen nicht zum Zuge kamen. Russland war zu dieser Zeit nicht bereit, die Auflagen des IWF zu akzeptieren. Die Erfahrungen mit der russischen Krise könnten die These stützen, dass die -

-

402

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Selbststeuerungskräfte

auf den internationalen Finanzmärkten stark genug zu verkraften und ein Übergreifen auf das GeOb man wirklich darauf vertrauen kann, ist alzu verhindern. samtsystem zumindest derzeit noch fraglich. lerdings Gravierender sind die möglichen Folgewirkungen internationaler Rettungsmaßnahmen, die ihrerseits Bedeutung für die Effektivität haben. Eine maßgebliche Rolle spielt dabei die Gefahr des moral hazard. Man befürchtet, dass die Hilfsmaßnahmen (das „hall out") aufgrund der Sozialisierung privater Risiken und Verluste einen Anreiz dazu geben, die risikoreiche Kreditvergabe und Kreditaufnahme in Zukunft fortzuführen oder sogar noch auszuweiten, und dass hierdurch die Häufigkeit von Finanzkrisen zunehmen kann. Wenn es zu diesem Ergebnis käme, wären die Rettungsmaßnahmen letztlich nicht effektiv gewesen. Vielmehr wäre es dann besser gewesen, eine Krise durchzustehen und die Akteure auf diese Weise zu disziplinieren. Allerdings lassen die bisher gemachten Erfahrungen nicht den Schluss zu, dass das Moral-Hazard-Problem auf den internationalen Finanzmärkten eine maßgebliche Rolle spielt. In der Mexiko- und in der Asien-Krise waren die letztlich von den privaten Akteuren zu tragenden Verluste insbesondere in den Schuldnerländern, aber auch auf Seiten der Kreditgeber trotz der Rettungsmaßnahmen relativ hoch, so dass schon von hierher eine gewisse Disziplinierung zu vermuten ist. Wahrscheinlich wird es auch in Zukunft wiederholt zu Finanzkrisen kommen, die ein Eingreifen internationaler Organisationen erforderlich machen. Gleichwohl besteht die Hauptaufgabe darin, auf möglichst allen nationalen Finanzmärkten Bedingungen zu schaffen, mit denen die Gefahr internationaler Finanzkrisen zumindest verringert wird.

sind, lokale Finanzkrisen

-

-

| Zusammenfassung_| In den internationalen Wirtschaftsbeziehungen eines Landes sind reine Leistungstransaktionen, reine Finanztransaktionen und komplementäre Finanz- und Leistungstransaktionen möglich. Finanztransaktionen können Leistungstransaktionen verursachen und umgekehrt. Der autonome Kapitalexport eines Landes bewirkt im klassischen Transfermodell eine gleich hohe Verbesserung der Leistungsbilanz. Im keynesianischen Transfermodell ergibt sich dieses Ergebnis nur bei flexiblem Wechselkurs. Bei -

festem Wechselkurs wird der autonome Kapitalexport in diesem Modell durch entgegen gerichtete Leistungs- und Finanztransaktionen kompensiert.

Determinanten der Transaktionen auf den internationalen Geld-, Kredit- und Wertpapiermärkten sind insbesondere Zinsdifferenzen, erwartete Wechselkursänderungen sowie erwartete Wertänderungen der Anlagen. Bei Handelskrediten

sind demgegenüber güterwirtschaftliche Kalküle dominierend. Auf den Eurowährungsmärkten ist eine multiple Geldschöpfung möglich, die von den Zentralbanken einzelner Länder nicht kontrolliert werden kann. Gleichwohl

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

403

sind Befürchtungen, dass von diesen Märkten inflationäre Wirkungen auf die Weltwirtschaft ausgehen und die nationalen Geldmärkte gestört werden, nach den vorliegenden Erfahrungen unbegründet. Vielmehr tragen diese Märkte zur optimalen internationalen Kapitalallokation bei. Direktinvestitionen im Ausland werden insbesondere mit Blick auf die relativen Produktionskosten, die Erschließung und Sicherung von Absatz- und Beschaffungsmärkten sowie die Verfügbarkeit primärer Produktionsfaktoren getätigt. Die mit Direktinvestitionen unmittelbar verbundenen Zahlungsbilanzeffekte in den Geber- und den Empfängerländern hängen vor allem von der Art der Finanzierung, vom Umfang der komplementären Gütertransaktionen in den Investitions- und in den Produktionsphasen sowie vom Verhältnis der Gewinntransfers zu den reinvestierten Gewinnen ab. Es ist nicht auszuschließen, dass Direktinvestitionen im Geberland mit Arbeitsplatzverlusten verbunden sind. Andererseits bieten sie abhängig von der Art der Direktinvestition sehr wohl die Chance, dort Arbeitsplätze zu erhalten und möglicherweise sogar neue Arbeitsplätze zu schaffen. In den Empfängerländern -

-

ergeben sich i.d.R. positive Beschäftigungseffekte. Der externe Finanzierungssaldo bzw. die Veränderung der Auslandsposition eines Landes entspricht einerseits der Differenz zwischen den nationalen Ersparnissen und Investitionen und andererseits dem Saldo der Leistungsbilanz. Auslandsverschuldung entsteht primär aus anhaltenden Leistungsbilanzdefiziten, die ihrerseits auf Exportschwächen, Importabhängigkeiten, hausgemachte Inflation, Wechselkursverzerrungen, eine zu geringe Sparneigung oder eine beschränkte Sparfähigkeit zurückzuführen sind. Verschuldungsprobleme entstehen insbesondere in den Entwicklungsländern aus der Währungsnomination, den unzureichenden Renditen der Kreditverwendung, relativ kurzen Laufzeiten der Kredite sowie einem relativ hohen Anteil privater Kredite.

Umschuldungen und Schuldenerlasse sind allenfalls zur kurzfristigen Lösung Verschuldungskrisen geeignet. Die nachhaltige Lösung erfordert MaßnahVerhinderung anhaltender Leistungsbilanzdefizite, wobei der Stärkung der Exporte eindeutig der Vorzug zu geben ist gegenüber einer Importsubstitutivon men zur on.

Von internationalen Finanzkrisen sind vor allem Entwicklungs-, Schwellen- und Transformationsländer betroffen, deren Finanzmarktordnungen unzulänglich sind und deshalb risikoreiche Kredit- und Währungsgeschäfte ermöglichen sowie Korruption fördern. Zur kurzfristigen Überwindung einer Finanzkrise sind Rettungsmaßnahmen internationaler Organisationen (z. B. IWF) und anderer Länder möglich. Problematisch ist hierbei allerdings das Moral-Hazard-Problem, durch das die nachhaltige Effektivität solcher Maßnahmen in Frage gestellt wird. Weil Finanzkrisen häufig nicht lokal begrenzt sind, sondern rasch auf andere Länder übergreifen und dadurch die Weltwirtschaft beeinträchtigen können, besteht wahrscheinlich Bedarf an einer neuen internationalen Finanzarchitektur, mit der nach dem Vorbild des GATT verbindliche Regeln für nationale Finanzmarktordnungen und den internationalen Kapitalverkehr festgelegt werden sollten.

404

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Literatur Agarwal, J.P., Determinants of Foreign Direct Investment: A Survey, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 116, 1980, S. 739 773. Dunning, J.H., The Eclectic Paradigm of International Production, A Restatement and Possible Extensions, in: Journal of International Busi31. ness Studies, Vol. 30, 1988, S. 1 Dunning, J.H., Multinational Enterprises and the Global Economy, Harlow 1998. Eichengreen, B., Towards a New International Financial Architecture: A Practical Post-Asia Agenda, Washington (D.C.) 1999. Frenkel, M. I Klein, M., Die Theorie der Zahlungsbilanzkrisen, in: WiSt, Heft 8, 1992, S. 415-418. Grabbe, O., International Financial Markets, 3. Aufl., New York 1995. Hill, C.W.L., International Business, Competing in the Global Marketplace, 3. Aufl., New York 1999, Kapitel 6 und 10. Kamp, M., Der Internationale Währungsfonds, in: WISU, Heft 2, 1998, S. 143 146. Kindleberger, CP., Manias, Panics and Crashes: A History of Financial Crises, 3. Aufl., New York 1996. Krugman, P.R. (Hrsg.), Currency Crisis, Chicago 2000. Krugman, P.R. I Obstfeld, M., International Economics, Theory and Policy, 5. Aufl., Reading (Mass.) 2000, Kapitel 21 und 22. McKinnon, R.I., The Order of Economic Liberalization: Financial Control in the Transition to a Market Economy, 2. Aufl., Baltimore 1993. Obstfeld, M., The Logic of Currency Crises, NBER Working Papers, Berkeley 1994. Obstfeld, M., International Currency Experience: New Lessons and Lessons Relearned, in: Brookings Papers on Economic Activity, 1995, S. 119 220. Obstfeld, M., The Global Capital Market: Benefactor or Menace? In: Journal of Economic Perspectives, Vol. 12, 1998, S. 9 30. -

-

-



-

T.A. I Lindert, P.H., International Economics, 11. Aufl., Boston 2000, Kapitel 26 und 27.

Pugel,

Sachs, J. I Tornell, A. I Velasco, A., The Collapse of the Mexican Peso: what have we learned?, in: Economic Policy, Vol. 22, 1996, S. 15 63. Siebert, H., Außenwirtschaft, 7. Aufl., Stuttgart 2000, Kapitel 15. -

405

Kapitalverkehr, Auslandspositionen und Finanzkrisen

Siebert, H., Weltwirtschaft, Stuttgart 1997, Kapitel 5, 7 und 9. Tietmeyer, H., Finanzkrisen. Wie sie entstehen, was man tun kann, in: WISU, Heft 6, 1998, S. 633 634. Tobin, J., A Proposal for International Monetary Reform, in: J. Tobin (Hrsg.), Essays in Economics, Cambridge (Mass.), 1982, S. 488 494. Willms, M., Internationale Währungspolitik, 2. Aufl., München 1995, Ka-

-

pitel

14 und 15.

Kapitel 10 Wechselkurs und Leistungsbilanz I Untersuchungsziele_| Erklärung der Abhängigkeit der Importe und der Exporte vom Wechselkurs Analyse der Wirkungen von Wechselkursänderungen auf Importe, Exporte und Außenbeitrag Darstellung der zeitlichen Reaktionsverzögerungen des Außenbeitrags auf Wechselkursänderungen.

10.1

Importe, Exporte und Außenbeitrag

Der nominelle Außenbeitrag eines Landes (des Inlands) Differenz zwischen dem Exportwert und dem Importwert, niert in der Landeswährung:

(10.1)

entspricht der jeweils nomi-

AB" EXn EvI" =

-

Exportwert und der Importwert enthalten jeweils eine Preis- und eine Mengenkomponente: (10.2) EXn PeEX Der

=

(10.3) IM" w P*, IM Pe ist das in Inlandswährung nominierte Preisniveau der Exportgüter des Inlands. Analog dazu ist Pm das in Auslandwährung nominierte Preisniveau =

Importgüter des Inlands. Der Wechselkurs w bezeichnet den Preis der Auslandswährung in Inlandswährung (z. B. €/$). Eine Abwertung der Inlandswährung kommt deshalb in einem Anstieg des Wechselkurses w zum Ausdruck. Wird das Preisniveau Pm mit dem Wechselkurs w multipliziert, so ergibt sich das in Inlandswährung (z. B. in €) nominierte Preisniveau der Importgüter. EX sind die realen Exporte des Inlands. In ihnen kommen die Exportmengen zum Ausdruck. Analog dazu bezeichnet EVI die mengenmäßigen Importe des Inlands, die den realen Exporten des Auslands ins Inland entsprechen. Untersucht werden im Folgenden nur die direkten Preis- und Wechselkursabhängigkeiten der Exporte und der Importe. Für die ausländischen Nachfrager nach inländischen Exportgütern ist das in ihrer eigenen Währung ausgedrückte Exportpreisniveau von Bedeutung. Dieses ergibt sich durch Umrechnung des inländischen Preisniveaus Pe mit Hilfe des Wechder

408

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

selkurses w. Das für die ausländische Exportnachfrage relevante Preisniveau lässt sich somit wie folgt ausdrücken:

pe=^f

(10.4)

w

Die realen auf:

Exporte

des Inlands weisen die

folgende Preisabhängigkeit Spy

mit:

EX = EX(pe)

(10.5)


0, .



wennriEx + (l

+

Außenbeitrags zur Folge, wenn

JMS

TiiM)g

°„

wenn

1

+

"ex

+

TllM


0 oPe

(10.14) Ms IMs(Pm)

mit:^>0 öPm

=

=

Exportangebot EXS hängt vom in Inlandswährung nominierten Exportpreisniveau und das Importangebot EMS vom in Auslandswährung nominierten Importpreisniveau ab. Das Angebot ist hier jeweils preiselastisch. Für diesen Fall lässt sich die Reaktion des Außenbeitrags mit Hilfe der Robinson-Bedingung beschreiben. Wie in der Marshall-Lerner-Bedingung, so wird auch in der Robinson-Bedingung angenommnen, dass der Außenbeitrag in der Ausgangssituation ausgeglichen ist. Die Bedingung lautet Das

dann:

(10.15)

^ Aw

>

0,

wenn

1

+

nEX + J)m


*

(11.22) AY (11.23) AY

aus

s + m m =

-i-t

s +m

Veränderungen des Einkommens in dem jeweils anderen Land wirken sich auf das betrachtete Land umso stärker aus, je größer die marginale Importquote des anderen Landes ist und je kleiner die marginale Sparquote und die marginale Importquote des betrachteten Landes sind. Das lässt sich leicht erklären: •



Einkommensänderungen in dem anderen Land werden über die einkommensinduzierten Veränderungen der Importnachfrage dieses Landes auf das betrachtete Land übertragen, wobei die marginale Importquote eine Kerngröße darstellt. Der zuvor genannte Einfluss aus einer Veränderung des Außenhandels wirkt sich in dem betrachteten Land umso stärker auf das Einkommen aus, je größer der Einkommensmultiplikator ist; für diesen Multiplikator sind aber bekanntlich die marginale Sparquote und die marginale Importquote des betrachteten Landes von maßgeblicher Bedeutung.

Neben diesen marginalen Quoten spielt allerdings auch die relative Größe der Länder eine herausragende Rolle für die Stärke der Interdependenzen. Das wird offensichtlich, wenn man die Gleichungen (11.22) und (11.23) so erweitert, dass jeweils die relativen Einkommensänderungen in Bezug zueinander gesetzt werden:

(11.24) AY*Y-s + mY

AY*

Y

m

Y

(11.25) ~r77Tp s + m Y AYY ~~*-*Tp =

Die Ausdrücke zeigen, um wie viele Prozentpunkte das Einkommen in einem Land verändert wird, wenn sich das Einkommen in dem anderen Land um einen Prozentpunkt verändert. Es handelt sich hierbei somit zum einen um die Elastizität des inländischen Einkommens in Bezug zum ausländischen Einkommen sowie um die Elastizität des ausländischen Einkommens in Bezug zum inländischen Einkommen. Die Relationen Y*/Y oder Y/Y geben die relative Größe der beiden Länder wieder. Ist das Inland beispielsweise sehr klein, so ist einerseits die Relation Y*/Y sehr groß und andererseits die Relation Y/Y* sehr klein. Folglich ergibt sich aus der

Außenbeitrag,

445

Wechselkurs und Einkommen

Sicht des kleinen Inlands eine sehr hohe Einkommensinterdependenz, wogegen im Ausland nur eine geringe oder sogar sehr geringe Interdependenz spürbar ist. Im Folgenden sei allerdings angenommen, dass beide Länder relativ groß sind und deshalb die internationalen Einkommensinterdependenzen für beide Länder von maßgeblicher Bedeutung sind. Diese Interdependenzen und damit auch der internationale Konjunkturzusammenhang werden mit Hilfe der Abbildung 11.2 veranschaulicht. Dargestellt sind hier zum einen die Abhängigkeit des inländischen Einkommens Y vom ausländischen Einkommen Y* gemäß Gleichung (11.17) sowie zum anderen die Abhängigkeit des ausländischen Einkommens Y vom inländischen Einkommen Y gemäß Gleichung (11.16). Die Stärke der Einkommensinterdependenzen kommt in den Steigungen der Reaktiönslinien einerseits des Inlands YY* und andererseits des Auslands Y Y zum Ausdruck. Diese Reaktionen sind mit den Gleichungen (11.22) und (11.23) bereits eingehend beschrieben worden. In einer bestimmten Ausgangssituation möge ein Gleichgewicht mit einem inländischen Einkommen von Y0 und einem ausländischen Einkommen Yo bestehen. Die beiden Reaktionslinien schneiden sich dann im Punkt A. In dieser Situation werde die autonome heimische Absorption im Ausland erhöht. Das kommt in einer Verschiebung der ausländischen Reaktionslinie nach Y*Y, zum Ausdruck. Das ausländische Einkommen steigt auf Yi, solange das inländische Einkommen bei Y0 unverändert bleibt.

Abbildung 11.2: Einkommensinterdependenzen YY0 YY,

es im Ausland gemäß der dortigen marginalen einkommensinduzierten einer Erhöhung der ImportnachImportquote Ausland wie hier kommt. Ist das angenommen relativ groß, so frage diesem ein von maßgeblicher Einfluss auf das Ingeht Nachfrageeinstieg

Es ist

zu

beachten, dass zu

-

-

446

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

land aus. Gemäß dem dortigen Einkommensmultiplikator steigt das Einkommen im Inland auf Yi solange das ausländische Einkommen bei Y* unverändert ist. Der Einkommenszuwachs im Inland hat aber dort ebenfalls einen Anstieg der Importnachfrage zur Folge. Ist auch das Inland relativ groß, so folgt daraus ein merklicher Einkommensimpuls im Ausland. Dort steigt das Einkommen nun auf Y* Daraufhin wird die Importnachfrage im Ausland nochmals erhöht, und das hat im Inland einen weiteren Einkommensanstieg, nun auf Y2 zur Folge. Dieser Prozess setzt sich fort, bis ein neues Gleichgewicht erreicht worden ist. Im vorliegenden Beispiel steigt das ausländische Einkommen letztlich auf Yn und das inländische Einkommen

aufYn.

aufgezeigte internationale Konjunkturzusammenhang wurde ausgelöst originären Einkommensanstieg im Ausland um den Betrag Yt Y0. Aufgrund der Einkommensinterdependenzen bzw. des internationalen Konjunkturzusammenhangs erzeugt der originäre EinkomDer

zuvor

durch den -

menseffekt Sekundäreffekte sowohl im Inland als auch im Ausland selbst. Diese induzierten Einkommenseffekte machen im Inland einen Betrag von Yn Y0 und im Ausland selbst von Yn Y* aus. -

-

11.4 Volkswirtschaftliche Ersparnisse und Außenbeitrag 11.4.1 Güter- und finanzwirtschaftliche und Außenbeitrag

Grundlagen von Ersparnissen

Gleichungen (11.3) und (11.5) lässt sich entnehmen, dass der Außenbeitrag eines Landes der Differenz zwischen dem Einkommen und der heimischen Absorption entspricht: (11.26) AB Y-H Aus der Differenz zwischen Einkommen und Absorption resultieren die volkswirtschaftlichen bzw. nationalen Ersparnisse des betrachteten Landes: Den

=

(11.27) S Y-H =

Gleichgewicht stimmen demnach die geplanten volkswirtschaftlichen Ersparnisse mit dem geplanten Außenbeitrag überein. Diese Ersparnisse können positiv, null oder negativ sein. Entsprechend ist der Außenbeitrag dann positiv, null oder negativ. Darin werden zwei wichtige volkswirtschaftliche Zusammenhänge deutlich: Ein positiver Außenbeitrag ist nur möglich, wenn die inländischen Wirtschaftssubjekte auf die Absorption eines Teils der volkswirtschaftlichen Produktion, die dem Einkommen Y entspricht, für einen ExportüberIm



Außenbeitrag, Wechselkurs und Einkommen

447

schuss verzichten und somit einen Teil des Einkommens sparen anstatt zu

„verbrauchen" (güterwirtschaftlicher Aspekt).

Ein positiver Außenbeitrag impliziert einen Exportüberschuss des Inlands und gleichzeitig einen Importüberschuss des Auslands gegenüber dem Inland. Das Ausland ist gezwungen, zur Finanzierung des Importüberschusses vom Inland Kredite in Anspruch zu nehmen. Diese Kredite entstehen aus den Ersparnissen des Inlands, die über die Finanzmärkte letztlich dem Ausland zufließen (finanzwirtschaftlicher Aspekt). Ist der Außenbeitrag des Inlands demgegenüber negativ, so kehren sich die zuvor genannten Zusammenhänge um. Das Ausland muss dann im Hinblick auf einen Exportüberschuss darauf verzichten, seine gesamte Produktion selbst zu „verbrauchen". Darüber hinaus muss das Inland in Höhe der negativen Ersparnisse vom Ausland Kredite zur Finanzierung des eigenen Importüberschusses aufnehmen. Es versteht sich dann von selbst, dass bei einem Außenbeitrag von null sowohl das Inland als auch das Ausland eine Absorption in Höhe der eigenen Produktion realisieren können und Nettokredite zwischen den beiden Ländern nicht erforderlich sind. •

Bekanntlich umfasst die heimische Absorption die private Konsumgüternachfrage C, die private Investitionsgüternachfrage I und die Nachfrage der öffentlichen Haushalte (des Staates) G:

(11.28) H C + I + G =

Analog dazu setzen sich die volkswirtschaftlichen Ersparnisse aus den Ersparnissen der privaten Haushalte, der privaten Unternehmungen sowie der öffentlichen Haushalte zusammen. In der Regel bilden die privaten Haushalte positive Ersparnisse, wogegen bei privaten Unternehmungen und öffentlichen Haushalten häufig negative Ersparnisse festzustellen sind. Im Fall negativer volkswirtschaftlicher Ersparnisse sind diese somit im Allgemeinen auf Finanzierungsdefizite der privaten Unternehmungen zur Realisierung von Investitionen und/oder auf Finanzierungsdefizite des Staates aus Deckungslücken im öffentlichen Budget zurückzuführen. Es ist hier klar zu erkennen, dass der Außenbeitrag eines Landes in einer engen Beziehung zu den Ausgabe- und Sparentscheidungen der Wirtschaftssubjekte dieses Landes steht. Am Beispiel eines Entwicklungslandes kann •

man

eines relativ niedrigen volkswirtschaftlichen Einkommensnibilden die privaten Haushalte eines Entwicklungslandes häufig nur

Aufgrund veaus



sich das sehr deutlich machen:

geringe Ersparnisse. Notwendige Entwicklungsinvestitionen und teilweise auch notwendige Sozialprogramme machen andererseits auf Seiten der privaten Investoren

Internationale

448

Wirtschaftsbeziehungen

und vor allem der öffentlichen Haushalte Finanzierungsdefizite erforderlich. Vor diesem Hintergrund sind bei Entwicklungsländern häufig negative volkswirtschaftliche Ersparnisse zu beobachten, denen dann zwingend ein negativer Außenbeitrag gegenübersteht. Allerdings ist ein solcher Fall nicht auf Entwicklungsländer beschränkt. So sind beispielsweise die volkswirtschaftlichen Ersparnisse und der Außenbeitrag der USA seit einigen Jahren negativ. Dem stehen dann zwingend positive volkswirtschaftliche Ersparnisse und ein insgesamt positiver Außenbeitrag anderer Länder, so z. B.

Japans, gegenüber.

Man kann sich nun die Frage stellen, ob die volkswirtschaftlichen Ersparnisse und dementsprechend der Außenbeitrag eines Landes das Ergebnis gezielter Entscheidungsprozesse ist. Es ist denkbar, dass ein Land, z. B. ein Entwicklungsland, ganz bewusst für einige Zeit • die privaten und öffentlichen Investitionen forciert, um die Entwicklung

des Landes voranzubringen • und dafür negative volkswirtschaftliche Ersparnisse und einen negativen Außenbeitrag in Kauf nimmt sowie dementsprechend zeitweise auf Auslandskredite angewiesen ist. Solche Überlegungen liegen einem theoretischen Ansatz zugrunde, der Ersparnisse und Außenbeitrag eines Landes im Rahmen eines gezielten intertemporalen Entscheidungskalküls erklärt. Dieser Ansatz wird nun kurz skizziert. 11.4.2 Ein intertemporaler Ansatz zur Erklärung des Außenbeitrags Betrachtet wird ein Land, das Entscheidungen über Absorption, Ersparnisse und Außenbeitrag über einen Zeitraum von zwei Perioden trifft und das Ziel verfolgt, am Ende dieses Zeitraums wieder eine ausgeglichene Auslandsposition, d.h. weder Nettoforderungen noch Nettoverbindlichkeiten gegenüber dem Ausland zu besitzen. Zunächst sei angenommen, dass das Land in dem betrachteten Zeitraum keine Investitionen tätigt, die Kapazitäts- und Produktionseffekte haben, sondern alle nachgefragten Güter verbraucht bzw. konsumiert. Auf der Basis der vorhandenen Produktionskapazitäten werde in den Perioden 1 und 2 eine jeweils gleich hohe inländische Produktion realisiert, aus der ein jeweils gleich hohes Einkommen Yi und Y2 resultiert. Die heimische Absorption in den beiden Perioden unterliegt dann der folgenden

Budgetrestriktion: (11.29) H, + H2 Y1 + Y2 + i(Y1-H1) =

Außenbeitrag,

Wechselkurs und Einkommen

449

oder:

(11.30) H1(l+i) + H2 Y1(l + i) + Y2 Der Betrag Yi entspricht den volkswirtschaftlichen Ersparnissen der =

Periode 1, die dem Ausland zu einem Zinssatz von i für eine Periode als Kredit zur Verfügung gestellt werden. Daraus resultiert in der Periode 2 ein zusätzliches Einkommen, das dann über zusätzliche Importe für den Verbrauch zur Verfügung steht. Volkswirtschaftliche Ersparnisse bedeuten hier also, dass das Inland in der Periode 1 zu einem Teil auf Güterverbrauch verzichtet, um in der Periode 2 einen höheren Güterverbrauch realisieren zu können. -

Allerdings ist das auch umgekehrt möglich. Das Inland kann in der Periode 1 mehr Güter verbrauchen als es selbst produziert. Demnach sind die volkswirtschaftlichen Ersparnisse und der Außenbeitrag in dieser Periode negativ. Das Inland benötigt folglich Kredite aus dem Ausland, für die es Zinsen zu zahlen hat. Das schmälert das für den Verbrauch verfügbare Einkommen in der Periode 2. Dieser Aspekt wird in der Gleichung (11.29) sichtbar, wenn man dort durch (1 + i) dividiert: (11.31)

H1+^j=Y1+^j

Auf der rechten Seite steht der Barwert des gesamten Einkommens, das für den Verbrauch in den beiden Perioden unter Beachtung der Zinszahlungen an das Ausland zur Verfügung steht. Dieser Fall wird mit Hilfe der Abbildung 11.3 erläutert.

Abbildung 11.3: Intertemporale Einkommensverwendung I

450

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Yi sei die Produktion und das Einkommen in der ersten Periode und Y2 die Produktion und das Einkommen in der zweiten Periode. Die Linie AB gibt die Budgetrestriktion gemäß Gleichung (11.29) oder (11.31) wieder. Die Strecke OA zeigt die maximal mögliche Absorption, wenn im Ausland in Höhe des Einkommens Y2 ein Kredit zum Zinssatz i aufgenommen wird. Analog dazu beschreibt die Strecke OB die maximal mögliche Absorption für den Fall, dass dem Ausland ein Kredit in Höhe des Einkommens Y, gewährt wird. Auf der Budgetlinie AB liegen alle möglichen Verbrauchskombinationen H! und H2 für die zwei Perioden. Dem hier dargestellten Beispiel liegt die Annahme zugrunde, dass in dem betrachteten Land eine gewisse Präferenz für den Gegenwartsverbrauch besteht. Diese Präferenz lässt sich beispielsweise mit Hilfe einer Nutzenfunktion beschreiben, so wie sie üblicherweise in der mikroökonomischen Theorie für einzelne Wirtschaftssubjekte Verwendung findet. Daraus wiederum kann eine Indifferenzkurve abgeleitet werden, die bei der untersuchten Fragestellung angibt, welche Kombinationen von Gegenwartsverbrauch H[ und Zukunftsverbrauch H2 jeweils den gleichen Nutzen stiften. Eine solche Indifferenzkurve ist mit U0 in der Abbildung 11.3 eingezeichnet worden. Dieser Indifferenzkurve ist ein bestimmtes Nutzenniveau zugeordnet. Bekanntlich drücken Indifferenzkurven, die näher zum Ursprung liegen, ein geringeres Nutzenniveau und Indifferenzkurven, die weiter vom Ursprung entfernt liegen, ein höheres Nutzenniveau aus. Bewegt man sich beispielsweise vom Punkt E aus auf der eingezeichneten Indifferenzkurve nach oben, so zeigt sich, dass der Verzicht auf eine Einheit des Gegenwartsverbrauchs bei gleichem Nutzen nur durch mehr als eine Einheit des Zukunftsverbrauchs kompensiert werden kann. Bewegt man sich demgegenüber von E aus nach unten, so wird deutlich, dass dem Verzicht von einer Einheit des Zukunftsverbrauchs mehr als eine Einheit des Gegenwartsverbrauchs erhalten.

gegenübersteht,

um

den

gleichen

Nutzen

zu

Bei der hier vorgegebenen Budgetrestriktion wird der maximal mögliche Nutzen im Punkt E realisiert. Der gewünschte Gegenwartsverbrauch beträgt somit H! und der gewünschte Zukunftsverbrauch H2. Der Verbrauch in der Periode 1 übersteigt demnach das Einkommen in dieser Periode um die Strecke CD. In Höhe dieser Strecke ist ein Importüberschuss und dementsprechend ein negativer Außenbeitrag erforderlich. Das impliziert einen gleich hohen Kredit aus dem Ausland. Bei dem zugrunde gelegten Zinssatz i resultiert aus diesem Kredit in der Periode 2 ein Rückzahlungsbetrag von FG. Um diesen Betrag wird das für den Verbrauch in der Periode 2 verfügbare Einkommen verringert. In der Periode 2 ist folglich nur noch ein Verbrauch in Höhe von H2 (Strecke CE) möglich. Die Präferenz für den

Außenbeitrag,

Wechselkurs und Einkommen

451

Gegenwartsverbrauch erzeugt somit Opportunitätskosten in Höhe der Zinszahlungen an das Ausland. Die Wirtschaftssubjekte des betrachteten Landes sind allerdings bereit, diese Kosten im Hinblick auf die Maximierung ihres Nutzens

zu

tragen.

In Erweiterung der vorangegangenen Analyse werden jetzt auch private und öffentliche Investitionen in Betracht gezogen. Es sei angenommen, dass zur Aufrechterhaltung der Kapazität für die Produktion in der zweiten Periode Reinvestitionen erforderlich sind und dass Nettoinvestitionen eine Ausweitung dieser Produktionskapazität implizieren. Um die Analyse möglichst einfach zu gestalten, sei darüber hinaus angenommen, dass die Nettoinvestitionen in der ersten Periode der Differenz zwischen der heimischen Absorption und dem Einkommen in dieser Periode entsprechen:

(11.32) Ii=Hi-Y, Demnach sind positive oder negative Nettoinvestitionen oder Nettoinvestitionen von null möglich. Bei Hi > wird über die positiven Nettoinvestitionen zusätzliche Produktionskapazität geschaffen, die für die Periode 2 den folgenden Produktions- bzw. Einkommenseffekt hat: (11.33) AY2 ß(H,-Y,) Wäre die heimische Absorption H[ geringer als das Einkommen Yu so würde das in diesem Beispiel bedeuten, dass die Nettoinvestitionen negativ =

sind und somit die Reinvestitionen nicht ausreichen, um die Produktionskapazität aufrechtzuerhalten. Produktion und Einkommen in der Periode 2 wären dann geringer. Annahmegemäß wird schließlich impliziert, dass bei Hi Yi die Reinvestitionen gerade ausreichen, um die Produktionskapazität für die Periode 2 zu erhalten. =

Unter

Berücksichtigung

der

Zusammenhänge,

die in der

(11.33) erfasst sind, lautet die Budgetrestriktion:

Gleichung

(11.34) H, + H2 Y, + Y2 + i(Y, H,) + ß(H, Y.) =

-

-

oder:

(11.35) H,(l + i ß) + H2 Y,(l + i ß) + Y2 In der Abbildung 11.4 ist diese Restriktion im Vergleich zur vorher verwendeten Budgetrestriktion (11.29) eingezeichnet worden. In der ersten =

-

-

Periode ist maximal eine Absorption in Höhe der Strecke OA' möglich. Dieser Betrag ist um die Strecke AA' höher als im Fall ohne Nettoinvestitionen. Denn durch diese Investitionen erhöht sich das Einkommen in der Periode 2 um den Betrag gemäß Gleichung (11.33), so dass von hierher höhere Zinszahlungen an das Ausland abgezweigt werden können und somit eine höhere Kreditaufnahme möglich ist. Umgekehrt ist die maximal mög-

452

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

liehe heimische Absorption in der Periode 2 geringer als im Fall ohne Nettoinvestitionen. Die Erklärung ist einfach: Der maximal mögliche Betrag von OB' setzt voraus, dass die heimische Absorption in der Periode 1 null ist. Dann sind die Nettoinvestitionen gemäß Gleichung (11.32) negativ, so dass die Produktionskapazität für die Periode 2 gemäß Gleichung (11.33) sinkt.

Abbildung 11.4: Intertemporale Einkommensverwendung II

1+i-ß Wie schon im Beispiel, das der Abbildung 11.3 zugrunde liegt, sei auch jetzt angenommen, dass die Wirtschaftssubjekte des betrachteten Landes eine Präferenz für einen Güterverbrauch in der Gegenwart besitzen. Dieser Güterverbrauch umfasst allerdings auch die Nettoinvestitionen. Durch den in der Periode 2 wirksamen Einkommenseffekt der Nettoinvestitionen lässt sich eine höhere Indifferenzkurve hier Uj mit einem höheren Nutzen realisieren. Das Nutzenmaximum ist jetzt im Punkt E' gegeben. Der Verlauf der Indifferenzkurve wurde so gewählt, dass im Vergleich zu Punkt E für den Fall ohne Nettoinvestitionen eine höhere Absorption sowohl in der ersten Periode als auch in der zweiten Periode ermöglicht wird. Die Strecke KE' gibt die Absorption in der ersten Periode und die Strecke C'E' die Absorption in der zweiten Periode an. Die zuvor erläuterten Beispiele machen deutlich, dass es im Hinblick auf die Nutzenmaximierung für ein Land sinnvoll sein kann, vorübergehend hier in der Periode 1 einen Importüberschuss zu tätigen und das entsprechende Defizit im Außenbeitrag durch eine Kreditaufnahme im Ausland zu finanzieren. Wenn diese Strategie mit Nettoinvestitionen verbunden ist, so ergibt sich hieraus noch ein zusätzlicher Effekt, der den Nutzen erhöht. -

-

-

-

Außenbeitrag,

453

Wechselkurs und Einkommen

aufgezeigte intertemporale Ansatz zur Erklärung von volkswirtschaftlichen Ersparnissen und Außenbeitrag vermittelt aus theoretischer Perspektive einige wichtige Einsichten. Ob allerdings in der Realität die binnen- und außenwirtschaftlichen Größen von den Wirtschaftssubjekten eines Landes so exakt im Rahmen von Maximierungskalkülen geplant werden, wie es die vorangegangene Analyse unterstellt, muss bezweifelt werden. Einzelne private Haushalte, einzelne private Unternehmungen oder auch einzelne öffentliche Haushalte mögen solche Optimierungsentscheidungen auf mikroökonomischer Ebene treffen. Das heißt aber nicht, dass sich ein entsprechendes Kalkül widerspruchsfrei auf die Ebene des makroökonomischen Aggregats übertragen lässt. Gleichwohl bietet die vorangegangene Analyse ein Anschauungsbeispiel dafür, dass negative volkswirtschaftliche Ersparnisse und dementsprechend ein negativer Außenbeitrag nicht a priori von Nachteil sind, sondern dass diese die Grundlage für eine höhere Güterversorgung und einen höheren Nutzen innerhalb eines längeDer hier

ren

Zeitraums sein können.

| Zusammenfassung_| Der Außenhandel erzeugt Einkommenseffekte, die ihrerseits Reaktionen der heimischen Absorption auslösen und darüber eine multiplikative Verstärkung erfahren.

Einkommensänderungen im Inland und im Ausland beeinflussen die Importe, Exporte und somit den Außenbeitrag eines Landes. Eine Wechselkursänderung hat vor diesem Hintergrund eine direkte Wirkung auf den Außenbeitrag sowie eine indirekte Wirkung über die induzierten Einkommenseffekte. Auch wenn die Marshall-Lerner-Bedingung oder die Robinson-Bedingung für eine normale Reaktion des Außenbeitrags auf eine Wechselkursänderung erfüllt sind, ist es aufgrund der Einkommenseffekte möglich, dass sich der Außenbeitrag eines Landes im Zuge einer Abwertung nicht verändert. Das ist immer dann der Fall, wenn die marginalen gesamtwirtschaftlichen Sparquoten des Inlands die

und/oder des Auslands null sind und deshalb relativ hohe kommenseffekte auftreten.

multiplikative Ein-

Durch den Außenhandel besteht ein internationaler Konjunkturzusammenhang. Konjunkturelle Impulse werden umso stärker vom Ausland auf das Inland übertragen, je größer das Ausland im Vergleich zum Inland ist und je größer zum einen die marginale Importquote des Auslands und zum anderen der Einkommensmultiplikator des Inlands sind. Im Gleichgewicht entsprechen die volkswirtschaftlichen Ersparnisse dem Außenbeitrag eines Landes. Negative volkswirtschaftliche Ersparnisse sind dementsprechend mit einem negativen Außenbeitrag verbunden und umgekehrt. Güterwirtschaftlich bedeuten negative Ersparnisse, dass die heimische Güternachfrage die heimische Produktion übersteigt und deshalb Nettoimporte erforderlich sind. Aus finanzwirtschaftlicher Sicht implizieren die negativen Er-

sparnisse und die entsprechenden Nettoimporte Inlands

aus

dem Ausland.

in

gleicher

Höhe Kredite des

454

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Negative Ersparnisse und dementsprechend negative Werte des Außenbeitrags können, sofern diese auf nur wenige Perioden in der Gegenwart oder in der Zukunft beschränkt sind, das Ergebnis einer Optimierungsstrategie eines Landes sein. So ist es beispielsweise möglich, aus Nettoimporten in der Gegenwart und dementsprechend aus einer Nettokreditaufnahme im Ausland Produktionskapazitäten aufzubauen, die gleichzeitig in der Zukunft eine höhere Güterversorgung sowie eine Rückzahlung der Kredite an das Ausland ermöglichen. Literatur

Borchert, M., Außenwirtschaftslehre, Theorie und Politik, 6. Aufl., Wiesbaden 1999, Kapitel 3, Abschnitt 3.2. Dernburg, T.F., Global Macroeconomics, New York 1989, Kapitel 4 und 9. Harberger, A., Currency Depreciation, Income, and the Balance of Trade, in: Journal of Political Economy, Vol. 58, 1950, S. 47 60. Jarchow, H. -J. I Rühmann, P., Monetäre Außenwirtschaft I, Monetäre Außenwirtschaftstheorie, 5. Aufl., Göttingen 2000, 3. Teil, Abschnitt VI. Krugman, P.R. I Obstfeld, M., International Economics, Theory and Policy, 5. Aufl., Reading (Mass.) 2000, Kapitel 16. Obstfeld, M. I Rogoff, K., Foundation of International Macroeconomics, Cambridge (Mass.), 1996, Kapitel 1. Obstfeld, M. I Rogoff, K., The Intertemporal Approach to the Current Account, in: Grossmann, GM. / Rogoff, K. (Hrsg.), Handbook of International Economics, Band 3, Amsterdam, 1995, 1731 1800. Pugel, T.A. I Lindert, P.H., International Economics, 11. Aufl., Boston 2000, Kapitel 21. Rose, K. I Sauernheimer, K., Theorie der Außenwirtschaft, 13. Aufl., München 1999, Teil EL Kapitel 2, 5 und 8. Schmitt-Rink, G. I Bender, D., Makroökonomie geschlossener und offener Volkswirtschaften, 2. Auflage, Berlin Heidelberg 1992, Teil II, §2, -

-

Abschnitte I und ILA.

-

Siebert, H., Außenwirtschaft, 7. Aufl., Stuttgart 2000, Kapitel 17 und 21.

Kapitel 12 Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz | Untersuchungsziele_| des Gütermarktmodells um finanzwirtschaftliche Zusammenhänge, insbesondere durch Berücksichtigung von Geldmärkten und internationalem

Erweiterung

Kapitalverkehr. Erklärung der Zusammenhänge zwischen Einkommen, Zinssatz, Leistungsbilanz und Kapitalverkehrsbilanz. Untersuchung der Wirkungen der Geldpolitik, der Fiskalpolitik und der Wechselkurspolitik auf Einkommen, Zinssätze, Außenbeitrag und Kapitalverkehrsbilanz eines kleinen Landes und zweier großer Länder. Analyse der Koordination wirtschaftspolitischer Maßnahmen zur Erreichung binnen- und außenwirtschaftlicher Ziele.

Aufzeigen der spezifischen nationalen und internationalen ökonomischen Zusammenhänge einer Währungsunion sowie der Wirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen in den Mitgliedsländern einer Währungsunion. 12.1 Zinssatz und

Zahlungsbilanz

Die Untersuchungen im Kapitel 11 beschränkten sich auf die nationalen und internationalen güterwirtschaftlichen Transaktionen. Finanztransaktionen wurden nicht berücksichtigt. Dementsprechend konnten mit dem verwendeten Modell nur güterwirtschaftliche Größen, insbesondere der Außenbeitrag und das Einkommen erklärt werden. Die Analyse wird jetzt um die nationalen und internationalen finanzwirtschaftlichen Transaktionen erweitert, so dass auch Zinssätze auf den Finanzmärkten sowie der internationale Kapitalverkehr erklärt werden können. Damit lässt sich zugleich die gesamte Zahlungsbilanz eines Landes erfassen. Die Modellerweiterung erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wird das aus der makroökonomischen Theorie bekannte IS-LM-Modell herangezogen, das der Zins- und Einkommensbestimmung im binnenwirtschaftlichen Bereich dient; danach wird der internationale Kapitalverkehr eingeführt und unter Beachtung des Außenbeitrags die gesamte Zahlungsbilanz eines Landes erklärt. Um die Analyse so einfach wie eben möglich zu halten, ist es in der MakroÖkonomik üblich, den gesamten finanzwirtschaftlichen Bereich in einem Land in zwei Märkte aufzuteilen, den Geldmarkt und den Wertpapier- oder Kapitalmarkt. Zwei Annahmen vereinfachen die Analyse noch weiter: auf dem Geldmarkt spielen Zinserträge keine oder nur eine sehr geringe Rolle, so dass Geldmarktzinssätze vernachlässigt werden können; auf dem Kapi-

456

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

talmarkt werden die verschiedenen Zinssätze, z. B. für Wertpapieranlagen und für Bankkredite mit unterschiedlichen Laufzeiten, durch einen einzigen Zinssatz repräsentiert. Schließlich erfolgt lediglich eine Gleichgewichtsanalyse, die es mit Blick auf das Gesetz von Walras möglich macht, das Modell auf die Erfassung nur eines der beiden Finanzmärkte zu beschränken. Explizit betrachtet wird dabei in aller Regel der Geldmarkt. Sind der Güter- und der Geldmarkt im Gleichgewicht, so ist gleichzeitig auch das Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt gegeben.

Zinsabhängigkeit der Güternachfrage: Die IS-Kurve Vor diesem Hintergrund wird zunächst der zuvor schon eingeführte

12.1.1

Gütermarkt um den Einfluss des Zinssatzes erweitert. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere die private Investitionsgütemachfrage, aber auch die Ersparnis der privaten Haushalte und darüber der private Konsum eine negative Zinsabhängigkeit aufweisen. Sowohl die privaten Investitionen als auch der private Konsum sind in der heimischen Absorption enthalten, so dass diese nun auch in Abhängigkeit vom Zinssatz zu erklären ist:

(12.1)

H=

H(Y, i)

Zur Vereinfachung lässt sich die schreiben:

(12.2)

H = Ha +

Gleichung

wie

folgt

in linearer Form

hY > 0; hj > 0

hYY-hii

Die hier angedeutete Möglichkeit, dass weder die privaten Investitionen noch der private Konsum auf Zinsänderungen reagieren (hj 0), ist als ein Grenzfall anzusehen. Denkbar ist dieser Fall beispielsweise bei Existenz von Zinsattentismus. Die weiteren Untersuchungen beschränken sich jedoch auf den Normalfall einer negativen Zinsabhängigkeit. Um den Zusammenhang zwischen dem Einkommen Y und dem Zinssatz i zu bestimmen, müssen die weiter oben eingeführten Gleichungen des Außenbeitrags und des Gütermarktgleichgewichts berücksichtigt werden: =

(12.3)

AB

(12.4)

Y

Löst

man

ABa-mY + mV

+

aqq

das Modell nach Y auf,

so

=

=

H

+

Außenbeitrag Gütermarktgleichgewicht

AB

erhält

man

für das Einkommen im

Gütermarktgleichgewicht: (12.5)

Y

1 =

s + m

(Ha + ABa + mV + a„q hj) -

mit:

s

=

1 -

hY > 0

457

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

Dieses ist die Gleichung der IS-Kurve, die somit den Zusammenhang zwischen dem Gleichgewichtseinkommen Y und dem Zinssatz i beschreibt.

Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage: Die LM-Kurve Die Geldmenge umfasst solche Finanzaktiva in Händen von Nichtbanken, die in relativ kurzer Frist für Transaktionen auf Güter- und Kapitalmärkten eingesetzt werden können. In der Geldmenge enthalten sind dementsprechend insbesondere das Bargeld in Händen der Nichtbanken und die Sichteinlagen der Nichtbanken bei Banken. In der Geldpolitik ist es üblich, darüber hinaus auch kurzfristige Termin- und Spareinlagen in die Geldmengendefinition einzuschließen, also Einlagen, die sich in relativ kurzer Zeit 12.1.2

für Transaktionen mobilisieren lassen. Die Nachfrage nach Geld wird in vom Zinssatz i erklärt:

(12.6)

L = L(Y,

Zur stellt:

Vereinfachung

(12.7)

L

=

Abhängigkeit

vom

Einkommen Y und

i) wird auch diese

La + kYY kji -

Gleichung

in linearer Form

mit: kY

>

darge-

0; kj > 0

Die Abhängigkeit vom Einkommen bringt zum Ausdruck, dass Geld für Transaktionszwecke benötigt wird und die Größe Y das Transaktionsvolumen widerspiegelt. Die Abhängigkeit vom Zinssatz zeigt an, dass Geld nicht nur ein Transaktionsmittel, sondern auch eine Finanzanlage ist, die in Konkurrenz zu einer zinsbringenden Anlage auf dem Kapitalmarkt steht. Je geringer der Kapitalmarktzinssatz i ist, desto weniger wiegen die dort erzielbaren Zinserträge das Risiko von Kursverlusten auf, und dementsprechend nimmt mit sinkendem Zinssatz die Neigung zu, Finanzvermögen in Form von Geld zu halten, das kein Kursrisiko hat. Die Opportunitätskosten der Geldhaltung gehen demnach mit sinkendem Zinssatz i zurück und umgekehrt. Somit ist von einer negativen Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage auszugehen. Die in der makroökonomischen Theorie als klassischer Fall bekannte Möglichkeit, dass die Geldnachfrage nicht auf Zinsänderun-

gen reagiert, findet in den folgenden Untersuchungen keine Berücksichtigung. Das Geldangebot M hängt zum einen von der Höhe der monetären Basis MB und zum anderen vom sogenannten Geldschöpfungsmultiplikator g ab:

(12.8)

M

=

g-MB

458

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Veränderungen der monetären Basis setzen in der Regel einen Geldschöpfungsprozess in Gang, der einen vervielfachenden Geldmengeneffekt impliziert. Das kommt im Geldschöpfungsmultiplikator g zum Ausdruck, der somit im Allgemeinen einen Wert hat, der größer als eins ist. Dieser Multiplikator wird im Folgenden als konstante Größe behandelt. Aus dem Geldmarktgleichgewicht L

(12.9)

=

M

lässt sich bei Verwendung von (12.8) und (12.9) der Zusammenhang zwischen dem Zinssatz i und dem Einkommen Y auf dem Geldmarkt bestimmen:

i=^(La-gMB k

(12.10)

+

kYY)

Dieses ist die

Gleichung für die LM-Kurve. Aus der IS-Kurve Gleichung (12.5) und der LM-Kurve Gleichung (12.10) lassen sich das Einkommen und der Zinssatz bestimmen, die mit einem Gütermarkt- und einem Geldmarktgleichgewicht vereinbar sind. Dieses Gleichgewicht wird weiter unten in der Abbildung 12.2 dargestellt. -

-

-

-

12.1.3 Monetäre Basis und

Zahlungsbilanz entspricht dem Zentralbankgeld,

Die monetäre Basis das zum einen den Bargeldumlauf außerhalb der Kreditinstitute und zum anderen die Zentralbankgeldreserven in Händen der Kreditinstitute umfasst. Das Zentralbankgeld entsteht im Wesentlichen aus zwei Quellen, einer binnenwirtschaftlichen und einer außenwirtschaftlichen Quelle. Im binnenwirtschaftlichen Bereich verändert die Zentralbank die monetäre Basis bzw. die Zentralbankgeldmenge vor allem durch An- und Verkauf von Wertpapieren, z. B. im Rahmen von Wertpapierpensionsgeschäften mit den Kreditinstituten. Im außenwirtschaftlichen Bereich sind es die Veränderungen der Währungsreserven der Zentralbank, durch die die monetäre Basis bzw. die Zentralbankgeldmenge geändert wird. Eine Erhöhung der Währungsreserven resultiert unmittelbar aus Zahlungsbilanzüberschüssen und eine Verringerung der Währungsreserven somit aus Zahlungsbilanzdefiziten. Während Veränderungen der monetären Basis aus binnenwirtschaftlichen Quellen auf autonome Maßnahmen der Zentralbank zurückzuführen sind, ergeben sich positive oder negative Zahlungsbilanzsalden aus einer Vielzahl von Einflüssen im Außenhandel und im internationalen Kapitalverkehr. Die außenwirtschaftlichen Quellen der monetären Basis lassen sich deshalb von der Zentralbank nicht autonom kontrollieren. Die Zentralbank kann mit bestimmten geldpolitischen Maßnahmen bestenfalls einen gewis-

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

459

Einfluss ausüben. Vor diesem Hintergrund setzt sich die Veränderung der monetären Basis aus einer autonomen binnenwirtschaftlichen Komponente AMBa und dem noch zu erklärenden Zahlungsbilanzsaldo Z zusamsen

men:

(12.11) AMB AMBa + Z AMBa +AZ + Z_, Ist die Zahlungsbilanz nicht ausgeglichen (Z * 0), =

=

ergibt sich in Höhe des Zahlungsbilanzsaldos ceteris paribus eine Veränderung der monetären Basis, durch die gemäß Gleichung (12.8) auch das Geldangebot verändert so

wird.

Ob der hier aufgezeigte Zusammenhang zwischen dem Zahlungsbilanzsaldo und dem Geldangebot tatsächlich zum Tragen kommt, hängt entscheidend vom Wechselkurssystem ab. In einem System mit festem Wechselkurs ist die Zentralbank zu Interventionen, d.h. zu einem Ankauf oder Verkauf von Devisen gegen inländische Währung verpflichtet, wenn sich ansonsten ein Wechselkurs einstellen würde, der von dem im System vereinbarten Kursniveau abweicht. Das ist immer dann der Fall, wenn die Zahlungsbilanz nicht ausgeglichen ist und deshalb von hierher Angebot und Nachfrage am Devisenmarkt nicht übereinstimmen. Durch die Interventionspflicht der Zentralbank kann es demnach zu außenwirtschaftlich bedingten Einflüssen auf die monetäre Basis und darüber auf das Geldangebot kommen. Ist die Zahlungsbilanz nicht ausgeglichen (Z * 0), so kann die Zentralbank die damit verbundenen Veränderungen der monetären Basis gemäß Gleichung (12.11) nur verhindern, wenn sie die autonome Komponente MBa entgegengerichtet zum Zahlungsbilanzsaldo verändert. Eine solche Politik der Zentralbank wird als Kompensationspolitik oder Sterilisierungspolitik bezeichnet. Kann sich der Wechselkurs am Devisenmarkt völlig frei bilden, so wird die Zahlungsbilanz durch den Wechselkursmechanismus immer ausgeglichen. In diesem Fall bleiben die Währungsreserven der Zentralbank von den internationalen Güter- und Kapitalverkehrsbewegungen unberührt. Folglich ergeben sich von hierher auch keine Veränderungen der monetären Basis. Direkte außenwirtschaftliche Einflüsse auf das Geldangebot sind damit ausgeschaltet. Gleichwohl kann die Zentralbank auch in einem System mit flexiblem Wechselkurs bzw. in einem System, in dem es keine bindenden Vereinbarungen über Wechselkursniveaus gibt, am Devisenmarkt intervenieren. Eine solche Intervention ist denkbar, wenn die freie Entwicklung des Wechselkurses nicht mit den allgemeinen wirtschaftspolitischen Zielvorstellungen vereinbar ist. In diesem Fall spricht man von einem kontrollierten Floaten. Hierbei ergeben sich ebenfalls Veränderungen der monetären

460

Basis,

Internationale es

Wirtschaftsbeziehungen

sei denn, die Zentralbank betreibt, wie oben beschrieben, eine

Kompensationspolitik. Der aufgezeigte Zusammenhang

zwischen der

Geldmenge

und den

au-

erforderlich, in den weiteren

ßenwirtschaftlichen Transaktionen macht es Untersuchungen die Wechselkurs- und geldpolitischen Alternativen differenziert zu betrachten. 12.1.4 Internationaler Kapitalverkehr und Z-Kurve Neben den internationalen Gütertransaktionen, die im Außenbeitrag erfasst sind, werden jetzt auch Finanztransaktionen berücksichtigt, die in der Kapitalverkehrsbilanz verbucht werden. Um die makroökonomischen Zusammenhänge nicht allzu kompliziert zu machen, wird der internationale Kapitalverkehr an dieser Stelle nur mit einem relativ einfachen Ansatz erklärt. Zum einen wird der gesamte Kapitalverkehr (einschließlich der internationalen Direktinvestitionen) lediglich in einer Aggregatgröße zusammengefasst. Zum anderen wird nur die Stromgröße „Kapitalverkehr" betrachtet und somit auf eine Erfassung von Beständen der Inlands- und Auslandsaktiva verzichtet. Der Kapitalverkehr zwischen dem Inland und dem Ausland hängt im Wesentlichen von der Zinsdifferenz zwischen diesen beiden Ländern ab:

mit:

(12.12) K K(i-i) =

"

o(i-0

>0

Auch hier wird zur Vereinfachung eine lineare Form gewählt:

(12.13) K Ka + v(i =

-

0

mit:v>0

gibt es noch weitere Determinanten des internationalen B. Wechselkurserwartungen. Sie sind aber keine endoKapitalverkehrs, des Modells, so dass ihre Einflüsse nur über die autogenen Bestandteile nome Größe Ka erfasst werden können. Eine positive Größe K gibt einen Überschuss in der Kapitalverkehrsbilanz des betrachteten Inlands an. Entsprechend liegt bei K < 0 ein Defizit vor, und bei K = 0 ist die Kapitalverkehrsbilanz ausgeglichen. Der Koeffizient v zeigt die Reaktion des Kapitalverkehrs bzw. des Saldos der inländischen Kapitalverkehrsbilanz auf eine Veränderung des Zinsniveaus i auf dem inländischen Kapitalmarkt und des Zinsniveaus i* auf dem ausländischen Kapitalmarkt. Diese Hypothese impliziert, dass mit einer Zunahme der Zinsdifferenz der Kapitalimport des Inlands in der Regel steigt oder der Kapitalexport des Inlands sinkt. Selbstverständlich z.

Der Wert des Zinskoeffizienten v hängt entscheidend von der Freizügigkeit im internationalen Kapitalverkehr sowie von der internationalen Mobi-

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

461

lität des Finanzkapitals ab. Bestehen Kapitalverkehrsbeschränkungen, so ist ein zinsinduzierter Kapitalverkehr nicht oder nur in begrenztem Umfang möglich. Der Koeffizient v ist in diesem Fall null oder zumindest relativ klein. Das gilt trotz Freizügigkeit auch dann, wenn das Finanzkapital nur eine geringe internationale Mobilität aufweist, weil beispielsweise die Wirtschaftssubjekte des In- und des Auslands das Risiko von Auslandsanlagen scheuen oder weil die Rahmenbedingungen ungünstig sind, z. B. im Hinblick auf die Organisation der Kapitalmärkte oder wegen politischer und ökonomischer Unsicherheiten. Demgegenüber nimmt die Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs zu, wenn Freizügigkeit besteht und die Mobilität des Finanzkapitals infolge verbesserter Rahmenbedingungen erhöht wird. Im Extremfall kann das Finanzkapital sogar international (fast) vollkommen mobil sein, so dass der Koeffizient v dann mit einem Wert von (annähernd) unendlich anzusetzen ist. Eine so hohe Kapitalmobilität setzt jedoch voraus, dass • Finanzanlagen auf dem in- und dem ausländischen Kapitalmarkt als vollständige Substitute eingeschätzt werden • im internationalen Kapitalverkehr keine Hemmnisse durch rechtliche, oder politische organisatorische Beschränkungen bestehen • bei den Anlegern keine Präferenzen für In- oder Auslandsanlagen und auch keine unterschiedlichen Risikoeinschätzungen von Anlagen auf dem in- oder dem ausländischen Kapitalmarkt vorhanden sind • keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Kosten einer Finanzanlage auf dem in- oder dem ausländischen Kapitalmarkt vorliegen. Diese Bedingungen sind bestenfalls nur auf regional eng begrenzten Märkten sowie für bestimmte Kapitaltransaktionen (z. B. nur für Portfolioinvestitionen) erfüllt, so dass eine unendlich große Zinsreagibilität des gesamten Kapitalverkehrs eines Landes unwahrscheinlich ist. Die empirischen Fakten lassen allerdings die Vermutung zu, dass der internationale Kapital verkehr zwischen den hoch entwickelten Ländern (z. B. zwischen der EU, den USA und Japan) eine sehr hohe Zinsreagibilität besitzt. Der Vollkommenheitsgrad der internationalen Kapitalmärkte nimmt zwischen diesen Ländern seit Jahren stetig zu. Es ist deshalb angebracht, in einer theoretischen Analyse auch den Extremfall einer (fast) unendlich hohen Zinsreagibilität zu berücksichtigen. Mit ihm lässt sich besonders deutlich zeigen, welche Konsequenzen aus der fortlaufenden Erhöhung der internationalen Mobilität des Kapitals letztlich resultieren können. Der Saldo der Zahlungsbilanz setzt sich im hier formulierten Modell aus dem Außenbeitrag und dem Saldo der Kapitalverkehrsbilanz zusammen:

(12.14) Z AB =

+

K

462

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Die Übertragungsbilanz bleibt unberücksichtigt. Bei Beachtung der bekannten Gleichung für den Außenbeitrag und der Gleichung (12.13) für den internationalen Kapital verkehr stellt sich der Zahlungsbilanzsaldo dar als:

(12.15) Z ABa + Ka + a,q + m*Y*

mY

=

-

+

v(i

-

i*)

Hieraus lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem inländischen Einkommen Y und dem inländischen Zinssatz i herleiten, der eine ausgeglichene Zahlungsbilanz (Z 0) impliziert: -

(12.16) i=-(mY- mV ABa Ka a„q) + i* -

Diese

Gleichung beschreibt (12.16) folgende Steigung:

-

-

die Z-Kurve. Sie hat

die

gemäß Gleichung

In den weiteren Untersuchungen werden drei Fälle unterschieden: der „Normalfall", in dem die marginale Importquote m und der Zinskoeffizient v jeweils positiv sind; ein Extremfall, in dem v einen Wert von null hat, sowie ein Extremfall, in dem v sehr groß ist und gegen unendlich geht.

Abbildung 12.1: Das Zahlungsbilanzgleichgewicht (Z-Kurve) i"

Z,

1-z3

0

Y

In der Abbildung 12.1 sind diese Fälle dargestellt worden. Wenn der Zinskoeffizient v einen Wert von null hat, verläuft die Z-Kurve parallel zur Zinsachse (Zj). Bei (fast) vollkommener Kapitalmobilität mit einem Koeffizienten v gegen unendlich verläuft sie dagegen (nahezu) parallel zur Einkommensachse (Z3). Im „Normalfall" besitzt die Z-Kurve schließlich eine positive Steigung (Zi). Die Lage der Z-Kurve im i/Y-Diagramm hängt dar-

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

463

über hinaus von den autonomen Größen ABa und K\ vom ausländischen Einkommen Y*, vom realen Wechselkurs q sowie vom ausländischen Zinssatz i* ab. Ist v unendlich groß, so wird die Lage der Z-Kurve, wie in der Gleichung (12.17) unmittelbar zu entnehmen ist, nur durch den ausländischen Zinssatz i* bestimmt. Der inländische Zinssatz entspricht in diesem Fall dem ausländischen Zinssatz. Demgegenüber haben die Zinssätze selbstverständlich keinen Einfluss auf die Lage der Z-Kurve, wenn v den Wert null hat. Alle Kombinationen des Realeinkommens Y und des inländischen Zinsi, die nicht auf der Z-Kurve liegen, sind ex definitione mit einer nicht ausgeglichenen Zahlungsbilanz verbunden. Und zwar implizieren die Kombinationen, die links bzw. oberhalb der Z-Kurve liegen, einen Zahlungsbilanzüberschuss und die Kombinationen, die rechts bzw. unterhalb der Z-Kurve liegen, ein Zahlungsbilanzdefizit. Das lässt sich relativ leicht erklären, wenn man von einem beliebigen Punkt auf einer Z-Kurve ausgeht und entweder den Zinssatz i oder das Einkommen Y verändert. Verringert sich das inländische Einkommen Y, so kommt es zu einer einkommensinduzierten Verbesserung des Außenbeitrags und somit zu einem Zahlungsbilanzüberschuss. Steigt demgegenüber der inländische Zinssatz, so verbessert sich die Kapitalverkehrsbilanz und folglich auch die Zahlungsbilanz. Umgekehrt lässt sich die Entstehung eines Zahlungsbilanzdefizits erklären, wenn das inländische Einkommen steigt oder der inländische Zinssatz sinkt. satzes

Abbildung 12.2: IS-, LM- und Z-Gleichgewicht

1

IS

'0 Y0

LM

Y

In der Abbildung 12.2 werden das Gütermarktgleichgewicht (IS-Kurve), das Geldmarktgleichgewicht (LM-Kurve) und das Zahlungsbilanzgleichgewicht (Z-Kurve analog zu Zi in Abbildung 12.1) zusammengefasst. Im

464

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Punkt A liegt hier ein Gleichgewicht auf dem Güter- und Geldmarkt sowie eine ausgeglichene Zahlungsbilanz vor. Das zuvor entwickelte Modell des Gütermarktes, des Geldmarktes und der Zahlungsbilanz bzw. des internationalen Kapitalverkehrs eines Landes (des Inlands) lässt sich in vier Gleichungen zusammenfassen. Dieses Modell liegt den folgenden Untersuchungen zugrunde: Y

=

+ ABa +mY + aqq h,i) —(Ha s + m

IS-Kurve

-

i=^(La-gMB Z = ABa + Ka =

kYY)

mY -

AMB

+

+

mY +aqq + v(i

AMBa + Z_! +AZ

LM-Kurve -

i*)

Zahlungsbilanz Monetäre Basis

12.2 Einkommenseffekte bei festem Wechselkurs Zunächst wird nur ein kleines Land betrachtet, das keine nennenswerten Einflüsse auf das Ausland hat. Internationale Rückwirkungen spielen deshalb keine Rolle. In dem zuvor aufgezeigten Modell sind Y* und i* somit exogene Größen. Untersucht werden im Folgenden die Einkommenswirkungen • •



• •

einer expansiven autonomen Geldpolitik (AMBa > 0) einer Erhöhung der autonomen heimischen Absorption, z. B. im Rahmen einer expansiven Fiskalpolitik (AHa > 0) einer autonomen Abwertung der inländischen Währung bzw. einer Erhöhung des realen Wechselkurses (Aq > 0) einer Erhöhung des ausländischen Zinssatzes (Ai* > 0) eines autonomen Kapitalexports (AKa < 0).

In der Ausgangssituation, d.h. vor Veränderung einer autonomen Größe, mögen ein Gleichgewicht auf dem Güter- und dem Geldmarkt sowie eine

ausgeglichene Zahlungsbilanz vorliegen. In dem zugrunde gelegten Festkurssystem besteht eine internationale Vereinbarung über die Höhe des Wechselkurses. Die Zentralbank des betrachteten Landes ist somit verpflichtet, Veränderungen des Wechselkurses

durch Interventionen am Devisenmarkt zu verhindern. Im Rahmen solcher Interventionen kauft die Zentralbank entweder zufließende Devisen aus Zahlungsbilanzüberschüssen im Tausch gegen heimische Währung auf, oder sie gibt aus eigenen Beständen Devisen im Tausch gegen heimische Währung ab, wenn Zahlungsbilanzdefizite bestehen. Folglich ergeben sich

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

465

der monetären Basis und des Geldangebots, sofern die Zentralbank keine autonomen Maßnahmen zur Kompensation der Geldmengeneffekte einsetzt.

Veränderungen

12.2.1

Geldpolitik In der Abbildung 12.3 verschiebt sich die LM-Kurve infolge der expansiven Geldpolitik nach unten, d.h. es ergibt sich zunächst eine Zinssenkung. Die Zinssenkung hat eine Verringerung des Kapitalimports oder eine Erhöhung des Kapitalexports zur Folge. Es kommt somit zu einem Zahlungsbilanzdefizit. Dementsprechend liegt die zunächst erreichte Zins-Einkommenskombination (Y0 und ii) unterhalb der Z-Kurve, die bekanntlich eine ausgeglichene Zahlungsbilanz wiedergibt. Abbildung 12.3: Geldpolitik bei festem Wechselkurs

0

Y0 Y,

Y

Die

Verschlechterung der Zahlungsbilanz (Z < 0, AZ < 0) ist aber ceteris paribus mit einer Verringerung der monetären Basis verbunden. Daraus resultiert eine Reduktion der Geldmenge, so dass die expansive Geldpolitik von

hierher konterkariert wird.

Dieser Effekt ließe sich nur verhindern, wenn die Zentralbank zu kompensierenden Maßnahmen greift und so die zahlungsbilanzinduzierte Verringerung der monetären Basis durch entgegen gerichtete autonome Veränderungen neutralisiert. In diesem Fall käme es zu einer Bewegung zum neuen internen Gleichgewicht im Punkt C und somit zu einer Zunahme des Einkommens auf Y]. Zwei Gründe sprechen allerdings gegen eine solche Politik: •

Durch die Kompensationspolitik schafft die Zentralbank im vorliegenden Beispiel Bedingungen, die ein permanentes Zahlungsbilanzdefizit impli-

466

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

zieren. Das geht mit einem anhaltenden Verlust von Währungsreserven einher. Folglich lässt sich diese Politik nur so lange aufrechterhalten, bis die Währungsreserven erschöpft sind. Zwar ist es möglich, dass sich die Zentralbank nach Verlust ihrer Reserven die fehlenden Devisen durch eine Kreditaufnahme im Ausland beschafft, aber auch hierfür sind Grenzen

gesetzt.

Anhaltende Zahlungsbilanzdefizite eines Landes im Festkurssystem haben eine destabilisierende Wirkung auf den Wechselkurs. Solche Defizite implizieren einen Abwertungsdruck für die Währung des betrachteten Landes und dementsprechend einen Aufwertungsdruck für die Währungen der anderen Länder des Systems. Die anderen Länder werden deshalb die Zentralbank des betrachteten Landes auffordern, notwendige Maßnahmen zum Abbau des Zahlungsbilanzdefizits und damit zur Entspannung auf dem Devisenmarkt zu ergreifen.



Beide Gründe führen zu der Schlussfolgerung, dass die Zentralbank nicht ihrer Kompensationspolitik festhalten kann. Wenn der Wechselkurs auf dem vereinbarten Ausgangsniveau fixiert bleibt, so muss schließlich wieder die Ausgangsbedingung im Gleichgewichtspunkt A mit Y0 und i0 hergestellt werden. Nur in dieser Situation ist das interne Gleichgewicht mit einem Zahlungsbilanzausgleich verbunden. an

Dieses Ergebnis ist umso zwingender, je größer die Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs ist. Bei relativ hoher Zinsreagibilität genügt bereits eine geringe Zinssenkung, um einen sehr hohen Kapitalexport bzw. eine starke Verringerung des Kapitalimports zu bewirken. Eine Zinssenkung hat deshalb ein gravierendes Zahlungsbilanzdefizit und dementsprechend einen erheblichen Devisenabfluss zur Folge. Zugleich ist auch der Druck auf den Wechselkurs sehr stark. Vor diesem Hintergrund könnte die Zentralbank eine Kompensationspolitik allenfalls nur kurzfristig durchhalten. Im Fall eines vollkommenen internationalen Kapitalmarktes, auf dem die Zinsreagibilität des Kapitalverkehrs (nahezu) unendlich groß ist, ist eine Kompensationspolitik sogar völlig ausgeschlossen. Denn der Verlust an Währungsreserven wäre dann so groß, dass er sich selbst in ganz kurzer Frist nicht verkraften ließe.

Die

Untersuchungen führen somit zu folgendem Ergebnis: In einem Festkurssystem ist die Geldpolitik eines kleinen Landes auf Dauer wirkungslos. Nachhaltige Zins- und Einkommenseffekte können mit ihr nicht erzielt werden. Solche Effekte sind allenfalls kurzfristig möglich, und zwar nur so lange, wie die Zentralbank in der Lage ist, außenwirtschaftlich bedingte Geldmengenänderungen zu neutralisieren. Das aber wird selbst kurzfristig umso schwieriger, je höher die internationale Kapitalmobilität und die Zinsreagibilität des Kapitalverkehrs ist. Bei vollkommenem internationalen

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

467

Kapitalmarkt erweist sich jede Kompensationspolitik als undurchführbar, so dass die Geldpolitik dann auch kurzfristig wirkungslos sein muss. 12.2.2 Autonome

Veränderung der inländischen Güternachfrage Untersucht werden die Wirkungen einer autonomen Erhöhung der inländischen Güternachfrage, die in einem Anstieg der autonomen heimischen Absorption zum Ausdruck kommt. Als Ursache dafür kommt beispielsweise eine expansive nachfrageorientierte Fiskalpolitik in Betracht. Der Abbildung 12.4 und der Abbildung 12.5 liegen zwei verschiedene Situationen auf dem internationalen Kapitalmarkt zugrunde. Zum einen wird eine relativ geringe Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs angeso dass die Z-Kurve steiler verläuft als die LM-Kurve. Zum andewird ein vollkommener internationaler Kapitalmarkt betrachtet, der eine (fast) unendlich hohe Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs

nommen, ren

impliziert.

Abbildung 12.4: Fiskalpolitik bei festem Wechselkurs I

0

Y0 Y,

Y

Die IS-Kurve verschiebt sich im vorliegenden Beispiel aufgrund der auNachfrageerhöhung nach IS[. Das inländische Einkommen nimmt zu: Gleichzeitig erhöht sich der inländische Zinssatz. Ohne Einflüsse auf die inländische Geldmenge würde sich so ein neues internes Gleichgewicht im Punkt B einstellen. Der Einkommensanstieg hat jedoch eine Zunahme der Importe und dadurch eine Verschlechterung des Außenbeitrags zur Folge. Demgegenüber bewirkt die Zinserhöhung eine Zunahme des Kapitalimports oder eine Verringerung des Kapitalexports, so dass sich die Kapitalverkehrsbilanz verbessert. Ist die Zinsreagibilität des Kapitalverkehrs relativ gering, so hat die Verschlechterung des Außenbeitrags jedoch ein größeres Gewicht. Somit ergibt sich trotz verbesserter Kapitalverkehrsbilanz ein tonomen

468

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Zahlungsbilanzdefizit. Das lässt sich in der Abbildung 12.4 daran erkennen, dass das potentielle IS- und LM-Gleichgewicht im Punkt B unterhalb der Z-Kurve liegt. Betreibt die Zentralbank keine Kompensationspolitik, so hat das Zahlungsbilanzdefizit eine Verringerung der inländischen Geldmenge zur Folge. Die LM-Kurve verschiebt sich dadurch nach oben. Dieser Geldmengeneffekt kommt erst dann zum Erliegen, wenn das Zahlungsbilanzgleichgewicht wiederhergestellt ist. Ein neues nachhaltiges Gesamtgleichgewicht ist somit nur möglich, wenn nicht nur das IS- und LM-Gleichgewicht, sondern auch das Zahlungsbilanzgleichgewicht erreicht wird. Das ist im Punkt C gewährleistet. Die LM-Kurve verschiebt sich demnach infolge des außenwirtschaftlichen Geldmengeneffektes nach LMi. Gleichwohl hat die autonome Nachfrageerhöhung einen positiven Einkommenseffekt. Allerdings wird der Zinsanstieg, den die Erhöhung der Gütemachfrage ohnehin schon bewirkt, aufgrund der Geldmengenreduktion noch verstärkt. Wirkungsablauf und Ergebnis hängen jedoch entscheidend von der Zinsreagibilität des Kapitalverkehrs ab. Das lässt sich deutlich mit dem in der Abbildung 12.5 dargestellten Beispiel zeigen. Die autonome Nachfrageerhöhung löst auch hier zunächst einen Zinsanstieg aus. Dieser bewirkt aber bei der zugrunde liegenden extrem hohen Kapitalmobilität schon kurzfristig eine starke Zunahme des Kapitalimports und/oder eine starke Verringerung des Kapitalexports. Entsprechend hoch fällt die Verbesserung der Kapitalverkehrsbilanz aus.

Abbildung 12.5: Fiskalpolitik bei festem Wechselkurs II

i-10

Y0 Y,

Y

Zwar resultiert aus der einkommensinduzierten Erhöhung der Importe auch hier eine Verschlechterung des Außenbeitrags, aber die finanzwirtschaftlichen Einflüsse sind nun bei weitem dominierend. Die Verschlechte-

Außenwirtschaft,

469

Einkommen und Zinssatz

rung des Außenbeitrags wird deshalb durch die Verbesserung der Kapitalverkehrsbilanz mehr als kompensiert. Folglich ergibt sich ein Zahlungsbilanzüberschuss. Dieser führt bekanntlich zu einer Ausweitung der Geldmenge, die in einer Verschiebung der LM-Kurve nach unten zum Ausdruck kommt.

Eine

Kompensationspolitik ist bei vollkommenem Kapitalmarkt selbst kurzfristig wirkungslos, so dass sich der außenwirtschaftlich induzierte Geldmengeneffekt nicht verhindern lässt. Somit stellt sich in kurzer Frist ein neues Gesamtgleichgewicht im Punkt C ein. Das Einkommen steigt auf Yi. Im Unterschied zu dem in der Abbildung 12.4 skizzierten Fall hat die autonome Nachfrageerhöhung nun keinen (nennenswerten) Zinseffekt. Das ist auf den hohen Liquiditätszufluss aus dem Ausland zurückzuführen, durch den die einkommensinduzierte Erhöhung der inländischen Geldnachfrage voll und ganz befriedigt wird. Vor dem Hintergrund der Abbildung 12.4 lässt sich leicht nachvollziehen, dass der autonome Nachfrageimpuls keinen Einkommenseffekt, aber einen relativ hohen Zinseffekt hätte,

pitalverkehr ausgeschlossen

wenn

ein zinsinduzierter internationaler Ka-

wäre. In diesem Fall würde die Z-Kurve pa-

rallel zur Zinsachse verlaufen. Dieser Fall dürfte angesichts der allgemeinen recht hohen internationalen Kapitalmobilität jedoch nur dann von Bedeutung sein, wenn weitreichende Kapitalverkehrsbeschränkungen vorliegen oder das Risiko von Finanzanlagen in dem betrachteten Land ungewöhnlich hoch ist. Der Einkommenseffekt einer autonomen Erhöhung der Güternachfrage lässt sich aus dem zugrunde gelegten Modell leicht ermitteln. Wie zuvor anhand der graphischen Darstellungen bereits deutlich geworden ist, verschiebt sich die LM-Kurve durch die außenwirtschaftlichen Vorgänge immer so weit, dass ein Zahlungsbilanzausgleich hergestellt wird. Dieses Gleichgewicht ergibt sich aus dem Schnittpunkt der Z-Kurve und der neuen IS-Kurve. Unter Beachtung des Zahlungsbilanzausgleichs mit Z 0 und im Hinblick auf die Veränderungen der autonomen Größe AHa und der endogenen Größen AY und Ai resultiert die Lösung lediglich aus den folgenden zwei Gleichungen: =

(12.18)

AY

(12.19) Ai= Löst

man

1

=

s + m

AY —

(AHa hjAi)

IS-Kurve

-

Zahlungsbilanzausgleich

diese Gleichungen nach AY auf so erhält man:

470

Internationale

AY

Wirtschaftsbeziehungen

1

(12.20) AHa

s + m + m— v

Hierin sind die beiden Sonderfälle enthalten: AY

1

(12.21) AHa

s + m

>

0, wenn v

= 0 gibt es auf dem Gütermarkt somit durch die Ersparnisse eine zweite Quelle für die Wiederherstellung des Gleich=

-

=

gewichts.

Abbildung 12.6: Wechselkurspolitik

i-1-,-^

0

Y0

Y,

Y

Diese Aspekte finden in der Abbildung 12.6 Berücksichtigung, indem als Folge der Abwertung die IS-Kurve nach ISi und die Z-Kurve nach Zi verschoben werden. Ein neues Gesamtgleichgewicht ergibt sich im Punkt B. Das Einkommen ist somit auf Yi gestiegen und der Zinssatz auf i] gesunken. Durch die abwertungsbedingte Verbesserung des Außenbeitrags und die dadurch zunächst verursachte Verbesserung der Zahlungsbilanz kommt es vorübergehend zu einem Devisenzufluss aus dem Ausland, durch den sich die Geldmenge des Inlands erhöht. Daraus resultiert eine Verschiebung der LM-Kurve nach LMi.

Infolge der Zinssenkung verschlechtert sich die Kapitalverkehrsbilanz des betrachteten Landes im vorliegenden Beispiel im Vergleich zur Ausgangssituation. Da im neuen Gleichgewicht (Punkt B) die Zahlungsbilanz jedoch wieder ausgeglichen ist, muss sich eine positive Veränderung des Außenbeitrags ergeben. Das mit der Abwertung verfolgte Ziel, die Leistungsbilanz des betrachteten Landes zu verbessern, ist somit erreicht worden. Der Einkommenseffekt lässt sich aus dem Modell herleiten, indem man die Gleichung für die IS-Kurve und die Gleichung für den Zahlungsbilanzausgleich (Z 0) zugrunde legt und darin jeweils die autonome Veränderung des realen Wechselkurses Aq berücksichtigt: =

472

(12'25)

Internationale

AY

Wirtschaftsbeziehungen

^v'

ÄJ--S>0 n

s + m + m— v

zeigt sich, dass das Einkommen auch dann positiv auf eine Abwertung reagiert, wenn die Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs entweder unendlich groß ist (v °°) oder wenn der internationale Kapitalverkehr nicht auf Zinsänderungen reagiert (v 0). Unter Berücksichtigung dieser Einkommensänderung ergibt sich die folgende Reaktion des Außenbeitrags: Es

=

=

(12.26)

AAB

saa

wenn s>0 und v>0. ^r£hi Aq =-^—r>0, ^

s + m + m— v

Der Außenbeitrag wird somit durch eine Abwertung verbessert, wenn die marginale Sparquote s und der Zinskoeffizient des internationalen Kapitalverkehrs v jeweils größer als null sind. Diese Bedingungen sind meistens erfüllt.

12.2.4

Zinsänderung auf dem internationalen Kapitalmarkt Es sei angenommen, dass der Zinssatz i* im Ausland z. B. durch eine wird. Sofern keine totalen expansive Geldpolitik gesenkt Kapitalverkehrsbeschränkungen bestehen, hat dies selbstverständlich Auswirkungen auf den Kapital verkehr des betrachteten kleinen Landes. In der Abbildung 12.7 ist ein (fast) vollkommener Kapitalmarkt zugrunde gelegt worden. Abbildung 12.7: Externe Zinsänderung bei festem Wechselkurs -

-

it

0

Y0 Y,

Y

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

473

Ein neues Zahlungsbilanzgleichgewicht liegt dann vor, wenn der inländische Zinssatz wieder dem ausländischen Zinssatz i* entspricht. Die ZKurve ist somit nach Z] zu verschieben. In der Phase der Anpassung des inländischen Zinssatzes besteht vorübergehend ein Zahlungsbilanzüberschuss. Dieser impliziert einen Devisenzufluss aus dem Ausland und demzufolge eine Erhöhung der inländischen Geldmenge. Das kommt in einer Verschiebung der LM-Kurve nach unten zum Ausdruck. Ein neues Gesamtgleichgewicht stellt sich dann im Punkt B ein. Durch den außenwirtschaftlich induzierten Geldmengeneffekt und die hierdurch bewirkte Anpassung des inländischen Zinssatzes an den ausländischen Zinssatz ist das Einkommen im Inland auf Yi erhöht worden. 12.2.5

Wirkungen eines autonomen Kapitalexports Bereits im Kapitel 9 ist geprüft worden, wie sich der autonome Kapitalexport eines Landes (des Inlands) auf die Leistungstransaktionen bzw. auf die Leistungsbilanz auswirkt. Untersucht wurde dabei eine Finanztransaktion, die mit zusätzlichen Ersparnissen und dementsprechend durch einen Verzicht auf Güternachfrage finanziert wird. Macht der Kapitalexport einen Betrag von -AKa B aus, so verringert sich demnach die autonome heimische Absorption um: (12.27) AHa -B Es wird angenommen, dass die Inländer nicht nur ihre Nachfrage nach =

=

Gütern aus heimischer Produktion, sondern auch ihre (autonome) Nachfrage nach importierten Gütern verringern, und zwar um den Betrag

(12.28) AIMa yAHa= -7B

mit: 0 < y < 1

=

Im Ausland kommt es spiegelbildlich zu einem Kapitalimport. Die Ausländer mögen mit diesem Betrag zusätzliche Güterkäufe vornehmen, von denen der Teil y*B für Importe verwendet wird. Dadurch erhöhen sich die autonomen Exporte des Inlands um:

(12.29) AEXa

=

y*B

mit: 0 < y* < 1

Daraus resultiert die Reaktion des inländischen autonomen Außenbei-

trags:

(12.30) AABa AEXa AIM" (y + y*)B =

=

-

Die Veränderung des Außenbeitrags auf den autonomen Kapitalexport hängt somit von den Reaktionen der in- und ausländischen Importe auf die Finanztransaktion ab.

474

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

In dem zuvor skizzierten einfachen Modell wurden keine Einkommensund keine Zinsänderungen berücksichtigt. Solche Änderungen können jedoch einen maßgeblichen Einfluss auf die internationalen Leistungs- und Finanztransaktionen haben. Um sie zu erfassen, werden die Reaktionen der autonomen heimischen Absorption und des autonomen Außenbeitrags auf den autonomen Kapitalexport jetzt in das Modell integriert. Allerdings wird im Hinblick auf das hier betrachtete kleine Land angenommen, dass das Einkommen und der Zinssatz im Ausland nicht verändert werden. Es ergeben sich dann die folgenden Veränderungen des inländischen Einkommens und des Außenbeitrags: + 1 (12.31) AY 7 m T*+ u, =

~

B

mit:p

=

^:rx>0 hi j

v

(12.32) Bei y

AAB

y*

=

m+

^ + ^B

m +

u.

1 steht dem autonomen Kapitalexport eine gleich hohe Verdes besserung Außenbeitrags gegenüber. Die Verringerung der autonomen heimischen Absorption wird somit von hierher kompensiert, so dass das inländische Einkommen unverändert bleibt. Im realistischen Fall mit y + y* < 0 ist die Verbesserung des Außenbeitrags geringer als die autonome Verschlechterung der Kapitalverkehrsbilanz. Weil nun die Verringerung der autonomen heimischen Absorption nicht kompensiert wird, sinkt das inländische Einkommen. Der Zahlungsbilanzausgleich erfolgt jetzt durch eine zinsinduzierte Verbesserung der Kapitalverkehrsbilanz. Der inländische Zinssatz muss folglich steigen. Dieser Fall ist in der Abbildung 12.8 dargestellt worden. +

=

Abbildung 12.8: Autonomer Kapitalexport bei festem Wechselkurs

475

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

Die Z-Kurve verschiebt sich infolge des autonomen Kapitalexports nach Zi. Die IS-Kurve wird aufgrund der Verringerung der autonomen heimischen Absorption nach ISi und infolge der Verbesserung des Außenbeitrags wieder zurück nach IS2 verschoben. Im Punkt B ergibt sich ein neues Gleichgewicht bei dem geringeren Einkommen Y] und dem höheren Zinssatz ij. Die LM-Kurve wird von LM0 nach LMi verschoben, weil durch den autonomen Kapitalexport anfangs ein Zahlungsbilanzdefizit auftritt, woraus eine außenwirtschaftlich bedingte Verringerung der Geldmenge resultiert.

12.3 Einkommenseffekte bei flexiblem Wechselkurs Sofern

Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt normal auf Wechselkursänderungen reagieren und eine volle Flexibilität des Wechselkurses gewährleistet ist, stellt der Wechselkursmechanismus zu jeder Zeit das Devisenmarktgleichgewicht her. Damit ist ein Ausgleich der Zahlungsbilanz eines Landes verbunden, ohne dass Interventionen der offiziellen Währungsbehörden bzw. der Zentralbank erforderlich sind. Im zugrunde gelegten Modell gilt dementsprechend: Z 0 und AZ 0. =

12.3.1

=

Geldpolitik

Bei flexiblem Wechselkurs haben außenwirtschaftliche Transaktionen keinen Einfluss auf das Geldangebot. Die Zentralbank kann im vorliegenden Modell die monetäre Basis autonom bestimmen und darüber die Geldmenge autonom steuern. Im Folgenden wird eine expansive Geldpolitik untersucht. Mit der Ausweitung der Geldmenge ist unmittelbar ein Zinssenkungsdruck verbunden. In der Abbildung 12.9 ergibt sich dementsprechend eine Verschiebung der LM-Kurve nach unten (nach LM^. Die •

Zinssenkung hat zwei Wirkungen:

Zum einen verschlechtert sich bereits sehr kurzfristig die Kapitalverkehrsbilanz, weil der Kapitalexport zunimmt und/oder der Kapitalimport

zurückgeht.

Zum anderen steigt die Güternachfrage, weil private Investitionen und privater Konsum angeregt werden. Letzteres hat einen Anstieg der Importe und somit eine Verschlechterung des Außenbeitrags zur Folge. Aufgrund der expansiven Geldpolitik würde sich somit eindeutig ein Defizit in der Zahlungsbilanz ergeben. Da aber der Wechselkursmechanismus stets für ein Devisenmarktgleichgewicht bzw. für einen Zahlungsbilanzausgleich sorgt, muss es normale Reaktionen von Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt vorausge•

-

476

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

zwingend zu einer Abwertung der inländischen Währung kommen. Infolge der Abwertung verbessert sich der Außenbeitrag, so dass die von der Geldpolitik verursachte Tendenz zu einem Zahlungsbilanzdefizit von hierher wieder abgeschwächt und schließlich beseitigt wird. Die abwertungsbedingte Verbesserung des Außenbeitrags kommt in der Abbildung 12.9 in einer Verschiebung der IS-Kurve und der Z-Kurve jeweils nach rechts zum Ausdruck. Der Abwertungsdruck auf die inländische Währung hält solange an, bis ein neues IS- und LM-Gleichgewicht erreicht wird, das zugleich die Bedingungen für ein störungsfreies Zahlungsbilanzgleichgewicht erfüllt. Der Punkt B repräsentiert eine solche neue Gleichgewichtssituation. Die Verschiebung der IS-Kurve nach IS! und der ZKurve nach Zi impliziert das Ausmaß der Abwertung, die mit der expansiven Geldpolitik einhergeht. setzt

-

Abbildung 12.9: Geldpolitik bei flexiblem Wechselkurs

i-1-1-^ Y 0 Y0 Y,

Wenn auch der nismus jederzeit

Zahlungsbilanzausgleich durch den Wechselkursmechahergestellt wird, vollziehen sich die zuvor skizzierten Wirkungsprozesse gleichwohl in einem mehr oder weniger langen Zeitraum. Denn in der Realität sind geldpolitische Aktivitäten mit einer Reihe von Wirkungsverzögerungen verbunden: Die Geldmenge reagiert im Zuge des Geld- und Kreditschöpfungsprozesses nur allmählich auf eine geldpolitische Maßnahme. Zinsinduzierte Einkommensveränderungen entfalten sich nur langsam im Rahmen eines multiplikativen Wirkungsprozesses. Zins- und insbesondere Einkommensänderungen wirken sich mit einer zeitlichen Verzögerung auf Kapitalverkehr und Außenhandel aus. •





All

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz Aus dem Modell

ergibt

sich in

allgemeiner formaler

Form der

Einkommenseffekt: K(1233)'

+ v) -AL_= ^hi + +

AMBa

ski kY(h

v)

folgende

>0 ^ u

Liegt ein vollkommener Kapitalmarkt mit einer unendlich großen Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs vor, so vereinfacht sich das Ergebnis zu: (12-34)

Ä=Ä>0'wennv=~

Auch in diesem Fall hat die expansive Geldpolitik eindeutig einen positiEinkommenseffekt. Die Wirkungsabläufe sind ähnlich wie in den oben dargestellten Beispielen. Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings hinsichtlich des inländischen Zinssatzes. Dieser entspricht auch im neuen Gleichgewicht dem (unveränderten) ausländischen Zinssatz i so dass die Geldpolitik letztlich zwar eine Einkommenserhöhung bewirkt hat, das inländische Zinsniveau aber nicht verändert wurde. Die positive Einkommenswirkung der Geldpolitik resultiert in diesem Fall somit ausschließlich aus der durch sie verursachten Abwertung der inländischen Währung. ven

,

12.3.2 Autonome Veränderung der heimischen

Güternachfrage Veränderungen der autonomen heimischen Absorption, z. B. im Rahmen fiskalpolitischer Maßnahmen, haben je nach Rahmenbedingungen auf dem internationalen Kapitalmarkt unterschiedliche Reaktionsrichtungen des Wechselkurses zur Folge. Eine expansive Fiskalpolitik kann beispielsweise eine Abwertung oder eine Aufwertung der inländischen Währung bewirken. Auch für die Richtung des Einkommenseffektes spielen die spezifischen Bedingungen beim internationalen Kapitalverkehr eine entscheidende Rolle. Deshalb werden jetzt drei verschiedene Fälle untersucht, • zunächst eine relativ geringe Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs (Abbildung 12.10) eine relativ hohe, aber nicht unendlich große Zinsreagibilität des internationalen Kapital Verkehrs (Abbildung 12.11) •



ein vollkommener internationaler Kapitalmarkt mit einer unendlich großen Zinsreagibilität des Kapitalverkehrs (Abbildung 12.12).

Infolge der autonomen Nachfrageerhöhung möge die IS-Kurve jeweils nach ISi verschoben werden. Zum einen nimmt dann in jedem der drei Fälle die Güternachfrage zu, und zum anderen ergibt sich eine zinssteigernde Wirkung. Der Einkommenszuwachs hat höhere Importe und somit eine Verschlechterung des Außenbeitrags zur Folge. Der Zinsanstieg bewirkt

478

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

eine Verbesserung der Kapitalverkehrsbilanz, weil die Kapitalimporte zunehmen und/oder die Kapitalexporte sinken. Es treten somit in jedem der drei untersuchten Fälle zwei entgegen gerichtete Wirkungen auf die Zahlungsbilanz auf. In der Abbildung 12.10 dominiert die Reaktion des Außenhandels. Aufgrund der geringen Zinsreagibilität des Kapitalverkehrs fällt die Verbesserung der Kapitalverkehrsbilanz relativ gering aus, so dass sich die Zahlungsbilanz gleichwohl verschlechtert. Normale Reaktionen von Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt vorausgesetzt, wird die inländische

Währung abgewertet. Durch die Abwertung verbessert sich der Außenbeitrag wieder, so dass von hierher ein Zahlungsbilanzausgleich hergestellt wird. In der Abbildung 12.10 kommt die abwertungsbedingte Wirkung in einer (weiteren) Verschiebung der IS-Kurve nach IS2 und in einer Verschiebung der Z-Kurve nach Z\ zum Ausdruck. Der Zinssatz steigt auf \\. Das Einkommen hat sich nach Erreichen des neuen Gesamtgleichgewichts im Punkt B auf Yi erhöht. Die Einkommenswirkung der Fiskalpolitik wird somit in dem hier betrachteten Fall über die Abwertung der inländischen Währung durch die außenwirtschaftlichen Zusammenhänge unterstützt. Abbildung 12.10: Fiskalpolitik bei flexiblem Wechselkurs I if

0

Y0

Y,

Y

Ist die Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs, wie in der Abbildung 12.11 dargestellt, relativ hoch, so dominiert die zinsinduzierte Verbesserung der Kapitalverkehrsbilanz. Zwar verschlechtert sich auch hier infolge der Einkommenserhöhung der Außenbeitrag, aber der Zinsanstieg bewirkt eine starke Zunahme des Nettokapitalimports. Somit entsteht tendenziell ein Zahlungsbilanzüberschuss. Der Wechselkursmechanismus führt folglich zu einer Aufwertung der inländischen Währung. Dadurch

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz wird der

Außenbeitrag noch weiter verschlechtert.

Die

479

Aufwertung geht so

weit, dass der zinsinduzierten Verbesserung der Kapitalverkehrsbilanz eine

gleich große einkommens- und wechselkursinduzierte Verschlechterung der Leistungsbilanz gegenübersteht. Die Wirkung der Aufwertung auf den Außenbeitrag kommt in der Verschiebung der IS-Kurve nach IS2 und in der Verschiebung der Z-Kurve nach Z{ zum Ausdruck. Das neue Gleichgewicht im Punkt B impliziert ein höheres Einkommen (Yi) und einen höheren Zinssatz (ii). Die direkten Einkommenswirkungen werden in diesem Beispiel durch die außenwirtschaftlichen Zusammenhänge gedämpft. Abbildung 12.11: Fiskalpolitik bei flexiblem Wechselkurs II IS,

0

LM

Y0 Y,

Y

Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs unendlich hat die autonome Veränderung der inländischen Gütemachfrage groß, letztlich weder einen Einkommens-, noch einen Zinseffekt. Ist die so

Abbildung 12.12: Fiskalpolitik bei flexiblem Wechselkurs III

0

Y0

Y

480

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Der autonome Nachfrageanstieg hat kurzfristig eine zinssteigernde Wirkung. Hierdurch kommt es schnell zu einer kräftigen Zunahme des Kapitalimports und/oder Verringerung des Kapitalexports. Der entsprechende Zahlungsbilanzüberschuss impliziert somit eine relativ starke Aufwertung der inländischen Währung. Folglich verschlechtert sich der Außenbeitrag. Dieser wechselkursinduzierte Effekt ist im vorliegenden Beispiel so stark, dass die positive Wirkung auf Güternachfrage und Einkommen vollständig kompensiert wird. Die IS-Kurve verschiebt sich dementsprechend wieder zurück in die Ausgangslage. Die

dargelegten Einkommenseffekte einer Veränderung der autoAbsorption (bzw. einer nachfrageorientierten fiskalpolitischen Maßnahme) lassen sich formal aus dem Modell herleiten: zuvor

nomen

heimischen AY

k

(12.35) T7T, AH -,-T7^-7^0 ski + kY(hi + v) =

Bei

v

= °°

wird kein Einkommenseffekt erzielt.

Dass unterschiedliche Wechselkursänderungen möglich sind, zeigt die ebenfalls aus dem Modell hergeleitete Reaktion des realen Wechselkurses: n9 U ^;

Bei v

Aq

rnkj vkY n AHa"aq[ski + kY(hi + v)]

-

folgt hieraus:

Die

Untersuchungen führen somit zu folgendem Ergebnis: Die autonome Nachfrageerhöhung (z. B. im Rahmen einer expansiven Fiskalpolitik) in einem kleinen Land kann je nach Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs eine Abwertung oder Aufwertung der eigenen Währung bewirken oder ohne Wirkung auf den Wechselkurs bleiben. Je größer die Zinsreagibilität des Kapitalverkehrs ist, desto eher wird es zu einer Aufwertung kommen. Infolge der Wechselkurseffekte ist die Wirkung auf das Einkommen umso geringer, je größer die Zinsreagibilität des Kapitalverkehrs ist. Bei vollkommenem internationalen Kapitalmarkt ist ein Einkommenseffekt ausgeschlossen. Es ergibt sich dann nur eine starke Aufwertung. 12.3.3

Zinsänderung auf dem internationalen Kapitalmarkt Sofern der internationale Kapitalverkehr auf Zinsänderungen reagiert (v > 0), führt eine Reduktion des ausländischen Zinssatzes zu einem scheinbar paradoxen Ergebnis: Das Einkommen des kleinen Landes verrin-

Außenwirtschaft,

gert sich. Das wird deutlich,

wenn

481

Einkommen und Zinssatz

die Einkornmensreaktion

aus

dem Mo-

dell bestimmt wird:

(12.38)

ff Ai

=

?\

sk + kY(hi + v) ,

>0

.

0 und v > 0 kommt es demnach zu einer kontraktiven Einkommenswirkung. Dieses Ergebnis wird in der Abbildung 12.13 für den Fall eines vollkommenen internationalen Kapitalmarktes bzw. einer unendlich hohen Zinsreagibilität des Kapitalverkehrs erläutert. Bei Ai


0

Autonome Erhöhung der

Fester Wechselkurs

>0

Güternachfrage (expansive Fiskalpolitik)

Reduktion des ausländischen Zinssatzes Autonomer Kapitalexport

Flexibler Wechselkurs

= oo

>0

Fester Wechselkurs

>0

Flexibler Wechselkurs

ai gelten, so hätte die Abwertung auf den Außenbeitrag und damit auf das Einkommen im Land 2 eine größere positive Wirkung als im Land 1. Dementsprechend käme es zu einer strukturellen Verschiebung der Einkommensanteile in der Währungsunion zu Gunsten des Landes 2. Dieses Ergebnis ist in der Abbildung 12.22 zugrunde gelegt worden. Die expansive Geldpolitik hat in dem hier aufgezeigten Beispiel somit von

der

Kurve

zwei Effekte:

einen Niveaueffekt auf das Gesamteinkommen der Währungsunion • einen Struktureffekt auf die Einkommen der beiden Unionsländer. Der Struktureffekt hängt von der Relation der Koeffizienten ai und a2 ab. Bei aj a2 würde dieser Effekt nicht auftreten, bei ai > a2 fiele er zu Gunsten des Landes 1 aus und bei a2 > ai würde er, wie in der Abbildung 12.22 gezeigt, das Land 2 begünstigen. Der Niveaueffekt wäre jeweils der gleiche. Die Untersuchungen führen somit zu folgendem Ergebnis: Die expansive Geldpolitik der Währungsunion bewirkt eine Abwertung der Unionswährung, durch die der Außenbeitrag in jedem Mitgliedsland verbessert wird. Daraus und aus der Verfügbarkeit zusätzlicher Transaktionskasse resultiert eine Erhöhung der Einkommen in allen Unionsländern. •

=

b) Fiskalpolitik Untersucht werden die Wirkungen einer expansiven Fiskalpolitik in eiLand der Währungsunion. Es sei angenommen, dass das Land 1 expansive Maßnahmen einsetzt, durch die die autonome heimische Absorption dieses Landes zunimmt. Wie noch deutlich zu machen ist, hängen die der von des entscheidend internationalen Wirkungen Zinsreagibilität Kapitalverkehrs der Währungsunion ab. Deshalb werden jetzt alternativ ein Fall mit einer relativ geringen Zinsreagibilität und ein zweiter Fall mit einer (fast) unendlich hohen Zinsreagibilität des Kapitalverkehrs betrachtet. Die folgenden Abbildungen zeigen die Zusammenhänge und Ergebnisse für den ersten Fall. Die IS-Kurve der Währungsunion verschiebt sich infolnem

ge der expansiven Fiskalpolitik des Landes 1 nach rechts, hier nach ISi. Das hat zum einen einen Zinsanstieg und zum anderen eine einkommensinduzierte Verschlechterung des Außenbeitrags der Währungsunion zur Folge. Da der Zinsanstieg die Kapitalverkehrsbilanz der Währungsunion verbessert, treten auf dem Devisenmarkt zwei entgegengerichtete Einflüsse auf. Aufgrund der relativ geringen Zinsreagibilität des Kapitalverkehrs mö-

508

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

ge in diesem Fall jedoch die Verschlechterung des Außenbeitrags dominieren. Demzufolge wird die Währung der Union abgewertet.

Abbildung 12.23: Niveaueffekt der Fiskalpolitik eines kleines Unionslandes

Die Abwertung wirkt sich auf die Lage der IS- und der Z-Kurve aus: Beide verschieben sich nach rechts. Die Wechselkursanpassung hält so lange an, bis auf der unveränderten LM-Kurve ein neues Gleichgewicht erreicht wird. Das sei im Punkt B gegeben. IS- und Z-Kurve haben sich somit nach IS2 bzw. Z! verlagert.

Abbildung 12.24: Struktureffekt der Fiskalpolitik eines kleines Unionslandes I

Wie in der Abbildung 12.24 dargestellt, hat die expansive Fiskalpolitik des Landes 1 eine Verschiebung der YY-Kurve in Richtung auf ein höheres

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

509

Einkommen in diesem Land zur Folge, z. B. nach YYj. Es sei angenommen, dass der Koeffizient a2 größer ist als der Koeffizient ai. Dann ergibt sich wegen der Abwertung ein gegenläufiger Einfluss auf die Lage der YYKurve. Diese möge hierdurch nach YY2 zurück verschoben werden. Schließlich resultiert aus der Zinserhöhung noch ein Einfluss auf die Lage der MY-Kurve. Da durch den Zinsanstieg zusätzliches Geld für Transaktionszwecke verfügbar wird, lockert sich die Geldmengenrestriktion. Somit verschiebt sich die MY-Kurve nach außen, hier z. B. nach MYi. In dem eingezeichneten Beispiel steigt somit nicht nur das Einkommen des Landes 1, sondern auch das des Landes 2. Wie in Abbildung 12.25 dargestellt, ist das zuvor aufgezeigte Ergebnis nicht zwingend. Bereits in der Abbildung 12.24 lässt sich leicht nachvollziehen, dass der Wechselkurseinfluss auf die Lage der YY-Kurve nur gering sein oder sogar zu Gunsten des Landes 1 wirken kann und dass außerdem die Lage der MY-Kurve durch die Zinsänderung ebenfalls nur geringfügig beeinflusst sein kann. Es ist deshalb möglich, dass zwar der in der Abbildung 12.23 skizzierte Einkommenseffekt der Währungsunion gleich bleibt, aber die Einkommensstruktur so weit verändert wird, dass das Einkommen des Landes 2 sinkt. Dieses Ergebnis ist in der Abbildung 12.25 dargestellt worden.

Abbildung 12.25: Struktureffekt der Fiskalpolitik eines kleines Unionslandes II

i-1-1-»

0

Y10

Y„

Y,

Ist die Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs (fast) unendlich groß, so entspricht der inländische Zinssatz immer dem Zinssatz des Drittlands. Auf diesen Fall bezieht sich die Abbildung 12.26. Auch hier wird die IS-Kurve nach rechts verschoben. Die zinsinduzierte Verbesserung des Kapitalverkehrs ist jedoch so groß, dass die Unionswährung erheblich

510

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

aufgewertet wird. Infolgedessen verringert sich der Außenbeitrag der Währungsunion. Der Prozess der Wechselkursanpassung und der Anpassung des Außenbeitrags hält so lange an, bis die ursprüngliche Gleichgewichtssituation wiederhergestellt ist. Das Einkommen der Währungsunion hat sich somit nicht verändert.

Abbildung 12.26: Niveaueffekt der Fiskalpolitik eines kleinen Unionslandes bei vollkommenem Kapitalmarkt

0

Y0

Y

Gravierend sind dabei die Wirkungen auf die Einkommensstruktur. Wie in der Abbildung 12.27 gezeigt, verschiebt sich die YY-Kurve aufgrund der expansiven Fiskalpolitik des Landes 1 z. B. nach YYi. Weil sich die Lage der MY-Kurve wegen der Konstanz des Zinssatzes nicht verändert, resultiert bereits aus diesem Zusammenhang eine Verringerung des Einkommens im Land 2. Dieser Effekt wird noch intensiviert, wenn das Land 2 relativ stärker als das Land 1 von der Aufwertung betroffen ist, wenn also gilt: a2 > ai. Dann verschiebt sich die YY-Kurve noch weiter in Richtung auf ein höheres Einkommen des Landes 1, hier z. B. nach YY2.

Weil das gesamte Einkommen der Währungsunion konstant geblieben ist, hat die expansive Fiskalpolitik des Landes 1 lediglich eine Einkommensverlagerung vom Land 2 in das Land 1 zur Folge. Die Einkommenserhöhung im Land 1 entspricht absolut gesehen der Einkommensreduktion im Land 2. Theoretisch möglich ist eine Situation, in der die Aufwertung nur auf das Land 1 eine negative Wirkung hat und dementsprechend gilt: a2 0 und ai > 0. In dieser Situation hätte die expansive Fiskalpolitik des Landes 1 weder im eigenen Land noch im Land 2 einen Einkommenseffekt. Es ist allerdings fraglich, ob die hier zugrunde liegende Bedingung in der Realität erfüllt ist und das so gewonnene spezielle Ergebnis überhaupt praktische Relevanz besitzt. -

-

=

511

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

Abbildung 12.27: Struktureffekt der Fiskalpolitik eines kleines Unionslandes bei vollkommenem Kapitalmarkt

i-1-1-^

Y10 Yu

0

Y,

Ergebnis: Die Wirkungen der expansiven Fiskalpolitik eines Landes der Währungsunion hängen entscheidend von der Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs der Währungsunion ab. Je größer die Zinsreagibilität ist, desto stärker sind entgegen gerichtete kontraktive Wirkungen durch eine Aufwertung der Unionswährung. Wenn Einkommen und Zinssatz der Währungsunion steigen, erhöht sich auf jeden Fall auch das Einkommen des Mitgliedslandes, das die Fiskalpolitik betreibt. Das Einkommen des zweiten Mitgliedslandes (oder der anderen Mitgliedsländer) kann demgegenüber sinken, konstant bleiben oder ebenfalls zunehmen. Bei vollkommenem internationalen Kapitalverkehr verändert sich das Gesamteinkommen der Währungsunion nicht. In der Regel kommt es dann nur zu einer Einkommensverlagerung zu Gunsten des Landes, das die expansive Fiskalpolitik betreibt. 12.6.3 Einkommenseffekte der Geld- und

großen Währungsunion

Fiskalpolitik

in einer

a) Einkommen, Geldmarkt und Zahlungsbilanz des Drittlands

Analog zu den bisher schon verwendeten Einkommensgleichungen bzw. Gleichungen der IS-Kurve gilt für das Nicht-Mitgliedsland der Währungsunion, hier Drittland oder auch Rest der Welt genannt, Folgendes: mit: 0 < hY < 1; h* > 0 (12.56) Y* Ha* + hYY* h*i* + AB* den

=

-

Außenbeitrag AB* entspricht mit umgekehrtem Vorzeichen und nach Umrechnung mit dem realen Wechselkurs dem Außenbeitrag der Währungsunion: Der

512

Internationale

(12.57) AB*

=

Wirtschaftsbeziehungen

-1AB --L(AB1 + AB2) q q =

mit:q

=

P

---

gilt gleichermaßen für den Saldo der Kapitalverkehrsbilanz. Das Geldmarktgleichgewicht lautet: mit: kY > 0; k* > 0 (12.58) M* La* + kYY* k*i* Das

=

-

Zur Vereinfachung wird im Folgenden angenommen, dass der internationale Kapitalmarkt (fast) vollkommen ist und demnach die Zinsreagibilität des Kapitalverkehrs (annähernd) unendlich groß ist.

b) Geldpolitik

expansive Geldpolitik der Zentralbank der Währungsunion hat die gleichen Wirkungen auf die Einkommen und den Zinssatz wie im Fall zweier großer Länder bei flexiblem Wechselkurs. Diese Wirkungen sind im Abschnitt 12.5.2 dargestellt worden. Zur Wiederholung wird die dort zugrunde gelegte Abbildung 12.16 jetzt aus der Sicht eines Währungsunion noch einmal kurz erläutert (siehe Abbildung 12.28). Der linke Teil der Abbildung zeigt die bekannten Zusammenhänge für die Währungsunion. Im rechten Teil sind analog dazu die IS-Kurve, die LMKurve und die Z-Kurve des Drittlands eingezeichnet worden. Die expansive Geldpolitik bewirkt in der Währungsunion zunächst eine Zinssenkung, die wegen des vollkommenen Kapitalmarktes jedoch rasch auf das Drittland übertragen wird. Infolge der zinsinduzierten Verschlechterung der Kapitalverkehrsbilanz der Währungsunion ergibt sich eine Abwertung der Unionswährung und demnach eine Aufwertung der Währung des Drittlands. Daraus resultiert eine Verbesserung des Außenbeitrags der Währungsunion und eine Verschlechterung des Außenbeitrags des Drittlands. Somit ist in der Währungsunion eine Einkommenserhöhung und im Drittland eine Einkommensreduktion bewirkt worden. In der Abbildung 12.28 zeigt sich dieses Ergebnis im Übergang vom Ausgangsgleichgewicht zum neuen Gleichgewicht in den Punkten B und B*. Die

-

-

genannten Effekte auf die Einkommensstruktur in der Währungsunion auswirken, wird nun anhand der Abbildung 12.29 verdeutWie sich die

zuvor

licht. Die Erhöhung des Geldangebots impliziert eine Verschiebung der MY-Kurve nach außen, z. B. nach MY[. Wegen der Zinssenkung wird ein Teil der zusätzlichen Geldmenge jedoch der Spekulationskasse zugeführt und dementsprechend der Transaktionskasse entzogen. Folglich verschiebt sich die MY-Kurve wieder etwas nach innen, z. B. nach MY2.

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

513

Abbildung 12.28: Geldpolitik eines großen Landes

Ein Blick auf die Gleichung (12.54) lässt erkennen, dass die YY-Kurve nur dann von den oben genannten Effekten beeinflusst wird, wenn •



die Koeffizienten ai und a2, die die Reaktion des Außenbeitrags der beiden Unionsländer auf die Wechselkursänderung wiedergeben, verschieden sind der Koeffizient y, der die Reaktion des Außenbeitrags der beiden Unionsländer auf eine Veränderung des Drittlandeinkommens erfasst, nicht den Wert 0,5 hat. Nur dann,

wenn

ai

=

a2 und y

=

0,5 gilt, werden die beiden Länder der

Währungsunion gleichermaßen von Wechselkursänderungen und Änderungen des Drittlandeinkommens betroffen, und nur dann gehen von diesen Änderungen keine Einflüsse auf die Einkommensstruktur in der Währungsunion aus.

Theoretisch ließe sich ein Extremfall konstruieren, in dem beispielsweise der Außenbeitrag des Landes 2 zwar nicht auf die Abwertung reagiert (a2 0), aber die volle Last der Reduktion des Drittlandeinkommens trägt (y = 0). Das Einkommen des Landes 1 wird in diesem Fall eindeutig zunehmen. Demgegenüber könnte das Einkommen des Landes 2 sinken, obwohl von der Zinssenkung in der Währungsunion und der Einkommenserhöhung im Land 1 positive Wirkungen auf das Einkommen des Landes 2 ausgehen. Dazu müsste allerdings der negative Einfluss aus dem gesunkenen Drittlandeinkommen sehr stark sein. Sehr wahrscheinlich ist der hier skizzierte Extremfall in der Realität nicht anzutreffen. =

In der Abbildung 12.29 wird davon ausgegangen, dass ai = a2 und y = 0,5 sind. Die YY-Kurve verändert ihre Lage deshalb nicht. Mit dem neuen Gleichgewicht im Punkt B' sind die Einkommen in beiden Ländern der

Währungsunion gestiegen.

514

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Abbildung 12.29: Struktureffekt der Geldpolitik einer großen Währungsunion

i-1—-

0

Yl0 Yu

Y,

expansive Geldpolitik der Währungsunion hat eine Abwertung der Unionswährung und eine Aufwertung der Währung des Drittlands zur Folge. Daraus resultiert ein positiver Einkommenseffekt in der Währungsunion und ein negativer Einkommenseffekt im Drittland. Sieht man von theoretisch möglichen Extremsituationen ab, so ergibt sich hieraus in beiden Unionsländern eine Einkommenserhöhung. Ergebnis:

Die

c) Fiskalpolitik Die expansive Fiskalpolitik eines Unionslandes hat die gleichen Wirkungen auf die Einkommen der Währungsunion und des Drittlands sowie auf den Zinssatz wie im Fall zweier großer Länder mit flexiblem Wechselkurs. Dieser Fall ist bereits im Abschnitt 12.5.3 dargelegt worden. Auf der Grundlage der dort verwendeten Abbildung 12.19 wird das Ergebnis noch einmal aufgezeigt (siehe Abbildung 12.30). Infolge der expansiven Fiskalpolitik steigt in der Währungsunion der Zinssatz. Dadurch kommt es zu einem Kapitalzufluss aus dem Drittland, durch den dort das Zinsniveau ebenfalls zunimmt. Gleichzeitig wird die Unionswährung aufgewertet und die Drittlandwährung abgewertet. Für das Drittland ergibt sich hieraus ein positiver Einkommensimpuls. Trotz der negativen Wirkung der Aufwertung auf den Außenbeitrag erhöht sich das Gesamteinkommen der Währungsunion. Die Einkommen in der Währungsunion sowie im Drittland werden schließlich noch durch die einkommensinduzierten Rückwirkungen positiv beeinflusst.

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

515

Abbildung 12.30: Niveaueffekt der Fiskalpolitik eines großen Unionslandes

Die Abbildung 12.31 zeigt die Verteilung der Einkommenswirkungen auf die beiden Länder. Land 1 möge die expansive fiskalpolitische Maßnahme eingesetzt haben. Daraus resultiert direkt eine Verschiebung der YY-Kurve in Richtung auf ein höheres Einkommen Yl5 z. B. nach YYi. Die MYKurve verschiebt sich aufgrund der Zinserhöhung nach außen. Denn der Zinsanstieg macht mehr Geld für Transaktionszwecke verfügbar. Das hat bereits Bedeutung für das Einkommen des Landes 2. Theoretisch wäre es möglich, dass der negative Einfluss auf das Einkommen des Landes 2, der direkt von der expansiven Fiskalpolitik des Landes 1 ausgeht, von hierher kompensiert oder sogar überkompensiert wird. Gemäß

Gleichung (12.55) können jedoch außerdem die Einflüsse aus der Wechselkursänderung und der Erhöhung des Drittlandeinkommens eine wichtige Rolle spielen. Wenn beispielsweise a2 < aj und y < 0,5 sind, haben die Aufwertung der Unionswährung einerseits und die Erhöhung des Drittlandeinkommens andererseits einen positiven Struktureffekt für das Einkommen des Landes 2. Die YY-Kurve würde hierdurch zurück in Richtung

auf ein höheres Einkommen des Landes 2 verschoben werden. Dabei handelt es sich keineswegs um einen unrealistischen Extremfall. Es ist also sehr wohl möglich, dass die expansive Fiskalpolitik des Landes 1 eine Einkommenserhöhung in beiden Unionsländern bewirkt. Dieses Ergebnis ist in der Abbildung 12.31 mit der Verschiebung der YY-Kurve nach YY2 skizziert worden. Das neue Gleichgewicht im Punkt B' impliziert eine Erhöhung des Einkommens im Land 1 auf Yn und im Land 2 auf Y2[. Allerdings ist es ebenso gut möglich, dass der Zinseffekt in der MYKurve relativ schwach ist und der Struktureffekt aus der Wechselkursänderung und der Erhöhung des Drittlandeinkommens nicht wirksam wird oder sogar zu Gunsten des Landes 1 ausfällt. In diesem Fall könnte die expansi-

516

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Fiskalpolitik des Landes 1 zwar das Einkommen dieses Landes erhöhen, aber im Land 2 einen negativen Einkommenseffekt zur Folge haben. ve

Abbildung 12.31: Struktureffekt der Fiskalpolitik eines großen Unionslandes

i-1-

0

Y10 Y„

Y,

Ergebnis: Die expansive Fiskalpolitik eines Landes der Währungsunion bewirkt einen Zinsanstieg, eine Aufwertung der Unionswährung, eine Erhöhung des Gesamteinkommens der Währungsunion, eine Erhöhung des Drittlandeinkommens und eine Einkommenserhöhung im eigenen Land. Die Wirkung auf die Einkommen in den anderen Unionsländem ist demgegenüber theoretisch nicht eindeutig bestimmt. Diese Einkommen können ebenfalls steigen, aber auch sinken oder konstant bleiben.

| Zusammenfassung_| Zinsänderungen auf den nationalen Finanzmärkten haben im Allgemeinen einen maßgeblichen Einfluss auf den internationalen Kapitalverkehr. Je vollkommener der internationale Kapitalmarkt ist, desto zinselastischer ist der Kapitalverkehr und desto stärker und schneller sind die Reaktionen der Finanzströme auf Zins-

änderungen. Die Wirksamkeit der Geldpolitik und der Fiskalpolitik eines Landes hängt entscheidend vom Wechselkurssystem, von der Zinsreagibilität des internationalen Kapitalverkehrs sowie von der relativen Größe dieses Landes ab. Bei festem Wechselkurs hat die Geldpolitik eines kleinen Landes weder Zinsnoch Einkommenseffekte, wenn eine Kompensation der Geldmengeneffekte der außenwirtschaftlichen Güter- und Kapitaltransaktionen ausgeschlossen ist. Demgegenüber ist die Geldpolitik des kleinen Landes bei flexiblem Wechselkurs wirksam. Die expansive Geldpolitik eines großen Landes hat aufgrund der engen internationalen Zusammenhänge bei festem Wechselkurs sowohl im eigenen Land als auch im Ausland positive Einkommenseffekte. Bei flexiblem Wechselkurs

517

Außenwirtschaft, Einkommen und Zinssatz

kommt es demgegenüber zu einem negativem Einkommenseffekt im Ausland, der Kapitalverkehr zinselastisch ist.

wenn

Die Fiskalpolitik eines kleinen Landes bewirkt in der Regel bei festem und bei flexiblem Wechselkurs in diesem Land Zins- und Einkommensänderungen. Eine Ausnahme davon bildet der Fall eines vollkommen zinselastischen Kapitalverkehrs bei flexiblem Wechselkurs: Die Fiskalpolitik des kleinen Landes ist in dieser Situation unwirksam. Die expansive Fiskalpolitik eines großen Landes bewirkt bei flexiblem Wechselkurs eine Einkommenserhöhung sowohl im eigenen Land als auch im Ausland. Bei festem Wechselkurs ergibt sich demgegenüber zwar im eigenen Land eindeutig ein positiver Einkommenseffekt, aber im Ausland kann das Einkommen je nach Zinsreagibilität auf dem Güter- und dem Geldmarkt sinken, konstant bleiben oder steigen. Somit ist eine negative Konjunkturübertragung nicht auszuschließen. Die Geldpolitik der gemeinsamen Zentralbank einer Währungsunion sowie die Fiskalpolitik eines größeren Mitgliedslandes haben die gleichen Wirkungen auf Zinssätze und Einkommen der Währungsunion insgesamt und des Auslands wie im Fall eines einzigen großen Landes bei flexiblem Wechselkurs. Eine expansive Geldpolitik der Währungsunion hat in der Regel positive Einkommenseffekte in allen Mitgliedsländern. Demgegenüber bewirkt die expansive Fiskalpolitik eines relativ großen Mitgliedslandes zwar in diesem Land selbst eine Einkommenserhöhung, aber in den anderen Mitgliedsländern sind je nach Zins- und Wechselkursabhängigkeiten auf dem Geldmarkt und den nationalen Gütermärkten auch negative Veränderungen der Einkommen möglich.

Literatur Die neue MakroÖkonomik, in: S. 734 740. WISU, 5, 1999, Dernburg, T.F., Global Macroeconomics, New York 1989, Kapitel 5, 6 und 12.

Carlberg, M., Europäische Währungsunion: Nr.

-

Dieckheuer, G., Geld- und Fiskalpolitik bei internationalen Rückwirkungen, in: WISU, Heft 3, 1992, S. 201 207. Dieckheuer, G, Geld-, Fiskal- und Lohnpolitik in einer Währungsunion Eine makroökonomische Analyse von Niveau- und Struktureffekten, in: ifo-Studien, 45. Jg., 1999, S. 591 619. -

-

-

Dieckheuer, G., MakroÖkonomik, Theorie und Politik, 4. Aufl., Berlin Heidelberg 2001, Kap. 8. Feuerstein, S. I Siebke, J., Wechselkursunionen und Stabilitätspolitik, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 110 Jg., 1990, S.

-

359-379.

Fleming, M., Domestic Financial Policies Under Fixed and Under Floating Exchange Rates, in: IMF Staff Papers, Vol. 9, S. 369 380. -

518

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Frenkel, JA. I Razin, A., The Mundell-Fleming-Model a Quarter Century Later, IMF Staff Papers, Vol. 34, 1987, S. 567 620. Hansen, J.D. I Nielsen, J.U., An Economic Analysis of the EU, London -

1997.

Jarchow, H.-J. I Rühmann, P., Monetäre Außenwirtschaft I, Monetäre Außenwirtschaftstheorie, Göttingen 2000, 3. Teil. Levin, J.H., A Model of Stabilization Policy in a Jointly Floating Currency Area, in: Bhandari, J.S. / Putman, B.H. (Hrsg.), Economic Interdependence and Flexible Exchange Rates, Cambridge (Mass.), S. 329 349. Mundell, R.A., International Economics, New York 1968. Rose, K. I Sauernheimer, K., Theorie der Außenwirtschaft, 13. Aufl., München 1999, Teil II, Kapitel 4 und 7. Sauernheimer, K., Wirtschaftspolitische Interdependenzen in einer Wechselkursunion, in: Siebke, J. (Hrsg.), Monetäre Konfliktfelder der Weltwirtschaft, Berlin 1991, S. 113 123. Schmitt-Rink, G. I Bender, D., Makroökonomie geschlossener und offener Volkswirtschaften, 2. Aufl., Berlin Heidelberg 1992, §2, Abschnitte II. -

-

und III.

-

Siebert, H., Außenwirtschaft, 7. Aufl., Stuttgart 2000, Kapitel 17 und 18. Willms, M., Internationale Währungspolitik, 2. Aufl., München 1995, Ka-

pitel 4 und 5.

Wohltmann, H.-W., Transmission nationaler Wirtschaftspolitiken in einer Wechselkursunion, in: Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 211, 1993, S. 73-89.

Kapitel 13 Der internationale Preiszusammenhang | Untersuchungsziele_| Ergänzung des güterwirtschaftlichen Modellbereichs um den Einfluss des Preisniveaus auf die Güternachfrage sowie um eine angebotsseitige Erklärung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus Analyse der Einkommens- und der Preiseffekte der Geld- und Fiskalpolitik bei festem und bei flexiblem Wechselkurs sowie der Wechselkurspolitik in einem Festkurssystem

Erklärung

der

Transmissionswege

internationaler

tem und flexiblem Wechselkurs.

Preisübertragungen

bei fes-

13.1

Preisniveau, Zahlungsbilanz und Einkommen In den vorangegangenen Untersuchungen wurde zwar der reale Wechselkurs eingeführt, der neben dem nominellen Wechselkurs das inländische

Preisniveau und das ausländische Preisniveau enthält, aber Änderungen dieser Preisniveaus waren annahmegemäß ausgeschlossen. Im Folgenden wird zunächst das Modell eines kleinen Landes erweitert, indem das gesamtwirtschaftliche Preisniveau dieses Landes des Inlands als eine endogen zu erklärende Größe erfasst wird. -

-

13.1.1 Die Reaktion der Güternachfrage auf Preisänderungen Aus dem zuvor schon verwendeten Modell für das kleine Inland werden die Gleichungen für die IS-Kurve und die Zahlungsbilanz unverändert übernommen. Das inländische Preisniveau ist in beiden Gleichungen über den realen Wechselkurs als eine wichtige Determinante des Außenbeitrags enthalten. Der reale Wechselkurs ist bekanntlich definiert als:

(13.1)

q

=

Von hierher besteht somit eine direkte negative Abhängigkeit der Güternachfrage vom inländischen Preisniveau P. Denn ein Anstieg von P bewirkt bei normalen Reaktionen eine Reduktion der Exporte sowie eine Zunahme der Importe und folglich eine Verschlechterung des Außenbeitrags. Ein wesentlicher Unterschied zum bisher verwendeten Modell besteht im Hinblick auf die Gleichung für das Geldmarktgleichgewicht bzw. die LMKurve. Die Geldpolitik eines Landes ist im allgemeinen mit erster Priorität auf das Ziel der Preisstabilität gerichtet. Dementsprechend orientiert sich

520

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

die Zentralbank an einer Steuerung der nominellen Geldmenge. Das lässt sich leicht erklären: Steigt das Preisniveau, so verringert sich bei vorgegebener nomineller Geldmenge zwingend die reale Geldmenge. Aus dieser

Liquiditätsverknappung ergibt sich dann quasi automatisch ein dämpfender Einfluss auf die Preisentwicklung. Dieser Mechanismus ist aber selbstverständlich nur wirksam, wenn die nominelle Geldmenge fixiert ist oder zumindest eine geringere Zuwachsrate aufweist als das Preisniveau. Wenn sich die Politik der Zentralbank an der realen Geldmenge orientieren würde, müsste sie ihr nominelles Geldangebot an die Preisentwicklung anpasDadurch käme es aber wünschten Preiserhöhung. sen.

zu

einer

Alimentierung

der

an

sich

uner-

Gleichgewicht auf dem Geldmarkt lautet vor diesem Hintergrund:

Das

iM" 7J-

(13.2)

=

L(Y,i)

Mn ist das nominelle

Geldangebot, das die Zentralbank mit Hilfe ihrer Instrumente steuert. M7P ist somit das reale Geldangebot, geldpolitischen das im Gleichgewicht der realen Geldnachfrage L entspricht. Die drei fundamentalen Modellgleichungen für die IS-Kurve, die LMKurve und die Zahlungsbilanz werden auch hier aus Gründen der Vereinfachung in linearer Form verwendet, so dass im weiteren Verlauf das folgende Modell zugrunde liegt: Y

=

-^(Ha s + m

M"



=

V + kYY

Z = ABa

mY -

+

-

+

ABa-hii + mY + aqq) qn

LM-Kurve

ki

mY + aqq + Ka + v(i

IS-Kurve

-

Q_Zahlungsbilanz

a) Fester Wechselkurs Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass bei einem festen Wechselkurs Überschüsse oder Defizite in der Zahlungsbilanz auftreten können und von hierher das Geldangebot bzw. die umlaufende Geldmenge verändert wird, wenn die Zentralbank keine Kompensationspolitik betreibt oder betreiben kann. Schließt man eine Kompensationspolitik aus, so verändert sich die Geldmenge im Fall eines Zahlungsbilanzungleichgewichts infolge der außenwirtschaftlichen Liquiditätsbewegungen so lange, bis die Bedingungen für eine ausgeglichene Zahlungsbilanz hergestellt sind. Das ist weiter oben schon ausführlich dargelegt worden. Zinssatz und Einkommen, die mit einem IS-Gleichgewicht, einem LM-Gleichgewicht und einem Zahlungsbilanzgleichgewicht vereinbar sind, lassen sich deshalb aus der

Der internationale

521

Preiszusammenhang

der IS-Kurve sowie der Gleichung der Z-Kurve (bei Z = 0) bestimmen. Die LM-Kurve passt sich hieran über den außenwirtschaftlichen Liquiditätsmechanismus quasi automatisch an. Um die Analyse möglichst einfach zu halten und auf die wesentlichen

Gleichung

konzentrieren, sei angenommen, dass der internationale Kapitalmarkt (fast) vollkommen ist und deshalb eine (annä-

Aspekte

von

Preiseffekten

zu

hernd) unendlich große Zinselastizität des Kapitalverkehrs besteht. Das

Zahlungsbilanzgleichgewicht zum

kommt dann bekanntlich in der

Ausdruck:

Zinsparität

i = i* Vor diesem Hintergrund ist eine Kompensationspolitik der Zentralbank nicht möglich. Unter Berücksichtigung der Zinsparität erhält man aus der Gleichung der IS-Kurve die Gleichung für die gesamtwirtschaftliche Gü-

(13.3)

temachfrage: (13.4)

Y

=

s + m

Ha + AB" -

b/ + m*Y* +

aq^j

Die ausländischen Größen i Y und P können von dem kleinen Inland nicht beeinflusst werden. Der Wechselkurs ist, z. B. innerhalb eines Festkurssystems, fixiert. Somit zeigt die Gleichung (13.4) den Zusammenhang zwischen den beiden variablen Größen Einkommen und Preisniveau. Es besteht eine negative Abhängigkeit des Einkommens Y vom Preisniveau P. Dieses Einkommen spiegelt das IS- und Z-Gleichgewicht und demnach ein nachfrageseitiges Gleichgewicht auf dem Gütermarkt wieder. ,

Die grafische Darstellung der Gleichung (13.4) wird als AD-Kurve bezeichnet. Diese Kurve resultiert, wie in der Abbildung 13.1 gezeigt, bei festem Wechselkurs aus dem IS- und dem Z-Gleichgewicht. Ausgehend von einem Preisniveau P0 möge im i/Y-Diagramm ein Gleichgewicht im Punkt A vorliegen. Steigt das Preisniveau, so verschiebt sich die IS-Kurve ceteris paribus nach links. Das Einkommen, das ein IS- und ZGleichgewicht impliziert, verringert sich. Als Beispiel wurde ein Preisanstieg auf P] vorgenommen, durch das sich im i/Y-Diagramm ein neues Gleichgewicht im Punkt B ergibt. Mit beliebigen Veränderungen des Preisniveaus lässt sich

so

die AD-Kurve im P/Y-Diagramm gewinnen.

Veränderungen der beiden autonomen Größen Ha und AB", der ausländischen Größen i* und Y* sowie des nominellen Wechselkurses w haben einen direkten Einfluss auf das IS- und Z-Gleichgewicht im i/Y -Diagramm. Folglich führen solche Veränderungen zu einer Verschiebung der ADKurve. Nehmen Ha, ABa, Y* oder w zu, so verschiebt sich die AD-Kurve nach rechts, steigt i*, so verschiebt sie sich nach links. Es ist zu erkennen,

522

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

dass autonome geldpolitische Größen der Zentralbank in der Gleichung der AD-Kurve nicht enthalten sind. Die autonome Geldpolitik eines kleinen Landes hat bekanntlich bei festem Wechselkurs keine Wirkung auf das inländische Einkommen. Das bedeutet aber zugleich, dass eine autonome Geldpolitik auch keinen Einfluss auf die aggregierte Gütemachfrage und somit auf die Lage der AD-Kurve hat.

Abbildung 13.1: Herleitung der AD-Kurve für einen festen Wechselkurs i

0

Y,

Y0

Y

b) Flexibler Wechselkurs Bei flexiblem Wechselkurs sorgt der Wechselkursmechanismus stets für einen Ausgleich der Zahlungsbilanz, so dass das Geldangebot hier nicht durch außenwirtschaftliche Einflüsse verändert wird und somit von der Zentralbank autonom steuerbar ist. Das Geldmarktgleichgewicht ist deshalb bei flexiblem Wechselkurs von grundlegender Bedeutung für das gesamte

Der internationale Preiszusammenhang

523

Gleichgewicht bzw. für die Bestimmung des Einkommens, das mit einem IS-, LM- und Z-Gleichgewicht vereinbar ist. Die AD-Kurve lässt sich vor diesem Hintergrund gewinnen, indem die Zinsparität, die aus dem Zahlungsbilanzgleichgewicht resultiert, in die Gleichung der LM-Kurve eingesetzt

wird:

(13.5) Auch hier besteht somit ein negativer Zusammenhang zwischen dem Einkommen und dem Preisniveau. Das IS-Gleichgewicht wird jetzt durch den Wechselkursmechanismus hergestellt. Der Wechselkurs verändert sich so lange, bis auf Seiten der Gütemachfrage die Bedingungen für einen anhaltenden Ausgleich der Zahlungsbilanz gegeben sind. Analog zur Darstellung für einen festen Wechselkurs wird nun die ADKurve für den Fall eines flexiblen Wechselkurses in der Abbildung 13.2

graphisch hergeleitet.

Bei einem Preisniveau von P0 liegt ein LM- und Z-Gleichgewicht im Punkt A vor. Steigt das Preisniveau auf Pu so verschiebt sich die LMKurve nach oben, hier nach LMj. Die Verschiebung resultiert daraus, dass die Zentralbank das nominelle Geldangebot konstant hält und die reale Geldmenge infolge der Preissteigerung verringert wird. Es kommt somit auf realer Basis zu einer LiquiditätsVerknappung. Da sich der Zinssatz des kleinen Landes aufgrund des vollkommenen internationalen Kapitalmarktes nicht verändern kann, geht diese Liquiditätsverknappung voll zu Lasten der Transaktionskasse. Da also weniger Geld für güterwirtschaftliche Transaktionen zur Verfügung steht, nehmen Gütemachfrage und Einkommen zwingend ab. Aus diesen Zusammenhängen resultiert die negative Steigung der AD-Kurve. Das LM- und Z-Gleichgewicht im i/Y-Diagramm wird auch von Veränderungen des nominellen Geldangebots Mn, der autonomen Geldnachfrage La sowie des ausländischen Zinssatzes i* beeinflusst. Diese Größen bestimmen somit die Lage der AD-Kurve. Erhöht die Zentralbank die nominelle Geldmenge, so verschiebt sich die AD-Kurve nach rechts. Im Vergleich mit der AD-Kurve bei festem Wechselkurs hat eine Veränderung des ausländischen Zinssatzes im vorliegenden Fall eines flexiblen Wechselkurses eine völlig andere Wirkung. Steigt der ausländische Zinssatz, so nehmen jetzt die Gütemachfrage und das Einkommen des kleinen Inlands zu. Das ist wie folgt zu erklären: Durch den Zinsanstieg wird im Inland Geld für Transaktionszwecke freigesetzt, das für zusätzliche Güternachfrage verwendet werden kann. Die entsprechende Erhöhung der Güter-

Internationale

524

Wirtschaftsbeziehungen

resultiert aus einer wechselkursinduzierten inländischen Außenbeitrags.

nachfrage

Verbesserung

des

Abbildung 13.2: Herleitung der AD-Kurve für einen flexiblen Wechselkurs

'I

LM,(P,)

I-1-!0

Da der

Y,

Y0

Y

Zinsanstieg im Ausland die inländische Kapitalverkehrsbilanz ver-

schlechtert, kommt es zwingend zu einer Abwertung der inländischen Wäh-

rung. Denn die Wiederherstellung des Zahlungsbilanzgleichgewichts ist nur über eine Verbesserung des Außenbeitrags möglich, die ihrerseits eine Abwertung der inländischen Währung voraussetzt. Die Herleitung der AD-Kurve bei flexiblem Wechselkurs macht deutlich, dass eine Veränderung der autonomen heimischen Absorption Ha keinen Einfluss hat. Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass die expansive Fiskalpolitik eines kleinen Landes bei vollkommenem internationalen Kapitalmarkt ohne Wirkung auf das inländische Einkommen ist. Die inländi-

525

Der internationale Preiszusammenhang

Währung wird nämlich in diesem Fall so weit aufgewertet, dass eine Erhöhung der autonomen Größe Ha durch eine Verschlechterung des Außenbeitrags exakt kompensiert wird. Das trifft gleichermaßen für Veränderungen des autonomen Außenbeitrags ABa und des ausländischen Einkommens Y* zu. Auch diese Größen sind deshalb für die Lage der ADsehe

Kurve bei flexiblem Wechselkurs unbedeutend.

13.1.2 Die gesamtwirtschaftliche Preisfunktion Um im P/Y-Diagramm gleichzeitig das Preisniveau und das Einkommen bestimmen zu können, muss die Angebotsseite des Gütermarktes in das Modell eingeführt werden. Das geschieht hier mit Hilfe einer Preisfunktion, in der die angebotsseitige Festsetzung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus erklärt wird. Diese Erklärung basiert auf der Mark-Up-Hypothese, die aussagt, dass die Unternehmungen ihre Güterpreise im Rahmen einer Aufschlagskalkulation bestimmen. Konkret heißt das, dass ein Aufschlag auf die Stückkosten der Produktion vorgenommen wird, umso einen gewünschten Stückgewinn zu erzielen:

(13.6)

P=

(l+y)SK

Die Gesamtstückkosten SK setzen sich aus den Lohnstückkosten sowie den Stückkosten der importierten Vorleistungsgüter zusammen, y ist der

Aufschlagssatz.

Im Rahmen der hier betrachteten Einflüsse von Bedeutung: •

Der

sind die

folgenden

von der Auslastung der Produktionskapazidaher auch von der Höhe der Güternachfrage ab. Aus dieGrund ist das Einkommen Y eine Determinante des Aufschlagssat-

Aufschlagssatz y hängt

täten und sem

Zusammenhänge

von

zes. •



Die Lohnsätze als ein wichtiger Teil der Lohnstückkosten werden maßgeblich von der konjunkturellen Situation bestimmt. So fordern beispielsweise Gewerkschaften höhere Löhne und vermögen diese Forderungen auch durchzusetzen, wenn die Absatzlage der Unternehmungen relativ gut ist. Güternachfrage und Einkommen müssen deshalb als eine Determinante der Lohnstückkosten in Betracht gezogen werden. Die Stückkosten aus den importierten Vorleistungsgütern hängen insbesondere von den Preisen dieser Güter ab. Dementsprechend ist hier das in Inlandswährung umgerechnete ausländische Preisniveau wP* von Be-

deutung.

Vor diesem Hintergrund spielen bei konstantem Lohnsatz für das gesamtwirtschaftliche Preisniveau drei Größen eine wichtige Rolle, die im

Internationale

526

Wirtschaftsbeziehungen

hier verwendeten Modell enthalten sind, das Einkommen Y, der nominelle Wechselkurs w und das ausländische Preisniveau P : ftP SP SP

(13.7)

P = P(Y,wP*)

mit~>0~>0;^j>0 OY

Zur Vereinfachung wird diese Preisfunktion im ren Form verwendet:

ow

Folgenden

or

in einer linea-

pYY + pwwP*

mit:00 N

mit: N

pwM0(s + m) + aqpYM0 + aqkY(l pw) > 0 Die expansive Geldpolitik bewirkt auf jeden Fall eine Preiserhöhung und eine Abwertung der inländischen Währung (Aw > 0). Der Einkommenseffekt kann jedoch größer als null oder null sein. Die Geldpolitik bewirkt keine Einkommensänderung, wenn =

-





der Koeffizient pw, der die Reaktion des Preisniveaus auf die Wechselkursänderung wiedergibt, den Wert eins hat oder wenn das Güterangebot preisunelastisch ist und dementsprechend der Koeffizient pY, der die Reaktion des Preisniveaus auf eine Veränderung der Güternachfrage zeigt, einen Wert von unendlich hat.

In beiden Fällen verändert sich das Preisniveau proportional zur Geldmengenänderung. Das folgt aus der Gleichung (13.14), wenn dort entweder pw = 1 oder pY = 00 eingesetzt wird: n, ,«

(13'16)

AP

Älvf

1

=

AP

AM"

M;bzW-Po-= MS"

Da sich M" und P

konstant.

mit:Mo PoMo =

_..

proportional zueinander verändern, bleibt die reale Folglich ist auch kein Einkommenseffekt möglich.

Geldmenge In der Abbildung 13.6 sind die Einkommens- und Preiseffekte der expansiven Geldpolitik für angebotsseitige Bedingungen dargestellt worden, die einen positiven Einkommenseffekt zulassen. Durch die Geldmengenerhöhung werden die LM-Kurve nach LM] und

die AD-Kurve nach ADi verschoben. Ohne Preiseffekte würden sich Güternachfrage und Einkommen um die Strecke AB bzw. A'B' erhöhen. Die expansive Geldpolitik hat aber bekanntlich bei flexiblem Wechselkurs eine Abwertung der inländischen Währung zur Folge. Hierdurch verteuern sich die importierten Güter, so dass die entsprechenden Stückkosten für Vorleistungsgüter steigen. Das impliziert eine Verschiebung der AS-Kurve nach oben, hier nach ASi. Nach Erreichen des neuen Gütermarktgleichgewichts im Punkt C' ist das Preisniveau auf Pi gestiegen. Wie sich in einer Bewegung entlang der ADKurve von B' nach C' nachvollziehen lässt, resultiert hieraus eine negative Wirkung auf die gesamtwirtschaftliche Gütemachfrage. Infolge des Preisanstiegs verringert sich die reale Geldmenge, so dass ein Teil der autonomen Erhöhung der nominellen Geldmenge von hierher kompensiert wird. Dementsprechend verschiebt sich die LM-Kurve im Vergleich zu LMi nach

Der internationale

Preiszusammenhang

533

links, hier nach LM2. Immerhin ist das Einkommen im vorliegenden Bei-

spiel auf Y] gestiegen. Abbildung 13.6: Geldpolitik bei flexiblem Wechselkurs

i-1—-».

0

Y0 Y,

Y

b) Fiskalpolitik der autonomen heimischen Absorption haben bei flexibWechselkurs lem und vollkommenem internationalen Kapitalmarkt keine

Veränderungen

auf die gesamtwirtschaftliche bzw. die aggregierte Güternachfrage und somit keinen Einfluss auf die Lage der AD-Kurve. Das gilt auch für fiskalpolitische Maßnahmen, die auf Veränderungen der heimischen Absorption gerichtet sind. Wie frühere Untersuchungen gezeigt haben, lassen sich mit solchen Maßnahmen bei flexiblem Wechselkurs und vollkommen zinselastischem internationalen Kapitalverkehr keine Einkommenseffekte erzielen, wenn das Preisniveau fixiert ist. Andererseits treten jedoch im Zuge fiskalpolitischer Maßnahmen Wechselkursänderungen auf, die im

Wirkung

534

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

jetzt zugrunde liegenden Modell eines flexiblen Preisniveaus Preiseffekte auslösen können. Preisänderungen sind aber direkt mit Veränderungen der realen Geldmenge verbunden, so dass von hierher Gütemachfrage und Einkommen beeinflusst werden können. Das wird jetzt mit Blick auf eine expansive Fiskalpolitik verdeutlicht. Aus den Gleichungen der IS-Kurve und der LM-Kurve sowie der Preisfunktion lassen sich die folgenden Wirkungen einer Veränderung der autonomen heimischen Absorption, z. B. aufgrund fiskalpolitischer Maßnahmen, herleiten: K(1317)'

AY=J2*Mo N

AFP AP

(13.18) AHa

~

kypw

und

(13.18) erkennen.

Wird das Preisniveau ohne Einschränkungen an Wechselkursänderungen angepasst (pw > 0), dann hat die Aufwertung der inländischen Währung in diesem Land gemäß Gleichung (13.18) eine Preissenkung zur Folge. Aus der Preissenkung ergibt sich aber unmittelbar eine Erhöhung der realen Geldmenge und darüber gemäß Gleichung (13.17) ein positiver Einkom-

mensimpuls. •

Einkommens- und Preiseffekte treten demgegenüber nicht auf, wenn auf die Aufwertung der inländischen Währung keine Preissenkung

er-

folgt (pw 0) • oder das Güterangebot preisunelastisch ist (pY °°). Im ersten Fall würden sich zwar aufgrund der Aufwertung der inländischen Währung die Stückkosten aus importierten Vorleistungsgütem verringern, aber diese Kostensenkung würde von den Unternehmungen nicht in Form einer Preissenkung weitergegeben. Dieses Verhalten ist beispiels=

=

535

Der internationale Preiszusammenhang

weise dann zu erwarten, wenn der Wettbewerbsdruck am Gütermarkt relativ gering ist. In der Abbildung 13.7 ist ein positiver Einkommenseffekt der expansiven fiskalpolitischen Maßnahme skizziert worden. Ausgehend von einem Gleichgewicht im Punkt A verschiebt sich die IS-Kurve aufgrund der expansiven Fiskalpolitik nach rechts. Die AD-Kurve verändert ihre Lage demgegenüber nicht. Durch die zinssteigernde Wirkung der Fiskalpolitik ergibt sich bekanntlich eine Aufwertung der inländischen Währung, aus der im vorliegenden Beispiel eine Preissenkung resultiert. Das drückt sich in einer Verschiebung der AS-Kurve nach unten aus, hier nach AS]. Infolge der Preissenkung nimmt die reale Geldmenge zu, so dass sich die LM-Kurve nach unten, hier nach LMi verschiebt. Durch die Zunahme der realen Geldmenge steht mehr Liquidität für Gütertransaktionen zur Verfügung, so dass die gesamtwirtschaftliche Gütemachfrage steigt.

Abbildung 13.7: Fiskalpolitik bei flexiblem Wechselkurs

0

Y0 Y,

Y

536

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Das lässt sich in einer Bewegung auf der AD-Kurve von A' nach B' nachvollziehen. Inwieweit die IS-Kurve durch die Wechselkurs- und Preisänderungen beeinflusst wird, lässt sich hier nicht erkennen. Letztlich wichtig ist allerdings nur, dass in dem hier skizzierten Beispiel ein neues Gleichgewicht in den Punkten B und B' bei einem höheren Einkommen Yi erreicht wird. Die IS-Kurve hat sich dann aufgrund der fiskalpolitischen Einflüsse sowie der Einflüsse aus der Wechselkurs- und der Preisänderung nach ISj verschoben.

13.1.5

Ergebnisübersicht

Die Einkommens- und Preiseffekte der Geld- und Fiskalpolitik bei festem und bei flexiblem Wechselkurs sowie einer autonomen Wechselkursänderung in einem Festkurssystem wurden für den Fall eines vollkommenen internationalen Kapitalmarktes bzw. für eine unendlich große Zinselastizität des internationalen Kapitalverkehrs gewonnen. Berücksichtigt man verschiedene Möglichkeiten von Preisreaktionen, so ergibt sich ein recht umfangreiches Ergebnisspektrum. Um die Ergebnisfülle nicht noch weiter anzureichern, werden an dieser Stelle geringere Vollkommenheitsgrade des internationalen Kapitalverkehrs nicht mehr untersucht. Die wichtigsten Zusammenhänge sind in dem vorliegenden Modell jedoch trotz der getroffenen Annahme sichtbar geworden. Auch für den Fall, dass der internationale Kapitalmarkt nicht vollkommen ist, aber eine relativ hohe Zinselastizität des internationalen Kapitalverkehrs besteht, treten die gleichen Wirkungsrichtungen auf wie bei (fast) unendlich großer Zinselastizität. Angesichts der zunehmenden Integration der internationalen Kapitalmärkte und eines zunehmenden Vollkommenheitsgrades scheint die hier zugrunde gelegte Annahme vertretbar. Die dafür gewonnenen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Die Geldpolitik des kleinen Landes hat bei festem Wechselkurs weder einen Einkommens-, noch einen Preiseffekt, weil die zusätzliche Liquidität bei zinselastischem internationalen Kapitalverkehr vollständig ins Ausland abfließt und sich deshalb die inländische Gütemachfrage nicht verändert. • Die expansive Fiskalpolitik hat bei festem Wechselkurs in der Regel positive Einkommens- und Preiseffekte. Eine Ausnahme hiervon liegt vor, wenn das Güterangebot preisunelastisch ist. In diesem Fall steht der zusätzlichen Gütemachfrage kein Angebot gegenüber. Die Gütemachfrage wird durch einen Preisanstieg vollständig zurückgedrängt. Somit hat die Fiskalpolitik dann nur einen Preiseffekt, aber keinen Einkommenseffekt.

Der internationale Preiszusammenhang •



537

Eine autonome Abwertung der inländischen Währung in einem Festkurssystem bewirkt in der Regel einen Preisanstieg, weil sich die Stückkosten der importierten Vorleistungsgüter erhöhen. Ein positiver Einkommenseffekt wird nur erzielt, wenn das Güterangebot preiselastisch ist und wenn das Preisniveau im Hinblick auf den Stückkostenanstieg nicht proportional zur Wechselkursänderung angehoben wird. Andernfalls verändern sich der reale Wechselkurs und der Außenbeitrag nicht, so dass die Nachfrage nach inländischen Gütern ebenfalls unverändert bleibt. Die expansive Geldpolitik hat bei vollkommenem internationalen Kapitalmarkt keinen nachhaltigen Zinseffekt und von daher keinen zinsinduzierten Einfluss auf die inländische Güternachfrage. Sie hat aber bei flexiblem Wechselkurs über die Verschlechterung der Kapitalverkehrsbilanz eine Abwertung der inländischen Währung zur Folge. Von hierher treten die gleichen Einkommens- und Preiseffekte auf wie bei einer autonomen Abwertung im Festkurssystem.

13.1.6 Preis- und Einkommenseffekte der Fiskalpolitik bei festem Wechselkurs und internationalen Rückwirkungen Die Erfassung und Darstellung von Preis- und Einkommenseffekten in eiModell mit zwei großen Ländern, die sich in ihren ökonomischen Wirkungen gegenseitig beeinflussen, ist außergewöhnlich komplex. Auf eine umfassende Analyse solcher Effekte wird deshalb verzichtet. Um jedoch einen gewissen Einblick in die Wirkungszusammenhänge zu vermitteln, werden die Wirkungen einer expansiven Fiskalpolitik eines großen Landes bei festem Wechselkurs mit Hilfe einer graphischen Darstellung erläutert. Zur Vereinfachung wird, wie schon in früheren Analysen internationaler Rückwirkungen, die Annahme getroffen, dass der internationale Kapitalmarkt vollkommen ist bzw. eine unendlich große Zinselastizität des nem

Kapitalverkehrs vorliegt. Ausgangspunkt ist die Abbildung 12.18 und die dort dargelegte Wirkungsanalyse auf der Grundlage konstanter Preisniveaus im In- und im Ausland. Die Ergebnisse im i/Y-Diagramm und i*/Y*-Diagramm sind von dort in die Abbildung 13.8 übertragen worden. Es sei noch einmal daran erinnert, dass die expansive Fiskalpolitik des großen Inlands bei konstanten Preisniveaus folgende Wirkungen hat: einen Zinsanstieg sowohl im Inland als auch im Ausland eine Erhöhung der Geldmenge im Inland infolge eines vorübergehenden Zahlungsbilanzüberschusses, der auf eine Verbesserung der inländischen Kapitalverkehrsbilanz zurückzuführen ist spiegelbildlich dazu eine Verringerung der Geldmenge im Ausland. • •



538

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Ohne Preiseffekte würde sich in der Abbildung 13.8 in den Punkten B und B* jeweils ein neues Gleichgewicht ergeben. Die Bedingungen im Ausland wurden so gewählt, dass sich auch dort bei festem Preisniveau ein positiver Einkommenseffekt ergibt. Diese Wirkungen drücken sich in einer Verschiebung der AD-Kurve des Inlands um die Strecke DE (bei konstantem Preisniveau P0) und in einer Verschiebung der AD-Kurve des Auslands um die Strecke D E (bei konstantem Preisniveau P0) aus. *

*

*

Abbildung 13.8: Fiskalpolitik eines großen Landes

Wie die Steigung der hier verwendeten AS-Kurven zeigt, löst die Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Gütemachfrage in beiden Ländern Preisreaktionen aus. Daraus resultieren weitere Wirkungen: •

Der

Preisanstieg im Ausland erhöht die inländischen Stückkosten für importierte Vorleistungsgüter und induziert so eine weitere Preiserhöhung im Inland. Die AS-Kurve des Inlands verschiebt sich dadurch nach

oben.

Der internationale Preiszusammenhang •

539

Preisanstieg im Inland erhöht die ausländischen Stückkosten für importierte Vorleistungsgüter und hat so eine weitere Preiserhöhung im Ausland zur Folge. Die AS-Kurve des Auslands verschiebt sich somit Der

ebenfalls nach oben. • Die Preiserhöhungen bewirken in beiden Ländern eine Verringerung der realen Geldmenge. Daraus resultiert eine weitere Zinserhöhung im Inund im Ausland. Dementsprechend verschieben sich die LM-Kurven in beiden Ländern nach oben bzw. nach links. • Der Zinsanstieg verringert die Gütemachfrage in beiden Ländern. Das wirkt sich auf die Lage der IS- und der AD-Kurven aus. Diese verschieben sich jeweils nach links. Nach Abschluss der hier aufgezeigten Anpassungsvorgänge, in denen die internationalen Rückwirkungen eine wichtige Rolle spielen, könnten sich die in der Abbildung 13.8 eingezeichneten neuen Gleichgewichte in den Punkten C und C bzw. F und F ergeben. Der Einkommensanstieg ist in beiden Ländern somit geringer als im Fall ohne Preiseffekte. Zwar wurde hier ein Beispiel gewählt, in dem die Einkommen in beiden Ländern trotz dieser Effekte zunehmen, aber die Wirkungsanalyse lässt bereits erkennen, dass auch andere Ergebnisse möglich sind: •



Das ausländische Einkommen kann sich trotz Erhöhung des inländischen Einkommens verringern, wenn z. B. der Preisanstieg im Ausland eine relativ starke Reduktion der dortigen realen Geldmenge zur Folge hat. Die Preiseffekte im Inland können so stark sein, dass der fiskalpolitische Impuls auf die Gütemachfrage von hierher völlig kompensiert und deshalb letztlich kein Einkommenseffekt erzielt wird. Das ist beispielsweise der Fall, wenn das Güterangebot preisunelastisch ist und der Koeffizient pY in der Preisfunktion somit einen Wert von unendlich hat oder wenn das inländische Preisniveau proportional zum ausländischen Preisniveau verändert wird und demnach der Koeffizient pw den Wert eins hat. Vor diesem Hintergrund, das zeigt auch die algebraische Lösung, verringert sich das ausländische Einkommen.

13.2 Internationale Preisimpulse und

Kaufkraftparitätentheorem Die Preisstabilität ist ein wichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik. Dieses Ziel lässt sich allerdings nur dann erreichen, wenn neben den hausgemachten auch die importierten Preis- bzw. Inflationsimpulse verhindert oder zumindest abgeschwächt werden. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob und unter welchen Bedingungen ein internationaler Preiszusammenhang

wirksam ist und wie sich ein einzelnes Land, das in internationale Wirtschaftsverflechtungen eingebunden ist, vor einem Inflationsimport schützen

540

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

kann. In der ökonomischen Theorie war es immer unumstritten, dass in einem System fester Wechselkurse ein sehr enger Zusammenhang zwischen den nationalen Preisentwicklungen besteht und dass sich ein einzelnes Land dem Inflationsimport nicht entziehen kann. Demgegenüber hat sich die Einschätzung des internationalen Preiszusammenhangs bei flexiblen Wechselkursen erheblich gewandelt. Lange Zeit war es herrschende Meinung, dass flexible Wechselkurse einem Land einen vollständigen Schutz vor Preis- bzw. Inflationsübertragungen gewähren würden. Empirische Erfahrungen legen aber den Schluss nahe, dass auch flexible Wechselkurse einzelne Länder keineswegs vor Inflationsimporten abschirmen. Erwartet wird allerdings, dass der internationale Preiszusammenhang bei flexiblen Wechselkursen schwächer ist als bei festen Wechselkursen, dass also flexible Wechselkurse die Transmission von Preis- bzw. Inflationsimpulsen zumindest erschweren. In der nun folgenden Analyse werden die Zusammenhänge aufgezeigt, die für eine internationale Übertragung von Preis- bzw. Inflationsimpulsen bei festen und bei flexiblen Wechselkursen maßgeblich sind. 13.2.1 Absolute und relative Kaufkraftparität In der ökonomischen Theorie besitzt das Kaufkraftparitätentheorem eine lange Tradition. Auch in neueren theoretischen Ansätzen wird diesem Theorem eine erhebliche Bedeutung beigemessen. Das Kaufkraftparitätentheorem besagt, dass • sich die gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus des Inlands und des Auslands bei festem Wechselkurs zumindest in mittlerer und längerer Sicht proportional zueinander verändern und dementsprechend das inländische Preisniveau an eine externe Preissteigerung soweit angepasst wird, dass die anfangs bestehende internationale Kaufkraftparität letzten Endes erhalten bleibt • die internationale Preisübertragung bei flexiblem Wechselkurs durch eine adäquate Wechselkursanpassung vollständig verhindert wird. In einer älteren Version des Kaufkraftparitätentheorems auch als absolute Kaufkraftparität bekannt wird der internationale Preiszusammenhang sehr strikt formuliert: -

-

(13.20) P wP* =

Damit wird eine Identität zwischen den absoluten Werten des inländischen Preisniveaus und des in Inlandswährung ausgedrückten ausländischen Preisniveaus angenommen. Allerdings ging man schon immer davon aus, dass dieser absolute internationale Preiszusammenhang nur in Hinsicht auf die durchschnittlichen Preisentwicklungen über einen längeren Zeit-

Der internationale Preiszusammenhang

541

gültig ist. Kurz- und mittelfristig können aufgrund von Friktionen in den Anpassungsprozessen auf den Gütermärkten durchaus Abweichungen von der absoluten Kaufkraftparität auftreten. Die Hypothese, international bestehe über kurz oder lang eine absolute Kaufkraftparität, beruht im Wesentlichen auf der Annahme, dass die Vorräum

gänge auf den nationalen und den internationalen Gütermärkten den Gesetder

vollständigen Konkurrenz folgen. Allerdings müssen hierzu Bedingungen der Marktform der vollständigen Konkurrenz sehr weit zen

fasst werden:

die ge-

Auf allen nationalen und internationalen Gütermärkten muss bei ExisNachfrager eine völlig freie Preisbildung gewährleistet sein. • Es dürfen keine preisverzerrenden Handelsbeschränkungen in Form von Zöllen oder Kontingentierungen bestehen. Steuern, • Anbieter und Nachfrager müssen frei sein von national orientierten Präferenzen sachlicher, räumlicher und persönlicher Art. • Nicht nur in den nationalen Grenzen, sondern auch grenzüberschreitend muss eine vollständige Markttransparenz gegeben sein. • Internationale Transportkosten dürfen keine Bedeutung für die Güterpreise oder für die Güterpreisrelationen haben. • Alle nationalen Güter müssen international handelbar und durch Güter aus anderen Ländern vollkommen substituierbar sein. Zweifellos sind diese Bedingungen in der Realität zumindest teilweise nicht erfüllt: •

tenz vieler Anbieter und



Auf vielen internationalen Gütermärkten, insbesondere auf Märkten für hochwertige Spezialprodukte, gibt es nur wenige Anbieter und/ oder

Nachfrager. •









Auf vielen Märkten, z. B. auf dem Agrarmarkt oder dem Rohölmarkt, lassen sich Preis- oder Mengenregulierungen durch staatliche Institutionen oder private Kartelle beobachten. Handelsbeschränkungen gehören nach wie vor zu einem beliebten Instrument der nationalen Außenhandelspolitiken. Produktdifferenzierungen sowie nationale staatliche Appelle tragen dazu bei, Präferenzen für bestimmte Güter und für bestimmte Länder zu bilden. Eine vollständige internationale Markttransparenz ist nicht zuletzt aufgrund von Produktdifferenzierungen nahezu unmöglich. Transportkosten sind ein Faktor bei der Bestimmung von Güterpreisen und

Güterpreisrelationen.

Internationale

542

Wirtschaftsbeziehungen

Viele nationale Güter, darunter vor allem Immobilien und Dienstleistungen, sind auf nationale Märkte beschränkt und deshalb nicht oder nur unwesentlich der internationalen Konkurrenz ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, eine komparative Version des Kaufkraftparitätentheorems zu formulieren:



(13.21) P a-wP*

mit:X>0

=

eine Variabilität des Faktors X zu, so ist diese Gleichung selbstverständlich immer erfüllt. Um zu einer theoretisch und empirisch gehaltvollen Aussage zu gelangen, muss deshalb eine Hypothese über den Faktor X gebildet werden. In der Kaufkraftparitätentheorie geht man davon aus, dass bestimmte fundamentale Rahmenbedingungen auf den nationalen und den internationalen Gütermärkten und deren Änderungen die Größe und die Variabilität des Faktors X determinieren. Zugleich wird aber angenommen, dass dieser Faktor von Entwicklungen des Wechselkurses und/oder des ausländischen Preisniveaus (weitgehend) unabhängig ist und dass deshalb eine Wechselkursänderung oder eine externe Preisänderung über kurz oder lang eine dazu proportionale Anpassung des inländischen Preisniveaus herbeiführt. Vor diesem Hintergrund besteht auch nach der komparativen Version des Kaufkraftparitätentheorems zumindest auf mittlere und längere Sicht der folgende Zusammenhang zwischen den Veränderungsraten der Preisniveaus und des Wechselkurses: Lässt

man

-

-

(13.22)

f£ P

=

P

+

^ w

Im Unterschied zur absoluten Version ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Faktor X von eins verschieden sein kann und trotz der proportionalen Veränderungen gemäß Gleichung (13.22) keine absolute Kaufkraftparität bestehen muss. Nicht zuletzt können Strukturänderungen wie weiter unten dargelegt den Faktor X vor allem in mittleren und längeren Zeiträumen verändern und darüber Einfluss auf den internationalen Preiszusammenhang nehmen. In der Kaufkraftparitätentheorie bleiben solche Änderungen jedoch vor dem Hintergrund der zuvor genannten Annahmen meistens unberücksichtigt. -

-

Gleichung (13.22) enthält zwei Implikationen: Bei festem Wechselkurs (Aw 0) hat eine Veränderung des ausländischen Preisniveaus eine dazu proportionale Veränderung des inländischen Preisniveaus zur Folge. Bei flexiblem Wechselkurs können Veränderungen des ausländischen Preisniveaus gleichzeitig Veränderungen des Wechselkurses bewirken.

Die •



=

Der internationale Preiszusammenhang

543

Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, dass die Preisübertragung auf das Inland vollständig oder zumindest teilweise verhindert wird. In der Kaufkraftparitätentheorie geht man im Allgemeinen davon aus, dass es bei flexiblem Wechselkurs nicht zu einer Preisübertragung kommt und somit eine entsprechende Wechselkursanpassung stattfindet. Steigt das ausländische Preisniveau, so wird demnach die inländische Währung dazu

proportional aufgewertet: (13.23) ^ w

=

-£f P

13.2.2 Die Kaufkraftparität bei internationalen Gütern Es ist

Differenzierung

von

nationalen und

vermuten, dass das Theorem der absoluten Kaufkraftparität, wenn überhaupt, nur für Güter zutrifft, die international gehandelt werden und die sich zugleich durch Güter anderer Herkunftsländer vollkommen substituieren lassen. Insbesondere dann, wenn auch die anderen Bedingungen der Marktform der vollständigen Konkurrenz erfüllt sind, besteht zwingend eine direkte Abhängigkeit der Preise dieser Güter von den Preisen der entsprechenden internationalen Konkurrenzprodukte. Demgegenüber liegt für die Preise von Gütern, die nur auf nationalen Märkten gehandelt werden, die keiner ausländischen Konkurrenz ausgesetzt sind und die sich ohne Einsatz importierter Vorleistungsgüter herstellen lassen, kein direkter Zusammenhang mit den Preisen ausländischer bzw. international gebändelter Güter vor. zu

Da in das Preisniveau eines Landes die Preise der international gehandel(der internationalen) und der rein nationalen (der heimischen) Güter einfließen, ist es bei Existenz rein nationaler Güter durchaus denkbar, dass nicht nur Abweichungen von der absoluten Kaufkraftparität bestehen, sondern dass auch der Faktor X in der komparativen Version des Kaufkraftparitätentheorems gemäß Gleichung (13.21) eine gewisse Variabilität aufweist. Dieser Aspekt wird jetzt mit einem relativ einfachen Ansatz näher untersucht. ten

Für das Preisniveau P der international gehandelten Güter des Inlands gelte die absolute Kaufkraftparität: (13.24) P wP* Das Preisniveau Ph der heimischen Güter sei gemäß der Mark-upHypothese von den Lohnstückkosten im entsprechenden Produktionssektor abhängig: =

544

Internationale

(13.25) Ph

=

Wirtschaftsbeziehungen

(l+ßV§ah

Der Aufschlagssatz ß auf die Lohnstückkosten sei konstant, so dass zwischen dem Preisniveau und den Lohnstückkosten eine direkt proportionale Beziehung besteht. Zjj ist der Nominallohnsatz und och ist die Arbeitsproduktivität im Produktionssektor der heimischen Güter.

Aufgrund entsprechender lohnpolitischer Aktivitäten der Arbeitnehmer bzw. der Gewerkschaften möge es über kurz oder lang immer zu einer parallelen Entwicklung der Nominallohnsätze in den Produktionssektoren des Landes kommen: (13.26)

A/£

=

§A/°

Der Nominallohnsatz im Sektor der heimischen Güter verhält sich also proportional zum Nominallohnsatz im Sektor der international gehandelten Güter. Demgegenüber können die sektoralen Lohnniveaus selbstverständlich voneinander abweichen. Die Lohnpolitik sei femer darauf gerichtet, für die Arbeitnehmer, die im Produktionssektor der international gehandelten Güter beschäftigt sind, eine bestimmte Verteilungsposition zu erhalten. Der Anteil der in diesem Sektor erzielten Lohneinkommen an dem gesamten Einkommen aus diesem Sektor beträgt:

0). Dem Aufwertungsdruck, der aus der preisinduzierten Verbesserung des Außenbeitrags resultiert, steht in diesem Fall ein Abwertungsdruck gegenüber, der sich aus der Veränderung der Kapitalverkehrsbilanz ergibt. Nur so kann die Bedingung (13.50) erfüllt werden. Eine Verschlechterung der inländischen Kapitalverkehrsbilanz als Folge der Preissteigerung im Ausland kann sich z. B. durch folgende Einflüsse

ergeben: • Bedingt durch die Preiserhöhung kann der ausländische Zinssatz steigen. Das bewirkt im Inland eine Zunahme der zinsabhängigen Kapitalexporte oder eine Verringerung der zinsabhängigen Kapitalimporte. • Es ist möglich, dass durch die Aufwertung der inländischen Währung Kapitalanlagen im Ausland billiger und umgekehrt Kapitalanlagen von Ausländem im Inland teurer werden. Dadurch kann der Nettokapitalex-

port des Inlands zunehmen. Es wird darauf verzichtet, diese Einflüsse in einem formal-theoretischen Modellrahmen zu verdeutlichen. Wenn die Bedingung (13.50) erfüllt ist,

führen die bekannten Transmissionsmechanismen (mit Ausnahme des Liquiditätsmechanismus) zu ähnlichen Ergebnissen wie im Fall eines festen Wechselkurses. Die Wirkungsweise der Übertragungsmechanismen muss hier deshalb nicht erneut aufgezeigt werden. Ein wichtiger Unterschied zu den Ergebnissen bei festen Wechselkursen dürfte allerdings bestehen: Da wenigstens ein Teil der Erhöhung des ausländischen Preisniveaus durch eine Aufwertung der inländischen Währung kompensiert wird, fällt der Preisimpuls aus dem Ausland bei flexiblem Wechselkurs sehr wahrscheinlich geringer aus als bei festem Wechselkurs. Somit ist damit zu rechnen, dass zwar die bekannten Übertragungsmechanismen wirken, aber das inländische Preisniveau bei sonst gleichen Bedingungen weniger stark erhöht wird als bei festem Wechselkurs. Damit bestätigt sich auch die empirische Beobachtung, dass flexible Wechselkurse

Der internationale

Preiszusammenhang

565

internationale Preisimpulse abschwächen und damit zumindest einen gewissen Schutz gegen internationale Preisübertragungen bieten.

| Zusammenfassung_| Sowohl bei festem als auch bei flexiblem Wechselkurs haben Preiserhöhungen in der Regel eine Verringerung der gesamtwirtschaftlichen Güternachfrage zur

Folge. Das gesamtwirtschaftliche Preisniveau lässt sich in Abhängigkeit vom Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten sowie von den binnen- und außenwirtschaftlich bedingten Stückkosten der Produktion erklären. Über die Abhängigkeit von den Stückkosten für importierte Vorleistungsgüter haben Wechselkursänderungen sowie Preisänderungen im Ausland einen Einfluss auf das inländische gesamtwirtschaftliche Preisniveau. Preiseffekte beeinträchtigen im Hinblick auf Einkommensänderungen die Wirksamkeit der Geld-, Fiskal- und Wechselkurspolitik eines Landes. Dies kann beispielsweise im Fall einer expansiven Geld- oder Fiskalpolitik so weit gehen, dass positive Einkommenseffekte, die bei konstanten Güterpreisen eingetreten wären, durch die Preiseffekte vollständig zunichte gemacht werden. Mit dem Kaufkraftparitätentheorem wird die These aufgestellt, dass das inländische Preisniveau einerseits bei festem Wechselkurs proportional an die Veränderung des ausländischen Preisniveaus angepasst wird und andererseits bei flexiblem Wechselkurs aufgrund ausreichender Wechselkursanpassungen nicht auf Veränderungen des ausländischen Preisniveaus reagiert. Demnach findet bei festem Wechselkurs eine vollständige Preisübertragung statt, wogegen der flexible Wechselkurs gegen Preisübertragungen vollkommen abschirmt. Empirisch wird das Kaufkraftparitätentheorem in einer kurzen und mittleren Frist im Allgemeinen nicht bestätigt. In längeren Zeiträumen sowie im Hinblick auf trendmäßige Entwicklungen scheint das Kaufkraftparitätentheorem demgegenüber sowohl im Hinblick auf Preisanpassungen als auch im Hinblick auf Wechselkursanpassungen eine gewisse Realitätsnähe zu besitzen. In einer kurz- und mittelfristigen Betrachtung lassen sich fünf Transmissionswege internationaler Preisübertragungen ausmachen: Der Liquiditätsmechanis-

mus, der Einkommensmechanismus, der direkte und der indirekte Kostenmechanismus sowie der direkte Preismechanismus. Der Liquiditätsmechanismus ist allerdings nur bei festem Wechselkurs wirksam. Jeder der zuvor genannten Transmissionsmechanismen schließt unter besonderen Bedingungen theoretisch die Möglichkeit ein, dass das Kaufkraftparitätentheorem mit einer vollständigen Preisübertragung bei festem Wechselkurs oder (mit Ausnahme des Liquiditätsmechanismus) einer vollständigen Wechselkursanpassung bei flexiblem Wechselkurs gültig ist.

566

Internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Literatur Borchert, M., Außenwirtschaftslehre, Theorie und Politik, 6. Aufl., Wiesbaden 1999, Kapitel 3, Abschnitt 3.3. Dernburg, T.F., Global Macroeconomics, New York 1989, Kapitel 7.

Dieckheuer, G., MakroÖkonomik, Theorie und Politik, 4. Aufl., Berlin Heidelberg 2001, Kap. 8, insbesondere 8.8. Krugman, P.R. I Obstfeld, M., International Economics, Theory and Policy, 5. Aufl., Reading (Mass.) 2000, Kapitel 15. Jarchow, H.-J. I Rühmann, P., Monetäre Außenwirtschaft I, Monetäre Außenwirtschaftstheorie, Göttingen 2000, Kapitel LX. und X. Pugel, TA. I Lindert, P.H., International Economics, 11. Aufl., Boston 2000, Kapitel 18 und 21. Rose, K. I Sauernheimer, K., Theorie der Außenwirtschaft, 13. Aufl., München 1999, Teil II, Kapitel 5 und 6. Schmitt-Rink, G. I Bender, D., Makroökonomie geschlossener und offener Volkswirtschaften, 2. Aufl., Berlin Heidelberg 1992, §2, Abschnitt III. Siebert, H., Außenwirtschaft, 7. Aufl., Stuttgart 2000, Kapitel 19 und 20.

-

-

Register A Abkommen über geistige Eigentums-

rechte, s. TRIPS

Absorption, heimische 25 ff.

AD-Kurve 521 ff. bei festem Wechselkurs 521 f. bei flexiblem Wechselkurs 522 ff. und Liquiditätsmechanismus 551 adaptive Erwartungen 318 administrativer Protektionismus 175 f. AFTA 198 f. Agrarmarktordnung, europäische 200 Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen, s. GATT Andenpakt 198 f. Angebotsmonopol und Außenhandel 125 ff., 134 ff. Anpassungsschutz 151, 162 f., 189 Anti-Dumping-Maßnahmen 132 APEC 198 f. Arbeit Freizügigkeit des Faktors 216, 219 ff. Arbeitsteilung, internationale 33, 49 f.

-

-

-

-

Arbitragegeschäfte Dreiecksarbitrage 240 f. Goldarbitrage 265 f. Kursarbitrage 240 f. Zinsarbitrage 241 ff.

und Insolvenz 389 und Moral Hazard 390 und Schuldenerlass 389 f und Umschuldungen 388 f. Ursachen von 380 ff. Währungsnomination und 384 f. Wechselkurse und 382 f. Zinsendienst und 379 f., 384 Außenbeitrag 12 ff. bei internationalen Rückwirkungen 437 ff. in Auslandswährung 419 ff. realer 426 ff. und durchschnittliche Sparquote 443 und Einkommen 433 ff. und intertemporale Ausgabenentscheidungen 488 ff. und marginale Sparquote 437,442 f. und volkswirtschaftliche Ersparnisse 446 ff. und Wechselkursänderungen 408 ff.

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

Außenhandelsgewinne 55, 68, 76, 96,

-

121 f.

Außenhandelspolitik -

-

-

-

-

-

AS-Kurve 527 Asienkrise 19, 281, 394,401 Asset-market-approach 331 Auslandsbonds 354 f. Auslandsposition 375 ff. Auslandsverschuldung 378 ff. Dynamik der 379 Ersparnisse und 383 f. Exportschwächen und 381 Gläubigerstruktur der 386 f., 388 hausgemachte Inflation und 382 Importabhängigkeit und 381 Investitionen und 383 f. Problemlösungen zur 387 ff. Schuldenkrise 388

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

Leitbilder der 147 ff. Multilaterale 223 ff.

Protektionistische, s. Protektionismus

Strategische, s. Strategische Handelspolitik

B Bail out,

Finanzkrisen Bankenkrise, s. Finanzkrisen Beschäftigungseffekte des Außenhandels 111 ff. Bewertungsprobleme in der Zahlungsbilanz 8 f. Bilanz der laufenden Übertragungen 3 Binnenmarkt, europäischer, s. Gemeinsamer Markt s.

Bretten Woods,

Währungssysteme Bruttoinlandsprodukt 13 f. s.

Bruttonationaleinkommen 13 f.

Register

568

Bruttoproduktion 25 ff. Bruttosozialprodukt s. Bruttonationaleinkommen Bubble-Ansatz der Wechselkurstheorie 330 ff. Budgetgleichung 63 f. Budgetgerade Budgetlinie 63 ff. =

c

und Absatzmärkte 364 f. und Beschaffung 366 und Diffusionseffekte 374 und Einkornmenstransfers 370 f. und Faktorverfügbarkeit 365 f. und Gütertransfers 368 f. und Produktionskosten 364 vertikale 363 Zahlungsbilanzeffekte der 366 ff. Direktinvestitionsbilanz 3

-

-

-

-

-

-

-

-

-

CAN 198

Currency-Board, s. Währungssysteme

Dollarisierung, s. Währungssysteme Dumping 124, 128 ff., 150 Preisdumping 128 f. Reverse Dumping 133 Soziales Dumping 129 Valuta-Dumping 129

D Devisenbewirtschaftung 181 ff., 268

E

Chartanalysen und Wechselkurse 334 f. Cif-Bewertung 8

Cowding-out-Effekt -

wechselkursinduzierter 321 zinsinduzierter

-

Devisenbilanz 4 Devisenmarkt 233 ff. Kassamarkt 236 f. Terminmarkt 236 f. und Güterverkehr 235 f. und Kapitaltransaktionen 236 Devisengeschäfte 237 ff Arbitragegeschäfte 240 ff. Devisenfutures 238 Devisentermingeschäfte 238 Hedging 239 Kurssicherungsgeschäfte 237 f. Spekulationsgeschäfte 244 ff. Währungsoptionen 239 Währungsswaps 239 Dienstleistungsabkommen, s. GATS Dienstleistungsbilanz 3 Diffusion von Technologie und Wissen 38 Direktinvestitionen 3, 344, 362 ff. -

-

-

-

-

-

-

-

Dutch disease 139

-

Economies of scale und Außenhandel 117 ff. ECU 274

Effektivzoll, s. Zölle Effizienz von Devisenmärkten 324 ff. EFT A 198 f. Einfuhrvorschriften 175 Einheitliche Europäische Akte 199 f.

Einkommenseffekt

einer externen Zinsänderung 472 f.,

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

additive 373 f. als Bestandsgrößen 362 als Stromgrößen 362 Determinanten 363 ff. Entwicklung 362 f. Finanzierung von 367 f. horizontale 363 substitutive 373 f.

481 f.

einer Preisänderung 65,74 Einkommensverteilung durch Außen-

handel 96, 107 ff.

Emerging Markets 398 Entwicklungsländer Probleme der,

s.

Ursachen der

Auslandsverschuldung Erhaltungsschutz 151, 162 f. Erziehungszoll 149, 151, 163 f., 189

-

EU 32, 198 ff., 216 Euro 275 f., 279 Eurobonds 355

Eurodollarmarkt, s. Eurowährungsmärkte

Eurogeldschöpfung, s. Eurowährungsmärkte Eurodollars 355

569

Register

Europäische Währungseinheit, s. ECU Europäische Union, s. EU Europäische Währungsunion, s. EWU Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, s.

Finanztransaktionen, s.

bei festem Wechselkurs 467 ff., 494

-

ff., 528 f., 537 ff.

EWG

Europäische Zentralbank, s. EZB Europäischer Wirtschaftsraum, s. EWR

Europäisches Währungssystem, s. EWS Eurowährungsmärkte 355 ff. Entstehungsgründe 359 f. und Geldschöpfung 356 ff. Wirkungen 360 f. -

-

EWG 18, 198 ff. EWU 197, 254, 275 ff. EWR 198 f. EWS 254,273 ff. Exportauflagen 227 -

Kapital verkehr

Fiskalpolitik

-

-

bei flexiblem Wechselkurs 477 ff., 484 ff., 498 f., 533 ff. im keynesianischen Ansatz der Wechselkurstheorie 319

Floaten, s. Wechselkurssysteme

Fob-Bewertung 8 Four little tigers, s. Neue asiatische Industrieländer Freihandel, Argumente für 148 f. Freihandelsidee 148 f. Freihandelszone 194 f. Fundamentaldaten und Wechselkurs 252, 260, 300, 324. 330, 335 f.

Exportgütermarkt 408 f.

Fundamentalkurs, s. Gleichgewichts-

Exportselbstbeschränkung 174 Exportsubventionen, s. Subventionen

Futures,

Exportquote 24

Externe Effekte und Außenhandel 187 ff. und Migration 222 EZB 275,278, 289

-

-

wechselkurs s.

Devisengeschäfte

G GATS 226 ff. GATT 18, 31, 223 ff., 226 Ausnahmeregelungen im 224 f. Prinzipien im 223 ff.

-

F

Geldmengen-Preis-Mechanismus

-

Faktorausstattung, relative 86 ff. Faktordifferenzierung 98 f.

Faktoreinkommensbilanz 3 Faktorintensität und Außenhandel 86 ff. Faktorpreisausgleichstheorem 109 Finanzarchitektur, internationale 400 Finanzkrisen, internationale 393 ff. Bankenkrise 386, 394 -

-

Bewältigung 401

ff

realwirtschaftliche Krise 394

und bail out 402 und Finanzmarktordnungen 395 und Herdenverhalten 398 und Korruption 396 und Moral Hazard 396,402 -Ursachen 395 ff. Vermeidung 399 ff. Währungskrise 386, 394 Finanzierungssaldo 12 ff., 376

-

-

-

-

-

-

-

-

266 f., 272, 548 ff. Geldnachfrage 457 ff.

Geldpolitik als Kompensationspolitik 459,465 f.,

-

549 bei festem Wechselkurs 465 ff., 490 ff. bei flexiblem Wechselkurs 475 ff., 486 f., 492 ff., 531 ff. im keynesianischen Ansatz der Wechselkurstheorie 317 ff., 324 f. im Portfolioansatz der Wechselkurstheorie 305 f. in der monetären Wechselkurstheorie 310 ff. Gemeinsamer Markt 195 f., 216 ff. Gesamtwirtschaftliche Güternachfrage,

-

-

-

-

-

s.

AD-Kurve

Gesamtwirtschaftliches Güterangebot, s.

AS-Kurve

570

Register

Gleichgewichtswechselkurs, s. Wechselkurs

Globalisierung 20, 27 ff. und Beschäftigung 36 f. -

-

-

-

-

und Güterpreise 35 f. und Innovation 37 f. und Integration in die Weltwirtschaft 38 f. und soziale Sicherung 39 und Wohlfahrt 34 f.

Goldarbitrage, s. Arbitragegeschäfte Goldwährung, s. Währungssysteme Golddevisenwährung, s. Währungssysteme -

Golddevisenstandard 269 f. Güter international handelbare 35 ff., 48, 296 f. international nicht handelbare 296 f.

-

Güternachfrage

-

und Außenhandel 63 ff. und Zinssatz 456 f. Grenzproduktivitäten, sinkende 69 ff.

-

-

H Handelsablenkungseffekt 195, 203 Handelsbilanz 3

Handelsbilanzauflagen 227 Handelsgewinne, s. Außenhandelsgewinne Handelshemmnisse nicht-tarifäre 171 ff. tarifäre, s. Zölle Handelskredite 4

I IMF 269 ff, 343 f.

Imrniserizing growth 107 Importbeschränkung 391 f. Importgütermarkt 410 ff. Importkontingente, Wirkungen der 171 ff.

Importsubstitution 369, 391 f. Indifferenzkurven, gesellschaftliche 66, 95 f., 168 f.

Inlandsauflagen (local content) 227 Inländergleichbehandlung 203 Infant-industry-Argument, s. Erziehungszoll Informations- und Wissensgesellschaft 113

Input-Output-Analyse 25 ff. Integration, regionale 193 ff. güterwirtschaftliche 193 ff monetäre, s. Währungsintegration

-

-

Inter-industrieller Handel 48, 14 Internationaler Währungsfonds, s. IMF Intertemporaler Ansatz der Einkommensverwendung 448 ff. des Außenbeitrags 448 ff. Intra-industrieller Handel 48, 140 ff. Intra-regionaler Handel 21 ff., 201, 203 f., 205, 285 Inverser Handel 80 f. IS-Kurve 316, 456 f. IWF, s. IMF -

-

-

-

Handelsliberalisierung, s. GATT

Handelsschaffende Effekte, s. Zollunion Handelsumlenkende Effekte, s. Zollunion Handelsverflechtungen, internationale 20 ff. Heckscher, Eli 85 ff. Heckscher-Ohlin-Modell 85 ff.

Hedging, s. Devisengeschäfte Humankapital 33 f., 98, 113 und Bildungspolitik 113 f. -

J-Kurven-Effekt einer

Wechselkursänderung 421 ff. K Kapitalbilanz 3,

17

erweiterte 345 f.

Kapitalexport, autonomer

-

und Einkommen 473 ff. und Leistungstransaktionen 348 ff. Kapitalflucht 379, 394, 397 Kapitalverkehr, internationaler -

-

Direktinvestionen, s.

-

Direktinvestitionen 344

571

Register Formen 343 ff. -

Geldmarktanlagen 344 f., 354 ff.

Handelskredite 344, 355 Portfolioinvestitionen 3, 344, 354 f. und Zinsdifferenz 460 Wirkungen eines freien Kapital Verkehrs 217 ff. Kapazitätsänderungen und Außenhandel 100 ff. Kartelle, internationale 124, 134 ff., 150 Kassamarkt, s. Devisenmarkt Kassakurs, s. Wechselkurs -

-

-

-

-

Kaufkraftparität

absolute 540 f. bei internationalen Gütern 543 ff. relative 542 f. Kaufkraftparitätentheorie 295 ff., 539 ff. Kennedy-Runde im GATT 225 -

-

-

Keynesianische Wechselkurstheorie, s. Wechselkursmodelle

Konj unkturzusammenhang,

internationaler 443 ff. Konsumentenrente 125 f., 215, 220 f. Konvergenzkriterien in der EWU 276 ff.

Koordination, wirtschaftspolitische

483 ff.

Kostenvorteile, absolute 50, 53 ff. Kostenvorteile, komparative, s.

Produktionsvorteile

Kursarbitragegeschäfte, s. Arbitragegeschäfte Kurssicherungsgeschäfte, s. Devisengeschäfte

L Leistungsbilanz 3, 17, 345 Leitwährung 269 f.

Lohn-Zins-Verhältnis und Außenhandel 87 ff. Lohnflexibilität und Außenhandel 111 ff.

Lohnquote und Außenhandel

108 f.

M Mark-up-Hypothese 525, 555 Marshall-Lerner-Bedingung 414 f. Meistbegünstigung 203 Mengennotierung einer Währung, s.

Wechselkurs MERCOSUR 19, 32, 198 f., 204 f. Merkantilismus 49 f., 148 Mexiko-Krise, s. Peso-Krise Migration von Arbeitskräften 219 ff. Monetäre Basis, s. Zentralbankgeld Monetäre Integration, s.

Währungsintegration

Monetäre Wechselkurstheorie, s. Wechselkursmodelle Monopolistische Konkurrenz und Außenhandel 142 ff. Moral Hazard 390, 396,402 Multifaserabkommen 225

N Nachfrageänderungen und Außenhandel 103 ff.

Nachfragepräferenzen und

Außenhandel 76 ff, 95 ff, 120 f., 140 f.

Nachfragepräferenzen, divergierende 99 NAFTA 19, 32, 198 f., 202 ff, 216 Neomerkantilismus 148, S. 184 ff. Nettoauslandsposition 15 f. Neue asiatische Industrieländer 19 News und Wechselkurse 328 f.

Nichtdiskriminierung, Prinzip der 202,

LM-Kurve317,457f.

224,227 f.

Leontief-Paradoxon 97 ff. Leistungstransaktionen, internationale 345 ff. Liquiditätsprobleme, internationale 255 f. Liquiditätsmechanismus 256

Niederlassungsfreiheit 216

Nordamerikanische Freihandelszone, NAFTA

Nutzenfunktion, gesellschaftliche 66

s.

Register

572

o

-

Ohlin, Bertil 85 ff. OPEC 135, 137 f.

Opportunitätskosten der Produktion 51 f.

Optimalzoll 168 ff. Optionen, s. Devisengeschäfte

Overshooting von Wechselkursen 260, 313

-

-

-

-

-

-

Preisdifferenzierung, internationale 124,128,130 ff.

Preiseffekte der Fiskalpolitik 528 f. der Geldpolitik der Wechselkurspolitik 529 ff.

Preisfunktion, gesamtwirtschaftliche

-

525 ff.

Preisnotierung einer Währung, s. Wechselkurs

Preisübertragungen, internationale 539 ff. bei festen Wechselkursen 548 ff. bei flexiblen Wechselkursen 562 ff. gemäß dem Kaufkraftparitäten-

-

theorem, s.

Kaufkraftparitätentheorie

Transmissionswege für 545 ff. -

-

-

546,558 ff.

und Liquiditätsmechanismus 546, 548 ff. und Nachfragemechanismus 546 f., 552 ff. Preisverhältnis und Außenhandel 57 ff., 67 ff, 87 ff. -

verkehr

Passive Lohnveredlung 25, 204 Peelsche Bankakte 264 Peso-Krise 281,394,401 Präferenzzone 194 Preis-Lohn-Spirale 559 ff. Preiselastizitäten der Exportnachfrage 410 der Importnachfrage 411 f. des Exportangebots 418 des Importangebots 418 in einer Zollunion 210 und Zoll Wirkungen 156 ff. Preisdifferenzen, internationale 47f., 57 ff.

-

und indirekter Kostenmechanismus

-

Portfolioinvestitionen, s. Kapital-

P

-

s.

-

Optimale Währungsräume 283 ff.

-

und Einkommensmechanismus,

Nachfragemechanismus

und direkter Kostenmechanismus

547,555 ff. und direkter Preismechanismus 547 f., 558

Portfoliotheorie, s. Wechselkursmodelle

Produktdifferenzierung und Außenhandel 49, 124,140 ff.

Produktionskostenvorteile, komparative 35, 49 ff., 55 ff, 129 f., 149

Produktionsmöglichkeiten 51 f. Produktions Vorschriften 175 Produktivitätsänderungen und Außenhandel 100 ff. Produktivitätsvorteile, absolute 53 ff. Produktivitätsvorteile, komparative

55 ff. Produzentenrente 136 f., 154 ff, 172, 179,212, 220 f. Prohibitivzoll 156 Protektion, effektive 160 f. Protektionismus 99 f., 150 ff. administrativer 175 f. -

R Relative Preise und Außenhandel 86 ff. Ressourcen, natürliche 98 Retorsionsmaßnahmen, bei Zöllen 167 Reziprozität, Prinzip der 224 Ricardo, David 49 f., 148 f. Risikoprämie und Wechselkurs 327 ff.

Robinson-Bedingung 418 f.

Römische Verträge 199 Rückwirkungen, internationale 437 ff, 488 ff, 537 ff. Rybczynski-Theorem 103

Register Schuldenkrise, s. Auslands-

verschuldung Schutzeffekt eines Zolls 154 Seignorage 283 Skaleneffekte, externe 118 ff. Skaleneffekte, interne 118 ff. Smith, Adam 49 f., 148 Sonderziehungsrechte 379 Spekulationsgeschäfte 244 ff., 248 f., 260 Kassamarktspekulation 244 f. Terminmarktspekulation 246 Spekulative Attacken 249, 261 Spekulative Blasen 330 ff., 399 Spezialisierung bei Außenhandel 56 ff., 69, 76, 96, 188 Spezialisierung bei steigenden Skalenerträgen 119 ff. Sozialpolitische Aspekte des Außenhandels 112 f. Strategische Handelspolitik 184 ff. Strukturwandel, außenwirtschaftlich bedingter 35 Substitutionseffekte einer Preisänderung 65, 74 einer Wechselkursänderung 424 ff. Subventionen 176 ff. auf importkonkurrierende Produkte 178 ff. -Exportsubventionen 177 f. Südamerikanische Freihandelszone, s. MERCOSUR Swapsatz 237 -

-

573

Terms-of-Trade-Effekte im Außenhandel 105 ff., 165 ff. Tokio-Runde im GATT 225 Transfermechanismus 348 ff. -

keynesianischer 351 ff. klassischer 350 f.

-

Transferproblem, s.

Transfermechanismus Transformation, Grenzrate der 51 ff., 58, 70 f. Transformationslinie, Transformationskurve 52 f., 58, 64 ff., 69 ff., 89 ff., 101 f. TRIPS 226,228 f.

u Unvollkommene Märkte und Außenhandel 123 ff., 185 f. Ursprungsregeln 195, 203 Uruguay-Runde im GATT 225

Verfügbarkeit von Gütern 48 Vermögensübertragungsbilanz 3 Vertrag von Maastricht 276, 289 Volkseinkommen 14

-

-

-

Swaps, s. Devisengeschäfte

w Währungskrise, s. Finanzkrise Währungsintegration 196, 283 ff. Währungsräume, optimale 283 ff. Währungsunion

Einkommens- und Zinseffekte in einer 505 ff. -Europäische 197, 201 Fiskalpolitik in einer 507 ff., 514 ff., Geldpolitik in einer 505 ff., 512 ff. theoretisches Modell einer 501 ff. Währungsreserven 3 Währungssysteme 263 ff Currency-Board-System 280 ff. Dollarisierung 282 f. Europäische Währungsunion, s. EWU -

-

-

Tauschgleichgewicht, internationales 67 ff., 75 ff., 105 ff., 164 ff. Tauschkurve 66 ff., 72 ff. Tarifierungs Vorschriften 175 Technologietransfer 33, 38

Termingeschäfte, s. Devisengeschäfte Terminmarkt, s Devisenmarkt Terminkurs, s. Wechselkurs Terms of Trade 54 f., 427

-

-

-

-

-

Europäisches Währungssystem, s.

EWS

System der Golddevisenwährung

-

268 f.

574 -

System der Goldwährung 264 ff. System von Bretten Woods 18, 254,

Register

269 ff, 382 Walras, Gesetz von 305 Wechselkurs bilateraler 299 effektiver 299 f. Gleichgewichts Wechselkurs 260, 331, 336 ff. Kassakurs 237 Kreuzwechselkurs 241

-

-

-

-

-

-

-

-

Mengennotierung 234

multilateraler 300 Preisnotierung 234 -realer 298 ff, 426 ff. Terminkurs 237 und Außenhandel 60 ff, 436 ff. Wechselkursanpassung 62, 252 f. Anpassungsfähige Paritäten 253 Gleitende Paritäten 253 Systematische Anpassung 253

-

-

-

-

-

-

-

Wechselkurserwartungen

-

-

nicht rationale 335 rationale 324 ff.

Wechselkursfixierung 249 ff.

-

Bandfixierter Wechselkurs 249 ff. Wechselkursbindung 250 ff. Wechselkursmodelle 293 ff. Bubble-Ansatz 330 ff. Chartisten-Ansatz 334 f. Kaufkraftparitätenansatz 295 ff. Keynesianischer Ansatz 315 ff. Monetärer Ansatz 308 ff. News-Ansatz 328 f. Portfolioansatz 302 ff. Risikoprämienansatz 327 f. -Zinsparitätenansatz 301 f. Wechselkurspolitik, Wirkungen der 470 ff, 484 ff, 529 ff.

-

schmutziges Floaten 247 Wechselkursanpassung 62, 252 f. Wechselkursfixierung 249 ff.

Weltbank 344

-

Welthandelsorganisation, s. WTO Weltwährungsordnung, s. Bretton Woods Weltwirtschaftskrise 18

Wertpapieranlagen 4 Wertpapierbilanz 3

Wettbewerbsdruck, internationaler 34 ff, 425 f. Wirtschaftsunion 196 Europäische 201 f. Wirtschafts- und Währungsunion, -

europäische 201

Wirtschaftswachstum und Außenhandel 100 ff. Wohlfahrtseffekte bei Importsubstitution 392 und Außenhandel 107, 110 f., 121 ff, 132, 137, 143 f., 149, 168 ff, 184 f., 211 ff, 229 WTO 225 ff. drei Säulen der 226

-

-

-

z

-

-

-

-

-

-

-

-

-

Wechselkursregime, s. Wechselkurssysteme Wechselkursspaltung 183 Wechselkurssysteme 247 ff. -

-

-

-

feste Wechselkurse 255 ff. flexible Wechselkurse 255 ff. kontrolliertes Floaten 247 ff. reines Floaten 247 ff.

Z-Kurve 460 ff.

Zahlungsbilanz 2 ff.

und Zinssatz 455 ff. Zentralbankgeld 458 ff. und Währungsreserven 458 und Zahlungsbilanz 459 -

-

Ziehungsrecht im IWF 271 Zinsarbitragegeschäfte, s. Kursarbitragegeschäfte Zinsarbitragegleichgewicht 244 -

Zinsdifferenz gedeckte 243

ungedeckte 245 Zinsparität 244 Zinsparitätentheorie 301

-

-

ff. Zollunion 195, 199 handelsschaffende Effekte einer 205 ff. handelsumlenkende Effekte einer 205 ff. -

-

Register -

und Wettbewerb 214 ff Wohlfahrtseffekte einer 211 ff.

Zoll wertermittlungsvorschriften 175 Zollwirkungen, s. Zölle Zölle 152 ff. -Effektivzoll 158 ff. Mengenzoll 156 und Tauschgleichgewicht 164 ff. Wertzoll 156 -

-

-

-

575