Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Jus Publicum Europaeum 1648–1794 [1 ed.] 9783428464883, 9783428064885

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Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Jus Publicum Europaeum 1648–1794 [1 ed.]
 9783428464883, 9783428064885

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KARL-HEINZ LINGENS

Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Jus Publicum Europaeum 1648 - 1794

Schriften zum Völkerrecht Band 87

Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Jus Publicum Europaeum 1648 -1794

Von Dr. Karl-Heinz Lingens

Duncker & Humblot . Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Lingens, Karl-Heinz: Internationale Scbiedsgerichtsbarkeit und Jus [Ius] Publicum Europaeum: 1648 - 1794/ von Karl-Heinz Lingens. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 (Schriften zum Völkerrecht; Bd. 87) Zug!.: Mainz, Univ., Diss., 1987 ISBN 3-428-06488-7 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Gerrnany ISBN 3-428-06488-7

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist 1987 vom Fachbereich Geschichtswissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation angenommen worden. Herrn Prof. Dr. Heinz Duchhardt, der sie angeregt und jederzeit hilfsbereit betreut hat, möchte ich herzlich danken. Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, das Public Record Office, die India Office Library and Records und die British Library in London erlaubten mir freundlicherweise die Benutzung ihrer Archiv- und Bibliotheksbestände; ihre Mitarbeiter halfen mir ebenso weiter wie die des Deutschen Historischen Instituts in London, das für die dortigen Arbeiten auch ein Stipendium gewährte. Dem Verlag danke ich für die Aufnahme in die Schriften zum Völkerrecht. Ermöglicht wurde mir diese Studie durch meine Eltern und meine Frau: ihnen sei sie gewidmet. Westerburg, im Juni 1988

Karl-Heinz Lingens

Inhaltsübersicht Einleitung 1. Unterschiedliches Verständnis der Völkerrechtsgeschichte

...........

11

Traditionelle rechtswissenschaftliche Konzeption (11) - Neue Ansätze der Völkerrechtsgeschichte (13) - Aufgabe des Historikers (14) 11. Forschungslage

.......................................

15

Erarbeitung der Grundlagen: Die Forschung vor dem ersten Weltkrieg (16)Vertiefung: Spezialstudien der Zwischenkriegszeit (18) - Ergänzungen: Vereinzelte Forschungsbeiträge nach dem zweiten Weltkrieg (19) 111. Konzeption der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Die Grundlagen (21) - Gliederung der Arbeit (27)

Teil I

Internationale Schiedsgerichtsbarkeit als völkerrechtliches Institut A. Das Vertragsrecht 1. Das kaiserlich-polnische Abkommen von 1677 - Musterbeispiel einer institutionellen Schiedsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Institutionelle Schiedsvereinbarungen im französischen Zeitalter

31 33

Begriffe "institutionell" und "isoliert" (33) - Praxis im westlichen Alpenraum (34) - Institutionelle Schiedsabreden im übrigen Europa (35) 111. Das Schiedsverfahren

37

1. Das Mahnverfahren

38

2. Das Vergleichsverfahren

39

"amicabilis compositio" im Vergleichs- und im Urteilsverfahren (39) Verbindungen von "amicabilis" und "componere" (39) - ,,3 l'amiable" und Vergleichsverfahren (40) - Vergleich durch Souveräne persönlich (42) ,,3 l'amiable" als Bestimmungshilfe (43)

8

Inhaltsübersicht 3. Das Urteilsverfahren (Schiedsverfahren im engeren Sinn) a) Parteien und Parteifähigkeit . ........ .. . . ..... . . . .... ..

44 44

Internationale Schiedsgerichte und staatliche Gerichtsbarkeit (44) Verschiedene Lösungen (45) - Handeln für andere (47) - Personale Terminologie: Fürst oder Staat? (49) b) Streitgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

50

Keine generelle Ausklammerung einzelner Bereiche (50) - Grenz- und Gebietsdifferenzen (51) - Vertragsangelegenheiten (52) - Handelssachen (54) - Geldforderungen (55) - Erbstreitigkeiten (56) c) Die Schiedsrichter

57 58

aa) Die beauftragten Schiedsrichter Paritätische Besetzung der Kommissionen (58) - Bezeichnungen und Anforderungen (61) - Eidesleistung (62) - Befugnisse und Aufgaben (63) - Verfahren bei Stimmengleichheit (67): (a) Ergänzung der Kommission (67), (b) "Obmannslose" Schiedskommissionen (69) und (c) Neutrale Schiedsrichter (71) bb) Die erbetenen Schiedsrichter

.......................

72

Schiedsabrede und Wahl der Schiedsrichter (72) - Gewählte und potentielle Schiedsrichter (74) - Erscheinungsformen (75) - Erledigung durch Beauftragte (77) - Abgrenzung zur Mediation (78) d) Das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

81

Verfahren der Kommissionen in Handelsstreitigkeiten (81) - Verfahren vor erwählten Schiedsrichtern bei Streitigkeiten der Herrscher (83) - Wichtige Gemeinsamkeiten und Verfahrensgrundsätze (87) e) Rechtscharakter der Schiedsgerichtsbarkeit

89

B. Die Literatur I. Die Literatur als mögliche Ergänzung der Praxis (1648 - 1730) .........

91

Grotius (91) - Zouche (94) - Pufendorf (94) - Vitriarius. Gundling (97) Textor , Rachel (98) - Friedensprojekte (98) II. Die Literatur als Ersatz der Praxis (1730 - 1794)

.. .. ....... .. . . ... 100

Struve (101) - Mably (101) - Wolff (102) - Vattel (103) - J. J. Moser (104) Teil II Schiedsgerichtsbarkeit und internationale Beziehungen im Zeitalter des Absolutismus I. Die Cromwellschen Verträge: Schiedsgerichtsbarkeit im Dienste der Handels- und Außenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........ . . . ... 106

Inhaltsübersicht

9

1. Die niederländisch-englischen Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

a) Art. XXX des Friedens vom 5./15. April 1654

. . . . . . . . . . . . . . . 107

b) Art. XXVIII des Friedens vom 5./15. April 1654

............. 115

2. Die Abmachungen Cromwells mit den Königen von Portugal, Frankreich und Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Der Friede mit Portugal vom 10./20. Juli 1654

119

b) Der Friede mit Frankreich vom 3. November 1655

119

c) Der englisch-schwedische Vertrag vom 17. Juli 1656

121 122

3. Die Schiedsrichter Die englisch-niederländische Kommission aus Art. XXVIII (122) - Die englisch-niederländische Kommission gemäß Art. XXX (123) - Die englisch-portugiesische Kommission (124) - Sonstige Schiedsrichter (125)

11. Das Verhältnis der Schiedsgerichtsbarkeit zu anderen Streitbeilegungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Tendenz zur Verhandlungskommission (126) - Gewichtsverlagerung zu den Vermittlern (127) - Zug der Zeit zur "convenance mutuelle" (129) - Verhältnis zum Krieg (129)

111. Der Stellenwert der Schiedsgerichtsbarkeit in der internationalen Politik 1. Schiedsgerichtsbarkeit und Souveränität

131

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Ansicht Engels (131) - Theorie Wasers (132) - Überprüfung an den Schiedsabreden (133) - Bedeutungsnuancen des Schiedsrichterbegriffs (135) - Ungünstiges Klima? (136) 2. Schwachpunkte des schiedsgerichtlichen Verfahrens

137

Lange Verfahrensdauer und Umständlichkeit (137) - Relative Erfolglosigkeit (138) - Einsatz in verfahrenen Situationen (139) - Mangelnde Begeisterung der Schiedsrichter (139) 3. Veränderungen im Umfeld der Schiedsgerichtsbarkeit

............ 139

Grenzstreitigkeiten (139): "Flurbereinigung" (139) und technischer Fortschritt (140) - Handelsstreitigkeiten (141): Vertraglicher Ausgleich (141), Verweisung an innerstaatliche Gerichte (142), Milderung des Kriegsrechts (142) und Rechtssicherheit durch materielle Regelungen (143) 4. Schiedsgerichtsbarkeit als Opfer der Internationalisierung .......... 143 IV. Schiedsgerichtsbarkeit und Völkerrechtssubjektivität . . . . . . . . . . . . . . . 144

Inhaltsübersicht

10

Teil III Das Zeitalter des Absolutismus in der Geschichte der Schiedsgerichtsbarkeit I. Die Wurzeln der "modemen" Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . 148

1. Die Zeit von 1730 bis 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Der Jay-Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien vom 19. November 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Art. 5 des Jay-Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Art. 6 des Vertrages

151

c) Art. 7 des Vertrages

152

3. Der entwicklungsgeschichtliche Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . 153 11. Mittelalterliche und frühneuzeitliche Schiedsgerichtsbarkeit

155

Zusammenfassung

158

QueUen- und Literaturverzeichnis

159

Anhang

168

Sach- und Personenregister

174

Einleitung "Internationale Schiedsgerichtsbarkeit" und "Europäisches öffentliches Recht" sind Begriffe, die der rechtswissenschaftlichen Fachsprache angehören. Kann sich der Nicht-Jurist unter dem ersten Terminus noch etwas vorstellen, so ist der zweite wahrscheinlich nur einem kleinen Kreis von Völkerrechtlern und spezialisierten Historikern geläufig. Man versteht darunter das Völkerrecht zwischen den großen Friedenskongressen von Münster/Osnabrück 1644/48 und Wien 1814115; ob durch den Begriff die Völkerrechtsordnung insgesamt gekennzeichnet ist oder ob Einschränkungen gemacht werden müssen - regional auf das westliche Europa, inhaltlich auf Verträge und Herkommen! -, wird unterschiedlich beantwortet. Für die vorliegende Untersuchung ist aus sachlichen Gründen ein anderer Endzeitpunkt gewählt worden. Der Abschluß des sog. Jay-Vertrages am 19. November 1794, durch den Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika mehrere zwischen ihnen bestehende Streitfragen einer Kommission zur eigenverantwortlichen und verbindlichen Entscheidung überwiesen, gilt gemeinhin als Beginn der modemen, ja der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit überhaupt2 • Auf den ersten Blick scheint hier ein Widerspruch vorzuliegen: Wenn es erst seit 1794 internationale Schiedsgerichtsbarkeit gibt, mit was beschäftigt sich dann diese Arbeit? I. Unterschiedliches Verständnis der Völkerrechtsgeschichte

Die Antwort ergibt sich aus dem traditionellen Geschichtsverständnis der Völkerrechtswissenschaft, das der Historiker, der sich mit völkerrechtlichen Institutionen befaßt, stets in Rechnung stellen muß. Bezugspunkt des Juristen bleibt auch beim Zurückblenden in die Geschichte das geltende Recht. Sinn und Zweck der Aufarbeitung der Vergangenheit ist es, die notwendigen Grundlagen zur Interpretation älterer noch gültiger Verträge zu erhalten und Präzedenzfälle zu entdecken, um beim Auftauchen nicht ausdrücklich geregel1 Vgl. zu dieser Kontroverse Grewe, Wilhelm G.: Vom europäischen zum universellen Völkerrecht. Zur Frage der Revision des "europazentrischen" Bildes der Völkerrechtsgeschichte. In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 42 (1982), S. 449 - 479, besonders die Auseinandersetzung mit Alexandrowicz, Schindler und Reibstein S. 461- 465. 2 Schlochauer, Hans-Jürgen: Art. Schiedsgerichtsbarkeit, internationale. In: Wörterbuch des Völkerrechts Bd. 3, S. 177 -195, S. 180. Ders.: Art. Arbitration. In: Encyclopedia of Public International Law, Instalrnent 1, S. 13 - 28, S. 16.

12

Einleitung

ter Fragen die Existenz eines Gewohnheitsrechts nachweisen zu können 3 • Die zwangsläufige Folge ist die Beschränkung der Völkerrechtsgeschichte auf die Verkehrsformen, aus denen sich die heute geltenden Rechtsregeln unmittelbar entwickelt haben, d. h. auf die Praxis der modernen souveränen Staaten und die ihr zugrunde liegenden Ideen. Besonders deutlich wird dieser Blickwinkel bei der Behandlung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Zum Verständnis der gegenwärtigen Praxis gilt es als ausreichend, die Entwicklung seit 1794 zu verfolgen; weiter zurück zu gehen, wird als "beinahe unnütz" erachtet4 . Frühere Erscheinungsformen einer schiedsrichterlichen Streitbeilegung, etwa im antiken Griechenland und im ausgehenden Mittelalter, werden dabei keineswegs geleugnet, auch der Rechtscharakter wird ihnen - zumindest überwiegend - nicht abgesprochen 5 . Aufgrund ihrer Eingebundenheit in ein anderes Weltbild seien sie aber, so meint man, mit der modernen internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nicht vergleichbar. Konsequenterweise verwendet Schlochauer den Terminus "Schiedsgerichtsbarkeit" nur für das seit dem J ay-Vertrag ausgebildete Institut und hebt es dadurch vom früheren "Schiedswesen" ab 6 . Seine hier als Beispiel herausgegriffene Definition: "Als internationale Schiedsgerichtsbarkeit bezeichnet man die Entscheidung von Staatenstreitigkeiten durch ein vor oder nach der Entstehung von Meinungsverschiedenheiten seitens der Parteien gebildetes Schiedsgericht aufgrund der durch sie bezeichneten oder zugelassenen Normen"7 ist ebenso bewußt auf die Zeit seit 1794 fixiert wie Art. 37 des Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18.10.1907: "International arbitration has for its object the settlement of disputes between States by judges of their own choice and on the basis of respect for law. Recourse to arbitration implies an engagement to submit in gobd faith to the award"8. Das Jahr 1794 hat demnach für die traditionelle Völkerrechtswissenschaft eine doppelte Bedeutung: sachlich scheidet es sau3 Zu diesem Bedürfnis und der Hilfsfunktion der Geschichtswissenschaft Bastid, Suzanne: Histoire des relations internationales et droit international. In: Etudes d'histoire des relations internationales. (Melanges Pierre Renouvin). Paris 1966. S. 17 - 22, S.18. 4 LaPradelle, A. delPolitis, N.: Recueil des arbitrages internationaux. Paris 21957. S. XXX. Simpson, J.L./Fox, Hazel: International arbitration. Law and Practice. London 1959. S. 1. Den gleichen Ansatzpunkt haben die Sammlungen und Verzeichnisse internationaler Schiedsfälle von Moore, John Bassett: International Arbitrations to which the United States has been a party. 6 Bde. Washington 1898. Lafontaine, H.: Pasicrisie international. Histoire documentaire des arbitrages internationaux. Bern 1902. Stuyt, A.M.: Survey of international arbitrations 1794 -1938. The Hague 1939. 5 Schlochauer, Hans-Jürgen: Die Entwicklung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. In: Archiv des Völkerrechts 10 (1962/63), S. 1 - 41 spricht von "rudimentär ausgebildete(n) Grundsätze(n) zwischenstaatlicher Rechtsbeziehungen" (S. 3). 6 Schlochauer: Entwicklung S. 1 - 6. 7 Schlochauer: Int. SG S. 177. 8 Zitiert bei Schlochauer: Arbitration S. 14.

I. Unterschiedliches Verständnis der Völkerrechtsgeschichte

13

ber frühere ähnliche von den der heutigen Praxis vergleichbaren Fällen, im Verhältnis der wissenschaftlichen Disziplinen trennt es das Arbeitsgebiet des Juristen von dem des Historikers. Diese Aufgabenteilung wird von einer neueren Richtung der Völkerrechtswissenschaft nicht mehr akzeptiert. Im Gegensatz zur herkömmlichen Lehre geht sie davon aus, daß es keinen zwingenden Grund gebe, den Begriff einer völkerrechtlichen Ordnung von der heutigen zeitbedingten Erscheinungsform abzuleiten9 • Anderen Systemen, beispielsweise dem antiken Griechenland und dem mittelalterlichen Europa, einen eigenständigen Platz in der Völkerrechtsgeschichte zuweisend lO , kann sie die Entwicklung einzelner völkerrechtlicher Institutionen wie etwa der Schiedsgerichtsbarkeit über lange Zeiträume hinweg durch verschiedene Ordnungen verfolgen. Dafür muß sie in Kauf nehmen, daß wegen der unterschiedlichen Lebensformen parallel zur Relativierung des Begriffs der völkerrechtlichen Ordnung auch alle anderen, auf die moderne Staatengemeinschaft zugeschnittenen Definitionen an Schärfe verlieren. Leider wurden bisher noch keine "gereinigten" Begriffsbestimmungen an die Stelle der "modernen" gesetzt. Für die schiedsrichterliche Erledigung internationaler Streitigkeiten beschränkt sich Grewe darauf, einige für die jeweilige Epoche charakteristische Merkmale hervorzuheben, so für das Mittelalter die häufig vorkommende, dem kanonischen Recht entstammende Formel "arbiter, arbitrator et amicabilis compositor"ll oder die dem 19. Jahrhundert eigene "Tendenz zu einer förmlichen Ausbildung des Verfahrensrechtes" als "Konsequenz eines mehr gerichtsförmigen und auf eine unparteiische, juristisch begründete Streitentscheidung abzielenden Schiedsgerichts"12. Bei den Angaben zum Beliebtheitsgrad des Instituts verwendet Grewe für die Neuzeit eine Unterteilung, über die in der Völkerrechtsgeschichte im großen und ganzen Übereinstimmung besteht13 und die deswegen trotz ihrer pauschalen Wertung auch für die nachfolgende Untersuchung beibehalten werden soll: Sehr häufig und politisch bedeutsam in der selbständigen völkerrechtlichen Ord9 Grewe, Wilhelm G.: Epochen der Völkerrechtsgeschichte. Baden-Baden 1984. S.26. 10 Grewe: Epochen S. 27 - 32 gibt einen kurzen Überblick über diese Fortschritte der Forschung. 11 Grewe: Epochen S. 127. Dieser Formel hat Kar! Siegfried Bader einen eigenen Aufsatz gewidmet: Arbiter arbitrator seu amicabilis compositor. Zur Verbreitung einer kanonistischen Formel in Gebieten nördlich der Alpen. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 77 (1960), S. 239 - 276. 12 Grewe: Epochen S. 61l. 13 Im Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 3, Art.: Völkerrechtsgeschichte hat W. Preiser die Anfänge bis zum "spanischen Zeitalter" (1500 - 1648) bearbeitet (S. 680703), während E. Reibstein die "Zeit des Europäischen Völkerrechts (1648 - 1815)" behandelt hat (S. 703 - 721). Zu den begrifflich teilweise abweichenden wie auch zu anderen Einteilungsversuchen Grewe: Epochen S. 19 - 25. Seine schlagwortartigen Charakterisierungen der Schiedsgerichtsbarkeit in den einzelnen Epochen siehe S. 119, S. 235, S. 423, S. 606,S. 719,S. 777.

14

Einleitung

nung des 13. bis 15. Jahrhunderts, durchläuft die internationale Schiedsgerichtsbarkeit eine Phase des Niedergangs im "spanischen" Zeitalter (1494 1648), um im "französischen" (1648 -1815) den Tiefstand zu erreichen. In der gleichen Epoche bedeutet jedoch der Jay-Vertrag 1794 den "Auftakt für den Wiederaufstieg des Instituts"14. Bei dem eingangs angeführten Widerspruch handelt es sich somit um mehr als eine unterschiedliche Terminologie, auch um mehr als ein unterschiedliches Verständnis der Aufgaben der Völkerrechtsgeschichte. Die traditionelle Völkerrechtswissenschaft "besetzt" den Terminus "Schiedsgerichtsbarkeit" mit den heute darunter verstandenen Inhalten; das kommt in den meist als Abgrenzung zu älteren Erscheinungsformen gedachten Definitionen 15 klar zum Ausdruck, auch wenn nicht alle Autoren wie Schlochauer zwei unterschiedliche Begriffe - Schiedsgerichtsbarkeit und Schiedswesen - verwenden. Dieser rückwärtsgewandte, auf das geltende Recht zugeschnittene und Nützlichkeitserwägungen zum Maßstab nehmende Ansatz der Beschäftigung mit der Geschichte gerät, je weiter man sich von der Gegenwart entfernt, in immer schärferen Gegensatz zu der wichtigsten Grunderkenntnis der Rechtsgeschichte, jede Epoche aus ihrer eigenen Begriffswelt und den ihr innewohnenden Wertvorstellungen zu verstehen 16 . Dieser Forderung entspricht die moderne Völkerrechtsgeschichte durch ihre Lösung von der Beschränkung auf das neuzeitliche Staatensystem und von seinen zeitgebundenen Begriffen. Ebenso muß der Historiker diesen Ansatz benutzen, will er "eine tatsächliche Vergangenheit rekonstruieren und interpretieren" (Iggers)17. Konkret bedeutet das: Ehe Vergleiche mit dem heutigen Rechtsinstitut angestellt werden können, muß aus den Quellen der Zeit von 1648 bis 1794 das zeitgenössische Erscheinungsbild schiedsrichterlicher Streitbeilegung erarbeitet werden. Um von vorneherein unzeitgemäße Festlegungen zu vermeiden, ist es ratsam, den Gegenstand der Untersuchung möglichst weit zu fassen und nach den Fällen 14 Grewe: Epochen S. 426. 15 Auch Verdross, Alfred: Die Entwicklung des Völkerrechts. In: Propyläen-Weltge-

schichte Bd. 8. Berlin Frankfurt Wien 1960. S. 671 - 701 gibt eine am Haager Abkommen ausgerichtete Definition, um danach der Schiedsgerichtsbarkeit des Altertums und des Mittelalters die modeme seit 1794 gegenüberzustellen, ohne anzugeben, worin der Unterschied besteht, S. 695. Ähnlich Berber, Friedrich: Lehrbuch des Völkerrechts. Bd. 3: Streiterledigung, Kriegsverhütung, Integration. München 21977. S. 44. 16 Vgl. Mitteis, HeinrichlLieberich, Heinz: Deutsche Rechtsgeschichte. Ein Studienbuch. München 161981. S. 10. Ihre Begründung: "Fremde Maßstäbe lassen die Vergangenheit immer wirr und die Gegenwart überlegen erscheinen." läßt sich der Einschätzung des Jay-Vertrages bei Ralston, Jackson H.: International arbitration from Athens to Locarno. Stanford London Oxford 1929. entgegenhalten: "Prior to this time, arbitrations were irregular and spasmodic; from this time forward they assumed a certain regularity and system." (S. 191). 17 Iggers, Georg G.: Neue Geschichtswissenschaft. Vom Historismus zur Historischen Sozialwissenschaft. Ein internationaler Vergleich. München 1978. bezeichnet dies als "nach wie vor die hauptsächliche Aufgabe des Historikers" (S. 13).

11. Forschungslage

15

zu forschen, in denen die Parteien, also vermutlich die Staaten18 , einen Dritten um die Entscheidung ihres Streits bitten. Alles weitere, wie Freiwilligkeit, Endgültigkeit der Entscheidung oder Kompetenzen des bzw. der Schiedsrichter, auch ihre eventuelle Bindung an ein Recht, bleibt vorerst offen und von den Quellenbelegen abhängig.

u. Forschungslage Die bisherige Forschung bietet in dieser Hinsicht kaum mehr als Anhaltspunkte. Eric Oswald van Boetzelaer nimmt in seiner Leidener juristischen Dissertation von 1929 "Nederlandsche internationale arbitrages tusschen 1581 en 1794. Les arbitrages internationaux neerlandais de 1581 a 1794" den umgekehrten Weg. Ausgehend von der oben zitierten Definition der Haager Konvention von 1907, stellt er fest, daß das, was im 17. und 18. Jahrhundert als Schiedsgerichtsbarkeit gegolten habe, diese Bezeichnung oft nicht verdiene. Als Gründe nennt er die nicht immer klar mögliche Abgrenzung zur Vermittlung, den Mangel an anwendbarem Recht sowie die Bevorzugung der freundschaftlichen vor der rein rechtlichen Streiterledigung19 . Die Auswirkungen dieses verfehlten, da unzeitgemäßen Ansatzes sind indes gering, weil van Boetzelaer gesteht, sich wegen der mangelhaften Grenzziehung zwischen Vermittlung und Entscheidung und der Bedeutung der anderen zeitgenössischen Streiterledigungsmittel nicht immer an die strikte Definition gehalten zu haben. Die Untersuchung des Niederländers ist überraschenderweise zumindest in der deutschsprachigen Forschung fast unbekannt geblieben. Überraschend vor allem angesichts des positiven Urteils, das de Taube über sie gefällt hat20 • Aber die Aufmerksamkeit sowohl der Völkerrechtler als auch der Geschichtswissenschaftler hat sich bislang fast ausschließlich auf die "Glanzzeiten" des Instituts gerichtet, auf die "Schiedsgerichtsbewegungen"21 der Griechen (Mitte des 7. bis gegen Ende des 2. Jahrhunderts vor Chr.) , im spätmittelalterlichen West- und Zentraleuropa und in der modernen Staatengesellschaft seit 1794. Dabei dürfte ein Zusammenhang zwischen Forschungsobjekt und aktueller Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit bestehen, der über das normale 18 Inwieweit sich die Staatenbildung im Völkerrecht niedergeschlagen hat, wird nachfolgend ebenfalls zu untersuchen sein. 19 Van Boetzelaer S. 13. 20 Taube, Michel de: Les origines de l'Arbitrage international. Antiquite et Moyen Age. In: Academie de Droit International. Recueil des Cours 1932-IV. Tome 42. S. 1115.: "la modeste mais tres precieuse dissertation" (S. 9). 21 Waser, Hans: Das zwischenstaatliche Schiedsgericht als Spiegel der abendländischen Geschichte. In: Gelehrte Gesellschaft (Rrsg.): Neujahrsblatt auf das Jahr 1960. Zum Besten des Waisenhauses Zürich. 123. Stück. Zürich o.J. Die einzelnen Epochen werden S. 20 ff., S. 28 ff. und S. 41 ff. behandelt.

16

Einleitung

Maß der Anregung historischer Untersuchungen durch politische Entwicklungen hinausgeht. Die sprunghafte Zunahme der Schiedsvereinbarungen und die erste wissenschaftliche Erforschung des Instituts im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts sind die beiden Wurzeln der Bewegung, die schließlich zu den Vereinbarungen der Haager Konferenzen 1899 und 1907 führte. Die Verflechtung zwischen Forschung und politischen Zielvorstellungen war so stark, daß Usteri, dessen Dissertation22 1925 eine zweite Forschungswelle einleitete, angesichts der Verlockung durch die "derzeitige große Aktualität" des Themas sich veranlaßt sah, "jegliche propagandistische Absicht" von sich zu weisen und das Streben des Historikers nach "weitmöglichster Objektivität" hervorzuheben23 • Den Anstoß für das gesteigerte Interesse des späten 19. Jahrhunderts gab der Genfer Schiedsspruch vom 14. September 1872 im sog. Alabama-Fal124, wie der J ay-Vertrag einer der Marksteine in der Geschichte zwischenstaatlicher Schiedsgerichtsbarkeit. Schon im gleichen Jahr spannte Augusto Pierantoni 25 den Bogen von der antiken Praxis über die im Zeichen päpstlicher Ansprüche stehende mittelalterliche Schiedsgerichtsbarkeit, die Friedensprojekte und die Völkerrechtsliteratur bis ins 19. Jahrhundert. Der Titel der fünf Jahre später in Paris erschienenen Arbeit von Edgar Rouard de Card birgt gleichsam Programm und Ansatz aller damals nachfolgenden Studien in sich: "Droit International. L'arbitrage international dans le passe, le present et l'avenir." Soweit ersichtlich, weist er auch als erster auf die Bedeutung des Jay-Vertrages hin26 • Die Zeit davor erfuhr in der Folge eine durchwegs negative Beurteilung. Kamarowsky, dessen früher abgefaßtes Werk 1887 in einer französischen Übersetzung erschien, stellt den sich durch häufigen Gebrauch der Schiedsgerichtsbarkeit auszeichnenden Perioden des Mittelalters und des 19. Jahrhunderts "ces tristes epoques des guerres continuelles" des Absolutismus gegenüber27, in denen die Verdrängung des Rechts durch die Gewalt zu einem fast völligen Verschwinden schiedsrichterlicher Entscheidung geführt habe, wie sich aus der geringen Anzahl der Kompromisse (Schiedsverträge) ergebe 28 • Ganz so düster sieht Revon 29 die "periode in,.termediaire", wie van 22 Usteri, Emil: Das öffentlich-rechtliche Schiedsgericht in der schweizerischen Eidgenossenschaft des 13. bis 15. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Institutionengeschichte und zum Völkerrecht. Zürich Leipzig 1925. 23 Usteri S. 15 f. 24 Dazu Bauer, Reinhart: Art. Alabama-Fall. In: Wörterbuch des Völkerrechts Bd. 1, S. 20 f. 25 Pierantoni, Augusto: Gli arbitrati internazionali e il trattato di Washington. Napoli 1872, besonders S. 64 ff. 26 Rouard de Card S. 19: "le commencement d'une ere nouvelle". 27 Kamarowsky, L.: Le tribunal international. Paris 1887. S. 185. 28 Kamarowsky bezieht sich dabei auf die in der Anlage unter Nr. 14, 23, 35 und 49 aufgeführten Fälle. 29 Revon, Michel: L'arbitrage international. Son passe - son present - son avenir. Paris 1892.

11. Forschungslage

17

Boetzelaer die Zeit zwischen mittelalterlicher und moderner Schiedsgerichtsbarkeit später nennen sollte30 , nicht. Er bescheinigt ihr eine großartige Entwicklung des Rechts, allerdings nur als Idee: was die rechtliche Beilegung internationaler Konflikte betreffe, habe man, trotz vereinzelter Schiedsfälle, niemals eine ärmere Periode gesehen31 • In gleicher Weise konzentriert N ys 32 die Behandlung der Schiedsgerichtsbarkeit auf Grotius und begnügt sich bei der Praxis mit dem Hinweis, im Mittelalter seien Kompromisse gebräuchlicher gewesen als seit Beginn des 16. Jahrhunderts33 •

Für Merignhac 34 steht der Schiedsrichter im Mittelpunkt des Interesses. Papst, Bischöfe, Kaiser, Könige als Lehensherren, auch Städte haben in dieser Funktion Einfluß auf die Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit genommen. Weiter erwähnt er die Schiedskommissionen35 , die Schiedsklauseln für künftige Fälle36 und die vor dem 17. Jahrhundert bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten zur Mediation37 • Begründet durch den Verzicht des Papstes auf eine dominierende Rolle in der weltlichen Gemeinschaft, habe die Beliebtheit des Instituts nach dem häufigen Auftreten im Mittelalter im 14. und 15. Jahrhundert nachgelassen bis zu seinem fast völligen Verschwinden vom 16. Jahrhundert bis zur Französischen Revolution38 • Merignhacs differenzierende Darstellung wurde drei Jahre später (1898) von J. B. Moore in die historical notes seiner Sammlung internationaler Schiedsfälle mit Beteiligung der Vereinigten Staaten übernommen und um weitere Beispiele ergänzt39 • Mit ihm beginnen die den Haager Konferenzen 1899 und 190740 zeitlich parallel laufenden Zusammenstellungen internationaler Schiedsfälle, die die Schiedskommissionen des Jay-Vertrages als Ausgangspunkt nehmen41 . Novacovitch (1905) und Raeder (1912)42 befassen sich speVan Boetzelaer S. 10. Revon S. 149. Er zitiert die Fälle Anlage Nr. 35 und 49, zusätzlich Vattels Bemerkung über die lobenswerte Schweizer Praxis. Im übrigen verweist er auf die von Kamarowsky angeführten Fälle. 32 Nys. Ernest: Les origines du droit international. Bruxelles Paris 1894. 33 Nys S. 52. 34 Merignhac, A.: Traite theorique et pratique de l'arbitrage international. Le röle du droit dans le fonctionnement actuel de l'institution et dans ses destinees futures. Paris 1895. 35 Merignhac S. 36. 36 Merignhac S. 40. 37 Merignhac S. 41 f. 38 Merignhac S. 38. 39 Moore Vol. V, S. 4821-4869. Bei den Beispielen handelt es sich u. a. um die Fälle Nr. 3, 11, 12, 13, 15, 17,48 und 64. 40 Dazu Scott, James Brown: Les conferences de la Paix de La Haye de 1899 et 1907. Paris 1927. (Englische Ausgabe Baltimore 1909). 41 Vgl. Anm. 4. Die 1. Auflage von LaPradelleIPolitis erschien 1905. 42 Novacovitch, Mileta: Les compromis et les arbitrages internationaux du XIIe au XVe siede. These Paris 1905. Raeder, A.: L'arbitrage international chez les Hellenes. Publications de l'Institut Nobel norvegien 1. Kristiania 1912. 30 31

2 Lingens

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Einleitung

ziell mit der Schiedsgerichtsbarkeit im Mittelalter und bei den Griechen. Den Abschluß dieser Forschungsperiode bildet die Arbeit von Heinrich Lammasch: Die Lehre von der Schiedsgerichtsbarkeit in ihrem ganzen Umfange 43 . Im dritten Hauptstück faßt er die bisherigen Forschungen zusammen, mahnt die fehlende kritische Verarbeitung des reichen geschichtlichen Materials durch die Historiker an und wirft die Frage auf, ob den Normen mancher Staatsverträge des 17. und 18. Jahrhunderts - speziell nennt er die Friedensverträge des Kaisers und Venedigs mit der ottomanischen Pforte 1718 in Passarowitz - nur diplomatischer Charakter zukam oder ob sie nicht auch als Einsetzung von Schiedsgerichten aufgefaßt werden müßten44 • Lammaschs Anregung wurde erst zehn Jahre später in der Schweiz aufgenommen, einem Land, dessen Geschichte mit der Schiedsgerichtsbarkeit eng verbunden ist. Der bereits erwähnten Arbeit Usteris zum "öffentlich-rechtlichen Schiedsgericht" der Schweizer Eidgenossenschaft folgten diejenigen Siegfried Freys (Oberitalien) und Hans Wasers (Südfrankreich)45. Gemeinsam ist diesen historischen Untersuchungen außer der regionalen und der zeitlichen Beschränkung auf das Mittelalter das Bemühen, einen Beitrag zur Geschichte völkerrechtlicher Institutionen zu leisten. Die Abgrenzung zu privaten Schiedsfällen erfolgt nach der Natur der Streitparteien und des Gegenstandes der Abrede. Preiser hat später aus der Sicht des Völkerrechtshistorikers diesen von Waser nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Einbeziehung der Person des Schiedsrichters noch erweiterten Prüfungsmaßstab gebilligt: Angesichts der für das Mittelalter nicht zeitgerechten Differenzierung zwischen öffentlichem und privatem Recht müsse der in den heutigen Kategorien denkende Forscher alle Umstände heranziehen, um den Einzelfall den nachträglich geschaffenen Bereichen "zwischenstaatlich" und "innerstaatlich" zuzuordnen. Dabei müsse berücksichtigt werden, daß nach der Auffassung spätmittelalterlicher Jahrhunderte, der ein souveräner Staat neuzeitlicher Prägung ja noch unbekannt war, auch Gewalten zweiten, ja dritten Ranges als faktisch "herrschaftsfreie" Gebilde in weitem Umfang am internationalen Verkehr teilgenommen hätten46 • Diese relativ offene Struktur der internatio43 In: Stier-Somlo, Fritz (Hrsg.): Handbuch des Völkerrechts. 5. Bd., 2. Abteilung. Stuttgart 1914. 44 Lammasch S. 26,29. 45 Frey, Siegfried: Das öffentlich-rechtliche Schiedsgericht in Oberitalien im XII. und XIII. Jahrhundert. Beitrag zur Geschichte völkerrechtlicher Institutionen. Luzem 1928. Waser, Hans: Das öffentlichrechtliche Schiedsgericht und die anderen Mittel friedlicher Streiterledigung im spätmittelalterlichen Südfrankreich. 1. Teil. Phil.Diss. Zürich 1934. 46 Preiser, WoHgang: Besprechung von Hans Waser, Quellen zur Schiedsgerichtsbarkeit im Grafenhause Savoyen 1251 bis 1300. In: Ders.: Macht und Norm in der Völkerrechtsgeschichte. Baden-Baden 1978. S. 185 -191. Zum Forschungsansatz S. 187 -189, wo sich Preiser auch gegen die Verwendung des seiner Meinung nach irreführenden Begriffs "öffentlich-rechtlich" wendet.

11. Forschungslage

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nalen Beziehungen bezeugt ebenfalls die juristische Dissertation Schöttlers zur Schiedsgerichtsbarkeit der Deutschen Hanse47 . Insofern müssen auch die Studien zur allgemeinen Schiedsgerichtsbarkeit, über die Karl Siegfried Bader 1935 einen Überblick gegeben hat, hier Erwähnung finden 48 • Eigens der Geschichte der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit sind nach dem Zweiten Weltkrieg keine Untersuchungen mehr gewidmet worden49 • Dies beruht sicherlich auf der mangelnden Aktualität des Themas - Grewe 50 sieht allenfalls noch im regionalen Rahmen Fortschritte der gegenwärtigen Praxis -, aber auch auf einer gewissen Versteifung der Völkerrechtswissenschaft auf die Trennwirkung des Jahres 1794, wobei frühere Praktiken teils mit einem knappen Hinweis, teils mit einer ebenso knappen Abqualifizierung ("irregular und spasmodic") bedacht werden51 • Die Völkerrechtsgeschichten 47 Schöttler, Rolf: Die Schiedsgerichtsbarkeit unter der Deutschen Hansa in der Zeit von 1232 bis 1495. Diss. iur. Münster. Bochum 1941. 48 Bader, Kar! Siegfried: Die Entwicklung und Verbreitung der mittelalterlichen Schiedsidee in Süddeutschland und in der Schweiz. In: Zeitschrift für Schweizerisches Recht. Neue Folge. 54. Bd. (1935). S. 100 -125. Von den aufgeführten Arbeiten besonders zu nennen sind Krause, Hermann: Die geschichtliche Entwicklung des Schiedsgerichtswesens in Deutschland. Berlin 1930. und Baders eigene juristische Freiburger Dissertation: Das Schiedsverfahren in Schwaben vom 12. bis zum ausgehenden 16. Jahrhundert. Tübingen 1929. 49 Die juristische Münchener Dissertation (1960) von Michael Kobler: Das Schiedsgerichtswesen nach bayrischen Quellen des Mittelalters. Münchner Universitätsschriften Bd. 1. München 1967. behandelt die Schiedsgerichtsbarkeit unter dem Blickwinkel "Allerweltsmittel" (S. 121). Um den germanischen oder kanonischen Ursprung des Instituts geht es in den in den "Schweizer Beiträge(n) zur Allgemeinen Geschichte" erschienenen Aufsätzen von Hermann Rennefahrt: Beitrag zu der Frage der Herkunft des Schiedsgerichtswesens (Bd. 16/1958 S. 5 - 55) und Nachlese zu der Frage der Herkunft des Schiedsgerichtswesens (Bd. 17/1959 S. 196 - 218). Das Verhältnis zur ordentlichen Gerichtsbarkeit behandeln Most, Ingeborg: Schiedsgericht, rechtlicheres Rechtsgebot, ordentliches Gericht, Kammergericht. Zur Technik fürstlicher Politik im 15. Jahrhundert. In: Aus Reichstagen des 15. und 16. Jahrhunderts. Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Bd. 5. Göttingen 1958. S. 116 - 153. und Kornblum, Udo: Zum schiedsrichterlichen Verfahren im späten Mittelalter. In: Rechtsgeschichte als Kulturgeschichte. Festschrift für Adalbert Er!er zum 70. Geburtstag. Aalen 1976. S. 289 - 312. 50 Grewe: Epochen S. 777. 51 Zitat von Ralston S. 191. Auf ihn berufen sich viele neuere Arbeiten, etwa Nantwi, E.K.: The enforcement of international judicial decisions and arbitral awards in Public international law. Leiden 1966., obwohl Ralston sich nur auf die älteren Arbeiten stützt. Vorsichtiger McNair, Arnold Duncan: The Development of International Justice. Two Lectures Delivered at the Law Center of New York University in December 1953. New York 1954. Pragmatisch Georg Schwarzenberger: Present-day relevance of the Jay-Treaty Arbitrations. In: Notre Dame Lawyer 53 (1977/78), S. 715 - 733. Konsequent Mangoldt, Hans von: Die Schiedsgerichtsbarkeit als Mittel internationaler Streitschlichtung. Zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten auf der Grundlage der Achtung vor dem Recht. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 63. Berlin Heidelberg New York 1974., der auf eine historische Ausschmückung ganz verzichtet.

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Einleitung

von Stadtmüller und Nußbaum 52 widmen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit der "periode intermediaire" zwischen Mittelalter und J ay-Vertrag kaum mehr als einen Halbsatz, während Ernst Reibstein 53 wie schon früher Wegner sie nicht so bedeutungslos einschätzt, wie allgemein behauptet werde. Gegen jede Kontinuität wenden sich Schlochauer und Engel54 , Scheuner stellt lediglich eine größere Zurückhaltung des Absolutismus gegenüber den Schiedsgerichten fest und Waser stuft sie als "nur schwache und unzusammenhängende oder in Routine und Formalismus erstarrte Nachläufer der kraftvollen spätmittelalterlichen Schiedsbewegung" ein55 . Ausführlicher befaßte sich Verzijl56 mit dem Thema; auf van Boetzelaer zurückgreifend, betont er die Diskrepanz zwischen vereinbarten und durchgeführten Schiedsverfahren und setzt den merklichen Rückgang erst um das Jahr 1670 an. So unterschiedlich diese Beurteilungen auch ausfallen, sie beruhen letztlich alle, sieht man von Verzijl und Reibstein ab, auf den seit der Jahrhundertwende bekannten Schiedsfällen. Oft taucht der Vergleich mit der mittelalterlichen Schiedsgerichtsbarkeit auf, ihrem Einsatz in hochpolitischen, manchmal sogar für die Parteien existenziellen Streitfragen. Aber läßt sich ein solcher Vergleich ohne weiteres ziehen? Wenn man die Unterschiede zwischen Mittelalter und Neuzeit als so gravierend ansieht, daß man jeweils eine eigene Völkerrechtsordnung annimmt, ist es dann angängig, Schiedsfälle des 17. Jahrhunderts als Nachläufer einzuordnen, ohne den grundlegenden Wandel, die 52 Stadtmüller, Georg: Geschichte des Völkerrechts. Teil 1: Bis zum Wiener Kongreß (1815). Hannover 1951. S. 156. Nußbaum, Arthur: Geschichte des Völkerrechts in gedrängter Darstellung. München Berlin 1960. S. 143. 53 Reibstein, Ernst: Völkerrecht. Eine Geschichte seint;r Ideen in Lehre und Praxis. 2Bde. Freiburg München 1958, 1963. Bd. 2, S. 183. Wegner, Arthur: Geschichte des Völkerrechts. In: Stier-Somlo, FritzlWalz, G.A.: Handbuch des Völkerrechts. 1. Bd., 3. Abteilung. Stuttgart 1936. S. 297. Reibstein scheint als einer der wenigen die Arbeit van Boetzelaers zu kennen; in seinem Aufsatz: Das "Europäische Öffentliche Recht" 1648 - 1815. Ein institutionengeschichtlicher Überblick. In: Archiv des Völkerrechts 8 (1959/60), S. 385 - 420. teilt er deren Ergebnis mit, ohne allerdings seine Quelle zu nennen! (S. 397). 54 Schlochauer hat seine Meinung immer wieder dezidiert vertreten: Int. SG, S. 179f.; Entwicklung S.1f., 4, 8; Besprechung Hans Waser: Das zwischenstaatliche Schiedsgericht als Spiegel der abendländischen Geschichte. In: Archiv des Völkerrechts 10 (1962/63), S. 114/15.; Arbitration S. 14 - 16. Engel, Josef: Zum Problem der Schlichtung von Streitigkeiten im Mittelalter. In: XIIe Congres International des Sciences Historiques 1965, Rapports IV. Horn Wien o.J. S. 111 - 129. Hier: S. 123 - 125. Ders.: Von der spätmittelalterlichen respublica christiana zum Mächte-Europa der Neuzeit. In: Handbuch der europäischen Geschichte Bd. 3: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa. Stuttgart 1971. S. 1- 443. Hier: S. 373 - 375. 55 Scheuner, Ulrich: Die großen Friedensschlüsse als Grundlage der europäischen Staatenordnung zwischen 1648 und 1815. In: Spiegel der Geschichte. Festgabe für Max Braubach zum 10. April 1964. Münster 1964. S. 220 - 250. Hier: S. 230. Waser: Schiedsgericht S. 18. 56 Verzijl, J.H.W.: International Law in historical perspective. Part VIII: Inter-state disputes and their settlement. Leiden 1976. S. 214 - 222.

IH. Konzeption der Untersuchung

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Staatenbildung und die Reduzierung des Kreises der Völkerrechtssubjekte zu beachten? Gerade das wachsende Souveränitätsbewußtsein der Gewalthaber wird ja allgemein als ärgster Feind einer schiedsrichterlichen Streitentscheidung angesehen, ohne daß diese - zugegebenermaßen naheliegende - Vermutung durch Quellen belegt wird. Ein weiterer Punkt: Novacovitch hat festgestellt, daß die Kompromisse in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Europa "brusquement" verschwunden und danach nur noch äußerst selten vorgekommen seiens7 • Usteri hat diesen rapiden Rückgang mit einer geringen zeitlichen Verschiebung (1500) auch für die Schweiz beobachtet58 • Für das spanische Zeitalter führt Grewe eine einzige Schiedsabrede an, den Vertrag von Vervins zwischen Frankreich und Spanien vom 2. Mai 1598. Der gewählte Schiedsrichter, Papst Clemens VIII., legte sein Amt bald nieder59 • Einer seiner Nachfolger, Clemens XI., war dagegen 1701 erfolgreicher, als er als "superarbiter" in der pfälzischen Erbfrage entschied, nachdem die "arbitri" , der Kaiser und der französische König, zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen waren. Außer diesem zählt Grewe neun weitere Schiedsverfahren im französischen Zeitalter (16481815) auf; trotzdem kennzeichnet er die frühere spanische Epoche als eine des Niedergangs der Schiedsgerichtsbarkeit, die spätere französische als deren Tiefstand60 • Ein kontinuierliches Absterben, von dessen Untersuchung Janssen 61 Aufschlüsse über das Werden des modernen Völkerrechts erwartet, ist a?er gerade nicht bewiesen. 111. Konzeption der Untersuchung

Man sieht: Zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit der ersten beiden Epochen unseres heutigen Staatensystems gibt es kaum mehr als Vermutungen, die sich zudem nicht unter einen Hut bringen lassen. Es mangelt - sieht man von der Dissertation van Boetzelaers einmal ab - an auf den Quellen aufbauenden und durch diese abgesicherten Spezialabhandlungen zur völkerrechtlichen Praxis, wie sie für die durch intensiven Gebrauch der Schiedsgerichtsbarkeit gekennzeichneten Perioden längst existieren. Eine einzelne Arbeit kann, will man nicht an der Oberfläche haften bleiben, diese Forschungslücke nicht schließen. Sind schon dreihundert Jahre für die Entwicklung einer internationalen Verhaltensform eine lange Zeit, so kommt für das Novacovitch S. 18. Usteri S. 19 Anm. 1. 59 Grewe: Epochen S. 235 f.; ansonsten spricht er von einer "Reihe von Schiedsvereinbarungen und Schiedssprüchen". 60 Grewe: Epochen S. 423 f., die Kommissionen des Jay-Vertrages nicht mit eingerechnet. 61 Janssen, Wilhelm: Die Anfänge des modemen Völkerrechts und der neuzeitlichen Diplomatie. Ein Forschungsbericht. Stuttgart 1965. S. 32, S. 36. 57

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Einleitung

16. bis 18. Jahrhundert hinzu, daß mit der Ausbildung der modemen Staaten sich die Verhältnisse so entscheidend geändert haben, daß man von einer neuen Völkerrechtsordnung sprechen muß. Daher wäre es sicherlich wünschenswert, der Anregung Verzijls zu folgen, interdisziplinär und in internationaler Kooperation durch koordinierte, zeitlich und regional begrenzte Einzelstudien wie andere völkerrechtlich geprägte Institute auch die Schiedsgerichtsbarkeit zu erforschen62 • Solange jedoch ein solches Projekt noch aussteht, erscheint es angezeigt, durch eine etwas breiter angelegte Untersuchung eine der oft gewünschten63 "Vorarbeiten" zu liefern, wie sie Novacovitch für die mittelalterliche Schiedsgerichtsbarkeit angefertigt hat. Wie diese erfaßt auch die vorliegende Studie die Praxis in ganz Europa. Allerdings war es, um zu hinreichend gesicherten Ergebnissen zu kommen, unumgänglich, eine zeitliche und eine quellenmäßige Eingrenzung vorzunehmen. Was die Zeit betrifft, so setzt die Abhandlung erst 1648 ein64 , erfaßt also nur die zweite Hälfte der noch unerforschten "periode intermediaire" in der Geschichte der Schiedsgerichtsbarkeit. Wird das Jahr 1648 schon allgemein als Zäsur angesehen, so drängt es sich für eine Untersuchung auf dem Gebiet der zwischenstaatlichen Beziehungen geradezu auf, da die Westfälischen Friedensverträge die Basis für die nachfolgenden völkerrechtlichen Vereinbarungen bilden und immer wieder als erste ausdrücklich bestätigt werden. Unter anderem auf dieses einheitsbildende Element stützt sich ja auch die Völkerrechtsgeschichte mit ihren Begriffen "Jus Publicum Europaeum" und "französisches Zeitalter". Anders als das Enddatum 1794 bedeutet 1648 aber keinen FIXpunkt in der Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit; insofern handelt es sich um eine willkürliche Festsetzung.

62 Verzijl Part I, S. 423 ff., besonders S. 433. Seine Schlußfolgerungen leitet er gerade aus der Betrachtung des Forschungsverlaufs zur (mittelalterlichen) Schiedsgerichtsbarkeit ab. Vgl. auch Part VIII, S. 213. Einer eng begrenzten Arbeitsweise zustimmend Janssen S. 32 zur Arbeit Obenaus, H.: Recht und Verfassung der Gesellschaften mit dem St. Jörgenschild in Schwaben. Untersuchungen über Adel, Einung, Schiedsgericht und Fehde im 15. Jahrhundert. Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte Bd. 7. Göttingen 1961. 63 Beispielsweise Scheuner S. 250, Anm. 125. Verzijl Part I S. 433. 64 Meist wird der Beginn des modemen Staatensystems mit seinen völkerrechtlichen Ordnungen am Jahr 1494 festgemacht. Einen Überblick über die verschiedenen Meinungen gibt Grewe: Epochen S. 33 - 38. Anderer Ansicht, aber ebenfalls eine "erhebliche" Umgestaltung des Systems um 1500 anerkennend: Preiser, Wolfgang: Art. VölkerrechtsgeschichteI: Altertum, Mittelalter, Neuzeit bis zum Westfälischen Frieden. In: Wörterbuch des Völkerrechts Bd. 3, S. 680 -703. S. 695. Um diese Zeit enden auch die Untersuchungen zur mittelalterlichen Schiedsgerichtsbarkeit.

111. Konzeption der Untersuchung

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Dagegen gibt es sachliche Grunde für die Wahl der französischen statt der spanischen Epoche. Die meisten Erklärungen, die für den Bedeutungsrückgang bzw. für das Erlöschen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit gegeben werden - die Skala reicht von einem "großen Kulturruckschlag"65 über den Verfall des mittelalterlichen Weltbildes mit seiner Reichsidee66 bis zur religiösen Spaltung und zu rigorosen Souveränitätsvorskllungen67 - knüpfen an Erscheinungen des spanischen Zeitalters an, das durch einen Prozeß der zunehmenden Verstaatlichung der bestimmenden Mächte im Innern und einen dieser Entwicklung entsprechenden Wandel im Auftreten nach außen gekennzeichnet ist68 • Um die Mitte des 17. Jahrhunderts sieht Grewe 69 dann bereits den im Monarchen personifizierten Staat als ausschließliches Subjekt völkerrechtlicher Beziehungen auftreten, während Enge[7O unter Hinweis auf die selbstverständlichen Außenbeziehungen der aufständischen Gegner dieser Entwicklung, der Katalanen und der Fronde in Frankreich, vorsichtiger formuliert, der Kreis der zur völlig unbeschränkten Rechtswahrung Berechtigten habe sich auf die "Staaten" reduziert. Entscheiden sich in dieser Situation zwei Mächte für ein schiedsrichterliches Verfahren, kann man das nach 1648 65 Terminus von Lammasch, S. 28, der diese negative Veränderung im 16. Jahrhundert feststellt. Ähnlich Schlochauer: Entwicklung S. 6 und: Int. SG S. 179 f. schon für das 15. Jahrhundert. Speziell den Verfall des Rechts beklagen Kamarowksy S. 185f. und Bustarnente, Antonio S. de: Arbitration in the western hemisphere. In: Foreign Affairs 7 (1929), S. 282 - 291. S. 282. 66 Hier sind alle zu nennen, die mittelalterliche Schiedsgerichtsbarkeit auf Ansprüche des Papstes und des Kaisers als Spitzen der Christenheit reduzieren wollen, etwa Berber S. 47. Daß da Anspruch und Wirklichkeit, Theorie und Praxis weit auseinanderklaffen, ist vor allem in der Diskussion um die Wurzeln des modernen Völkerrechts klargemacht worden. Am Beispiel der Schiedsgerichtsbarkeit des Papstes beweist dies Gaudemet, Jean: Le röle de la papaute dans le reglement des conflits entre Etats aux XIIIe et XIVe siecles. In: La Paix. Deuxieme partie. Recueils de la societe Jean Bodin pour l'histoire comparative des institutions XV. Bruxelles 1961. S. 79 -106. 67 Die Auswirkung der unterschiedlichen Religion auf die Bereitschaft zur schiedsrichterlichen Streitbeilegung schneiden auch die (evangelischen) Schiedsrichter in den Differenzen zwischen Bem/Zürich einer- und den fünf katholischen Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwaiden und Zug andererseits in ihrem Oltener Spruch vom 20. Januar 1657 an: " ... daß in löblicher Eydgenoßschaft man einander des Rechten auch umb Sachen, die deß einen als deß andern Souverainite, Hoheit und Judicatur berührt, und darbey auch das Interesse der Religion mercklich versirt, gestehen müssen" (Dumont, J.: Corps universei diplomatique du Droit des Gens ... , tome VI. Amsterdam La Haye 1728. TeillII, S. 154 ff., S. 156.). Souveränitätsvorstellungen als Hindernis sieht vor allem: Engel: Problem S. 123 für "isolierte", d. h. für einen einzelnen Fall ad hoc gebildete Schiedsgerichte. Allgemeiner Janssen S. 35 f. Gaudemet S. 106 ortet die Anfänge dieses für eine wirksame internationale Rechtsprechung ungünstigen Dogmas schon im 14. Jahrhundert. 68 Grewe: Epochen S. 197. Engel: Handbuch S. 368 sieht den nach außen als Ganzes auftretenden Staat erst am Ende des Zeitraums von 1450 bis 1660 vollständig in Existenz und ordnet ihm ab Mitte des 17. Jahrhunderts den Begriff "klassisches Völkerrecht" zu. Dagegen Grewe: Epochen S. 619: Klassisches Völkerrecht von 1494 bis 1918. 69 Grewe: Epochen S. 204. 70 Engel: Handbuch S. 368 f.

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nicht mehr als Nachläufer der früheren Schiedspraxis abtun. Das legt es nahe, den späteren Zeitraum, also das französische Zeitalter, auf eine "geläuterte", wenn überhaupt noch existierende Form der Schiedsgerichtsbarkeit hin zu untersuchen. Als Quellenmaterial bieten sich dafür in erster Linie die völkerrechtlichen Verträge und die gefällten Schiedssprüche an. Völkerrecht ist kein herrschaftlich gesetztes Recht, sondern entsteht im und durch Zusammenwirken der Völkerrechtssubjekte. Die völkerrechtlichen Verträge, in denen es seinen Niederschlag findet, binden zwar nur die jeweiligen Parteien. Durch Zusammenstellung und Vergleich der sich auf eine schiedsrichterliche Streiterledigung beziehenden Passagen ist es jedoch möglich, immer wiederkehrende, aber auch außergewöhnliche Punkte zu ermitteln und so allgemeine oder partikuläre Gewohnheiten, ja vielleicht sogar eine durch ein gemeinsames Rechtsbewußtsein getragene Institution festzustellen. Die Anschauungen der Zeit lassen sich auf diesem Wege weitaus besser ermitteln als durch die Auswertung der damals vor allem naturrechtlich geprägten Völkerrechtsliteratur71 • "Ich erinnere hiebey nochmals", schreibt Johann Jacob Moser in seinen 1763 publizierten "Grund-Sätze(n) des jetzt üblichen Europäischen Völcker-Rechts in Friedens-Zeiten"72, "daß ich kein raisoniertes Völker-Recht schreibe, welches sich ein jeder Gelehrter nach seinen Begriffen und Leidenschafften selbsten zu bilden pfleget, wie er will, oder wie er es am besten zu treffen vermeinet, sondern ein Völker-Recht, wie es unter den Europäischen Souverainen und Nationen üblich ist". Die Berechtigung des hierin steckenden Vorwurfs einer gewissen Willkür an die Vertreter des Naturrechts kann dahinstehen73 - jedenfalls war Moser der Auffassung, daß zwischen dem in ihren Werken geschilderten und dem "tatsächlichen" Zustand eine Diskrepanz bestünde. Die Naturrechtler belegten ihre Anschau71 Hauptsächlich mit ihr hat sich bisher die Völkerrechtswissenschaft beschäftigt und so für die Zeit nach 1648 eine Ideengeschichte geschrieben. Grewe: Epochen S. 20 f. sieht darin eine "eigentümliche und methodisch fragwürdige Trennung von Völkerrechtstheorie und Staatenpraxis" . Auch sonst wird dieser verengende Ansatz zunehmend in Frage gestellt: Duchhardt, Heinz: Frieden, Friedensvertrag, Friedensforschung. Anmerkungen zu einer Neuerscheinung. In: Zeitschrift für historische Forschung 8 (1981), S. 469 - 479. S. 477. (zum Buch von Fisch, Jörg: Krieg und Frieden im Friedensvertrag. Eine universalgeschichtliche Studie über Grundlagen und Formelemente des Friedenschlusses. Sprache und Geschichte Bd. 3. Stuttgart 1979.). 72 Vollständiger Titel: Grund-Sätze des jetzt üblichen Europäischen Völcker-Rechts in Friedens-Zeiten, auch anderer unter den Europäischen Souverainen und Nationen zu solcher Zeit fürkommenden willkürlicher Handlungen abgefasset. Franckfurt am Mayn MDCCLXIII. Zitat aus der Vorrede (ohne Seitenangabe). Auch Moser erlaßt die Zeit seit etwa 1648. 73 Die Werke müssen eher an ihrem Ziel gemessen werden, dem positiven Recht eine naturrechtliche Grundlage zu geben. Zur Bedeutung des Naturrechts im Völkerrecht Verdross, Alfred: Art. Naturrecht. In: Wörterbuch des Völkerrechts Bd. 2, S. 572575.

111. Konzeption der Untersuchung

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ungen mit den Autoritäten und Beispielen aus der Antike 74 , während etwa ab der Mitte des 18. Jahrhunderts eine neue, sich an der zwischenstaatlichen Praxis orientierende Strömung in der Literatur die Verträge der jüngeren Vergangenheit in den Mittelpunkt stellte. ,,11 est", so der AbM Gabriel Bonnot de Mably 174675 , "si je ne me trompe, peu d'objets aussi interessans; il en est peu cependant dont la connaissance soit plus negligee." Immerhin war 1726 - 1731 Dumonts "Corps universei diplomatique du Droit des Gens"76 erschienen, weitere Vertragssammlungen folgten. Sie alle sind für die Zeit von 1648 - 1918 verarbeitet worden in der seit 1969 erschienenen Zusammenstellung völkerrechtlicher Verträge von Clive Parry77. Auf sie stützt sich die vorliegende Arbeit. Sicherlich sind dort nicht alle, aber wohl der weitaus größte und wichtigste Teil der Verträge des Jus Publicum Europaeum bis 1794 erfaßt. Dies gilt vor allem für die Abkommen der bedeutenderen, die völkerrechtliche Praxis am meisten beeinflussenden Mächte. Nicht in gleichem Maße einbezogen sind die Abmachungen kleinerer Völkerrechtssubjekte wie der "Status Imperii". Die Westfälischen Friedensverträge hatten zwar ihr Recht auf Bündnisse untereinander wie mit auswärtigen Mächten anerkannt78 ; trotzdem ist strittig, ob damit auch ihre internen Bezie74 Aus diesem Grund hält es Scheuner S. 250 Anm. 125 für "besonders unergiebig", das Völkerrecht des 17. und 18. Jahrhunderts aus der Völkerrechtsliteratur erschließen zu wollen. Fraglich ist, inwieweit die Autoren in der Antike allen Völkern gemeinsames Recht, also Völkerrecht im älteren Sinne des Wortes suchten. Vgl. Dickmann, Fritz: Völkerrecht und Seerecht im Zeitalter des Absolutismus. In: Ders.: Friedensrecht und Friedenssicherung. Studien zum Friedensproblem in der neueren Geschichte. Göttingen 1971. S. 140 -148. Hier: S. 140. 75 Le droit public de l'Europe, fonde sur les traites conclus jusqu'en l'annee 1740. 2 Vol. La Haye MDCCXLVI. Zitat S. V. 76 Diese achtbändige Sammlung von Verträgen seit Karl dem Großen enthält laut Titel auch "les Sentences Arbitrales & Souveraines dans les Causes importantes"; aus seiner Sicht weniger wichtige Verträge scheint Dumont weggelassen zu haben, vielleicht auch solche des hier behandelten Zeitraums. 77 Clive Parry (Ed.): The consolidated Treaty Series. Bd. 1 - 231 und 7 Registerbände. New York, 1969 - 1985. Die umfangreiche Sammlung - einschlägig sind die Bände 1 - 52 - erfaßt, was die Quellen zur Schiedsgerichtsbarkeit angeht, leider nicht ganz vollständig das bisher publizierte Material. Daß die von Theodor v. Moerner: Kurbrandenburgs Staatsverträge von 1601 bis 1700. Nach den Originalen des Königl. Geh. Staatsarchivs. Berlin 1867. Nachdruck 1965., unter Nr. 360, 364 und 377 lediglich in Regestenform wiedergegebenen Verträge zwischen Kurbrandenburg und Schweden vom 9. Juli 1692, 14. Jan. 1693 und 25. Juni 1694, die einen kleinen Gebietsstreit betreffen, nicht abgedruckt wurden, ist bei der Konzeption, Originalverträge zu publizieren, verständlich; nicht einsichtig dagegen ist, warum mehrere Schiedssprüche, nicht aber die in der Causa Successionis Palatinae ergangenen aufgenommen wurden (Sententia duplex Arbitralis des Kaisers und des Königs von Frankreich, 26. April 1701, Dumont Bd. VIII, Teil I, S. 6 - 8; Sententia Super Arbitralis des Papstes, 17. Februar 1702, Dumont Bd. VIII, Teil I S. 98 f.). Soweit von Parry nicht wiedergegebene Dokumente ermittelt werden konnten, wurden sie natürlich verwertet. 78 IPM "Gaudeant sine contradictione ... " (Dumont Bd. VI, Teil I, S. 450 ff., 455), IPO VIII, 2. Abschnitt (Dumont Bd. VI, Teil I, S. 469 ff., 480). Zur Entwicklung des

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Einleitung

hungen völkerrechtlichen Charakter annahmen79 • Als Stände des Reiches waren sie Träger spezieller Rechte und Pflichten, anders als die übrigen Völkerrechtssubjekte konnten sie in ihren Streitigkeiten Reichskammergericht und Reichshofrat als zuständige Gerichte anrufen. Auch für die Schiedsgerichtsbarkeit finden wir eine sehr differenzierte Struktur vor: In gewissen Grenzen stand es den Reichsständen frei, zwischen Legalausträgen nach der Kammergerichtsordnung, Conventionalausträgen und Schiedsgerichtsbarkeit auf Grund VOn Kompromissen zu wählenso. Bilden gerade die beiden Austragsverfahren eine Besonderheit des Reichsrechts81 , so kann auch für die Kompromisse nicht ausgeschlossen werden, daß sie von den international gebräuchlichen abwichen. Dies festzustellen, ist angesichts der in nicht ausreichendem Maße publizierten Quellen in dieser Arbeit leider nicht möglich. Berücksichtigt werden daher lediglich Verträge, die Reichsstände mit auswärtigen Mächten geschlossen haben. Eine Verfälschung des Bildes internationaler Schiedsgerichtsbarkeit durch diese eher technisch bedingte Beschränkung ist nicht zu befürchten. Auch diejenigen, die den zwischen"ständischen" Beziehungen Völkerrechtsqualität zuerkennen, leugnen nicht einen Unterschied zum allgemeinen Völkerrecht: Weitreichende Bindungen, hohes Maß an Zusammenarbeit und "totalistischer Charakter" (Randelzhofer) des unter den Reichsständen geltenden Rechts heben das Heilige Römische Reich als "partikulare Völkerrechtsgemeinschaft" aus der der damaligen Völkerrechtssubjekte heraus 82 . Eine ähnliche Sonderstellung muß man der schweizerischen Eidgenossenschaft und den Zugewandten Orten einräumen. 1648 auch rechtlich aus dem Reichsverband ausgeschieden83 , nahmen die verbündeten Herrschaftsverbände sowohl gemeinschaftlich als auch einzeln am völkerrechtlichen Verkehr teil 84 • Den besonderen Status ihrer internen Beziehungen kennzeichnet der Bündnisrechtes Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden. Münster 31972. S. 142 147, Böckenförde, Ernst Wolfgang: Der Westfälische Frieden und das Bündnisrecht der Reichsstände. In: Der Staat 8 (1969), S.449-478 und Preiser, Wolfgang: Art. Bündnisrecht. In: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte Bd. I, Sp. 539 f. 79 Preiser: Bündnisrecht S. 540 sieht nach 1648 eine langsame Entwicklung hin zum Völkerrecht. Randelzhofer, Albrecht: Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen Römischen Reiches nach 1648. Schriften zum Völkerrecht Bd. 1. Berlin 1967. S. 222 stellt auf die erwähnten Friedensverträge als rechtlich maßgebendes Ereignis ab. 80 Randelzhofer S. 232 ff., S. 239 f., S. 227 ff. 8l Moser, Johann Jacob: Von der Teutschen Justiz-Verfassung ... Franckfurt und Leipzig 1744. In: Ders.: Neues teutsches Staatsrecht. Neudruck der Ausgabe 1766 1782. Bd. 8,1. 1. Hälfte. Osnabrück 1967. grenzt im 3. Capitel des 1. Buches: Von den Austrägen (S. 45 - 116) in § 3 (S. 50 f.) Austräge von Compromissen auf gewisse Schiedsrichter ab. 82 Randelzhofer S. 219. 83 IPM "Cum item Caes. Maj. ad querelas ... " (Dumont Bd. VI, Teil I S. 454 r. Sp.). 84 Oft handelten auch die Kantone gleicher Religion gemeinsam, vgl. beispielsweise die Allianz der katholischen Kantone mit dem Herzog von Savoyen v. 14. April 1651

111. Konzeption der Untersuchung

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Begriff "Eidgenössisches Recht"85. Gemeint ist nicht, wie man glauben könnte, ein allen gemeinsames, umfassendes materielles Recht, sondern das schiedsrichterliche Verfahren, wie es seit den ersten Bündnissen gepflegt wurde, und dessen gewohnheitsrechtliehe Weiterentwicklung man an den Schiedsklauseln der Verträge mit neu aufgenommenen Orten ablesen kann. Zwar ist dieses Verfahrensrecht, was die Quellen anbelangt, wesentlich leichter zugänglich86 als die oben erwähnten Verträge der Reichsstände; allgemeines Völkerrecht wird sich daraus direkt aber ebensowenig ermitteln lassen wie aus den Rechtsbeziehungen zwischen den niederländischen Provinzen.

Reibstein'öl hat darauf hingewiesen, daß die Behauptung der zeitgenössischen und der meisten neueren Autoren, die Schiedsgerichtsbarkeit unter Souveränen sei im 17. und 18. Jahrhundert bedeutungslos gewesen, allenfalls richtig sei, wenn man nicht nach dem Vorkommen von Schiedsklauseln, sondern nach der praktischen politischen Wirksamkeit der· Institution frage. Diese unterschiedlichen Betrachtungsweisen bestimmen auch die Anlage der vorliegenden Arbeit. Der erste Teil schildert die Schiedsgerichtsbarkeit als Rechtsinstitut, als Teil des Jus Publicum Europaeum, während ihre Bedeutung für die internationalen Beziehungen von 1648 bis 1794 Gegenstand des zweiten Teils ist. Das heißt nicht, daß es sich um zwei verschiedene, klar abgrenzbare Bereiche handelt; schon die Herausarbeitung des Rechtsinstituts aus den völkerrechtlichen Verträgen, dem wichtigsten Gestaltungsmittel internationaler Beziehungen, zeigt deutlich den engen Zusammenhang auf. Jede Vereinbarung eines Schiedsverfahrens ist zugleich Aktualisierung des Rechts und politischer Akt. Zweck der getrennten Behandlung ist es, die unterschiedlichen Aspekte sichtbar zu machen und vorschnellen Schlüssen von der Politik der Mächte, die ja ganz unterschiedlichen Einflüssen unterliegt, auf das zwischen ihnen geltende Recht entgegenzuwirken. Nicht erst die Möglichkeit von Rechtsverletzungen, die angesichts einer fehlenden allgemeinen Sanktionsinstanz im Völkerrecht und der Machtmittel einiger Staaten oft verlockend erscheinen mußte, läßt die Fragwürdigkeit solcher Rückschlüsse offen zu Tage treten. Jede über Ver- und Gebote hinausgehende Rechtsordnung gewährt den Rechtsgenossen nicht nur einen Spielraum innerhalb mehrerer rechtmäßiger Handlungsweisen, sondern bietet ihnen auch Rechtsinstitute, mit deren Hilfe sie ihre Beziehungen untereinander nach freier Wahl gestalten können. Dazu gehören meist verschiedene Arten der Streitbeilegung. Wird ein gewisses Verfahren nicht (mehr) angenommen, bedeutet das nicht, daß es damit aus dem Recht ausscheidet, unrechtmäßig wird. Es kann als Recht fortbestehen, (Parry Bd. 2, S. 341 ff.) und den Vertrag der protestantischen mit dem König von Frankreich, 1. Juni 1658 (Parry Bd. 5, S. 117 ff.). B5 Dazu das Kapitel bei Usteri S. 282 - 316. 86 Amtliche Sammlung der älteren Eidgenössischen Abschiede. 8 Bde. Zürich u .. a. 1856 -1886. 87 Reibstein: Europäisches Öffentliches Recht S. 395.

Einleitung

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auf das die Praxis im Notfall zurückgreifen kann. Insofern gilt es auch bei der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, geltendes und angewandtes Recht als zwei Aspekte derselben Sache getrennt zu untersuchen. Aufgrund der Gesamtbetrachtung der so gewonnenen differenzierten Ergebnisse kann dann der Schiedsgerichtsbarkeit im Zeitalter des Absolutismus der gebührende Platz in der bisherigen Entwicklungsgeschichte des Instituts zugewiesen werden (Teil III der Arbeit). Alle vergleichenden Betrachtungen lassen sich jedoch erst anstellen, wenn über das Rechtsinstitut Schiedsgerichtsbarkeit im Jus Publicum Europaeum Klarheit besteht. Daß die Vertragspraxis der Mächte, das auf dem Willen der Beteiligten beruhende sog. "positive Völkerrecht", die geeigneteste Quelle bildet, wurde bereits dargelegt. Auf der Auswertung dieses Materials Schiedsklauseln, Kompromisse, Schiedssprüche - liegt der Schwerpunkt des ersten Teils der Arbeit. Damit soll die Theorie, die Wissenschaft keineswegs verdrängt werden. Wie bereits bei der Einführung des Begriffes "Jus Publicum Europaeum" angedeutet88 , wird kontrovers diskutiert, ob der Droit public de I'Europe als "Konglomerat politischer Verträge und von Grundsätzen der diplomatischen Praxis . . . ohne klare Beziehung neben dem naturrechtlich und universalistisch konzipierten System des Völkerrechts" stand (Schindler)89 oder "die konkrete Gestalt der Völkerrechtsordnung dieser Zeit selbst" war, "eingebettet in ein universelles Naturrecht" (Grewe) 90. Schon im 16. Jahrhundert haben die spanischen Moraltheologen, die am Anfang der Völkerrechtswissenschaft stehen, in Anlehnung an Aristoteles gelehrt, daß das positive Völkerrecht im mit der Natur des Menschen unlöslich verbundenen Naturrecht wurzele91 . Mit dem ersten System des Völkerrechts auf naturrechtlicher Grundlage, 1625 von Hugo Grotius verfaßt92 , setzen sich gerade im hier behandelten französischen Zeitalter zahlreiche Autoren (u. a. Pufendorf und Wolff) auseinander. Ihre Ausführungen zur Schiedsgerichtsbarkeit im einzelnen darzustellen93 , ist freilich ebensowenig ein Ziel dieser Arbeit wie ideengeschichtlich eine Entwicklungslinie nachzuzeichnen94 • Ausgangs- und Bezugspunkt ist vielmehr wieder die vertragliche Praxis: Was bedeutet für sie bzw. in Siehe oben Einleitung: Anm.1. Schindler, Dietrich: Universelles und regionales Völkerrecht. In: Recht als Prozeß und Gefüge. Festschrift für Hans Huber. Bem 1981. S. 609 - 622, Zitat S. 609 f. 90 Grewe: Revision S. 464. 91 Verdross: Entwicklung S. 675. 92 Verdross: Naturrecht S. 574. 93 Vgl. etwa Reibstein: Völkerrecht Bd. 2 zu Grotius (S. 357 ff.) und zu Vattel (S. 606 ff.). 94 Zum Vergleich mit der völkerrechtlichen Praxis hat Duchhardt die Entwicklung der Mediation in der Völkerrechtsliteratur verfolgt: "Friedensvermittlung" im Völkerrecht des 17. und 18. Jahrhunderts: Von Grotius zu Vattel. In: Ders.: Studien zur Friedensvermittlung in der Frühen Neuzeit. Schriften der Mainzer Philosophischen Fakultätsgesellschaft Nr. 6. Wiesbaden 1979. S. 89 -117. 88

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111. Konzeption der Untersuchung

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ihr die Theorie? Dieser Ansatz legt es nahe, nicht bei den genannten naturrechtlichen Schriften stehen zu bleiben, sondern den Begriff Theorie weit zu fassen und Teile der Friedenspublizistik mit heranzuziehen. Durch die dort angestellten Überlegungen zum möglichen Einsatz der Schiedsgerichtsbarkeit ist bereits die Brücke zum zweiten Teil der Arbeit, zur politischen Wirksamkeit der Institution, geschlagen. Er beginnt mit dem Versuch, anhand ausgewählter Fälle - Verträge Cromwells mit den Generalstaaten, Portugal, Frankreich und Schweden (1654 - 1656) - tiefer in die Praxis einzudringen. Die Beschränkung im ersten Teil auf die "Endprodukte" diplomatischer Tätigkeit: Schiedsklauseln, Kompromisse, Schiedssprüche bringt es mit sich, daß überwiegend die Norm und damit der gewollte Zustand, weniger der tatsächliche Ablauf eines Falles die Erkenntnisquelle bildet. Über die Ausführung des Vereinbarten geben die Vertragsbestimmungen aber nur beschränkt Aufschluß, sei es, daß Einzelheiten als selbstverständlich nicht der Erwähnung wert befunden, sei es, daß später auftauchende Schwierigkeiten bei der Umsetzung in die Wirklichkeit nicht vorausgesehen wurden bzw. nicht vorausgesehen werden konnten. Über diese vorwiegend den technischen Ablauf des Verfahrens betreffende Details hinaus vermittelt die weitere Verfolgung des Schicksals der oben bezeichneten Schiedsabreden im Archiv einen ersten, notwendigerweise flüchtigen Einblick in das Umfeld der Schiedsgerichtsbarkeit, in den erwähnten Fällen beispielsweise in die Handels- und Außenpolitik. Des weiteren soll im zweiten Teil der Stellenwert der Schiedsgerichtsbarkeit in der internationalen Politik des Absolutismus erörtert werden. Bei der Konfrontation der vorher gewonnenen Erkenntnisse mit bereits vorliegenden Forschungsergebnissen, aber auch mit Thesen und Vermutungen, interessiert vor allem das Verhältnis zu den anderen friedlichen Streitbeilegungsmethoden (direkte Verhandlungen, gute Dienste, Vermittlung), aber ebenso zum Krieg. Wie wirkten sich die zunehmenden ständigen Gesandtschaften aus? Litt die Vereinbarung schiedsrichterlicher Verfahren oder deren Durchführung unter dem Hegemonialstreben einzelner Mächte, etwa Frankreichs? Oder war ihr ärgster Feind das Souveränitätsbewußtsein? Umgekehrt läßt die Beantwortung dieser schon tief in die Politik eindringenden Fragen, auch wenn man sich die beschränkte Quellenbasis stets vor Augen halten muß, Rückschlüsse auf die allgemein bedeutsamen Probleme des Verhältnisses von Recht und Macht in der Außenpolitik oder der Auswirkung von Souveränitätsvorstellungen auf die Politik der Mächte zu. Bemüht sich der zweite Teil, die Einbindung der Schiedsgerichtsbarkeit in die internationalen Beziehungen aufzuzeigen, nimmt der dritte zu ihrer Bedeutung in der Gesamtentwicklung des Instituts Stellung. Im Vordergrund steht das Problem der Kontinuität, die Frage, ob es eine typisch mittelalterliche Blütezeit und daneben und unverbunden die moderne Form seit dem

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Einleitung

Jay-Vertrag gibt. Neben der Überprüfung der Ansichten der traditionellen Völkerrechtswissenschaft bedeutet das die Auseinandersetzung mit Engel, der, ausgehend von der mittelalterlichen Praxis, in bewußter Durchbrechung der "isolierende(n) Methode der institutionengeschichtlichen Betrachtungsweise"95 unter Einbeziehung anderer Schlichtungsarten den völlig unterschiedlichen Zweck der Schiedsgerichtsbarkeit in Mittelalter und Neuzeit hervorhebt96 . Welchem Typ - Ende einer Fehde oder Kriegsverhinderungsmiuel - die Schiedsfälle des französischen Zeitalters zuzurechnen sind, soll nachfolgend geklärt werden.

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Engel: Problem S. 111. Engel: Problem S. 125.

TEIL I

Internationale Schiedsgerichtsbarkeit als völkerrechtliches Institut A. Das Vertragsrecht I. Das kaiserlich-polnische Abkommen von 1677 Musterbeispiel einer institutioneUen Schiedsabrede

Am 24. April 1677 schlossen Kaiser Leopold I. und der König von Polen, Johann III. Sobieski, in Wien und Warschau einen Vertrag, der die folgende Passage enthäW: "Wenn aber zwischen uns, den Königen selbst, oder möglicherweise unseren Königreichen und Provinzen aus Anlaß der Grenzen und der Grenzsteine, des Handels oder irgendwelcher anderer, alter oder neuer Ursachen, der Rechte oder Verpflichtungen Klagen, Beschwerden und Streitigkeiten entstehen werden, dann soll der von uns, der oder dessen Königreich oder Provinz ein Recht oder eine Klage vorbringt, den anderen durch seine Boten oder Briefe freundschaftlich unterrichten und mahnen und verlangen, die Beschwer zu entfernen, zu stopfen und aus dem Weg zu räumen. Wenn sie das nicht erreichen können, dann soll innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten, nachdem das freundschaftliche Ersuchen ergangen ist, jeder von uns sogleich drei seiner Räte (Consiliarii), einerseits von den Vornehmsten (Proceres) aus den Reichen Ungarn, Böhmen, Mähren, Schlesien - entweder aus einem von diesen, je nachdem inwieweit sich die Angelegenheit auf eine dieser Provinzen bezieht, oder aus allen, gemäß dem Erfordernis und der Bedeutung der Angelegenheit - und andererseits von den Vornehmsten des Königreichs Polen und des Großherzogtums Litauen zu einem passenden Tag und Ort, der durch die verletzte oder klagende Partei zu bestimmen ist, ohne jede Entschuldigung schicken. Diese unsere beiderseitigen Räte sollen allergrößte Sorgfalt anwenden, damit auf diese Weise die Klagen, Beschwerden und Streitigkeiten zwischen uns, unseren Königreichen und Provinzen durch einen freundschaftlichen Vergleich (amicabilis compositio) beigelegt werden. Falls dies aber nicht zum Erfolg führt, dann soll der verletzte oder klagende Teil ermächtigt sein, vor den erwähnten sechs Räten seine Klageschrift (actio) sogleich am selben Tag gerichtlich zu überreichen, und zwar in doppelter Aus1 Der in lateinischer Sprache abgefaßte Vertragstext ist abgedruckt bei Parry Bd. 14, S. 209 ff., der hier übersetzte Teil S. 216 - 218.

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Teil I: A. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Vertragsrecht

fertigung; eine davon sollen die Räte bei sich behalten, die andere aber der beklagten Partei übergeben. Wenn dies geschehen ist, soll der beklagte Teil verpflichtet sein, seine Entgegnung (responsum), wieder in zweifacher Ausfertigung, den oftgenannten Räten oder demjenigen, dem dies von ihnen übertragen werden wird, innerhalb des Zeitraums der nächsten beiden Monate nach der Übergabe der Klageschrift (libellus actionis) zu senden, damit der Kläger (actor) seine Repliken (replicae), der Beklagte (reus) aber seine Dupliken (duplicae) und ferner jede der beiden Parteien auch als drittes den Schluß (conc1usio) und die Unterwerfungsschrift (submissiva scriptura) von zwei Monaten zu zwei Monaten in zweifacher Ausfertigung, wie vorausgeschickt, einreichen kann. Die Schriftstücke sollen beiden Parteien in der wohlbestellten Art und Weise übergeben. werden, wie es hinsichtlich der Klageschrift dargelegt worden ist. Wenn schließlich nacheinander von beiden Parteien je drei doppelte Schriftsätze eingereicht worden sind, in denen sie beiderseits alle ihre Rechtsansprüche entwickeln werden, sollen jene sechs Beauftragten (commissarii) den Tag innerhalb der nächstfolgenden zwei Monate zur Verkündung des Urteilsspruchs (sententia) anzeigen, auf den Ort hin, wo man zuerst begonnen hat, die Angelegenheit zu behandeln. An diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt sollen die Parteien durch ihre mit vollkommener Vollmacht gestärkten Anwälte (procuratores) erscheinen, und dort sollen auch die Räte selbst zusammenkommen und nach sorgfältiger Durchsicht der Schriftstücke und Untersuchung der die ganze Sache betreffenden Akten die Parteien von neuem zu Eintracht und freundschaftlichem Vergleich (amicabilis compositio) einladen und ermuntern, und sie sollen dabei nichts an Mühe und Sorgfalt ungenutzt lassen. Wenn sie allerdings diesen (Vergleich) zwischen den Parteien nicht erreichen können, sollen sie sogleich zum Fällen des Urteilsspruchs übergehen, und das, was dem Recht und der Gerechtigkeit (ius & iustitia) entsprechen wird, sollen sie erkennen und entscheiden. Wenn nun die obenerwähnten Räte über das Fällen entweder des Bei- oder Endurteils (de ferenda Sententia, sive interlocutoria, sive definitiva) keine Übereinstimmung erzielen können, dann sollen sie, sooft es nötig sein wird, einen Schiedsmann (arbiter) durch gemeinsamen Ausspruch wählen oder, wenn durch einen beliebigen Teil der Räte zwei geeignete Personen vorgeschlagen worden sind, aus denen durch Los bestimmen. Deren Amt soll es sein, derjenigen Rätemeinung beizufallen, die sowohl mit dem Recht als auch mit der Billigkeit übereinstimmender erscheint, und sie zu billigen und gut zu heißen. Alles, was durch unsere Räte selbst oder durch den größeren Teil von ihnen, allein oder durch sie und den Schiedsmann gemeinsam, beschlossen und verkündet werden wird, das soll rechtskräftig und beständig bleiben und sogleich der gebührenden Ausführung übertragen werden, ganz und gar ohne Appellation, Supplikation, Reduktion, Wiedereinsetzung in den früheren Stand (in integrum restitutio) und ohne daß sonstige Rechtsprivilegien und behauptete Mittel, sogar auf persönliche Tätigkeit verwilligte, entgegen ste-

11. Institutionelle Schiedsvereinbarungen 1648 - 1794

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hen. Die Räte aber, die von uns für die Zeit abzuordnen sind, und auch ferner der Schiedsmann selbst müssen von uns, soweit es nämlich einen von uns betrifft, von der Gehorsams- und Eidespflicht bloß für diese Angelegenheit losgesprochen und zum Rechtsprechen (pro administranda iustitia) durch den neuen und gewohnten Eid verpflichtet werden. Wenn nun während eines anhängigen Rechtsstreites einer oder mehrere dieser Räte versterben sollten, dann werden wir immer an die Stelle der Verstorbenen, wie es einen von uns betreffen wird, andere setzen. Gleichfalls dürfen die Räte nicht mehr Schriftstücke zulassen, noch sollen sie die Macht haben, die Termine in einer anderen Weise, als es oben beschrieben ist, hinauszuschieben oder zu verändern, sondern sie sollen in der ihnen vorgeschriebenen Form und Weise verfahren, ausgenommen in dem Fall, in dem die Parteien es nötig hätten, Zeugen auftreten zu lassen. Dann sollen die Räte selbst die Macht haben, ihre Jurisdiktion auszudehnen, so lange, bis die in dieser Sache kundigen Zeugen gemäß der Ordnung des Rechts (iuris dispositio) gehörig aufgetreten und gehört worden sind, jedoch so, daß keine weniger notwendige Verlängerung verlangt noch zugestanden werden soll, sondern alle Zeugen an einem Tag und Termin, soweit es geschehen kann, gehört werden sollen; nach den kundgemachten Zeugenaussagen soll lediglich ein einziger Schriftsatz von jeder Partei entgegengenommen werden." Die Vereinbarung vermittelt in einer sonst selten zu findenden Ausführlichkeit und Klarheit einen hervorragenden Einblick in die Art, wie damals Unstimmigkeiten unter befreundeten und verbündeten Mächten beigelegt werden konnten. Die ausgefeilte Regelung ist ohne eine weit zurückreichende Tradition kaum denkbar: Jedes Detail ist das Ergebnis wechselvoller Erfahrungen mit den in der Praxis auftretenden Problemen. Weil in ihrer Systematik fast kein erwähnenswerter Aspekt ausgelassen ist, soll die kaiserlich-polnische Übereinkunft als roter Faden bei der Darstellung des Rechtsinstituts dienen, während die Regelungen anderer Verträge an den sachlich entsprechenden Stellen teils zur Abrundung und Ergänzung des Bildes, teils zur Schilderung abweichender Verfahren herangezogen werden. 11. InstitutioneUe Schiedsvereinbarungen im französischen Zeitalter

Die Abmachung von 1677 ist freilich auch deshalb als Grundlage der Schilderung besonders geeignet, weil sie zur Gruppe der sogenannten "institutionellen" Schiedsabreden gehört. Lammasch hat diesen Ausdruck zu Anfang unseres Jahrhunderts für die Verpflichtung zweier oder mehrerer Staaten geprägt, alle oder einen bestimmten Teil ihrer gegenseitigen zukünftigen Streitigkeiten durch ein Schiedsverfahren beizulegen2 • Anders als bei den 2 Lammasch, Heinrich: Die Lehre von der Schiedsgerichtsbarkeit in ihrem ganzen Umfange. In: Stier-Somlo, Fritz (Hrsg.): Handbuch des Völkerrechts, 5. Band. 2.

3 Lingens

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Teil I: A. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Vertragsrecht

"isolierten" Schiedsvereinbarungen, die für einen gegebenen Streitfall gleichsam maßgeschneidert werden können, müssen die Partner eines institutionellen Vertrages je nach Art und Umfang der Verpflichtung für eine unbestimmte Anzahl möglicherweise unterschiedlich gelagerter Fälle Vorsorge treffen. Daher bilden derartige Abkommen - vorausgesetzt, die Parteien beschränken sich nicht auf das bloße Bekenntnis zur schiedsrichterlichen Lösung ihrer Meinungsverschiedenheiten, sondern tragen den unterschiedlichen Anforderungen durch Variationsmöglichkeiten im vereinbarten Verfahren Rechnung - eine Fundgrube für die Ermittlung der zeitgenössischen Vorstellungen. Die wohl bekanntesten Beispiele institutioneller Schiedsklauseln der Zeit sind in den eidgenössischen Bundesbriefen enthalten3 , doch kennzeichnen sie nicht nur die Innenbeziehungen dieser engeren Gemeinschaft4, sondern die Praxis im westlichen Alpenraum überhaupt. Bonjour hat darauf hingewiesen, daß die Eidgenossen anfangs nur mit ihrer unmittelbaren Nachbarschaft (u. a. Österreich, Savoyen und Mailand) Umgang pflegten, sich also im Rahmen des Reiches bewegten5 • Mit dem rechtlichen Ausscheiden aus dem Reichsverband 1648 erhielten auch diese Beziehungen rein völkerrechtlichen Charakter, d. h. die in den Verträgen enthaltenen institutionellen Schiedsvereinbarungen nahmen die gleiche Qualität an wie diejenige des Ewigen Friedens mit Frankreich 6 • Dieser 1516 geschlossene grundlegende Pakt, der erste der Eidgenossen mit "richtigem Ausland" (Bonjour)1, wurde einschließlich seiner Schiedsklausel immer wieder bekräftigt: In den hier behandelten Zeitraum fallen die Bestätigungen durch die Allianzen des französischen Königs von 1663 und 1777 mit allen, von 1653 und 1715 mit den katholischen sowie von 1658 mit den reformierten Orten8 • Ebenfalls institutionelle Schiedsvereinbarungen weisen die Bündnisse von sechs katholischen Kantonen mit dem Herzog von Abteilung. Stuttgart 1914. Das Gegensatzpaar institutionelUisoliert ist als Einteilungsschema allgemein übernommen worden. 3 Diese Klauseln sind nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit, wie oben in Einleitung: III dargelegt ist. Zu ihnen: Usteri S. 282 - 316. 4 Laut Usteri S. 43 wurde kaum ein Vertrag mit dem Ausland ohne Schiedsklausel abgeschlossen. Bonjour, Edgar: Geschichte der schweizerischen Außenpolitik in ihren Grundzügen. In: Ders.: Ausgewählte Reden und Aufsätze. Bd. 4. Basel 1976. S. 16 wertet die Anfänge im 15. Jahrhundert als einen "tastenden Versuch, völkerrechtliche Sicherheit zu schaffen". 5 Bonjour: Außenpolitik S. 14. 6 Abgedruckt in: Eidgenössische Abschiede Bd. 3, Abt. 2, S. 1406 ff. (Schiedsverfahren S. 1410 ff.). 7 Bonjour: Außenpolitik S. 14. 8 Daten und FundsteIlen der genannten Verträge: 1653,2. Juli, Parry Bd. 3, S. 83 ff.; 1658, 1. Juni, Parry Bd. 5, S. 117 ff.; 1663,24. September, Eidgenössische Abschiede Bd. VI, Abt. 1, S. 1641 ff. (bei Parry Bd. 8, S. 1 ff wird der 4. September als Vertragsdatum angegeben); 1715,9. Mai, Parry Bd. 29, S. 247 ff.; 1777,28. Mai, Parry Bd. 46, S. 263 ff.

11. Institutionelle Schiedsvereinbarungen 1648 - 1794

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Savoyen (14. April 1651)9 und von Zürich/Bern mit Venedig (12. Januar 1706)10 auf. Die letztgenannte Verbindung wurde im Dezember des gleichen Jahres ausgebaut durch die Übereinkunft der Markusrepublik mit dem Freistaat der Drei Bünde Rätiens ll , für die die aufgenommene Schiedsklausel auch zu den üblichen Bestandteilen eines Bündnisses gehörte, enthält doch der Ewige Friede mit ihrem anderen südlichen Nachbarn, dem König von Spanien als Herzog von Mailand, eine ebensolche Klausel (3. September 1639)12. Durch dieses dichte Netz institutioneller Schiedsabreden unterscheidet sich der westliche Teil der Alpen von der Vertragspraxis der übrigen europäischen Mächte. Gleichwohl begegnen wir auch dort Regelungen, die der Kategorie "institutionell" zugerechnet werden müssen. Der Aufgabenkreis des in Art. XXI des spanisch-niederländischen Friedensvertrages vom 30. Januar 164813 vorgesehenen paritätisch besetzten Gremiums ("chambre my-partie") umfaßte die Sicherung der Ausführung des Vertrages sowie die Überwachung des Handels in den gesamten Niederlanden. Die entsprechenden Befugnisse: Ahnden der Vertragsverstöße, Einschreiten bei Nichtausführung - beide Kompetenzen erstreckten sich über ganz Europa -, Möglichkeit der Herabsetzung von Steuern und Abgaben einer oder beider Seiten gaben den "certains Juges en nombre egal" weitgehende Einwirkungsmöglichkeiten in die beiderseitige staatliche Sphäre l4 . Weitere vorwiegend streitentscheidende Aufgaben wurden der Kammer durch das Abkommen der zwei Mächte vom 26. September 1661 zugewiesen l5 . Bei dem am 8./18. März 1675 zwischen Großbritannien und den Niederlanden geschlossenen institutionellen Schiedsvertrag16 ist schon die Vorgeschichte einschlägig interessant. Der ein Jahr zuvor zustandegekommene Friede (9./19. Februar)17 sah eine zwölfköpfige, paritätisch aus Beauftragten beider Partner zusammengesetzte Kommission vor, die sowohl ein neues Schiffahrtsabkommen (Art. VIII) als auch eine Regelung des Handels in Indien (Art. IX) erarbeiten sollte. Für den Fall, daß sie innerhalb von drei Monaten nach ihrer ersten Zusammenkunft keine Übereinstimmung erzielen würde, war die Regentin von Spanien als Schiedsrichter vorgesehen. Zumindest für die Regelung des Handels ist es trotz Erfolglosigkeit der Delegierten Parry Bd. 2, S. 341 ff., Schiedsvereinbarung S. 352 ff. Parry Bd. 25, S. 407 ff., Schiedsklausel Art. XXIII, S. 417. 11 Parry Bd. 26, S. 9 ff., Schiedklausel Art. 21, S. 23. 12 Eidgenössische Abschiede Bd. V, Abt. 2 B, S. 2174 ff., Schiedsklausel Art. 18, S. 2191 f. 13 Vertrag bei Dumont Bd. VI, Teil I, S. 429 ff., Art. XXI S. 431 f. 14 Zum Schicksal der Kommission siehe van Boetzelar S. 58 -73. 15 Parry Bd. 7, S. 27 ff., Art. XXIII S. 39. 16 Parry Bd. 13, S. 355 ff. 17 Parry Bd. 13, S. 123 ff., Art VIII f. S. 129 f. 9

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Teil I: A. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Vertragsrecht

zu keiner Überweisung nach Spanien gekommen; statt dessen vereinbarten die Beauftragten für Beschwerden der jeweiligen Handelskompanie ein mehrstufiges, erforderlichenfalls bis zu einer schiedsrichterlichen Entscheidung reichendes Verfahren zwischen den beiden Mächten. Dieser Vertrag, 1685, 1689, 1716 und 1728 erneuert, ersetzte auf lange Zeit eine materielle Regelung. "Rekordhalter" in institutionellen Schiedsverpflichtungen war allerdings der schon als Vertragspartner der Eidgenossen erwähnte König von Frankreich. Der Wiener Vertrag mit dem Kaiser vom 1. November 1671 18 sah nicht nur für alle bestehenden und zukünftigen Differenzen dieser bei den Herrscher ein Schiedsverfahren vor, sondern übertrug die Regelung unter Ausschluß jeder Art von Gewalt auch auf das Verhältnis des Allerchristlichsten Königs zu allen "Etats, Sujets & Vassaux de l'Empire" Bereits zehn Jahre zuvor hatte Ludwig XIV. mit dem Kurfürsten von Trier eine Entscheidung von Schiedsrichtern für diejenigen Fälle vereinbart, "ou il s'agit de la Jurisdiction, Rentes ou autres interets regardans immediatement Sa Majeste ou ledit Sieur Prince Electeur de Treves"; die Benennung der "Arbitres" und die Form des Kompromisses sollten zu gegebener Zeit erfolgen 19 • Arbitri waren auch vorgesehen, falls "enatae inter Confoederatos nec dum complanatae controversiae circa limites & alia quaedam negotia" den Zweck des Defensivbündnisses zwischen Schweden und Brandenburg (10. Februar 1686)20 gefährden sollten. Obwohl nach dem Wortlaut nur bereits entstandene Streitigkeiten erfaBt zu sein scheinen, muß man diesen achten Artikel nach seinem Sinn so auslegen, daß er auch künftige Fälle einbezieht. Durch die mehrfache Erneuerung des Bündnisses (1688, 1696 und 1703)21 wird der institutionelle Charakter der Klausel vollends deutlich. Bei der verabredeten Streitbeilegung durch Schiedsrichter wird nicht, wie etwa im Art. IX für den Einsatz gegenseitig geschuldeter Hilfstruppen, zwischen Reichs- und sonstigen Gebieten beider Herrscher unterschieden. Wie schon einleitend erwähnt22 , waren reichsrechtlich zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten verschiedene Formen der Schiedsgerichtsbarkeit neben und vor dem Zugang zu den Reichsgerichten vorgesehen. Dieser Möglichkeiten konnten sich König und Kurfürst in ihrer Eigenschaft als Reichsfürsten bedienen und haben es auch getan: 1653 vereinbarten sie im Stettiner Vergleich23 , wider Verhoffen aus Parry Bd. 12, S. 51 ff., Art. II S. 55. Vertrag vom 12. Oktober 1661, Parry Bd. 6, S. 461 ff., Art. VI, S. 465. 20 Parry Bd. 17, S. 461 ff., Art. VIII S. 466. 21 Die Erneuerungen sind bis auf den Vertrag vom 23. Juli 1703 (Parry Bd. 24, S. 439ff.) nicht gedruckt; vgl. aber von Moerner S. 504 (26. September 1688), S. 618 f. (11. Juli 1696) und S. 638 (23. Juni 1698). 22 Siehe Einleitung III. 23 Vertrag vom 4. Mai 1653 bei Parry Bd. 3, S. 1 ff., Art. XXV S. 28 f., Art. XL S.41. 18 19

IH. Das Schiedsverfahren

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ihren gemeinschaftlichen Rechten am Domkapitel zu Kammin entstehende Zwistigkeiten "vel amicabiliter arbitris seu mediatoribus pari numero ... vel via Juris" beizulegen (Art. XXV). Ebenso sollten die alten Grenzstreitigkeiten zwischen Pommern und der Mark "amicabiliter vel per ordinam Juris viarn" beigelegt werden (Art. XL). Die angesprochene Lösung auf dem Rechtsweg, die sich nur in Vereinbarungen zwischen Reichsständen findet 24 , war den Parteien verwehrt, sobald sie eine Entscheidung in einer nicht in die Zuständigkeit der Reichsgerichte fallenden Angelegenheit herbeiführen wollten, kurz: in einer Sache, die nach allgemeinem Völkerrecht zu beurteilen war. Daher ist in dem für alle Lande der Vertragspartner abgeschlossenen25 Bündnis von 1686 hinsichtlich der friedlichen Streitbeilegung außer einer unmittelbaren Einigung der Fürsten lediglich die Einschaltung von Schiedsrichtern vorgesehen und vereinbart. Denn nur diese Form ist für eine nicht differenzierende Vereinbarung zur Erledigung von Grenz- und ähnlichen Streitigkeiten - was unter "alia quaedam negotia" zu verstehen ist, wird noch untersucht werden - zulässig, wenn auch nach Lage der Dinge zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Grenzstreit nur im Reich vorkommen konnte. Daß man übereinkam, Reichs- und andere Angelegenheiten ohne Unterschied schiedsrichterlicher Entscheidung zu unterwerfen, legt andererseits die Vermutung nahe, daß die Verfahrensart in beiden Fällen kaum Unterschiede aufwies. III. Das Schiedsverfahren

Institutionelle Schiedsabkommen sind regelmäßig nicht nur deshalb umfangreicher, weil das Verfahren für unterschiedliche Materien anwendbar sein soll; im Gegensatz zur isolierten Vereinbarung, der notwendigerweise schon Verhandlungen, gelegentlich auch gewaltsame Auseinandersetzungen vorangegangen sind, setzen die auf zukünftige Störungen des Verhältnisses zwischen den Parteien ausgerichteten Übereinkommen bereits bei dem dafür ursächlichen Ereignis an. Der Vertrag zwischen dem österreichischen und 24 Daß unter den Verbündeten der Augsburger Allianz (Parry Bd. 18, S. 21 ff.), deren Streitigkeiten gemäß Art. XIX des Vertrages vom 29. Juni/6. Juli 1686 "per viam iuris ordinariam decidirt und entschieden" werden sollten, mit dem spanischen König auch eine Macht zu finden ist, die mit keinem Gebietsteil der Reichsgerichtsbarkeit unterworfen war, spricht nicht gegen diese Feststellung: Seine Streitereien mit anderen Alliierten konnten nur auf die andere vorgesehene Art, nämlich "durch gütige Weg und Interposition der hohen Allianz-Verwandten" behoben werden (S. 35). Die Abrede in Art. 1 des Vertrages zwischen dem Kaiser und dem französischen König vom 19. Januar 1668 (Parry Bd. 10, S. 385 ff., S. 388), Streit nicht durch Gewalt, sondern nur "vel iure vel amicabili via" beizulegen, stellt ebenfalls kein Gegenbeispiel dar. Die Vermeidung des üblichen Terminus "via iuris" macht deutlich, daß hier nicht ein besonderes Verfahren, sondern die Entscheidungsgrundlage angesprochen ist. 25 Dies wird in Art. IX des Vertrages ausdrücklich festgelegt.

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Teil I: A. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Vertragsrecht

dem jagelIonischen Haus26 sieht drei aufeinander aufbauende Abschnitte 27 zur Erledigung einer Streitigkeit vor: Falls die Unterrichtung mit dem Ersuchen um Abhilfe (Mahnverfahren) nicht zum Ziel führt, sollen beiderseits abgeordnete Räte den Zwist durch einen freundschaftlichen Vergleich beilegen (Vergleichsverfahren), worauf bei erneuter Erfolglosigkeit das Urteilsverfahren folgt. Mit jeder Stufe steigen Anforderungen und Formvorschriften. Ist das Mahnverfahren noch ziemlich formlos ("durch Boten oder Briefe"), wird für den Vergleichsversuch Parität vereinbart, die Auswahl der Räte geregelt, ein Zeitraum für den Beginn der Verhandlungen festgelegt und das Recht zur Bestimmung von Termin und Ort dem Verletzten zugebilligt. Für das Urteilsverfahren schließlich wird den Räten, die durch die fallbezogene Freisprechung von ihren eidlich bekräftigten Gehorsamspflichten sowie durch die Ablegung eines neuen Eides formell zu Unparteiischen werden, der Prozeß bis in die Einzelheiten vorgeschrieben und ein Abweichen lediglich in sachlich erforderlichen, eng begrenzten Ausnahmefällen gestattet. Ein Schiedsverfahren im heutigen und, wie noch darzulegen sein wird, damaligen Verständnis stellt erst diese letzte Stufe dar; als funktionell vorgelagerte Schritte sind jedoch auch Mahn- und Vergleichsverfahren hier mit einzubeziehen. 1. Das Mahnverfahren

Die freundschaftliche Unterrichtung eines Partners bei abzusehenden oder schon entstandenen Differenzen, verbunden mit der Bitte, die Ursachen zu beseitigen, gehört zu den elementaren Grundlagen eines jeden geordneten zwischenstaatlichen Verkehrs. Für das Zeitalter zunehmender ständiger Gesandtschaften erstaunt es kaum, daß diese Maßnahme in den institutionellen Schiedsvereinbarungen selten eigens aufgeführt wird. Im Abkommen zwischen Großbritannien und den Niederlanden von 167528 hat die Erwähnung dann auch einen besonderen Grund: Den beiden in Indien Handel treibenden Kompanien wird ein selbständiges Beschwerderecht29 an den Souverän des 26 Der Kaiser handelt hier, anders als im oben erwähnten Vertrag mit dem König von Frankreich vom 1. November 1671, als Landesherr; die Einordnung als Allianz zwi· schen dem Reich und Polen, wie sie bei Parry Bd. 14, S. 209 vorgenommen wird, trifft nicht zu. 27 Die hier verwendeten Begriffe Mahn-, Vergleichs- und Urteilsverfahren sind keine zeitgenössischen Termini, sondern dienen lediglich der Gliederung des Verfahrensablaufs nach inhaltlichen Schwerpunkten. 28 Schiedsvertrag vom 8.118. März 1675, Parry Bd. 13, S. 355 ff. 29 Ein Recht der Untertanen, mit Ansprüchen an den Souverän eines anderen Staates unmittelbar heranzutreten, wird - zumindest, was die hier untersuchten Fälle anbelangt, - selten erwähnt. Die Regelung zwischen Frankreich und den Eidgenossen von 1653 (Parry Bd. 3, 83 ff.) sieht beispielsweise vor, daß in einem solchen Fall der Kläger sich zuerst an seine Obrigkeit zu wenden hat, welche prüft, ob die Forderung "juste & raisonable" ist. Nur wenn dies bejaht wird, darf der Kläger dem Botschafter des ande-

III. Das Schiedsverfahren

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anderen Landes zugestanden, dessen erfolglose Ausübung eine notwendige Voraussetzung für das nachfolgende zweistufige Schiedsverfahren zwischen beiden Mächten bildet. 2. Das Vergleichsverfahren

Bedeutsamer, vor allem was das Verhältnis zum Untersuchungsgegenstand anbelangt, ist das Vergleichsverfahren. Die Regelung von 1677 ist in dieser Hinsicht sehr aufschlußreich. Sie gebietet den abzuordnenden Räten die Anwendung allergrößter Sorgfalt, damit die Streitigkeiten durch einen freundschaftlichen Vergleich beigelegt werden ("quo querelae ... amicabili compositione transigentur"). Eine ähnliche Vorschrift findet sich später im Urteilsverfahren: Nach dem Austausch der Schriftsätze und nach deren gewissenhaftem Studium sollen die Räte "Partes rursum ad concordiam & amicabilem compositionem invitare & cohortari". Inzwischen ist aber - und das ist entscheidend für die Abgrenzung - eine wesentliche Änderung eingetreten. Jetzt laden die Räte die durch ihre Prokuratoren vertretenen Parteien zum Vergleich ein, während sie vorher selbst30 als Abgesandte der Streitenden zum Vergleichsschluß ermächtigt und beauftragt waren. Mit der Entbindung von ihren ursprünglichen Eidespflichten und dem Ablegen des neuen und traditionellen Schiedsrichtereides sind sie nicht nur formell unparteiisch geworden, auch ihre Funktion hat sich gewandelt: Nicht mehr abhängiges und weisungsgebundenes Verhandeln wird von ihnen verlangt, sondern in erster Linie unabhängiges und eigenverantwortliches Entscheiden. Auf die Vermittlung eines Vergleichs sollen sie zwar jede Mühe und Sorgfalt aufwenden, aber diese Aufgabe charakterisiert nicht mehr ihre Tätigkeit. Sie ist eine Nebenpflicht, eine Hilfe für die Parteien, die im Falle eines Erfolgs in eigener Verantwortung einen Vertrag schließen3!. In der Regel strebten die Mächte einen solchen Vergleich ohne "fremde" Hilfe an. Im Friedensvertrag von Nimwegen beispielsweise beauftragten Spanien und Frankreich Kommissare, über deren Anzahl keine Bestimmung ren Landes, falls ein solcher bestellt ist, seine Forderung vorlegen; ist kein Ambassadeur entsandt, übernimmt der Souverän die Rolle des Mahners bei dem anderen Staatsoberhaupt. Auch hier schließt sich eventuell ein Schiedsverfahren vor den von den Vertragspartnern gewählten Kommissionen an (Art. XVIII S. 92 f.). Das den Kompanien 1675 geWährte Recht ist ein Hinweis auf ihre "halbstaatliche" Stellung. 30 Die in dem Abkommen gewählte Passivform bringt dies nicht ganz klar zum Ausdruck, wohl weil diese Selbstverständlichkeit nicht besonders betont werden mußte. 31 Teilweise ist eine Vermittlungstätigkeit sogar ausgeschlossen: Der Große Rat von Mecheln war nach dem Komprorniß zwischen dem Kurfürsten von Brandenburg und den Generalstaaten vom 1. August 1665 (Parry Bd. 8, S. 303 ff.) lediglich Spruchinstanz und auch der zum "commissarius instructor" erwählte kaiserliche Gesandte im Haag hatte nur eine auf Verfahrensfragen beschränkte Vermittlungskompetenz. Ebenso wurde von der paritätisch besetzten Kommission, die Großbritannien und die Niederlande 1675 vereinbarten (Parry Bd. 13, S. 355 ff.), allein ein Urteil verlangt.

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Teil I: A. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Vertragsrecht

getroffen wurde, "ut omnes controversias quae circa executionem praesentis tractatus exoriri poterunt amicabiliter componant" (Art. XV)32. Die hier wie auch im kaiserlich-polnischen Vertrag verwendete Verbindung von "arnicabilis" und "componere" ist typisch für die Bezeichnung des Vergleichs in lateinischen Abmachungen33 . In den immer mehr zunehmenden Abkommen in französischer Sprache dagegen kommen von "composer" abgeleitete Formen nur selten vor34 : Zu dem feststehenden "cl l'amiable" treten hauptsächlich die Verben "terminer", "regler" oder "ajuster"35. In einem Fall - Waffenstillstand zwischen Frankreich und Spanien vom 15. August 1684 -läßt sich die untypische lateinische Formulierung: "contentiones istae terminentur amicabiliter"36 auf einen französischen "Urtext" zurückführen, die entsprechende Passage des Vertrages, den Frankreich am 29. Juni 1684 mit den Niederlanden über die Vermittlung des genannten Waffenstillstandes geschlossen hatte ("cette contestation sera terminee cl l'amiable")37. Aber nicht die Beeinflussung des herkömmlichen lateinischen Sprachgebrauchs durch das Französische ist das eigentlich Bemerkenswerte an beiden Übereinkünften. Wenn der letztgenannte Vertrag in sachlicher Übereinstimmung mit seinem lateinischen Pendant im Anschluß an das Zitat fortfährt: ,,& si cela ne se peut, on s'en remettra cl l'arbitrage du Roy de la Grande Bretagne", so fällt eine unerwartete Beschränkung des Begriffs "cl l'amiable" auf das Vergleichsverfahren auf. Noch deutlicher wird dies bei knappen, formelhaften Wendungen: So soll nach dem Willen des Kaisers und des französischen Königs die alte Streitigkeit zwischen dem Fürstbischof von Lüttich und den Herzögen von Bouillon um das gleichnamige Herzogtum mit Burg "amicabili via vel per Arbitros ... via facti penitus exclusa" beendet werden (Friede von Nimwegen 26. Januar/5. Februar 1679)38. Obwohl zumindest während-eines Schiedsverfahrens die gewaltsame Verfolgung der Ansprüche ausgeschlossen ist, auch den Schiedsrichtern oft Bemühungen zur Herbeiführung Vertrag vom 17. September 1678, Parry Bd. 14, S. 441 ff., Zitat S. 463. Vgl. außer den bisher angeführten Verträgen etwa: 1648,24. Oktober, IPM Art. IV, Dumont Bd. VI, TeilI, S. 450 ff., S. 451; 1679,2./12. Oktober, Schweden-Niederlande, Separatartikel 11, Parry Bd. 15, S. 317 ff., S. 329; 1697,30. Oktober, KaiserFrankreich, Art. VIII, Dumont Bd. VII, Teil 11, S. 421 ff., S. 423. Im englisch-dänischen Vertrag vom 13. Februar 1661 (Parry Bd. 6, S. 233 ff.) wird vereinbart, daß Streitigkeiten "amicabili transactione componendae erunt" (Art. XI, S. 239). 34 Wenn die Wortverbindung einmal auftaucht, wie im Vertrag zwischen dem Kaiser und dem französischen König vom 1. November 1671 (Parry Bd. 12, S. 51 ff.): "differens ... seront terminez par une arniable composition" (Art, 11, S. 55), wird meist zusätzlich eines der sonst üblichen Verben verwendet. 35 Vgl. etwa: 1661,28. Februar, Frankreich - Lothringen, Art. XXV (Parry Bd. 6, S. 253 ff., S. 265): "differens ... seront reglez & terminez a l'amiable"; 1669,9. Oktober, Niederlande - Fürstbischof von Lüttich (Parry Bd. 11, S. 245 ff., S. 249): "les Parties conviendront des voyes & des moyens d'ajuster a l'arniable ledit different". 36 Parry Bd. 17, S. 151 ff., Zitat Art. VII S. 156. 37 Parry Bd. 17, S. 87 ff., Zitat Art. VII S. 94. 38 Parry Bd. 15, S. 1 ff., Zitat Art. XXVIII S. 14. 32 33

111. Das Schiedsverfahren

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eines Vergleichs nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich vorgeschrieben sind, wird das Verfahren "per Arbitros" nicht der Kategorie ,,3 l'amiable" zugerechnet39 • Die Gleichsetzung freundschaftlichen Vorgehens (amicabili via, amicabili modo, amicabiliter) mit dem Vergleichsverfahren, aber unter Ausgrenzung des Schiedsverfahrens läßt sich allgemein in der Vertragspraxis beobachten. Das erste der beiden Gegenbeispiele, das Projekt zur Eindämmung bzw. Lokalisierung von Konflikten in Art. 111 des Pyrenäenfriedens (1659), stammt vom Beginn des hier untersuchten Zeitraums. Der französische und der spanische König verpflichteten sich bei Streit zwischen ihren Alliierten vorerst zur Zurückhaltung. Statt dessen wollten sie, damit auch ihre Verbündeten nicht gewaltsam vorgehen, über die Angelegenheit verhandeln und versuchen, "ledit differend 3 l'amiable" beizulegen "ou par le Jugement des deux Roys, si leurs Alliez s'en veulent remettre 3 leur decision, ou par entremise & authorite"40. Ob es sich hier lediglich um eine ungenaue Formulierung handelt, oder ob der Pyrenäenfriede vielleicht eines der letzten Beispiele eines früheren umfassenden Sprachgebrauchs ist, läßt sich nicht zweifelsfrei entscheiden; die Literatur zur Schiedsgerichtsbarkeit des Mittelalters geht darauf, soweit ersichtlich, nicht ein. Für einen möglichen Bedeutungswandel spricht, daß zwei Reichsangelegenheiten betreffende Verträge in relativ enger zeitlicher Nachbarschaft zum Pyrenäenfrieden die Streiterledigung durch Schiedsrichter ebenfalls dem Verfahren "amicabili modo" zurechnen: Art. 25 des Stettiner Vergleichs (1653) zwischen Schweden und Brandenburg wegen gemeinsamer Rechte am Kapitel von Kammin und Art. XIV des Erbvergleichs zwischen Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Neuburg (9. September 1666)41. Mehr als eine Vermutung ist das jedoch nicht, zumal das andere Gegenbeispiel aus der allgemeinen Völkerrechtspraxis sehr spät und - angesichts des gesicherten Sprachgebrauchs zu dieser Zeit - völlig überraschend erscheint: Der Vertrag zwischen dem Kaiser und dem spanischen König vom 30. April 1725 sieht vor, daß die Kontroversen des Herzogs von Parma mit den benachbarten kaiserlichen Provinzen "per arbitros ab utraque parte eligendos amicabiliter decidantur"42. 39 Ebenso ist dies ein weiteres Anzeichen dafür, daß die Herbeiführung eines Vergleichs nicht zum Wesen der Arbitrage gehört. 40 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 264 ff., S. 265. 41 Vertrag Schweden - Brandenburg vom 4. Mai 1653, Art. 25 (Parry Bd. 3, S. 1 ff., S. 29): " ... ut eae vel amicabiliter arbitris seu mediatoribus pari numero ... vel via Juris mature tollantur"; Erbvergleich Art. XIV (Parry Bd. 9, S. 259 ff., S. 278): Jeder Streit über den Vergleich oder aus sonstigen Ursachen soll unter Ausschluß jeglicher Tätlichkeit "entweder via iuris oder modo amicabili per Arbitros" beigelegt werden, von welchen Wegen der Beleidigte einen wählen kann. 42 Parry Bd. 32, S. 37 ff., S. 54 (Art. XI). Kein Gegenbeispiel ist dagegen der Vertrag zwischen den Königen von Schweden und Dänemark vom 26. September 1679. Die bei Parry Bd. 15, S. 264 abgedruckte Übersetzung des Art. VIII: "pour les decider a l'amiable" dürfte die Originalfassung: "striidigheeter vänligen och uprichtigt biiläggia" (Parry Bd. 15, S. 253) nicht richtig wiedergeben.

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Teil I: A. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Vertragsrecht

Neben freundschaftlichem Vergleich und Schiedsverfahren taucht im schwedisch-brandenburgischen Vertrag vom 29. Juli 1703 ein weiteres Streiterledigungsverfahren auf. Meinungsverschiedenheiten über ein gewisses, "furstenflag" genanntes Gebiet sowie andere etwa noch verbliebene Unstimmigkeiten sollten "secundum tenorem articuli VIII foederis anno 1696 initi43 , aut via amicabili componantur, aut inter ipsosmet contrahentes, aut per arbitros ad id denominandos, dirimantur"44. Um diese nicht sehr häufige Vereinbarung "inter ipsosmet contrahentes" richtig einordnen zu können, scheint es angezeigt, vorher auf einige andere Verträge einzugehen. Die Allianz zwischen dem Kaiser und den Niederlanden (12. Mai 1689)45 und die Konvention vom 18. März 1695 zwischen den gleichen Mächten, Großbritannien und Münster46 enthalten die gleichlautende Bestimmung, daß bestehende und zukünftige Grenzstreitigkeiten "per amicabilem Commissionem aut deputandos ab utraque Parte Ministros . . . amicabiliter discutiantur componanturque"47. Die bisherigen Feststellungen erlauben es, die sonst nirgends anzutreffende "amicabilis Commissio" ebenso wie die "deputati Ministri" der Sparte Vergleichslösung zuzuweisen (amicabiliter, componere). Die Klausel verdeutlicht die generelle Übung, Vergleiche durch Beauftragte aushandeln und abfassen zu lassen. Wenn diese sich nicht einigen können, geht die Angelegenheit an die jeweiligen Regierungen zurück, es sei denn, daß für diesen Fall, etwa durch Vereinbarung eines Schiedsgerichts, Vorsorge getroffen ist. Zuweilen wird im Hinblick auf ein mögliches Scheitern der Ausgleichsbemühungen ausdrücklich ein neuer Anlauf der Parteien, nun auf höherer Ebene, vereinbart. Damit können, wie in Art. XLII des Pyrenäenfriedens48 (vermutlich dachten Mazarin und de Haro an sich selbst), "Plenipotentiaires" beauftragt werden, aber die Sache kann auch den Souveränen persönlich vorbehalten bleiben. Ein Beispiel dafür bieten die kaiserlich-türkischen Verträge von 1699, 1718 und 173949 . Daß es auf dieser Stufe durchaus unkonventionell zuge43 Der nicht gedruckt vorliegende Vertrag vom 11. Juli 1696 (vgl. oben Anm. 21) ist laut v. Moerner S. 619 im hier einschlägigen Art. VIII mit seinen Vorgängern von 1686 und 1688 "gleichlautend bis auf einige kleine stilistische Änderungen". Diese waren wohl notwendig angesichts der etwas unklaren Formulierung des Vertrages vom 10. Februar 1686 (Parry Bd. 17, S. 461 ff., S. 466), von beiden Seiten sei den Beauftragten zur Erledigung verbliebener Kontroversen jede mögliche Unterstützung zu gewähren, "quo per amicabilem compositionem vel inter ipsosmet, aut per Arbitros ad id denominatos dirimantur". 44 Parry Bd. 24, S. 439 ff., S. 445. 45 Parry Bd. 18, S. 367 ff. 46 Parry Bd. 21, S. 1 ff. 47 Parry Bd. 18, S. 371 (Art. IX) und Bd. 21, S. 5 (Art. IX). 48 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 264 ff., S. 270. 49 1699,26. Januar, Carlowitz, Art. XI (Parry Bd. 22, S. 219 ff., S. 228 f.); 1718,21. Juli, Passarowitz, Art. IX (Parry Bd. 30, S. 341 ff., S. 349); 1739, 18. September, Belgrad, Art. XV (Parry Bd. 35, S. 381 ff., S. 405 ff.). Die Abkommen zwischen der Türkei und Venedig, in Carlowitz und Passarowitz an den gleichen Tagen wie die kaiserlich-türkischen geschlossen, sehen zwar auch eine Rückgabe an die Souveräne vor, aber deren Einigung soll zusätzlich durch die "officii" der kaiserlichen, englischen und nie-

III. Das Schiedsverfahren

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hen konnte, zeigt eine Grenzregelung zwischen Frankreich und Savoyen von 1672: Nachdem Kommissare keine Übereinstimmung hatten erzielen können, wandte sich der Herzog an Ludwig XIV. selbst, dessen Reglement (27. April) am 13. August in Turin akzeptiert wurde5o . Auch wenn dieses ungewöhnliche Verfahren schon Züge eines Schiedsspruchs durch eine Partei trägt (Machtspruch?), gehört es sachlich, wie die anderen erwähnten Fälle, zum Typus des von den Kontrahenten in eigener Verantwortung geschlossenen Vergleichs. Die Hervorhebung als besondere Verfahrensart im Ausgangsfall des schwedisch-preußischen Bündnisses ("aut inter ipsosmet contrahentes") kann darüber nicht hinwegtäuschen; sie erklärt sich daraus, daß das persönliche Engagement der Souveräne eine Besonderheit für den Fall darstellt, daß ein Problem infolge Fehlschlagens der sonst üblichen Methoden zusätzliche Bedeutung erlangt hat. Darüber hinaus läßt diese institutionelle Schiedsklausel die enge Verknüpfung, wenn nicht gar Identifikation des Begriffs "amicabilis compositio" mit dem durch Beauftragte durchgeführten Vergleichsverfahren erkennen. Die Verwendung von amicabiliter/ii l'amiable stellt mithin ein äußerst wichtiges positives Indiz für die Vereinbarung eines Vergleichsverfahrens dar51 , während umgekehrt das Fehlen des Begriffs weder einen Vergleich ausschließt, noch bei einer Verpflichtung, Kommissare zu benennen, schon den sicheren Schluß auf eine Schiedskommission zuläßt. Welche Funktion hatten beispielsweise die Kommissare, die aufgrund des achten Artikels des Friedensvertrages zwischen Frankreich und Großbritannien vom 20. September 169752 von beiden Seiten zu bestellen waren? Sie sollten die "Jura & Praetensiones" beider Könige hinsichtlich in der Hudsonbucht gelegener Orte "examinare & determinare", Streitigkeiten über die Ausführung einer bestätigten englischen Kapitulation von 1696 und den Wert der dort verlorenen Güter "adjudicare & determinare" sowie die Grenzen der beiderseits zu restituierenden Gebiete festlegen, wobei sie zum gegenseitigen Nutzen der Könige auch Flächen austauschen konnten. Streitentscheidung, aber auch vorausschauende Regelung aufgrund von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten gehörten demnach zum Aufgabenbereich dieser Beauftragten, denen London als Versammlungsort und eine sechsmonatige Frist zur Erledigung aller möglicherweise in dieser Sache entstehenden "lites & processus" vorgeschrieben derländischen Botschafter gefördert werden (Parry Bd. 22, S. 265 ff., S. 272 und Bd. 30, S. 371 ff., S. 376, jeweils Art. VIII). Zum Vergleich eine Regelung im Reich: Im Vertrag zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein vom 28. Juni 1661 wird in Art. 11 ein zwischen den Beauftragten nicht verglichener Streitpunkt auf die erste Zusammenkunft der Herrscher selbst ausgesetzt (Parry Bd. 6, S. 345 ff., S. 347). 50 Parry Bd. 12, S. 373 ff. 51 Im Schwedischen ist der entsprechende Ausdruck anscheinend "uprichtigt" gewesen (vgl. Anm. 42), während in deutschen Texten neben "gütlich" oft auch die lateinischen Termini gebraucht werden. 52 Parry Bd. 21, S. 409 ff., S. 415 f.

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Teil I: A. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Vertragsrecht

wurde. Erst die Bestimmung, daß die "Articuli super quos consentient Commissarii" von beiden Königen ratifiziert werden sollen53 , gibt den Ausschlag zugunsten einer Einordnung als Vergleichskommission. Eine gewisse Unsicherheit in bezug auf die allgemeine Einschätzung der Funktionen derartiger Kommissionen veranlaßte wohl auch Kaiser und Papst 1709 zu der Klarsteilung, daß die mit der Prüfung und Diskussion der Differenzen um Parma, Piacenza und Comacchio zu beauftragenden beiderseitigen Vertreter kein Urteil, sondern eine beide Vertragspartner befriedigende Regelung anstreben sollten 54 . Alle bisher behandelten Einordnungskriterien versagen allerdings bei der Nachprüfung der nicht näher belegten Ansicht Reibsteins, der Friede von Aachen 1748 und der Allianzvertrag von Sevilla 1729 zwischen Großbritannien, Frankreich und Spanien enthielten "Schiedsklauseln über nicht ganz unbedeutende Fragen"55. Daher ist als nächstes zu klären, was in der Vertragspraxis des Jus Publicum Europaeum unter schiedsrichterlicher Streitbeilegung verstanden wurde. 3. Das UrteiJsverfahren (Schiedsverfahren im engeren Sinn)

a) Parteien und Parteifähigkeit

Mehr noch als die Ermittlung, wer tatsächlich als Partei in einem völkerrechtlichen Schiedsverfahren der damaligen Zeit aufgetreten ist, interessiert bei der Untersuchung des Rechtsinstituts die Frage nach dem rechtlich Möglichen: Wem konnte nach Völkerrecht die Stellung als Partei zukommen, wer war parteifähig? Auch in dieser Hinsicht bietet die Praxis eine Fülle von Ansatzpunkten und Hinweisen. Die Auswertung der Schiedsverträge setzt freilich Klarheit darüber voraus, was in dem zu untersuchenden Zeitraum unter völkerrechtlichen Schiedsverfahren verstanden wurde. Wie schon einleitend erwähnt, soll als Arbeitshypothese von einer ParteisteIlung der Staaten ausgegangen werden. Das läßt eine Abgrenzung in der Art erwarten, wie sie in der Allianz Venedigs mit den Drei Bünden (1706) in sachlicher Übereinstimmung mit dem im gleichen Jahr vorausgegangenen Pakt der Serenissima mit Zürich und Bern vorgesehen ist: "zwyspalt zwischen beyden partheyen wegen dem gemeinem weesen" soll, falls erforderlich, durch von den Vertragspartnern bestimmte Kommissare und Richter entschieden werden, während in Streitigkeiten "unter beyden theilen privat-Persoh53 Parry Bd. 21, S. 416. 54 Vertrag vom 15. Januar 1709, Art. VIII: " ... e questo non in verona forma di giu-

dizio, ma por appagamento commune, tanto di sua Santi!!l. che di sua Maesta Cesarea" (Parry Bd. 26, S. 269 ff., S. 276). 55 Reibstein, Ernst: Das "Europäische Öffentliche Recht" 1648 - 1815. Ein institutionengeschichtlicher Überblick. In: Archiv des Völkerrechts Bd. 8 (1959/60), S. 385 420, S. 397.

111. Das Schiedsverfahren

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nen" der Kläger den Beklagten vor dessen Obrigkeit zitieren, also die innerstaatliche Gerichtsbarkeit in Anspruch nehmen muß56. Differenzierter, aber auch komplizierter ist die Regelung im Abkommen zwischen dem Kaiser und dem polnischen König von 167757 . Die internationalen Streitigkeiten werden hier in drei Gruppen eingeteilt. Ist der Beklagte Privatmann, muß sich der Kläger, ob es sich nun um den König selbst oder irgendeine Privatperson der Gegenseite handelt, an dessen zuständiges innerstaatliches "Forum & Judicium" wenden (Gruppe 1: staatliche Gerichtsbarkeit/"ordentliches" Gericht). Wenn dagegen wegen einer privaten Forderung a) eine Provinz oder Gemeinschaft vom "gegnerischen" König oder b) der Herrscher selbst, eine seiner Provinzen oder Gemeinschaften von einer Provinz, Gemeinschaft oder einem Privatmann der Gegenseite in Anspruch genommen werden soll, bildet der für die zu verklagende Partei zuständige König ein besonderes Gericht aus mindestens sieben seiner Räte (Gruppe 2: staatliche Gerichtsbarkeit/königliches Gericht). Erst in der bekannten und hier vor allem interessierenden dritten Gruppe, den Kontroversen "inter nosmet ipsos Reges, seu forsan Regna & Provincias nostras"58, wird das Prinzip der durch die Zugehörigkeit des Beklagten bestimmten staatlichen Gerichtsbarkeit aufgegeben und ein von den Vertragspartnern gemeinsam getragenes Schiedsgericht geschaffen. Damit ist die oben aufgeworfene Frage nach der Parteifähigkeit in einem völkerrechtlichen Schiedsverfahren jedoch noch nicht beantwortet. Denn nicht alle gültigen Schiedsverträge enthalten eine derartige Abgrenzung. Das für die Unstimmigkeiten zwischen dem französischen König und den Eidgenossen vorgesehene Schiedsgericht konnte auch von den Untertanen bei Klagen gegen die fremde Obrigkeit angerufen werden, wenn die Erfüllung des Anspruchs verweigert wurde und die eigene Obrigkeit die Forderung als gerecht anerkannt hatte. Schon im Ewigen Frieden von 1516 enthalten59 , erfuhr die Bestimmung in den Bestätigungen von 1564/65 eine wesentliche Einschränkung, indem nicht mehr der Forderungsinhaber als der "clagend teyll", sondern nur noch die Eidgenossen bzw. der König "uff genants Ansprechers anrüffenn" den Beklagten vor die Richter fordern durften 60 • Diese 56 Vertrag vom 6./17. Dezember 1706 bei Parry Bd. 26, S. 9 ff., Bestimmungen zur Streitbeilegung: Art. 21 und 22 S. 23; Abkommen zwischen Venedig und Zürich/Bem vom 12. Januar 1706: Parry Bd. 25, S. 407 ff., einschlägige Art. XXIII und XXIV S. 417 f. 57 Parry Bd. 14, S. 215 ff. 58 Parry Bd. 15, S. 216. Nach der Systematik gibt es keine privaten Forderungen und Streitigkeiten zwischen beiden Königen. 59 Eidgenössische Abschiede Bd. III, Abt. 2, S. 1406 ff., S. 1412. 60 Vereinigung der Eidgenossen mit König Kar! IX. von Frankreich, 7. Dezember 1564 und 21. Juli 1565, Eidgenössische Abschiede Bd. IV, Abt. 2, S. 1509 ff., S. 1514. Die hier getroffene Regelung entspricht in etwa der des Vertrages zwischen den Königen von Schweden und Dänemark vom 3. Juni 1720, Art. XII (Parry Bd. 31, S. 227), wo die kontrahierenden Parteien für die Ansprüche eigener Untertanen an den Vertragspartner ein paritätisch besetztes Gericht bereitstellen.

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Teil I: A. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Vertragsrecht

Regelung, die in den Allianzen von 1653 bis 166361 wiederholt wurde und formell bis zum Ende der alten Eidgenossenschaft galt, zwang die klagenden Privatpersonen zwar nicht, sich an ein von ihrem Gegner eingesetztes Gericht zu wenden, aber sie waren doch ihm gegenüber in mancherlei Hinsicht benachteiligt, hatten vor allem keinen Einfluß auf das von den Vertragspartnern zu besetzende Schiedsgericht. Dagegen macht das Abkommen zwischen dem König von Spanien und den Drei Bünden von 1639 keinen Unterschied zwischen den Differenzen der Vertragsparteien und den Forderungen einer "particular Persohn" gegen den König bzw. gegen die Bünde, d. h. die Privaten bestimmten auch ihre eigenen Schiedsrichter62 . Ähnlich günstig für die helvetischen Privatleute war die Schiedsklausel des Bündnisses des Herzogs von Savoyen mit sechs katholischen Kantonen von 1651, die noch weiter ausgreifend alle Streitigkeiten zwischen dem Herzog bzw. einem seiner Fürsten einerseits und einem oder allen Kantonen und deren "particulares persones" andererseits erfaßt63 • Gemeinsames Merkmal dieser traditionsreichen Verträge ist die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens sowohl für die Streitigkeiten der Vertragspartner untereinander als auch für den Fall, daß sie von einer Privatperson aus dem anderen Herrschaftsbereich belangt werden. Zwar kann man im Hinblick auf die Sonderbestimmungen für die Rechtsverfolgung durch Privatleute die Meinung vertreten, hier handele es sich um die gemeinsame Regelung zweier unterschiedlicher Rechtsgebiete, weshalb nur die "völkerrechtliche" Komponente, das Schiedsverfahren zwischen den Vertragspartnern, für eine Untersuchung des Jus Publicum Europaeum heranzuziehen sei. Selbst dann muß man jedoch anerkennen, daß die Vertragspartner durch die gemeinsame Regelung eher das Verbindende als das Trennende beider Gebiete in den Vordergrund stellten oder, genauer gesagt, daß es den Eidgenossen und Bündnern gelang, bei ihren Partnern ein Schiedsverfahren auch für die Ansprüche ihrer Einzelpersonen gegen den fremden Monarchen durchzusetzen. Denn daß die Kantone und Bünde hierbei die treibende Kraft waren, verdeutlicht die Fassung der in den Vertrag von 1651 aufgenommenen Schiedsklausel, die auf savoyischer Seite neben dem Herzog lediglich noch seine Fürsten erwähnt. Gewiß waren es wirtschaftliche Interessen (Söldnerwesen), die die Haltung der Gemeinwesen im Gebiet der heutigen Schweiz bestimmten; aufgrund ihrer genossenschaftlichen Organisation konnten sie aber auch eine gewisse selbständige Stellung ihrer Privatpersonen eher zulassen als ihre monarchischen Verbündeten. Deren Streben nach Souveränität entsprach am besten eine Regelung wie die zwischen dem Kaiser und dem polnischen König: Durch die 61 Vgl. Art. 18 des Bündnisses mit der gesamten Eidgenossenschaft vom 24. September 1663, Eidgenössische Abschiede Bd. VI, Abt. 1, S. 1652 ff. 62 Vertrag vom 3. September 1639, Eidgenössische Abschiede Bd. V. Abt. 2, S. 2174ff., Art. 18 S. 2191 f. 63 1651,14. April, Parry Bd. 2, S. 341 ff., Schiedsabkommen S. 352 - 355.

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Unterwerfung der von den Untertanen des anderen Königs gegen sie erhobenen Ansprüche unter ihre eigene Gerichtsbarkeit sicherten sich die beklagten Herrscher nicht nur eine übergeordnete Stellung gegenüber dem Kläger, sie hielten sich zudem die internationale Ebene zum Verkehr mit ihresgleichen frei. Die 1516 vom französischen König durchgesetzte kontrollierende Einschaltung der Obrigkeit des Klägers stellt nur eine erste Etappe auf diesem Weg dar, die Änderung von 1564/65, die die Ladungsbefugnis vom Kläger auf den Landesherrn übertrug, eine weitere. Mit diesem Komprorniß konnten König und Eidgenossen leben: Der private Kläger durfte seine wirtschaftlichen Interessen im Schiedsverfahren wahrnehmen, ihm waren aber alle mit dieser Verfahrensart üblicherweise verbundenen Rechte entzogen, die auf der Gleichheit der Parteien beruhten. Diese Rechte wurden nun von seiner Obrigkeit ausgeübt, wodurch sie und nicht der Kläger als Partner des Beklagten erscheint. Rechtlich stehen daher die Vereinbarungen zwischen den Eidgenossen und dem französischen König der neuen, im kaiserlich-polnischen Vertrag von 1677 zum Ausdruck kommenden Auffassung näher als dem Völkerrecht älterer Prägung64 , das jedoch im Alpenraum durch die Allianzen des Königs von Spanien mit den Drei Bünden 1639 und des Herzogs von Savoyen mit den katholischen Kantonen 1651 noch einmal bekräftigt wurde (Prinzip der "Waffengleichheit"). Ob die beiden Verträge mit der Republik Venedig von 1706 eine weitere Abkehr der Schweizer und ihrer Verbündeten von den bisherigen Gepflogenheiten markieren, läßt sich trotz der Trennung der Ebenen der Vertragspartner und der Privatleute nicht sagen, da über die Forderungen von Einzelpersonen gegen die fremde Obrigkeit keine Regelung getroffen wird und eine eindeutige Zuordnung angesichts der unterschiedlichen Praxis nicht möglich ist. Auf jeden Fall verdient jedoch festgehalten zu werden, daß älteres Völkerrecht mit einer relativ eigenständigen Position von Privaten ("beschränkte Völkerrechtssubjektivität") in den Beziehungen der Eidgenossen und Bündner zu ihren südlichen Nachbarn in Kraft blieb und im Jus Publicum Europaeum seinen Platz hat. Dagegen haben Privatpersonen nach der Abmachung zwischen dem Kaiser und dem polnischen König in keinem Fall Zugang zu dem Schiedsgericht, das den Klagen der Könige und ihrer Reiche bzw. Provinzen vorbehalten bleibt. Eine weitere Beschränkung ergibt sich daraus, daß die Streitigkeiten eines Königs mit einer Provinz des anderen und solche zwischen Provinzen unterschiedlicher Herrschaftsbereiche, wenn es sich um "actiones privatae" handelt, vor ein innerstaatliches Gericht gebracht werden müssen. Die Rechtsnatur der schiedsgerichtlich auszutragenden Händel soll jedoch vorerst noch ausgeklammert werden; für die Frage nach der Parteifähigkeit ist allein wichtig, 64 Die Ansätze zur Ermittlung eines mittelalterlichen Völkerrechts wurden oben Einleitung: 11 geschildert; zur Situation im Reich und in den Territorien: Stolleis, Michael: Art. Offentliches Recht I (bis 1750). In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Bd. 3. Berlin 1984, Sp. 1189 - 1198.

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daß neben den Vertragspartnern ihre Königreiche und übrigen Provinzen65 eigene Rechte im Schiedsverfahren geltend machen und verteidigen können. Deren Stellung ist dabei soweit wie möglich der des Monarchen angenähert. Zwar mahnt ein König, falls eine seiner Provinzen sich beschwert fühlt, die Beseitigung der Beeinträchtigung bei dem anderen König an, wie er ja auch für die Provinzen Verträge schließt. Er verfolgt dabei aber kein eigenes Recht, sondern im Verfahren ist die Provinz selbst "Pars laesa seu querulans" oder "pars rea". Daß sich die Rolle der Provinz nicht in einer formalen ParteisteIlung erschöpft, zeigt die Verpflichtung der Herrscher, die als Unterhändler im Vergleichs- und Schiedsrichter im Urteilsverfahren fungierenden Räte aus den "Proceres" der jeweils betroffenen Provinz auszuwählen. Im Handeln für die Provinzen wahren die Könige den Anspruch auf deren Repräsentation im Verkehr mit anderen Herrschern und Völkern, andererseits wird durch die Anerkennung einer eigenen ParteisteIlung im schiedsrichterlichen Austrag der völkerrechtlichen Eigenständigkeit der einzelnen Provinzen Rechnung getragen. Auf dieser Kompetenzverteilung beruht auch die Vereinbarung des Kaisers mit dem spanischen König, Streitigkeiten zwischen dem Herzog von Parma und den benachbarten kaiserlichen Provinzen (!) "per arbitros ab utraque parte eligendos" entscheiden zu lassen (30. April 1725)66. Wie das Handeln des Bourbonen für seinen italienischen Verwandten zeigt, war es indes ebenso üblich, schiedsrichterliche Beilegung von Streitigkeiten nachrangiger Herrscher in Verträgen bedeutenderer Mächte zu vereinbaren. Ein weiteres Beispiel ist der Nimwegener Friede von 1679 zwischen dem Kaiser und dem König von Frankreich, dessen Art. XXVIII die Auseinandersetzung um Burg und Herzogtum Bouillon zwischen den gleichnamigen Herzögen und dem Fürstbischof von Lüttich betrifft67. Zweck solchen Vorgehens war immer die politische Aufwertung möglicher Rechte von Verbündeten68 , um ihnen zur Durchsetzung zu verhelfen. Die den einzelnen Parteigängern zukommende Rechtsstellung, besonders ihre Befugnis, selbst über die Verpflichtung zu entscheiden, wurde durch eine derartige Interessenvertretung nicht berührt. Ausdrücklich ist dieser Grundsatz 1659 im Pyrenäenfrieden festgehalten worden: Die Könige von Frankreich und Spanien machen ihr gemeinsames "Jugement" in Streitigkeiten ihrer Verbündeten davon abhängig, daß "leurs Alliez s'en veulent remettre a leur decision", im Gegensatz übrigens zum vorbehaltlosen Einsatz ihrer "entremise & authorite"69. Allein 65 Wie sich aus "harum Provinciarum" in Verbindung mit einer Aufzählung kaiserlicher Königreiche und Länder ergibt, schließt der allgemeinere Begriff "Provincia" die "Regna" mit ein. 66 Parry Bd. 32, S. 97 ff., Art. XI S. 54. 67 Parry Bd. 15, S. 1 ff., Schiedsabrede Art. XXVIII S. 14. 68 Die Aufnahme in die Friedensverträge der "Großen" bedeutete für die kleineren Mächte oft auch Teilhabe an der Garantie, im vorliegenden Fall durch Art. XXXIV des Friedens (Parry Bd. 15, S. 15). 69 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 265 (Art. III).

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die Vertretung beim Abschluß einer Schiedsvereinbarung bedeutet demnach noch nicht, daß die Parteien wie die Provinzen des Kaisers und des polnischen Königs völkerrechtlich auf diese Stellung beschränkt waren. So konnten die "Sujets ou Vassaux de l'Empire" sich gegenüber dem König von Frankreich auf die Schiedsklausel in dessen Vertrag mit dem Kaiser vom 1. November 167170 berufen oder, wie es der Kurfürst von Trier bereits 1661 getan hatte 71 , selbst mit dem westlichen Nachbarn eine solche Vereinbarung treffen. Die Macht des Kaisers, die Reichsstände allgemein zum schiedsrichterlichen Streitaustrag mit fremden Herrschern zu verpflichten - politisch bedeutete das für die Stände natürlich in der Regel einen Vorteil-, ergänzte offensichtlich deren Eigenberechtigung; hier liegt der Unterschied zu den Königreichen und Provinzen des Kaisers. Daher handelte auch der Kurfürst von Brandenburg selbständig aus eigenem Recht, als er in der sogenannten "Hofyserischen Schuldsache" mit den Generalständen der Vereinigten Niederlande am 1. August 1665 einen Komprorniß auf den Großen Rat von Mecheln schloß72. Zieht man in der Frage der Parteifähigkeit Bilanz, so ergibt sich, daß a) alle bündnisberechtigten Mächte Parteien eines völkerrechtlichen Schiedsverfahrens sein konnten, b) darüber hinaus die sonst nicht eigenständig in Erscheinung tretenden, durch eine gemeinsamen Herrscher verbundenen Länder zumindest potentielle Parteien darstellten73 und c) im Alpenraum noch Vertragsbestimmungen in Kraft waren, die eine Parteistellung von Einzelpersonen vorsahen. In der Praxis freilich dominierte, entsprechend seinem generellen Übergewicht in den internationalen Beziehungen, der monarchische Teilnehmer am Schiedsverfahren, was durch die auf seine Person bezogene Terminologie noch hervorgehoben wird. Wenn der König von Preußen 1729 erklären läßt, "que les differends survenus entre Elle et le roi de la Grand-Bretagne soient termines par un arbitrage" - Georg 11. hatte eine entsprechende Erklärung abgegeben74 -, muß die Frage nach der Partei präzisiert werden: Fürst oder Staat? Die Formulierung von Grewe: "der im Monarchen personifizierte Staat" erweist sich als nicht ausreichend, denn gerade im Fall des Welfenkönigs verbietet es sich, ihn als Verkörperung eines alle seine Länder umfassenParry Bd. 12, S. 51 ff., Art. 11 S. 55. Parry Bd.6, S. 461 ff., Art. 6 S. 465. 72 Parry Bd. 8, S. 303 ff. 73 Dies gilt besonders für die einzelnen Provinzen der Vereinigten Niederlande, denen die Souveränität zukam (Lademacher, Horst: Geschichte der Niederlande. Politik - Verfassung - Wirtschaft. Darmstadt 1983, S. 79), während die für die auswärtigen Beziehungen einschließlich der Vertragsschlüsse und der Parteistellung im Schiedsverfahren zuständigen Generalstände nur eine abgeleitete Souveränität besaßen. 74 Gedruckt liegt lediglich die Deklaration des preußischen Königs vor bei Loewe, Victor: Preußens Staatsverträge aus der Regierungszeit König Friedrich Wilhelms I. Publikationen aus dem K. Preußischen Staatsarchiv Bd. 87. Leipzig 1913, S. 391. Anlaß und Verlauf des Konflikts behandelt Schilling, Heinrich: Der Zwist Preußens und Hannovers 1729/1730. Phil.Diss. Königsberg. Halle 1912, der S. 100 die Protokollerklärung des englischen Gesandten Du Bourgay zitiert. 70

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den Gesamtstaates zu sehen, da diese teilweise lediglich durch den gemeinsamen Herrscher verbunden waren. Und wie ist die Aussage des Vertrages zwischen dem Kaiser und dem polnischen König von 1677: "controversiae ... inter nosmet ipsos Reges, seu forsan Regna & Provincias nostras"75 anders zu verstehen, als daß die Fürsten und die Länder mögliche Streitparteien und demzufolge Völkerrechtssubjekte waren? Daher ist noch weiter auszuholen: Fürstenrecht oder Staatenrecht? Auf diese Problematik wird im zweiten Teil zurückzukommen sein, wenn die entsprechenden Theorien mit den hier herausgearbeiteten Fakten konfrontiert werden. b) Streitgegenstände

"Alle gegenwärtigen und in Zukunft möglicherweise entstehenden Streitigkeiten" - umfassender als in der Vereinbarung zwischen dem Kaiser und dem König von Frankreich 167176 kann der Zuständigkeitsbereich eines Schiedsgerichts nicht festgelegt werden. Das sechs Jahre später geschlossene Abkommen zwischen dem Kaiser und dem König von Polen steht in der Sache nicht zurück, sondern hebt zusätzlich mit den Grenz- und Handelsstreitigkeiten die zwei am häufigsten vorkommenden Anlässe hervor77 . Auch die Verweisung der "actiones privatae" des einen Königs gegen eine Provinz des anderen bzw. umgekehrt einer Provinz gegen diesen König an ein für den Beklagten "zuständiges" königliches Gericht schränkt nicht die umfassende sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts ein, da die genannten Streitigkeiten bereits apriori der internationalen Ebene entzogen wurden. Die privilegierte Rolle der Monarchen zeigt sich darin, daß ihre Differenzen untereinander ohne Ausnahme einer schiedsrichterlichen Beilegung zugänglich sind. Angesichts der im 19. und 20. Jahrhundert zu beobachtenden Gewohnheit der Partner institutioneller Schiedsverträge, diese nicht nur auf Rechtsstreitigkeiten zu beschränken, sondern sich darüber hinaus vorzubehalten, einen Komprorniß im Einzelfall verweigern zu dürfen, falls sie ihre Ehre oder lebenswichtige Interessen bedroht sähen, ist besonderer Wert auf die Feststellung zu legen, daß die vergleichbaren Klauseln des 17. und frühen 18. Jahrhunderts einen solchen Vorbehalt nicht kennen78 . Dies schließt freilich noch nicht eine gewohnheitsrechtliche Einschränkung aus. So heben der auch international bei den Verhandlungen des Westfälischen Friedens hervorgetretene Basler Altbürgermeister Wettstein und sein Schiedsrichterkollege Johann Rechsteiner 1657 in einem innereidgenössischen Schiedsspruch hervor, es sei "hierneParry Bd. 14, S. 216. Parry Bd. 12, S. 51 ff., S. 55 (Art. 11). 77 Parry Bd. 14, S. 216. 78 Für das 18. Jahrhundert hat dies bereits Reibstein: Völkerrecht Bd. 2, S. 184 aufgrund des Jay-Vertrags festgestellt. Zur späteren Praxis vgl. Schlochauer: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit S. 185 f. 75

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ben mit unterschiedlichen Exempeln erwiesen, daß in löblicher Eydgenossenschaft man einander des Rechten auch umb Sachen, die deß anderen Souverainite, Hoheit und Judicatur berührt, und darbey auch das Interesse der Religion mercklich versiert, gestehen zu müssen"79. Selbst wenn man darin eine Anspielung auf eine abweichende Übung im Völkerrecht erblickt - in erster Linie sollte wohl die Rechtsauffassung der katholischen Kantone zurückgewiesen werden -, bezeugt die Schiedsklausel zwischen dem König von Frankreich und dem Kurfürsten von Trier das Gegenteil, wenn sie festlegt: "ou il s'agit de la Jurisdiction, Rentes ou autres interets regardans immediatement Sa Majeste ou ledit Sieur Prince Electeur de Treves, l'accomodement du differend sera remis a la decision d'Arbitres"8o. Da sich auf diese Weise kein der schiedsrichterlichen Tätigkeit allgemein oder üblicherweise entzogener Bereich ausmachen läßt, muß durch Auswertung der isolierten Schiedsabreden näher bestimmt werden, was dem König von Schweden und dem Kurfürsten von Brandenburg wohl vorschwebte, als sie 1686 ein Schiedsgericht für "controversiae circa limites & alia quaedam negotia" vereinbarten81 . Nicht übergangen werden darf dabei der auf der genannten institutionellen Übereinkunft basierende Kompromiß von 1692/ 9382 , in dem die beiden Herrscher den Kaiser und den König von England in der Frage der Restitution zweier Mühlen und eines Dorfes zu Schiedsrichtern erhoben. Ob es sich hier wie auch bei ihrem Streit von 170383 über ein "furstenflag" benanntes Areal noch um Grenz- oder schon um Gebietsstreitigkeiten handelt, bedarf keiner Entscheidung, weil beide Bereiche wegen ihres inneren Zusammenhangs ohnehin gemeinsam betrachtet werden müssen. Die folgenden Beispiele vermögen einen Eindruck von der Bandbreite dieser wohl größten Gruppe der Streitgegenstände zu geben: - Besitzstand bei der Aufhebung der Blockade von Luxemburg (Vertrag zwischen dem französischen und dem spanischen König 15. August 1684)84 - Besitz von drei Festungen in Übersee (Cromwell/König von Frankreich 1655)85 Spruch vom 20. Januar 1657 bei Dumont Bd. VI, Teil III, S. 154 ff., Zitat S. 156. Parry Bd. 6, S. 465 (Art. VI). 81 Parry Bd. 7, S. 466 (Art. VIII); die Frage wurde oben Teil I: Alloffengelassen. 82 Festlegung des Streitgegenstandes: 9. Juli 1692 (v. Moemer S. 575 f.) und Benennung der Schiedsrichter: 14. Januar 1693 (v. Moemer S. 578 f.) erscheinen in zeitlich weit auseinander liegenden getrennten Verträgen. Die Meinungsverschiedenheit wurde durch den Verzicht des Kurfürsten vom 25. Juni 1694 bereinigt (v. Moemer S. 594 f.). 83 Vertrag zwischen dem König von Schweden und dem inzwischen zum König in Preußen avancierten Kurfürsten vom 29. Juli 1703, Parry Bd. 24, S. 439 ff., Art. VII S.445. 84 Parry Bd. 17, S. 151 ff., Art. VI S. 156. Die Klausel befindet sich schon im Vertrag zur Vermittlung dieses Waffenstillstandes zwischen Frankreich und den Niederlanden vom 29. Juni 1684 (Parry Bd. 17, S. 87 ff., Art. VI S. 93 f.). 85 Vertrag vom 3. November 1655, Art. XXV (Parry Bd. 4, S. 1 ff., S. 12). 79

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- Differenzen um den Kanal von Brugge (Barrierevertrag zwischen dem Kaiser/Spanien, dem König von Großbritannien und den Generalständen der Vereinigten Niederlande 1715)86 - Rückgabe der vier Waldstädte Waldshut, Laufenburg, Seckingen und Rheinfelden (KaiserIKönig von Frankreich 1650)87 - Souveränität von Rochette und den davon abhängigen Gebieten (Vereinigte NiederlandeIFürstbischof von Lüttich 1669)88 - Burg und Herzogtum Bouillon (Streit zwischen den Herzögen und dem Fürstbischof von Lüttich, Vertrag zwischen dem Kaiser und dem König von Frankreich 1679)89 - Lothringische Streitsache (Friede von Münster 1648)90. Einen Sonderfall eines Gebietsstreites, nämlich die Frage, ob der Prinz von Monaco für 1lj12 von Menton und für ganz Roccabruna Lehensmann des Herzogs von Savoyen (König von Sizilien) war, hatten die Beauftragten des Königs von Frankreich und der Königin von Großbritannien 1714 zu entscheiden. Aus dem umfangreichen Schiedsspruch91 geht hervor, daß die Parteien eine Vielzahl von Urkunden und Verträgen vorlegten, die bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts zurückreichten. In einer zweiten Gruppe der Streitgegenstände dienten Verträge nicht nur als Beweis, sondern standen im Zentrum der Auseinandersetzungen. Schiedsrichterliche Entscheidungen konnten die Abkommen von der Entstehungsphase bis zur - unter Umständen erst Generationen später vorgenommenen 86 Vertrag vom 15. November 1715, Parry Bd. 29, S. 333 ff., Art. VII S. 346; bis zum Vertrag der gleichen Partner vom 22. Dezember 1718 war die Angelegenheit noch nicht erledigt, so daß das Gleiche noch einmal vereinbart wurde (Parry Bd. 30, S. 485 ff, S.492). 87 Schiedsspruch vom 29. Juni 1650, Dumont Bd. VI, Teil I, S. 561 f. Schiedsrichter waren die im Reichstag versammelten Stände des Reiches. Die französische Diplomatie versuchte, die Restitution zugunsten des Erzherzogs Ferdinand Karl von der vorherigen Übergabe der Verzichtserklärung des spanischen Königs auf das Elsaß abhängig zu machen. 88 Komprorniß vom 9. Oktober 1669, Parry Bd. 11, S. 245 ff. 89 Friede zu Nimwegen vom 26. Januar/5. Februar 1679, Parry Bd. 15, S. 1 ff., Art. XXVIII S. 14. 90 Dumont Bd. VI, Teil I, S. 450 ff., S. 451. 91 Der Spruch, gedruckt bei Parry Bd. 29, S. 65 ff., geht auf Art. IX des Friedensvertrages zwischen Frankreich und Savoyen vom 11. April 1713 zurück (Parry Bd. 28, S. 123 ff., Art. IX S. 132). Diesen "kleinen, wenig wichtigen Fall zu Beginn des 18. Jahrhunderts" erwähnt Imberg, Kurt Ed.: Die Stellung der Vereinigten Staaten von Nordamerika zur internationalen Schiedsgerichtsfrage. Eine völkerrechtliche Studie. Berlin 1914, S. 7 neben den Einrichtungen der Griechen und den Schiedssprüchen des Papstes im Mittelalter als Vorläufer der modemen Schiedsgerichtsbarkeit. Vgl. auch seinen Aufsatz: Die Schiedsgerichtsverträge der Vereinigten Staaten von Nordamerika bis zur ersten Haager Friedenskonferenz. In: Zeitschrift für Völkerrecht Bd. 7 (1913), S. 272285 und 554 - 569.

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Ausführung begleiten. Die den Vertragsschluß verzögernden Schwierigkeiten unterwarfen die Botschafter der Könige von Frankreich und Spanien am 11. September 1678 der "arbitrage & decision" der Generalstaaten92 , während Gegenstand des Schiedsspruchs der Königin von Großbritannien und der Generalstaaten vom 21. Juni 171293 die Interpretation und Ausführung des Vertrages zwischen dem Kaiser und dem Herzog von Savoyen vom 8. November 1703 war. Anläßlich der Gründung der Kolonie Sacramento durch die Portugiesen kam dem Vertrag von Tordesillas (1494) wieder eine entscheidende Bedeutung zu; daß der damalige Papst beim Zustandekommen dieses Abkommens eine wichtige Rolle gespielt hatte, führte wohl dazu, daß Spanien und Portugal am 7. Mai 1681 einen seiner Nachfolger zur letzten Schiedsinstanz für "les droits de la propriete de cette demarcation" erkoren94 . Die bemerkenswerteste Schiedsabrede des ganzen untersuchten Zeitraums wurde jedoch am 9.119. Februar 1674 in London geschlossen95 : Falls je sechs Beauftragte des Königs von Großbritannien und der Generalstaaten der Vereinigten Niederlande innerhalb von drei Monaten keine Übereinkunft über 1.: einen Schifffahrtsvertrag und 2.: eine gerechte und billige Regelung des Handels, besonders in Ostindien, erzielen könnten, sollte die Sache "ad arbitrium ac dispositionem S. D. Reginae Regentis Hispaniae" überwiesen werden. Die Beteiligten waren sich, wie die Begründung: "quod a mutua & non turbata Commercii ac Navigationis libertate non solum opulentia, sed Pax etiam utriusque Nationis summopere pendet"96 ergibt, über die Bedeutung dieser Überweisung völlig im klaren. Zwar spielte auch innerhalb Europas die Schiedsgerichtsbarkeit in Handelsdifferenzen, dem dritten Schwerpunkt der Streitgegenstände, eine Rolle; das belegt neben dem kaiserlich-polnischen Vertrag von 1677 vor allem der Friede zwischen dem König von Spanien und den Generalstaaten der Vereinigten Niederlande (30. Januar 1648), welcher der vorgesehenen "Chambre my-partie" unter anderem die Überwachung des Handels in den gesamten Niederlanden übertrug, wobei die "Juges en nombre egal" auch Steuern und Abgaben beider Seiten herabsetzen durften97 • Aber einerseits fand diese schon einem ständigen internationalen Gericht angenäherte Form der Streitbeilegung bei den anderen Staaten keine Nachahmung, zum anderen prägte bei den Auseinandersetzungen im Rahmen der Handelspolitik eine Sonderform der Schiedsgerichtsbarkeit das Bild, die - wie schon die ausschließliche Beteiligung der Seehandel und Kolonisation betreibenden Mächte vermuten läßt - vor allem zur Erledigung der außerhalb Europas entstandenen AnsprüDumont Bd. VII, Teil I, S. 365. Parry Bd. 27, S. 291 ff. 94 Parry Bd. 16, S. 81 ff., Art. XIII S. 107 f. Zur Rolle des Papstes bei der Vorbereitung des Vertrages von Tordesillas: Grewe: Epochen S. 273 - 276. 95 Parry Bd. 13, S. 123 ff., Art. VIII (Schiffahrtsvertrag) und IX (Handel) S. 129 f. 96 Parry Bd. 13, S. 129 (Art. IX). 97 Vertrag bei Dumont Bd. VI, Teil I, S. 429 ff., Art. XXI S. 431 f. Siehe auch oben Teil I: All. 92 93

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ehe diente und ohne die der oben erwähnte Kompromiß von 1675 mit dem Ziel der schiedsgerichtlichen Abfassung eines Vertrages nicht erklärt werden kann: die "Generalabrechnung" zwischen den Nationen. Ein Befürworter dieser Methode, sämtliche zwischen den Souveränen und den Untertanen beider Seiten in einem gewissen Zeitraum angeblich entstandenen und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (Ausschlußfrist)98 geltend gemachten Forderungen der Entscheidung von Schiedsrichtern zu unterwerfen, die von den Herrschern gewählt wurden, war Cromwell. Seine Verträge mit den Generalstaaten, Portugal, Frankreich und Schweden99 sollen, teilweise unter Heranziehung zusätzlichen Quellenmaterials, im zweiten Teil der Arbeit ausführlicher behandelt werden. Für die allgemeine Anerkennung dieses Verfahrens spricht die Tatsache, daß nach dem Ende der "Usurpatorenherrschaft" Kar! 11. an diese auch von den anderen Seemächten100 verfolgte Politik anknüpfte lOl , wobei die Ansprüche der Handelskompanien mehr und mehr in den Vordergrund traten. Wenn es trotzdem gerechtfertigt ist, weiterhin von völkerrechtlichen Schiedsverfahren zu sprechen, so deshalb, weil die Herrscher neben der Verabredung des Verfahrens durch die Wahl der Schiedsrichter - in diesem Punkt standen sich die großen Handelskompanien schlechter als einige Privatpersonen im Alpenraum - den bestimmenden Einfluß behielten und sich zudem verpflichteten, nach Treu und Glauben für die schnelle Ausführung des Spruchs zu sorgen, was teilweise bis zur Übernahme einer Bürgschaft für dessen Erfüllung gehen konnte 102 • Indem sie die Rechte 98 Nach Ablauf dieser Frist, die unterschiedlich lang gewählt wurde, durften die Beauftragten die Klage nicht mehr annehmen. 99 Niederlande: Verträge vom 5. April 1654, Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 74 ff., Art. 28 und 30, S. 76 f. und 9. Mai 1655, Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 106; Schiedssprüche vom 31. Juli 1654, Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 85 ff. und 30. August 1654, Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88 ff. Portugal: Vertrag vom 10./20. Juli 1654, Parry Bd. 3, S. 281 ff., Art. XXV S. 293 ff. Frankreich: Vertrag vom 3. November 1655, Art. XXIV und XXV (Parry Bd. 4, S. 1 ff., S. 11 f.). Schweden: Vertrag vom 17. Juli 1656, Art. VII (Parry Bd. 4, S. 127 ff., S. 136). 100 Abkommen (?) zwischen dem König von Portugal und den Generalstaaten vom 20. Oktober 1648, Art. VII (Dumont Bd. VI, Teil I, S. 447 ff., S. 448). Da niederländische Vorschläge und Gegenvorschläge des portugiesischen Botschafters abgedruckt sind, ist der Abschluß fraglich. Beide Seiten stehen der Schiedsgerichtsbarkeit aber positiv gegenüber. - Vertrag der gleichen Staaten vom 6. August 1661, Art. XXV (Parry Bd. 6, S. 375 ff., S. 389 ff.). - Vergleich zwischen dem König von Dänemark und den Generalstaaten, 11. Februar 1666 (Parry Bd. 8, S. 502). 101 Verträge mit den Generalstaaten vom 4./14. September 1662 (Parry Bd. 7, S. 193ff., Art. XV S. 203 ff.) - dieses Abkommen schließt inhaltlich an den Frieden von 1654 an und übernimmt das dort vereinbarte Verfahren, ausgenommen das "Superarbitrium" der protestantischen helvetischen Kantone - und vom 8./18. März 1675 (Parry Bd. 13, S. 355 ff.). Dieser mehrmals, zuletzt 1728 erneuerte Vertrag ersetzte den Komprorniß von 1674 (vgl. Anm. 95). 102 Bürgschaft des portugiesischen Königs und der Generalstaaten im Vertrag von 1661, Art. XXV (Parry Bd. 6, S. 391). - Im Vertrag vom 5. April 1654 konnte Crom-

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ihrer Untertanen wahrten, erfüllten die Regierenden im eigenen Interesse eine ihrer wichtigsten Aufgaben: die Sicherung des Handels als Voraussetzung für Wohlstand und Frieden 103 . Dieses Eigeninteresse wird auch der Grund gewesen sein, weshalb sich der König von Schweden und der Kurfürst von Brandenburg 1698 als Landesherren durch die Vereinbarung eines Schiedsgerichts aus ihren Räten in die Streitigkeiten einschalteten, die bereits über ein Jahrhundert wegen des Niederlagerechts und der freien Schiffahrt zwischen den Städten Altstettin, Stargardt und Frankfurt/Oder schwelten104 • Die Schiedsabkommen über ZöllelOS berühren einerseits noch den Handel, leiten aber andererseits - die meisten Schiedsfälle lassen sich mehreren Gruppen zuordnen - bereits zu dem vierten Schwerpunkt, den Geldforderungen, über. Hier ist der Vergleichsvertrag zwischen dem König von Dänemark und den Generalstaaten vom 1./11. Februar 1666 HJ6 besonders aufschlußreich, nicht nur für die Rolle des Geldes in den internationalen Beziehungen, sondern weil er darüber hinaus eine andere Facette der Verquickung von staatlichem Handeln und wirtschaftlichen Erwägungen sichtbar macht, die schließlich zu einem Schiedsgericht führte. Der König machte gegen die für die Außenbeziehungen zuständigen Generalstaaten107 eine Schadensersatzforderung geltend, die er mit ihm erwachsenen Kosten für Aushebungen begründete. Mit dieser wollte er gegen eine an ihn gerichtete Forderung der Stadt Amsterdam (120.000 Reichstaler) aufrechnen und zudem eine Schuldverschreibung zugunsten der Stände von Holland und Westfriesland (400.000 Reichstaler) in die mit ~en Generalständen vereinbarte Annullierung sämtlicher Forderungen einbeziehen. Deren Deputierte verwiesen ihn jedoch mit dem Argument, "que lesdits quatre cens mil Risdales ne concernent en aucune weIl sogar durchsetzen, daß die Generalstaaten in London wohnhafte zahlungsfähige Männer als Bürgen stellten und sich selbst verpflichteten, die verbürgte Summe als Vertragsstrafe zu zahlen, falls eine Vereinbarung nicht erfüllt würde (Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 77, Art. XXVIII). - Auch nach dem schwedisch-englischen Vertrag von 1656 sollte der König oder Staat bezahlen, dessen Untertanen zur Genugtuung verurteilt würden (Parry Bd. 4, S. 136, Art. VII). 103 Vgl. das Zitat oben Teil I: A 111 3 b). Daß die Interessen der Einzelpersonen nur mittelbar geschützt waren, ergibt sich auch aus der systematischen Einordnung der Schiedsklauseln bei den Bestimmungen zur Förderung des Handels. 104 v. Moerner S. 648 zum Vertrag vom 22. Dezember 1698, Art. 1. 105 Die Differenzen wegen der Erhebung der Zölle und Licenten in der Festung Gennep zwischen den Generalstaaten und dem Kurfürsten von Brandenburg bleiben nach einem Separatartikel der Allianz beider Partner vom 6.116. Februar 1666 dem zwischen Kaiser Kar! V. und Herzog Wilhelm von Jülich/Cleve am 2. Januar 1543 im Erbvertrag vereinbarten Schiedsverfahren unterworfen (Parry Bd. 9, S. 90 f.). 106 Der Vertrag besteht aus mehreren Teilen; im Abschnitt "Pretensions touchant les Dettes" bildet die behandelte Vereinbarung Art. IV der Forderungen des Königs (Parry Bd. 8, S. 488 ff.). 107 Zur Kompetenzverteilung zwischen Provinzständen und Generalständen Lademacher S. 78 ff. Die Zuständigkeit verschiedener Herrschaftsträger konnte, wie man sieht, im internationalen Verkehr vorteilhaft eingesetzt werden.

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maniere la Generalite" an die Inhaber der Schuldverschreibungen und einigten sich hinsichtlich der "contrepretensions" mit ihm, sie ,,3. l'arbitrage & Jugement du Roi de France" zu überweisen. Kurz zuvor hatten sich die Generalstände allerdings nicht gescheut, eine Geldforderung der Stände von Holland gegen den Kurfürsten von Brandenburg (Hofyserische Schuldsache) als politisches Druckmittel zu verwenden, bis auch dieser Anspruch - wiederum aus politischen Gründen - durch einen Kompromiß auf den Großen Rat von Mecheln (1. August 1665)108 schiedsrichterlicher Entscheidung unterworfen wurde. Letztendlich gilt es noch zwei Schiedsabreden in Erbfällen zu erwähnen, deren Einordnung unter "internationale Schiedsgerichtsbarkeit" auf Bedenken stößt. Der Vertrag zwischen König Friedrich IH. von Dänemark und Norwegen, Herzog Friedrich IH. von Gottorp und Graf Anton-Günther von Oldenburg und Delmenhorst (16. April 1649)109 zur Regelung der Nachfolge des Grafen enthält vorbeugend eine Schiedsklausel für mögliche Streitigkeiten des Königs und des Herzogs (Feudalsukzessoren) mit den Allodialerben. Obwohl es um Unstimmigkeiten bei der Nachfolge eines Reichsfürsten geht, kann die Aufnahme in die vorliegende Untersuchung mit der DoppelsteIlung des dänischen Königs gerechtfertigt werden, zumal im zweiten, weit bekannteren Fall der Auseinandersetzung zwischen der Herzogin von Orleans und dem Kurfürsten von der Pfalz Johann Jacob Moser die Tauglichkeit als Beispiel für einen reichsrechtlichen Kompromiß mit der Begründung in Frage stellt: "weil es Inn- und Ausländer betrifft" 110. Anscheinend maß Moser der Vereinbarung, daß "iuxta Leges & Constitutiones Imperii" entschieden werden sollte, weniger Bedeutung bei als dem Ausländerstatus der Schwägerin des französischen Königs, der die rechtliche Beilegung dieses Streits im Rijswijker Frieden (30. Oktober 1696)111 mit dem Kaiser vereinbarte. Da beide Herrscher auch als Schiedsrichter fungierten, in ihren Urteilen aber erwartungsgemäß keine Übereinstimmung zu erzielen vermochten (26. April 1701)112, wies der Papst als Superarbiter am 17. Februar 1702113 die Forderungen der Herzogin bis auf eine bestimmte Geldsumme zurück. Selbst wenn man Mosers Argumentation nicht folgt, darf man das Engagement dieser Souveräne nicht überse~n, die die Angelegenheit auf ihre Ebene hoben 114 .

108 Komprorniß Dumont Bd. VI, Teil 111, S. 41 ff. Zur Vorgeschichte und zur Erledigung der Angelegenheit durch einen Vergleich 1678/79 siehe v. Moerner S. 267. 109 Parry Bd. 1, S. 421 ff., Schiedsverfahren Art. 11, S. 432 f. 110 Von der Teutschen Justizverfassung ... 1744. In: Ders.: Neues teutsches Staatsrecht. Neudruck der Ausgabe 1766 - 1782. OsnabTÜck 1967. Bd. 8,1 1. Hälfte, Erstes Buch, 8. Kapitel, S. 286. m Dumont Bd. VII, Teil 11, S. 423 (Art. VIII) und S. 430 f. (Separatartikel). 112 Dumont Bd. VII, Teil I, S. 6 ff. 113 Dumont Bd. VII, Teil I, S. 98 f.

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c) Die Schiedsrichter

Die im untersuchten Zeitraum vorkommenden Formen der Schiedsgerichtsbarkeit lassen sich auf zwei Grundtypen zurückführen, die uns schon im Mittelalter und ebenso im 19. und 20. Jahrhundert begegnen. Der Unterschied liegt nicht so sehr im Wesen oder der Funktion - "potestas" und "arbitrium" sind in beiden Fällen gleich -, sondern die Einteilung in beauftragte und gebetene Schiedsrichter beruht auf der in der Terminologie zum Ausdruck kommenden Einstellung der Parteien zu ihren Urteilern. Bei eigenen Räten wird in der Regel durch den Terminus "Commissarii" der Auftragscharakter betont, während um eine Entscheidung gebetene Souveräne immer als "arbitri" (Arbitres, Juges) bezeichnet werden. Allerdings ist, wie der gelegentlich gebrauchte und die innere Verwandtschaft beider Typen hervorhebende Ausdruck: "Commissarii aut arbitri"115 verdeutlicht, mit Arbiter nicht ausschließlich ein erbetener Richter gemeint. Daher hilft es in zweifelhaften Fällen meist weiter zu untersuchen, ob die Arbitri wie Kommissare ernannt oder wie fremde Herrscher von den Parteien selbst gewählt werden 116 . Im übrigen ist weniger eine eindeutige Zuordnung aller Klauseln beabsichtigt als vielmehr die Prüfung, ob zwischen den Typen Unterschiede (Eidesleistung, Ablauf des Verfahrens usw.) bestehen, und ob die Vertragsparteien bei bestimmten Problemen eine Vorliebe für die eine oder andere Form zeigten.

114 Wie bei den Handelsdifferenzen bestand ein eigenes Interesse der Herrscher an der Regelung der Angelegenheit. Darin liegt der Unterschied zum Streit des Pfalzgrafen mit seinen Nachbarn im Reich um Wildfang- und sonstige Rechte, der durch einen Schiedsspruch der Könige von Frankreich und Schweden entschieden wurde (Kom promiß 21./31. Oktober 1665, Dumont Bd. VI, Teil III, S. 53 f., Schiedsspruch 7./17. Februar 1667, Dumont Bd. VII, Teil I, S. 10 f.). 115 Unter anderem findet sich diese Bezeichnung im Vertrag zwischen den Generalstaaten und König Kar! 11. von England vom 4.114. September 1662 (Parry Bd. 7, S.193ff., Art. XV S. 204). Der Stewart bezieht sich darin auf die 1654 (von Cromwell ) vereinbarte Regelung, allerdings ohne das "Superarbitrium" der protestantischen Stände der Schweiz (S. 205). In Art. 30 des Abkommens von 1654 (Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 77) ist lediglich von einem "arbitrium" der Eidgenossen die Rede, die bei Uneinigkeit der acht Commissarii entscheiden sollen. In ihrem "laudum & arbitrium" vom 30. August 1654 (Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88 ff.) behalten die Commissarii ihre Bezeichnung bei; erst die Konvention zwischen den Vertragsparteien vom 9./19. Mai 1655 (Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 106) erwähnt, im genannten Art. 30 seien "Commissarii seu Arbitri" ernannt worden, eine Formulierung, die dann in den Vertrag von 1662 eingeflossen ist. 116 Bei beauftragten Richtern findet man die Verben: nominare, deputare, constituere oder commettre, andernfalls eligere oder choisir. Dieses Unterscheidungskriterium gilt allerdings nicht für die Verträge der Eidgenossen. Im Alpenraum ist die Wahl zur Bestellung der Schiedsrichter so fest verwurzelt, daß selbst die Räte des Herzogs von Savoyen als "Deputati" durch "electio" bestimmt werden (Vertrag zwischen dem Herzog und sechs katholischen Orten, 14. April 1651, Parry Bd. 2, S. 353).

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Teil I: A. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Vertragsrecht

aa) Die beauftragten Schiedsrichter Das erste Indiz für beauftragte Schiedsrichter ist formeller Natur: Sie tagen als Kommission, deren Mitglieder je zur Hälfte von den Parteien bestimmt werden. Die Zahl schwankt zwischen einemll7 und sechs118 Delegierten von jeder Seite, meist waren es zwei oder drei. Manchmal konnte oder wollte man sich nicht im Voraus festlegen und vereinbarte die Benennung von "Commissaires en nombre egal"119. Selbst Bestimmungen wie "unus vel plures arbitri" beiderseits120 und "arbitrium bonorum virorum"121 dürfen wegen des deutlich zum Ausdruck kommenden Schiedscharakters und der zugrundeliegenden gesamteuropäischen Tradition 122 dahingehend interpretiert werden, daß die Parteien jeweils die gleiche Anzahl von Richtern berufen sollten. Selbstverständlich bedeutet die Vereinbarung, eine bestimmte Anzahl von Beauftragten ernennen zu wollen, noch keineswegs die Konstituierung einer Schiedskommission, wie überhaupt die positive Feststellung eines einzelnen Merkmals nicht ohne weiteres als Beweis für das Vorliegen internationaler Schiedsgerichtsbarkeit gewertet werden darf. Der Charakter einer Kommission ist stets durch die Gesamtwürdigung aller Umstände zu bestimmen. Auf diese Weise können, bei aller gebotenen Vorsicht, manchmal unklare Vereinbarungen verdeutlicht bzw. fehlende Angaben durch Heranziehung vergleichbarer Abmachungen ergänzt werden. Für den Prüfungspunkt "paritätische Besetzung" läßt sich dieses Vorgehen an drei Verträgen zwischen den Königen von Schweden und Dänemark veranschaulichen. Im Frieden von Kopenhagen (27. Mai 1660) waren beide Herrscher übereingekommen, "de part et d'autre 2 ou 3 Plenipotentiaires" zu bestellen, um "les confins et les limites" abgetretener Gebiete festzulegen 123 . Hier wie bei der zwei Jahre zuvor erfolgten Konstituierung einer gemischten Delegation ("de part et d'autre deux ou 117 Vertrag zwischen Venedig und den Drei Bünden vom 6.117. Dezember 1706, Art. 21 (Parry Bd. 26, S. 23); Abkommen zwischen dem König von England und den Generalstaaten vom 8.118. März 1675 (Parry Bd. 13, S. 355 ff.). 118 Vereinbarung zwischen dem König von England und den Generalstaaten vom 9.119. Februar 1674, Art. IX (Parry Bd. 13, S. 123 ff., S. 130). 119 U.a. Friede zwischen Rußland und der Türkei vom 13. Juni 1700, Art. 7 (Parry Bd. 23, S. 25 ff., S. 29); Vertrag zwischen den Königen von Spanien und Portugal vom 7. Mai 1681, Art. XIII (Parry Bd. 16, S. 107 f.); ebenso für die Chambre my-partie: Friede des spanischen Königs mit den Generalstaaten vom 30. Januar 1648 (Dumont Bd. VI, Teil I, S. 429 ff., S. 431 f.). 120 2. Separatartikel des Friedens zwischen dem König von Schweden und den Generalstaaten, 2.112. Oktober 1679 (Parry Bd. 15, S. 328 f.). 121 Vertrag des Königs von Schweden mit den Generalstaaten vom 15.125. November 1693, Art. III (Parry Bd. 20, S. 350). 122 de Taube bestätigt das Vorkommen schiedsrichterlicher Verfahren in den baltischen (S. 67, Anm. 3) und teilweise in den slawischen Ländern (S. 93), weist jedoch eine mittelalterliche Wurzel in Rußland entschieden zurück (S. 67 ff.). 123 Parry Bd. 6, S. 111 ff., S. 123 (Art. XIV).

III. Das Schiedsverfahren

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trois Commissaires") zur Aufnahme eines Protokolls bei der Übergabe zu teilender Gebiete 124 läßt der auslegungsbedürftige Wortlaut zwei Deutungsmöglichkeiten zu: Entweder ist eine paritätisch besetzte Vierer- bzw. Sechserkommission vereinbart, oder es steht jedem Partner frei, zwei oder drei Leute zu schicken. Bei der Übereinkunft von Roskilde 1658 sprechen weder die dem Vertrag selbst entnommenen Informationen für eine Schiedsabrede - als Zweck der Absprache wird ausdrücklich die Vermeidung neuen Streits durch das Protokoll genannt - noch lassen sich aufgrund einer vergleichenden Betrachtung andere, üblicherweise in Schiedsabkommen vereinbarte Punkte feststellen. Höchstwahrscheinlich wollten daher die beiden Könige lediglich die ungefähre Größe der Kommission festlegen, was wiederum bedeuten würde, daß angesichts des fast gleichen Wortlauts auch 1660 keine Parität ausbedungen wurde. Zwar deutet die Verwendung des Begriffs "pIenipotentiaires" auf eine größere Machtbefugnis der Abgesandten hin, ebenso wie Grenzkommissionen - dies wird noch zu zeigen sein - durchaus mit schiedsrichterlichen Aufgaben betraut sein konnten. Da beide Merkmale aber ebenfalls nicht eindeutig sind, sondern sich sogar häufiger bei reinen Verhandlungsgremien nachweisen lassen, ist auch hier ein sicherer Schluß auf eine Schiedsfunktion nicht möglich. Dagegen scheinen im dritten, fast hundert Jahre später geschlossenen Abkommen von 1751- zu einem Zeitpunkt, in dem Schiedsverfahren aus der europäischen Vertragspraxis verschwunden waren l25 - die Bedingungen erfüllt: Je drei Beauftragte, für deren Entscheidungen grundsätzlich das Mehrheitsprinzip gilt, wurden mit der Absteckung der Grenzlinien beauftragt. Bei näherem Hinsehen ergibt sich jedoch, daß alle Beschlüsse, die ohnehin nur Punkte von geringer Bedeutung betrafen, zusätzlich unter dem Vorbehalt der Billigung durch übergeordnete Grenzkommissare 126 und damit im Belieben jeder Partei standen. Weil sich ein derartiger Vorbehalt bei sonst keinem Schiedsverfahren nachweisen läßt, darf die Übereinkunft von 1751 mit diesen Abkommen nicht auf eine Stufe gestellt werden. Ebenfalls eindeutig ist die paritätische Besetzung der Kommissionen, die in einigen Verträgen des Zaren und des Osmanenherrschers sowohl untereinander127 als auch in solchen mit europäischen Mächten l28 vorgesehen sind. Die Frieden von Roskilde, 26. Februar 1658, Art. X (Parry Bd. 5, S. 34). Sieht man von weitergeltenden Klauseln ab, stellt das Verfahren zwischen den Königen von Großbritannien und Preußen 1729/30 den vorläufigen Endpunkt dar. 126 Vertrag vom 21. September/2. Oktober 1751, § 11 ff. (Parry Bd. 39, S. 280 f.). Bei gleicher Stimmenzahl und geringer Bedeutung des Disputs sollte das Los entscheiden, wobei an die Grenzkommissare zu berichten war. Krankheit und andere Abwesenheit eines Kommissars wirkten sich nicht zugunsten der Gegenpartei aus, "sondern es muß allezeit einer von der anderen Seite der Meinung beyfallen, welche das Decisum werden soll" (§ 12, S. 281). 127 Frieden vom 13. Juni 1700, Art. 7 (Parry Bd. 23, S. 29). 128 Verträge des Zaren mit dem polnischen König: 30. Januar 1667 (Parry Bd. 9, S. 399 ff., Art. XIII: S. 410); 9. April 1672 (Parry Bd. 12, S. 185 ff., Art. XVIII: S. 191 f.); (?)26. April/6. Mai 1686 (Parry Bd. 17, S. 491 ff., Art. XVI: S. 498). 124 125

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Bedenken sind hier prinzipieller Natur, d. h. sie richten sich unmittelbar gegen die Indizwirkung der Parität. Wie de Taube hervorhebt, wurde Rußland von der europäisch-mittelalterlichen Schiedsbewegung nicht erlaßt; es gab lediglich mit der KlarsteIlung einer Grenzlinie betraute "commissions mixtes"129. Ebensowenig kann, soweit ersichtlich, für die islamische Welt eine traditionelle Verbindung von gleicher Delegiertenzahl und richterlichen Befugnissen angenommen werden. Während im innereuropäischen Bereich eine Vermutung für eine derartige Übereinstimmung besteht, die, wie bei der schwedisch-dänischen Vereinbarung von 1751 geschehen, nur durch entgegenstehende Tatsachen entkräftet werden kann, sind bei russischer oder türkischer Beteiligung höhere Anforderungen an den Nachweis richterlicher Funktionen zu stellen. Falls die Vereinbarungen letztendlich aber als Einsetzung schiedsrichterlicher Kommissionen angesehen werden müssen, wäre damit seinerseits ein Anzeichen für die Ausstrahlungswirkung des Jus Publicum Europaeum gewonnen. Unter diesen Voraussetzungen muß die in den Verträgen zwischen dem Kaiser und dem Sultan von Carlowitz 1699 bis Belgrad 1739 enthaltene Bestimmung, daß die "pari numero Commissarii . . . sine exercitu cum aequali pacificarum Comitiva" erscheinen sollten 130I131 , in erster Linie als Ausdruck gegenseitigen Mißtrauens gewertet werden. Dabei richteten die Vertragschließenden ihr Hauptaugenmerk wohl eher auf die Gefolgschaft, denn die Vorschrift über die Begleitung gleicher Anzahl begegnet uns auch in den parallelen Friedensschlüssen der Pforte mit der Republik Venedig (1699, 1718)132, die lediglich mit der Grenzabsteckung betraute Kommissare vorsahen. Dagegen sollte eine in bezug auf die Begleitung ähnliche Klausel im Abkommen zwischen dem Zaren und dem polnischen König von 1672 die Sicherheit der "bini & bini Judices Limitum & Commissarii" garantieren 133 • Mit diesem Ausdruck ist nicht nur ein wichtiges Argument für die richterliche Funktion dieser Beauftragten genannt, sondern bereits der nächste allgemeine PTÜfungspunkt angesprochen: Die Bezeichnung der Schiedsrichter.

Verträge des Sultans mit dem Kaiser: 26. Januar 1699 (Parry Bd. 22, S. 219 ff., Art. XI: S. 228 f.); 21. Juli 1718 (Parry Bd. 30, S. 341 ff., Art. IX: S. 349); 18. September 1739 (Parry Bd. 35, S. 381 ff., Art. XV: S. 405 - 407). 129 de Taube S. 67 ff., besonders S. 69 f. 130/131 Nachweise der drei Verträge oben Anm. 128. 132 26. Januar 1699 (Parry Bd. 22, S. 265 ff., Art. VIII: S. 271 f.); 21. Juli 1718 (Parry Bd. 30, S. 371 ff., Art. V: S. 375). Über die Anzahl der "Commissarii" beider Seiten wird keine Bestimmung getroffen. 133 Die Vorschriften über die Begleitung finden sich lediglich im Vertrag vom 9. April 1672, dessen Art. XVIII (Parry Bd. 12, S. 191 f.) den Art. XIII des Waffenstillstandes vom 30. Januar 1667 (Parry Bd. 9, S. 410) ergänzt und bestätigt. Das Abkommen der beiden Herrscher vom (?)26. Apri1l6. Mai 1686 (Parry Bd. 17, S. 491 ff.) verwendet in Art. 16 nur noch den Ausdruck: "ex utraque parte duo commissarii" (S. 498).

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Die Skala reicht vom häufig gebrauchten Ausdruck CommissariilCommissaires über Deputati 134 , Plenipotentiaires und Ministres 135 bis hin zu Scheydlütenn, Anwälten 136 , Compromissaires 137 , Cognitores 138 , ArbitrilArbitres und Judices/Juges. Jeder Begriff beleuchtet eine andere Facette des Auftragsverhältnisses oder der Tätigkeit. Dagegen liegt, wenn das Abkommen zwischen dem Kaiser und dem polnischen König von 1677 neben Commissarii auch "Consiliarii" zur Kennzeichnung verwendet139 , darin schon ein Hinweis auf den Personenkreis, dem diese beauftragten Schiedsrichter gerne entnommen wurden. Daß Herkunft und Stellung der Räte - in diesem Fall aus den Proceres von Ungarn, Böhmen, Mähren, Schlesien bzw. Polen und Litauen - näher beschrieben werden, ist die Ausnahme. Ihre Eignung wurde allgemein nicht in Frage gestellt, lediglich die Verträge des Kaisers mit dem Sultan (1699, 1718, 1739) verlangen "viri neutiquam avidi, sed graves, probi, prudentes, experti atque pacifici"l40. Ansonsten sind es die Eidgenossen, die in den Allianzen mit fremden Staaten, entsprechend ihren internen Beziehungen, den Schiedsrichtern größere Aufmerksamkeit als üblich widmen. In dem Bündnis der sechs katholischen Kantone mit dem Herzog von Savoyen (1651) wird der Grund deutlich: Zwar werden auch hier die Räte des Fürsten und die Senatoren der Orte als Urteiler bevorzugt, aber es genügte die Fähigkeit zur Bekleidung der Ehrenämter und zur Eidesleistung, die ausreichend bezeugt werden mußte. Wegen eines Verbrechens durfte der Deputierte weder angeklagt noch verurteilt sein. Solche Leute sollten von ihren Oberen in keiner Weise am Rechtsprechen gehindert werden 141 , ja der oft bestätigte Ewige Friede der Eidgenossen und ihrer Verbündeten mit dem König von Frankreich (1516) sah sogar vor, daß "ein fromm und erber man, liebhaber der gerechtigkeyt und go tzforchtig" zur Übernahme des Amtes gezwungen werden konnte 142 . Derartige 134 Allianz des Herzogs von Savoyen mit sechs katholischen Kantonen der Eidgenossen vom 14. April 1651 (Parry Bd. 2, S. 341 ff., S. 352 ff.). 135 Vergleich des Königs von Dänemark mit den Generalstaaten vom 1./11. Februar 1666 (Parry Bd. 8, S. 502 f., Art. VI). 136 Beide Ausdrücke aus dem mehrmals bestätigten "Ewigen Frieden" zwischen dem König von Frankreich und den Eidgenossen samt ihren Verbündeten vom 29. November 1516 (Eidgenössische Abschiede Bd. III, Abt. 2, S. 1406 ff., S. 1411). In dem später ergänzten Teil über die Ansprüche von Privatpersonen ist dann von Juges und Richtern die Rede (Eidgenössische Abschiede Bd. VI, Abt. 1, S. 1653, Art. 18 des Vertrages von 1663). 137 Schiedsvertrag zwischen dem König von England und den Generalstaaten 8./18. März 1675 (Parry Bd. 13, S. 355 ff.). 138 Vertrag zwischen Cromwell und dem König von Portugal vom 10./20. Juli 1654, Art. XXV (Parry Bd. 3, S. 281 ff., S. 293 ff.). 139 Parry Bd. 14, S. 216 ff. 140 Der Wortlaut des Artikels ist in allen Verträgen gleich. Vgl. statt aller: Parry Bd. 22, S. 228 f. 141 Parry Bd. 2, S. 352 ff., S. 353. 142 Eidgenössische Abschiede Bd. III, Abt. 2, S. 1411.

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Zwangsmaßnahmen waren aber nach 1648 wohl nicht mehr erforderlich; da man auf diese Bestimmung ansonsten nicht mehr zurückkommt, standen anscheinend "idonei Judices" (Allianz zwischen ZürichlBern und Venedig 1706)143 in ausreichendem Maße zur Verfügung. Fast noch unergiebiger als in den Angaben über die Richter sind die Verträge für die Frage nach der schiedsrichterlichen Eidesleistung, die traditionell als wesentliches Merkmal derartiger Verfahren angesehen wurde. So erstaunt es nicht, daß wir Auskunft wiederum durch die alten, seit langer Zeit in ihren grundsätzlichen Bestimmungen festliegenden Allianzen der Eidgenossen mit ihren Nachbarn erhalten l44 , während die nicht auf solche Tradition gründenden Abkommen, wie die mit der Republik Venedig von 1706, der Tendenz der Zeit folgen, lediglich knapp und klauselartig das Wahlverfahren der Schiedsrichter und den Ort der Zusammenkunft zu regeln. Daß damit auf die herkömmlichen Elemente nicht verzichtet wurde, belegt ein Beispiel aus der innereidgenössischen Praxis: Obwohl der Badener Friede (1656) zwischen ZürichlBern und Uri, Schwyz, Unterwaiden, Zug und Luzern 145 dazu schweigt, berichten Johann Rudolf Wettstein und Johann Rechsteiner in ihrem in diesem Vertrag vereinbarten Schiedsspruch l46 , daß ihre Oberen sie "nach Gewohnheit und Eydgenössischem Herkommen der Eyds-Pflichten" entbunden und ihnen erlaubt hätten, sich "mit dem gewohnten Richter-Eyd zu beladen". Gleichermaßen bestimmt das Abkommen zwischen dem Kaiser und dem polnischen König von 1677, daß die abgeordneten Räte und eventuell der Arbiter aus den eidlichen Gehorsamspflichten entlassen und "pro administranda Justitia novo consuetoque Juramento"147 verpflichtet werden. Im Art. 28 des Friedens zwischen dem Protector Angliae, Oliver Cromwell, und den Generalstaaten der Vereinigten Niederlande vom 5. April 1654 wird den vier Arbitri vorgeschrieben, daß sie ihren feierlichen Eid, der Verbindung und Beziehung zu den beiden Staaten und dem Nutzen irgendeines Privatmanns zu entsagen, vor den Richtern des höchsten Gerichtshofs der englischen Admiraliät leisten müssen l48 . Ebenfalls eher beiläufig erwähnt der Vertrag zwischen dem Zaren und dem polnischen König von 1672, man sei in der 1667 vereinbarten Grenzregelung bisher noch nicht vorangekommen, obwohl die "JudiParry Bd. 25, S. 407 ff., S. 417 (Art. XXIII). Ewiger Friede mit dem französischen König von 1516 (Eidgenössische Abschiede Bd. 111, Abt. 2, S. 1406 ff., S. 1411); Ewiger Friede zwischen dem König von Spanien und den Drei Bünden vom 3. September 1639 (Eidgenössische Abschiede Bd. V, Abt. 2, S. 2174 ff., Art. 18 S. 2192); Allianz des Herzogs von Savoyen mit sechs katholischen Kantonen vom 14. April 1651 (Parry Bd. 2, S. 341 ff., S. 353). 145 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 130 ff., Art. 11 und IV: S. 131. 146 Dumont Bd. VI, Teil III, S. 154 ff., S. 154. 147 Parry Bd. 14, S. 218. 148 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 76; aus State Papers Bd. LXXI, S. 189 geht hervor, daß auch die im Art. 30 vorgesehenen Kommissare erklären mußten, ohne Rücksicht auf einen der Staaten oder einen Privatmann zu verfahren. 143 144

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ces Limitum ... iam fidem Jurisjurandi ad hoc dederint" - was offenbar eine Selbstverständlichkeit war, da das Ablegen eines Eides in dem vorangehenden Abkommen nicht ausdrücklich gefordert wurde 149 . Weil schließlich die Juges der Chambre my-partie (SpanienJNiederlande 1648/1661) auch einen "serment" gemäß einem von beiden Seiten ausgearbeiteten Formular zu leisten hatten 150 , ist trotz der Schweigsamkeit der übrigen Quellen von einem Eid als Voraussetzung schiedsrichterlicher Tätigkeit auszugehen. Die den beauftragten Schiedsrichtern verliehenen Befugnisse waren von den ihnen gestellten Aufgaben abhängig. Der Vertrag zwischen dem Kaiser und dem polnischen König beschränkt sich weitgehend darauf, den Kommissaren vorzuschreiben, was sie tun müssen: In Kenntnis der Schriftsätze der Parteien sollen sie die Streitenden nochmals zu einer "amicabilis compositio" einladenI51 , jedoch, wenn sie trotz aller Anstrengungen keine Einigung herbeiführen können, "statim ad ferendam Sententiam procedant, ac id quod Juris & Justitiae fuerit, cognoscant & decernant". In diesem klaren Entscheidungsauftrag ist die erforderliche Befugnis mit eingeschlossen; eine besondere Kompetenz wird lediglich für den Fall erwähnt, daß die Parteien es nötig hätten, Zeugen auftreten zu lassen: "tunc ipsi Consiliarii Jurisdictionem suam prorogandi potestatem habeant"152. Prüfen (cognoscere), entscheiden (decernere) und fällen eines Urteils (Sententiam ferre) - damit ist der Kern der schiedsrichterlichen Tätigkeit prägnant umschrieben und zwar, da es sich bei dem zitierten Vertrag um eine umfassende institutionelle Schiedsabrede handelt, hinsichtlich aller möglichen Streitgegenstände. Freilich, wirft man einen Blick auf die isolierten Schiedsvereinbarungen, ist die Konzentration im Bereich der Handelsdifferenzen unverkennbar. Vertrautheit der Schiedsrichter mit der Materie war hier unerläßlich, und der Vielfalt der Aufgaben entsprach die Ausstattung mit Kompetenzen. "Cum plena, integra, absoluta & irrevocabili potestate" waren die acht Mitglieder der englisch - niederländischen Kommission versehen, die am 30. August 1654 ihren Spruch fällten I53 . Ihren von den Vertragsparteien empfangenen Auftrag geben sie selbst einleitend wieder: "Dederunt & concesserunt Nobis Commissariis ita electis plenum, integrum & absolutum imperium & arbitrium, potestatem & autoritatem de & super injuriis & damnis quibuscumque & eorum aliquo discutiendi, decidendi, adjudicandi & (omni quacunque appellatione & revisione remota & penitus exclusa) prout nobis supradictis commissariis aequitati & rationi visum fuerit congruum, finaliter determi149 Vertrag vom 9. April 1672 (Parry Bd. 12, S. 185 ff., Art. VIII S. 191) mit Bezug auf den Waffenstillstand vom 30. Januar 1667 (Parry Bd. 9, S. 399 ff., Art. XIII S. 410). 150 Dumont Bd. VI, Teil I, S. 429 ff., Art. XXI S. 431. 151 Vgl. oben Teil I: A I und 111 2. 152 Parry Bd. 14, S. 217 bzw. oben Teil I: AI. 153 Die auf Art. 30 des Friedens vom 5. April 1654 basierende Entscheidung bei Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88 ff., die nachfolgend zitierte Passage S. 88 rechte Spalte.

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nandi, damnaque respective pro injuriis praedictis liquidandi, declarandi & aestimandi, & reparationern, restitutionem & realem solutionem fieri". Die zur Erledigung der Streitigkeiten notwendige Entscheidungsgewalt (decidere, adjudicare, finaliter deterrninare) wird also ergänzt durch spezielle Befugnisse zum Ausgleich der durch das Unrecht entstandenen Schäden. Die gleiche Machtfülle darf man für die vom Protektor und dem Allerchristlichsten König im Frieden vom 3. November 1655 vorgesehenen Commissarii - drei von jeder Seite - annehmen: "sufficiente Authoritate muniti" sollten sie sein, um über die beiden Teilen und ihren Untertanen seit 1640 wechselseitig zugefügten Schäden und über den Besitz von drei Festungen einschließlich des Inventars in Amerika entscheiden zu können 154 . In Vertrags-, Geld- und Gebietsstreitigkeiten wandten sich die Herrscher lieber an "Arbitres neutres"155, während bei Grenzfestlegungen in der Regel eine paritätische Besetzung der Kommissionen nicht ausdrücklich gefordert wurde. Andererseits sind es neben den Handelsdifferenzen gerade die "metarum & terrninorum ... querelae, grava-· mina & controversiae", in denen nach dem kaiserlich-polnischen Vertrag von 1677 die Commissarii mit ihren Entscheidungskompetenzen zum Einsatz kommen sollten 156 . Geeignet war diese Materie demnach sowohl für Verhandlungs- als auch für Schiedsdelegationen. Der nachfolgende Überblick soll zeigen, daß vor allem die zur Festlegung der Grenzen im Osten und Südosten Europas eingesetzten Kommissionen, was Aufgaben und Befugnisse betrifft, den gesamten Raum zwischen den beiden "reinen" Lösungen abdeckten. Als Einstieg und Beispiel für die westeuropäische Praxis sei willkürlich der Friede von 1659 zwischen den Königen von Frankreich und Spanien herausgegriffen, bei dessen Aushandlung die Plenipotentiaires wegen der Abtretung der Grafschaft Roussillon vor der Notwendigkeit standen, die Pyrenäengrenze neu festlegen lassen zu müssen: "Et pour convenir de la division, seront presentement deputez des Commissaires de part & d'autre, lesquels ensemble de bonne foy declareront quels sont les Monts Pyrenees, qui suivant le contenu en cet article, doivent diviser a l'avenir les deux Royaumes, & signaleront les limites qu'ils doivent avoir"157. Nach den Vorgaben des Vertrages die Grenzführung an Ort und Stelle sichtbar zu machen (convenir, declarer, signaler) den gleichen Auftrag erhielten die Commissarii, die zur Festlegung der Vertrag bei Parry Bd. 4, S. 1 ff., Art. XXIV und XXV S. 11 f. Der Terminus "arbitres neutres" kommt im untersuchten Zeitraum in drei Verträgen vor: Im Vergleich zwischen dem König von Portugal und den Generalstaaten vom 20. Oktober 1648 (Dumont Bd. VI, Teil I, S. 448, Art. VIII: Schadensersatz aus Handeisdifferenzen) und in den Barriereverträgen vom 15. November 1715 und 22. Dezember 1718 zwischen dem Kaiser, dem König von Großbritannien und den Generalstaaten ("differens touchant le canal de Brugges", Parry Bd. 29, S. 346 Art. VIII und Bd. 30, S. 492, Art. 1). Durch die Form der Bestellung: "a choisir de part & d'autre" wurde zusätzlich klargestellt, daß keine Schiedskommission beauftragt werden sollte. 156 Parry Bd. 14, S. 216. 157 Vertrag vom 7. November 1659: Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 264 ff., Art. XLII S.270. 154 155

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Grenze zwischen dem Reich und Frankreich gemäß dem Regensburger Waffenstillstand (1684) vom Kaiser und dem Allerchristlichsten König abgeordnet werden sollten I58 , aber auch diejenigen, deren Aufgabe in der Markierung der neuen Grenze zwischen dem Osmanenreich und den kaiserlichen bzw. den venezianischen Gebieten nach den Verträgen von 1699159 bestand. Wichtig waren im letztgenannten Fall die Festungen, über deren Besitz die Abkommen entschieden hatten: Meist sollten die Kommissare zwischen ihnen gerade Linien ziehen, die dann in einem Halbkreis um die festen Plätze geführt wurden. In der Konvention vom 13. Juni 1700 billigten der Zar und der Sultan der in russischen Besitz übergegangenen Festung Asowebenfalls ein solches Vorfeld mit einem Durchmesser von zehn Reitstunden zu. Zur Abgrenzung wählten die Parteien "en nombre egal des Commissaires intelligents et conciliants"I60, aber weitere für eine Schiedskommission typische Merkmale sind nicht auszumachen, vor allem nicht im Auftrag: "terminer cette affaire dans le plus bref delai" . Schritte in Richtung schiedsartiger Streiterledigung scheuten allerdings beide Herrscher nicht. Nachdem es bereits im russisch-schwedischen Abkommen von 1661 knapp heißt: "Mittantur ... Legati limitanei, per quos omnes de finibus Controversiae decidentur"161, willigte der Zar in den Verträgen mit dem polnischen König in die Abordnung der schon erwähnten "bini & bini Judices Limitum" ein, die nach der Vereidigung eine im Lauf der anhaltenden Streitigkeiten zerstörte und in Vergessenheit geratene Grenze wiederherzustellen hatten l62 . Nach der Übereinkunft von 1667 sollten sie dazu das Zeugnis älterer kundiger Männer einholen. Da fünf Jahre später, von der Ablegung des Eides abgesehen, noch keine wesentlichen Fortschritte zu verzeichnen waren und die Streitigkeiten zunahmen, wurden den Richtern ein bis zwei Zusammenkünfte pro Jahr vorgeschrieben, bei denen sie gemeinsam Grenzverletzungen und -überschreitungen, aber auch Raub- und Mordfälle untersuchen und ahnden sollten l63 . Die verwendeten Ausdrücke: jus dicere, actiones audire, laesae Parti Justitiam administrare, delinquentes coercere lassen keinen Zweifel am Charakter dieser zur Bewahrung ruhiger und sicherer Grenzen eingesetzten Kommission aufkommen, die dieselbe Sicherheit wie die Begleitung einer feierlichen Gesandtschaft genoßI64. Ähnliche wie die eben beschriebenen Zwecke verfolgten der Sultan und der Kaiser 1699, 1718 und 1739 mit den "electi pari numero Commissarii" , die - unabhängig von den 158 Parry Bd. 17, S. 127 ft., Art. 10 S. 132. Zusätzlich sollten sich die Kommissare um die Verwirklichung der Bestimmungen des Vertrages kümmern. 159 Beide Verträge vom 26. Januar 1699. Kaiser: Parry Bd. 22, S. 219ft. Art. V S. 224ft.; Venedig: Parry Bd. 22, S. 265 ff., Art VIII ft. S. 271 ff. 160 Parry Bd. 23, S. 29 (Art. 7). 161 28. Juni 1661, Parry Bd. 6, S. 356 (Art. VI). 162 Verträge vom 30. Januar 1667, Art. XIII (Parry Bd. 9, S. 410) und vom 9. April 1672, Art. XVIII (Parry Bd. 12, S. 191 f.). 163 Parry Bd. 12, S. 191 f. 164 Diese Vorschrift wird 1672 neu aufgenommen.

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mit der Grenzfestlegung betrauten Beauftragten - "ad tollendas penitus quascunque in confiniis super aliquo Articulorum Arrnistitii huius, aut quavis de re imposterum enascentes Controversias, Differentias, aut Discordias" beiderseits abzuordnen waren und die "omnes & singulas huiusmodi Controversias emergentes audiant, cognoscant, decidant & amicabiliter componant"165. Mit den gleichen Worten werden die Funktionen und Befugnisse der paritätischen Schiedskommissionen in Europa umschrieben l66 - der Bogen ist geschlossen. Allerdings: zu dem 1677 zwischen dem Kaiser und dem polnischen König vereinbarten Verfahren besteht noch ein Unterschied. Dort wählten die sechs Commissarii, wenn sie sich auf keinen Spruch einigen konnten, einen "Arbiter" , welcher der ihm gerechter und billiger erscheinenden Meinung beifallen sollte 167 . Eine endgültige Entscheidung, gegen die es kein Rechtsmittel gab, war nach der Theorie somit in jedem Fall gesichert. Dagegen bestimmt der schon erwähnte Art. XLII des Pyrenäenfriedens, daß "selbstverständlich" bei nicht zu überwindender Meinungsverschiedenheit unter den Commissaires die Gründe für deren Ansicht sofort den beiden PIenipotentiaires mitgeteilt werden mußten, die sich darüber dann, ohne daß man zu den Waffen griff, verständigen sollten l68 . Desgleichen war den im türkisch - venezianischen Vertrag von 1699 vorgesehenen Grenzkommissaren bei Uneinigkeit eine Berichtspflicht an ihre "Patroni" auferlegt, welche in ihrem Bemühen um eine friedliche Lösung auf die "officii" der Vertreter des Kaisers, des englischen Königs und der Generalstaaten bei der Pforte zählen durften 169 . War es der selbständigere Charakter der paritätisch besetzten kaiserlich-türkischen Kommissionen, der diese beiden Herrscher im Parallelvertrag eine andere Lösung wählen ließ? Jedenfalls verknüpften sie ihr eigenes Tätigwerden in einer Sache eher mit deren Bedeutung als mit der Uneinigkeit der Beauftragten: "quod si vero Negotia tanti momenti occurent, quae per Commissarios utriusque Partis componi & expediri non possent, tunc ad ambos Potentissimos Imperatores remittantur"170. Allen diesen Klauseln, einschließlich der Übereinkunft des Zaren und des polnischen Königs, die den Fall der Uneinigkeit gar nicht regelt, ist gemeinsam, daß die letzte Entscheidung wieder bei den Auftraggebern lag, 165 1699: Parry Bd. 22, S. 228 f. (Art. XI); 1718: Parry Bd. 30, S. 349 (Art. IX); 1739: Parry Bd. 35, S. 405 - 407 (Art. XV). Obwohl der Vertrag von 1699 im Namen der Heiligsten und Ungeteilten Dreieinigkeit geschlossen wurde und im am gleichen Tag vereinbarten Abkommen des Osmanenherrschers mit Venedig bestimmt wurde, daß die Grenzkommission ihre Arbeit "con l'ajuto d'Iddio" beginnen sollte (Parry Bd. 22, S. 273, Art. XI), darf bezweifelt werden, daß die Mitglieder der paritätischen Kommission wie die russischen und polnischen "Iudices Limitum" einen Eid ablegten. 166 An den Verträgen von 1699 waren zusätzlich der englische König und die Generalstaaten als Vermittler beteiligt, was den "europäischen" Charakter erklären könnte. 167 Parry Bd. 14, S. 217. 168 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 270. 169 Parry Bd. 22, S. 272 (Art. VIII). 170 Parry Bd. 22, S. 228 (Art. XI).

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während 1677 der Spruch der Kommissare, ob er nun einstimmig oder - eventuell erst durch die Stimme des Arbiters - als Mehrheitsentscheidung gefällt wurde, die Parteien band und sofort zur Ausführung gebracht werden mußte. Wenn demnach die weitere Untersuchung ergibt, daß ein endgültiges Urteil der eingesetzten Personen, dessen Zustandekommen durch die Verfahrensvorschriften abgesichert war, nach der Auffassung der Zeitgenossen zu den unverzichtbaren Wesensmerkmalen schiedsrichterlicher Tätigkeit gehörte, müßte der polnisch-russischen und der kaiserlich-türkischen Kommission trotz der aufgezählten Übereinstimmungen mit den Schiedskommissionen dieses Prädikat verweigert werden. Die Bestimmungen für den Fall, daß sich die paritätisch besetzten Gremien in zwei gleich starke Lager spalteten, lassen sich zu drei Gruppen zusammenfassen: Erstens bestand die Möglichkeit zur Ergänzung der Kommission; dabei boten sich als Varianten Bestimmung durch die Parteien, Kooptation und Losverfahren an - siehe unten (a). Zweitens waren aber auch Lösungen ohne Zuziehung weiterer Personen denkbar (b) und drittens konnte man die (noch) strittigen Punkte neutralen Schiedsrichtern unterwerfen (c). (a) Bei der Ergänzung der Kommission kam dem Berufungsverfahren eine besondere Bedeutung zu: ein Problem, das schon im Mittelalter aktuell war, ohne daß man zu einer idealen Lösung gelangt wäre l7l . Entsprechend vielfältig sind die Vereinbarungen. Bei den Streitigkeiten zwischen den Eidgenossen und dem französischen König durfte "der Cleger in der sach des Spans einen fünfften Obmann, doch beydenn partheyen unargwenigenn erwellen", der "ein erber Person" und aus den Räten der Stadt Chur oder der Landschaft des Wallis sein mußte. Von den Parteien gebeten, "sich des handels zu beladen" und von seinen Oberen dazu angehalten - das Amt des Obmanns war wesentlich unbeliebter als das der "Scheydlüt"172 -, schwört auch er, bevor er mit den vier anderen zusammen urteilt, den Eid, beiden Parteien Gerechtigkeit widerfahren zu lassen 173 • Fast an eine Losentscheidung in der Sache selbst174 grenzt 171 Vgl. die verschiedenen Varianten innerhalb der Eidgenossenschaft bei Usteri S. 61 ff. Interessant ist, daß das Losverfahren, welches nach 1648 zumindest subsidiär oft vereinbart wurde, dort erst relativ spät, nämlich von Beginn des 16. Jahrhunderts an, Bedeutung erlangte (Usteri S. 75). 172 Usteri S. 81 und 183 ff. 173 Eidgenössische Abschiede Bd. III, Abt. 2, S. 1411. Das hier herangezogene Wahlverfahren war vor allem im Westen der Schweiz sehr gebräuchlich (später so genannter "burgundischer Wahlmodus" , Usteri S. 66 ff.). 174 Grotius sieht das Losverfahren neben dem Colloquium (Vergleich) und dem Kompromiß als eine der drei Möglichkeiten an, durch die verhindert werden kann, daß Streitigkeiten in Krieg übergehen: De Jure Belli ac Pacis libri tres. Hrsgg. von Walter Schätzel. Klassiker des Völkerrechts Bd. 1. Tübingen 1950, S. 391. In der Praxis des 17. und 18. Jahrhunderts läßt sich das Los vor allem bei der Bestimmung des Obmanns nachweisen, ganz selten für eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. oben Teil I: A III 3 c) aa), Anm. 126).

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die 1639 von den Drei Bünden und dem spanischen König gewählte Variante: "Und wann alsdann gesagte 4 Richter in ihrem Urtheil sich nicht vereinbahren und in gleiche Theile zerführen, in solchem Fall soll man erwählen mit dem Loos einen unter denselbigen (sic) zu ihrem Obmann, welcher also erwählter Oberrichter und Obmann bey seinem Eyd der eintwederen Urthel beyfallen soll und entscheiden, und soll dieser Obmann gleicher Gestalt entlassen seyn seines Eyds und zu diesem Geschäft sonderlich beeydiget werden"175. Durfte man von einem den bisherigen Richtern entnommenen "sopraarbiter" bzw. "soprajudice"176 erwarten, daß er statt seinem unter Eid gefällten Urteil demjenigen der anderen Richter beifallen würde? Denn vor eine solche Entscheidung wurde der Obmann gestellt: Er durfte, wie im einschlägigen Artikel der Allianz zwischen dem Herzog von Savoyen und den katholischen Kantonen 1651 erklärt wird 177 , nicht etwas vom Urteil der Deputati Abweichendes entscheiden, sondern mußte einem der beiden Aussprüche, ohne etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen, zustimmen und einen dem anderen vorziehen. Anders ausgedrückt: Der Obmann tritt in ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren ein, nicht um ein eigenes Urteil abzugeben, sondern um das bessere der ihm vorgelegten zu bestätigen. In diesem Punkt unterscheiden sich der mailändisch-bündnerische "sopraarbiter" von 1639, der savoyisch-innerschweizerische "Assumptus" von 1651, der kaiserlich-polnische "Arbiter" (1677) und der "Judex Supremus" des Abkommens zwischen ZürichlBern und Venedig (1706)178 nicht voneinander, während im Ernennungsverfahren jeder Vertrag eine etwas andere Prozedur vorschrieb. 1651 mußte jeder Teil der Deputati, wenn man sich auf keinen gemeinsamen Kandidaten einigen konnte, zwei untadelige und unparteiische Männer stellen, die alle vereidigt wurden, bevor das Los entschied. 1677 wurde es geworfen, wenn zwei geeignete Personen vorgeschlagen wurden. Offenbar ohne vorherigen Einigungsversuch kam es 1706 - jede Partei hatte einen" vir prudens & neutri parti suspectus aut addictus" zu präsentieren - wie schon 1639 direkt zur Anwendung. Das andere 1706 geschlossene Abkommen zwischen den Drei Bünden und Venedig gibt sich mit der vagen Bestimmung zufrieden, daß bei ungleicher Meinung der Kommissare "ein drittmann von Löbl. Orthen Zürich oder Bern zum Richter erkiest" werden sollte179 . Die Seemächte setzten bei dieser Sachlage auf die Fähigkeit ihrer Commissaires, sich wenigstens über die Person des Hinzuzuziehenden verständigen zu können; wenn nicht, sollte nach dem niederländisch-portugiesischen Friedensvertrag von 1661 bei Stimmengleichheit das Los über den "Superarbiter" entscheiden 18o , wohingegen beim Fehlschlag der Eidgenössische Abschiede Bd. V, Abt. 2, S. 2192 (Art. 18). Diese Bezeichnungen werden in dem an gleicher Stelle gedruckten italienischen Text verwendet. 177 Parry Bd. 2, S. 354. 178 Parry Bd. 25, S. 417 (Art. XXIII). 179 Parry Bd. 26, S. 23 (Art. 21). 175

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Wahl eines "arbitre ou Compromissaire" nach dem Vertrag von 1675 die Sache an die Auftraggeber, den englischen König und die Generalstaaten, zurückging 181 . In beiden Fällen war der Zugezogene jedoch nicht auf die oben beschriebene Rolle beschränkt, zwischen den zur Auswahl stehenden Urteilen entscheiden zu müssen. 1661 läßt sich dies aus der Vorschrift folgern, daß nach der Wahl des Superarbiters "res per eundem unicum praedictis Commissariis resumatur & vel per amicabilem compositionem vel decisione per maiora vota terminetur", während nach der Übereinkunft von 1675 der Arbitre "decidera absolument tout ce qui n'aura pas ete determinee". Damit hatte letzterer die gleiche Machtbefugnis, welche die Vertragspartner ein Jahr zuvor einem neutralen Herrscher, nämlich der Regentin von Spanien zuerkannt hatten182. Vor einer Stellungnahme zu dieser Fallgruppe sollen aber noch die "obmannslosen" Schiedskommissionen behandelt werden. (b) Das originellste Beispiel dieser kleinen Gruppe stellt zweifellos Art. 28 des Friedens zwischen Cromwell und den Generalstaaten dar. Die dort namentlich genannten vier Arbitri hatten die Forderungen englischer Kaufleute zu prüfen, deren Schiffe und Waren während des Krieges auf Betreiben der Niederländer in Dänemark zurückgehalten worden waren. Zur Feststellung der Gesamtschadenssumme wurde ihnen der 1. August 1654 als letzter Termin gesetzt - mit der Drohung, sie nach Ablauf der Frist bis zu einer Einigung abgesondert von allen anderen in ein Zimmer einzusperren "absque foco, candela, cibo, potu aliove sustentacolo" 183. Kein Wunder, daß angesichts solcher Bedingungen der Spruch vom 31. Juli datiert 184 ! Trotz dieses Erfolges fand die Klausel keine Nachahmung, nicht einmal bei den Vertragspartnern selbst, als das im 30. Artikel desselben Vertrages vorgesehene Verfahren nicht den gewünschten Verlauf nahm. Zwar fällten die in London tagenden Kommissare am 30. August 1654 fristgerecht einen umfangreichen Spruch 185 , der aber nicht alle strittigen Punkte bereinigte. Die für diesen Fall als weitere Schiedsinstanz vorgesehenen helvetischen protestantischen Kantone kamen jedoch der Bitte, innerhalb von sechs Monaten ihre Beauftragten zu benennen und einzusetzen, nicht nach. Das ergibt sich aus einem neuen Abkommen Cromwells mit den Generalstaaten vom 9. Mai 1655 186 , in dem die Parry Bd. 6, S. 391 (Art. XXV). Parry Bd. 13, S. 358. 182 Parry Bd. 13, S. 129 f. (Art. VIII und IX). 183 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 76. Die (West-)Schweizer kannten als Mittel gegen säumige Schiedsrichter samt dem Obmann das sogenannte Einlager, d. h., die Urteiler hatten sich nach Ablauf der ihnen gesetzten Frist auf eigene Kosten an einem von den Parteien bestimmten Ort aufzuhalten, bis der Spruch gefällt war (Usteri S. 108 ff.). Die 1654 gewählte Lösung erinnert eher an das 1274 von Gregor X. für die Papstwahl eingeführte Konklave. 184 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 85 ff. 185 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88 ff. 180 181

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Vertragspartner ihren Entschluß kundtaten, für die unerledigten Sachen das in London durchgeführte Verfahren mit denselben oder anderen Commissarii in Amsterdam fortzuführen. Im Vertrag vom 4./14. September 1662 - in England war mit Karl 11. die Monarchie wiederhergestellt worden - wird für die vorgesehene paritätische Kommission 187 hinsichtlich der Instruktion und der Kompetenzen der "Commissarii aut Arbitri" sowie des einzuhaltenden Verfahrens ebenfalls auf Art. XXX des Friedens von 1654 verwiesen. Sowohl 1655 als auch 1662 wurde indes das "Superarbitrium" der Eidgenossen ausdrücklich abbedungen, ohne daß eine andere Regelung an dessen Stelle gesetzt worden wäre. Unerledigte Streitsachen blieben somit, da nur die innerhalb der dreimonatigen Frist ergangenen Urteile bindend waren, einer weiteren Übereinkunft der Parteien überlassen, wie sie für den Fall des Scheiterns der im Abkommen Cromwells mit dem schwedischen König vom 17. Juli 1656 vorgesehenen obmannslosen paritätischen Schiedskommission von Anfang an geplant war l88 • Damit ist die oben gestellte Frage, ob die Zeitgenossen auch dann noch eine Schiedskommission annahmen, wenn bei nicht zu überwindender Uneinigkeit der Kommissare und Richter der Rückfall der Streitigkeit an die Parteien ausdrücklich oder konkludent vorgesehen war, positiv beantwortet. Für die polnisch-russischen "Judices Limitum" von 1667/72 und die kaiserlich-türkischen Kommissionen von Carlowitz, Passarowitz und Belgrad bedeutet dies, daß als letzter Punkt zu klären bleibt, ob es schadet, daß für ihre Entscheidungen die bindende Wirkung für die Vertragsparteien nicht explizite vorgeschrieben ist. Eine solche Bestimmung gehört tatsächlich zu den immer wiederkehrenden Elementen etwas ausführlicherer Schiedsabreden, meist ergänzt durch den ausdrücklichen Ausschluß jedes nur denkbaren Rechtsmittels 189 • Allerdings ist bei einer weiteren wichtigen obmannslosen Schiedskom186 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 106. Im Public Record Office London findet sich weder bei den Verträgen (State Papers 108) noch bei den Treaty Papers (S.P. 103/46) oder den allgemeinen Akten (S.P. 84/159, 160 Holland; S.P. 96/6 Schweiz) ein Hinweis auf diesen Vertrag. Lediglich in "An indexed catalogue of treaties, made by Sir Joseph Williamson", 1677, ist er verzeichnet (S.P. 9/132, S. 322), wobei der entsprechende Vermerk - in früheren Katalogisierungsversuchen erscheint er noch nicht - offenbar erst nach dem Erscheinen von Aitzema, Lieuwe van: Saken van Staet en Oorlogh. 6. Bde. s'Graven-hage 1669 - 1672. nachgetragen wurde (andere Handschrift). Das dort in Bd. 3, S. 1157 abgedruckte Dokument trägt die Unterschrift der englischen Unterhändler Nath. Fines und W. Stricklandt, während bei Birch, Thomas: A collection of the State Papers of John Thurloe. Vol. 111. London MD CCXLII , S. 427 unter der Überschrift "A paper of Nieuport, the Dutch embassador in England" das von diesem unterzeichnete Exemplar zu finden ist. 187 Vertrag bei Parry Bd. 7, S. 193 ff, Art XV S. 203 ff. 188 Vertrag bei Parry Bd. 4, S. 127 ff., Art VII S. 136. 189 In den Cromwellschen Verträgen ist der Verzicht auf Rechtsmittel lediglich im Abkommen mit dem portugiesischen König (Art. XXV, Parry Bd. 3, S. 295) niedergelegt. Trotzdem darf daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß die Entscheidungen in den anderen Fällen anfechtbar gewesen wären: In keinem der überprüften Abkommen ist eine solche Möglichkeit vorgesehen oder auch nur erwähnt, so daß die abschließende Entscheidung der Richter als ein Wesensmerkmal der damaligen Schiedsgerichtsbarkeit angesehen werden muß.

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mission, der 1648 geschaffenen niederländisch-spanischen Chambre my-partie l90 , für die "Sentences & Dispositions" der Juges die Bindungswirkung zu Lasten der vertragschließenden Parteien ebenfalls nur indirekt durch die Vorschrift festgelegt, daß die "Juges ordinaires" als Exekutionsorgane walten. Da zudem in den polnisch-russischen und den kaiserlich-türkischen Verträgen deutlich der Wille der Parteien zum Ausdruck kommt, gerade durch die Entscheidungen der Kommissionen die beiderseits gewünschte Ruhe und Sicherheit an den Grenzen herzustellen, ist das letzte Bedenken gegen die schiedsrichterliche Funktion dieser Gremien ausgeräumt. (c) Als dritte Möglichkeit, das Dilemma einer in zwei gleiche Lager gespaltenen Schiedskommission zu beseitigen, war die Überweisung der unentschieden gebliebenen Sachen an einen neutralen Schiedsrichter besonders bei den Seemächten beliebt. Sah der englisch-niederländische Vertrag von 1654 in Art. XXX ein "Judicium & Arbitrium" der protestantischen eidgenössischen Kantone vor, einigte man sich zwanzig Jahre später auf "the most serene Lady the Queen regent of Spain"191. Mit dem französischen König vereinbarte Cromwell 1655 für den Fall der Erfolglosigkeit ihrer sechs Beauftragten ein arbitrium der Stadt Hamburg, wobei sogar Vorsorge für das Scheitern beider Verfahren getroffen wurde l92 . Spanien und Portugal suchten hingegen 1681 in der Auseinandersetzung um die Rechte aus dem Vertrag von Tordesillas (1494) anläßlich der Gründung der Kolonie Sacramento erneut im Papst, dessen damaliger Vorgänger wesentlich am Zustandekommen des Abkommens beteiligt gewesen war, die letzte Instanz193 . Ergänzt wird diese Gruppe durch die institutionelle Schiedsklausel des kaiserlich-französischen Abkommens von 1671, die auf die "Arbitres nommez de chaque cöte en pareil nombre" bei Erfolglosigkeit einen "Arbitre choisi par les deux Parties" folgen läßt 194 . Wie gering die äußerlichen Unterschiede zwischen den eben beschriebenen zweistufigen Schiedsverfahren und der Bestellung eines Schiedsrichters für den Fall des Scheiterns bilateraler Verhandlungen sein konnten, zeigt der Vergleich mit zwei Vereinbarungen der Könige von Spanien und Frankreich. Im Pyrenäenfrieden (1659) versprach man, bis dahin nicht ausgeführte Punkte der Verträge von 1559 und 1598 sowie bestimmte Grenzstreitigkeiten der bindenden Entscheidung noch zu wählender Arbitres zu unterwerfen 195 , während im Streit um 82 Herrschaften, die Frankreich als von den ihm in Aachen und 190 Vertrag vom 30. Januar 1648, Dumont Bd. VI, Teil I, S. 429 ff, Art. XXI und XXII S. 431 f. 191 1654: Dumont Bd. VI, Teil II, S. 77; 1674: Parry Bd. 13, S. 129 f. (Art. VIII, IX). 192 Parry Bd. 4, S. 11 f. (Art. XXIV, XXV). Hier wie auch in dem Vertrag mit dem schwedischen König von 1656, wo gar kein Oberschiedsrichter mehr benannt wurde, haben sicherlich die schlechten Erfahrungen mit den Schweizern, die sich als Vermittler angeboten hatten, eine Rolle gespielt. 193 Parry Bd. 16, S. 107 f. (Art. XIII). 194 Parry Bd. 12, S. 55 (Art. 11). 195 Art. CIX und CX: Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 278 f.

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Nimwegen abgetretenen Gebieten abhängig ansah, im Frieden von Rijswijk 1697 "la derniere Decision au Jugement des Seigneurs Etats Generaux des Provinces-Unies" überantwortet wurde 196 • In beiden Fällen sollten jedoch vorher "Commissaires de part & d'autre" versuchen, eine direkte Einigung zustande zu bringen - die Betonung des Verhandlungsauftrages ("convenir") und die fehlende Bestimmung für eine paritätische Besetzung läßt erkennen, wie viel den Parteien an einer Lösung "a l'amiable" gelegen war197 • Wie die Einigung innerhalb der Delegation, die am 3. Dezember 1699 erzielt werden konnte 198 , belegt, erschien dann zu den Verhandlungen doch die gleiche Anzahl Beauftragter - zwei und zwei. Ein äußerer Unterschied zwischen Verhandlungs- und Schiedskommission ist in diesem Fall nicht zu erkennen, die Grenzen scheinen verwischt. Indes: Im Vertrag von 1677 waren sich der Kaiser und der polnische König der unterschiedlichen Funktion sehr wohl bewußt, wenn sie derselben paritätisch besetzten Kommission nacheinander ein Vergleichs- und ein Schiedsverfahren vorschrieben. Auch die Herrscher von Spanien und Frankreich wollten 1659 und 1697, sofern notwendig, beide Verfahren, allerdings verteilt auf eine Kommission (Vergleichsphase) und neutrale Arbitres (Schiedsphase). Erst mit dem in den Friedensverträgen in Aussicht gestellten Kompromiß sollte die Schwelle zur Schiedsgerichtsbarkeit überschritten werden, während die oben behandelten Abkommen der Seemächte - und das ist der wesentliche Unterschied trotz gleicher äußerer Form - schon mit der Kommission die Schiedsphase beginnen lassen, der gleiche Kompromiß demach nur eine weitere Stufe derselben Verfahrensart darstellt. Soweit ersichtlich, hatte die Art des "Vorverfahrens" jedoch keinen Einfluß auf die Tätigkeit der gebetenen Schiedsrichter. bb) Die erbetenen Schiedsrichter In ungefähr zwei Drittel der unter diesem Gesichtspunkt zusammengefaßten Vereinbarungen einigten sich die Vertragspartner schon in der Schiedsabrede auf einen oder mehrere Souveräne, trafen also zwei sachlich zusammenhängende, aber voneinander unabhängige Entscheidungen. Das Beispiel der französisch-spanischen Friedensverträge von 1659 und 1697 mag dies verdeutlichen: Nach beiden Abkommen sollten die von den Kommissionen nicht freundschaftlich beigelegten Streitigkeiten durch Schiedsrichter entschieden werden. Während deren Bestimmung auf der Fasaneninsel aber noch hinausgeschoben wurde ("il sera convenu d'Arbitres")l99, ist in Rijswijk die Wahl Art. X: Parry Bd. 21, S. 460 f. Im Frieden von Rijswijk wird dieses Bestreben durch den Vorbehalt: "sans prejudice neanmoins aux Ambassadeurs Plenipotentiaires desdits Seigneurs Rois T.C. & Catholique, d'en convenir autrement entr'eux a l'amiable" im Anschluß an die Schiedsrichterbestellung noch unterstrichen: Parry Bd. 21, S. 460 f. 198 Parry Bd. 22, S. 395 ff. 1% 197

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bereits auf die Generalstaaten der Vereinigten Provinzen gefallen ("que lesdits Seigneurs Rois ont reciproquement consenti de prendre pour Arbitres")2oo. Im Fall einer institutionellen Schiedsabrede geht den beiden Vereinbarungen sogar noch eine weitere voran, wie der König von Schweden und der Kurfürst von Brandenburg durch Abschluß dreier Verträge geradezu lehrbuchhaft demonstrieren: Unter Hinweis auf die 1686 getroffene Übereinkunft, alle das Bündnis gefährdenden Unstimmigkeiten notfalls durch Schiedsrichter ausräumen zu lassen, entschlossen sich die beiden Fürsten sechs Jahre später zu einem Schiedsverfahren in der strittigen Frage, ob Marsdorf und zwei Mühlen von Gollnow abhängige Gebiete und darum zu restituieren seien. 1693 trafen sie dann die personelle Entscheidung, indem sie sich auf den von Schweden gewünschten Kaiser und den König von England einigten, den Brandenburg benannt hatte 201 . Erst mit der Einigung auf bestimmte Schiedsrichter, die noch Gelegenheit zu einer abschließenden Festlegung gewünschter Verfahrensvorschriften bot, waren alle notwendigen Abreden getroffen. Danach hing der Beginn des Verfahrens nur noch von eventuell vereinbarten Bedingungen ab; häufig wurden als Voraussetzung die Erfolglosigkeit von Verhandlungen oder das Verstreichen einer Frist genannt. In der Regel waren die Parteien zu einer Einigung auf Richter allerdings vertraglich verpflichtet. Nach den institutionellen Schiedsklauseln sollte das Ziel, die Verhinderung gewaltsamer Auseinandersetzungen, bei gescheiterten Einigungsversuchen ja gerade durch die Einschaltung von Schiedsrichtern erreicht werden. Zwar läßt die Formulierung im kaiserlich-französischen Vertrag von 1671: "Arbitres nommez de chaque cöte en pareil nombre"202 die Frage offen, ob es sich um Commissaires oder fremde Herrscher handeln sollte, aber der für den Fall ihrer Uneinigkeit durch beide Parteien zu wählende Arbitre gehörte sicherlich zur Kategorie der Souveräne. Da zudem die schwedisch-brandenburgische Regelung zeigt, daß es sich bei den von den Parteien in gleicher Anzahl ernannten Schiedsrichtern nicht um von ihnen abhängige Personen handeln mußte, dürfen in den "Arbitres" des Abkommens zwischen dem französischen König und dem Kurfürsten von Trier 16612°3 bzw. in den "Arbitres" des kaiserlich-spanischen Vertrages von 1725204 durchaus erbetene Schiedsrichter gesehen werden. Aber auch bei isolierten Schiedsvereinbarungen ohne sofortige Bestimmung der Juges oder Arbitres stand die Benennung nicht mehr im Belieben der Vertragspartner. In der Übereinkunft zwischen den GeneralstaaDumont Bd. VI, Teil 11, S. 278 (Art. CX). Parry Bd. 21, S. 460 (Art. X). 201 Vertrag vom 10. Februar 1686 bei Parry Bd. 17, S. 461 ff., Art. VIII S. 466; Regest des Vergleichs vom 9. Juli 1692 bei v. Moerner S. 575 f. und des Nebenrezesses vom 14. Januar 1693 bei v. Moerner S. 578 f. 202 Parry Bd. 12, S. 55, Art. 11. Form der Abrede und der Gebrauch von "nommer" sprechen für Beauftragte. 203 Parry Bd. 6, S. 465. 204 Parry Bd. 32, S. 54 (Art. XI). 199

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ten und dem Kurfürsten von Köln als Fürstbischof von Lüttich 1669205 sowie in der des Kaisers und des französischen Königs bezüglich der Streitigkeit der Herzöge von Bouillon mit dem Lütticher Bischof im Nimwegener Frieden (1679)206 wird für die Präsentierung der Unparteiischen eine Frist von drei Monaten gesetzt. Das Fehlen solcher verfahrenssichernder Vereinbarungen mindert den Wert einer Schiedsabrede; so ist es nicht verwunderlich, daß die Einigung auf "Arbitres neutres" in den Differenzen um den Kanal von Brugge aus dem Barrierevertrag vom 15. November 1715 zwischen dem Kaiser, Großbritannien und den Niederlanden am 22. Dezember 1718 wiederholt werden mußte207 . Ebensowenig sieht der Vergleich zwischen dem portugiesischen König und den Generalstaaten vom 20. Oktober 1648 einen Zeitplan für die zwei bzw. drei neutralen Schiedsrichter vor - aber in diesem Fall ist es schon fraglich, ob der Vertrag überhaupt zustandegekommen ist208 . Dies steht zwar beim Frieden von Münster zwischen dem Kaiser und Frankreich fest; die Bestimmung: "Controversia Lotharingica vel Arbitris utrinque nominandis submittatur, vel Tractatu Gallo-Hispanico, vel alia amicabili via componatur"209 gleicht jedoch in ihrer weiten Fassung eher einer programmatischen Aussage als einer bindenden Schiedsabrede. Wer aber waren nun die Schiedsrichter, an welche die Parteien bei ihren Vereinbarungen dachten? An der Spitze der Beliebtheitsskala stehen mit fünf Berufungen (seit 1684) die englischen Herrscher, gefolgt vom französischen König (4), der sich gern selbst einsetzte, den Generalstaaten (3), Kaiser und Papst (je 2) sowie verschiedenen Mächten, die nur einmal um eine Entscheidung angegangen wurden. Mit der Republik Hamburg - 1655 von Cromwell und dem französischen König gewählt210 - und den Herzögen von Braunschweig-Wolfenbüttel und Sachsen-Gotha - "Arbitres et Mediateurs" im Streit zwischen König Georg 11. von Großbritannien und König Friedrich Wilhelm I. von Preußen 1729/30211 - stehen einzelne Reichsstände auf der Liste, während 1650 die Gesamtheit der Stände des Reiches, ihre Legaten und Deputierten einem Streit zwischen dem Kaiser und dem französischen König durch ihren Schiedsspruch ein Ende setzten212 . Allgemein darf davon ausgeParry Bd. 11, S. 249. Parry Bd. 15, S. 14 (Art. XXVIII). 207 Parry Bd. 29, S. 346 (Art. XXVII) und Bd. 30, S. 492 (Art. 1). 208 Bei Dumont Bd. VI, Teil I, S. 447 ff. ist ein niederländischer Vorschlag und eine die einzelnen Artikel kommentierende portugiesische Antwort abgedruckt. Bei Art. VII (S. 448) lehnt der portugiesische Botschafter zwar das konkret vorgeschlagene Verfahren, nicht jedoch eine umfassende Schiedsabrede ab. 209 Dumont Bd. VI, Teil I, S. 45l. 210 Vertrag vom 9. November bei Parry Bd. 4, S. 1 ff., Art. XXIV und XXV S. 11 f. 211 Die preußische Deklaration bei Loewe, Staatsverträge Friedrich Wilhelms 1., S. 392 mit dem Hinweis, daß von seiten Hannovers eine entsprechende Deklaration ausgestellt wurde (S. 391). 212 Dumont Bd. VI, Teil I, S. 561 f. 205

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gangen werden, daß jeder Souverän als Schiedsrichter fungieren konnte. Gewählt wurden auch regierende Fürstinnen, Königin Anna von Großbritannien 1712/13 gleich dreima12 13 . Indem England und die Niederlande 1674 ein arbitrium der "S. D. Regina Regens Hispaniae" wünschten, übergingen sie den kränklichen König Karl II.214. Selbst bei Heranziehung anderer Schiedsrichter blieben die Herrschaftsverhältnisse nicht ganz außer Betracht: Als die Generalstaaten und der Kurfürst von Brandenburg sich 1665 in der Hoefyserschen Schuldsache dem "Urtheil und Ausspruch des großen Raths zu Mecheln" unterwarfen - er sollte "urtheilen, als ob die Partheyen natürliche Unterthanen des Königs in Spanien und dem Urtheil gedachten großen Raths unmittelbar unterworffen wären"215 -, verpflichteten sie sich außerdem, den Gubernator der spanischen Niederlande von dem Komprorniß zu benachrichtigen und ihn zu ersuchen, dem Rat die Übernahme der Angelegenheit und deren bevorzugte Behandlung zu befehlen216 . Letzteres war anscheinend der tiefere Grund solchen Vorgehens, denn daß der Rat für sein Tätigwerden einer Genehmigung bedurft hätte, läßt sich dem Vertrag nicht entnehmen. Damit steht aber fest, daß die Schiedsrichterrolle nicht auf die Souveräne bzw. ihre Beauftragten beschränkt war. Das Abkommen zwischen dem König von Dänemark, dem Herzog von Gottorp und dem Grafen von Oldenburg und Delmenhorst (16. April 1649) sieht als eine Variante die Versendung der Akten statt an drei "arbitri sive compromissarii" an zwei oder drei Juristenfakultäten vor2l7 , und Portugal und die Generalstaaten hielten es 1669 sogar für nötig, ausdrücklich zu erwähnen, daß ihr erwählter Schiedsrichter "non pas comme Ambassadeur d' Angleterre, mais comme Chevalier Temple" tätig werden sollte218 . Die schon bei den Kommissionen festgestellte Vielfalt der Erscheinungsformen läßt sich ebenfalls bei den erbetenen Schiedsrichtern beobachten. Dem liegt allgemein die Bevorzugung einvernehmlicher Streitbeilegung gegenüber autoritärer (Mehrheits-)Entscheidung zugrunde, wenn und soweit sich 213 Am 21. Juni 1712 fällten die Gesandten der Königin und die der Generalstaaten einen Spruch in den Streitigkeiten zwischen dem Kaiser und Savoyen (Parry Bd. 27, S. 291 ff.) und am 11. April 1713 in Utrecht wurde die Monarchin sowohl im französischniederländischen (Parry Bd. 28, S. 37 ff., Art. IX S. 46) als auch im französisch-savoyischen Vertrag (Parry Bd. 28, S. 123 ff., Art. IX S. 132) als Arbitre genannt. 214 Vertrag vom 9./19. Februar 1674, Art. VIII und IX (Parry Bd. 13, S. 123 ff., S. 129 f.). 215 Dumont Bd. VI, Teil III, S. 41. 216 Dumont Bd. VI, Teil 111, S. 42 rechte Spalte. 217 Vertrag bei Parry Bd. 1, S. 421 ff., die institutionelle Schiedsklausel mit drei Wahlmöglichkeiten S. 433 Art. 11. 218 Zitat bei Reibstein: Europäisches Öffentliches Recht S. 397, der leider seine Quelle verschweigt; bei Parry ist die Vereinbarung nicht abgedruckt. Die Formulierung erinnert an den berühmtesten mittelalterlichen Schiedsvergleich, durch den Papst Bonifaz VIII. am 14. Juni 1298 von den Königen von Frankreich und England als Privatperson zum Schiedsrichter bestellt wurde; siehe dazu etwa Grewe: Epochen S. 120.

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die Verständigung in einem noch annehmbaren zeitlichen Rahmen herbeiführen läßt. Im Spannungsfeld zwischen diesen Polen muß, je nach Beschaffenheit und Dringlichkeit der Angelegenheit, die individuelle Lösung gesucht werden. Bei den Mischformen: Kommission/(Ober-)Schiedsrichter übernimmt· das Gremium das Ausloten aller Einigungsmöglichkeiten, während vom Arbitre, falls ihm nicht doch noch eine Vermittlung gelingt, ein streitentscheidendes Urteil erwartet wird. Treten erbetene Schiedsrichter an die Stelle der Kommission, ist die Aufgabenverteilung kaum anders. Der Papst beispielsweise sollte sowohl beim Mißerfolg der paritätisch besetzten spanischportugiesischen Kommission219 wie auch nach einem zwiespältigen Urteil der Arbitri in der Causa Successionis Palatinae, des Kaisers und des französischen Königs220 , tätig werden. Aber nicht nur Einzelpersonen trug man die Würde eines Superarbiters an, auch genossenschaftlich organisierte Gemeinwesen wurden als geeignet angesehen. Es mag Zufall sein, daß sie mit der Wahl der protestantischen Kantone der Eidgenossenschaft 1654221 und der Stadt Hamburg 1655222 - die Schweizer hatten aus religiösen Gründen eine Vermittlung angeboten223 , die Hansestadt war fachlich hochqualifiziert - fast ebenso oft als letzte Instanz im gestuften Schiedsverfahren angerufen wurden wie die Monarchen. In den seltenen Fällen, in denen man sich direkt auf einen Einzelschiedsrichter einigte, ist das Verhältnis für die Fürsten, die hier mit den Generalständen der Vereinigten niederländischen Provinzen zu konkurrieren hatten, etwas günstiger, entspricht aber bei weitem noch nicht ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit und ihrer politischen Vormachtstellung. Nimmt man hinzu, daß 1649 Juristenfakultäten, 1650 die Reichsstände und 1665 der Rat von Mecheln um ein Urteil gebeten werden sollten224 und etwa seit der JahrVertrag vom 7. Mai 1681, Art. XIII (Parry Bd. 16, S. 107 f.). Friede von Rijswijk 30. Oktober 1697, Art. VIII und Separatartikel (Dumont Bd. VII, Teil 11, S. 423 und 430); Sententia duplex Arbitralis vom 26. April 1701 (Dumont Bd. VIII, Teil I, S. 6 ff.); Sententia Super-Arbitralis vom 17. Februar 1702 (Dumont Bd. VIII, Teil I, S. 98 f.). Ein weiterer Schiedsrichter war auch vorgesehen im Vergleich zwischen dem portugiesischen König und den Generalstaaten vom 20. Oktober 1648, Art. VII (Dumont Bd. VI, Teil I, S. 448) und in der Vereinbarung zwischen dem Kaiser und dem König von Frankreich vom 1. November 1671, Art. 11 (Parry Bd. 12, S. 55). 221 Friede vom 5. April 1654 zwischen Cromwell und den Generalstaaten, Art. XXX (Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 77). 222 Friede vom 3. November 1655 zwischen Cromwell und dem König von Frankreich, Art. XXIV und XXV (Parry Bd. 4, S. 11 f.). 223 Wie zögernd man dabei zu Werke ging, geht aus den Protokollen der Konferenzen der evangelischen Orte vom 19. Januar und 7. April 1653 hervor (Eidgenössische Abschiede Bd. VI, Abt. 1, S. 142 und 160). 224 Vertrag zwischen dem König von Dänemark, dem Herzog von Gottorp und dem Grafen von Oldenburg und Delmenhorst 16. April 1649, Art. 11 (Parry Bd. 1, S. 432f.); Schiedsspruch der Reichsstände vom 29. Juni 1650 zwischen dem Kaiser und dem französischen König (Dumont Bd. VI, Teil I, S. 561 f.); Komprorniß der Generalstaaten und des Kurfürsten von Brandenburg vom 1. August 1665 (Dumont Bd. VI, Teil 111, S. 41 ff.): der Rat von Mecheln fällte mehrere Urteile (v. Moerner S. 267 f.). 219 220

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hundertwende die Fürsten nur noch in "Zweiergespannen" gewählt wurden225 - was wie bei der Ernennung von Kommissaren den Vorteil hatte, daß jede Partei "ihren" Schiedsrichter bestimmen konnte -, wird die tendenziell zunehmende Unbeliebtheit der einzelnen Person als Schiedsrichter vollends deutlich. Dabei wurde von den ersuchten Schiedsrichtern nur selten ein persönlicher Einsatz erwartet. Standen Handelsdifferenzen zur Debatte, beschränkte sich ihre Mitwirkung auf die Abordnung von Beauftragten, deren selbständige Stellung die Parteien durch ihre Vorgaben schon festgelegt hatten. So unterwarfen Cromwell und die Generalstaaten die zwischen den eigenen Schiedskommissaren unentschieden gebliebenen Angelegenheiten zwar dem "Judicium et Arbitrium" der protestantischen Kantone - eine solche sachbezogene Formulierung ist im übrigen typisch für die Fälle, in denen man sich bereits auf einen bestimmten Schiedsrichter geeinigt hat226 -, verpflichteten sich aber gleichzeitig, das ausführen zu wollen, was deren "Commissarii aut maior eorum pars" form- und fristgerecht entscheiden würden227 • Ein Urteil sollten auch die von der Stadt Hamburg zu delegierenden "Arbitri aut Commissarii" fällen 228 , und im Vertrag zwischen dem König von Großbritannien und den Niederlanden vom 9./19. Februar 1674 wird das die Eigenständigkeit der Kommission hervorhebende Mehrheitsprinzip noch dadurch betont, daß die Regentin von Spanien um die Benennung von elf Beauftragten gebeten wird229 • Sicherlich wurde die Entscheidung den Auftraggebern zugerechnet, auch wenn sie, wie die Königin von Großbritannien und die Niederlande im Streit um die Auslegung des 1703 zwischen dem Kaiser und dem Herzog von Savoyen geschlossenen Vertrages, ihren Ablegati, die dann ihren Namen unter den Spruch setzten, "plenam ac omnimodam ... potestatem et autoritatem, omnes quae de sensu, vigore, et executione memorati Tractatus motae sint, 225 Am 14. Januar 1693 wählten Schweden und Brandenburg den Kaiser und den englischen König (v. Moerner S. 578 f.); vom 26. April 1701 datiert der kaiserlich-französische Spruch in der pfälzischen Erbsache (Dumont Bd. VIII, Teil I, S. 6 ff.), vom 21. Juni 1712 das Urteil Großbritanniens und der Niederlande im Streit zwischen dem Kaiser und Savoyen (Parry Bd. 27, S. 291 ff.); die Königin von Großbritannien erklärte sich am 11. April 1713 sowohl gegenüber Frankreich und den Niederlanden bereit, zusammen mit anderen als Schiedsrichter zu fungieren (Parry Bd. 28, S. 46, Art. IX), als auch gegenüber Frankreich und Savoyen, wo sie gemeinsam mit dem französischen König im Streit von Savoyen und Monaco amten sollte (Parry Bd. 28, S. 132, Art. IX); im Streit zwischen Georg II. von Großbritannien und Friedrich Wilhelm I. von Preußen entschieden schließlich zwei Reichsfürsten (Dumont Bd. VIII, Teil 11, S. 161 f.). 226 War diese Entscheidung noch nicht gefallen, brachte man die Vereinbarung durch die eher persönlich gefärbte Wendung zum Ausdruck, Arbitres ernennen bzw. wählen zu wollen. 227 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 77 (Art. XXX). 228 Vertrag zwischen Cromwell und dem französischen König vom 3. November 1655, Art. XXIV (Parry Bd. 4, S. 11 f.). 229 Parry Bd. 13, S. 130 (Art. IX).

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controversias coniunctim diiudicandi et finaliter determinandi" übertrugen23o . Das auf den ersten Blick nicht leicht zu durchschauende Verhältnis zwischen ersuchtem Schiedsrichter und Beauftragtem läßt sich am besten am Beispiel des ersten Schiedsspruchs in der Pfälzischen Erbstreitigkeit231 erläutern: Die delegierten Plenipotentiarii, Friedrich Binder und Ulrich Obrecht, veröffentlichen das von ihnen unterzeichnete und gesiegelte Laudum "Sacrae Caesareae & Sacrae Regiae Christianissimae Majestatum nomine & iussu", nachdem sie vorher den ihnen im Komprorniß vorgeschriebenen Eid ("Delegati jurati")232 geleistet hatten. Vorausgesetzt, daß es sich dabei um den von den beauftragten Schiedsrichtern her bekannten "gewohnten Schiedsrichtereid" handelt und Anhaltspunkte für eine andere Auslegung sind nicht ersichtlich -, kann das nur heißen, daß die nichtvereidigten Monarchen den ordnungsgemäßen Ablauf gewährleisteten, die Urteilsfindung jedoch den dazu Ermächtigten vorbehalten blieb. In der Praxis spielte diese Unterscheidung vermutlich kaum eine Rolle; auch Binder und Obrecht entschieden jeweils im Sinne ihres Auftraggebers, so daß, wie vorauszusehen, die "Domini Arbitri eorumve Delegati in Sententia discordes"233 waren und die Akten nach Rom geschickt werden mußten, wo sechs vom Papst als Superarbiter eingesetzte Delegierte das letzte Wort sprachen234 . Ebenfalls schon im Schiedsvergleich vorgesehen waren die Deputierten, die im Namen ihrer im Streit des Herzogs von Savoyen (König von Sizilien) mit dem Fürsten von Monaco zu Schiedsrichtern erwählten Monarchen, der Königin von Großbritannien und des Königs von Frankreich, am 21. Juni 1714 einen Spruch fällten, der zumindest vom französischen König ratifiziert wurde235 . Adressat der Klage des Königs von Dänemark-Norwegen gegen die Generalstaaten sollte vereinbarungsgemäß der König von Frankreich bzw. die von ihm Autorisierten sein236 - wieder ein Hinweis, daß man die tatsächliche Durchführung eher von delegierten Räten als vom Schiedsrichter selbst erwartete. Demgegenüber nehmen sich die zwei Beispiele, in denen die angerufenen Monarchen ihre eigene Unterschrift unter das Laudum setzten - der durch die Niederlande vermittelte Komprorniß, in dem sich Frankreich und Spanien in ihrem Streit von 1684 um Besitzstand und Steuern auf eine Entscheidung des 230 Mit diesen Worten geben die Beauftragten im Laudum vom 21. Juni 1712 ihre Vollmacht wieder (Parry Bd. 27, S. 293). 231 Spruch vom 26. April 1701, letzter Absatz (Dumont Bd. VIII, Teil I, S. 8). 232 Dumont Bd. VII, Teil 11, S. 430 (Separatartikel). 233 Zitat aus dem Komprorniß: Dumont Bd. VII, Teil 11, S. 430 (Separatartikel). 234 Sententia Super-Arbitralis vom 17. Februar 1702 (Dumont Bd. VIII, Teil I, S. 98 f.). 23S Grundlage ist Art. IX des Friedens vom 11. April 1713 zwischen dem König von Frankreich und dem Herzog von Savoyen (Parry Bd. 28, S. 132). Der infolge der Wiedergabe des Parteivorbringens umfangreiche Schiedsspruch ist bei Parry Bd. 29, S. 65ff. abgedruckt, wo auch die königliche Ratifikation erwähnt wird (S. 95). 236 Vertrag zwischen dem König von Dänemark und den Generalstaaten vom 1.111. Februar 1666, Vierter Artikel über die Forderungen des Königs, Parry Bd. 8, S. 490.

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Königs von Großbritannien einigten, läßt angesichts der knappen Formulierung keine Einordnung zu -, recht bescheiden aus. Bezeichnenderweise sind es gerade diese beiden, in denen die Abgrenzung zur Mediation (Vermittlung) eine Rolle spielt. In der Einleitung seines persönlichen Schiedsspruchs vom 18. Januar 1673237 legt Ludwig XIV. dar, daß er nach seiner Einschaltung in die gewaltsamen Auseinandersetzungen des Herzogs von Savoyen mit der Republik Genua auf deren beiderseitigen Wunsch zuerst einen Waffenstillstand vermittelt habe und dann gebeten worden sei, zur Herbeiführung eines Friedens "juger sur tous leurs differens". Indem er die Parteien durch sein Laudum verpflichtete, sich in den Gebietsstreitigkeiten, die in erster Linie den Anlaß zum Krieg gegeben hatten, auf italienische Schiedsrichter zu einigen, kam er ihrem Ersuchen nur zum Teil nach. Dieses eigenartige Vorgehen ist vor allem in politischer Hinsicht interessant; daher wird darauf zurückzukommen sein. Rechtlich relevant ist hingegen, daß der französische König auf der Ratifikation seines Spruches durch die Parteien bestand. Soweit ersichtlich, wurde eine solche ausdrückliche Annahme im allgemeinen weder für erforderlich gehalten noch war sie üblich. Durch die Arbeit von Schilling 238 sind wir über die näheren Umstände des anderen durch das persönliche Engagement der Schiedsrichter gekennzeichneten Schiedsverfahrens informiert. Dies ist um so erfreulicher, als die Entscheidung der Herzöge von Sachsen-Gotha und Braunschweig- Lüneburg in der Auseinandersetzung zwischen Georg H. von Großbritannien und Friedrich Wilhelm I. von Preußen239 einige klärungs bedürftige Fragen aufwirft. "Nous avons juge apropos de faire connoitre par un Ecrit particulier notre Sentiment a cet egard, & de l'exposer dftement comme une Mediation & Decision". Bei diesem Selbstverständnis scheint durch die enge Verknüpfung von Ansicht, Vermittlung und Entscheidung die Grenze zwischen Mediation und Arbitrage verwischt. Gerade der Wesensgehalt beider Schlichtungsarten war aber im vorangegangenen Verfahren eingehend erörtert worden. Um sich der ihnen offenbar sehr unangenehmen Aufgabe des Rechtsprechens zu entziehen, hatten die Herzöge die Umwandlung des Schiedsgerichts in eine Vermittlung angeregt. Die preußische Regierung lehnte den Vorschlag ab, weil damit lediglich Zeit vergeudet würde, man schließlich doch auf das Schiedsgericht zurückgreifen müsse und außerdem ein Vergleich einen Bruch der Konvention vom 6. September 1729240 darstelle. Dieses letzte Argument versuchte der gothaische Bevollmächtigte Usseln durch den Hinweis zu widerlegen, in Hannover sei von Anfang an an eine Dumont Bd. VII, Teil I, S. 215 f. Schilling, Heinrich: Der Zwist Preußens und Hannovers 1729/1730. Phil.Diss. Königsberg. Halle 1912. 239 Laudum vom 16. und 18. April 1730 bei Dumont Bd. VIII, Teil 11, S. 161 f. (Zitat: S. 161 rechte Spalte). 240 Die preußische Deklaration ist abgedruckt bei Loewe, Staatsverträge Friedrich Wilhelms 1., S. 391 f. 237

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Mediation gedacht worden241 . In der Vereinbarung heißt es freilich gleich zu Beginn unmißverständlich: "que les differends ... soient termines par un arbitrage"242. Usseln konnte sich nur darauf stützen, daß in bezug auf die Schiedsrichter einmal der Ausdruck "mediateur et arbitre" verwendet wurde und daß üblicherweise, wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, Vermittlungsbemühungen der Arbitres akzeptiert, ja oft sogar ausdrücklich verlangt wurden. Im allgemeinen ging es den Parteien nämlich in erster Linie um das Ziel, die Streitigkeiten beizulegen, und weniger um den Weg dorthin, wobei es als selbstverständlich galt, daß das Scheitern der Mediation unweigerlich einen Spruch nach sich zog. Friedrich Wilhelm aber wollte um jeden Preis ein reines Schiedsverfahren243 , was in seiner heftigen Reaktion auf das weitere Drängen "seines" Schiedsrichters, des Herzogs von Gotha, zum Ausdruck kommt: Er warf ihm vor, sich die Arbeit und die Verantwortung eines schiedsrichterlichen Spruches vom Halse schaffen zu wollen, wo er sich doch hätte sagen müssen, daß die Beilegung des Streits Mühe kosten würde. Wenn man sich nicht stark genug fühle, um die Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, "hätte man besser daran getan, die arbitrage nicht zu übernehmen, als sich mit derselben Solemniter beladen zu lassen"244. Zeitweise dachte der Preußenkönig sogar daran, den Kongreß abzubrechen und ein neues Schiedsgericht aus zwei "mächtigeren" Fürsten - ursprünglich waren die Könige von Polen und Schweden im Gespräch gewesen - einzusetzen245 . Daß die Herzöge ihren schließlich doch noch zustandegekommenen Spruch vorsichtig als "notre sentiment" und als "Mediation et Decision" bezeichneten, ist nichts anderes als die verbliebene Furcht, einen der Herrscher zu verletzen. Eher beiläufig erfahren wir von Schilling auch, weshalb die beiden Schiedsrichter durch ihre Unterschrift überhaupt so stark in den Vordergrund traten: die erneute Gefahr eines Waffengangs hatte sie, offenbar entgegen der ursprünglichen Planung, bewogen, sich persönlich einzuschalten246 . Und ebenso wichtig ist, daß die Argumentation Usselns hinsichtlich der Vorzüge der Mediation wiedergegeben wird: sie erspare die vielen Beratungen und Vernehmungen der Leute247 . Auch 1730 war demnach die Förmlichkeit des Verfahrens ein selbstverständliches und kennzeichnendes Merkmal der Schiedsgerichtsbarkeit.

Schilling S. 127 ff., S. 130. Loewe S. 392. Auf die Schwäche der gothaischen Argumentation hat bereits Schilling S. 130 hingewiesen. 243 Anders ist seine Bemerkung, er werde den Schiedsspruch annehmen, selbst wenn er ungerecht sei (Schilling S. 143), nicht zu erklären. 244 Schreiben an den Herzog vom 24. November 1729, zitiert bei Schilling S. 132. 245 Schilling S. 136. 246 Schilling S. 152. 247 Schilling S. 127. 241

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d) Das Verfahren Verglichen mit den Bestimmungen über Wahl, Aufgaben und Befugnisse der Schiedsrichter sind die Vorschriften der Schiedsabreden zum Ablauf des Verfahrens eher rar, vor allem, was die eigenen Streitigkeiten der Vertragspartner anbelangt. Setzten die Herrscher dagegen "nur" ein gemeinsames Gericht zur Entscheidung von Ansprüchen ihrer Untertanen ein, verlangte schon die Beteiligung einer größeren Anzahl von Personen die Veröffentlichung genauerer Angaben zum Prozeßverlauf. Ausnahmsweise ("peculiariter") werden im Vertrag zwischen dem König von Portugal und den Generalstaaten vom 6. August 1661 248 den sechs Commissarii, die über die "actiones tarn reales quam personales" der Niederländer in Brasilien und anderen königlichen Gebieten sowie umgekehrt über eventuelle Gegenansprüche der Portugiesen entscheiden sollten, potestas und auctoritas unmittelbar durch das Abkommen verliehen. Weil die dortigen Verfahrensvorschriften zudem für die relativ homogene Gruppe der schiedsrichterlich beizulegenden Handelsstreitigkeiten zweier Nationen typisch sind, sollen sie hier etwas ausführlicher dargestellt werden. Die erste Stufe des dort vereinbarten Verfahrens allerdings ist ein diesem Abkommen eigentümlicher Vergleichsversuch: Innerhalb zweier Monate sollen die in einem Inventar mit Angabe des Grundes und der Beweisdokumente zusammengefaßten schriftlichen Klagen dem portugiesischen Gesandten mitgeteilt werden, um entweder durch Einzelverträge mit den Beteiligten oder in einem Generalvertrag zwischen dem König und den Generalstaaten durch Zahlung einer Geldsumme erledigt zu werden. Ist nach sechs Monaten weder auf die eine noch auf die andere Weise ein Ausgleich erreicht, treten genau 18 Monate später in Lissabon die sechs Beauftragten zusammen. Die ungewöhnlich lange Frist diente zur Benachrichtigung der in Brasilien Weilenden und war besonders deshalb gerechtfertigt, weil den Commissarii die Befugnis verliehen wurde, gegen Nichterschienene entscheiden zu dürfen. Allgemein hatten sie die Macht, "admittendi & sub examen vocandi intentatem quamcunque actionem super immobilibus Bonis ac debitis, turn in Jus etiam citandi reos adversamque Actoribus Partern, ut obloquantur aut causam suam tueantur, si possint". Bei ihrer Entscheidung müssen die Commissarii sowohl die Rechte als auch die Billigkeit beachten: "decernant iuxta iura & aequitatem", während der unmittelbar nachfolgende Passus die Leitlinie für die äußere Abwicklung des Prozesses darstellt: "nulla Judicii Forensis adhibita solemnitate atque omni ambage litis protrahendae prorsus amota, jus de plano dicant". Diese Vorschrift ist vor dem Hintergrund der Prozeßrechtsentwicklung zu sehen. Ein Verfahren simpliciter et de plano wird schon durch das Dekretale Clementina 248 Parry Bd. 6, S. 375 ff.; der einschlägige Art. XXV, dem die folgenden Angaben und Zitate entnommen sind, befindet sich auf S. 389 - 391.

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Papst Clemens V. 1306 eingeführt, um dem ausgeprägten Formalismus des kanonischen Prozesses zu begegnen249 . Ebenfalls neben dem processus ordinarius/solemnis kennt der durch das römisch-kanonische Recht geprägte Kameralprozeß des 16. Jahrhunderts einen verkürzten processus summarius, der trotz Beschränkung auf die Substantialia des Prozesses immer noch mehrere Termine erforderte250 • Der portugiesisch-niederländische Verzicht auf jede "solemnitas" eines Gerichts zugunsten der Erledigung "de plano" (außergerichtlich) geht offensichtlich über solche vereinfachten Formen noch hinaus. Über einen Austausch von Schriftsätzen - weitgehende Schriftlichkeit ist ein Kennzeichen der genannten Gerichtsverfahren - findet sich keine Vorschrift, woraus man freilich nicht auf einen ausschließlich mündlich abgewickelten Prozeß schließen darf: zumindest die Klagen der Niederländer waren ja schon im "Vorverfahren" in schriftlicher Form eingereicht worden. Das rechtliche Gehör jedenfalls wurde gewahrt. Soweit nicht gegen Abwesende ("adversus contumaces") entschieden wurde, erging die Sententia "auditis contradictoribus", nach Anhörung der Streitenden. Um eine unverzügliche und vollständige Befriedigung der siegreichen Partei sicherzustellen, hatten die Ministri der Commissarii die Dekrete und Urteile sogleich herauszugeben; stieß die Ausführung auf Schwierigkeiten wie Vernachlässigung und ungebührliche Verzögerung oder fehlte ein Teil der festgesetzten Summe, hatten die Herrscher mit ihrem Vermögen dafür einzustehen. Die in den englisch - niederländischen Beziehungen ergangenen Schiedssprüche vom 31. Juli und 30. August 1654251 vermögen die eben gegebene Schilderung in Einzelheiten noch zu ergänzen, da sie einleitend nicht nur den Inhalt der zugrundeliegenden Artikel des Friedensvertrages vom 5. April, sondern auch die den Beauftragten erteilten Kommissionen wiedergeben. So gewährt das Laudum vom Juli in den Streitigkeiten um die seit Beginn des Krieges in Dänemark zurückgehaltenen Schiffe und Waren einen Einblick in die Verteidigungsmöglichkeiten des Beklagten: Er kann sich "so wohl in generali als in particulari" gegen die Gravamina und Praetensiones wenden, wobei zwischen dem Vorbringen "per viam defensionis" (Exceptionen) und der Behauptung eines Abschlags oder der (vollständigen) Bezahlung unterschieden wird. Seiner Einlassung "bey Eydschwur oder ohne Eydschwur" vermag der Beklagte durch "Instrurnenta, Documenta oder andere Beweisthumbe" zusätzliches Gewicht zu geben, während den Commissarii das Urteil darüber vorbehalten bleibt, ob "selbe hier zu nöthig und billigmäßig wären"252. Denn Mitteis - Lieberich S. 35l. Mitteis - Lieberich S. 352. 251 Der Spruch vom Juli (Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 85 ff.) beruht auf Art. 28 des Friedensvertrages vom 5. April 1654 (Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 76 f.), das Laudum vom August (Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88 ff) erledigte teilweise den Auftrag aus Art. 30 des genannten Abkommens (Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 77). 252 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 87. 249

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oberstes Ziel der Beauftragten, auf das sie ihren Eid abgelegt haben, ist die Erforschung der Wahrheit. Ihr müssen die strengen Formen weichen: "pro meliore inquisitione veritatis" wird den im 30. Artikel des Friedensvertrages vom 5. April 1654 vorgesehenen Kommissaren die Macht verliehen, "summarie, de plane et sine strepitu ac Figura Judicii" allein nach der Notwendigkeit frei zu verfahren253 . Betrachtet man die Klageschriften, die wörtlich in den Spruch vom 30. August 1654 aufgenommen wurden - Verfasser waren die englische Ostindische Kompanie und ihr niederländisches Pendant254 -, mit all ihren Punkten und Unterpunkten, erübrigt sich die Frage, weshalb den Richtern eine derart große Freiheit zugestanden wurde. Selbst wenn man davon ausgeht, daß sie wie ihre Kollegen der gleichzeitig tagenden zweiten Kommission sechs Tage in der Woche arbeiteten2SS , hatten sie eine solche Menge an Sachverhalten zu überprüfen, daß ein formelles Verfahren mit seinen bekannten Verzögerungsmöglichkeiten von vorneherein keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Nur durch weitgefaßte Vorschriften wie die Befugnis, Zeugen "viva voce sive aliter, prout visum fuerit, audiendi et examinandi"256, war die Aufgabe in der festgesetzten Frist von drei Monaten zu bewältigen. An die Stelle der eigenverantwortlich nach sachbezogenen Kriterien vorgehenden Richter treten in den Streitigkeiten der Vertragspartner selbst Commissarii, denen ein Verfahren vorgegeben ist, von dem sie gar nicht bzw. nur in eng begrenzten Ausnahmefällen abweichen dürfen. Selbstverständlich ging es auch hier um Wahrheitsfindung - die aufgrund der Übereinkunft zwischen dem Kaiser und dem polnischen König von 1677 zu bestellenden Räte "cognoscant & decernant id quod Juris & Justitiae fuerit"257 -, aber die Probleme auf dem Weg dorthin waren andere: die politische Potenz der Parteien verlangte strengere Formen, zwang zu klaren und kontrollierbaren Vorschriften. Die im folgenden zu schildernden Verfahren lassen erkennen, daß die sachkundigen Parteien, vor die Aufgabe gestellt, einen Prozeß nach ihren Vorstellungen gestalten zu können, einerseits auf bewährte Traditionen des römisch-kanonistischen Zivilprozesses zurückgriffen, dessen offenkundige Schwächen aber andererseits zu vermeiden suchten. Am stärksten gewohnheitsrechtlich geprägt ist wohl das 1649 vereinbarte Schiedsverfahren für eventuelle Streitigkeiten zwischen den Feudalsukzessoren (König von DänemarkINorwegen, Herzog von Gottorp) und den Allodialerben (Fürst von Anhalt und andere) des Grafen von Oldenburg und Delmenhorst2s8 • Dabei interessiert nicht so sehr das Verfahren der gemischten Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88. Die englische "Querela sive Breviarium ... " Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88 ff., die niederländische "Petitio ... " S. 90 f. 255 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 87: ausgenommen war nur der Sonntag. 256 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88. 257 Parry Bd. 14, S. 217. 258 Parry Bd. 1, S. 423 ff., Schiedsabrede Art. 11 S. 432 f. 253

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Kommission mit Obmann, sondern die im Belieben der Parteien stehende Variante, "die streittigen puncta hinc inde schriftlich uftzusetzen, zu communiciren, mit zweyen oder dreyen sätzen, von sechs wochen zu sechs wochen zu beantworten, - es sey dann, daß wegen führenden beweißthumbs mit zeugen und brieflichen Urkunden undt dergleichen eine längere Frist einzuräumen darin zue schließen undt die acta auf der parten unkostung dreyen hierzu erwehlenden arbitris sive compromissariis auftzutragen, oder diesseibe eine undt nach befindung zwo oder drey juristenfakulteten zu verschicken, und was davon erkant von jedem theil ohne weitere rechtliche beneficia revisionis, appellationis und dergleichen ohnverzüglich einzufolgen sein solle"259. Was hier in äußerst geraffter Form vereinbart wird, gewinnt in dem anderen eine Erbauseinandersetzung betreffenden Komprorniß, der Schiedsabrede in der Causa Successionis Palatinae260 , konkrete Gestalt. Die Delegati der Schiedsrichter, innerhalb von zwei Monaten nach der vollständigen Restitution des Pfalzgrafen in Frankfurt, dem vom Kaiser und dem französischen König gewählten Ort, zusammengekommen, nehmen vor Ablauf eines weiteren Monats von seiten der Herzogin von Orleans die vollständige "Designatio Praetensionum seu Petitionum" entgegen, die in den folgenden acht Tagen dem Kurfürsten mitgeteilt wird. An einem von den Delegati innerhalb der nächsten vier Monate festgesetzten Tag überreichen dann beide Parteien ihre "Fundamenta" in vierfacher Ausfertigung: je ein Exemplar für die bei den Schiedsrichter, eines für die gemeinsamen Akten und das vierte für die Gegenpartei, der es wiederum innerhalb von acht Tagen weitergegeben wird. Der Vorgang wiederholt sich bei der "Responsio" beider Parteien und ebenfalls bei der "Conclusio & Submissio" unter das Urteil der Schiedsrichter - die Mitteilung an die Parteien geschieht im letzten Fall allerdings lediglich "ad notitiam". In Anwesenheit der Prokuratoren beider Parteien erfolgt dann die "Inrotulatio" , das Zusammenheften und Einpacken zur Versendung der Akten, wobei der Zusatz: "quod dici solet" zeigt, daß diese Förmlichkeit hier wohl nicht ganz wörtlich genommen wurde. Dagegen ist das Einpacken in der Auseinandersetzung zwischen den Generalstaaten und dem Kurfürsten von Brandenburg eine bedeutungsvolle Realität, nicht nur, weil die Zeremonie der Inrotulatio als Einschnitt innerhalb des Verfahrens dadurch betont wird, daß der Kompromiß261 die bei den Abschnitte unterschiedlichen und von einander unabhängigen Institutionen zuweist: Der zum Schiedsrichter erkorene Große Rat von Mecheln war reines Spruchorgan, während der Austausch der Schriftsätze über einen "CommissaParry Bd. 1, S. 433. Friedensvertrag zwischen dem Kaiser und dem französischen König vom 30. Oktober 1697, Art. VIII Dumont Bd. VII, Teil 11, S. 423. Die nachfolgend geschilderten Vorschriften sind im Separatartikel (S. 430) niedergelegt. 261 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 41 ff. Die das Verfahren regelnden Vorschriften befinden sich auf S. 42. 259

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rius Instructor", den außerordentlichen kaiserlichen Gesandten im Haag, Johann Friquet, abgewickelt wurde. Da dieser keinerlei Entscheidungsbefugnisse hatte, sondern lediglich in eventuell auftauchenden Schwierigkeiten zu vermitteln suchen sollte - bei Erfolglosigkeit urteilte auch hier der Rat -, ist es nicht übertrieben, seine Hauptaufgabe in der Verwahrung einer speziellen Kiste mit drei unterschiedlichen Schlössern zu sehen, zu der er und die beiden Parteien je einen Schlüssel besaßen. Sie diente zur Aufnahme der Schriftsätze und der Originale der Beweisdokumente, während die Zweitschriften nach vorangehender "Collation" der Gegenpartei ausgehändigt wurden. Nach Ablauf der für diesen Verfahrensteil vorgeschriebenen Zeit hatte Friquet in Anwesenheit der Vertreter beider Parteien über den Inhalt der Kiste, die nur im Beisein aller Beteiligten geöffnet werden durfte, drei Inventare anzufertigen, eines davon mit einzuschließen und das Behältnis samt seinem Schlüssel dem Präsidenten des Großen Rates entweder selbst zu überbringen oder überbringen zu lassen. Dort wurde, nachdem sich auch die Parteivertreter mit ihren Schlüsseln eingestellt hatten, in Anwesenheit aller ein weiteres Inventar aufgenommen, bevor der zweite Verfahrensteil beginnen konnte. Die von einem außergewöhnlichen Sicherheitsbedürfnis zeugenden peniblen Bestimmungen selbst für äußerliche Details - beispielsweise wird festgelegt, daß die Kiste in Mecheln auch dann geöffnet werden soll, wenn eine Partei ausbleibt oder die Herausgabe ihres Schlüssels verweigert - sind Ausfluß der Bedeutung einer Sache, die in fast fünfzig Jahren immer wieder aufgenommener Verhandlungen nicht gütlich beigelegt werden konnte 262 • Bei den Vorschriften über die Schriftsätze, die schon gewöhnlich breiten Raum in den Kompromissen einnahmen, mußte diese Exaktheit fast zwangsläufig zu einem ausgeklügelten System führen, zumal sich mit der Zeit auf beiden Seiten die Beschwerdepunkte gehäuft hatten. Am Anfang standen beiden Teilen drei Monate für die "Einladung zur Convention" zur Verfügung, "so wohl ratione der definitiv-oder principal, als Provisional-Sachen", falls eine der Parteien "einige versuchen" wollte, "und beyderseits unter Numeris und Buchstaben263 , mit sothanen Stücken, als zum Beweis Ihrer respective Forderung- und gegenforderungen nöthig seyn möchten, verstärcket." Antwort, Replik und Duplik, für die jede Partei wieder drei Monate Zeit hatte, sollten nach "convention und reconvention" (Klage und Gegenklage) getrennt werden. Mit den Dupliken durften "keine Stück oder Dokumenten" mehr eingebracht werden, "es wäre dan Sach, daß in denen respective replicquen einige kundbarlich-neue Mißverstände vorgefallen und danebens einige nähere Stücke produciret worden; In Zum Verlauf des Streitfalls vgl. v. Moerner S. 267 f., S. 403 f. und S. 413. Ein Artikelprozeß im Sinne des römisch-kanonischen Verfahrens - Buchda, G.: Artikelprozeß. In: HRG I, Sp. 233 ff. - war damit wohl nicht vereinbart; allerdings wird der Zweck, "den Parteien möglichst genaue und eindeutige Erklärungen abzunötigen" (Buchda, Sp. 234), der gleiche gewesen sein. Auch die Klageschriften der englischen und der niederländischen Kompanien, über die am 30. August 1654 geurteilt wurde (Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88 ff.), weisen eine derartige Gliederung auf. 262 263

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welchem Fall zur Widerlegung derselbigen, und ferner nicht, contrari-Beweißstücken bey der Dupliq übergeben werden mögen". Daß der Gegner dieses ausnahmsweise erlaubte Vorbringen wiederum bestreiten durfte, verlangte schon der Grundsatz des rechtlichen GehÖrs264 . Erlaubt war ihm aber lediglich eine darauf beschränkte "nähere Production" , während eine Triplik oder weiteres "agiren" generell ausgeschlossen war. Gesichert wurden diese Vorschriften durch die Anweisung an den Großen Rat, nicht erlaubte Äußerungen und Beweise "ab Actis" zu verwerfen und "in Judicando" nicht zu beachten. Möglichen Verzögerungsversuchen stand auch die Bestimmung entgegen, daß Beweisstücke einer Partei ("Resolution, Brieff oder etwas anders"), die ihr nur in schlechten Kopien, "welche in forma probante authentisirt werden müsten", zur Verfügung standen, "vor autenticq gehalten" wurden, wenn der Schreiber der Gegenpartei entgegen seiner durch den Kompromiß konstituierten Pflicht die Beglaubigung verweigerte. Die wirksamste Waffe zur Prozeßbeschleunigung war indes die "Straff ... decernirender Exclusion": Hielt eine Partei einen Termin nicht ein, durfte von ihr danach keine Schrift mehr angenommen werden; der Commissarius instructor war gehalten, nur die fristgerecht eingereichten Schriftsätze zur Entscheidung weiterzuleiten. Dazu gehörten auch die "verschlossen Avertissement oder Instruction der Rechten nackend und bloß, nemlich eine in Convention und die andere in Reconvention, oder in beyden eine vor alle", deren Übergabe den Parteien in den drei Monaten zwischen Überreichung der Dupliken und der Absendung der Kiste frei stand. Um den weiteren reibungslosen Ablauf des Verfahrens zu gewährleisten, verpflichteten sich die Parteien zu dreierlei: Erstens ersuchten sie, wie schon erwähnt, den Gubernator der Spanischen Niederlande, dem Großen Rat zu befehlen, die Sache anzunehmen, allen anderen vorzuziehen und in der Frist eines Jahres zu beenden. Zweitens wollten sie den Präsidenten des Rats - genauer: den Herrn, "welcher alsdan in dem großen Rath Präsident seyn möchte" - bitten, zwei Referenten zu ernennen, die zusammen mit anderen Räten, insgesamt jedoch nicht weniger als sieben, mit Stimmenmehrheit "ein Urtheil oder Ausspruch, es seye principaliter oder auff einige versuchte Provisonalia, gleich wie dieselbe denen Rechten und Gewissen gemäß erachten", fällen sollten. "Einige Provision al - oder Interlocutori - Sentenz" konnten im übrigen auch "auß Motiven und Ursachen, die gemelten Rat selbst dazu bewogen hätten", ausgesprochen werden, allerdings mit dem ausdrücklichen Vorbehalt seitens der Parteien, daß dadurch der Fortgang der Hauptsache nicht gehindert oder aufgehalten werden durfte, da der Kompromiß als "todt und zu nichte"265 angesehen wurde, sollte in der vorgeschriebenen Zeit weder ein End- noch ein Provisionalurteil ergangen sein. Drittens schließlich wurde die finanzielle Seite in der Weise geregelt, daß Kurfürst und Generalstände sich 264 Dessen zeitgenössische Geltung wird bestätigt durch Uhlhorn, M.: Art. Rechtliches Gehör. In: HRG IV, Sp. 253 ff., Sp. 255. 265 Dumont Bd. VI, Teil UI, S. 43.

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zur baldigen Bezahlung je der Hälfte der "Relations- und Sportul-Gelder" verpflichteten 266 • Beachtenswert an dieser ausgefeilten Regelung ist aber auch, was nicht vereinbart wurde: Kein Güteversuch innerhalb des gesamten Verfahrens, keine Audienz vor dem Großen Rat, abgesehen von dem den Parteien mitzuteilenden Termin zur Verkündung des Spruchs, den diese "anzuhören schuldig seyn sollen". Dadurch unterscheidet sich der Kompromiß von 1665 von der durch den Kaiser und den König von Polen getroffenen Schiedsabrede von 1677, nicht aber von der Vereinbarung zwischen dem dänischen König und den Generalstaaten vom 1./11. Februar 1666267 : Sind hier die Schriftsätze gewechselt, "l'affaire sera reputee etre en etat de juger, & d'etre decidee & terminee par le susdit Roi de France". Im Vergleich zu dem brandenburgisch-niederländischen Kompromiß hatte man das Verfahren, da es nur um die Forderung des Königs ging, vereinfachen und auf eine Konferenz zur gleichzeitigen Entgegennahme der beiderseitigen Schriftsätze verzichten können. Innerhalb von vier Monaten nach Abschluß des Vertrages sollten dem Schiedsrichter bzw. den von ihm Autorisierten die "demande" des Dänen und dann im Abstand von je drei Monaten die "deffences" der Generalstaaten, die "Repliques" des Königs und die niederländischen "Dupliques" überreicht werden, wiederum mit der "selbstverständlichen" Maßgabe, "qu'aucunes Pieces ou Document ne sera joint aux Dupliques, a moins que dans les Repliques il n'influe quelques faits nouveaux & notoires, & qu'il n'y tUt produit quelque nouvelle Piece, auquel cas pour icelles detruire & contredire, il en pourra etre produit par les Dupliques". Die Abschriften für den Gegner übergab der dort residierende Gesandte unmittelbar - in Anbetracht der sich etablierenden diplomatischen Vertretungen eine naheliegende und einfache Lösung. Die die Geldforderungen der Herrscher selbst betreffenden Kompromisse von 1665 und 1666 einerseits und andererseits die Kommissionen, weIche Handelsstreitigkeiten zwischen den Regierenden erledigten, indem sie über Ansprüche von Untertanen bzw. der Handelsgesellschaften entschieden, markieren die Pole, zwischen denen sich die Ausgestaltung des schiedsrichterlichen Verfahrens bewegte und bewegen konnte. Allen Ausprägungen gemeinsam ist die Förmlichkeit im Sinne eines geordneten Ablaufs des Verfahrens. Die Abgrenzung zur Verhandlung bzw. zur Mediation ist nicht nur theoretisch klar vollzogen: Wird eine Vermittlung gewünscht oder zugelassen, bildet sie einen eigenen, in sich geschlossenen Abschnitt entweder vor Beginn oder innerhalb des Prozesses. Die Bedeutung schriftlicher Äußerungen hat überall zugenommen, in geringerem Maße bei den auf eine schnelle Erledigung zielenden gemeinsamen Gerichten für die Forderungen Dritter - in dieser Hinsicht stehen die Vereinbarungen der Seemächte den Verfahrensregelun266 267

Dumont Bd. VI, Teil 111, S. 42. Parry Bd. 8, S. 502 f. Die nachfolgend dargestellten Verfahrensregelungen S. 503.

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gen der überkommenen und bekräftigten Abmachungen im Alpenraum nahe -, mehr in Verfahren wie dem 1677 zwischen dem Kaiser und dem polnischen König vereinbarten, die den Austausch von Schriftsätzen in genau festgelegten Fristen vorsahen, was bis zur völligen schriftlichen Abwicklung des Prozesses führen konnte (Kompromisse von 1665 und 1666). Bei den Beweismitteln stehen die Urkunden im Vordergrund, wovon der Schiedsspruch der Monarchen von Frankreich und Großbritannien 'vom 21. Juni 1714268 , der seinen Umfang der Aufzählung der von den Parteien (König von Sizilien, Fürst von Monaco) eingereichten Dokumente verdankt, ebenso zeugt wie die Bestimmung im kaiserlich-polnischen Vertrag, die den beauftragten Schiedsrichtern ausnahmsweise eine Abweichung vom vorgeschriebenen Verfahren erlaubt, wenn die Parteien es nötig haben sollten, Zeugen auftreten zu lassen. An der letztgenannten institutionellen Schiedsabrede, in der die zeitgenössischen Vorstellungen von Schiedsgerichtsbarkeit, wie sich aufgrund der eben geschilderten isolierten Schiedsklauseln sagen läßt, ihren Niederschlag gefunden haben, lassen sich sowohl die weiteren Eigenheiten dieses Verfahrenstyps als auch die Unterschiede zu den bei den Gerichten verfolgten Prozeßgrundsätzen, etwa denen des Reichskammergerichts269 , darstellen. Als erstes ist freilich auf die gemeinsame Terminologie als eine der grundlegenden Übereinstimmungen hinzuweisen: actor und reus., actiollibellus actionis, responsum, replicae und duplicae sind ebenso allgemein gebrauchte rechtliche Fachausdrücke wie procurator, sententia interlocutoria und sententia definitiva, um nur einige zu nennen. Ebenso gründen beide Verfahrensarten auf der Verantwortung der Parteien für den vorzutragenden Stoff (Verhandlungsmaxime ). Ein wesentlicher Unterschied lag aber in der Art seiner Präsentierung: Anders als im Kameralprozeß mußten nach den Schiedsabreden die Beweise dem Vorbringen unmittelbar beigefügt werden. Zwar wurde 1677 nicht wie 1665 und 1666 ausdrücklich vereinbart, daß Beweisstücke in Dupliken nur noch ausnahmsweise gestattet waren. Dafür wird aber eine andere Art der Prozeßbeschleunigung angesprochen: Soweit möglich, sollen alle Zeugen an einem Tag und an einem Termin gehört werden, wozu die Parteien nur durch einen einzigen Schriftsatz Stellung nehmen konnten27o • Der indirekte Druck durch die vorher festgelegte Beschränkung auf zwei bis drei Schreiben machte ausdrückliche Vorschriften überflüssig, welche die Parteien zum frühzeitigen und umfassenden Vorbringen aller möglicherweise beabsichtigten Angriffs- und Verteidigungsmittel zwingen sollten (Eventualmaxime). Angesichts der wenigen Äußerungsmöglichkeiten war es - vorausgesetzt, der Komprorniß von Parry Bd., 29, S. 65 ff. G. Wesener: Art. Prozeßmaximen. In: HRG IV, Sp. 55 ff. behandelt die "leitenden Grundsätze des Verfahrensrechts" (Sp. 55) für den Kameralprozeß (Sp. 57 f.) ebenso wie W. Sellert: Art. Prozeß des Reichskammergerichts. In: HRG IV, Sp. 29 ff., besonders Sp. 31 ff. 270 Parry Bd. 14, S. 218. 268 269

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1665 mit den "nachgelassenen" Schriftsätzen spiegelt eine allgemeine Interpretation des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs - nicht ratsam, dem Gegner die Gelegenheit zur Widerlegung des späten Vorbringens und damit das letzte Wort in der Angelegenheit zu überlassen. Insgesamt war der Einfluß der Parteien auf den Fortgang des Prozesses (Dispositionsmaxime ), wenn sie den Komprorniß erst einmal abgeschlossen hatten, auf ein Minimum reduziert; Fristen durften nicht verlängert werden (1677) und ihre Versäumung führte formal zum Ausschluß des Vorbringens (1665), was in der Sache einem Rechtsverlust gleichkam, da die Bindungswirkung des Spruchs und der Ausschluß jeglichen Rechtsmittels einen wesentlichen Bestandteil des schiedsrichterlichen Verfahrens bildeten. In den seit langem geltenden Verträgen zwischen den Eidgenossen und dem König von Frankreich waren ebenfalls strenge Säumnisfolgen vorgesehen, nur daß sie hier - dem Entwicklungsstand gemäß - nicht an das Nichteinreichen eines Schriftsatzes, sondern an das Nichterscheinen der Partei oder ihres Gewaltboten vor den Schiedsrichtern geknüpft waren. Sofern der Termin ohne "gerecht ursachen" versäumt wurde, bedeutete dies das Unterliegen "in der houptsach mittsampt kosten unnd schaden"271. Schließlich wußten die Eidgenossen auch gegen eine andere, vor allem bei institutionellen Schiedsabreden mögliche Verschleppungstaktik Rat: Verzögerte eine Partei das Verfahren durch Nichternennung der Schiedsrichter, Nichtanerkennung der Rechte des Schiedsorts oder in anderer Weise, konnten die zwei Schiedsrichter der Gegenpartei auf deren Anrufen ein vollgültiges Urteil sprechen (Vertrag der katholischen Kantone mit dem Herzog von Savoyen 1651)272. e) Rechtscharakter der Schiedsgerichtsbarkeit

Die Gebundenheit der Schiedsrichter des 17. und 18. Jahrhunderts an ein gerichtsähnliches Verfahren, in das eine Mediation als ein zwar zulässiger, aber abgegrenzter und in sich geschlossener Prozeßteil einbezogen sein kann, ist ein wesentlicher Aspekt der Achtung vor dem Recht, auf der nach den Definitionen die heutige Schiedsgerichtsbarkeit basiert273 . Wie sehr sich ein rechtlich geordneter Verfahrensablauf und das Recht als Entscheidungsgrundlage gegenseitig bedingten, belegt der Vertrag zwischen dem Kaiser und dem Papst vom 15. Januar 1709: Da die Prüfung und Diskussion in der Auseinandersetzung um die Staaten Parma, Piacenza und Comacchio auf eine beide 271 Eidgenössische Abschiede Bd. III, Abt. 2, S. 1411: Der Ewige Friede von 1516 hatte infolge der mehnnaligen Erneuerungen im gesamten untersuchten Zeitraum seine Gültigkeit. 272 Parry Bd. 2, S. 341 ff., S. 354 f. Die entsprechende Klausel erscheint auch schon in den Verträgen von 1577, 1591 und 1634. 273 Vgl. Art. 37 des Haager Abkommens von 1907 oder die Definition von Schlochauer, beide oben Einleitung: I.

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Teil I: A. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Vertragsrecht

Vertragspartner zufriedenstellende Lösung hinauslaufen sollte, durften die Beauftragten keinen Spruch fällen ("e questo non in veruna forma di giudizio, ma por appagamento commune")274. Im schwedisch-niederländischen Friedensvertrag von 1679 wird die Gleichsetzung von Form und Inhalt dadurch deutlich, daß dem Vergleichsverfahren ("amicabili via componere") die rechtlich begründete Entscheidung gegenübergestellt wird ("ex iuris & aequitatis ratione decidere")275. Auch wenn nicht alle Abkommen Vorschriften über das beim Urteil zu beachtende materielle Recht enthalten, läßt sich der Bezug zu Recht und Gerechtigkeit als Grundlage des Spruchs doch für jede Vertrags art an mindestens einem Beispiel nachweisen, wobei der Bogen vom zwischen den Parteien geltenden positiven Vertragsrecht - die luges der spanisch - niederländischen Chambre my-partie sollten "en conformite du Traitte" entscheiden276 - bis zur abstrakten "justitia" reicht (Allianz zwischen dem Herzog von Savoyen und sechs Kantonen der Eidgenossenschaft)277. Insofern darf wiederum das für jedwede Art von Streitigkeiten zwischen dem Kaiser und dem polnischen König geltende Abkommen von 1677 als Ausdruck einer allgemeinen Überzeugung verstanden werden: die Commissarii "cognoscant & decernant id quod luris & lustitiae fuerit"278. Mit der Schwerpunktverlagerung vom objektiven Recht auf die subjektive Rechtsüberzeugung der Schiedsrichter begegnet uns der gleiche Grundsatz im Vertrag zwischen Cromwell und dem portugiesischen König von 1654, nach dem die Schiedsrichter entscheiden sollten, "prout ipsi vel maior eorum pars in conscientiis, & sanis suis discretionibus, justurn & aequum censuerint"279. Die Verwendung der Begriffe ludices, Cognitores und Arbitri beseitigt etwa aufkommende Zweifel, ob durch den Bezug auf das Gewissen der Urteilenden nicht ein von der "ordo iuris" freigestellter "arbitrator" vereinbart wurde. Daß im Gegensatz zum Mittelalter, wo die Formel "arbiter, arbitrator vel amicabilis compositor" häufig gebraucht wurde280 , der in seiner Funktion zwischen dem Schiedsrichter und dem Vermittler stehende Arbitrator/Arbitrateur völlig aus der vertraglichen Praxis verschwunden ist281 , obwohl er in der überkommenen Rechtsliteratur beschrieben wurde282 , darf als weiteres Anzeichen Parry Bd. 26, S. 269 ff., Art. XVIII S. 276. Parry Bd. 15, S. 317 ff., Separatart. II S. 328 f. 276 Vertrag vom 30. Januar 1648, Art. XXI (Dumont Bd. VI, Teil I, S. 429 ff., S. 431). 277 Vertrag vom 14. April 1651, Parry Bd. 2, S. 341 ff., Justitia als Entscheidungsgrundlage des Assumptus S. 354. Der Eid der Richter enthielt das Versprechen, "secundum uniuscuiusque jus" richten zu wollen (S. 353). 278 Parry Bd. 14, S. 217. 279 Vertrag vom 10./20. Juli 1654, Parry Bd. 3, S. 281 ff., Art. XXV S. 293 ff., S. 295. 280 Vgl. oben Einleitung: I mit Anm. 11. 281 Eine hieran angelehnte Formel - "arbiter, umpire and friendly arbitrator" taucht zum ersten Mal wieder im Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten und Peru am 20. Dezember 1862 auf (Stuyt S. 71). 274 275

I. 1648 - 1730: Literatur als Ergänzung der Praxis

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der strengen Rechtsbindung der Arbitri gewertet werden. Nicht den Verträgen ist hingegen zu entnehmen, was die Zeitgenossen unter Jus und Justitia, auf die sie sich als Entscheidungsgrundlage bezogen, verstanden: War es für sie eine undifferenzierte Einheit oder machten sie zwischen beiden Begriffen einen Unterschied? Dies ist eine der Fragen, der es bei der Untersuchung der Bedeutung der Literatur für die schiedsgerichtliche Praxis nachzugehen gilt. B. Die Literatur

Schon einleitend wurde klargestellt, daß es hier nicht darum geht, ideengeschichtlich die Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit in den Werken der Völkerrechts- und anderer Autoren zu verfolgen. Angesichts ihrer unterschiedlichen Auffassungen über das Verhältnis von Jus naturae und Jus gentium sowie über den Stellenwert der Verträge und Gewohnheiten wäre ein bloßer Vergleich der einzelnen Ausführungen zum schiedsrichterlichen Verfahren nicht ausreichend. Daher soll nicht die Literatur selbst im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, sondern ihre mögliche Bedeutung für die Praxis: Welche Erklärungen, Hilfen, Ratschläge usw. fand ein im Dienste eines Fürsten stehender Jurist oder ein aus anderen Gründen an der Materie Interessierter, wenn er das Schrifttum konsultierte? Nach 1730 ist dann wegen des Verschwindens der Schiedsfälle aus der Praxis der Schwerpunkt auf die Untersuchung zu legen, ob und gegebenenfalls wie weit die Literatur den Schiedsgedanken wachhielt. I. Die Literatur als mögliche Ergänzung der Praxis (1648 -1730)

Der oben erwähnte Leser hätte wahrscheinlich zuerst zu Grotius gegriffen, dessen 1625 erschienene "De jure belli ac pacis libri tres, in quibus jus Naturae & Gentium, item juris publici praecipua explicantur" 1650 in Amsterdam neu aufgelegt wurden und somit nicht nur von der Bedeutung her am Beginn der Betrachtung stehen müssen. Der Niederländer wollte nicht das Völkerrecht seiner Epoche darstellen, sondern ein zu allen Zeiten gültiges Völkerrecht283 , welches er, soweit es als jus gentium voluntarium auf dem "communis consensus gentium" beruht, aus den Zitaten griechischer und römischer Klassiker als der ratio scripta ableitete284 • Allerdings übernahm er deren Ausführungen 282 de Taube gibt die entsprechenden Definitionen von Durantis, Speculum iudicale (13. Jahrhundert) und von Boutillier, Somme rural (14. Jahrhundert) wörtlich wieder. Die beiden bekannten und einflußreichen Rechtsschriften wurden im 17. Jahrhundert erneut verlegt: de Taube erwähnt eine Ausgabe des Durantis von 1678 (Lyon) und F.L.Ganshof: Art. Boutillier, Jehan. In: HRG I, Sp. 493 f. verweist auf die Ausgaben des Somme rural von 1603, 1611, 1612 und 162l. 283 Reibstein: Völkerrecht Bd. 1, S. 37l. 284 Grewe: Epochen S. 232.

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Teil I: B. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Literatur

nicht vorbehalt- und kommentarlos: Zwar billigt er die Ansicht des Proculus, der die Schiedsrichter danach unterscheidet, ob man ihrem Spruch, sei er gerecht oder ungerecht, unbedingt zu folgen hat oder ob sie als Versöhner gewählt wurden, von denen man die Entscheidung eines rechtlich denkenden Mannes verlangt. Seine eigenen Ausführungen beschränkt Grotius aber ausdrücklich auf die erstgenannte Alternative, leider ohne eine Begründung dafür zu geben285 . Die Vorschrift zur Annahme eines Schiedsspruchs ungeachtet seines Inhalts gilt als Merkmal der Schiedsgerichtsbarkeit unabhängig davon, ob letztere als Mittel zur Vermeidung gewaltsamer Auseinandersetzungen bei Streitigkeiten dienen286 oder einen bereits ausgebrochenen Krieg beenden so1l287. Beide Formen konnte der kundige Leser im internationalen Verkehr wiederfinden, wenn auch in den Friedensverträgen in aller Regel höchstens ein begrenzter Anspruch dem schiedsrichterlichen Urteil unterworfen wurde288 . Die Praxis fand somit eine Legitimation im überzeitlichen Recht; sie stand im Einklang mit den natürlichen Gesetzen. Diese Übereinstimmung mußte um so stärker empfunden werden, als auch Grotius das Schiedsverfahren im Kompromiß, dessen Abschluß im Ermessen der Streitenden steht289 , verwurzelt sieht. Vor 285 Drittes Buch, 20. Kapitel, XLVI, 1. Benutzt wurde neben der schon erwähnten neuen Auflage des Werkes die deutsche Übersetzung der ersten Ausgabe (Paris 1625) von Walter Schätzei: Die Klassiker des Völkerrechts Bd. 1, Tübingen 1950, dessen Formulierungen teilweise in die vorliegende Arbeit eingeflossen sind, ohne daß eine gesonderte Kennzeichnung erfolgte. 286 Zweites Buch, 23. Kap., VIII. Solche Möglichkeiten gibt es nur drei (Zweites Buch, 23. Kap., VI); die anderen beiden sind die Besprechung und das Los, dem der Zweikampf verwandt ist. 2Il7 Drittes Buch, 20. Kap., XLVI ff. Neben den Friedensverträgen zählt Grotius die Einigung auf den Spruch des Schiedsrichters ebenso zu den Hauptbestimmungen zur Beendigung eines Krieges wie die Vereinbarung eines Zweikampfes und die Einigung auf das Los. Für die beiden letztgenannten Arten fanden sich bei der Durchsicht der völkerrechtlichen Verträge, abgesehen vom beschränkten Einsatz des Loses bei der Bestimmung des Oberschiedsrichters, keine Beispiele. 288 Am weitesten geht in dieser Hinsicht die Vereinbarung des Herzogs von Savoyen mit der Republik Genua, alle ihre Streitigkeiten, die zu der bewaffneten Auseinandersetzung geführt hatten, dem Schiedsspruch des Königs von Frankreich zu unterwerfen. Bezeichnenderweise rückte Ludwig XIV. sein Urteil vom 18. Januar 1673 (Parry Bd. 12, S. 409 ff.) in die Nähe eines Vertrages, indem er die Parteien zur Ratifizierung des Spruches verpflichtete. Außerdem entschied er nicht den ursprünglichen Streit, sondern gab den Parteien auf, dafür italienische Schiedsrichter zu wählen. Was die praktische Bedeutung anbelangt, standen Friedensvertrag und Komprorniß sicherlich bei weitem nicht auf gleicher Stufe. Schon Mably fand in seiner Kommentierung des Friedens von Rijswijk das im Separatartikel vereinbarte Schiedsverfahren ausdrücklich keines Berichts würdig, da die Erbrechte seiner Schwägerin Liselotte von der Pfalz für Ludwig XIV. ohnehin nur ein Vorwand zum Krieg gewesen seien und nach dessen Ausbruch ihren Wert verloren hätten (Droit public Bd. 1, S. 244 f.). 289 Das Recht der streitenden Mächte, kriegsbeendende Verträge zu schließen, folgt aus dem Grundsatz, daß jeder Herr über seine Angelegenheit ist (Grotius 3. Buch, 20. Kap., 11).

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allem aber leitet er aus der immer wieder betonten Tatsache, daß die Könige und Völker bzw. die Personen, welche die höchste Staatsgewalt innehaben, keinen gemeinsamen Richter besitzen und keine höhere Macht vorhanden ist, welche die Verbindlichkeit der Übereinkunft hemmen oder lösen könnte, konkrete Folgerungen ab: 1.) Die im innerstaatlichen Recht an sich mögliche und auch vorkommende Berufung oder Beschwerde gegen einen Spruch des Schiedsrichters entfällt; 2.) Man muß annehmen, daß die Parteien die Schiedsrichter in die Schranken gestellt haben, welche für den Richter gelten290 . Mit anderen Worten: Soweit nicht eine ausdrückliche Vereinbarung entgegensteht, lehnt Grotius im Verkehr der Souveräne die von Seneca als eigentümliche Gewalt der Schiedsrichter bezeichnete Freiheit ab, nach ihrem freien und unbeschränkten redlichen Ermessen etwas wegzunehmen oder hinzuzufügen und ihren Ausspruch nicht nach dem Gesetz und der Gerechtigkeit, sondern nach der Milde und Menschlichkeit zu bestimmen. Vielmehr ist Grotius' Schiedsrichter wie der Richter an das Gesetz gebunden und damit an die Billigkeit als Teil der Gerechtigkeit, welcher den unbestimmten Sinn des Gesetzes nach der Absicht des Gesetzgebers genauer bestimmt291 . Betrachtet man die ganze Spannweite der Schiedsfälle vom strengen Komprorniß zwischen Brandenburg und den Niederlanden 1665 auf den Großen Rat von Mecheln bis zu Cromwells Schiedsabreden, aber auch das Verfahren zwischen den Königen von Großbritannien und Preußen 1729/30, besteht kein Anlaß daran zu zweifeln, daß die von Grotius geschilderte differenzierte Einheit von Recht, Gerechtigkeit und Billigkeit auch in der Praxis von den Schiedsrichtern beachtet werden sollte. Jedenfalls findet sich weder eine ausdrückliche Vereinbarung noch ein sonstiger Hinweis, wonach ihnen eine ausgedehntere Gewalt eingeräumt worden wäre. Grotius begnügt sich jedoch nicht mit den geschilderten prinzipiellen und zum Verständnis der Schiedsgerichtsbarkeit notwendigen Darlegungen, zu denen noch die KlarsteIlung gehört, daß die von den Völkern und Staatsoberhäuptern geWählten Schiedsrichter über die Sache selbst und nicht bloß über die Besitzfrage entscheiden müssen292 . Unter Berufung auf den Apostel Paulus hält er die christlichen Könige und Völker in besonderem Maße für verpflichtet, den Weg des Kompromisses zu beschreiten293 . Der Appell an ihre christliche Pflichterfüllung, gepaart mit den Argumenten der Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit, gipfelt in der Forderung nach Kongressen christlicher Mächte, "wo durch Unbeteiligte die Streitigkeiten der anderen entschieden und Regeln vereinbart würden, um die Kriegsparteien zu zwingen, einen Frieden der Gerechtigkeit anzunehmen"294. Damit reiht sich Grotius in moderater 290

291 292 293 294

Drittes Buch, 20. Kap., XLVI,2 und XLVII. Drittes Buch, 20. Kap., XLVII,2 Drittes Buch, 20. Kap., XLVIII. Zweites Buch, 23. Kap., VIII,3. Zweites Buch, 23. Kap., VlII,4; Übersetzung von Schätzel S. 393.

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Weise in den Chor der Friedensrufer ein, auf deren Pläne einer allgemeinen Versammlung noch zurückzukommen sein wird. Das Werk des niederländischen Juristen vereint bereits alle drei Kategorien der nachfolgenden literarischen Beschäftigung mit dem Thema Schiedsgerichtsbarkeit: rechtliche Ausführungen, ethische Mahnungen in christlichem Sinn und idealistische Vorstellungen. Wie fließend die Übergänge zwischen den Bereichen waren, zeigt ein Blick in die ebenfalls 1650 erschienene "Juris et judicii Fecialis sive Juris inter Gentes et Quaestionum de Eodem Explicatio ... "295 des Doctor of Civil Law (Oxford 1619) Richard Zouche. Wer erwartet hatte, von diesem Praktiker - Zouche war zuerst Advokat, dann von 1641 bis 1649 Richter am High Court of Admiralty in London296 - einen umfassenden und detaillierten Einblick in die internationale Gerichtsbarkeit zu erhalten, sieht sich herb enttäuscht: Man findet den mit einigen wenigen Beispielen aus der Antike untermauerten Hinweis, daß in Streit geratene Völker manchmal ihren Zwist dem Schiedsspruch Dritter unterwerfen, verbunden mit dem Ratschlag an den Schwächeren, sich im Streit der Nachbarn dem anzuschließen, der ein Mehr an Aequitas auf seiner Seite zu haben scheine. Gleich Starke oder Mächtigere dagegen sollten sich "prudenter et honeste" zurückhalten, "ut Controversarium Arbitri habeantur"297. Immerhin bezieht Zouche auch noch kurz zu einzelnen praktischen Problemen Stellung, indem er sowohl die Frage, ob die Schiedsrichter aufgrund von Annahmen entscheiden dürfen, als auch, ob es ihnen erlaubt ist, aus alten Titeln neue Besitzrechte herzuleiten, positiv beantwortet, während er andererseits klarstellt, daß das Urteil in einem Gebietsstreit fremder Parteien trotz römischen "Vorbilds" nicht zugunsten der Arbitri ausfallen darf298 . Recht umfassend informiert dagegen Samuei Pufendorf "Über die Art der Beilegung von Streitigkeiten im Zustand der natürlichen Freiheit". im 13. Kapitel des fünften seiner acht Bücher "Oe jure naturae et gentium" von 1672299 . Die Wertschätzung, die er gemeinhin als der "begabte Vermittler ursprünglich fremder Theorien"300 genießt, erweist sich auch im Hinblick auf 295 Benutzt wurde die von Thomas Erskine Holland in der Reihe "The Classics of International Law" herausgegebene Reproduktion mit Übersetzung, 2 Bde., Washington 1911. 296 Sein Amt als Richter verlor er durch Cromwell, wurde aber 1660/61 kurz vor seinem Tode wieder eingesetzt. 1654 gehörte er zu den Richtern im Mordprozeß gegen Don Pantalone Sa, den Bruder des portugiesischen Gesandten. Wie die Doctores Exton, Walker und Turner, von denen unten als Schiedsrichtern gemäß den Verträgen Cromwells noch die Rede sein wird, gehört Zouche zu Doctor's Commons, dessen Präsidentschaft er nach der Restauration von Walker übernahm. 297 Pars 2: De Judicio inter Gentes. Sect. I, 2° und 4. (Bd. 1, S. 54 und 56 f.). 298 Pars 2, Sect. III, 5 -7. (Bd. 1, S. 75 f.). 299 Diese erste Ausgabe erschien in Lund. Daneben wurde die auf der Edition von 1688 basierende, von Walter Simons in den Classics of International Law herausgegebene zweibändige Ausgabe Oxford London 1934 benutzt.

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seine Ausführungen zur Schiedsgerichtsbarkeit als gerechtfertigt. Seine Gelehrsamkeit erschöpft sich nicht in der Aneinanderreihung von Zitaten klassischer Schriftsteller und von Beispielen aus der griechischen und römischen Geschichte, sondern er bemüht sich gleichfalls um rational einsichtige Begründungen. Zwar fordert nach seiner Ansicht die Lex naturalis, daß jeder das von ihm Geschuldete begleicht und im Falle eines arglistig zugefügten Schadens bereut301 • Aber nicht jeder hat so ein gutes Wesen, daß er seine Pflicht tut, und außerdem entstehen Streitigkeiten oft über Bestehen und Betrag einer Schuld, die Höhe eines Schadens, die Befugnis zu und die Ausführung von bestimmten Gesetzen, die Festlegung von Grenzen, die Interpretation von Verträgen und über andere Forderungen - eine Aufzählung, die sich im wesentlichen mit der Liste der Streitgegenstände der zeitgenössischen internationalen Schiedsabreden deckt. Im Naturzustand könne aber wegen der Gleichheit niemand ein vom Gegner zu akzeptierendes Urteil fällen 302 , und ebensowenig erlaube das Naturrecht, nach eigenem Gutdünken zur Regelung seines Rechts sofort die Waffen zu ergreifen, bevor nicht weniger gewaltsame Lösungen angestrebt worden seien. Dieser Norm würden diejenigen gerecht, welche die von Grotius empfohlenen Konferenzen abhalten und sich bei Erfolglosigkeit auf den verbindlichen Spruch eines Arbiters einigen303 • Selbst dadurch - Pufendorf sieht es realistisch - wird jedoch keine Garantie für den Frieden geschaffen. Denn so leicht es fällt, gegen das Naturrecht zu verstoßen, so leicht ist es, Schiedsrichter zu verachten und zu den Waffen zu greifen304 • Vom Schiedsrichter erwartet Pufendorf strikte Unparteilichkeit, weshalb ein am Ausgang der Sache Interessierter für diese Aufgabe ungeeignet ist (schmachvolles Beispiel der Römer). An die Streitenden soll ihn nichts anderes binden als sein Vertrag mit den Parteien - denn wie ein Schiedsverfahren nur mit deren Einwilligung zustande kommt, so kann niemand gegen seinen Willen zum Schiedsrichter berufen werden -, der ihn lediglich verpflichtet, nach seinem Rechtsempfinden zu entscheiden. Wenn nämlich die Parteien ihre Unterwerfung an die Bedingung der Gerechtigkeit des Spruches knüpfen könnten, würde der Zweck der Anrufung eines Schiedsrichters verfehlt, weil über die Frage der angezweifelten Gerechtigkeit "ad infinitum" notwendigerweise immer neue Schiedsrichter entscheiden müßten. Überhaupt gebe es 300 Hammerstein, Notker: Samuel Pufendorf. In: Stolleis, Michael (Hrsg.): Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert. Reichspublizistik - Politik - Naturrecht. Frankfurt am Main 1977. S. 174 -197, S. 174 301 Buch V, Kap. XIII, § 1. Wer aus Zorn oder Rachebedürfnis ernsthaft reuevolle Annäherungen zurückweist, ist für den folgenden Streit verantwortlich. 302 Buch V, Kap. XIII, § 2. 303 Buch V, Kap. XIII, § 3. Denjenigen, der eine Sache erstrebt, trifft dabei eine größere Pflicht, sich um gewaltlose Lösungen zu bemühen. 304 Dies stellt Pufendorf in Buch VIII, Kap. I, § 9 fest, wo er sich mit den zur Bildung eines Staates führenden Motiven beschäftigt.

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wegen des Fehlens eines höheren Richters keine Berufung, mit der Folge, daß die Parteien sich an den Spruch halten müßten, ob er nun gerecht sei oder nicht. Unter Heranziehung einer Digestenstelle nimmt Pufendorf allerdings drei Fälle von dieser schon Grotius bekannten Regel aus, die jedoch offensichtlich sein müssen: 1.) Der Schiedsrichter steckt mit der Gegenpartei unter einer Decke; 2.) Er ist von dieser durch Geschenke bestochen worden, und 3.) Er hat eine Übereinkunft getroffen, eine der Parteien zu betrügen. Wie sich Pufendorf die Umsetzung dieser in der Theorie eindeutigen Einschränkungen vorstellt, erfährt der Leser nicht; dafür wird ihm aber geraten, bei mehreren Schiedsrichtern auf eine ungleiche Zahl zu achten, um ein Stimmenpatt zu vermeiden305 . In der auch bereits von Grotius aufgeworfenen Frage, ob der Schiedsrichter an die Stelle des Richters gesetzt oder ihm eine größere Kompetenz übertragen ist, stimmt Pufendorf für den Zweifelsfall der strengeren Ansicht des Niederländers mit neuen Argumenten zu. Das Drängen auf Milderung des strikten Rechts sei nicht die Aufgabe des Schiedsrichters, sondern gemeinsamer Freunde der Parteien, die schlichten wollen306 . Daher unterscheidet Pufendorf als einer der ersten die "Arbitri ... proprie dicti" von den "Mediatores"307: Der Arbiter wendet, sofern nicht die Parteien die Erledigung gemäß den "leges positivae" eines Staates angeordnet haben, das Naturrecht als das zwischen ihnen geltende Recht an308 . Dabei darf er nach Pufendorf, der hier bewußt von Grotius abweicht, zunächst die Besitzfrage klären, weil diese oft für die Beweislastverteilung eine Rolle spielt. Während des Prozesses darin sind sich beide Autoren einig - ist ein Besitzwechsel dagegen nach Naturrecht unstatthafp09. "Wenn man die natürliche Beschaffenheit jeder Angelegenheit betrachtet, fördert die communis ratio hinreichend die Form und den Fortgang des vor den Arbitri abzuwickelnden Verfahrens zutage, so daß es überflüssig wäre, ausführlich zu beschreiben, auf welche Weise die Parteien ihre Rechtshandlung vorbringen sollen, auf welche Weise die Beschaffenheit des Streites darzustellen und nach dem Abwägen der Darstellungen beider Parteien schließlich das Urteil auszusprechen ist"31O. Deshalb kann sich Pufendorf darauf beschränken, nach der Diskussion eines Sonderfalls - was ist zu tun, wenn Dokumente als einzige Beweise verloren gegangen sind?311 - die GemeinsamBuch V, Kap. XIII, § 4. Buch V, Kap. XIII, § 5. 307 Buch V, Kap. XIII, § 7. Zu den Einzelheiten und zur Bedeutung Pufendorfs für die Entwicklung siehe Duchhardt: Friedensvennittlung S. 95 ff. Dort auch eine Würdigung der von Pufendorf im gleichen Paragraphen vorgeschlagenen "bewaffneten Vermittlung mit Interventionsdrohung" (Duchhardt S. 97). 308 Buch V, Kap. XIII, § 5. 309 Pufendorf Buch V, Kap. XIII, § 6; Grotius Buch III, Kap. 20, XLVIII. 310 Buch V, Kap. XIII, § 8. m Buch V, Kap. XIII, § 8. Zwar ruft man "in foro civili" den Richter ohne Beweise vergeblich an, aber im Naturzustand genügt es, daß ich selbst von der Klarheit meines Rechts überzeugt bin. 305

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keiten zwischen Richtern und Schiedsrichtern in bezug auf Beweismittel im allgemeinen und Zeugen im besonderen zu behandeln312 und seine Ausführungen mit einer Bemerkung zur Exekution des Spruchs durch erlaubte Waffengewalt zu schließen313 • Die Berufung auf die communis ratio für den Verzicht auf die Schilderung des Prozeßablaufs und der Exekution des Urteils ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen vertraut Pufendorf auf das Verständnis seiner Zeitgenossen, was wiederum eine tiefe Verwurzelung der schiedsgerichtlichen Institution in deren Bewußtsein voraussetzt. Die Lektüre des Werkes diente dem Leser mithin nur zur Abrundung seiner eigenen Vorstellungen, deren Übereinstimmung mit dem Naturrecht ihm von kompetenter Seite bestätigt wurde. Demgegenüber hat die Forschung - und das ist der zweite interessante Punkt - aus der angeblich nur beiläufigen Erwähnung des Rechtsinstituts bei den älteren Völkerrechtsautoren geschlossen, daß diese die rechtliche Austragung von Streitigkeiten offenbar nicht als praktisch wirksam angesehen hätten 314 • Dieser Schluß ist, wie die Begründung Pufendorfs zeigt, nicht zwingend. Zudem muß gerade für ihn, aber ebenso für Grotius die Prämisse von der lediglich marginalen Behandlung der Schiedsgerichtsbarkeit in Frage gestellt werden315 • Mehr Gewicht kommt dagegen der anderen Behauptung einer seltenen Erwähnung des Instituts ZU316 • Denn einzig Philipp Reinhard Vitriarius geht 1711 in knapper Form und unter Zitierung der entsprechenden Stellen bei Grotius und Pufendorf auf den zu einer bindenden Entscheidung führenden Komprorniß ein317 , während bei Nikolaus Hieronymus Gundling nicht klar wird, ob er die Arbitri nur im privaten oder auch im internationalen Bereich zum Einsatz kommen lassen Will 318 • In den "Fundamenta Juris Naturae et Buch V, Kap. XIII, § 9. Buch V, Kap. XIII, § 10. 314 Lammasch S. 29. Schon Reibstein: Europäisches Öffentliches Recht S. 395 teilt die Bewertung der Schiedsgerichtsbarkeit als bedeutungslos nicht mehr. 315 Wie.unterschiedlich selbst die quantitativen Bewertungen ausfallen können, zeigt ein einfacher Vergleich: Nach Lammasch S. 29 geht Pufendorfüber die Schiedsgerichtsbarkeit "mit wenigen Bemerkungen . . . hinweg", während er nach Simons "das Schiedsgerichtswesen in ausführlicher Weise" bespricht (Einleitung zur Pufendorf-Ausgabe der Classics of International Law S. 43 a). 316 Lammasch S. 29 in Übereinstimmung mit früheren Autoren. 317 Institutiones juris naturae et gentium ... ad methodum Hugonis Groti conscriptae. Lugdunum Batavorum 1711. Buch 11, Kap. XXIII, § XI und § XII (S. 475). 318 Sein "Jus naturae ac gentium connexa ratione novaque methodo elaboratum et a praesumtis opinionibus alüsque ineptiis vacuum" wurde in der dritten, erweiterten Auflage Halle und Magdeburg 1736 benutzt. Einerseits stützt er seine gegenüber Pufendorf verschärfte These "Pax est quaerenda, ubi haberi potest" durch die Aussage, daß Arbitri herangezogen würden und "ceteris paribus" herangezogen werden müßten (Kap. IX, § 10, S. 94 f.), andererseits scheint er sie in Kap. XXXVI De juribus majestatis als eine Institution des Privatrechts zu sehen: ,,§ LXXIII Ab his arbitri different, qui libera voluntate a privatis ad componendas controversias eligentur. LXXIV Electi vel 312

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Gentium ." des Thomasius 319 sucht der Leser gar vergeblich nach diesbezüglichen Äußerungen. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, daß schon Grotius das traditionelle Mittel des Schiedsspruchs im Rahmen allgemeiner Konferenzen einer neuen Bestimmung zuführen wollte 320 und Pufendorf neben seiner umfangreichen Behandlung der Schiedsgerichtsbarkeit eine "bewaffnete Vermittlung mit Interventionsdrohung" (Duchhardt) empfahP21. Diese mehr oder minder realistischen Alternativen rückten bei den nachfolgenden Autoren in den Mittelpunkt der Betrachtung. Johann Wolfgang Textor widmete in seiner 1680 in Basel erschienenen "Synopsis juris gentium"322 mit der Mediation einem verwandten Institut seine Aufmerksamkeit, welches soeben bei den Friedensverhandlungen in Nimwegen eine Rolle gespielt hatte 323 . Vier Jahre zuvor hatte Samuel Rachel den Gedanken eines "Collegium aliquod Fecialium" als Ideal aufgegriffen und propagiert, das durch einen allgemeinen Vertrag der Völker, Länder und Fürsten zur Entscheidung der internationalen Streitigkeiten errichtet werden sollte324 . Rachel war sich bewußt, daß zu seiner Zeit keine Aussichten zur Verwirklichung des Plans bestanden, ja daß dieser zum Gegenstand des Gespötts werden mußte. In seinem Bekenntnis zur Idee schwingt jedoch zumindest die Hoffnung auf einen Anstoß für die Praxis mit: Auch aus den individuellen Überlegungen zum idealen Staat und zum idealen Fürsten sei von Nachahmern Nutzen für den eigenen Staat gezogen worden. Zudem vermochte Rachel die christlichen Fürsten auf das Vorbild des Königs Heinrich IV. von Frankreich hinzuweisen325 , dessen angeblicher Friedensentwurf nicht allein ihn inspirierte. In den 1662 erschienenen Memoiren des Herzogs von Sully, ex aequo et bono, vel observato judicii ordine procedunt: de quibus iterum in privato iure fusius." (S. 453 f., Hervorhebungen nachträglich). 319 Benutzte Ausgabe: 4. Auflage Halle Leipzig 1718. 320 Siehe oben Teil I: B I. 321 Duchhardt: Friedensvermittlung S. 97 zu Pufendorf Buch V, Kap. XIII, § 7. 322 Benutzt wurde die von Ludwig v. Bar in den "Classics of International Law" herausgegebene zweibändige Ausgabe Washington D.C. 1916. Das Kap. XX "De pace et eius Mediatoribus" ist eine der frühesten literarischen Beschäftigungen mit diesem Institut, wobei Textor die Verbindung zum Privatrecht zieht: "Quod igitur in causis privatis est arbitrator, de voluntate partium ad componendam amiciabili ratione controversiam assumptus, hoc in publicis est mediator pacis, in cuius persona consideranda auctoritas & justitia" (S. 62). 323 Dazu Duchhardt, Heinz: Arbitration, Mediation oder Bons Offices? Die englische Friedensvermittlung in Nijmwegen 1676 - 1679. In: Ders.: Studien zur Friedensvermittlung in der Frühen Neuzeit. Wiesbaden 1979, S. 23 - 88. 324 Rachel, Samuel: De jure naturae et gentium dissertationes (1676). Hrsg. von Ludwig von Bar in den "Classics of International Law". 2 Bde. Washington D.C. 1916. Kap. CXIX S. 330 ff. 325 Kap. CXX. S. 331.

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des wahrscheinlichen Verfassers 326 , veröffentlicht, hat der Plan ebenso die Bewunderung von William Penn hervorgerufen 327 , der selbst in seinem "Essay towards the present and future peace in Europe" 1693 eine periodisch zusammentretende souveräne Versammlung der regierenden Fürsten schaffen wollte, vor die alle nicht schon vorher privat geschlichteten Streitigkeiten der Mitglieder gebracht werden sollten328 • Der AbM Charles Irenee Castel de Saint Pierre, der mit seinem "Projet pour rendre la paix perpetuelle en Europe" 1713 die Reihe der Friedensrufer fortsetzte, wies im achten der zwölf unabänderlichen Grundartikel dem Senat seiner zu konstituierenden europäischen Förderation die Aufgabe zu, nach dem Scheitern gütlicher Vermittlungen durch ein "Jugement Arbitral" zu entscheiden, einstweilig mit einfacher, endgültig mit Dreiviertelmehrheit329 • Alle diese Projekte - "Le Nouveau Cynee" des Emeric Cruce von 1623330 eingeschlossen - haben eines gemeinsam: ein internationales Organ aus Vertretern der teilnehmenden Mächte, das über die Streitigkeiten urteilt. Ein solcher Schiedshof ist jedoch kein ausschließliches Merkmal dieser "großen" Friedensrufe, sondern kennzeichnet das pazifistische Denken des 17. und 18. Jahrhunderts in Frankreich331 ebenso wie eine Vielzahl von unter anderem auch in Deutschland332 erschienenen Schriften. In den einschlägigen Untersuchungen wird immer wieder auf die Bedeutung dieser geistigen Bewegung für die Ende des 19. Jahrhunderts unternommenen Anstrengungen für eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit und auf die Übereinstimmung der Pläne mit dem Völkerbund des 20. Jahrhunderts hinge326 Zu Urheberschaft und Entstehungszeit Schlochauer, Hans-Jürgen: Die Idee des Ewigen Friedens. Ein Überblick über Entwicklung und Gestaltung des Friedenssicherungsgedankens auf der Grundlage einer Quellenauswahl. Bonn 1953. S. 16 f. 327 Schlochauer: Ewiger Friede S. 21. 328 Deutsche Übersetzung bei Raumer, Kurt von: Ewiger Friede. Friedensrufe und Friedenspläne seit der Renaissance. Freiburg München 1953. S. 321 ff. Der hier interessierende Auszug auch bei Schlochauer: Ewiger Friede S. 384 ff. 329 Abdruck des Artikels mit deutscher Übersetzung bei Schlochauer: Ewiger Friede S. 92 f. (Stellungnahme S. 22 f.). J.J. Rousseaus Bearbeitung, die unter anderem die Vorteile des europäischen Schiedsgerichts für die verbündeten Herrscher zusammenfaßt und den Nachteilen gegenüberstellt, bei v. Raumer S. 343ff., S. 366ff.; dort S. 369ff. auch Rousseaus "Urteil über den ewigen Frieden". 330 Übersetzung bei v. Raumer S. 289 ff. Trotz des vor 1648 liegenden Erscheinungsdatums muß dieser in die Zukunft weisende Plan, der vermutlich das Projekt Sullys beeinflußt hat (Schlochauer: Ewiger Friede S. 17 f.), wegen des engen sachlichen Zusammenhangs hier erwähnt werden. 331 Souleyman, Elizabeth V.: The Vision of World Peace in seventeenth and eigtheenth-century France. New York 1941. S. 201 f. 332 Vergleiche den Überblick bei Schlochauer: Ewiger Friede, besonders S. 24 ff. (Deutschland). Ebenfalls allgemein Lange, Christian L. /Schou, Auguste: Histoire de l'internationalisme. Band 2: De la paix de Westphalie jusqu'au Congres de Vienne (1815). Publications de l'institut Nobel norvegien Bd. VII. Oslo 1954.

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Teil I: B. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Literatur

wiesen 333 • Diese positive Bewertung soll hier keinesfalls eingeschränkt oder angezweifelt werden. Aber ebenso muß die Frage nach der Bedeutung der Literatur für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit im 17. und 18. Jahrhundert aufgeworfen werden. Kann es sein, daß das Ausgreifen in höhere Sphären, das Anvisieren fernliegender Ziele zum Verschwinden der traditionellen internationalen Schiedsverfahren beigetragen hat, weil das Naheliegende, die Pflege des bereits Erreichten, darüber vernachlässigt wurde? Da die Autoren, ob Naturrechtler oder Verfechter von Friedensprojekten, nicht auf eine unmittelbare Beeinflussung des internationalen Verkehrs zielten, wird sich ein direkter Zusammenhang kaum belegen lassen. Andererseits darf festgestellt werden, daß das Rechtsinstitut, wie es aus den internationalen Verträgen der zweiten Hälfte des 17. und dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts erschlossen werden kann, weit ausgefeilter und differenzierter war als die Ausführungen der Völkerrechtsautoren. Mit einem Bücherstudium läßt sich die institutionelle Schiedsabrede zwischen dem Kaiser und dem polnischen König von 1677334 ebensowenig erklären wie der Komprorniß von 1665 zwischen dem Kurfürsten von Brandenburg und den Generalständen der Vereinigten Niederlande335 • Wie die anderen Fälle sind sie der Niederschlag eines gelebten Rechtsbewußtseins und einer langen praktischen Erfahrung. Beides mußte mit dem abnehmenden Gebrauch und dem Verschwinden der Schiedsgerichtsbarkeit ab 1730 allmählich verblassen. Daher wird nun zu untersuchen sein, inwieweit die Literatur diesem Prozeß entgegenwirken konnte. 11. Die Literatur als Ersatz der Praxis (1730 -1794)

Es ist sicherlich ein bemerkenswerter Zufall, daß die Mächte genau zu diesem Zeitpunkt auf die Schiedsgerichtsbarkeit verzichteten, als im Schrifttum der Anschluß an die jüngste Praxis gefunden wurde und die Voraussetzungen für eine vertiefte Kenntnisnahme günstiger waren als je zuvor. Fast alle der hier behandelten Schiedsabreden sind bereits in der Vertragssammlung von Dumont enthalten, deren letzter, 1731 erschienener Band den im April 1730 von den Herzögen von Sachsen-Gotha und Braunschweig-Lüneburg in den Streitigkeiten der Könige von Großbritannien und Preußen gefällten Schiedsspruch gerade noch einschließt336 •

333 Scupin, Hans-Ulrich: Art. Friedensbewegung. In: Wörterbuch des Völkerrechts Bd. 1, S. 572 - 585 sieht diesen Zusammenhang noch allgemeiner: "In allen ihren Erscheinungsformen ist die geistige Friedensbewegung Voraussetzung und Nährboden für die konkret-politische" (S. 573 1. Sp.). 334 Parry Bd. 14, S. 216 ff. 335 Dumont Bd. VI, Teil III, S. 41 ff. 336 Dumont Bd. VIII, Teil 11, S. 161 f. Es handelt sich, abgesehen von den Nachträgen, um das vorletzte abgedruckte Dokument.

11. 1730 - 1794: Literatur als Ersatz der Praxis

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In der Absicht, Beispiele aus allen Zeiten heranzuziehen, verzeichnet auch

Burcard GottheIt Struve 337 in Teil I, Kap. I: "De observantia, judicio et arbitrio

inter gentes" seiner "Jurisprudentia heroica" mehrere der wichtigsten Schiedsfälle seit 1648338 • Griff der interessierte Leser dagegen zu den Werken des Abbe de Mably339, mußte er wesentlich mehr Mühe aufwenden340 , da gerade grundlegende Ausführungen zur Schiedsgerichtsbarkeit weit verstreut und oft bei der Kommentierung ganz anderer Ereignisse zu finden sind. Auf die wichtige vertragliche Basis etwa kommt Mably beim englisch-niederländischen Vertrag von 1678 zu sprechen, den er mit seiner Ansicht nach unnötigen Bestimmungen belastet wähnt. Denn: "Tout artic1e de Traite doit donner ou öter un droit; former un engagement; decider une question equivoque; ou nommer des Arbitres pour en juger dans l'espace d'un certain tems ... "341. Von dem Prinzip der Unabdingbarkeit einer solchen Einwilligung seien Frankreich, England und die Niederlande zum ersten Mal bei den Verträgen zur Teilung des spanischen Erbes abgewichen ("S'etoit-on soumis a leur arbitrage?")342 - eine bequeme, unter gewissen Umständen nützliche, aber wegen der Schwächung der Herrschaft von "raison" und "bonne foi" immer sehr 337 Struvius, Burcard Gotthelf: Jurisprudentia heroica seu jus quo illustres utuntur privatum ex innummeris exemplis actis publicis editis et ineditis atque historiarum monumentis omnis aevi illustratum. 8 Teile. Jena 1743 -1753. 338 Auch hier wird der weit überwiegende Teil der Beispiele den Werken der antiken Schriftsteller entnommen, § 9 ff.; neben dem Spruch von 1730 (§ LXXI) kennt Struve aber beispielsweise das Laudum in den Streitigkeiten zwischen dem Kaiser und dem Herzog von Savoyen (1712, § LXX) und drei Fälle mit "arbitri privati": 1654 CromwelV Niederlande (§ LXVII), 1657 katholische und evangelische Kantone der Schweiz (§ LXXVIII) und den Kompromiß von 1665 auf den Rat von Mecheln (§ LXXIX). Bei seinen eigenen kurzen Ausführungen zur Schiedsgerichtsbarkeit verweist Struve unter anderem auf Grotius. 339 Neben dem schon erwähnten "Droit public de l'Europe" von 1746 veröffentlichte Mably 1757 in Amsterdam "Des principes des nt!gociations pour servir d'introduction au droit public de I'Europe, fonde sur les traites". 340 Direkt verweist Mably bei den von ihm als bedeutungsvoll angesehenen Handelsverträgen auf die Schiedsabreden im spanisch-niederländischen Vertrag von 1648 und im englisch-französischen Abkommen von 1655 (Droit public Bd. 2, S. 297 und 313), während er auf die weitere Darstellung des Schiedsverfahrens über die Ansprüche der Herzogin von Orleans im vermeintlichen Interesse des Lesers ausdrücklich verzichtet (Droit public Bd. 1, S. 244 f.). Von anderen Fällen berichtet er ungenau: Art. VIII des Friedens von Carlowitz zwischen der Türkei und Vendig interpretiert er dahingehend, daß man die zwischen den beiderseitigen Kommissaren unentschieden gebliebenen Angelegenheiten "a l'arbitrage" der Gesandten des Kaisers, Englands und der Niederlande unterworfen habe (Droit public Bd. 1, S. 354), obwohl im italienischen Originaltext lediglich eine freundschaftliche Beendigung "per gl'officii" der genannten Gesandten vorgesehen ist (Parry Bd. 22, S. 272). Umgekehrt erwähnt Mably bei der ausführlichen institutionellen Schiedsabrede zwischen dem Kaiser und dem polnischen König von 1677 nur, daß man sich geeinigt habe, alle Streitigkeiten immer "a l'amiable" zu erledigen (Droit public Bd. 1, S. 189). 341 Mably: Droit public Bd. 1, S. 229. 342 Mably: Droit public Bd. 2, S. 5.

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Teil I: B. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Literatur

schädliche Politik343 • Große Bedeutung mißt Mably auch dem "amour pour la justice" der Schiedsrichter bei, einer Eigenschaft, die bei den verschiedenen Mächten nicht in gleichem Maß zu finden sei: Während die zweitrangigen Staaten gerade aus diesem Grund oft zu Arbitres zwischen den führenden Mächten erkoren würden344 , machten sie als Schiedsrichter meist den Fehler, von vorneherein einer der Parteien zuzusichern, ihre Interessen höher zu schätzen als die Gerechtigkeit345 • Zudem sähe gewöhnlich jeder Arbitre, weil er "tout l'honneur de la mediation" erstrebe, eher auf die Art des Gelingens als auf den tatsächlichen Erfolg346 • Das von der Gegenseite akzeptierte Angebot eines Kompromisses auf eine Macht, die kein Interesse daran hätte, ungerecht zu sein, wertet Mably jedoch als ein Zeichen der Herrschaft des "esprit de paix" und als der "tranquillite publique" zuträglich347 • Gegenüber diesen an der Praxis orientierten Arbeiten fällt kaum ins Gewicht, daß zwei der ersten naturrechtlich ausgerichteten Werke nach 1730, die "Elementa juris naturae et gentium" des Johann Gottlieb Heineccius (1738)348 und die "Principes du Droit NatureI" von J. J. Burlamaqui (1747)349, keine weiteren Ausführungen zur Schiedsgerichtsbarkeit enthalten. Der Mangel wird zudem mehr als ausgeglichen, als kurz danach dem schiedsrichterlichen Verfahren durch die großen Naturrechtler Wolff und Vattel ein fester Platz im Kanon des völkerrechtlichen Instrumentariums zur Streiterledigung zugewiesen wurde. Der wegen seiner Verdienste um eine Systematisierung hochgeschätzte Christian Wolf! setzt in seinem "Jus gentium methodo scientifica pertrac• tatum" von 1749350 die Völker, was die Streitbeilegung anbelangt, den im 343 Mably: Droit public Bd. 2, S. 38. Vor den genannten Verträgen seien die Fürsten nicht auf den Gedanken gekommen, die Interessen ihrer Nachbarn ohne deren Beteiligung zu regeln, "ni de se porter pour juges, quand ils ne pouvoient etre que de simples mediateurs" . 344 Mably: Principes S. 89 f. Zu den zweitrangigen Mächten rechnet er den Hof von Wien, Rußland, Spanien, Dänemark und andere. 345 Mably: Principes S. 175 f. An welche Fälle er dabei dachte, läßt sich nicht ermitteln. Einschlägig könnte folgendes Beispiel sein: Am 7./17. Februar 1667 fällten die Gesandten der Könige von Frankreich und Schweden in Heilbronn einen Schiedsspruch in den Auseinandersetzungen zwischen Kurpfalz und seinen Nachbarn im Reich (sog. Wildfangstreit). Schon am 19. Juli 1656 hatte der König von Frankreich dem Pfälzer für den Fall von Querelen mit einem Reichsfürsten versprochen, auf sein Verlangen "son entremise & son autorite" für eine vernünftige Beendigung einzusetzen ,,& autant a l'avantage dudit Sieur Electeur que lui sera possible." (Art. VIII, Parry Bd. 4, S. 160). 346 Mably: Principes S. 176. 347 Mably: Principes S. 177. 348 Vollständiger Titel: Elementa juris naturae et gentium, commoda auditoribus methodo adornata. Halae 1738. In Buch 11, Cap. VIIII § CCXXI behandelt Heineccius die Mediatoren. 349 Das Werk erschien in Genf. 350 Erschienen auch in den "Classics of International Law" Oxford und London 1934, unter Zugrundelegung der Edition von 1764.

11. 1730 - 1794: Literatur als Ersatz der Praxis

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Naturzustand lebenden Einzelpersonen gleich351 ; da beide keinen Richter haben, der im Streit de jure ein Urteil fällt, können die Unstimmigkeiten in beiden Fällen nur "vel amicabiliter, vel per transactionern, vel per mediationem vel per arbitrium" beigelegt werden352 . Zur Vereinbarung bzw. Durchführung dienen die Versammlungen und Konferenzen, zu denen die betroffenen Mächte, da sie zur Teilnahme rechtlich verpflichtet sind, durch den sonst nur zu Verteidigungszwecken erlaubten Krieg gezwungen werden dürfen353 . Eine Verwirklichung dieser Vorstellungen hätte zu einer beträchtlichen Aufwertung der Stellung des Schiedsrichters führen müssen, dessen Wahl und Funktionen Wolff bereits 1745 in seinem "Jus naturae" beschrieben hatte 354 . Im wesentlichen bereicherte er mit seinen klärenden Definitionen, Unterscheidungen und Verfeinerungen das von Grotius und Pufendorf abgesteckte Feld. Die Ausführungen von Achenwal(355 stellten demgegenüber keinen Fortschritt mehr dar. Einen originellen Beitrag leistete Wolff jedoch, indem er den aus der mittelalterlichen Literatur und Praxis bekannten Arbitrator wieder zum Leben erweckte, der keinesfalls mit dem von Grotius und Pufendorf erwähnten Schiedsrichter mit erweiterten Kompetenzen gleichgesetzt werden darf, sondern - wie bei Durantis - in seiner friedenstiftenden Funktion zwischen dem Arbiter und dem Mediator angesiedelt ist356 . Abgesehen von der Differenzierung ArbiterlArbitrator folgt Emer de Vattel dem in Halle wirkenden Professor bei der klaren Vierteilung der "natürlichen" Maßnahmen zur Beilegung eines Streits. Allerdings beschränkt er in seinem "Droit des Gens"357 die diesbezüglichen Verpflichtungen von vornherein auf eine Auseinandersetzung "qui n'interesse pas directement le salut de la Nation"358. Gilt es zur Verteidigung der für die Existenz wesentlichen Rechte die letzten Kraftreserven zu mobilisieren359 , stellt für die "interets non-essenJus gentium Kap. V, § 569. Jus gentium Kap. V, § 570. 353 Jus gentium Kap. V, § 571 f. Wenn allerdings von vomeherein feststeht, daß wegen des Verhaltens des Gegners Konferenzen und Kompromisse aussichtslos sind und nur zum Schaden des dazu Bereiten führen, ist dieser auch ohne vorherige Schlichtungsversuche zum Krieg berechtigt, § 573. 354 Wolff, Christian: Jus naturae methodo scientifica pertractatum. Bd. 5. Halle und Magdeburg 1745 (ND Hildesheim 1968), § 945 ff. Die erforderlichen Eigenschaften eines Schiedsrichters faßt Wolff in seinen "Institutiones juris naturae et gentium" Halle und Magdeburg 1754 (ND Hildesheim 1969) Teil 11, Kap. XVIII, § 772 zusammen. 355 Achenwall, Gottfried: Jus naturae in usum auditorum. Buch I, Sect. 111; § 298 ff. Benutzt wurde die 7. Auflage Göttingen 1781. 356 Wolff: Jus naturae § 947 ff. Die Unterscheidung des Durantis im "Speculum judiciale" bei de Taube S. 88, der aus einer Ausgabe Lyon 1678 zitiert. 357 Vollständiger Titel: "Le droit des gens ou principes de la loi naturelle appliques a la Conduite & aux affaires des Nations & des souverains". 2 Bde. Leiden 1758. 358 Vattel Bd. 1, Buch 11, Kap. XVIII § 329 "De l'arbitrage" S. 220. Auch klare Rechte braucht ein Souverän keinem Schiedsrichter zu unterwerfen (§ 331). 351

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Teil I: B. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Literatur

tiels" die Schiedsgerichtsbarkeit "un moyen tres-raisonable & tres-conforme a la Loi Naturelle"360 dar. Sobald der Komprorniß geschlossen ist, sind die Parteien an den Spruch des Schiedsrichters gebunden, es sei denn, die Entscheidung ist "manifestement injuste & deraisonable". Nach Vattels Meinung muß dieser Vorbehalt nicht zur Unpraktikabilität des Instituts führen, wenn nur im Komprorniß der Streitgegenstand und damit die Befugnisse der Schiedsrichter gen au umschrieben werden. Wer sich dann dem angeblich ungerechten Spruch entziehen will, muß "par des faits indiscutables" beweisen, daß dieser auf Korruption oder offener Parteilichkeit beruht361 • Während Wolff noch einem möglichen Vorwurf der Abweichung von der allgemeinen Meinung und Übung der Völker mit dem Verweis auf das wahre Recht entgegengetreten war362 , läßt Vattel auch Bemerkungen zur internationalen Praxis - mediation: fort usitee, sournission a l'arbitrage: quelquefois 363 in seine Darstellung mit einfließen. Dagegen gründet Johann Jacob Moser sein "unter denen Europaeischen Souverainen und Nationen" übliches Völkerrecht allein auf deren "würckliche Handlungen (sie moegen innerlich gut oder boese sein)"; unter Hintansetzung seines Urteils - "denn es seye ferne von mir, alles zu billigen, was geschiehet" - sucht er die völkerrechtliche Praxis etwa seit den Westfälischen Friedensverträgen lediglich zu beschreiben364 . Dieses Prinzip macht ihn für eine Untersuchung wie die vorliegende zu einem nicht hoch genug einzuschätzenden Gewährsmann, um so mehr, als seine zeitlich weit auseinanderliegenden völkerrechtlichen Werke eine einmalige Vergleichsmöglichkeit bieten: Widmet er in den 1763 erschienenen "Grundsätzen ... " dem Komprorniß auf unparteiische Mächte - "ein sehr rarer Fall; doch gibt es einige dergleichen Beispiele"365 - noch mehrere die Praxis korrekt wiedergebende Paragraphen, sucht man in den "Beiträgen ... " (1778 - 1780) ütid im "Versuch ... " (1777 -1780)366 vergeblich nach einer Erwähnung des Instituts - sowohl ein Beweis für die Qualität der Arbeitsweise Mosers als auch ein Indiz für die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung, daß seit 359 Vattel Bd. 1, Buch 11, Kap. XVIII § 332. Als Vorbild für eine solche energische Verteidigung bei gleichzeitiger Bereitschaft, geeignete Fälle durch Schiedsrichter entscheiden zu lassen, weist er auf die Eidgenossen hin. 360 Vattel Bd. 1, Buch 11, Kap. XVIII § 329 S. 220. 361 Vattel Bd. 1, Buch 11, Kap. XVIII § 329 S. 219 f. 362 Wolff: Jus gentium § 572. 363 Vattel Bd. 1, Buch 11, Kap. XVIII §§ 328 und 329. 364 Moser: Grundsätze, Vorrede 1- 4. 365 Moser: Grundsätze, 12. Buch, 2. Kap. § 5 ff., Zitat § 6. 366 Moser, Johann Jacob: Beyträge zu dem neuesten Europäischen Völckerrecht in Friedenszeiten. 5 Teile. Tübingen (nur im 5. Teil) 1778 - 1780. Ders.: Versuch des neuesten Europäischen Völker-Rechts in Friedens-und Kriegs-Zeiten, vornehmlich aus denen Staatshandlungen derer Europäischen Mächten, auch anderen Begebenheiten, so sich seit dem Tode Kayser earls VI im Jahr 1740 zugetragen haben. 10 Theile. Frankfurt am Mayn 1777 -1780.

11. 1730 - 1794: Literatur als Ersatz der Praxis

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dem letzten Schiedsfall von 1730 die Erinnerung an die Tradition der Schiedsgerichtsbarkeit verblassen mußte. Kennzeichnend für diese Entwicklung ist, daß der durch seine Vertragssammlungen hervorgetretene Georg Friedrich von Martens 1796 in seiner "Einleitung in das positive europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet"367 den von den Parteien erwählten Schiedsrichter, der "einen auf Rechtsgründen beruhenden Ausspruch thun soll, dem beide Theile Folge zu leisten sich verpflichtet haben", zwar kennt, sich dafür aber auf die 1738 veröffentlichte Abhandlung von Haldimand 368 und eine Fülle von Beispielen aus der "mittleren Geschichte" berufen muß369. Fünfunddreißig Jahre später leitet dann die Feststellung Johann Ludwig Klübers: "Ce moyen a ete presque entierement neglige depuis plusieurs siec1es"37o zu den dadurch beeinflußten und im großen und ganzen negativen Urteilen des späten 19. Jahrhunderts371 über, die heute noch unser Bild von der Schiedsgerichtsbarkeit des 17. und 18. Jahrhunderts bestimmen.

367 Erschienen Göttingen 1796 als "Umarbeitung" seines 1789 am gleichen Ort erschienenen "Precis du droit des gens modeme de l'Europe". 368 Die Arbeit von A.G.S. Haldimand: Diss. de modo componendi controversias inter aequales et potissimum arbitris compromissariis. Leiden 1739. gehört zu den !)icht wenigen - Spezialabhandlungen, die in dieser Untersuchung nicht behandelt werden. 369 v. Martens 6. Buch § 172 (S. 207). 370 Klüber, Jean Louis: Droit des gens modeme de l'Europe avec un supplement contenant une bibliotheque choisie du droit des gens. 2 Bde. Paris 1831. Zitat Bd. 2, § 318 (S. 150). Im Zusammenhang mit der Frage, ob dynastische Angelegenheiten zum Völkerrecht gehören, zitiert Klüber in § 50 Anm. b) Art. 8 des Friedensvertrages von Rijswijk mit den FundsteIlen des Schiedsspruchs. 371 Siehe oben Einleitung 11.

TEIL 11

Schiedsgerichtsbarkeit und internationale Beziehungen im Zeitalter des Absolutismus Vertragliche Bestimmungen und Ausführungen der Völkerrechtsautoren allein vermögen kein vollständiges Bild der Schiedsgerichtsbarkeit zu vermitteln, sondern bedürfen der ergänzenden Darstellung der "praktischen politischen Wirksamkeit der Institution" (Reibstein)1. Zu diesem Zweck sollen einerseits ausgewählte Schiedsfälle zur Vertiefung näher untersucht werden, während andererseits der schon von Engel beschrittene Weg eingeschlagen wird, die isolierende Methode der institutionellen Betrachtungsweise aufzugeben2 : Nicht nur die weiteren Arten der Streitbeilegung, sondern auch die politischen Rahmenbedingungen werden in die Betrachtung einbezogen. I. Die CromweUschen Verträge: Schiedsgerichtsbarkeit im Dienst der Handels· und Außenpolitik

Die Entscheidung, für eine vertiefende Untersuchung beispielhaft die Schiedsvereinbarungen herauszugreifen, die der Protector Angliae in den Jahren 1654 bis 1656 mit den Generalstaaten der Vereinigten Niederlande und den Königen von Portugal, Frankreich und Schweden getroffen hat3 , beruht auf den außergewöhnlichen Vergleichsmöglichkeiten, die sich in dem behandelten Zeitraum nirgends auch nur annähernd in dieser Fülle bieten. In etwas mehr als zwei Jahren kommt es in einem für den Einsatz der Schiedsgerichtsbarkeit typischen Gebiet, den Handelsangelegenheiten, zu insgesamt sieben gleichartigen Abreden, wobei durch die beiden Kompromisse auf ausländische Mächte (protestantische Kantone der Schweiz, Stadt Hamburg) der Kreis der unmittelbar beteiligten Mächte noch erweitert und die europäische Dimension der Abmachungen verdeutlicht wird. Daß letztlich lediglich in zwei Fällen ein Ergebnis in Form eines Schiedsspruchs erzielt wurde 4, spricht nicht Reibstein: Europäisches Öffentliches Recht S. 395. Engel: Problem S. 111. 3 Nachweise Teil I, Anm. 99- Zu diesen Verträgen vgl. auch Neufeld, H.: The international protection of private creditors from the treaties of Westfalia to the Congress of Vienna (1648 - 1815). A Contribution to the History of the Law of Nations. Leiden 1971. S. 19 ff. 4 Schiedssprüche vom 31. Juli 1654, Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 85 ff. - zu Art. 28 des Vertrages vom 5. April 1654 - und vom 30. August 1654, Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88ff. zu Art. 30 des gleichen Vertrages. 1

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I. Cromwell: Schiedsgerichtsbarkeit im Dienst der Politik

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gegen die Auswahl, gibt doch diese Quote in etwa das Verhältnis zwischen vereinbarten und erfolgreich durchgeführten Schiedsverfahren in der untersuchten Periode wieder. Gleichartigkeit der Schiedsvereinbarungen bedeutet das Vorherrschen wesentlicher Gemeinsamkeiten und die Betonung des Verbindenden, schließt aber unterschiedliche Regelungen und Abweichungen in einzelnen Punkten nicht aus. Die grundsätzliche Übereinstimmung der Vertragspartner , ihre aus den Handelsauseinandersetzungen herrührenden Streitigkeiten durch ein schiedsrichterliches Verfahren beizulegen, läßt einen weiten Raum zur konkreten Ausgestaltung offen. Dabei gewinnen im rechtlichen Rahmen die (handels-)politischen Gesichtspunkte an Bedeutung. Jede Schiedsklausel ist das Ergebnis eines Interessenausgleichs, der wiederum von der Macht der Parteien abhängig war, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Daher gilt es, nicht nur die verbindenden Gemeinsamkeiten zu schildern, sondern für jeden einzelnen Fall auch dessen Eigenheiten herauszuarbeiten. Wegen der zumindest teilweise gelungenen Umsetzung der Vertragsbestimmungen in die Praxis erweisen sich die englisch-niederländischen Vereinbarungen in dieser Hinsicht als besonders ergiebig. 1. Die niederländisch-englischen Vereinbarungen

a) Art. XXX des Friedens vom 5.115. April 1654 Auf den ersten Blick erscheint die Einsetzung eines Schiedsgerichts in Art. XXX, einem der letzten Abschnitte des Abkommens, als eine Bestimmung von nachrangiger Bedeutung, weil der innere Zusammenhang mit zwei essentiellen Bestandteilen des Friedens, der Vereinbarung über die Einstellung der Feindseligkeiten (Art. 11) und der Amnestieklausel (Art. 111)5, angesichts der räumlichen Trennung im Vertrag leicht verkannt wird. Gemeinsam enthalten die drei Artikel eine zeitlich umfassende und differenziert-systematische Regelung des Verhältnisses zwischen den beiden Mächten, ihren Völkern und Untertanen. Die Schäden und Ungerechtigkeiten, die jede Seite "tarn in Indiis Orientalibus, quam in Groenlandia, Moscovia, Brasilia vel ubivis locorum" seit dem Jahr 1611 bis zum 18. Mai 1652 a. St. durch die andere angeblich erlitten hat, werden dem Urteil einer achtköpfigen paritätisch besetzten Kommission unterworfen (Art. XXX)6, während die schädigenden Handlungen nach Ausbruch des Krieges aus dem Gedächtnis gestrichen und alle diesbezüglichen Klagen und Prozesse für unzulässig erklärt werden (Art. 111). Mit der Publikation des Friedens sind nach Art. 11 alle Feindseligkeiten verboten; lediglich in dessen Unkenntnis begangene Handlungen fallen noch unter die Amnestie, wenn nicht der Friedensschluß am Tatort als bekannt gilt, wofür der Vertrag, 5 6

Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 74. Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 77.

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Teil 11: Schiedsgerichtsbarkeit und internationale Beziehungen

je nach Entfernung, verschiedene Zonen und entsprechende Fristen festlegt (Art. III). Die Bestimmungen über die Einstellung der Kampfhandlungen und die Amnestie gehören zu den Standardregelungen eines Friedensvertrages, während die schiedsrichterliche Generalabrechnung sämtlicher in den vierzig Jahren vor Ausbruch des Krieges entstandenen Streitigkeiten eine seltene Ausnahme ist. Selbst wenn derartige Klauseln aufgenommen wurden, bezogen sie sich auf wesentlich kleinere Zeiträume: Mit dem französischen König einigte Cromwell sich am 3. November 1655 auf die Einbeziehung der Differenzen seit 16407 und mit dem schwedischen Herrscher auf die Beurteilung der während des englisch-niederländischen Krieges gegenseitig zugefügten Schäden8 • Auf wen Art. XXX des Friedens zwischen England und den Generalstaaten letztlich zurückzuführen ist, wer die treibende Kraft war, "verrät" die Bestimmung selbst: Die dort aufgeführten Erdteile und Länder waren die Zielgebiete der großen Handelskompanien. Schon im September 1651 hatte die Ostindische Kompanie Cromwells Hilfe für die Durchsetzung der Klagen erbeten, die sie wegen Verlusten im Osten gegen die Niederländer führte, von ihm aber die kurze Antwort erhalten, er habe "soe much busines for the publick as hee neither could nor would meddle with any private busines"9. Zweieinhalb Jahre später, nach dem Erlaß der Navigationsakte (9. Oktober 1651) und dem vorwiegend aus ökonomischen Gründen geführten Krieg, konnte und wollte er zumindest erweckte er diesen Anschein. Zwar werden die Gesellschaften nicht direkt erwähnt, aber die Einsetzung eines Schiedsgerichts zur Entscheidung über Gewalttaten und Schäden, die "Pars una ab altera" in den genannten Ländern erlitten zu haben glaubte, war auf die dort engagierten Kompanien zugeschnitten, zumal der Friede nach Art. I "inter Rempublicam Angliae atque Ordines Generales Foederatorum Belgii Provinciarum, Terrasque, Regiones Civitatesque, sub utriusque Ditione sine distinctione locorum positas, earumque Populum & Incolas" geschlossen wurde 10 • Die damit aufgeworfene grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von öffentlichen und privaten Interessen wird allerdings durch den Hinweis auf die Hilfestellung des Protektors für das "private busines" der Kaufleute nicht ausreichend beantwortet. Auch wenn es sich bei den Kompanien um private Gesellschaften handeltell , stellten sie doch einen Machtfaktor dar, der von Parry Bd. 4, S. 11 (Art. XXIV). Vertrag vom 17. Juli 1656, Art. VII (Parry Bd. 4, S. 136). 9 Sainsbury, Ethel Bruce: A Calendar of the Court Minutes etc. of the East India Company 1650 -1654. Oxford 1913. Einleitung von William Forster S. XIV. 10 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 74. 11 Zu den 1654 im Vordergrund stehenden niederländischen und englischen Ostindischen Kompanien siehe Fieldhouse, David K.: Die Kolonialreiche seit dem 18. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1965. (Fischer Weltgeschichte Bd. 29), der S. 97 ff. und 103 ff. auch die Anfänge der beiden Handelsgesellschaften beschreibt. Grewe: Epochen S. 345 ff. hebt "einige für die völkerrechtliche Gesamtentwicklung bedeutsame grundsätzliche Gesichtspunkte" hervor (S. 346), weil "die Geschichte der Handelskom7

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I. Cromwell: Schiedsgerichtsbarkeit im Dienst der Politik

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den Staaten berücksichtigt werden mußte. Zwanzig Jahre später - wieder ging es um Differenzen der nun namentlich genannten englischen und niederländischen Ostindischen Kompanien - stellen die Beauftragten des englischen Königs und der Generalstaaten dies ausdrücklich fest: Eine "amitie ferme et stable entre les Compagnies" sei unbedingt notwendig, "tant pour l' interet de la Paix publique que pour le bien des Particuliers"12. Mit anderen Worten: Es bestand ein öffentliches Interesse sowohl an der friedlichen Austragung ihrer Streitigkeiten als auch an einer gewissen Kontrolle durch die Obrigkeiten. Dementsprechend fielen die 1675 vereinbarten Maßnahmen aus. König und Generalstaaten verlangten die strikte Befolgung ihrer Verträge sowie ihrer Anweisungen und untersagten jegliche rächende Selbsthilfe. Statt dessen mußten sich die Gesellschaften bei einer vermeintlichen Verletztung ihrer Rechte an die gegnerische Obrigkeit wenden, worauf, falls der Beschwerde nicht abgeholfen wurde, ein Schiedsverfahren zwischen beiden Mächten folgte 13 • Inwieweit derartige Überlegungen schon bei Cromwell eine Rolle spielten, als er 1654 den Art. XXX in den Frieden aufnahm, läßt sich nicht mehr ermitteln. Sicher ist, daß die Vereinbarung des von ihm und den Generalstaaten zu besetzenden Gerichts ein "busines for the publiek" war, während andererseits die vor diesem Gremium verhandelten Angelegenheiten der Ostindischen Kompanien, die im Verfahren selbst ihre Bevorzugung vor den anderen Gesellschaften durchsetzen konnten 14 , dadurch nicht zu öffentlichen Interessen wurden, sondern weiterhin ihren privaten Charakter behielten. Diese grundsätzliche Unterscheidung, von der erkennbar alle Beteiligten ausgingen, bedeutet freilich nicht, daß es in der Praxis keine Berührungspunkte und gegenseitige Beeinflussungen gegeben hätte. So folgte der Protektor bei der ihm zustehenden Ernennung der Schiedsrichter beispielsweise einem gemeinsamen Vorschlag der Handelsgesellschaften: "The East India, Muscovia and Greenland Companies, together with the traders to Brazil, humbly nominate to His Highness and his honourable Council Drs. Exton and Turner, panien im Hinblick auf ihre völkerrechtliche Bedeutung" noch nicht geschrieben sei (S. 345). Jetzt aber: Fisch, Jörg: Die europäische Expansion und das Völkerrecht. Die Auseinandersetzungen um den Status der überseeischen Gebiete vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte Bd. 26. Stuttgart 1984. 12 Artikel vom 8.118. März 1675, Parry Bd. 13, S. 355 ff., S. 357. Nicht übersehen werden darf auch die Verquickung der Kompanien mit Hof und Hochadel; gerade die Ostindische Kompanie wurde Ende des 17. Jahrhunderts wegen ihrer engen Verbindung zu den Tories wiederholt angegriffen (Fieldhouse S. 103). 13 Parry Bd. 13, S. 358. 14 Die Entscheidung, nur einen Spruch in den Angelegenheiten der beiden Ostindischen Kompanien zu fällen, scheint erst relativ spät gefallen zu sein. In einem von den Engländern abgefangenen Brief berichten die vier niederländischen Kommissare den Generalstaaten am 10. Juli n.St. vom Drängen derjenigen, die durch die Wegnahme des Schiffes Concordia vor der Küste Brasiliens im Jahre 1648 geschädigt worden waren, mit ihrer Angelegenheit zu beginnen. Die Absender empfehlen deshalb der niederländischen Westindischen Kompanie, einen Beauftragten zur Wahrung ihrer Interessen zu entsenden (Bireh Bd. 11, S. 411).

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Teil 11: Schiedsgerichtsbarkeit un~ internationale Beziehungen

civilians, and Messrs. Thomson and Kendall, merchants, as commissioners to meet the Dutch commissioners upon the 18th instant, according to the 30th article of the peace"lS. Seitens der Ostindischen Kompanie wurde dieser Text am 11. Mai 1654 durch die Mitglieder des Ausschusses für die holländische Angelegenheit beschlossen, der bereits 1653, angeregt durch den günstigen Verlauf des Krieges, zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft gebildet worden war16 • Seine Bedeutung richtig einzuschätzen fällt nicht leicht, da zwar die Akten der Kompanie, nicht aber die einschlägigen Unterlagen des Staates überliefert sind 17 • Zumindest was das Verfahren im engeren Sinn, seinen Ablauf und die Prozeßtaktik betrifft, stellte der Ausschuß aber gewiß die kompetente und treibende Kraft dar, auch wenn die Kompanie jederzeit bereit war, sich selbst nach mutmaßlichen Wünschen Cromwells zu richten. Bereits im April, als man die Verabredung des Schiedsgerichts erst vom Hörensagen kannte, erbat man in einer Petition die Anweisungen des Protektors zur Marschroute 18 • Als im Juli die Schiedsrichter anregten, die Kompanie solle unter ihrem Siegel einige Prokuratoren mit umfassender Vollmacht ausstatten, um durch eine Übereinkunft zwischen der Gesellschaft und den Niederländern die Streitigkeiten endgültig zu bereinigen - der Versuch der Kommissare, einem Spruch auszuweichen, blieb ebenso erfolglos wie der schon Court Minutes 1650 - 1654, S. 315. Court Minutes 1650 - 1654, Einleitung S. XVII. 17 Die Heranziehung der englischen Akten erschien dem Verfasser am sinnvollsten, da die Verträge die englische Seite als die treibende Kraft ausweisen und alle Kommissionen zumindest zunächst in London tagen sollten. Symptomatisch für die "unvollkommene" Überlieferung ist die Tatsache, daß das Original des Friedensvertrages mit den Niederlanden vom 5. April 1654 (Public Record Office, State Papers 108/3(0) erst 1766 aus einer privaten Sammlung erworben wurde (Court Minutes 1650 -1654, EinleitunifS. XX, Anm. 1), während man das Folgeabkommen vom 9. Mai 1655 vergeblich sucht (vgl. oben Teil I, Anm. 186). Von den beiden englisch-niederländischen Schiedssprüchen vom 31. Juli und 30. August 1654 sowie dem in Ausführung des Art. 28 verfaßten "Instrument of Arbitration or Commission from his Highnesse and the States General" liegen nur Abschriften vor (S.P. 103/46). Die im Friedensvertrag noch erwähnten Dokumente, etwa die gleichzeitig abgefaßte Unterwerfungsschrift für die protestantischen Kantone der Schweiz, deren Existenz auch durch einen ebenfalls abgefangenen Brief der niederländischen Unterhändler vom 5.115. April 1654 bezeugt ist (Bireh Bd. 11, S. 212), findet man weder in den Treaty Papers (S.P. 103/46) noch in den allgemeinen Serien für Holland (S.P. 84/159, 160) oder die Schweiz (S.P. 96/6). Nur der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, daß in H.C.A. 3/46 die Ablegung des Eides der Schiedsrichter (Art. 28) vor den Richtern des High Court of Admiralty nicht vermerkt ist, und C. O. 77/7,8 auch keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Schiedsfälle vermitteln. Noch schlechter sieht es bei den anderen Schiedsabreden aus: Unter S.P. 108/386 findet sich die 1656 unterzeichnete Ratifikation des Vertrages vom 10.120. Juli 1654 durch den portugiesischen König, während die einschlägigen Abkommen mit Frankreich (3. November 1655) und Schweden (17. Juli 1656) lediglich in Kopien bei den Treaty Papers existieren (S.P. 103/12 und S.P. 103/69). Kein Hinweis auf eine Ausführung des Vereinbarten. 18 Die Petition wurde am 27. April 1654 übergeben, Court Minutes 1650 - 1654, S.309. 15

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erwähnte Vorstoß der Richter im Zwist zwischen den Königen von Großbritannien und Preußen 172919 -, meldete Thomas Andrew, einer der Beauftragten, in der Generalversammlung der Adventurers in the Third Joint Stock am 22. Juli seine Bedenken an: Ob es sicher sei, einigen Privatpersonen solch eine umfassende Vollmacht zu geben, da es sich um "a nationall business" handele und die vom Protektor herrührende Ermächtigung verletzt werden könnte20? Die Entscheidung fiel schließlich doch zugunsten einer Erteilung der gewünschten Vollmacht aus, weil man die Schiedsrichter nicht kränken wollte. Allerdings fügte man die Bedingung an, daß man sich "to the care and provision which His Highness hath bine pleased to make for the Company" nicht unwürdig erweisen dürfe21 . Wegen der Form wandte man sich an Dr. Exton, einen der Schiedsrichter, der ebenfalls der Meinung war, eine Vollmacht, wie sie die Niederländer schon von vorneherein erteilt hätten, sei sehr gefährlich für die Kompanie, weshalb er seinen Sekretär beauftragte, eine geeignete zu verfassen 22 . Die Bedenken sind letztlich darauf zurückzuführen, daß man sich streng an die durch den Protektor vereinbarten Vorgaben des Friedens gebunden fühlte. Eine gütliche Einigung, wie sie von den Kommissaren angestrebt wurde, war zwar üblicherweise in einem Schiedsverfahren möglich, im Vertrag aber nicht ausdrücklich vorgesehen23 • Dagegen handelten die Vertreter der Ostindischen Kompanie innerhalb des vorgegebenen Rahmens völlig selbständig. Schon Anfang Mai waren die verschiedenen Klagepunkte zusammengestellt, von Richard Swinglehurst, dem Secretary24, unterzeichnet und am 17. und nochmals am 29. Mai den Schiedsrichtern direkt übergeben worden25 . 19 Siehe oben Teil I: A III 3 c) bb).

Diese Auffassung spricht nicht gegen die Grundthese, die Angelegenheiten der Gesellschaft seien weiterhin als privat betrachtet worden. Die Einschätzung als nationale Sache bezieht sich, wie der Hinweis auf die vom Protektor erteilte Ermächtigung belegt, nur auf die Vollmacht als Handlung im internationalen Verfahren. 21 Court Minutes 1650 - 1654, S. 329. 22 Dies teilte Andrewals Ergebnis der Unterredung in einer weiteren Generalversammlung vom 25. Juli 1654 mit: Court Minutes 1650 - 1654, S. 329. Die Bedeutung der dann doch noch bewilligten Bestellung von William und John Garway, Anthony Bateman, Richard Wild und Thomas Bludworth zu Prokuratoren (Gesamtprokura: konnte nur von mindestens drei der Genannten gemeinsam ausgeübt werden) läßt sich auch daran ermessen, daß nach dem Beschluß der Generalversammlung die Vollmacht gesiegelt und vom Governor, Deputy und 24 Beauftragten unterzeichnet werden mußte (Court Minutes 1650 -1654, S. 330). 23 Insofern sind die Bedenken zugleich ein weiterer Beleg dafür, daß ein Vergleichsversuch nicht zu den essentiellen Bestandteilen eines Schiedsverfahrens gehörte, (vgl. oben Teil I: A III 2, III 3 c) bb und 3 e). 24 Swinglehurst starb am 13. Juni 1654, worauf der Court of Committees anordnete, alle die holländischen Angelegenheiten betreffenden Papiere dem Governor, Mr. Cokayne, zu übergeben (Court Minutes 1650 - 1654, S. 326). 25 Ursprünglich handelte es sich um zwei Dokumente (Court Minutes 1650 - 1654, S. 317 f.), die dann verbunden wurden (Court Minutes 1650 - 1654, S. 321 ff.). Diese 20

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Teil 11: Schiedsgerichtsbarkeit und internationale Beziehungen

Hierauf antwortete die Niederländische Ostindische Kompanie, die ebenfalls ihre Ansprüche aufgelistet hatte26 , mit einer Stellungnahme zu jedem einzelnen Punkt: Teils stritt sie den von englischer Seite vorgetragenen Sachverhalt ab oder stellte ihn anders dar, teils vertrat sie eine abweichende Rechtsauffassung oder machte Gegenrechte geltend27 • Die Engländer wiederum bekräftigten ihre Forderungen mit einer Eingabe vom 8. Juni ("Grounds upon which the demands of the English Company are based")28 und boten die Einvernahme von früheren Angestellten der Kompanie als Zeugen an. Wahrscheinlich war darüber schon vorher mündlich verhandelt worden, denn in den Briefen, mit denen die Beauftragten der Kompanie die Leute noch am gleichen Tag um ihr Erscheinen und ihre Aussage baten29 , wird schon der von den acht Kommissaren festgesetzte Vernehmungstermin ("on Monday night next") mitgeteilt. Demnach oblag die Beschaffung der Beweismittel einschließlich der Ladung der Zeugen den Streitparteien. Da teilweise weit zurückliegende Vorgänge zur Beurteilung anstanden, war dies nicht einfach. Neben dem Schadensersatz für das Massaker auf Amboina3o war eines der wichtigsten Ziele die Rückgewinnung der Banda-Insel Pulo Run. Dorthin hatte die Gesellschaft 1639 ein Schiff gesandt, von dessen Besatzung Thomas Gee, an den man sich wandte, abgesehen von Randoll Jesson ("non compos mentis") als einziger noch lebte 3!. Von einem Kapitän Hunter wurde erwartet, er werde sich wohl an "severall passages of difference" zwischen Engländern und Niederländern aus seiner langen Zeit im Dienste der Kompanie erinnern; eventuell in seinem Besitz befindliche Unterlagen, besonders Pulo Run betreffende, solle er mitbringen 32 • Die darin zum Ausdruck kommende "Beweisnot" zeigte sich auch in den Vernehmungen, die im High Court of Admiralty in Gegenwart der englischen und niederländischen Kommissare an verschiedenen Tagen zwischen dem 15. Juni und dem 3. August durchgeführt wurden33 • Nach den Angaben zur Person und der Vereidigung wurden jedem Zeugen - insgeGesamtfassung ist identisch mit der im Spruch wiedergegebenen "Querela·· ... " (Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88 ff.). 26 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 90 f.: "Petitio Belgicae Societatis Indiae Orientalis " 27 Court Minutes 1650 - 1654, S. 318 ff. 28 Court Minutes 1650 - 1654, S. 325 f. 29 Zwei der Briefe Court Minutes 1650 - 1654, S. 324 f. 30 Diese blutige Auseinandersetzung um die Gewürzinsel ereignete sich im Jahre 1622 a.St./1623 n.St. In Art. XXVII des Friedens hatten die Generalstaaten versprechen müssen, dafür zu sorgen, daß die Verantwortlichen für den Mord an den Engländern zur Rechenschaft gezogen würden (Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 76). Zum privatrechtlichen Ausgleich siehe unten Anm. 11 35. 31 Das geht aus dem Brief an Gee hervor, Court Minutes 1650 - 1654, S. 325 f. 32 Court Minutes 1650 - 1654, S. 326. Kapitän Hunter wurde anscheinend von den Schiedsrichtern nicht vernommen; jedenfalls ist kein entsprechendes Protokoll überliefert. 33 Court Minutes 1650 - 1654, S. 331.

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samt liegen 13 Protokolle vor - zu einem oder mehreren Punkten von der englischen Gesellschaft erstellte "interrogatorii" (gerichtliche Fragen) vorgelegt; oft mußte vermerkt werden, daß der Befragte aus Unkenntnis "materialiter et scienter" keine Aussage machen konnte 34 • Hatte sich Cromwell während des Verfahrens, soweit ersichtlich, wenig um die Angelegenheit gekümmert, sah er sich nach der Entscheidung vom 30. August 1654 erneut mit ihr konfrontiert, und zwar in doppelter Hinsicht: Einmal galt es, für die Ausführung des Spruches zu sorgen, zum anderen, eine Lösung für die noch unerledigten Fälle zu finden. 85000 Pfund Sterling und Pulo Run35 waren für die Engländer ein wenn auch nicht befriedigendes, so doch akzeptables Ergebnis36 • Um die Übergabe der Insel so schnell wie möglich zu erreichen, wandte sich die Ostindische Kompanie durch ihre Mittelsmänner in Amsterdam unmittelbar an ihren niederländischen Widerpart3? Deren "Bewinthebbers" machten die Rückgabe jedoch davon abhängig, daß der Lord Protector den Spruch ratifizierte und die englische Gesellschaft ermächtigte, Pulo Run zu übernehmen. Nachdem das Thema Gegenstand der Generalversammlung vom 20. Dezember 1654 gewesen war38 , richtete die Gesellschaft am 19. Januar 1655 eine entsprechende Petition39 an Cromwell, der nach der Behandlung im Council of State im März und April40 auch entsprochen wurde. Rechtlich erforderlich wäre die feierliche Annahme nicht gewesen, weil schon der von Cromwell und den Generalstaaten ratifizierte Friedensvertrag die Verpflichtung enthielt, das Urteil anzuerkennen und auszuführen. Auf die Dauer gesehen mußte eine solche Praxis die Autorität der Schiedsrichter untergraben, die Gewichte zugunsten der Auftraggeber verschieben und bei beauftragten Schiedsmännern die Grenzen 34 Etwa bei der Vernehmung des schon erwähnten Thomas Gee (India Office Library and Records, Factory Records, Java, Vol. 11, Part IV, S. 252 ff., S. 253). 35 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 91; daneben wurden verschiedenen Privatpersonen für Verluste auf Amboina aus dem Jahr 1623 n.St. insgesamt 3.615 Pfund Sterling zugesprochen. Zum Vergleich: Die englische Ostindische Kompanie hatte 2.695.990 Pfund und 15 Schilling gefordert (a.a.O. S. 90), die niederländische 2.609.861 Pfund 3 Schilling 6 Pence und nochmals 850.000 Pfund Sterling (a.a.O. S. 91). Forster, Einleitung zu Court Minutes 1650 - 1654, S. XXI, vermutet einen Einfluß der Tatsache, daß einige Jahre vorher die Engländer sich mit 700.000 Gulden zufrieden geben wollten, während die Niederländer neben einem Verzicht auf eigene Forderungen 500.000 Gulden geboten hatten. 36 Brief der Kompanie an William Watson und Richard Bridgman in Amsterdam, 22. September 1654 (Court Minutes 1650 - 1654, S. 341). 37 Das Schreiben war dem in Anm. 36 erwähnten Brief beigefügt und sollte von den Empfängern an die niederländische Gesellschaft weitergeleitet werden. Vgl. auch die weiteren Schreiben in dieser Angelegenheit Court Minutes 1650 - 1654, S. 344 f., 352 und 356. 38 Court Minutes 1650 - 1654, S. 371. 39 Sainsbury, Ethel Bruce: A Calendar of the Court Minutes etc. of the East India Company 1655 - 1659. Oxford 1916, S. 6. 40 Court Minutes 1655 - 1659, S. 16 f. und S. 18.

8 Lingens

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zur Verhandlungskommission verwischen. Eine Regelung der englisch - französisch - spanischen Bündnisse von Sevilla (9. November 1729)41 mag diese Entwicklung verdeutlichen. In Art. VI versprechen die Könige von Spanien und Großbritannien, die Entscheidung der Kommissare, welche sie zur Erledigung ("pour examiner & decider") von Handels- und anderen Streitigkeiten42 bestellen wollen, "ponctuellement & exactement" ausführen zu lassen. Trotzdem kann die Bestimmung wegen der fehlenden Vorschrift der paritätischen Besetzung nicht mehr als Schiedsabrede eingestuft werden, da die Eigenständigkeit der Beauftragten durch die Betonung ihrer untergeordneten Stellung stark in den Hintergrund gerückt wird: Sie sollen "un rapport de leurs Procedures" für ihre Auftraggeber fertigen 43 • Wird dann noch das Versprechen weggelassen, das Ergebnis innerhalb eines bestimmten Zeitraums auszuführen, wie dies in den folgenden Artikeln VII und VIII bei den einen ähnlichen Gegenstand betreffenden Vereinbarungen zwischen den Königen von Frankreich und Spanien geschieht44 , ist das Stadium einer normalen Verhandlungskommission erreicht, wie sie uns im untersuchten Zeitraum häufig begegnet. Zur Ausführung des Spruchs von 1654 bleibt nachzutragen, daß Cromwell auf Bitten der Ostindischen Kompanie die englischen Kommissare, denen er mit Dr. Walker einen weiteren Juristen beifügte, auch über die Verteilung des Geldes unter die verschiedenen "Stocks" schiedsrichterlich entscheiden ließ. Vorher lieh sich der Council of State jedoch 50000 Pfund aus der Summe für ein Jahr zinslos aus45 - auch ein Aspekt des Verhältnisses von öffentlichem und privatem Interesse. Das andere Problem, dem der Protektor sich widmen mußte, waren die durch den Schiedsspruch nicht erfaßten Differenzen der anderen Handelsgesellschaften und Kaufleute. Nach dem Friedensvertrag lag die Entscheidung nun bei den protestantischen Kantonen der Eidgenossenschaft46 • In England 41 Parry Bd. 33, S. 253 ff. mit der niederländischen Beitrittserklärung vom 21. November 1729 S. 263 ff. 42 Der den Kommissaren zugewiesene Aufgabenbereich war recht groß: 1.) nach dem Waffenstillstand weggenommene Schiffe und Güter; 2.) aus Mißständen im Handel sowohl im indischen Raum als auch in Europa entstandene beiderseitige Forderungen; 3.) auf Verträge gegründete, Grenzen oder andere Angelegenheiten betreffende Ansprüche beider Seiten in Amerika; 4.) Ansprüche des spanischen Königs aufgrund des Vertrages von 1721 bzgl. der durch die englische Flotte 1718 weggenommenen Schiffe (Parry Bd. 33, S. 258 f., Art. VI). 43 Parry Bd. 33, S. 259 (Art. VI). Reibstein: Europäisches öffentliches Recht S. 397 zählt die Bestimmungen von Sevilla zu den "Schiedsklauseln über nicht ganz unbedeutende Fragen". Da er auch den Friedensschluß von Aachen 1748 zu dieser Kategorie rechnet, kommt es ihm - anders als der hier vertretenen Auffassung - offenbar nur darauf an, daß den Kommissaren in irgendeiner Weise eine Entscheidungsbefugnis verliehen wird. 44 Parry Bd. 33, S. 259 (Art. VII und VIII). 45 Forster, Einleitung Court Minutes 1655 - 1659, S. V f. 46 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 77 (Art. XXX).

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hatte die Wahl der Schweizer Unverständnis hervorgerufen; man gestand ihnen zwar eine sehr gute Kenntnis der Alpen zu, stellte aber offen die Frage nach der Kompetenz der Binnenlandbewohner zur Entscheidung von Seestreitigkeiten47 • Vielleicht hatte sich Cromwell von der langen eidgenössischen Tradition der Schiedsgerichtsbarkeit, die ihm aus dem vom Gesandten Stokkar übergebenen Werk über das Schweizer Staatsrecht bekannt sein mußte 48 , bei seinem Entschluß beeinflussen lassen, aber wahrscheinlicher ist, daß die.. Seemächte sich für die angebotene Vermittlung erkenntlich zeigen wollten. Der originelle Versuch, konfessionspolitische Rücksichten mit handelspolitischen Erfordernissen auf einen Nenner zu bringen und zwei Probleme gleichzeitig zu lösen, erwies sich jedoch als Fehlschlag. Die um die Bestellung von Kommissaren gebetenen Eidgenossen kamen dem Gesuch nicht nach49 , weshalb England und die Niederlande in einem neuen Vertrag vom 9. Mai 1655 vereinbarten, das einmal bewährte Verfahren, diesmal in Amsterdam, für die verbliebenen Angelegenheiten zu wiederholen50 • Dazu ist es aber nicht mehr gekommen: Aitzema führt dies auf ein mangelndes Interesse des Protektors zurück, dem der entstehende Krieg im Norden wichtiger gewesen sei51 •

b) Art. XXVIII des Friedens vom 5.115. April 1654 Als Verbündeter der Niederländer hatte der dänische König seit dem 18. Mai 1652 Schiffe und Waren englischer Händler in seiner Herrschaft zurückhalten und teilweise verkaufen lassen. Zum Ausgleich der daraus unmittelbar erwachsenen Schäden wurde im englisch-niederländischen Vertrag eine wei47 Bonjour, Edgar: Die Schweiz und Holland. Eine geschichtliche Parallelbetrachtung. In: Ders.: Die Schweiz und Europa. Ausgewählte Reden und Aufsätze Bd. 1. Basel 1958. S. 33 - 56, S. 46. Leider läßt sich das dortige Zitat mangels Quellenangabe nicht weiter verfolgen. 48 Bonjour, Edgar: Die Schweiz und England. Eine geschichtliche Rückschau. In: Ders.: Die Schweiz und Europa. Ausgewählte Reden und Aufsätze Bd. 2. Basel 1961. S. 11- 60, S. 22. Danach hatte der mit der Organisation der neugeschaffenen Republik beschäftigte Protektor Stockar nach einem ausführlichen Werk über die Verfassung der eidgenössischen Staatsrepublik gefragt, von diesem Josias Simmlers "De Republica Helvetiorum Iibri duo" erhalten und darin, nach Aussage Stockars, fleißig gelesen. 49 Der Grund geht aus den Berichten über die Zusammenkünfte der evangelischen Orte in der Sammlung der Eidgenössischen Abschiede nicht hervor. Bei dem persönlichen Vortrag der Gesandten Cromwells am 23. Juni 1654, die die Herstellung des Friedens anzeigten und den Wunsch des Protektors nach einem Frieden der evangelischen Kirchen vortrugen, scheint die Angelegenheit keine Rolle gespielt zu haben (Eidgenössische Abschiede Bd. VI, Abt. I, S. 219 f.). Der einzige direkte Hinweis auf die Schiedsrichterrolle der evangelischen Orte ist das in der Konferenz vom 5. Juli 1654 vorgetragene kurpfälzische Ansuchen, bei einem Austrag die der verwitweten Königin von Böhmen ausstehende Pension von England mit in die Verhandlungsgegenstände aufzunehmen (a.a.O. S. 226 Punkt b). 50 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 106. 51 Saken van Staet en Oorlogh Bd. 3, S. 1157.



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tere Schiedskommission eingesetzt52 , deren Aufgabe sich aber insofern von der des oben behandelten Gremiums unterschied, als sie nicht über Rechtsverletzungen zu urteilen, sondern die Folgen rechtmäßiger staatlicher Handlungen zu beseitigen hatte. Einem kriegführenden Staat war es nämlich nach Völkergewohnheitsrecht erlaubt, gegnerisches Eigentum - und als solches galt auch das der Angehörigen dieses Volkes - zu beschlagnahmen, einer Zwangsverwaltung zu unterstellen oder einzuziehen53 . Da die betroffenen Gegenstände nach der in der Literatur vorherrschenden Meinung hauptsächlich zur Sicherung der im Krieg entstehenden Reparations- und sonstiger Geldforderungen dienen sollten (Pfandtheorie)54, mußten wegen des vorläufigen Charakters der Maßnahmen endgültige Regelungen an deren Stelle gesetzt werden 55 . Die Mächte konnten dabei zwischen zwei Grundprinzipien wählen: Entweder man vereinbarte die Wiederherstellung des Zustandes, wie er vor dem Krieg bestanden hatte ("status quo ante"), oder man stellte auf die Lage bei Vertragsschluß ab ("status quO")56. Was die schon erwähnten Schiffe und Waren anbelangt, hatten die Engländer erfolgreich auf der vollständigen Restitution und Kompensation57 , d. h. auf einer Lösung der erstgenannten Art bestanden. Aufgabe der in Art. XXVIII vorgesehenen Schiedskommission war demnach nicht die Entscheidung, ob die beschlagnahmten Gegenstände herauszugeben seien, sondern sie hatte lediglich deren Wert bei der Wegnahme mit dem Zustand nach dem Krieg zu vergleichen und die von den Niederländern in Geld zu begleichende Differenz verbindlich festzusetzen. Bezeichnend für den eng umrissenen Auftrag ist, daß die vier Arbitri mit Schreiben vom 14. Juli 165458 den Protektor und die niederländischen Botschafter in London um Erläuterung baten, ob sie ~2 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 76 f. Art. XXVIII ist einer der seltenen Fälle, in denen die Schiedsrichter unmittelbar namentlich aufgeführt sind. 53 Dies wird von Neufeld immer wieder betont, u.a. S. 120 allgemein und S. 122 für "seizure und sequestration", S. 124 für "confiscation" als spezielle Kriegshandlungen. Er weist auch darauf hin, daß die drei Begriffe zu dieser Zeit nicht sauber voneinander getrennt wurden (S. 121). Genährt wurde diese Rechtsauffassung von der Überzeugung, daß die kriegführenden Nationen und die jeweiligen Angehörigen Feinde seien (S. 118), aber auch dadurch, daß das ausländische Eigentum eines Privatmannes zwar nicht mehr für die Schulden seiner Landsleute (S. 115 f.), wohl aber noch für Forderungen gegen seinen Staat haftete (S. 116). In einem Friedensvertrag konnte der Staat kraft seines Jus eminens auf dieses Eigentum verzichten (S. 145). 54 Neufeld S. 125; andere Ziele waren Druck zur Beendigung des Krieges und Schwächung der Finanzkraft des Gegners. 55 Neufeld S. 125. 56 Neufeld S. 135 f. sub 2 a. Die von Neufeld S. 135 ebenfalls als Grundprinzip angeführte Amnestie widerlegt nach seiner Auffassung die Vermutung des "status quo", da sie die Rückgabe der von Kriegsrnaßnahmen betroffenen Gegenstände beinhaltet (S. 136, S. 138: "Restitution was a logical consequence of an amnesty"). 57 Zur selten vorkommenden Kompensation, welche Verschlechterungen des Zustandes der betroffenen Gegenstände ausgleicht, siehe Neufeld S. 142 ff. 58 Mit Anschreiben bei Birch Bd. 11, S. 456.

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nur die 22 durch den besonderen Befehl des dänischen Königs zurückgehaltenen oder auch vier weitere von den englischen Kaufleuten geforderte Schiffe bei ihrem Ausspruch berücksichtigen sollten. Die Grundlagen für ihre Entscheidung lieferten ebenfalls die Vertragspartner. Zur Feststellung des Ausgangswertes wurden die Bücher der Kaufleute herangezogen, während die englischen Prokuratoren John Edwards und Michael Evans, die sich seit dem 2. Juni mit einer Vollmacht Cromwells zum Empfang der Schiffe in Dänemark aufhielten, ihrem Auftraggeber eine Auflistung der Schäden übersandten 59 • Daß die Niederländer, die in Kopenhagen durch den Residenten De Vries vertreten waren, nicht anders vorgingen, darf als sicher angenommen werden. Jedenfalls schlugen ihre Botschafter bei der Übermittlung des unterzeichneten Friedensvertrages vor, De Vries eine beider Sprachen kundige und zur Einholung der notwendigen Informationen ermächtigte Person beizuordnen. Schon einen Tag vor der Unterzeichnung hatten die Generalstaaten beschlossen, die einzelnen Provinzen um Vorschläge sowohl für die Schiedsrichter als auch für ein bis zwei in den Landesrechten erfahrene Leute zu bitten, welche die Arbitri darüber unterrichten und die Schadensforderungen der Engländer herabdrücken sollten60 • Obwohl auch in diesem Fall letztendlich über die Forderungen von Kaufleuten entschieden wurde und die von beiden Kommissionen zugesprochenen Summen - Art. XXVIII: 97973 Pfund 10 Pence, Art. XXX: 88615 Pfund (neben Pulo Run)61 - gar nicht so weit voneinander abwichen, war doch die Ausgangslage eine andere. Denn die Zurückhaltung der Schiffe war auf Befehl des dänischen Königs erfolgt, der damit zugunsten der Niederländer in den Krieg eingegriffen hatte. Ihn in den Frieden einzubeziehen und ihn, wie zugesagt, von allen Ansprüchen freizustellen 62 , hatte seine Verbünde59 Im ersten Schreiben vom 2. Juni geben die Prokuratoren Inhalt und Geschichte des Art. XXVIII sowie ihren Auftrag wieder, Birch Bd. 11, S. 344. Weitere Briefe an Thurloe, die die Ausführung der Bestimmungen des genannten Artikels belegen, ebenfalls bei Birch, der erwähnte große Bericht vom 26. Juni an Cromwell Birch Bd. 11, S. 401 f. 60 Sowohl das Begleitschreiben zum Friedensvertrag als auch eine englische Übersetzung eines Auszugs aus der geheimen Resolution der Generalstände befinden sich neben zahlreichen "letters of intelligence" in den Papieren des Staatssekretärs Thurloe (Birch Bd. 11, S. 212 und 209). In der gleichen Sammlung ist eine Resolution der Generalstaaten vom 22. April (n.St.) enthalten, die in Ausführung des Vorschlags der Botschafter vorsieht, die Provinzialstände von Holland um eine geeignete Person für die Sendung nach Dänemark zu ersuchen (Birch Bd. 11, S. 227). Trotzdem beklagen sich die niederländischen Botschafter in einem Schreiben vom 7. August (n.St.) beim Greffier der Generalstaaten, daß sie aus Dänemark kaum Informationen erhalten hätten, während die Gegenseite mit allem Notwendigen zum Beweis ihrer Forderungen erschienen sei (Birch Bd. 11, S. 497 f.). 61 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88 und 91 f. 62 Schon am 2. März 1654 n.St. war dem dänischen Gesandten, wenn der Auszug aus dem geheimen Register stimmt (Birch Bd. 11, S. 106), zugesichert worden, daß seinem Herrn kein Nachteil entstehen würde, "neither that the submission, which in default of an amicable composition may be made on that account, shall be done in the name of the said majesty; nor so that the same may or can any wise be interpreted to the prejudice

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ten einige Mühe gekostet. Wie die niederländischen Botschafter eine Woche vor Unterzeichnung des Vertrages an den Greffier Ruysch berichteten63, waren sie von ihren Verhandlungspartnern fast ultimativ vor die Wahl gestellt worden, deren Vorschläge, wonach die Aufnahme Friedrichs 111. unsicher blieb, zu akzeptieren oder die Zahlung von 146 050 Pfund Sterling, den geschätzten Wert der Schiffe und Waren, zu übernehmen. Im Frieden selbst erscheint eine abgerundete Summe von 140000 Pfund dann nur noch als Vertragsstrafe für den Fall, daß die Niederländer eine der in diesem Zusammenhang vereinbarten Bedingungen nicht erfüllen würden, während die Bestimmung der Schadenssumme der paritätisch besetzten Schiedskommission übertragen wurde64 . Im folgenden Art. XXIX wird die Einbeziehung des Dänenkönigs mitsamt seinen Herrschaften "tamquam amicus" in Frieden und Bündnis ausdrücklich festgelegt und eine Amnestie für alle Akte im Zusammenhang mit der Beschlagnahme vereinbart65 • Auf diese Regelung nahmen England und Dänemark in ihrem Vertrag vom 15.9.165466 Bezug, indem sie ihrerseits nochmals beschlossen, den Zwist zu vergessen, davon Art. XXVIII und XXIX des englisch - niederländischen Abkommens aber ausnahmen. Diese Zusammenhänge erklären das wesentlich stärkere Engagement der Vertragspartner in diesem Schiedsfall, lassen aber auch - und das ist für die vorliegende Untersuchung besonders wichtig - einen Rückschluß auf Funktion und Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit zu. Eine brisante Frage der internationalen Politik konnte durch die Vereinbarung einer Schiedskommission entschärft werden, ohne daß die Partner ihre grundsätzlichen Positionen aufgeben mußten: ein Komprorniß im doppelten Sinn des Wortes. 2. Die Abmachungen CromweUs mit den Königen von Portugal, Frankreich und Schweden

Im Gegensatz zu den englisch - niederländischen Vereinbarungen läßt sich bei den übrigen Verträgen des Protektors, die eine Schiedsabrede enthalten, kein Ansatz zu deren Verwirklichung feststellen. of his reputation; but that of this shall only be done for and in the name of this state, and also at their charge ... ". 63 Birch Bd. 11, S. 194 f.; auch dieses Schreiben, dessen Inhalt die Absender ausdrücklich als sehr geheim bezeichnen, war Thurloe bekannt. 64 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 77. 65 Hier ist die Restitution nicht die "logical consequence" der Amnestie (Neufeld S. 138), sondern umgekehrt die Amnestie die Folge der versprochenen Restitution. Auch auf das niederländisch-englische Verhältnis ist Neufelds Formel nicht anwendbar: Einerseits werden trotz Amnestie (Art. 111) nur die Prisen zurückgegeben, die in Kenntnis des Friedens bzw. nach der für den Tatort festgesetzten Frist weggenommen wurden, zum anderen kann aus dem Fehlen einer dem Art. XXVIII vergleichbaren Bestimmung der Umkehrschluß gezogen werden, daß keine Restitution vorgesehen war. 66 Parry Bd. 3, S. 355 ff., S. 358 f. (Art. IV).

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a) Der Friede mit Portugal vom 10.120. Juli 1654

Bereits am 29. Dezember 1652 hatte sich der portugiesische König im zweiten der sechs Präliminarartikel verpflichten müssen, die in seinem Gebiet beschlagnahmten und zurückgehaltenen Schiffe, Vermögen, Güter und Forderungen zu restituieren und entstandene Schäden auszugleichen; zur Ausführung dieser Vereinbarung setzte man 1654 in Art. XXV eine paritätisch gebildete Vierer-Schiedskommission ein67 • Neu/eid hebt die Abrede unter den wenigen Ausnahmefällen, in denen zwischen 1648 und 1815 eine Entschädigung für Verschlechterungen während der Beschlagnahme vereinbart wurde, schon wegen ihrer einseitigen Begünstigung der englischen Seite hervor, welche er auf deren politische Überlegenheit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückführt68 . Durch eine ganz ungewöhnliche Ausgestaltung des Verfahrens wurde die Benachteiligung des portugiesischen Herrschers aber noch verschärft: Für den Fall, daß sich die Schiedsrichter bis zum folgenden ersten September nicht auf einen "sub Chirographis suis" zu veröffentlichenden Spruch einigen würden, unterwarfen sich die Vertragsparteien schon damals dem Urteil einer vom Protektor zu bestimmenden Person69 • Dadurch wurde CromweIl ein Recht zugestanden, wie es zwischen 1648 und 1794 kein anderer Vertragspartner durchsetzen konnte7o . Die portugiesischen "Schiedsrichter" mußten praktisch in jeder Streitfrage zurückstecken, um nicht Gefahr zu laufen, jeden mäßigenden Einfluß zu verlieren. Kein Wunder, daß Johann IV. den Vertrag erst ratifizierte, als im Mai 1656 eine englische Flotte in portugiesischen Gewässern kreuzte71 • b) Der Friede mit Frankreich vom 3. November 1655

Zeigen die Abmachungen zwischen England und Portugal, daß ein Schiedsverfahren eine schwache Partei nicht immer davor schützen konnte, durch einen mächtigen Gegner weitgehend entrechtet zu werden, ist die englisch Parry Bd. 3, S. 293 ff. Neufeld S. 142 f.; er weist außerdem darauf hin, daß kein Unterschied zwischen den durch das Völkerrecht erlaubten Beschlagnahmen und den illegalen, weil gegen die Rückzugsklausel des Vertrags von 1642 (Art. XVIII) verstoßenden Maßnahmen gemacht wurde. 69 Parry Bd. 3, S. 295. 70 Sachlich am nächsten kommt dieser Regelung die Bitte des Herzogs von Savoyen an den französischen König, ihre Grenzstreitigkeit durch ein reglement zu entscheiden, welches der Herzog dann akzeptierte (27. April und 30. August 1672, Parry Bd. 12, S. 373 ff.). Im auf den Vertrag von 1516 zurückgehenden Schiedsverfahren zwischen den Eidgenossen und dem König von Frankreich wählt zwar auch nach dem "burgundischen Wahlmodus" (Usteri S. 66) der Kläger den Obmann, aber aus einem neutralen Land und unter beiden Parteien unverdächtigen Leuten (Eidgenössische Abschiede Bd. 111, Abt. 2, S. 1411). 71 Court Minutes 1650 -1654, Einleitung S. XXV. 67

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französische Vereinbarung sowohl hinsichtlich des Streitstoffes wie auch der prozessualen Bestimmungen ein Beispiel völliger "Waffengleichheit": Beiderseits drei Kommissare urteilen über alle Prisenfälle und Schäden, die sich beide Nationen, Völker und Untertanen seit dem Jahre 1640 gegenseitig zugefügt haben; nach fünf Monaten noch unentschiedene Streitigkeiten werden der unparteiischen und in Angelegenheiten dieser Art erfahrenen Stadt Hamburg zur Entscheidung innerhalb von weiteren vier Monaten vorgelegt; selbst beim Scheitern bei der Verfahren darf in den nächstfolgenden vier Monaten niemand deswegen belästigt werden, noch dürfen in dieser Zeit alte Markebriefe72 wieder in Kraft gesetzt oder neue ausgestellt werden (Art. XXIV)?3. Vermutlich wollten die Vertragspartner Zeit für neue Verhandlungen gewinnen, ehe die angesprochenen üblichen Folgen eines fehlgeschlagenen Schiedsverfahrens eintraten. Da sich normalerweise in den Abreden kein Hinweis auf solche Gewohnheiten findet, verdient diese Bestimmung besondere Beachtung. Wo die Prisen aufgebracht oder die Schäden erlitten worden waren, spielte keine Rolle. Art. XXV sieht das Schiedsverfahren sogar ausdrücklich auch für die Rückgabe dreier französischer Festungen in Nordamerika vor, die kürzlich von den Engländern erobert worden waren74 . Damit wurde konkludent der - in der Forschung umstrittene75 - Grundsatz des "no peace beyond the line" verworfen. Diese "Freundschaftslinien", ein vorübergehendes Ergebnis in den Auseinandersetzungen zwischen den um ihren Monopolanspruch in den Kolonien kämpfenden Spaniern und Portugiesen einer- und den nachdrängenden Mächten Frankreich, Niederlande und England andererseits, trennten "den Bereich des europäischen Friedens und Völkerrechts von einem überseeischen Raum der Friedlosigkeit und der völkerrechtlichen Anarchie". So jedenfalls sieht es Grewe76 für den Zeitraum zwischen den Friedensschlüssen von Cateau-Cambresis (1559) und Münster/Osnabrück 1648, während Scheuner und Reibstein 77 die Auffassung eines solchen Freiraums, in dem nur das Recht der Macht gegolten habe, ausdrücklich ablehnen und auch Fisch in seiner ausführlichen Untersuchung von der grundsätzlichen Identität des Völkerrechts für Europa und Übersee ausgeht78 •

72 Dazu Böhringer, K.H.: Art. Markebrief. In: HRG Bd. 3, Sp. 298 f. Wichtig ist vor allem, daß der Markebrief als Arrestermächtigung, dem ein Gerichtsverfahren zu folgen hatte, ohne Rücksicht darauf ausgestellt werden konnte, ob zwischen dem Aussteller und dem Gemeinwesen des Betroffenen Krieg oder Friede herrschte. 73 Parry Bd. 4, S. 11 f. 74 Parry Bd. 4, S. 12. 75 Einen kurzen Überblick gibt Grewe: Epochen S. 191 f. Ausführlicher Fisch: Expansion, S. 146 ff. 76 Epochen S. 184. 77 Scheuner S. 242 f. begründet seine Ansicht unter anderem damit, daß in Verhandlungen über einzelne Streitpunkte mit dem normalen Völkerrecht argumentiert worden sei; zu Reibsteins Ansicht Grewe: Epochen S. 191 f.

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In der Diskussion über diese Streitfrage dürfen die Schiedsklauseln in den von Cromwell abgeschlossenen Verträgen nicht unberücksichtigt bleiben, da sie zum Teil weit zurückliegende Sachverhalte - im englisch-niederländischen Verhältnis bis zum Jahre 1611 - erfassen und diese einer rechtlichen Beurteilung unterwerfen. Hätte es sich bei dem Satz "no peace beyond the line" um eine allgemein akzeptierte Rechtsüberzeugung gehandelt, wären solche Schiedsverfahren weitgehend sinnlos gewesen. Soweit ersichtlich, haben sich auch weder die Engländer noch die Niederländer im Verfahren nach Art. XXX ihres Friedens auf ein Recht des Stärkeren berufen79 . Bereits 1604 hatte sich der englische König in den Friedensverhandlungen mit Philipp III. geweigert, den Grundsatz anzuerkennen, daß seine Untertanen in "Indien" nur auf eigene Gefahr Handel treiben dürften. Grewe80 sieht dies im Zusammenhang mit dem Niedergang der spanischen Macht; im Frieden von Madrid (1630) hätten beide Parteien dann zum ersten Mal ausdrücklich bestimmt, daß auch jenseits der Linie künftig Friede sein solle und für dort aufgebrachte Prisen Ersatz zu leisten sei81 . Die Bestimmungen der Friedensverträge von 1654/55 legen demgegenüber die Vermutung nahe, daß die englisch-spanischen Beziehungen 1630 nur den Verhältnissen angeglichen wurden, wie sie zwischen Frankreich, England und den Niederlanden zumindest im 17. Jahrhundert als rechtens angesehen wurden82 . c) Der englisch-schwedische Vertrag vom 17. Juli 1656

Im Frieden von Upsala (11. April 1654) war zwischen beiden Mächten vereinbart worden, für die während des englisch-niederländischen Krieges entstandenen Schäden, die ein Vertragspartner, sein Volk oder seine Untertanen von dem anderen, dessen Volk oder Untertanen erlitten hatten, Schadenser78 Fisch: Expansion S. 102 ff. Für ihn ist Übersee auch ein Bereich eigenen, aber nicht minderen oder verdünnten Rechts (S. 102 f.), worin Freundschaftslinien weniger als Rechtsinstitut denn als politisches Druckmittel eine geringe Rolle spielten (S. 117 ff., 141 ff.). 79 Vgl. die Klageschriften der Ostindischen Kompanien bei Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88 ff. und 90 f. Auch die Antwort der Niederländer (Court Minutes 1650 - 1654, S. 318 ff.) läßt einen solchen Schluß nicht zu. 80 Grewe: Epochen S. 189. 81 Grewe: Epochen S. 190. 82 In der erwähnten Streitfrage, die wegen ihrer Einbindung in die größere Auseinandersetzung um den christlich-europäischen Charakter des Völkerrechts und das Verhältnis von engerem und weiterem Völkerrecht (zu beiden Problemen: Grewe: Epochen S. 168 ff.) besondere Bedeutung erhält, könnte demnach die Untersuchung weiterhelfen, ob die - von Fisch: Expansion S. 59 bezweifelte - mündliche Abrede der spanischen und französischen Unterhändler in Cateau-Cambn!sis 1559 tatsächlich die allgemeinen Rechtsvorstellungen geprägt oder "nur" die Praxis beeinflußt hat und ob von der das Recht des Stärkeren jenseits der Linie proklamierenden Sprache, auf die Grewe: Epochen S. 192 besonders hinweist, auf das damalige Völkerrecht geschlossen werden kann. Die hier behandelten Schiedsklause1n geben zwar Anhaltspunkte, sind aber als Basis für eine These nicht ausreichend.

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satz zu leisten. Art. VII des Ergänzungsvertrages vom 17. Juli 165683 enthält die Regelung des Verfahrens zur Ausführung dieses Vorhabens. Wie in den bisher behandelten Abkommen wird die Aufgabe der Taxierung und Entscheidung - "ex aequo & bono summatim judicabunt, sine ulla provocatione aut formulis juris" - einer paritätisch besetzten Kommission übertragen. Die Vorgaben sind allerdings weit weniger streng: So sollen sich die Commissarii lediglich Mühe geben, ihre Arbeit in sechs Monaten zu beenden; für den Fall fehlender Übereinstimmung in grundlegenden Fragen ist eine weitere Vereinbarung der Vertragspartner , nicht aber die Entscheidung einer neutralen Macht vorgesehen. Zwar sind noch wesentliche Elemente eines völkerrechtlichen Schiedsverfahrens wie der bindende Spruch und die Schuldübernahme durch den König oder Staat bei der Verurteilung seiner Untertanen vorhanden. Gleichzeitig wird aber nicht nur deutlich, wie schmal die Grenze zu der Verhandlungskommission war, sondern auch, daß die Schiedskommission, für die sich die Vertragspartner noch einmal bewußt84 entschieden, jederzeit durch ein weisungsgebundenes Gremium ersetzt werden konnte. 3. Die Schiedsrichter

Als interessante Ergänzung der vertraglichen Normen und der Erkenntnisse aus den beiden durchgeführten Verfahren können die biographischen Angaben über die Schiedsrichter herangezogen werden, deren Namen, soweit nicht bereits im Vertrag enthalten, aus den Schiedssprüchen bekannt sind. Mit der Festsetzung des Schadensbetrages bezüglich der in Dänemark zurückgehaltenen Schiffe wurden schon in Art. XXVIII des Friedensvertrages vom 5. April Eduardus Winslow, Jacobus RusselI, Johannes Becx und Guilielmus van der Cruysen betraut. Während über Russell und Becx nichts ermittelt werden konnte, wird van der Cruysen in einem Schreiben der niederländischen Botschafter an Sekretär Thurloe vom 4./14. April 1654, mit dem sie die von der englischen Seite benannten Arbitri akzeptierten, als "notus & bonae estimationis ... & jam in praesens, ut saepius ante, ecclesiae Belgicae senior" bezeichnet85 . Mit Edward Winslow (1595 - 1655) ließen die Niederländer einen Mann gelten, der 1617 bis 1620 an der Universität Leiden studiert hatte, dann mit der "Mayflower" in die neue Welt aufbrach und dort 1633, 1636 und 1644 als Gouverneur der Kolonie Plymouth wirkte. Mehrere Reisen hatten ihn, der auch als Schriftsteller tätig war, als Agent der Kolonie nach England zurückgeführt, wo er sich seit 1646 aufhielt. Nach der erfolgreichen AusfühParry Bd. 4, S. 136. Ob die Mißerfolge bei den vorherigen Schiedsabkommen bei der Ausgestaltung des Art. VII eine entscheidende Rolle gespielt haben, ließ sich wegen der nicht überlieferten englischen Akten nicht feststellen. 85 Schreiben bei Birch Bd. 11, S. 210. 83

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rung der dänischen Angelegenheit bestimmte ihn Cromwell zum Chef der drei Zivilkommissare, die den Befehlshabern der Schiffsexpedition gegen die Spanier in Westindien zur Begleitung und Beratung beigeordnet wurden. Auf der Reise nach Jamaika starb Winslow an Fieber86 • Darf davon ausgegangen werden, daß die genannten Personen eine gewisse Erfahrung in der Schätzung von Schiffen und Handelswaren hatten, war die Zusammensetzung des Gremiums, das gemäß Art. XXX des Vertrages zwischen den Niederlanden und England die gegenseitigen Ansprüche seit 1611 prüfen und beurteilen sollte, ebenfalls der AufgabensteIlung angepaßt. Jede Partei benannte zwei Kaufleute (Guilielmus Thompson87 , Thomas Kendall; Ludovicus Houwen, Jacobus Oysel) und zwei Juristen (Johannes Exton, Guilielmus Turner; Adrianus van Aelmonde, Christianus van Rodenburgh); gefragt waren demnach sowohl kaufmännischer Sachverstand als auch Kenntnisse des Rechts. Auf der Insel waren die nötigen Abklärungen bereits getroffen, als die Kompanien und Kaufleute dem Protektor vier Kandidaten vorschlugen. In den Niederlanden gestaltete sich deren Bestimmung schwieriger. Im Verlauf der gleichen Sitzung, in der sie die Ratifikation des Friedens und die Unterzeichnung der Unterwerfungsurkunden für die Schiedsverfahren guthießen (22. April n. St.), beschlossen die Generalstaaten, unter Beifügung einer Abschrift des dreißigsten Artikels bei vier Personen schriftlich anzufragen, ob sie an den betroffenen Handelsgesellschaften beteiligt seien oder als Beauftragte zur Verfügung stehen würden88 . Mindestens einer der Kaufleute 89 und der Rat Vogelsank sagten ab; letzterer entschuldigte sich mit seiner Unkenntnis der englischen Sprache und der Übernahme des Amts des Ratspensionärs von Amsterdam90 • An seiner Stelle wurde als Rechtsgelehrter der Pensionär von den Briel, van Aelmonde, gewählt91 • Mit Christiaan van Rodenburg, Rat am Hof von Utrecht, hatte er einen einflußreichen Kollegen, der sich sowohl in der Praxis als auch schriftstellerisch hervortat92 • Ihre englischen Gegenspieler waren nicht etwa Experten des Common Law, sondern ebenso wie sie im römischen Recht geschulte Doktoren: John Exton (LL.D. The Dictionary ofNational Biography. Bd. 21. London 1917. S. 672 ff. 1655 erscheint William Thompson als "alderman" (Ratsherr): Court Minutes 1655 - 1659, S. 28. 88 Birch Bd. 11, S. 227. 89 Bei Aitzema Bd. 111, S. 917 sind als Kaufleute Jaques Lommel und Jaques Loisel genannt, wobei letzterer vermutlich mit Jaques Oysel identisch ist (Aitzema Bd. 111, S.1069). 90 Aitzema Bd. I1I, S. 917. 91 Aitzema Bd. I1I, S. 917. 92 Zu Rodenburg: Niew Nederlandsch Biografisch Woordenboek. Bd. 2. Leiden 1912. Sp. 1224 f. Geboren 1608 in Utrecht, studierte er dort und in Leiden. Saß für Utrecht in den Generalstaaten und im Staatsrat, hatte außerdem eine KanonikersteIle inne. Ihm wird eine große Autorität bescheinigt. Zu den Ehrungen nach seiner Rückkehr aus England: Aitzema Bd. 111, S. 1069. 86 87

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Cambridge 1634)93 und William Turner (D.C.L. Oxford 1636)94. Sie praktizierten am High Court of Admiralty, dem Gerichtshof für Seestreitigkeiten mit seinem auf dem Kontinent üblichen schriftlichen Verfahren und den in kontinentaler Form ausgestellten Urkunden. Die hier und an den geistlichen Gerichten tätigen gelehrten Juristen bildeten in London Doctor's Commons95 , eine den vier Inns of Court ähnliche sich selbst verwaltende Lehrgemeinschaft, deren Mitglieder auch als Verfasser von Rechtsschriften hervortraten. Dr. Exton beispielsweise veröffentlichte, um die Zuständigkeit seines Gerichtshofs zu erhalten, 1664 "The Maritime Dicaelogie, or Sea Jurisdiction of England"96, ist jedoch als Autor nicht so bekannt wie sein Kollege Zouche. Daß Cromwell auf Mitglieder dieses Gremiums als Schiedsrichter zurückgriff, ist nicht nur ein weiterer Beleg für die Rechtsförmigkeit des Schiedsverfahrens dieser Zeit, sondern ebenfalls für das zugrundeliegende römische Recht, das als wesentliches Bindeglied zwischen den europäischen Ländern angesehen werden darf97 • Zu den "Civilians" gehörte auch Dr. Walter Walker98 , dem in der vorgesehenen englisch-portugiesischen Kommission Johannes Crowther99 hätte zur Seite stehen sollen. Der juristische Part auf der Gegenseite war dem Secretarius Legationis Doctor Hieronymus a Silva zugewiesen, welcher wiederum 93 Zu Exton (1600? - 1665): Dictionary of National Biography. Bd. 18. London 1898. S. 98. Nach der Restauration wurde er in seinem Amt als Admiralitätsrichter, das er 1649 durch das Parlament erhalten hatte, bestätigt. 94 Forster, Joseph: Alumni Oxonienses. The members of the University of Oxford 1500 - 1714. Reprint Nendeln 1968. Bd. IV, Early Series S. 1522 führt den bei seinem Eintritt ins Wadham College 1620 16-jährigen William Turner als Richter am prerogative court of Canterbury. Member of Parliament. 1660 kurze Zeit Richter am High Court of Admiralty. Am 26. Februar 1664 zum Ritter geschlagen, war er Kanzler von Winchester und Advokat des Duke of York. Starb am 18. Oktober 1670. 95 Squibb, G.D.: Doctor's Commons. A History of the College of Advocates and Doctors of Law. Oxford 1977. 96 Dictionary of National Biography Bd. 18, S. 98. 97 Dies muß Engel entgegengehalten werden, wenn er das Bewußtsein von der Existenz einer intakten Rechtsgemeinschaft in dem Augenblick als verloren ansieht, in dem sich die Staaten zu eigenständigen Rechts- und Friedensordnungen mit scharfen Schranken nach außen ausgestalteten (Handbuch S. 374). Anders als Engel auch Scheuner S. 227, der die gemeinsame Rechtsordnung, welche die Gesellschaft der Staaten bis ins 18. Jahrhundert unabhängig von der Anerkennung durch den einzelnen Staat überwölbt habe, eher auf der Grundlage der rationalen Vernunft ansiedelt. 98 LL.D. Cambridge 1640, war Walker insofern eine Ausnahme, als er 1642 am Inner Temple und somit zu den common law Gerichten zugelassen wurde. Seine Ämter als Richter der Admiralität und am prerogative court of Canterbury verlor er bei der Restauration ebenso wie das des Präsidenten von Doctor's Commons, in dem ihm Richard Zouche nachfolgte. Als Advokat wirkte er weiter, wurde am 18. April 1661 zum Ritter geschlagen und starb am 16. April 1674 (Squibb S. 178 und 117; Coote: English Civilians, S. 84; Alumni Oxonienses Bd. IV, Early Series S. 1558). 99 Die Alumni Oxonienses Bd. I, Early Series S. 358 verzeichnen einen John Crowther M.A. 25. Juni 1628.

I. Cromwell: Schiedsgerichtsbarkeit im Dienst der Politik

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vom Agenten Francisco Ferreira Rebello hätte unterstützt werden sollen. Letzterer ist vor allem deshalb erwähnenswert, weil sich bei ihm im Unterschied zu den anderen bisher erwähnten Schiedsrichtern eine diplomatische Karriere nachweisen läßtl(JO. Mit dieser Feststellung ist kein nur für die Cromwellschen Kommissionen typisches Auswahlkriterium angesprochen. Soweit ersichtlich, war die Schiedsgerichtsbarkeit keine Domäne der Diplomaten, vielleicht mit ein Grund für das Verschwinden des Instituts aus der Praxis. In aller Regel wurden Spezialisten als Richter herangezogen. Im Pfälzischen Erbstreit bestimmte der Kaiser 1699 den Reichshofrat Friedrich Binder zu seinem Vertreter in Frankfurt, während der französische König den "Protector in Republica Argentoratensi", den Doctor Juris utriusque Ulrich Obrecht schickte 101 • Auch "Michel Amelot, Chevalier Marquis de Gourmay, Conseiller d'Estat ordinaire de Sa Majeste Tres-Chrestienne" darf man die zur Entscheidung des Streites zwischen dem König von Sizilien und dem Fürsten von Monaco erforderlichen lehensrechtlichen Kenntnisse zutrauen, ohne sie damit seinem englischen Kollegen "Mathieu Prior, Escuyer, Plenipotentiaire de la Reine de la Grande Bretagne aupres du Roi Tres-Chrestien" absprechen zu wollen, der u. a. auch als Dichter hervorgetreten ist 102 • Wie seine Beauftragung zeigt, waren diplomatische Vertreter als Schiedsrichter selbstverständlich nicht ausgeschlossen, sondern wurden als Fachleute ebenso herangezogen: Die Differenzen zwischen dem Kaiser und dem Herzog von Savoyen um die Auslegung ihres Vertrages von 1703 beurteilten 1712 der englische außerordentliche Gesandte für die helvetischen Gebiete, Abraham Stanyan, und der Niederländer Albert Vander Meer, der den gleichen Status beim Herzog von Savoyen hatte 103 . Aber wenn Schilling die Tatsache, daß Georg 11. von Großbritannien und Friedrich Wilhelm von Preußen 1729 nicht Diplomaten, sondern die höchsten rechtskundigen Beamten der beiden Heere als Vertreter (besser: Prokuratoren) nach Braunschweig sandten, als Zeichen der Wandlung des Zwistes von einem ganz Europa bedrohenden Ereignis zu einem "bloßen Prozeß" wertet 104 , kann ihm nicht zugestimmt werden. Denn diese Abstufung war bereits mit der Entscheidung für ein Schiedsverfahren vorgenommen worden; die 100 Bittner, Ludwig/Groß, Lothar: Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfälischen Frieden. Bd. 1: 1648 - 1715. Berlin 1936 führen S. 428 Ferreira Rebello als Agenten und seit dem 20.7.1655 bis 1657 (?) als Residenten in London. 1663 verhandelte er als Gesandter in Paris, Den Haag und London wegen der Waffenhilfe gegen Spanien, 1664/65 in England wegen der indischen Kolonien. 1667/68 war er Resident in Paris. 101 Angaben im Schiedsspruch vom 26. April 1701, Dumont Bd. VIII, Teil I, S. 7 u. 8. 102 Angaben im Schiedsspruch vom 21. Juni 1714, Parry Bd. 29, S. 67; bei Parry a.a.O. S. 65 auch der Hinweis auf die dichterische Tätigkeit von Matthew Prior (16641721). 103 Schiedsspruch vom 21. Juni 1712, Parry Bd. 27, S. 293. 104 Schilling S. 116 f.

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Teil 11: Schiedsgerichtsbarkeit und internationale Beziehungen

Wahl juristisch gebildeter Prokuratoren war angesichts der immer mehr in den Vordergrund tretenden militärischen Werbeangelegenheiten und der Verletzungen des Kartellvertrages nur noch eine fast zwangsläufige Folge. U. Das Verhältnis der Schiedsgerichtsbarkeit zu anderen Streitbeilegungsmethoden

Wurden bei der Darstellung des Rechtsinstituts verwandte Mittel zur friedlichen Austragung von Streitigkeiten hauptsächlich zur Abgrenzung herangezogen, muß bei der Frage nach der Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit in den internationalen Beziehungen dieses Verhältnis ebenso wie das zum gewaltsamen Vorgehen, dem Krieg, auch auf seine praktische Komponente hin überprüft werden. Da sich die Einsetzung von Schiedsrichtern nur bis zum Jahre 1730 nachweisen läßt, interessiert vor allem, welche Methoden an die Stelle der freiwillig vereinbarten Gerichtsbarkeit traten und in welcher Art und Weise sich dieser Wandel vollzog. Was die Entwicklung der Form der Schiedskommission anbelangt, ist der Verlauf der Bemühungen Cromwells um ihre Aktivierung kennzeichnend für die Gesamttendenz: Angesichts der teilweisen oder völligen Erfolglosigkeit verzichtete man auf immer mehr Bestimmungen, die den Unterschied zur Verhandlungskommission ausmachten. Im letzten, dem schwedisch-englischen Vertrag vom 17. Juli 1656105 , blieben als wesentliche Merkmale nur noch die paritätische Besetzung und die Form einer "Sententia" übrig. Aber selbst diese Positionen waren bereits dadurch gefährdet, daß 1654 die Niederländer nachträglich eine Ratifikation des Schiedsspruchs durch den Protektor gefordert und erhalten hatten106 , obwohl die Verbindlichkeit für beide Seiten nach dem zugrundeliegenden Vertrag außer Frage stand 107 • Am Ende dieser sich abzeichnenden Schwächung der schiedsrichterlichen Stellung steht mit der englisch-spanischen Vereinbarung von Sevilla108 eine mit der Prüfung und Entscheidung von Streitigkeiten beauftragte, nicht mehr notwendigerweise paritätisch besetzte Kommission, die ihre Ergebnisse als "rapport" den Monarchen zuleiten sollte. Deren vertraglich festgelegte Verpflichtung, innerhalb von sechs Monaten dem Bericht entsprechend zu verfahren, kann wegen der Weisungsgebundenheit der Kommissare - ein traditioneller Eid wie bei den Schiedsrichtern darf hier nicht mehr vorausgesetzt werden - nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Erfolg der Kommission ganz im Belieben der Auftraggeber stand, mithin eine Sonderform der Verhandlungskommission vorliegt. Parry Bd. 4, S. 127 ff., Art. VII S. 136. Siehe oben Teil 11: I 1 a). 107 Vertrag vom 5. April 1654, Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 74 ff., Art XXX S. 77. 108 Art. VI des Vertrages vom 9. November 1729, Parry Bd. 33, S. 258 f.; siehe auch oben Teil 11: I 1 a). 105

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11. Schiedsgerichtsbarkeit und andere Streitbeilegungsmethoden

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In ähnlicher Weise verschob sich das Gewicht von den erbetenen Schiedsrichtern zu den Vermittlern. An den schwedisch-brandenburgischlpreußischen Vereinbarungen läßt sich diese Entwicklung gut verfolgen. Nachdem die Parteien in ihren vielen Verträgen nach 1648 lediglich in die Defensivbündnisse von 1666 und 1673 109 die institutionelle Klausel aufgenommen hatten, Differenzen schleunigst auf freundschaftlichem Wege beizulegen, taucht erstmals im Art. 8 der geheimen Defensivallianz vom 10. Februar 1686110 für Grenzund andere Streitigkeiten die Ernennung von Schiedsrichtern als weitere Möglichkeit zur Vermeidung der ausdrücklich ausgeschlossenen gewaltsamen Auseinandersetzungen auf. 1688 erneuert 111 , bildet die Abrede am 9. Juli 1692 die Grundlage für den Komprorniß in der Frage, ob zwei Mühlen und ein Dorf Dependenzen von Gollnow und darum an die Krone Schweden zu restituieren seien 112 . Trotz der Wahl des Kaisers (Schweden) und des Königs von England (Brandenburg) zu Schiedsrichtern am 14. Januar 1693 113 ist es letztlich zu keinem Spruch gekommen: der Kurfürst begab sich am 25. Juni 1694 seiner Ansprüche, wobei gleichzeitig die Gültigkeit des Art. 8 des Traktats von 1686 für die noch bestehenden pommerschen Grenzdifferenzen bestätigt wurde 114 . Weitere Erneuerungen der institutionellen Schiedsklausel ll5 folgten ebenso wie konkretere Vereinbarungen 116 , bis durch den Allianzvertrag vom 6.116. August 1707 die Schieds- durch eine Vermittlungsklausel ersetzt wurde: Falls Grenz- und andere Streitigkeiten nicht mehr freundschaftlich beigelegt werden könnten, sollte im gegenseitigen Einvernehmen eine dem Vertrag beitretende oder eine beliebige andere Macht gewählt und gebeten werden, die Unstimmigkeiten durch ihre Mediation zu beseitigen 117 • Obwohl auch diese Bestimmung die gewaltsame Auseinandersetzung um die schwedischen Gebiete in Norddeutschland seit 1713 nicht verhindern half, griffen die beiden Parteien im Frieden von Stockholm die Tradition wieder auf: "Demnach man wegen des bei Königl. Schwedischen Zeiten in Stettin bezahlten Licents vor diesesmal nicht übereinkommen können, die jetzigen Conjuncturen aber die Unterzeichnung dieses Friedenstractats länger aufzuschieben nicht verstatten wollen, als ist von beiden hohen Theilen gut befunden worden, die gänzliche Verträge bei Parry Bd. 9, S. 109 ff. und Bd. 13, S. 67 ff. Parry Bd. 17, S. 466. 111 Siehe v. Moemer S. 504. 112 v. Moemer S. 575 f. 113 v. Moemer S. 578 f. 114 v. Moemer S. 594 f. 115 11. Juli 1696 (v. Moemer S. 618 f.); 23. Juni 1698 (v. Moemer S. 638) und 29. Juli 1703 (Parry Bd. 24, S. 439 ff.). 116 Vereinbarung eines Schiedsgerichts in den Streitigkeiten zwischen Altstettin, Stargardt und Frankfurt/Oder durch die beiden Herrscher am 22. Dezember 1698 (v. Moemer S. 648 ff.) und Kompromiß im Streit um das Furstenftag genannte Gebiet am 29. Juli 1703 (Parry Bd. 24, S. 445, Art. VII). 117 Parry .Bd. 26, S. 125 f. (Art. 11). 109 110

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Entscheidung dieser Sache bis zu einer absonderlich dazu zu verordnenden Commission auszusetzen, um sich desfalls durch die fernere Officia anfangs hocherwähnter beiden Kronen, welche als Mediateurs bei diesem FriedensNegotio gewesen, gütlich zu vergleichen und darin einen baldigen endlichen Schluß zu treffen ... Wobenebenst die hier anwesende Ministres derer hohe Mediateurs über sich genommen, dieser Sache halber bei ihren respektiven Höfen solche Vorstellung zu thun, daß dieser Zwist der Billigkeit nach und zum längsten innerhalb drei oder vier Monat, vom heutigen dato an gerechnet, gütlich abgethan werden möge"118. Bemerkenswert ist nicht so sehr die Tatsache, daß die Angelegenheit wie vorgesehen durch einen weiteren Vertrag vom 20./31. Mai bereinigt wurde, sondern daß die Gesandten der als Vermittler tätigen Könige von England und Frankreich diese Lösung herbeiführten, indem sie die preußischen Ansprüche als rechtmäßig und billig erklärten und der schwedische Herrscher "cette decision" annahm 119 • In der Praxis war demnach der Schritt von der Schiedsgerichtsbarkeit zur Mediation gar nicht so groß. Die eben beschriebene Form hatte schon bei den Verhandlungen von Münster und Osnabrück dem französischen Delegierten de Servien vorgeschwebt, der damit jedoch den Begriff des Schiedsrichters verband: "Les differends entre les rois et les princes ne peuvent pas etre termines par des arbitres comme un proces entre les particuliers, mais les arbitres entre les rois et les princes doivent dire leur sentiment en guise de proposition pour mener ainsi les parties a accepter leur opinion". Reibstein 120 zitiert diese eigenwillige Definition als Charakteristikum für eine Sprache, in welcher, namentlich in hochpolitischen Angelegenheiten, der Unterschied zwischen arbitrage und mediation oft bewußt verwischt worden sei l21 • Für diese Verallgemeinerung fehlen jedoch die Belege. Die Untersuchung des Instituts der Schiedsgerichtsbarkeit hat gezeigt, daß de Servien nicht die zeitgenössische Praxis beschrieb. Dies war auch wohl gar nicht beabsichtigt; die Behauptung, der Terminus Schiedsrichter habe im Verkehr der Fürsten eine andere als die herkömmliche und im privaten Recht allgemein anerkannte Bedeutung, diente einzig dem Zweck, das Angebot der Generalstaaten, als Schiedsrichter zwischen Frankreich und Spanien fungieren zu wollen, politisch zu entschärfen. Andererseits zeugt die Bemerkung des Gesandten der aufsteigenden Macht von einem Bedürfnis für die skizzierte Funktion, wie sie aber dann nicht durch die Änderung der schiedsrichterlichen Aufgaben, sondern die verstärkte Ausbildung des Instituts des Vermittlers erreicht wurde. Vertrag vom 21. Januar 1720, Loewe S. 226 ff., S. 236 (Art. 13). Loewe S. 252 f. 120 Reibstein: Europäisches Öffentliches Recht S. 395. 121 Anders van Boetzelaer S. 13, Anm. 1, nach dessen Ansicht den Diplomaten der Unterschied selbst nicht immer bewußt gewesen ist. 118

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Um die Jahrhundertwende tritt der Zug zum Interessenausgleich immer deutlicher in den Vordergrund. Dies zeigt sich nicht nur in den rechtlich bedenklichen Teilungsplänen für das spanische Erbe 122 , sondern auch in dem weit unauffälligeren Zurückdrängen des bald nicht mehr zeitgemäßen förmlichen Verfahrens zur Feststellung der Rechtslage 123 . Zwei unterschiedliche Beispiele in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft des durch das Bündnis von 1707 in den schwedisch-preußischen Beziehungen eintretenden Umschwungs mögen dies verdeutlichen: Im Vertrag vom 12. Januar 1706 zwischen Zürich! Bern und Venedig 124 betonen die Partner nachdrücklich, daß eine amicabilis compositio vor dem Schiedsverfahren zu versuchen sei, und im Abkommen vom 15. Januar 1709 streben der Kaiser und der Papst in ihren Streitigkeiten um Parma, Piacenza und Comacchio eine Lösung "non in veruna forma di giudizio, ma por appagamento commune" beider Seiten an 125 • Diese Befriedigung aller Verhandlungspartner wird in der Folgezeit so wichtig, daß sie als Ziel gleichwertig neben den Maßstab von Recht und Billigkeit des Ergebnisses tritt. Am 22. März 1738 vereinbarten der Kaiser und der König von Frankreich zur Bereinigung ihrer Auseinandersetzung hinsichtlich des Herzogtums Luxemburg und dessen Grenzen eine Zusammenkunft von Kommissaren in Lille "pour y produire les titres respectifs, que chacun pn!tend avoir, et pour discuter et convenir selon les regles de la justice, de l'equite et de la Convenance mutuelle, des droits qui peuvent appartenir a l'une ou l'autre des deux puissances sur lesdites terres"126. Angesichts dieses allgemeinen Einstellungswandels muß es merkwürdig anmuten, wenn der König von Preußen im letzten ermittelten Schiedsverfahren seinen Räten gegenüber erklärt, den Schiedsspruch annehmen zu wollen, selbst wenn er ungerecht sei 127 • Das erklärt sich jedoch durch die besonderen Umstände dieses Falles: Beide Herrscher, besonders aber Friedrich Wilhelm I. , hatten sich durch Mobilmachung ihrer Heere die Chance für eine friedliche Lösung auf der Basis der "convenance mutuelle" verbaut. In einer gewaltsa122 Mably, der auch von einem anfänglichen Vorschlag Frankreichs berichtet, die Angelegenheit dem Schiedsspruch des Königs von Schweden zu unterwerfen, führt in diesem Zusammenhang aus: "On demondoit de quel droit l' Angleterre & les ProvincesUnies s'etoient faits juges dans une querelle qui devoit etre decidee par les loix des Espagnols. S'etoit-on soumis a leur arbitrage? Avoit-on discute les pretensions & les titres de chaque Puissance?" (Droit public Bd. 2, S. 5). 123 Dies gilt auch für das Reich, wo die Kurfürsten von Brandenburg und Hannover und der Herzog von Braunschweig-Celle eine Schiedsabrede vom 14./24. Januar 1693 sieben Jahre später als "unpracticabel" aufhoben (4. November 1700, v. Moemer S. 580 und 672). 124 Parry Bd. 25, S. 407 ff., S. 417; die eigenständige Stellung des Verständigungsversuchs vor dem Schiedsverfahren wird sonst nirgends so deutlich hervorgehoben. 125 Parry Bd. 26, S. 276 (Art. XVIII). 126 Parry Bd. 35, S. 210. 127 Schilling S. 82 und S. 143.

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men Auseinandersetzung schien zwar Preußen für den Augenblick in einer günstigeren Position zu sein, aber bei der angespannten Lage in Europa waren die Folgen eines Krieges nicht abzusehen. In dieser Situation versteifte sich Friedrich Wilhelm auf das Schiedsgericht, um die Minderung seines Ansehens in Grenzen zu halten l28 und nicht selbst einen Verzicht aussprechen zu müssen 129 • Dagegen waren die Streitigkeiten zwischen dem Herzog von Savoyen und der Republik Genua 1672 bereits in gewaltsame Auseinandersetzungen übergegangen, als sich Ludwig XIV. von Frankreich einschaltete und die Streitenden durch seine ihm von beiden Seiten angetragene Mediation zur Einstellung der Feindseligkeiten bewegen konnte. Als kürzeren Weg zum Frieden übertrugen ihm die Parteien danach auch das Amt des Schiedsrichters in allen ihren Differenzen, welches er jedoch in der Weise wahrnahm, daß er die beiden Mächte im Spruch verpflichtete, sich für die Grenzstreitigkeiten "la premiere origine a la Guerre" - auf italienische Juges zu einigen 130 • Er selbst legte offenbar keinen Wert darauf, sich als Schiedsrichter zu tief in italienische Angelegenheiten zu mischen l31 • Im dritten für das Verhältnis zwischen Krieg und Schiedsgerichtsbarkeit wichtigen Fall, dem Kompromiß in der pfälzischen Erbsache von 1697132 , hatte auch der Waffengang keine Entscheidung bringen können. Deutlicher noch als bei den anderen beiden Schiedsabreden muß hier zwischen Ursache und Anlaß der Auseinandersetzung unterschieden werden133 • Die Ansprüche seiner Schwägerin Liselotte hatten Ludwig XIV. lediglich als Vorwand gedient, so daß er sie jetzt im Friedensvertrag ohne großen Verlust und unter Wahrung seines Gesichts der 128 Daß der König mit seiner Zustimmung zu einem Spruch in Ehren aus der Sache herauszukommen trachtete, geht aus seinem Brief an die Räte Borcke und Cnyphausen vom 2. September 1729 hervor, Schilling S. 81 f. Letzterer beurteilt das erneute Zurückweichen als "ein schwächliches Ende eines kräftig ins Werk gesetzten Beginnens" und fährt fort: "Ein derartiges Verhalten wurde natürlich von den anderen Mächten, die des Königs tiefere, sittliche Gründe für seine Nachgiebigkeit nicht kannten, als Schwäche und Feigheit angesehen" (S. 82). Kritik erfuhr Friedrich Wilhelm vor allem durch Leopold von Dessau, Prinz Eugen und den als Schiedsrichter übergangenen August 11. von Polen (S. 100). Dagegen mußten sich die kaiserlichen Gesandten in London, Paris und Den Haag harten Tadel darüber anhören, daß ihre Regierung den Zwist schüre (S. 112). 129 Insofern erfüllte die Schiedsabrede von 1729 die gleiche Funktion wie der "JayVertrag von 1794 mit seiner die modeme Entwicklung der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit einleitenden realistischen Verwendung des Schiedsverfahrens als einer diplomatischen Kulisse für Verzichte, die spontan auszusprechen schwer fallen würde" (Reibstein: Art. Völkerrechtsgeschichte S. 707). 130 Sentence Arbitrale vom 18. Januar 1673, Dumont Bd. VII, Teil I, S. 216 Einführung und Art. IV. !3l Hier wird besonders deutlich, daß das Hegemoniestreben Frankreichs, um die eingangs aufgeworfene Frage zu beantworten, bei dem Verschwinden der formalen Schiedsgerichtsbarkeit wenn überhaupt, dann eine geringe Rolle gespielt hat. 132 Dumont Bd. VII, Teil 11, S. 423 (Art. VIII) und S. 430 (Separatartikel). 133 Auch 1729 gab es zwischen den Höfen eine Reihe von Spannungen, die das Klima derart belasteten, daß sich ein an sich unbedeutender Grenzzwischenfall zu einer ernsten Bedrohung des europäischen Friedens ausweiten konnte. Vgl. Schilling S. 7 ff.

III. Politischer Stellenwert der Schiedsgerichtsbarkeit

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schiedsrichterlichen Prüfung unterwerfen konnte l34 • Wie 1729 geriet das Schiedsverfahren zu einem unbedeutenden Nachspiel, während die wesentlichen Entscheidungen bereits in den vorangegangenen Verhandlungen gefallen oder verschoben worden waren; diese wurden nie einem schiedsgerichtlichen Urteil unterbreitet. Trotzdem wäre es falsch, deswegen die Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterschätzen: Mit der Vernachlässigung des Schiedsverfahrens verzichteten die europäischen Mächte seit 1730 vorerst auf ein Mittel, brenzlige Situationen zu entschärfen. Aber auch hier, wie bei den weit häufigeren Schiedsvereinbarungen, in denen wegen der freundschaftlichen Beziehungen bzw. des guten Willens zur Verständigung eine gewaltsame Austragung der Streitigkeiten von vorneherein nicht in Betracht kam, gelang es offenbar der Diplomatie, die entstandene Lücke zu schließen. 111. Der SteUenwert der Schiedsgerichtsbarkeit in der internationalen Politik

An die Feststellung, daß ganz überwiegend Verhandlungsgremien und Vermittler an die Stelle der entsprechenden schiedsrichterlichen Formen getreten sind 135 , muß sich die Frage nach den Gründen dieser Entwicklung unmittelbar anschließen. Soweit nicht die Autoren die internationale Schiedsgerichtsbarkeit als bereits im 16. Jahrhundert erloschen ansehen 136 , werden am weitaus häufigsten Souveränitätsvorstellungen für den Rückgang oder das Verschwinden des Instituts verantwortlich gemacht. 1. Schiedsgerichtsbarkeit und Souveränität

Zu den einflußreichsten Vertretern dieser Ansicht gehören Engel und Waser. Jener führt das fast völlige Zurücktreten der Schiedsgerichtsbarkeit auf eine doppelt begründete Zwangslage der Staaten zurück. Einerseits habe der Grundgedanke des "modernen" Staates, ausschließlich Rechts- und Friedensgemeinschaft zu sein, das Verblassen des Bewußtseins einer überwölbenden Rechtsgemeinschaft verursacht137 und die Unterwerfung des Staates unter die 134 Als "pn:texte" wertet schon Mably, Droit public Bd. 1, S. 244 f. diese Ansprüche, weshalb er darauf verzichtet, über die beiden Urteile zu berichten. 135 Geringfügig anders Stadtmüller S. 156, der die Ersetzung durch die Vermittlung ("gute Dienste") einer Großmacht, häufig Englands oder Hollands, feststellt. Dagegen verbindet Engel, Handbuch S. 375 das Verschwinden wohl auch mit der Zunahme gewaltsamen Vorgehens, wenn er in diesem Zusammenhang die "klassische" Völkerrechtsepoche von der Mitte des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts dadurch gekennzeichnet sieht, daß der Krieg als letztes und einziges "iudicium" übriggeblieben sei. 136 Schlochauer: Entwicklung S. 6. 137 Zu Recht anderer Ansicht ist hier Scheuner S. 227, dem das Völkerrecht jedenfalls für die Epoche von 1648 bis 1815 noch durchaus als eine höhere Norm erscheint, die Fürsten und Völker unabhängig von ihrem Willen und ihrer Anerkennung bindet.

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Entscheidung eines von ihm selbst bestellten Schiedsrichters ausgeschlossen. Andererseits habe es sich kein Gewalthaber in den noch unausgetragenen Auseinandersetzungen um Inhalt und Umfang der Allgewalt mehr leisten können, seine eigene Sache selbst einem gewillkürten Schiedsverfahren zu unterwerfen, da die Einsetzung eines Schiedsrichters nun die Anerkennung einer übergeordneten Gewalt bedeutet hätte. Daraus schließt Engel, die Durchsetzung des Staates nach innen habe "zwangsläufig beinahe die Rechtsanarchie zwischen den Staaten" bedeutet. Selbst nach Vollendung des sowohl innerstaatlichen als auch zwischenstaatlichen Ausleseprozesses um die Mitte des 17. Jahrhunderts sei der Rückgriff auf die Schiedsgerichtsbarkeit als Ausdruck eines die Souveränität übersteigenden konkreten Rechts vorerst ausgeschlossen gewesen138 • Noch grundsätzlicher verfährt Waser als ausgewiesener Kenner der Geschichte der Schiedsgerichtsbarkeit, der die Frühe Neuzeit als schiedsgerichtsarme Epoche durch einen theoretischen Ansatz zu erklären sucht. Nach seiner Ansicht entstehen "Schiedsgerichtsbewegungen" nicht allein aus der Koexistenz mehrerer, in normalen rechtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen stehender Staaten; Voraussetzung sei vielmehr zusätzlich eine besondere soziologische Situation, zu welcher er Beziehungen von bestimmter Intensität und längerer Dauer sowie die Ähnlichkeit der Struktur der Völkerrechtssubjekte hinsichtlich der Zivilisationsstufe, der Wirtschaftsorganisation, der Kulturform, der Rechtsvorstellungen und der weltanschaulichen und religiösen Haltung rechnet. Schließlich sei eine vorbehaltlose Begründung von Schiedsgerichtsbarkeit ohne Anerkennung einer höchsten Wesenheit nicht denkbar 139 . Zu einer derartigen "Schicksalsgemeinschaft" konnte es aber nach Waser in der Neuzeit trotz der Zerklüftung Europas in eine Vielzahl selbständiger, gleichgestellter Staatswesen erst kommen, als dem Dogma von der unbedingten und unantastbaren Souveränität der Staaten in anderen Ideen und realen Notwendigkeiten l40 , d. h. im Durchbruch des neuen Geistes und im Umbruch des sozialen Gefüges im ausgehenden 18. Jahrhundert141 , stärkere Gegenkräfte erwuchsen. Bei den nichtföderalen schiedsgerichtlichen Streitausträgen des 17. und 18. Jahrhunderts habe es sich daher lediglich um "schwache und unzusammenhängende oder in Routine und Formalismus erstarrte Nachläufer der kraftvollen spätmittelalterlichen Schiedsbewegung" gehandelt 142. Engel, Handbuch S. 374 f. Waser: Schiedsgericht S. 9 f. 140 Waser: Schiedsgericht S. 18 f. 141 Waser: Schiedsgericht S. 20 und ausführlicher S. 41 f. 142 Waser: Schiedsgericht S. 18 f. und S. 40 f. Ähnlich für die Praxis innerhalb der Eidgenossenschaft Usteri S. 16, der von einem "abgeschnittenen Lebensnerv" der niedergehenden Schiedsgerichtsbarkeit im 16.,17. und 18. Jahrhundert spricht. 138

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In dieser strengen und pointierten Form kann weder Engel noch Waser zugestimmt werden. Wenn sich beide in ihren Ausführungen auf die Bedeutung Jean Bodins berufen 143 , ist ihnen zunächst entgegenzuhalten, daß sich eine unmittelbare Beeinflussung des frühmodernen Staates durch dessen Modell ebensowenig nachweisen läßt wie durch dasjenige von Hobbes l44 . Weit gewichtiger aber ist noch die Klarstellung von Verdross / Simma, daß für den Franzosen die "summa potestas" nur innerhalb der Staaten bestanden habe, während diese untereinander an die Normen des Völkerrechts gebunden gewesen seien. Weder Bodin noch Thomas von Aquin, Vitoria und Suarez hätten "daran gezweifelt, daß die Staaten dem Völkerrecht untergeordnet sind und einvernehmlich ein Schiedsgericht zur Entscheidung über ihre Streitigkeiten einsetzen können"145. Gerade das rechtlich allgemein anerkannte Faktum des fehlenden übergeordneten Richters nehmen dann in der Folgezeit, wie bereits dargelegt wurde, die Völkerrechtsjuristen zum Anlaß, die (christlichen) Könige und Völker auf die Möglichkeit der Einsetzung von Schiedsrichtern nicht nur hinzuweisen, sondern den Gewalthabern die Anwendung dieses Mittels geradezu als moralisch, ja sogar als rechtlich verpflichtend anzupreisen l46 • Engels Schluß vom Prozeß der Durchsetzung des Staates nach innen hin zu einer fast zwangsläufigen Rechtsanarchie zwischen den Staaten könnte somit allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn man annimmt, daß die Staatstheorie und die Völkerrechtswissenschaft hinter dem Selbstverständnis der Fürsten und Staaten zurückgeblieben waren, anders ausgedrückt: die Gewalthaber es als unvereinbar mit ihrer Würde ansahen, sich einem Schiedsgericht zu unterwerfen 147 . Daß dies zumindest bis 1730 nicht der Fall war, ist bereits im ersten Teil dargelegt worden. Auch lassen sich die unterschiedlichen Schiedsvereinbarungen nicht sämtlich durch unvermeidbare Zwangssituationen erklären, in denen die Unterwerfung unter das Urteil eines Schiedsrichters zur Abwendung wesentlicher Nachteile unausweichlich gewesen wäre. Für die Entscheidung Schwedens und Brandenburgs im Jahre 16$5 etwa, entgegen der bisherigen Übung die Schiedsgerichtsbarkeit als Schlich143 Während Waser: Schiedsgericht S. 18 zwischen Bodins Souveränitätslehre und dem Dogma von der unbedingten und unantastbaren Souveränität einen Zusammenhang sieht, weist Engel, Handbuch S. 364 darauf hin, daß Bodins Souveränitätsformel die nach innen in den Staat hineinwirkende Obergewalt "unter völliger Absehung ihrer Wirkung nach außen" konstituiert habe. 144 So Richard van Dülmen: Entstehung des frühneuzeitlichen Europa 1550 - 1648. Fischer Weltgeschichte Bd. 24. Frankfurt am Main 1982. S. 344. 145 Verdross, AlfredJSimma, Bruno: Universelles Völkerrecht. Theorie und Praxis. Berlin 31984. S. 26 f. (32). 146 Siehe oben Teil I: B I (Grotius und Pufendorf); zu diesem Punkt konnten keine abweichenden Ausführungen in der zeitgenössischen Literatur festgestellt werden. 147 Diese Prüfung ist eine spezielle Komponente der von Engel, Handbuch S. 363 nachdrücklich geforderten Untersuchung der Umsetzung des Völkerrechtsdenkens in die Praxis.

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tungsmittel in die institutionelle Gewaltverzichtsklausel aufzunehmen 148 und es nicht bei der weitverbreiteten Formel von der Streiterledigung "a l'amiable" zu belassen, sind keine zwingenden Gründe ersichtlich. Wenn es opportun war, weil man nach langjährigen, immer wieder abgebrochenen Verhandlungen endlich zum Ziel kommen wollte 149 , ein gerade in diesem Augenblick notwendiges ungetrübtes Einvernehmen gewünscht wurde 150 , eine im Grunde nicht gewollte gewaltsame Auseinandersetzung drohte 151, eine provozierte erfolglos geblieben war152 oder die Zeit drängte l53 , hatte man keine Bedenken, sich an Schiedsrichter zu wenden I54 • Hätten wir es bei der Schiedsgerichtsbarkeit im 17. und 18. Jahrhundert lediglich mit Verträgen wie denjenigen zwischen dem König von Frankreich und den Eidgenossen zu tun, in denen generell alle früheren Bündnisse und damit auch deren Schiedsabreden bestätigt wurden 155 , wäre Wasers Urteil über die erstarrten Nachläufer zutreffend 156 • Die oben aufgeführten Schiedsfälle lassen sich auf diese Weise aber ebensowenig erklären wie der Rückgang der Schiedsgerichtsbarkeit durch ein "Souveränitätsdogma". Ein Vergleich mag letzteres verdeutlichen: Während im 19. Jahrhundert die Staaten ihre institutionellen Schiedsabreden meist mit einem der willkürlichen Auslegung zugänglichen Vorbehalt versahen, daß diejenigen Streitfragen von der Unterwerfung ausgenommen sein sollten, welche die Vertrag vom 10. Februar 1686, Art. 8 (Parry Bd. 17, S. 461 ff., S. 466). Der nach über vierzig Jahren Verschleppung am 1. August 1665 zwischen den Niederlanden und Brandenburg abgeschlossene Kompromiß (Dumont Bd. VI, Teil 111, S. 41 ff.) war kein Einzelfall, wie der Hinweis auf die seit über hundert Jahren bestehenden Streitigkeiten zwischen den Städten Altstettin, Stargardt und Frankfurt/Oder in der diesbezüglichen Schiedsabrede des Königs von Schweden und des Kurfürsten von Brandenburg vom 22. Dezember 1698 (v. Moerner S. 648) belegt. 150 Auch in diesem Zusammenhang ist der Komprorniß vom 1. August 1665 zu nennen, da die Niederländer angesichts des Krieges mit England auf die Allianz angewiesen und zum Nachgeben gezwungen waren. Vor allem gehört hierher aber der Schiedsspruch Großbritanniens und der Niederlande in den Streitigkeiten um eine Vertragsauslegung zwischen dem Kaiser und dem Herzog von Savoyen vom 21. Juni 1712 (Parry Bd. 27, S. 291 ff.) im Rahmen der Koalition gegen Ludwig XIV. 151 Schiedsspruch vom April 1730 Preußen/Großbritannien (Dumont Bd. VIII, Teil 11, S. 161 f.). 152 Causa Successionis Palatinae, Dumont Bd. VII, Teil 11, S. 423, S. 430. 153 Paradebeispiel ist der Kompromiß vom 11. September 1678 zwischen den Botschaftern Frankreichs und Spaniens (Dumont Bd. VII, Teil I, S. 365), durch den sie Schwierigkeiten, die den Abschluß des Friedensvertrages hätten verzögern können, dem Spruch der Generalstaaten unterwarfen. 154 Die Gründe waren so mannigfaltig, daß nur einige Beispiele aufgezählt werden konnten. Wichtig ist auch, daß man noch eine Reihe vorbeugender institutioneller Klauseln findet. 155 Vgl. etwa den Vertrag vom 24. September 1663, Eidgenössische Abschiede Bd. VI, Abt. I, S. 1641 ff. 156 Bei dieser Wertung hätte Waser stärker die von ihm selbst (Schiedsgericht S. 40) als wichtige Ursache für den Rückgang der Schiedsgerichtsbarkeit angeführte Reduzierung der Völkerrechtssubjekte und den "grundlegenden Wandel der öffentlich-rechtlichen Gliederung Europas" berücksichtigen müssen. 148 149

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Ehre, Unabhängigkeit oder lebenswichtige Interessen der Vertragsparteien berührten 157 , ist diese prinzipielle Einschränkung im 17. und 18. Jahrhundert noch unbekannt. Am Vertrag zwischen dem Kaiser und dem französischen König vom 1. November 1671, dessen auch für die "Sujets ou Vassaux de l'Empire" geltende Schiedsklausel alle bestehenden und alle künftigen Streitigkeiten erfaßte 158 , kann man zwar kritisieren, daß er weder bei den nachfolgenden Reunionen zur Anwendung kam noch die Besetzung Straßburgs zu verhindern vermochte, die Schiedsvereinbarung demnach nur auf dem Papier existierte. Aber gerade in der unbekümmerten Unterzeichnung der Klausel zeigt sich, daß die Gründe für den Verfall der schiedsgerichtlichen Streitausträge nicht im Prinzipiellen, in einem Dogma von der Souveränität, sondern eher in einer Politik zu suchen sind, die Schiedsabreden in dem Augenblick fallen ließ, als der Einsatz der Machtmittel günstigere Ergebnisse versprach. Wenn man sich demnach davor hüten muß, die heute leichter faßbaren Souveränitätsvorstellungen des 19. Jahrhunderts in die Zeit nach 1648 zurückzuprojizieren, ist doch sicher, daß die Mächte bereits in der Epoche Ludwigs XIV. jegliche Oberherrschaft ablehnten159 • Gegen eine obligatorische Zuständigkeit für die Streitentscheidung, wie sie die Päpste im l3. Jahrhundert beansprucht hatten l60 , bestand eine so tiefe Abneigung, daß die Könige von Frankreich und England 1670 auf einen derartigen Vorwurf zurückgriffen, um ihren Krieg gegen die Generalstaaten zu rechtfertigen: Die Niederländer besäßen die Frechheit, sich zum obersten Schiedsrichter und Richter über alle anderen Machthaber ("en souverain arbitre et juge de tous les autres potentats") aufwerfen zu wollen 161 • Schon acht Jahre später wählten jedoch der französische und der spanische Botschafter bei ihren Friedensverhandlungen zu Nimwegen eben diese Niederländer wieder freiwillig zu Schiedsrichtern, wobei sie beiderseits "une entiere confiance en l'equite desdits Seigneurs Etats Generaux" zum Ausdruck brachten 162 • Diese Unterwerfung relativiert die Überzeugungskraft des angeblichen französischen Kriegsgrundes, zeigt aber auch einen offenbar geläufigen Unterschied zwischen erzwungener und freiwillig vereinbarter Schiedsgerichtsbarkeit. Nur die letztgenannte Art, die der freien Entscheidung der Parteien genügend Raum ließ, wurde als mit der Souveränität vereinbar erachtet und konnte sich zumindest vorerst auch zwischen absoluten, Waser: Schiedsgericht S. 44. Parry Bd. 12, S. 51 ff., Art. 11 S. 55. 159 Nach Scheuner S. 239 gehört diese Auffassung zu den Regeln, "die schon fast eine rechtliche Geltung besaßen". 160 Gaudemet S. 89; erst im 14. Jahrhundert berief sich das Papsttum auf andere Titel: "le pape veut etre arbitre ou plus souvent conciliateur, mais non plus juge" (S. 97), was Gaudemet S. 90 f. auf die "jeune souverainete" der Staaten zurückführt, die bereits im 14. Jahrhundert als Dogma erschienen sei (S. 106). 161 Vertrag vom 22. Mai/I. Juni 1670, Parry Bd. 11, S. 295 ff., Art. 5, S. 301 f. 162 Dumont Bd. VII, Teil I, S. 365. 157

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jeder übergeordneten Gewalt abgeneigten Mächten behaupten 163 • Die andere, nicht seltene und politisch weit einschneidendere Variante beanspruchte nicht mehr schiedsgerichtliche Formen, sondern bevorzugte - man denke an den von Frankreich erzwungenen Frieden zwischen Schweden und Brandenburg von St. Germain-en-Laye (29. Juni 1679) - vertragliche Abmachungen. Diese faktische, auf Macht und Einfluß beruhende SchiedsrichtersteIlung meinte wohl auch Ludwig XV., als er sich am 28. Mai 1740 in einem Abkommen mit der Pforte den Titel "l'arbitre & le Mediateur des affaires des nations chretiennes" zulegte l64 . Wenn sich schon keine direkte Auswirkung nachweisen läßt, kann man dann wenigstens das durch die Souveränitätsvorstellungen geschaffene "ungünstige Klima" für das Verschwinden der Schiedsgerichtsbarkeit verantwortlich machen, wie andere Autoren 165 vorsichtiger meinen? Oder hat dieses Bewußtsein überhaupt keinen Einfluß auf diesen Prozeß gehabt? Hier eine sichere Entscheidung zu treffen, ist auf der Basis der benutzten Quellen nicht möglich, da "schiedsfeindliche" Überlegungen, sollten sie bestanden haben, meist schon vor dem Abschluß von Vereinbarungen zum Tragen kamen und somit durch die vorliegende Untersuchung nicht erlaßt werden konnten. Sprechen die bisher angeführten Fakten eher gegen einen ursächlichen Beitrag des Souveränitätsbewußtseins, könnte zugunsten einer Einwirkung angeführt werden, daß die Schiedsabreden in der Regel zweit- oder drittrangige Fragen betrafen 166 . Allerdings ist diese Klassifizierung, worauf schon Grewe für das 19. Jahrhundert hingewiesen hat 167, insofern problematisch, als bereits geringe Anlässe zu großen Auseinandersetzungen führen und, wie der Streitfall von 1729/30 beweist, schnell zu Prestigeangelegenheiten werden konnten. Welcher Stellenwert der Souveränität in wichtigen Fällen beigemessen wurde, zeigt zudem der Streit um das Herzogtum Bouillon: Da für die Streitparteien, die Herzöge und den Fürstbischof von Lüttich, sehr viel auf dem Spiel stand, suchten sie, statt in eigener Verantwortung einen Komprorniß zu schließen, für ihre Ansprüche Schutz bei mächtigen Verbündeten und überließen es dem Kaiser und dem französischen König, eine diesbezügliche Schiedsabrede in 163 Anderer Ansicht schon für das "spanische Zeitalter" (1500 - 1648) Preiser: Art. Völkerrechtsgeschichte S. 700. 164 Parry Bd. 36, S. 41 ff., S. 44. Wenn sich dagegen der Zar in einem Vertrag vom (?)1. April 1710 mit dem gleichen Partner als "Arbitre des plus importantes affaires de la Chretiente" bezeichnete (Parry Bd. 26, S. 461), war dies schon ein Vorgriff auf künftige Gegebenheiten. 165 Janssen S. 35; mit etwas anderen Akzenten auch de Taube S. 105 und Scheuner S.230. 166 Daß die Schiedsgerichtsbarkeit auch in sehr wichtigen Angelegenheiten in Betracht gezogen wurde, ergibt sich aus Art. IV des Friedens von Münster, wo unter den Schlichtungsmiueln für die Controversia Lotharingica die Arbitri an erster Stelle . genannt werden (Dumont Bd. VI, TeilI, S. 451). 167 Grewe: Epochen S. 607.

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den Frieden von Nimwegen aufzunehmen 168 . Die eigene Handlungsfreiheit mußte demnach hinter der Anlehnung an einen einflußreichen Partner zurückstehen. Was die kleineren Mächte anbelangt, dürfte dieser Gesichtspunkt als Grund für den Rückgang der Schiedsgerichtsbarkeit ebenfalls eine Rolle gespielt haben, da die führenden Staaten in solchen Fällen offenbar nur selten auf dieses Institut zurückgriffen169 • 2. Schwachpunkte des schiedsgerichtlichen Verfahrens

Spielte demzufolge die Souveränität nicht, wie bisher angenommen, die entscheidende Rolle bei der Verdrängung der Schiedsgerichtsbarkeit aus der internationalen Praxis, muß nach anderen Gründen geforscht werden. Dabei gilt es zunächst, das schiedsrichterliche Verfahren selbst auf mögliche Schwachpunkte hin zu überprüfen. In erster Linie ist hier die notwendigerweise lange Verfahrensdauer zu nennen. Schon die Fristen für den Austausch der Schriftsätze addierten sich schnell zu einem Jahr und mehr170 , selbst wenn, wie im Komprorniß zwischen den Generalstaaten und dem Kurfürsten von Brandenburg 1665, die Möglichkeiten zur Prozeßverschleppung konsequent ausgemerzt worden waren. Bediente man sich dabei nicht der ständigen Residenten zur Übergabe der Dokumente - von dieser an sich naheliegenden Form machten 1666 der König von Dänemark und die Generalstaaten Gebrauch -, kam ein nicht unbeträchtlicher Aufwand hinzu: Nach der Schiedsabrede im pfälzischen Erbstreit mußten die Delegierten der Schiedsrichter und der Parteien mindestens dreimal für acht Tage nach Frankfurt am Main reisen; da das Urteil zwiespältig ausfiel, wurden die Akten nach Rom geschickt, wo die Prokuratoren und Advokaten der Parteien erneut mehrmals Vertrag vom 26. Januar/5. Februar 1679, § XXVIII (Parry Bd. 15, S. 14). Als ein Beispiel unter vielen sei eine Regelung des Pyrenäenfriedens von 1659 herausgegriffen: Zwar hatten sich in Art. III die Könige von Spanien und Frankreich bereit erklärt, Streitigkeiten zwischen den Verbündeten beider Lager als Schiedsrichter zu entscheiden, wenn diese sich ihrem Urteil unterwerfen würden. Dazu waren die Herzöge von Mantua und Savoyen in ihrer Auseinandersetzung um die Mitgift der verstorbenen Prinzessin Margarete von Savoyen aber wohl nicht bereit gewesen, obwohl schon mehrere Konferenzen in Italien und zuletzt auf der Fasaneninsel in Gegenwart der Bevollmächtigten beider Könige gescheitert waren. Daher vereinbarte man kurzfristig eine neue Zusammenkunft in Italien, wo innerhalb von 40 Tagen "avec l'intervention des Ministres des deux Seigneurs Roys" eine Lösung gesucht werden sollte; erst bei einem erneuten Mißerfolg wollten die Monarchen selbst als Vermittler eingreifen: "Leurs Majestez alors ayant la connoissance que leurs auront donnee leurs Ministres, des raisons de part & d'autre, & des expediens qui auront ete proposez, prendront celuy qui leur semblera juste & raisonable, pour moyenner l'accomodement de cette affaire a l'amiable; & en sorte que lesdits Sieurs Ducs puissent & doivent demeurer avec satisfaction commune" (Art. XCV, Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 277). 170 Selbst bei dem 1677 zwischen dem Kaiser und dem König von Polen vereinbarten Verfahren, für das vergleichsweise sehr kurze Fristen von jeweils zwei Monaten vorgesehen waren, konnte ein Spruch frühestens acht Monate nach Übergabe der Klageschrift gefällt werden. 168

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gehört wurden l7l . Die Zeit von der Schiedsvereinbarung (30. Oktober 1697) bis zur päpstlichen Sententia Super-Arbitralis (17. Februar 1702) erscheint danach nicht mehr als ungewöhnlich lang. Verzichtete man dagegen unter Aufgabe der Sicherheit auf feste Termine, wie es 1729/30 im Verfahren zwischen den Königen von Preußen und Großbritannien der Fall war, wurde der Zeitgewinn - das Laudum erging nach sieben Monaten - dadurch aufgewogen, daß die Beteiligten ständig kurzfristig verfügbar sein mußten 172 • Diese Umständlichkeit war sicherlich mit ein Grund für das zweite negative Merkmal, die relative Erfolglosigkeit der Verfahren. Lediglich in acht Fällen konnte eine endgültige Erledigung ermittelt werden173 • Diese nicht gerade positive Bilanz wird jedoch erheblich dadurch verbessert, daß nicht selten durch den zusätzlichen Druck, den die (drohende) Schiedsabrede ausübte, doch noch eine Übereinstimmung in den meist weitergeführten Verhandlungen erzielt wurde 174 • Auf diese Weise schaffte man letztendlich auch die Hoefysersche Schuldsache aus der Welt, nachdem mehrere Urteile des 1665 gewählten Rats von Mecheln von der einen oder der anderen Partei nicht anerkannt worden waren 175 : In ihrem Allianzvertrag vom 26. Februar / 8. März 1678 bereinigten die Generalstaaten und der Kurfürst von Brandenburg ihr Verhältnis, was sie mit der im Krieg gewachsenen Einsicht in die Wichtigkeit einer festen und beständigen Freundschaft begründeten 176 •

Dies ergibt sich aus dem Spruch des Papstes, Dumont Bd. VIII, Teil I, S. 98. Das Argument des Zeitverlustes war ausschlaggebend für den Verzicht auf die Wahl des Königs von Polen als Schiedsrichter, Schilling S. 82. 173 Dabei handelt es sich um folgende Schiedssprüche: 1.) 29. Juni 1650: Reichsstände zwischen Kaiser und Frankreich; 2.) 31. Juli 1654: Paritätische Kommission zwischen England und den Generalstaaten; 3.) 30. August 1654: Weitere paritätische Kommission zwischen den gleichen Parteien; 4.) 18. Januar 1673: König von Frankreich zwischen Herzog von Savoyen und Republik Genua; 5.) 17. Februar 1702: Papst zwischen Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz und Herzogin Elisabeth von Orleans; 6.) 21. Juni 1712: Königin von Großbritannien und König von Frankreich zwischen König von Sizilien und Fürst von Monaco; 8.) 8. April 1730: Herzöge von Sachsen-Gotha und Braunschweig - Lüneburg zwischen den Königen von Preußen und Großbritannien. Weitere, nicht in den Vertragssammlungen abgedruckte Urteile sind möglich. 174 Um nur einige Beispiele zu nennen: Am 14. Juni 1662 ersetzte ein Vergleich zwischen den Generalstaaten und dem Großmeister des Deutschen Ordens, Erzherzog Leopold von Österreich, die Schiedsabrede über die Souveränität des Dorfes und der Herrlichkeit Gemert, Parry Bd. 7, S. 181 ff.; der Vergleich zwischen Schweden und Brandenburg vom 25. Juni 1694 erledigte durch Verzicht des Kurfürsten die Schiedsabrede von 1692/93 (v. Moerner S. 594 f.); am 26. September 1661 kam es zwischen Spanien und den Generalstaaten zu einem Teilungsvertrag, obwohl die Chambre My-partie weiterexistierte; die im Friedensvertrag vom 20. September 1697 zwischen den Königen von Frankreich und Spanien als Schiedsrichter eingesetzten Generalstaaten brauchten nicht einzugreifen, da sich die vorgeschaltete Kommission am 3. Dezember 1699 einigte (Parry Bd. 22, S. 395 ff.). 175 v. Moerner S. 268. 176 Separatartikel Parry Bd. 14, S. 308 ff. 171

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Der Streit um die genannte Geldschuld darf aber auch als Beispiel für einen weiteren Nachteil angeführt werden, der nicht dem Institut als solchem angelastet werden kann. In der Hoffnung jeder Seite auf eine ihr möglichst vorteilhafte Verhandlungslösung - soweit ersichtlich, wurde eine gewaltsame Auseinandersetzung wegen dieser Frage nie ernsthaft in Erwägung gezogen - war der Komprorniß immer wieder hinausgezögert worden l77 • Inzwischen war die Forderung im Jahre 1661, als die Verhandlungen begannen, von ursprünglich 248000 fl (1617) auf 2860000 fl angestiegen. Bei der dann viel zu spät und in einer völlig verfahrenen Situation abgeschlossenen Schiedsvereinbarung war ein Mißerfolg vorprogrammiert, der sich jedoch wiederum negativ auf die Bereitschaft auswirken mußte, Kompromisse überhaupt abzuschließen. Schließlich darf auch nicht verschwiegen werden, daß die angerufenen Schiedsrichter oft ohne große Begeisterung an die Sache herangingen. Ludwig XIV. wälzte im Schiedsspruch von 1673 den unangenehmen Teil der Aufgabe auf italienische Schiedsrichter ab, und der schon geschilderte Versuch der Arbitri im Streit der Könige von Großbritannien und Preußen, sich der übernommenen Verpflichtungen zu entziehen, war ebenfalls keine Werbung für das schiedsrichterliche Verfahren. Zusammenfassend läßt sich überspitzt sagen: Für hochpolitische Angelegenheiten schien die Schiedsgerichtsbarkeit nicht geeignet und für weniger bedeutende zu aufwendig und zu wenig erfolgversprechend zu sein. 3. Veränderungen im Umfeld der Schiedsgerichtsbarkeit

Gingen somit von dem Institut selbst wenig Anreize aus, kam hinzu, daß sich auf den Gebieten, in denen die Schiedsgerichtsbarkeit herkömmlicherweise zur Anwendung kam, tiefgreifende Veränderungen vollzogen. Ohne dazu erschöpfend Stellung nehmen zu können, lassen sich doch einige Tendenzen aufzeigen, die sich auf die Dauer gesehen für das schiedsrichterliche Verfahren als wenig förderlich erweisen mußten. In den Friedensverträgen von Münster bis Utrecht wurden abgetretene Gebiete als solche bezeichnet und mit allen hinzugehörenden und abhängigen Ländereien übertragen l78 • Entstand nun Streit über die Grenzen oder ein bestehendes Abhängigkeitsverhältnis, konnte dieser mittels der üblichen Schlichtungsmethoden, d. h. auch durch ein Schiedsgericht beigelegt werden, 177 Die Provinz Holland, der eigentliche Gläubiger, hatte ihr nach langer Weigerung endlich erklärtes Einverständnis mit dem Schiedsverfahren an die Bedingung geknüpft, das Pariser Parlament als Schiedsricht~r zu berufen, angeblich um die Angelegenheit noch einmal durch eine notwendige Ubersetzung aller Akten zu verschleppen, wie Heinrich Peter (Hrsg.): Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Bd. 3: Auswärtige Akten Niederlande. Berlin 1866. S. 145 unter Berufung auf d'Estrades berichtet. 178 Grewe: Epochen S. 379.

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wie es 1692 bis 1694 wegen der Dependenzen von Gollnow versucht wurde. Auch die 82 auf einer Liste zusammengestellten Städte, Orte, Burgen und Dörfer, über deren Zugehörigkeit laut Art. 10 des Friedens vom 20. September 1697 zwischen Spanien und Frankreich179 eine Kommission und gegebenenfalls die Generalstaaten entscheiden sollten, beanspruchte Ludwig XIV. als abhängige Gebiete der in den Friedensverträgen von Aachen und Nimwegen abgetretenen Städte. Zusätzlich sollten die Kommission bzw. die Generalstaaten hier aber einen Austausch der Orte und Dörfer bewerkstelligen, die als Enklaven in dem Herrschaftsgebiet des einen oder des anderen Königs lagen. Gefragt war demnach nicht nur eine Entscheidung über die Rechtslage, sondern auch eine auf Billigkeitserwägungen beruhende Neuverteilung bestimmter Gebiete für die Zukunft. Durch eine internationale "Flurbereinigung" sollten zusammenhängende Herrschaftsgebiete entstehen, wie es schon 1659 zwischen beiden Mächten für die Berge der Pyrenäen vereinbart worden war180 • Diesem Ziel dienten auch die Gebietsaustausch- und Grenzregulierungsverträge, welche die französischen Könige im 18. Jahrhundert, allerdings ohne Schiedsabreden, mit den meisten Nachbarn schlossen 181 • Entsprechend dem technischen Fortschritt in der Geodäsie wurden die neuen Feldmesser immer stärker in die Grenzkommissionen der eben genann-ten Abkommen eingeschaltet, während gleichzeitig diese Gremien immer mehr auf Vorbereitungs- und Ausführungsfunktionen beschränkt wurden. Denn nun standen den Bevollmächtigten, wie eine dem Vertrag zwischen dem Kaiser und den Generalstaaten von 1718 beigefügte und von den Unterhändlern unterzeichnete und gesiegelte Karte belegt182 , die notwendigen Hilfsmittel zur Verfügung, um selbst die anstehenden Entscheidungen zu treffen. Die Grenzkommissare durften lediglich kleinere, auf der Unrichtigkeit der Karten beruhende Berichtigungen im Geist des Vertrages vornehmen und diese den Bevollmächtigten zur Gegenzeichnung vorlegen 183 • Manchmal gelang es aber trotz aller Vorbereitungen mit Hilfe der Feldmesser und nach Prüfung der alten und neuen Titel nicht, eine Sache aufzuklären. Dann jedoch entschlossen sich die Parteien, wie 1778 der König von Frankreich und der Fürstbischof von Lüttich und seine Kirche, in der Erkenntnis "de l'inutilite des tentatives qu'on feroit pour decider aujourd'hui une contestation, qui, faute de preuves Parry Bd. 21, S. 460 f. Nach Grewe: Epochen S. 379 wurden 1659 zum ersten Mal nicht nur die abgetretenen Gebiete, sondern auch die künftige "natürliche" Grenze bestimmt. 181 Aufzählung bei Grewe: Epochen S. 379. 182 Grewe: Epochen S. 380 vermutet hier eine erstmalige Einbeziehung einer kartographischen Skizzierung. 183 So jedenfalls ist es im Separatartikel des Friedensvertrages zwischen dem französischen König und dem König von Sardinien vom 24. März 1760 vorgesehen (Parry Bd. 41, S. 413 f.). 179

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suffisantes, n'a deja pu l'etre il y a plus de deux siec1es"l84, zu einem freundschaftlichen und gerechten Ausgleich statt zu einem Schiedsverfahren. Bei den Handelsstreitigkeiten und den sonstigen Geldforderungen war der vertragliche Ausgleich ebenfalls die wahrscheinlichere Alternative. Fast in allen Fällen, in denen es letztendlich zu einer Schiedsabrede kam, war zunächst ohne Erfolg eine pauschale Abgeltung der Ansprüche erwogen 185 oder, vor allem bei Darlehen an Fürsten, eine Aufrechnung mit bestrittenen Forderungen versucht worden 186 • An beide Tendenzen knüpften die Mächte im späten 17. Jahrhundert mit immer stärker zunehmenden generellen Lösungen an. Die Generalstaaten und Portugal, die noch 1648 und 1661 auf die Schiedsgerichtsbarkeit zurückgegriffen hatten 187 , einigten sich 1692 darauf, sämtliche die im Krieg weggenommenen Schiffe und Waren betreffenden Forderungen des portugiesischen Königs und seiner Untertanen durch die Zahlung einer festen Summe abzulösen l88 • 1685 schon hatten die Niederländer mit dem Kurfürsten von Brandenburg einen nach ihren Angaben alle beiderseitigen Differenzen regelnden Ausgleichsvertrag geschlossen 189 , der sicherlich seine Ursache nicht zuletzt darin hatte, daß der Komprorniß von 1665, der von der Konzeption her an Sicherheit kaum noch zu übertreffen war, den praktischen Test nicht bestanden hatte. Durch den gegenseitigen Generalverzicht auf sämtliche möglichen Forderungen aus der Vergangenheit rundeten die Generalstaaten in den Friedensverträgen von Rijswijk und Utrecht ihre neue Politik ab l90 • 184 Vertrag vom 11. Juni 1778, Parry Bd. 47, S. 27 ff., Einleitung S. 29 f.; die Kommissare waren durch Art. 11 des Vertrages vom 24. Mai 1772 eingesetzt worden. 185 1648 verlangten die Niederländer vom portugiesischen König einen festen Schadensbetrag für die Westindische Kompanie und zusätzlich ein Schiedsverfahren für weitere Ansprüche, während der Botschafter des Monarchen nur die erwähnte Summe zahlen oder alles der Entscheidung von Schiedsrichtern unterwerfen wollte, Dumont Bd. VI, Teil I, S. 448; 1654 orientierten sich die aufgrund des Art. XXX des englischniederländischen Vertrages eingesetzten Schiedsrichter vermutlich an den beiden letzten Angeboten der Parteien: 700.000 fl. hatten die Engländer gefordert, 500.000 fl. die Gegenseite bei Verzicht auf eigene Ansprüche geboten (Court Minutes 1650 - 1654, Einleitung S. XXI). 186 Die brandenburgischen Gesandten hatten in den Verhandlungen vor dem Komprorniß von 1665 die Liquidation der Schuld durch eine Gegenrechnung für Kriegskontributionen zu erreichen versucht (Urkunden und Aktenstücke ... Bd. 3, S. 143), und der dänische König wollte mit seiner 1666 auf den Schiedsspruch des französischen Königs gesetzten Forderung für Aushebungen gegen Ansprüche von Amsterdam, Holland und Westfriesland aufrechnen (Parry Bd. 8, S. 489 f.). 187 Daneben riefen beide Mächte 1669 den britischen Botschafter im Haag, Sir William Temple, als Privatmann zum Schiedsrichter aus, Reibstein: Europäisches Öffentliches Recht S. 397. In dem bei Parry Bd. 11, S. 187 ff. abgedruckten Vertrag beider Mächte vom 30. Juli 1669 ist diese Abrede nicht enthalten. 188 Vertrag vom 22. Mai 1692, Art. 1 (Parry Bd. 20, S. 31). 189 Vertrag vom 23. August 1685, Parry Bd. 17, S. 305 ff., S. 318 f. Neue Unstimmigkeiten sollten, da man nicht alles in einem Vertrag regeln könne, durch frühzeitige Konsultationen beigelegt werden, S. 319 f.

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Teil 11: Schiedsgerichtsbarkeit und internationale Beziehungen

Weist die auffällig häufige Beteiligung die Niederländer als treibende Kraft der "Generalabrechnungen" aus, läßt sich am Verhältnis zwischen Frankreich und Großbritannien eine andere positiv zu wertende, aber schiedsfeindliche Entwicklung aufzeigen. Hatten vor allem die seit 1640 gegenseitig weggenommenen Schiffe den Anlaß zur Schiedsabrede von 1655 gegeben 191 , löste man dieses generelle Problem nun im Vertrag vom 24. Februar 1677, indem man dem Botschafter des anderen Monarchen ein Einspruchsrecht gegen Urteile der nationalen Gerichte zubilligte, wenn in einem Prisenfall zu Ungunsten seiner Untertanen entschieden wurde. Da der Einspruch zu einer Überprüfung des Urteils durch die höchste Instanz führte 192 , war damit stets indirekt die Möglichkeit eines diplomatischen Ausgleichs gegeben. Hundert Jahre später wurde dann klargestellt, daß die zuständigen Gerichtshöfe "seIon le droit des gens et les traites" zu entscheiden hätten 193 • Der Entschluß, die Prozesse im innerstaatlichen Rahmen ablaufen zu lassen, ist vor dem Hintergrund der wachsenden umfassenden Förderung der Handelsbeziehungen zu sehen. Zumindest in Friedenszeiten wurde die Stellung des Ausländers im staatlichen Gerichtsverfahren verbessert und durch internationale Verträge gesichert. Ebenso wurde in mehreren Abkommen für die Ausgabe von Markebriefen an Untertanen, die traditionellerweise auf den Fall der Rechtsverweigerung durch die Obrigkeit des Beklagten beschränkt waren, ein geordnetes Verfahren vorgesehen 194 • Zwar hatte sich der Gedanke, daß Untertanen nicht mehr für die Schulden ihres Staates haften sollten 195 , noch nicht durchgesetzt - nach Neufeld 196 war der französisch-niederländische Vertrag von 1662 mit einer derartigen Bestimmung seiner Zeit weit voraus-, aber in der Praxis gingen die Konfiskationen im Interesse des Handels trotz der weiterbestehenden Rechtsüberzeugung selbst während eines Krieges zurück 197 • Dies ist nicht zuletzt auf eine Milderung des Kriegsrechts vor allem durch die sogenannten "winding-up" Klauseln zurückzuführen, die den betroffenen Kaufleuten und Untertanen eine mit der Zeit immer länger 190 Vertrag vom 20. September 1697, Art. XI (Parry Bd. 21, S. 354 f.); Vertrag vom 11. April 1713, Art. XXIX (Parry Bd. 28, S. 55 f.). Die Verzichte dienten dazu, neue Streitigkeiten zu vermeiden. 191 Dies geht aus Art. XXIV des Vertrages vom 3. November 1655 hervor, Parry Bd. 4, S. 11. 192 Der englische König versprach, das Urteil durch neun Kommissare aus seinem Rat innerhalb von längstens vier Monaten überprüfen zu lassen, während der französische Herrscher eine Revision im gleichen Zeitraum "en son Conseil" versprach (Parry Bd. 14, S. 183 f., Art. XII). 193 Vertrag zwischen Frankreich und Großbritannien vom 3. September 1783, Art. XXI (Parry Bd. 48, S. 446). 194 Neufeld S. 106 ff., S. 108. 195 Die im Mittelalter noch übliche Haftung für Verbindlichkeiten der Landsleute war schon vor 1648 entfallen. 196 Neufeld S. 26. 197 Neufeld S. 53.

III. Politischer Stellenwert der Schiedsgerichtsbarkeit

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bemessene Frist (sechs Monate bis zwei Jahre) zur ungestörten Abwicklung ihrer Geschäfte nach Ausbruch eines Krieges zugestanden, bis ihnen 1786 im britisch-französischen und 1794 im Jay-Vertrag erlaubt wurde, im Land zu bleiben 198 • Die starke Zunahme der Handelsvereinbarungen, vor allem aber die Ausbildung einer eigenen, umfangreichen Vertragsform sind ungeachtet der Tatsache, daß viel Gewohnheitsrecht festgehalten wurde, ein wesentliches Kennzeichen für das Streben der Epoche nach Rechtssicherheit. Wie dringend das Bedürfnis war, zeigt die englisch-niederländische Abrede vom 21.131. Juli 1667: Bis zur Ausarbeitung der laws of navigation wurde provisorisch ein Teil des niederländisch-französischen Handelsvertrages in Kraft gesetzt l99 • 1674 nahm man einen neuen Anlauf, diesmal "gesichert" durch die Abrede, nach dreimonatigen ergebnislosen Verhandlungen die spanische Regentin als Schiedsrichter um die Bestellung von elf Kommissaren zur Vertragserstellung zu bitten2OO • Als auch dieser Versuch nicht den gewünschten Erfolg brachte, griffen die Parteien ein Jahr später auf das Mittel des institutionellen Schiedsvertrages für die Streitigkeiten der Handelskompanien zurück und erneuerten ihn in der Folgezeit mehrmals 201 • Da eine materielle Regelung offenbar nicht zu erreichen war, begnügte man sich mit der Vereinbarung eines Verfahrens: ein interessanter Aspekt der Funktion der Schiedsgerichtsbarkeit. Andererseits fällt auf, daß den Schiedsverfahren in den Handelsverträgen selbst kein Platz eingeräumt wurde. Waren nämlich Einzelheiten verbindlich festgelegt, glaubte man beiderseitige Verstöße gegen Schiffahrts- und Handelsabkommen durch eine "einfache" Kommission, wie sie beispielsweise im schwedisch-niederländischen Allianzvertrag vom 12.1.22. Februar 1697 vorgesehen wurde202 , ahnden und ausgleichen zu können. Für die andere dem genannten Gremium zugewiesene Aufgabe, Maßnahmen zur Förderung der gegenseitigen Freundschaft und zum Wohl der Bürger beim Handel zu ergreifen, waren Verhandlungskommissionen ohnehin besser geeignet. 4. Schiedsgerichtsbarkeit als Opfer der Intemationalisierung

Insgesamt ergibt der Überblick über das Umfeld der Schiedsgerichtsbarkeit, daß sie weder einer von Souveränitätsvorstellungen getragenen und unmittelbar gegen schiedsrichterliche Entscheidungen gerichteten Politik zum Opfer gefallen ist, noch eine zwangsläufige Entwicklung zu ihrem Verschwinden aus Zu dieser speziellen Schutzregelung siehe Neufeld S. 130 ff. Parry Bd. 10, S. 258 ff. (Art. III). 200 Vertrag vom 9./19. Februar 1674, Art. VIII und IX (Parry Bd. 13, S. 129 f.). 201 Vertrag vom 8.118. März 1675 (Parry Bd. 13, S. 355 ff.), erneuert 1685, 1689, 1716 und 1728. 202 Parry Bd. 22, S. 111 ff., S. 114 (Art. 11). 198 199

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Teil 11: Schiedsgerichtsbarkeit und internationale Beziehungen

der Praxis führte. Vielmehr wurde sie aufgrund der veränderten Umstände langsam verdrängt und in aller Regel durch ebenfalls friedliche Mittel ersetzt. Dies nur einer verbesserten und ausgeweiteten Diplomatie oder dem häufiger auftretenden Vermittler zuzuschreiben, würde einen Teilaspekt der großen Zeitströmung zu sehr hervorheben. Denn die erhöhte Bedeutung beider Institute ist ihrerseits ein Indiz für das immer stärkere Zusammenwachsen der Mächte zu einer Staatengemeinschaft, in der es isolierte bilaterale Beziehungen, wie sie bis dahin den Nährboden für Schiedsabreden gebildet hatten, kaum mehr gab. Die Schiedsgerichtsbarkeit wird nicht zufällig in den gleichen Jahren aufgegeben, als man zum ersten Mal den Gedanken verwirklichte, auf einem gemeinsamen Kongreß die politische Gewichtslage auszupendeln203 ; ihr Verschwinden fällt mit dem beginnenden "Zeitalter der Konvenienz, des rechnerischen Aushandelns der Interessen durch die Kabinette"204 zusammen. Bündnisse waren nicht mehr auf ewig angelegt, Parteiwechsel und Umsturz der Allianzen waren an der Tagesordnung. Insofern ist der durch den Abtransport des Heus von einer Wiese an der Grenze zwischen Brandenburg und Hannover ausgelöste vorläufig letzte Schiedsfall von 1729 schon fast ein Anachronismus, weil er trotz der frühzeitigen Einschaltung des Kaisers, Polens, Frankreichs, Schwedens und der Niederlande durch die starre Haltung Friedrich Wilhelms I. von Preußen zustande kam. Die "Praxis des Gleichgewichts", wie Wagner 205 die Zeit von 1721 bis 1748 charakterisiert, führte zu einer so starken Einmischung der Mächte in alle internationalen Angelegenheiten, daß Großbritannien und Spanien 1750 in der Präambel ihres Handelsvertrages als gemeinsamen Entschluß hervorheben, "to make the present particular treaty between themselves, without the intervention or participation of any third power"206. In diesem Klima sind die Gründe für die Verdrängung der Schiedsgerichtsbarkeit aus der Praxis letztlich zu suchen. IV. Schiedsgerichtsbarkeit und Völkerrechtssubjektivität

Die Untersuchung der Schiedsgerichtsbarkeit im 17. und 18. Jahrhundert vermag jedoch nicht nur Aufschlüsse über die Streitbeilegung und damit den Geist des modernen Völkerrechts zu vermitteln, sondern dient ebenso, da die Schiedsparteien auch als Völkerrechtssubjekte angesehen werden müssen, der Erforschung der Struktur dieser Rechtsordnung207 . Indem die Schiedsver203 So die Formulierung von Fritz Wagner: Europa im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung. Die Einheit der Epoche. In: Schieder, Theodor (Hrsg.): Handbuch der europäischen Geschichte Bd. 4. Stuttgart 1968. S. 1 - 163, hier: S. 40. 204 Wagner S. 54. 205 Wagner S. 40. 206 Vertrag vom 5. Oktober 1750, englische Fassung bei Parry Bd. 39, S. 81 ff., Zitat S.81. 207 Über beide Aspekte erhofft sich Janssen S. 32 von Untersuchungen zur Schiedsgerichtsbarkeit Aufschluß.

IV. Schiedsgerichtsbarkeit und Völkerrechtssubjektivität

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fahren die am Rechtsverkehr Beteiligten deutlich machen, verschaffen sie dem Betrachter den Vorteil eines anhand der Praxis gewonnenen festen Anhaltspunkts in der komplexen und äußerst umstrittenen Problematik des Beginns der modemen Staatengemeinschaft und eines zwischenstaatlichen Völkerrechts. In dieser Diskussion spielen zwei neue Begriffe des 16. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle, die zu Anfang der mit unterschiedlicher Geschwindigkeit verlaufenden inneren Verstaatlichung der Gemeinwesen auftauchen: die Souveränitätslehre Bodins208 und die Entwicklung des jus gentium zu einem jus inter gentes209 . Wie und wann sich diese theoretischen Erkenntnisse in der internationalen Praxis ausgewirkt haben, ist noch nicht hinreichend geklärt. Sicherlich war mit der Souveränität "ein juristisch brauchbares Prinzip formuliert, an dem die Mitgliedschaft zur Völkerrechtsgemeinschaft abgelesen werden konnte". Aber auch Engel, von dem dieses Zitat stammt21O , weist darüber hinaus den internationalen Verträgen und insbesondere den großen Friedensschlüssen in der Mitte des 17. Jahrhunderts die Funktion zu, die Völkerrechtssubjekte in Zweifelsfällen kenntlich zu machen211 • Ebenso ist offensichtlich, daß die Ablösung des jus gentium durch ein jus inter gentes mit der fortschreitenden Verstaatlichung zusammenfällt. Darf aber allein schon deswegen von diesem Zeitpunkt an das Völkerrecht als zwischenstaatliches Recht bezeichnet werden? Wer diese Ansicht vertritt, steht vor der Notwendigkeit, die personenbezogene Terminologie der Verträge erklären zu müssen. Verdross hilft sich mit der Feststellung, daß das ehemalige Völkerrecht "eine Art Fürstenrecht" gewesen sei, weil "in dieser Periode nahezu alle Staaten absolute Monarchien waren und sich die ganze Fülle der Staatsgewalt im Monarchen konzentrierte"212. Noch schärfer formuliert Grewe, der im französischen König den "Prototyp der Erstgestalt moderner Staatlichkeit" erkennt213 • Für ihn tritt ab der Mitte des 17. Jahrhunderts "der im Monarchen personifizierte Staat als ausschließliches Subjekt völkerrechtlicher Beziehungen" auf2 14 , weshalb er auch schon von diesem Zeitpunkt an von geschlossenen Territorialstaaten als Subjekten der Völkerrechtsgemeinschaft ausgehen kann215 . Daß diese Deutung einige der wichtigsten Schiedsabreden nicht zu erklären vermag, wurde 208 Dazu Quaritsch, Helmut: Bodins Souveränität und das Völkerrecht. In: Archiv des Völkerrechts Bd. 17 (1977/78), S. 257 - 273, woraus im übrigen hervorgeht, daß auch Bodin vertragliche Schiedsklauseln empfohlen hat (S. 264, Anm. 29). 209 Ausführlich Grewe: Epochen S. 45 ff. u. 108 ff.; Dickmann: Völkerrecht S. 140 ff. 210 Engel, Handbuch S. 364. 211 Engel, Handbuch S. 369. 212 Verdross: Entwicklung S. 675. 213 Grewe: Epochen S. 205. 214 Grewe: Epochen S. 204. 215 Grewe: Epochen S. 369.

10 Lingens

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Teil 11: Schiedsgerichtsbarkeit und internationale Beziehungen

bereits bei der Behandlung der Parteifähigkeit ausgeführt. Grewes allein auf den absoluten Monarchen als das "dominante Element der Staats- und Rechtsentwicklung"216 ausgerichtete Betrachtungsweise ist zur Erfassung der Struktur der Völkerrechtsgemeinschaft nicht ausreichend 217 . Polen, Ungarn, Böhmen, die Schweiz, Schweden, England, die Niederlande, das Reich und Venedig, deren Staatsbildung durch ein Übergewicht des ständisch-genossenschaftlichen Prinzips gekennzeichnet ist, dürfen jedenfalls selbst dann nicht vernachlässigt werden, wenn sie, wie Grewe meint, dem kontinentalen Typus der absoluten Monarchie hoffnungslos unterlegen waren beziehungsweise sich nur aufgrund ihrer maritimen Machtmittel Geltung verschaffen konnten218 . Derartige Unterschiede hatten keinen Einfluß auf die Zugehörigkeit zur "Familie der Fürsten und Völker", als welche sich ihre Mitglieder verstanden219 , und deren vertragliche Beziehungen, wie die Formulierung "nach der Natur und Eigenschafften der contracten, welche zwischen Printzen und hohen Obrigkeiten aufgerichtet werden"220 zeigt, einem eigenen Rechtsbereich angehörten. Daß die Herrscher dabei in der Regel neben ihren Reichen als berechtigt angesehen wurden, ergibt sich beispielsweise aus dem 1661 geschlossenen Vertrag zwischen den Königen von England und Dänemark, in dem Vorsorge sowohl für die Streitigkeiten zwischen den Monarchen als auch den Regna getroffen wird221 . Diese Auffassung, die einen speziellen Aspekt der Entwicklung zum späteren rein zwischenstaatlichen Recht beleuchtet, liegt auch noch den beiden letzten Schiedsabreden von 1725 und 1729 zugrunde222 . Ob man daher in Zukunft den Begriff des "zwischenstaatlichen" Rechts, der wegen der zunehmenden inneren Verstaatlichung der Mitglieder der Familie der Fürsten und Völker in einer rückschauenden Systematisierung gerechtfertigt erscheint, angesichts des offenbar verzögerten Übergreifens dieses Prozesses auf die internationalen Beziehungen für die Frühe Neuzeit durch einen Terminus aus diesem Bereich ersetzt223 , wird zu diskutieren sein, wenn durch Grewe: Epochen S. 370. Gerade die nicht-absolutistischen Formen der Herrschaftsausübung im 17. und 18. Jahrhundert werden neuerdings weitaus positiver beurteilt, so von Günter Barudio: Das Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung 1648 - 1779. Fischer Weltgeschichte Bd. 25. Frankfurt am Main 1981. S. 13 ff. 218 Grewe: Epochen S. 370 f. 219 Dazu Engel, Handbuch S. 375. 220 Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 86 r.Sp. 221 Parry Bd. 6, S. 239 (Art. XI). Ziel war eine amicabilis transactio, kein Schiedsgericht. 222 Der kaiserlich-spanische Vertrag vom 1725 betraf Streitigkeiten zwischen dem Herzog von Parma und kaiserlichen Provinzen (Parry Bd. 32, S. 54, Art. XI), 1729 ging es um Auseinandersetzungen des englischen und des preußischen Königs, vgl. oben Teil I: A III 3 c) bb. 223 "Recht der Fürsten und Völker" böte sich hier an, wobei die zeitlichen Grenzen noch zu klären wären. 216 217

IV. Schiedsgerichtsbarkeit und Völkerrechtssubj ektivität

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weitere Studien zu dieser Problematik224 eine breitere Grundlage für die Beurteilung geschaffen ist. Bereits jetzt kann jedoch festgestellt werden, daß die Erklärung des im Monarchen personifizierten Staates zum ausschließlichen Völkerrechtssubjekt für das 17. und den Beginn des 18. Jahrhunderts verfehlt ist.

224 Je nach Blickwinkel wird das Auftreten kleinerer Einheiten auf der internationalen Bühne ganz unterschiedlich gewertet: Während Stephan Verosta: Die Geschichte des Völkerrechts. In: Verdross, Alfred: Völkerrecht. Wien 51964. S. 31 - 94, S. 65 im Waffenstillstand zwischen Spanien und den Vereinigten Niederlanden von 1609 bereits den Beginn des völkerrechtlichen Instituts der Anerkennung von Aufständischen als Kriegsführende Partei sieht, weist Engel darauf hin, daß die katalanischen Aufständischen (1640 -1652) und die Fronde in Frankreich (1648 - 1652) "noch ganz selbstverständlich Außenbeziehungen hatten" (Handbuch S. 368). Grewe stützt seine - hier abgelehnte - These mit dem Argument, die widerspenstige Hugenottenstadt La Rochelle habe noch 1628 einen separaten Bündnisvertrag mit England schließen können, ohne damit ihre Zugehörigkeit zum französischen Staat in Frage zu stellen; 1648 habe man allerdings das Bündnisrecht der Reichsstände schon als Vereitelung der staatlichen Einheit des Reiches empfunden (Epochen: S. 204 f.). Aber noch 1704 kommt die relative Selbständigkeit Danzigs darin zum Ausdruck, daß die Stadt - vergeblich - die preußische Regierung bat, in bezug auf die schwedischen Forderungen die Rolle eines Schiedsrichters zu übernehmen (Loewe, Victor: Preußens Staatsverträge aus der Regierungszeit König Friedrichs I. Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven Bd. 92. Leipzig 1923. S. 53).

10"

TEIL III

Das Zeitalter des Absolutismus in der Geschichte der Schiedsgerichtsbarkeit Angesichts der überwiegend durch die Zeiten reicher Schiedsgerichtsbarkeit im Mittelalter und im 19./20. Jahrhundert geprägten Urteile über die Entwicklung des Instituts kommt einer Untersuchung zur schiedsrichterlichen Streiterledigung im Zeitalter des Absolutismus nicht zuletzt die Aufgabe zu, diese Ansichten mit den gewonnenen Ergebnissen zu vergleichen. Die vorstehenden Ausführungen lassen es angezeigt erscheinen, vor allem die dem Problemkreis KontinuitätlDiskontinuität zugehörigen Fragen noch einmal zu überdenken. Da der Jay-Vertrag vom 19. November 17941 weithin als Neuanfang nach einem völligen Bruch.der Entwicklungslinie verstanden wird, sollen die Verbindungen der frühneuzeitlichen zur "modernen"2 Schiedsgerichtsbarkeit vor ihrem Verhältnis zur spätmittelalterlichen Praxis erörtert werden. I. Die Wurzeln der "modemen" Schiedsgerichtsbarkeit 1. Die Zeit von 1730 bis 1794

Hier ist zunächst festzuhalten, daß eine zeitliche Lücke zwar existiert, aber nicht so groß ist, wie bisher angenommen wurde. Lediglich für gut sechzig Jahre in den letzten beiden Dritteln des 18. Jahrhunderts lassen sich keine eindeutig als Schiedsabreden zu klassifizierenden Vereinbarungen nachweisen3 • Parry Bd. 52, S. 243 ff. Dieser Begriff wurde bisher für die Schiedsgerichtsbarkeit ab 1794 gebraucht. 3 Zweifelhaft ist beispielsweise die Einordnung des Art. XIII des Definitivfriedens zwischen Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden vom 18. Oktober 1748, nach dem die mit der Verständigung über die Mittel der Restitution beauftragten Personen auch den "juste prix" für dem Herzog von Modena eventuell entgehende Erstattungen bestimmen sollten, wie auch das Äquivalent, falls dessen Lehen in Ungarn nicht zurückgegeben würden: Schiedsfunktion eines Kongresses? (Parry Bd. 38, S. 319 f., Art. XIII). Paritätisch besetzte Kommissionen wurden als Gericht unter anderem vereinbart in Art. XI des Vertrags zwischen Großbritannien und Rußland vom 11. Dezember 1742: Dispute zwischen Offizieren und Gemeinen der kombinierten Streitkräfte (Parry Bd. 37, S. 52) und im Friedensvertrag zwischen Preußen und Rußland vom 24. April/5. Mai 1762: künftige Streitigkeiten der Untertanen (Parry Bd. 42, S. 157). Arbitres und einen sur-arbitre wollten der König von Frankreich und der Kurfürst von Trier nach den Verträgen vom 29. Oktober 1773 und vom 1. Juli 1778 hinsichtlich 1

2

I. Wurzeln der "modernen" Schiedsgerichtsbarkeit

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Ob die Schiedsgerichtsbarkeit in den damaligen Verhandlungen eine Rolle gespielt hat - der Verlauf des Streits zwischen den Königen von Großbritannien und Preußen 1729/30 läßt dies vermuten -, müßte durch eine entsprechende Untersuchung geklärt werden. Daß bei den Friedensverhandlungen von Sistow 1791 zwischen der Türkei und Österreich ein Schiedsverfahren im Gespräch war, zu dem es aber aus Zeitgründen nicht kam4 , ist insofern kein sicheres Indiz, als darin auch ein Zeichen für das Wiederaufleben des Instituts am Ende des Jahrhunderts gesehen werden könnte. Denn der Jay-Vertrag von 1794 enthält zwar sehr wichtige, aber keinesfalls die ersten Schiedsabreden dieser Jahre: Bereits am 29. April 1792 schloß das revolutionäre Frankreich im Namen des Königs zwei Schiedsverträge mit den Fürsten von LöwensteinWertheim und Salm-Salm. Um die Höhe der Entschädigung für aufgehobene Feudalrechte zu bestimmen, sollte jede Partei einen der zwei Gutachter ernennen, die im Fall von Meinungsverschiedenheiten einen Dritten wählen durften5 . Da diese Methode der Streitbeilegung, wie der Vergleich mit der Schiedsklausel zwischen Pfalz-Bayern und dem Erzbischof von Salzburg vom 4. Februar 17816 zeigt, innerhalb des Reiches nie ganz aus der Übung gekommen war, ist die Unterwerfung der Reichsfürsten unter einen Schiedsspruch nicht verwunderlich, zumal für sie wohl nur auf diese Weise eine Abfindung zu erreichen war. Die Einwilligung des im Umbruch befindlichen Frankreich stärkt dagegen die bisher nur auf die Vereinigten Staaten bezogene Ansicht, daß die Impulse zur Wiederbelebung der Schiedsgerichtsbarkeit von den "Neulingen" auf der internationalen Bühne ausgingen7 • 2. Der Jay-Vertrag zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 19. November 1794

Sicherlich schmälert es nicht das Verdienst des amerikanischen Chief justice und Staatssekretärs John Jay um die Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit, wenn man die Frage aufwirft, weshalb sich 1794 der König von Großbritannien und ein Jahr später auch der spanische HerrscherS auf ein schiedsrichterder Rechte und Forderungen der Erben des verstorbenen Grafen von Linange-Heidesheim betreffend den Forst von Wintershauch ernennen (Parry Bd. 42, S. 272: Art. 11 und Bd. 47, S. 36 f.: Art. 11); im Grenzvertrag zwischen Frankreich und dem Grafen von Leyen vom 22. September 1781 wurde die "arbitrage" als eines der Erledigungsmittel für eventuell noch bestehende Differenzen "entre les Communautes-Frontalines des deux Dominations" aufgeführt (Parry Bd. 48, S. 18, Art. XXVI). In allen Fällen waren die Vertragschließenden aber nicht unmittelbar betroffen. 4 Dies geht aus einem Schreiben Herbert von Esterhazys an Kaunitz vom 27. Juli 1791 (Wien StK FA 74) hervor, auf das mich Herr Prof. Duchhardt dankenswerterweise hingewiesen hat. Der Friede wurde am 4. August 1791 ohne Schiedsabrede geschlossen. 5 Parry Bd. 51, S. 325 ff. und 329 ff. 6 Parry Bd. 47, S. 415 ff., S. 426 f. (Art. 14). 7 Vgl. etwa Lammasch S. 30.

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Teil 111: Absolutismus und Geschichte der Schiedsgerichtsbarkeit

liches Verfahren mit den Vereinigten Staaten einließen. Denn bei einer Unvereinbarkeit von Schiedsgerichtsbarkeit und Souveränität hätten beide Mächte ohne äußeren Zwang zumindest eine deutliche Einbuße ihres Ansehens in Kauf genommen. Welchen Spielraum die Souveränitätsvorstellungen indes einem Herrscher in einer schwierigen Situation tatsächlich ließen, hatte eben erst der neue Kaiser Leopold 11. durch eine unter anderem von Großbritannien garantierte9 innerstaatliche Schiedsabrede im Rahmen der Bewältigung des Aufstandes in den österreichischen Niederlanden bewiesen: Im Vertrag vom 10. Dezember 1790 war vereinbart worden, bei Streitigkeiten zwischen dem Landesherrn und den Provinzialständen über die Auslegung einer Provinzverfassung, falls durch Kommissare beider Seiten keine Einigung zu erreichen war, die bindende Entscheidung unparteiischer Personen (arbitres) herbeizuführen, die, zu diesem Zweck aller entgegenstehenden Eide entbunden, von den Parteien in gleicher Anzahl ernannt werden sollten lO • War aber eine so starke Einschränkung der inneren Souveränität möglich, können die Bedenken gegen ein bilateral gebildetes Schiedsgericht nicht sehr groß gewesen sein. Damit ergibt sich allein schon aus der Exi.stenz des Jay-Vertrages ein zusätzliches Argument für die hier vertretene Auffassung, daß die Verdrängung der Schiedsgerichtsbarkeit lediglich eine Folge des Zusammenrückens der Mächte gewesen und das Institut nicht einer bewußt gesteuerten Politik zum Opfer gefallen ist. Diese Ansicht läßt sich durch die Betrachtung der einzelnen Schiedsabreden des Abkommens von 1794 noch weiter untermauern. a) Art. 5 des Jay-Vertrages

Im Friedensvertrag von 1783 war der Fluß St. Croix als Teil der Grenze zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten bestimmt worden ll . Als sich nachträglich herausstellte, daß die Parteien jeweils einen anderen Wasserlauf mit diesem Namen verbanden, schlugen die Amerikaner schließlich ein Schiedsgericht vor, wie es in Art. 5 des Vertrages von 1794 dann vereinbart wurde: Der König von Großbritannien und der Präsident der Vereinigten Staaten ernannten je einen Commissioner, während der dritte Beauftragte entweder durch eine Übereinkunft der unmittelbar Ernannten oder durch Los aus ihren Vorschlägen erwählt werden sollte 12 • Diese Konstituierung eines von vorneherein und nicht erst für den Fall der Stimmengleichheit mit einer ungeStuyt Nr. 4, S. 6. Die beiden anderen Garanten waren der König von Preußen und die Generalstaaten. . 10 Parry Bd. 51, S. 78 (Art. III, Nr. 13). 11 Vertrag vom 3. Dezember 1783, Parry Bd. 48, S. 487 ff. 12 Parry Bd. 52, S. 249. Bei Lammasch S. 30 wird nicht ganz klar, ob sich die von ihm für den teilweisen Mißerfolg verantwortlich gemachte "mangelhafte Zusammensetzung" auf den gewählten Modus oder die ausgewählten Personen bezieht. 8

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I. Wurzeln der "modemen" Schiedsgerichtsbarkeit

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raden Anzahl von Mitgliedern besetzten Gremiums war neu; alle anderen Bestimmungen wie Eidesleistung, Publikation des Ergebnisses durch die Kommissare "under their hands and seals"13, Hilfspersonal, Agenten der Parteien und Endgültigkeit der Entscheidung gehörten dagegen schon in der Praxis des 17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts als teilweise selbstverständlich zum festen Bestand der Schiedsverfahren. In der einzigen Neuerung aber bereits einen grundlegenden Wandel der Schiedsgerichte im Sinne einer Verrechtlichung zu sehen 14 , verbietet sich schon allein deswegen, weil die gleichen Vertragspartner 1814 in vier ebenfalls die Grenze betreffenden Schiedsabreden zu der paritätischen Zweierkommission zurückkehrten 15 • Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts gewann, wie die Übersicht von Stuyt ergibt, die Schiedskommission mit einer ungeraden Anzahl von Mitgliedern gegenüber den verschiedenen herkömmlichen Schiedsformen allmählich an Boden16 • Daß man sich dabei nicht an der 1794 von Großbritannien und den Vereinigten Staaten gewählten Lösung orientierte, sondern den dritten bzw. fünften Kommissar unter fremden Staatsangehörigen auswählte, deutet auf verzweigtere Wurzeln der Schiedsgerichtsbarkeit hin. b) Art. 6 des Vertrages 17 Auch die zweite im Jay-Vertrag vorgesehene Schiedskommission geht auf eine Regelung im vorausgegangenen Friedensvertrag von 1783 zurück. Dort war die Gültigkeit von Vorkriegsforderungen britischer Kaufleute gegen ame13

Zum Vergleich hierzu die Formeln "sub Chirographis suis" und "sub Chirographo

& Sigillo suo" im Vertrag zwischen Cromwell und dem portugiesischen König vom

10./20. Juli 1654 (Parry Bd. 3, S. 295). 14 Ohne ihr Urteil näher zu begründen, gehen schon La PradellelPolitis S. XXX und Stuyt S. VII von diesem angeblichen Einstellungswechsel aus, worin ihnen Schlochauer folgt: Erst seit dem Jay-Vertrag seien die "Entscheidungen von Staatenstreitigkeiten unparteiischen und nach objektiven Normen urteilenden Instanzen unterbreitet" worden (Int. SG S. 180 und Entwicklung S. 8); seine Folgerungen sind von Karl-Heinz Ziegler: Die römischen Grundlagen des europäischen Völkerrechts. In: Jus Commune Bd. IV (1972), S. 1 - 27, S. 15 Anm. 84 zu Recht als verfehlt und historisch nicht fundiert zurückgewiesen worden. 15 Stuyt Nr. 11- 14 (S. 13 - 16), Vertrag vom 24. Dezember 1814 Art. 4 -7. 16 Wenn nicht ein Einzelschiedsrichter oder eine Regierung gewählt wurden (z.B. Nr. 24, 27,31,32,38,41,44,48,50), zog man anfangs bei den Kommissionen der ungeraden Zahl Beauftragter (Nr. 18,20,39,40,46 usw.) die paritätisch besetzten Gremien vor (unter anderem Nr. 10, 11 - 14, 23, 25, 26, 28, 29, 34, 35, 42) und griff auch wieder auf den nur bei Dissens zuzuziehenden Umpire zurück (Nr. 36,43,47,49 usw.). Der wichtigste und bekannteste Schiedsfall des 19. Jahrhunderts, die sog. "Alabama Claims", wurde allerdings von einem Fünfertribunal entschieden, in dem - eine wichtige Neuerung - nur zwei Staatsangehörige der Vertragspartner Großbritannien und USA drei fremden Schiedsrichtern aus Italien, der Schweiz und Brasilien gegenübersaßen; der britische Arbitrator unterzeichnete den gegen sein Land ausgefallenen Schiedsspruch nicht (Stuyt Nr. 94, S. 93 f.). 17 Parry Bd. 52, S. 249 ff.

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Teil III: Absolutismus und Geschichte der Schiedsgerichtsbarkeit

rikanische Schuldner grundsätzlich anerkannt und deren Durchsetzung mit der Versicherung an die ordentlichen Gerichte verwiesen worden, sie würden auf kein "lawful impediment" stoßen l8 . Dies bezog sich auf gesetzliche Zahlungsverbote der Einzelstaaten, die nachträglich auch durch die amerikanische Verfassung von 1787 beseitigt wurden. Da aber trotzdem die Gerichte einiger Staaten unter Mißachtung des Vertrages diese Gesetzgebung weiterhin anwendeten, vereinbarten die Vertragspartner in Art. 6 in einem zweiten Anlauf zur Lösung des Konflikts ein Schiedsverfahren. Was die internationale Rechtsentwicklung in ihrer Gesamtheit betrifft, erweist sich das stets so positiv hervorgehobene Abkommen von 1794 mithin zumindest teilweise als ein Rückschritt: Weil der zunächst vereinbarte und mittlerweile allgemein übliche innerstaatliche Rechtsschutz durch die Gerichte versagt wurde, mußte wie früher auf die Schiedsgerichtsbarkeit zurückgegriffen werden, die - Vergleiche mit dem 17. Jahrhundert drängen sich geradezu auf - ebenfalls nicht den gewünschten Erfolg brachte, so daß sich die Vereinigten Staaten schließlich zur Entrichtung einer pauschalen Summe bereit erklärten l9 . c) Art. 7 des Vertrages 20

Ähnlich verhält es sich bei der dritten Schiedskommission, die zur Entscheidung über die angeblich illegale Aufbringung und Beschlagnahme von Schiffen und Gütern amerikanischer Bürger durch die Engländer berufen wurde; auch hier wurde der Schutz durch die - diesmal britischen - Gerichte von der Gegenseite als unzureichend empfunden, auch hier nahm man, wie in dem dieselbe Materie betreffenden Art. 21 des spanisch-amerikanischen Vertrages vom 27. Oktober 179521 , Zuflucht zur Schiedsgerichtsbarkeit, in beiden Fällen erfolgreich22 . Bewußt oder unbewußt wurde damit ein Mittel zur Beilegung von Streitigkeiten reaktiviert, das im englisch-französischen Verhältnis durch ein Verfahren vor den nach Völkerrecht und Verträgen urteilenden staatlichen Gerichten abgelöst worden war23 • Wie weit das erwähnte Mißtrauen gegenüber der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit gerechtfertigt war, kann an dieser Stelle nicht untersucht werden; grundsätzlich jedenfalls standen die aufeinander eingespielten Mächte hinsichtlich der Achtung vor dem Recht nicht hinter den Vereinigten Staaten zurück24 . 18 Ausführlich dazu Neufeld S. 68 ff., der auch den erfolglosen Verlauf der Tätigkeit der Kommission beschreibt. 19 Übereinkunft vom 8. Januar 1802: Die Vereinigten Staaten zahlten Großbritannien zugunsten der britischen Gläubiger 600.000 Pfund, Art. 6 wurde annuliert (Neufeld S. 77). 20 Parry Bd. 52, S. 252 f. 21 Stuyt Nr. 4, S. 6. 22 Stuyt S. 3 ff. verzeichnet im englisch-amerikanischen Verhältnis 536 Sprüche, im spanisch-amerikanischen 40. 23 Siehe oben Teil 11: III 3 zu den Verträgen von 1655, 1677 und 1783.

I. Wurzeln der "modernen" Schiedsgerichtsbarkeit

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3. Der entwicklungsgeschichtliche Zusammenhang

Im wesentlichen setzte man demnach 1794 dort an, wo man 1730 aufgehört hatte. Daß selbst bis zum Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18.10.1907 keine tiefgreifenden Veränderungen eingetreten sind, ergibt sich aus dem Vergleich der in Art. 37 des Vertrages25 niedergelegten Abgrenzung der Schiedsgerichtsbarkeit mit der Praxis des 17. und des ersten Drittels des 18. Jahrhunderts: Schon im Zeitalter des Absolutismus diente die internationale Schiedssprechung zur Erledigung von Streitigkeiten zwischen den "Staaten" - sprich: Fürsten und Völkern26 - durch Richter ihrer Wahl aufgrund der Achtung vor dem Recht. Der vor allem von Schlochauer vertretenen These, daß es zwischen dem mittelalterlichen Schieds"wesen" und der modernen Schieds"gerichtsbarkeit" keinen entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang gegeben habe 27 , muß deshalb entgegengetreten werden. Gerade die seiner Ansicht nach allen Instanzen internationaler Schiedsgerichtsbarkeit gemeinsamen vier Merkmale 28 , welche die oben wiedergegebene Definition konkretisieren und erläutern sollen, treffen nämlich weitestgehend bereits auf die hier untersuchte Periode in der Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit zu: (1) Ebenso wie nach 1794 erfolgte nach 1648 der Zusammentritt eines Schiedsrichtergremiums auch bei der Institutionalisierung jeweils nur für den Einzelfall, wobei die Zusammensetzung im gesamten Zeitraum vom Willen der Parteien beeinflußt war.

(2) In beiden Perioden beruht die grundsätzlich einer eigenen Beurteilungsbefugnis entzogene Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Entscheidung über verschiedenartige Streitigkeiten der beteiligten "Staaten" auf deren fakultativer oder obligatorischer Unterwerfung. (3) Das Kriterium der Rechtsfindung nach von den Parteien oder dem Gericht bestimmbaren Normen kann für die Frühe Neuzeit ebenfalls bejaht werden; jus29 , justitia und aequitas waren allerdings als Entscheidungsgrund24 Insofern verliert die Argumentation Wasers (Schiedsgericht S. 42), der in der Verbindung von unverbrauchtem religiösen Idealismus mit optimistischem Vernunftsglauben und weltanschaulicher Toleranz im demokratisch organisierten Nordamerika als der durch geschichtliche Gegebenheiten weniger gehemmten Neuen Welt den Grund für die Auslösung der modernen Schiedsgerichtsbewegung sieht, viel von ihrer Überzeugungskraft. Daß auch die Vereinigten Staaten kein konsequenter Verfechter des Schiedsgedankens waren, ergibt sich beispielsweise aus Art. 24 ihres Vertrages mit Marokko vom 28. Juni 1786 (Parry Bd. 50, S. 40), wo als Ziel bei Streitigkeiten ein "arrangement" angegeben ist und gleichzeitig die üblichen Schutzbestimmungen für einen Krieg vereinbart wurden. 2S Siehe oben Einleitung: I. 26 Ausführlicher oben Teil 11: IV. 27 Schlochauer: Entwicklung S. 1 ff.; ihm folgt Grewe: Epochen S. 130. 28 Schlochauer: Int. SG S. 177, 184 ff.

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Teil I1I: Absolutismus und Geschichte der Schiedsgerichtsbarkeit

lage selbstverständlich, während der Begriff "Völkerrecht" in diesem Zusammenhang erst allmählich klare Konturen gewinnt3o . (4) Schließlich lag auch schon 1648 die Ordnung des Verfahrens mit einer in erster Linie der Streiterledigung dienenden grunds.ätzlich endgültigen Entscheidung in der Hand der Streitteile oder andernfalls des Schiedsgerichts. Natürlich soll hier nicht behauptet werden, daß das Institut der Schiedsgerichtsbarkeit in der langen Zeit seit dem Westfälischen Frieden keine Veränderungen erfahren hätte. Einige, wie die Schwerpunktverlagerung von paritätisch besetzten Kommissionen 31 zu Gremien mit einer ungeraden Anzahl von Mitgliedern, wurden ja bereits genannt. Offensichtlich ist ein Fortschritt durch den Ständigen Schiedshof mit seiner Liste geeigneter Schiedsrichter erzielt worden, und auch die Zunahme erfolgreicher Schiedsverfahren vor allem nach dem Alabama-Fall 1871/72 darf nicht verschwiegen werden. Ebenfalls erst in die neueste Zeit fällt die zur Rechtsfortbildung unerläßliche Gewohnheit, die Schiedssprüche zu begründen; im 17. Jahrhundert war dies von Ausnahmefällen abgesehen noch nicht üblich 32 • Alle diese Wandlungen33 und Neuheiten34 lassen sich aber erstens nicht am Datum 1794 festmachen und stellen zweitens 29 Dem römisch-kanonischen als dem in ganz Europa gepflegten Recht kam wohl die Leitfunktion zu. 30 Soweit ersichtlich, taucht der Begriff in Rechtsprechungsangelegenheiten zuerst bei den Prisenfällen auf: Nach der englisch-französischen Abrede von 1783 sollte die Rechtsgültigkeit der Wegnahmen "seIon le droit des gens, et les traites" von den innerstaatlichen Gerichten beurteilt werden (Parry Bd. 48, S. 446, Art. XXI). Hier schließt sich der die gleiche Materie betreffende Art. 7 des Jay-Vertrages mit der Formulierung "according to the merits of the several Cases and to Justice Equity and the Laws of the Nations" an, während die in Art. 6 als Ersatz für das innerstaatliche Gerichtsverfahren vorgesehenen Kommissare sich lediglich zur Entscheidung "according to Justice and Equity" verpflichten mußten und den Beauftragten für die Grenzfestlegung (Art. 5) gar keiiieEntscheidungsgrundlage vorgeschrieben wurde (Parry Bd. 52, S. 252, 250, 249). Die Übereinstimmung mit früheren Praktiken ist offensichtlich und erklärt auch die von Schlochauer: Int. SG S. 187 für die vermeintliche Anfangsphase der Schiedsgerichtsbarkeit festgestellte große Bedeutung der Entscheidungen ex aequo et bono. 31 Daß trotz der Vorliebe der Frühen Neuzeit, wie übrigens auch des Mittelalters, für die gleichmäßig besetzten Schiedskommissionen nicht mit Schlochauer: Int. SG S. 179 von einer fehlenden Abgrenzung gegenüber den diplomatischen Streitbeilegungsmethoden gesprochen werden kann, beweisen schon allein die oben Teil I: III 3 c) aa) behandelten vielfältigen Verfahren zur Bestimmung eines Obmanns oder Oberschiedsrichters. 32 Das gleiche hat Bader: Schiedsverfahren S. 53 für das Mittelalter in Schwaben festgestellt. 33 Hierzu gehört auch die Differenzierung zwischen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und den Gemischten Schiedsgerichten, die auch über Forderungen natürlicher und nichtstaatlicher juristischer Personen gegen fremde Staaten entscheiden können (Schlochauer: Int. SG S. 178; Ophüls, Carl Friedrich: Art. Schiedsgerichte, Gemischte. In: Wörterbuch des Völkerrechts Bd. I1I, S. 173 - 177). 34 In beiden Perioden konnten und können alle Arten von Staatenstreitigkeiten der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zugänglich gemacht werden; generelle Vorbehalte in institutionellen Schiedsabreden wurden aber erst im 19. Jahrhundert üblich (Grewe: Epochen S. 612 f.).

11. Mittelalterliche und frühneuzeitliche Schiedsgerichtsbarkeit

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keine Umgestaltung der Schiedsgerichtsbarkeit im Sinne einer Änderung ihres Charakters dar. Damit erhebt sich die Frage, ob die Entwicklungslinie nicht überhaupt bis ins Mittelalter zu ziehen ist. D. Mittelalterliche35 und frühneuzeitliche Schiedsgerichtsbarkeit Als wichtigstes Argument für mittelalterliche Wurzeln der Schiedsgerichtsbarkeit des Jus Publicum Europaeum fungieren die Schiedsabreden selbst: In ihrer selbstverständlichen Kürze wie in ihren ausgefeilten Regelungen lassen sie sich nur durch eine fest im Bewußtsein verankerte Tradition erklären. Da jedoch über die internationale Schiedspraxis im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wo tiefgreifende Umwälzungen in bezug auf das Wesen und die Zahl der Völkerrechtssubjekte zu verzeichnen sind, so gut wie nichts bekannt ist36 , prägt immer noch Novacovitchs vorläufiges und summarisches Urteil von den äußerst seltenen Kompromissen nach einem plötzlichen Verschwinden im 15. Jahrhundert37 die allgemeine Vorstellung. Auf dieser Grundlage beruht auch der interessante Vergleich Engels zwischen den unterschiedlichen Schiedsideen des Mittelalters - Abschluß einer Fehde - und der mit dem Jay-Vertrag von 1794 beginnenden Zeit des Einsatzes der Schiedsgerichtsbarkeit als einem Mittel zur Verhinderung des Krieges 38 . Für das ihm als Ausgangspunkt dienende Mittelalter unterscheidet Engel scharf39 zwischen dem isolierten Schiedsgericht, das noch in den "Völkerrechtsgewohnheiten" der Neuzeit weitergewirkt habe 40 , und der institutionellen Art, für die er "trotz der Ähnlichkeit in den Verfahrensformen und trotz scheinbar analoger Zwecke und Ziele keine Kontinuität und keine Brücke zum obligatorischen Schiedsgericht im Völkerrecht seit dem Ende des 19. Jahrhunderts" festzustellen vermag41 • Ist auch durch den Nachweis beider Schiedsformen im Zeitalter des Absolutismus die Behauptung einer fehlenden Kontinuität stark erschüttert worden42 , verdient doch die These von den 35 Zur Schiedsgerichtsbarkeit im hier behandelten Sinne gehört nicht, wie de Taube S. 74 ff. treffend begründet hat, der Anspruch des Papstes, kraft Amtes als Schiedsrichter zu fungieren. Da dessen Rolle in der Entwicklung des Instituts teilweise auch heute noch weit überschätzt und sogar ohne jeden Nachweis auf den Kaiser übertragen wird (siehe etwa Berber S. 47), muß dies ausdrücklich festgestellt werden. 36 Als Beleg mag das äußerst kurze Kapitel bei Grewe: Epochen S. 235 f. gelten; einige Schiedsfälle bei van Boetzelaer S. 35 ff. 37 Novacovitch S. 18. 38 Engel: Problem S. 125. 39 Engel: Problem S. 123 ff. 40 Engel: Problem S. 122. 41 Engel: Problem S. 116 f. 42 Wie schon erwähnt, vertritt Engel, Handbuch S. 374 f. auch die Ansicht, der Rückgriff auf eine schiedsrichterliche Entscheidung eines Dritten sei den Staaten der Frühen Neuzeit aus Souveränitätsgründen nicht möglich gewesen. Daß der absolutisti-

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Teil 111: Absolutismus und Geschichte der Schiedsgerichtsbarkeit

unterschiedlichen Schiedsideen weiterhin Beachtung. Wäre sie zutreffend, müßte die Schiedsgerichtsbarkeit des Jus Publicum Europaeum, da die präventive Funktion bei den isolierten (Vermeidung von "Weiterungen") wie bei den institutionellen Schiedsabreden (Ausschluß gewaltsamen Vorgehens) deutlich zutage tritt, als Vorläufer der späteren Praxis eingestuft werden, ohne daß ihre eigenen Wurzeln weiter als bis ins frühe 16. Jahrhundert zurückverfolgt werden könnten. In der von Engel vertretenen strikten Form bestehen gegen die These jedoch Bedenken. Wenn ihr Verfechter seine Einordnung der institutionellen Schiedsvereinbarungen vor allem auf die Austragsinstanzen der Bünde und Einungen stützt und in diesen "schiedsgerichtsähnlichen Gerichtsbarkeiten" wegen ihrer Ergänzungsfunktion im Hinblick auf die ordentliche Gerichtsbarkeit lediglich "Momente der Verfassungsentwicklung" sieht43 , erfaßt er nur einen der Entwicklungsstränge. Gerade die von ihm in erster Linie angesprochenen Eidgenossen im Gebiet der heutigen Schweiz44 schätzten die institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit als wesentlichen Bestandteil aller längerfristigen Abkommen: Schon Usteri wollte hervorgehoben wissen, "daß sich die Schiedsklausel auch in Verträgen, welche die Eidgenossen mit dem Ausland schlossen, sehr rasch und in großem Umfang einbürgerte"45. Daß die "betroffenen" unmittelbaren Nachbarn vorerst gleichfalls Reichsstände waren - unter anderem Österreich, Mailand und Savoyen - und erst im 16. Jahrhundert Frankreich als "richtiges Ausland" (Bonjour)46 hinzukam, rechtfertigt es nicht, die internationale Komponente - "tastender Versuch, völkerrechtliche Sicherheit zu schaffen"47 - gegenüber dem verfassungsgeschichtlichen Aspekt der Integrierung in Landfriedensgemeinschaften und "Staaten" zu vernachlässigen48 • Dies muß um so mehr gelten, als die bei Novacovitch aufgeführten institutionellen Schiedsabreden einiger Allianzverträge49 belegen, daß der Wunsch zur Vermeidung des Krieges auch der "großen Schiedsgerichtsbarkeit . . . unzweifelhaft völkerrechtlichen Charakters"50 innewohnte. Läßt sich dann noch Engels Urteil aufrechterhalten, daß die andere, die isolierte Form des mittelalterlichen Schiedsgerichts eine einmalige Erscheinung gewesen ist, die nur der damaligen politisch-rechtlichen Welt zugehört?51 sehe Staat auch nach innen nicht, wie vielfach vermutet, scharf gegen die Schiedsgerichtsbarkeit vorgegangen ist, hat für Deutschland schon Krause S. 62 dargelegt. 43 Engel: Problem S. 112 ff., Zitat S. 117. 44 Engel, Handbuch S. 373; ders.: Epochen S. 112. 45 Usteri S. 43. 46 Bonjour: Außenpolitik S. 14. 47 Bonjour: Außenpolitik S. 16. 48 So aber Engel: Problem S. 124. 49 Novacovitch S. 101, 103, 104 usw. Vgl. auch die Beispiele in den Listen bei de Taube S. 77 ff. und Reibstein: Völkerrecht Bd. 1, S. 190 ff. 50 Reibstein: Völkerrecht Bd. 1, S. 189.

11. Mittelalterliche und frühneuzeitliche Schiedsgerichtsbarkeit

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Sicher ist jedenfalls, daß nicht nur, wie Engel meint, dessen Verfahrensformen bruchlos in den internationalen Verkehrsformen der Neuzeit weiterlebten52 , sondern auch noch im 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts isolierte Schiedsgerichte vereinbart wurden. Welchen Verlauf die Entwicklung genommen hat, ob ein plötzlicher und vollständiger Sinnes- und Bedeutungswandel oder - wahrscheinlicher - eine allmähliche Schwerpunktverlagerung von den fehderechtlichen Vorstellungen zur Überzeugung vom Vorrang gewaltloser Streiterledigung stattgefunden hat, wird eine Untersuchung der ersten Hälfte der "periode intermediaire"53 zu klären haben. Nur eine Auswertung der Schiedsvereinbarungen dieser Zeit vermag auch die Fragen zu beantworten, seit wann und aus welchen Gründen die Schiedsrichter nicht mehr in hochpolitischen Angelegenheiten zum Einsatz kamen und zu welchem Zeitpunkt die dem Mittelalter geläufige Formel "arbiter, arbitrator et amicabilis compositor"54, die im Zeitalter des Absolutismus aus der internationalen Praxis verschwunden ist, aufgegeben wurde. Erst wenn wir alle Möglichkeiten zur Erforschung der Entwicklung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit wahrnehmen und uns nicht auf die vordergründig "reichen" Abschnitte beschränken, können uns die Erfahrungen aus der Geschichte bei der Bewältigung der anstehenden Probleme helfen. Gerade in der heutigen Zeit mit dem "Vorrang politischer vor richterlicher Streiterledigung"55, wo uns im Taba-Konflikt zwischen Israel und Ägypten die Schwierigkeiten eines zwischenstaatlichen Schiedsverfahrens plastisch vor Augen geführt werden, sollte es möglich sein, auch die sogenannten schiedsgerichtsarmen Perioden besser zu verstehen und im angemessenen Rahmen zu würdigen.

51 Engel: Problem S. 123. Der von Engel aufgezeigte Unterschied in der Geisteshaltung soll nicht bestritten werden; seinen daraus gezogenen zu weitreichenden Folgerungen kann man jedoch nicht beipflichten. 52 Engel, Handbuch S. 373. 53 Ausdruck von van Boetzelaer S. 10, vgl. oben Einleitung: 11. 54 de Taube S. 88 sieht darin den gewöhnlichen Titel der Schiedsrichter im Mittelalter. 55 Grewe: Epochen S. 777.

Zusammenfassung Die Existenz einer internationalen Schiedsgerichtsbarkeit wird in der völkerrechtsgeschichtlichen Literatur für die Frühe Neuzeit oft bezweifelt, meist weil sie sich auf die zur Erfassung der Praxis ungenügenden zeitgenössischen Darstellungen stützt. Die Untersuchung der völkerrechtlichen Schiedsabreden und Schiedssprüche zwischen 1648 und dem gemeinhin als Beginn der modernen Schiedsgerichtsbarkeit angesehenen Jay-Vertrag von 1794 fördert jedoch ein anderes Bild zutage: Den für die Außenpolitik Verantwortlichen stand ein auf einer gemeinsamen europäischen Rechtsüberzeugung römisch-kanonischen Ursprungs basierendes Schiedsverfahren zur Verfügung, das mit seinem fast unerschöpflichen Variantenreichtum (institutionelles/isoliertes Schiedsgericht, beauftragte/erbetene Schiedsrichter, Superarbiter usw.) von der Konzeption her jedem Streitfall gerecht zu werden vermochte. Daß es trotzdem zu einer "schiedsgerichtslosen" Zeit zwischen 1730 und 1790 kommen konnte, in der die Idee nur im kollektiven Gedächtnis und in der Literatur weiterlebte, lag zum Teil an einer gewissen Schwerfälligkeit des Instituts selbst (lange Verfahrensdauer, Umständlichkeit, Kosten), die gerade auf dessen oft geleugnetem Rechtscharakter beruhte. Entscheidender für die langsame Verdrängung der Schiedsgerichtsbarkeit, die keine Zunahme gewaltsamen Streitaustrags zur Folge hatte, waren aber Veränderungen in ihrem unmittelbaren Umfeld (erweitertes Vertragsvölkerrecht, Ausbau des innerstaatlichen Rechtsschutzes, technischer Fortschritt usw.) und vor allem wohl der Trend der Zeit zur "convenance mutuelle" mit der Bevorzugung von Mediation und Diplomatie. Keine Anhaltspunkte fanden sich dagegen für eine rigorose Auswirkung von Souveränitätsvorstellungen, die eine freiwillige Unterwerfung unter ein Schiedsgericht verhindert hätten. Insgesamt muß die Kontinuität zwischen mittelalterlicher und heutiger Schiedsgerichtsbarkeit weit stärker als bisher betont werden.

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ANHANG

Liste der in der Untersuchung aufgeführten Schiedsfälle (sspr. Nr. Datum

= Schiedsspruch; SR = Schiedsrichter)

Vertragspartner

Art.

FundstelJe

1

1648,30. Jan.

Spanien! Generalstaaten

XXI

Dumont, Bd. VI, Teil I, S. 43H.

2

1648, 20. Okt.

Portugal! Generalstaaten

VII

Dumont, Bd. VI, TeilI, S. 448

3

1648, 24. Okt.

Kaiser! Frankreich u.a.

4

1649, 16. April

Dänemark! Gottorp! Oldenburg, Delmenhorst

5

1650,29. Juni

SSpr. Reichsstände und Gesandte zwischen Kaiser! Frankreich

DumontBd. VI, Teil I, S. 561 f.

6

1651,14. April

Savoyen!6 kath. Kantone Schweiz

ParryBd.2, S. 352 ff.

7

1653,2. Juli

Frankreichlkath. Kantone Schweiz

Parry Bd. 3, S. 87 und 92 (Art. XVIII)

8

1654,5. April

Englandl Generalstaaten

XXVIII

Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 76f.

9

1654,5. April

Englandl Generalstaaten SR: prot. Kantone Schweiz

XXX

Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 77

10

1654, 10./20. Juli

Englandl Portugal

XXV

ParryBd.3, S.293ff.

11

1654,31. Juli

SSpr. zu Nr. 8

Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 85ff.

12

1654, 30. Aug.

SSpr. zu Nr. 9 (Kommission)

Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 88ff.

Dumont Bd. VI, Teil I, S. 451 11

Parry, Bd. 1, S.432f.

Liste der in der Untersuchung aufgeführten Schiedsfälle 13

1655,9. Mai

EnglandJ Generalstaaten

DumontBd. VI, Teil 11, S. 106

14

1655,3. Nov.

EnglandJ Frankreich SR: Stadt Hamburg

XXIV, XXV

Parry, Bd. 4, S.l1 f.

15

1656, 17. Juli

EnglandJ Schweden

VII

ParryBd.4, S. 136

16

1658, 1. Juni

Frankreich!prot. Kantone Schweiz

17

1659,7. Nov.

Frankreich! Spanien

(III)

ParryBd.5, S.117ff.

CIX, CX

Dumont Bd. VI, Teil 11, S. 265 S.278f.

18

1661,6. Aug.

PortugaV Generalstaaten

XXV

ParryBd.6, S.389ff.

19

1661,12. akt.

Frankreich! Kf. Trier

VI

ParryBd.6, S.465

20

1661,26. Dez.

Spanienl Generalstaaten

XXIII

ParryBd.7, S.39

21

1662,4./14. Sept.

EnglandJ Generalstaaten

XV

ParryBd.7, S.203ff.

22

1663,24. Sept.

Frankreich! 13 Orte (Schweiz)

Eidgenössische Abschiede Bd. VI, Abt. 1 B, S. 1641 ff., 1652 (Art. XVIII)

23

1665, 1. Aug.

Brandenburgl Generalstaaten SR: Großer Rat von Mecheln

DumontBd. VI, Teil III, S. 41 ff.

24

1666, 1./11. Februar

Dänemark! Generalstaaten SR: Frankreich

IV

Parry Bd. 8, S. 489ff.

25

1666, 6./16. Februar

Brandenburgl Generalstaaten

Sep. 11

ParryBd.9, S.90ff.

26

1667,30. Jan.

Polenl Rußland

XIII

ParryBd.9, S.41O

27

1669,9. akt.

Generalstaatenl Bf. Lüttich

28

1671,1. Nov.

Frankreich! Kaiser, "Sujets & Vassauxde I'Empire"

ParryBd.11, S.249 11

Parry Bd. 12, S.55

169

170

Anhang

29

1672,9. April

Polen! Rußland

30

1673, 18. Jan.

SSpr. Frankreich zwischen Genua! Savoyen

31

1674,9./19. Februar

Großbritannien! Generalstaaten SR: Regentin von Spanien

32

1675;'8.118. März

Großbritannien! Generalstaaten

Parry Bd. 13, S.355ff.

XVIII

Parry Bd. 12, S. 191 f. Dumont Bd. VII, Teil I, S. 215f.

VIII, IX

Parry Bd. 13, S.129f.

Erneuert: 1685,17. Aug. 1689,24. Aug. 1716,6. Febr. 1728,27. Mai 33

1677, 24. April

Kaiserl Polen

Parry Bd. 14, S. 216 ff.

34

1678,17. Aug.

Polen! Rußland

Parry Bd. 14, S.428

35

1678, 11. Sept.

Frankreich! Spanien SR: Generalstaaten

Dumont Bd. VII, Teil I, S. 365

36

1679,26. Jan./ 5. Februar

Kaiserl Frankreich (Hzge v. Bouillon! Bf. Lüttich)

XXVIII

Parry Bd. 15, S.14

37

1679,2./12. Oktober

Schweden! Generalstaaten

Sep. 11

Parry Bd. 15, S. 328 f.

38

1681,7. Mai

Spanien! Portugal SR: Papst

XIII

Parry Bd. 16, S.l07f.

39

1682,24. Nov.

Frankreich! Savoyen

IV

Parry Bd. 16, S.286

40

1684,29. Juni

Frankreich! Generalstaaten SR: Großbritannien zwischen Frankreich! Spanien

VI, VII

Parry Bd. 17, S.93f.

41

1684,15. Aug.

Frankreich! Spanien

VI, VII

Parry Bd. 17, S. 156

42

1686, 10. Febr.

Schweden! Brandenburg

VIII

ParryBd.17, S.466

Liste der in der Untersuchung aufgeführten Schiedsfälle Erneuert: 1688, 26. Sept. 1696, 11. Juli 1698,23. Juni 1703,29. Juli 43

1686, (?) 26. Apri1l6. Mai

Polen! Rußland

44

1691,22. Okt.

Großbritannien! Generalstaaten

ParryBd.19, S. 363 ff.

45

1692,9. Juli

Schweden! Brandenburg SR: Kaiser/ England

v.Moerner, S. 575f. v.Moerner, S. 578f.

1693, 14. Jan.

XVI

11

Parry Bd. 17, S.498

46

1693, 15./25. November

Schweden! Generalstaaten

Parry Bd. 20, S.350

47

1694,25. Juni

Schweden! Brandenburg

48

1697,20. Sept.

Frankreich! Spanien SR: Generalstaaten

X

Parry Bd. 21, S. 460 f.

49

1697,30.0kt.

Kaiser/ Frankreich (Hzgin v. Orleans/ Kf. v.d. Pfalz) SR: Kaiser/ Frankreich SuperSR: Papst

VIII, Sep.Art.

Dumont Bd. VII, Teil 11, S. 423, S.430

50

1698, 22. Dez.

Schweden! Brandenburg

I

v.Moerner, S.648

51

1699,26. Jan.

Kaiser/ Türkei

XI

Parry Bd. 22, S.228f.

52

1700,13. Juni

Rußland! Türkei

VII

Parry Bd. 23, S.29

53

1701,26. April

SSpr. Kaiser/ Frankreich zwisehen Orleans/ Pfalz

Dumont Bd. VIII, Teil I, S. 6 ff.

54

1702,17. Febr.

SSpr. Papst zwischen Orleans/ Pfalz

Dumont Bd. VIII, Teil I, S. 98 f.

55

1703,29. Juli

Schweden! Preußen

VII

Parry Bd. 24, S.445

56

1706,12. Jan.

Venedig! Zürich, Bern

XXIII

Parry Bd. 25, S.417

v.Moerner, S. 594f.

171

172 57

Anhang 1706,6.117.

Venedig! 3 Bünde

58

1712,21. Juni

SSpr. Generalstaaten, Großbritannien zwischen Kaiser/ Savoyen

59

1713,11. April

Frankreich! Generalstaaten SR: Großbritannien u.a.

IX

Parry Bd. 28, S.46

60

1713,11. April

Frankreich! Savoyen (Savoyen! Monaco) SR: England/ Frankreich

IX

Parry Bd. 28, S.132

61

1714,21. Juni

SSpr. England/ Frankreich zwischen SavoyenSizilienIMonaco

Parry Bd. 29, S. 65 ff.

62

1715,9. Mai

Frankreichlkath. Kantone Schweiz

Parry Bd. 29, S.247ff.

63

1715,15. Nov.

Kaiser, Spanien! Großbritannien! Generalstaaten

XVII

Parry Bd. 29, S.346

64

1718,21. Juli

Kaiser/ Türkei

IX

Parry Bd. 30, S.349

65

1718,22. Dez.

Kaiser, Spanien! Großbritannien! Generalstaaten

I

Parry Bd. 30, S.492

66

1725,30. April

Kaiser/Spanien (Hzg. v. Parma! kaiserliche Provinzen)

XI

Parry Bd. 32, S.54

67

1729,6. Sept.

PreußenIKg. v. Großbritannien SR: Hzgev. Sachsen-Gotha u. BraunschweigLüneburg

Loewe (Bd. 87) S. 392 (preußische Deklaration)

68

1730, April

SSpr. Hzge v. Sachsen-Gotha u. BraunschweigLüneburg zwischen Kgen v. Preußen u. Großbritannien

Dumont Bd. VIII, Teil 11, S. 161 f.

Dezember

XXI

Parry Bd. 26, S.23 Parry Bd. 27, S. 291 ff.

Liste der in der Untersuchung aufgeführten Schiedsfälle 69

1739,18. Sept.

Kaiser/ Türkei

XV

70

1777,28. Mai

Frankreich! 13 Orte (Schweiz)

Parry Bd. 46, S.263ff.

71

1792,29. April

Frankreich! LöwensteinWertheim

Parry Bd. 51, S. 325 ff.

72

1792,29. April

Frankreich! Salm-Salm

Parry Bd. 51, S.329ff.

73

1794,19. Nov.

Großbritannien! Vereinigte Staaten von Nordamerika

V,VI VII

ParryBd.35, S. 405 ff.

Parry Bd. 52, S.249ff.

173

Sach- und Personenregister Zentrale Begriffe wie Schiedsgerichtsbarkeit, Schiedsverfahren und Schiedsabrede (Kompromiß), aber auch Friedensvertrag oder Völkerrecht wurden nicht aufgenommen, da sie auf fast jeder Seite nachzuweisen sind. Hauptfundstellen sind kursiv gesetzt. Absolutismus 16,20,28,29, 106, 148, 153, 155, 157 Achenwall, Gottfried 103 Aelmonde, Adrianus van (SR) 123 Aktenversendung 75,78,84,137 Alabama-Fall 16, 151, 154 a l'amiable 40j., 43,72, 101, 134, 137 Altstettin 55, 127, 134 Amboina 112,113 Amelot, Michel (SR) 125 amicabilis commissio 42 amicabilis compositio 31, 32, 39, 40, 42, 43,63,66,69,90,98,117,129 amicabilis compositor 13,90, 157 amicabiliter/amicabili via 37,40 - 43, 74, 90, 103 Amnestie 107, 108, 116, 118 Amsterdam 55, 141 Andrew, Thomas (Kfm.) 111 Anhalt, Fürst v. 83 Anna. Kgin v. Großbritannien 75,77,78 Anton-Günther, Gf. v. Oldenburg 56,75, 76,83 Antikenrezeption 25,91 - 96, 101 arbiter 13, 21, 32, 36, 37,40 - 42, 48, 51, 53,57,58,61-64,66-78,84,90,94-97, 101 - 103, 116, 117, 122, 128, 135, 136, 139, 148, 150, 157 arbitrage 40,41,53,56,79,80,101,104, 128, 129, 149 arbitrator 13,90,98, 103, 151, 157 August 11., Kg v. Polen 130 Ausführung 29,35,53,54,67,71,77,78, 82,84,97,107,110,113,114,117,122, 123,140 Austräge 26, 48, 132, 135, 156

Bateman, Anthony (Kfm.) 111 Becx, Johannes (SR) 122 Begründung (Schiedsspruch) 13, 154 Beklagter (reus) 31,32,45,47,48,50, 81,82,88,142 Bern 23,35,44,45,62,68,129 Beschlagnahme 82, 115 - 119, 142, 152, 154 Beschwerderecht 38,93 Beweis 33,52,81,82,84 - 88, 96, 97, 104, 112, 113, 117, 129, 140 Billigkeit (aequitas) 32, 53, 63, 66, 81, 82, 90;93,94,98,122,128,129,140,153,154 Binder, Friedrich (SR) 78, 125 Bludworth, Richard (Kfm.) 111 Bodin, Jean 133, 145 Böhmen 31,61, 115, 146 Bonifaz VIII., Papst 75 Borcke (preuß. Rat) 130 Bouillon, Hzge v. 40,48,52,74, 136 Boutillier, Jehan 91 BrandenburgIPreußen 36,37,39,41 - 43, 49,51,55,56,59,73-77,79,84,86,93, 100,111,127,129,130,133,134,136139, 141, 144, 146 - 150 Braunschweig-Wolfenbüttel 74,79,80, 100,138 Bridgman, Richard (Kfm.) 113 Brugge 52, 64, 74 Bündnisrecht 25,49, 147 Bürgschaft 54,55,82, 122 Burlamaqui, J. J. 102 Christenheit 23, 93, 94, 98, 133 Clemens V., Papst 82 Clemens VIII., Papst 21

Sach- und Personenregister Clemens IX., Papst 21 Cnyphausen (preuß. Rat) 130 Cokayne (Kfm.) 111 commissarius instructor 39, 84f., 86 common law 123 conclusio 32, 84 convenance mutuelle 44,90,129,144 Cromwell 29, 51, 54, 55, 57, 61, 62, 64, 69 -71, 74, 76, 77, 90, 93, 94,101,106, 108 - 111, 113 - 119, 121, 123 - 126, 151 Crowther, Johannes (SR) 124 Cruce, Emeric 99 Cruysen, Wilhelmus van der (SR) 122 Dänemark 40,41,43,45,54 - 56, 58, 60, 61,69,75,78,82,83,87,102,115,117, 118, 122, 123, 137, 141, 146 Danzig 147 De Vries (Dipl.) 117 Diplomatie 18,28,29,31,38,42,43,5254, 65, 66, 72, 74, 75, 81, 85, 87, 94, 101, 102, 115 - 118, 122, 124, 125, 128, 130,131,134,135,137,140 - 142,144, 154 Dispositionsmaxime 89 Doctor's Commons 94, 124 Du Bourgay (Dipl.) 49 Duplik 32, 85 - 88 Durantis 91, 103 Edwards, John (Prok.) 117 Effektivität 27,29,83,97,107,126,135, 139, 141 Ehrenklausel 50, 103, 134, 135 Eid 33, 38, 39, 57, 61, 62[, 65 - 68, 78, 82,83,110,112,126,150,151 Eidgenossen, Schweizer 16 - 19, 21, 23, 26,27,34 - 36,38,44 - 47,50,51,54, 57,61,62,67 -71, 76, 88 - 90,101,106, 110, 114, 115, 119, 125, 132, 134, 146, 151, 156 -, kathol. Kantone 23, 26, 34, 46, 47, 51, 57, 61, 62, 68, 101 -, reformierte Kantone 23, 27, 34, 54, 71, 76,77, 101, 106, 110, 114, 115 Elsaß 52 Entscheidung, verbindliche 11, 12, 15,39, 51, 63, 66, 67, 70 - 72, 76, 78, 79, 84,

175

89, 92, 93, 95, 97, 104, 105, 113, 114, 122, 126, 150, 151, 154 Entscheidungsgrundlage 12, 32, 56, 63, 66, 81, 83, 89, 90, 91, 96, 117, 129, 137, 142, 154 Erbstreit 41,55,56, 83,84,92 -, pfälzischer 21, 25, 76 - 78, 84, 125, 130, 134, 137 Erfolglosigkeit 20, 31, 35, 38, 39, 42, 43, 66, 68 - 71, 73, 76, 85, 95, 103, 113, 115, 119, 120, 122, 126, 134, 138, 139, 143, 150, 152 Ermessen, freies 27,92,93,95 Eugen, Prinz v. Savoyen 130 Europäisches Öffentliches Recht 11, 22, 25,27,28,44,46,47,60,155,156 Evans, Michael (Prok.) 117 Eventualmaxime 88, 89 Exton, Johannes (SR) 94, 109, 111, 123, 124 Ferreira Rebello, Francisco (SR) 125 Fines, Nath. (engl. Rat) 70 Formvorschriften 3lf., 38, 80 - 85,122 Forschungsstand 15[f, 97, 105 Frankfurt/Oder 55, 127, 134 Frankreich 18,21,23,27,29,34,36 - 45, ~,~,~-~,~,~,M,~,64,~,

67,71-78,84,87 - 89, 92, 99,101,102, 106, 108, 110, 114, 118, 119ff., 125, 128,129,134 - 138, 140 - 145, 147 -149, 152, 154, 156 Freundschaftslinien 120, 121 Frieden 29,53,55,79,92,95,97,98,102, 103, 109, 115, 117, 120 Friedensprojekte 16,29,94,98 - 100 Friedrich III., Hzg. v. Gottorp 56,75, 76,83 Friedrich III., Kg v. Dänemark 56,75, 76,83,118 Friedrich Wilhelm 1., Kg in Preußen 41, 49,74,77,79,80,125,129,130,144 Friquet, Johann (Dipl.) 85 Garantie 48, 60, 95, 150 Garway, John (Kfm.) 111 Garway, William (Kfm.) 111 Gebietstausch 43, 140

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Sach- und Personenregister

Gebietsstreit 25,42,43, 51f, 59, 64, 71, 73, 79, 112 - 114, 120, 127, 129, 136, 138 - 140, 149 Gee, Thomas (Zeuge) 112,113 Gehör, rechtliches 82,86,89, 138 Geldforderungen 55,56, 64,81,87,116, 139,141 Generalabrechnung 54,81,108,120,142 Gennep (Festung) 55 Genua 79,92,130,138 Georg 11., Kg v. Großbritannien 49, 74, 77,79, 125 Gerechtigkeit 32, 38, 45, 53, 61, 63, 66, 67, 80, 83, 90 - 93, 95, 102, 129, 137, 141, 154 Gerichtsbarkeit, innerstaatliche 19, 36, 37,45 - 47, 50, 62, 71, 88, 93, 94, 96, 110, 124, 142, 152, 154, 156 Gewalt 16,36,37,40,41,66,73,79,80, 92, 95 - 98, 108, 112, 120, 126, 127, 129f., 131, 134, 135, 139, 156, 157 Gewohnheit(srecht) 11, 12, 24, 27, 50, 51,62,83,91,104,116,120,143,155 Gollnow 73, 127, 140 Gregor X., Papst 69 Grenzkommission 59, 60, 64 - 66, 140, 154 Grenzstreit 31,36,37,43,50, 51f, 53, 58 - 60, 64 - 66, 70, 71, 78, 95, 114,119, 127,129,130,139,144,150,151 Gnechenland 12,13,15,17,18,24,52 Grönland 107, 109 Großbritannien 11, 35, 38 - 40, 42 - 44, 49, 51 - 53, 55, 57 - 59, 61 - 64,66,6871,73 -75, 77 -79, 82, 88, 93,100,101, 106, 107ff., 118ff., 126 - 129,131,134, 135, 138, 139, 141 - 144, 146 - 152, 154 Großer Rat v. Mecheln 39, 49, 56, 75, 76, 84 - 86, 93, 101, 138 Grotius, Hugo 17, 28, 67, 91ft., 95 - 98, 101, 103, 133 Gundling, Nikolaus Hieronymus 97 Haager Konferenzen 12,14 -17, 89,153 Haldimand, A. G. S. 105 Hamburg 71,74,76,77,106,120 Handel 29, 31, 35, 50, 53!., 55, 57, 63, 64,69,77,81,87, 101,106, 107, 108ff., 115ff., 121, 123, 141 - 143, 151

Handelskompanien 36,38,39,54,83,85, 87,108 - 114, 121, 123, 141, 143 Haro, de 42 Hegemonialstreben 29, 130 Heineccius, Johann Gottlieb 102 Heinrich IV., Kg v. Frankreich 98 High Court of Admiralty 62, 94,110,112, 124 Hobbes 133 Hofyserische Schuldsache 49,56, 75, 138 Holland (Provinz) 55,56, 139, 141 Houwen, Ludwig (SR) 123 Hunter (Seemann) 112 Inrotulatio 84 Interesse, öffentliches 44, 50, 108, 109, 111, 114 Inventar 85 Italien 18,79,92,130,137,139,151 Jagellonen 38 Jay-Vertrag (1794) 11, 12, 14 - 17, 19 - 22, 30,50,130,143, 148, 149ft., 154,155 Jesson, Randoll (Kfm.) 112 Johann III. Sobieski, Kg v. Polen 31 Johann IV., Kg v. Portugal 119 Johann Wilhelm, Kf. v. d. Pfalz 138 Jurist 11, 13, 91, 94, 110, 114, 123 - 126, 133 Juristenfakultät 75,76,84 jus 32,33,37,43,63,81,83,90,91,103, 122, 153, 154 justitia 32,63,83,90,91,98, 102, 153, 154 Kaiser 17,18,21,23,25,31,36 - 42, 44~,~,60-M,m-~,~-~,~-~,

100-102, lli, m, U9, 130, 134-rn, 140, 144, 146, 155 Kameralprozeß 82, 88 Karl 11., Kg v. England 54, 57, 71 Karl 11., Kg v. Spanien 75 Karl V., Kaiser 55 Karl IX., Kg v. Frankreich 45 Karl Ferdinand, Erzhzg 52 Kaufleute 108, 110, 111, 114, 117, 123, 142,151 Kendall, Thomas (SR) 110, 123 Klageerwiderung (responsum, responsio) 32,82,84,85,87,88,112,121

Sach- und Personenregister Kläger (actor) 31,32,38,45,47,48,67, 88,119 Klageschrift (actio, libellus actionis) 31, 32, 78, 81, 83 - 85, 87, 88, 111, 112, 121,137 Klüber, Johann Ludwig 105 Kommissare (Beauftragte) 32,35,36,39, 42 - 44, 52, 54, 57 - 70, 72, 73, 75 - 78, 81 - 83, 90, 101, 109 - 112, 114, 115, 120, 122, 123, 129, 137, 140 - 143, 150, 154 Kommission 11, 21, 35, 39, 44, 58 - 60, 64 - 67, 70 -72, 75 -77, 83, 84, 87,107, 110, 117, 122, 125, 128, 138, 140, 143, 148, 152, 154 Kompetenzen (potestas) 15, 33, 35, 48, 55 - 57, 63ff., 68 - 70,77,81,83,96, 104,115 Kongresse/Konferenzen 11, 80, 87, 92 95,98,99,103,137,144,148 Kontinuität 12, 14ff., 20, 21, 23, 24, 27 29,91,99,100,105,115,126,132,148, 149, 152ff. Kontumacialverfahren 81,82, 89 Kosten 69,84, 86f., 89 Krieg 29,67,69,79,92,93,95,103,107, 108,110,115 - 117, 120, 126, 130, 131, 135, 138, 141 - 143, 147, 153, 155, 156 Ladung 47, 112 La Rochelle 147 Leopold 1., Kaiser 21,25,30 Leopold 11., Kaiser 150 Leopold, Fürst v. Dessau 130 Leopold v. Österreich, Großmeister Dt. Orden 138 Liselotte, Hzgin v. Orleans 56,84,92, 101, 130, 138 Litauen 31, 61 Lommel, Jaques (SR-Kandidat) 123 Los 32,59,67,68,92,150 Lothringen 40, 52, 74, 136 Löwenstein-Wertheim, Fürst v. 149 Ludwig XIV., Kg v. Frankreich 21, 25, 36,43,79,92,130,134,135,139,140 Ludwig XV., Kg v. Frankreich 136 Lüuich (Fürstbischof) 40, 48, 52, 74, 136, 140 Luxemburg 51,129

177

Mably, Gabriel Bonnot de 25, 92, lOlf., 129,131 ~acht 27, 29, 49, 83, 93, 94, 107, 119, 121,135 ~achtspruch 43 ~ahnverfahren 31, 38f., 48 ~ähren 31,61 ~ailand 34, 35, 68, 156 ~antua 137 ~argarete, Prinzessin v. Savoyen 137 ~arkebrief 120, 142 ~artens, Georg Friedrich von 105 ~azarin 42 ~ehrheitsentscheidung 32,59,67,69, 75,77,86,90,99 ~enton 52 ~odena 148 ~onaco 52,77,78,88,125,138 ~oser, Johann Jacob 24,26,56, 104f. ~ündlichkeit 31 - 33, 39, 82, 83, 87, 89, 137,138 ~ünster 42 Naturrecht 24,28,29,91,92,94 - 97, 100, 102 - 104 Niederlande (Generalstaaten) 15,27,29, 35, 38 - 40, 42, 43, 49, 51 - 58, 61 - 64, 66, 68 - 78, 81, 82, 84, 86, 87, 90, 93, 100, 101, 106, 107ff., 118, 120 - 123, 126, 128, 129, 131, 134, 135, 137, 138, 140 - 144, 146 - 148, 150 Nieuport (Dip!.) 70 Obmann 32, 33, 66 - 70, 84, 92, 119, 150, 154 Obrecht, Ulrich (SR) 78, 125 Osmanen (Türkei) 18, 42, 58 - 61, 65 - 67, 70, 71, 101, 136, 149 Österreich 34,37,149,156 Oysel, Jacobus (SR) 123 Papst 16, 17, 21, 23, 25, 44, 52, 53, 56, 69,71,74-76,78,81,89,129,135,138, 155 Pariser Parlament 139 Parität 35,36,38,39,41,45,47,53,5860,63 -73, 76, 77, 81, 90, 96,107,114, 118 - 120, 122, 126, 138, 148, 150, 151, 154

178

Sach- und Personenregister

Panna 41,44,48,89,129,146 Parteifähigkeit 44ft., 146 Penn, William 99 Pfa~ 41,56,57,84,102,115,149 Philipp I1I., Kg v. Spanien 121 Philipp Wilhelm, Pfa~graf 41 Polen 31,38,40,45 - 47, 49, 50, 53, 5964,66 - 68, 70 -72, 80, 83, 87, 88,100, 137,138,144,146 Pommern 37, 127 Portugal 29,53,54,58,61,64,68,70,71, 74 - 76, 81, 82, 90, 94, 106, 110, 118 120, 124, 125, 141, 151 Prior, Mathieu (SR) 125 Prisen 114, 118, 120, 121, 142, 154 Privatpersonen 18,38,44 - 47,49,54,55, 61,62,69,75,81,87,97,98,103,107109,111-117,120 -123,128,141-143, 148, 151, 154 Prokuratoren 32,39,84,88, 110, 111, 117,125,126,137,151 Provinzen 31,41,45,47 - 50, 146, 150 Provisionalsachen 85,86,93 Prozeßvollmacht 32, 110, 111 Publikation 78,107,119,151 Pufendorf, Samuel 28, 94ft., 97,98,103, 133 Pulo Run 112, 113 Punkteverfahren 83 - 85, 111 - 113 Rachel, Samuel 98 Räte 31- 33,38,39,45,48,55,57,61- 63, 78,83,86,129,130,142 Ratifikation 44, 78, 79, 92, 110, 113, 117119, 123, 126 Rätische Bünde 35,44,46,47,58,62,68 Rechsteiner, Johann (SR) 50,62 Recht, kanonisches 13, 19,81 - 83, 85, 154 Recht, materielles 15,27,32,36,81,83, 90,91,93,96,117,143,153,154 Recht, römisches 82,83,85,96, 123, 124, 154 Rechtsbindung 12, 15,89, 90, 93, 95, 96, 105, 153 Rechtscharakter 12, 13, 15, 18,47,58, 89ft., 124, 153, 155 Rechtsmittel 32, 63, 66, 70, 84, 89, 93, 96, 142

Reich 23,26,34,36 - 38,41,43,47,57, 65,99,129,146,147,149 Reichsgerichte 26, 37, 88, 125 Reichsrecht 25,26,36,37,56,82,88 Reichsstände 25f., 27, 36, 37, 49, 52, 56, 74,76,77,102,129,135,138,144,147, 149, 156 Religion 23,26,51,76,115,122,132,153 Replik 32,85,87,88 Repräsentation 48, 49f. Restitution 43,51,73,84, 112, 113, 116120,127, 148 Richter (Juges) 12,35,44,53,57,58,6063,65,68,70,71,73,83,90,93,96,97, 102, 103, 110, 111, 125, 129, 130, 135, 153 Richter, gemeinsamer 93,96,133 Roccabruna 52 Rochette 52 Rodenburgh, Christianus van (SR) 123 Rousseau, Jean Jacques 99 Rousillon 64 RusselI, Jacobus (SR) 122 Rußland 58 - 60, 62, 65 - 67, 70, 71,102, 107,109,136,148 Ruysch (ndl. Staatsmann) 118 Sachsen-Gotha, Hzg. v. 74, 79, 80, 100, 138 Sacramento (Kolonie) 53,71 Saint Pierre, Abbe de 99 Salm-Salm, Fürst v. 149 Savoyen 18,26,34,35,42,43,46,47,52, 53,57,61,62,68,75,77 - 79,88 - 90, 92, 101, 119, 125, 130, 134, 137, 138, 140, 156 Schadensersatz 55, 64, 69, 95, 107, 108, 112 - 116, 118 - 122, 149 Schätzung 43,64, 116 - 118, 122, 123, 149 Schiedsgerichtsbarkeit (Definition) 12, 14, 15,89, 153ff. Schiedsgerichtsbarkeit, antike 12 - 18, 52 Schiedsgerichtsbarkeit, mittelalterliche u-w,n,n,~,~,~,~,~,~,

58,60,67,75,90, 103, 132, 148, 153 156 Schiedsgerichtsbarkeit, "modeme" (seit 1794) 11 - 17, 19, 29f., 50, 52, 148, 149, 150 ff., 153 ff., 155, 157

Sach- und Personenregister Schiedskommission 17,21,31,35,43,58, 64, 65, 67, 70 - 72, 77, l07ff., 115ff., 119, 122, 126, 138, 151, 154 Schiedsrichter 17, 18,21,26,31,35 - 37, 41,46,48,50 - 52, 54, 56, 57ff., 84, 87, 89,90,92,93,95 - 97, 102 - 106, 109 111, 113, 116, 117, 119, 122ff., 126 128,130 - 139, 141, 143, 147, 151, 153155 -, Anforderungen an 6lf., 65, 67, 68,76, 102, 103, 119, 122ff. -, Aufgabenbereich der 31, 32, 35 - 37, 40,42,43, 49ft., 57 - 59, 63ft., 77,81, 82, 95, 104, 114 - 116, 120, 126 - 128, 139, 153, 157 -, beauftragte 57, 58ft., 78,88,113 -, erbetene 57, 72ft., 127 -, Wahl der 12, 32, 41, 54, 57, 62 - 64, 67 - 69, 71 - 77, 81, 97, 103, 117, 119, 123, 127, 150, 153 Schiedsspruch 12, 21, 23 - 25, 28, 29, 50, ~,~,~,~,6~~,m,~,N-~,

82, 83, 90, 92, 94 - 102, 104 - 106, 109, 110, 113, 119, 122, 125 - 127, 129, 130, 134, 137, 138, 141, 149, 152, 154 Schiedsvereinbarungen , institutionelle 17, 31,33ft., 37,38,43,50,51,63,71,73, 75,88,89,100,101,127,134,135,143, 148, 153 - 156 -, isolierte 23,34,37,51,63,73,88, 155 - 157 Schiffahrt 35, 53, 55, 69, 82, 115 - 118, 122, 123, 141 - 143, 152 Schlesien 31,61 Schleswig-Holstein 43 Schriftlichkeit 31 - 33, 39, 81, 82, 84, 86, 87,123,124 Schriftsätze 32,33,39,63,78,82,84 - 89, 112,137 Schweden 29, 36, 40 - 43, 45, 51, 54, 55, ~,~,~,~,m,71,n,n,~,9~

102, 106, 108, 118, 121, 126, 127, 129, 133, 134, 136, 138, 143, 144, 146, 147 sententia 32,63,71,76,78,82, 126, 130 - definitiva 32, 86, 88 - interlocutoria 32, 86, 88 Servien, de (Dip!.) 128 Silva, Hieronymus a (SR) 124 simpliciter et de plano 81 - 83

179 -

Souveränität 18, 21, 23, 29, 46, 49, 51, 52, 103, 131ft., 138, 143, 145, 150, 155 Spanien 21, 36, 37, 39 - 42, 44, 46 - 48, 51 - 53, 58, 62 - 64, 68, 69, 71 - 78, 90, 101, 102, 114, 120, 121, 123, 125, 126, m, 129, 134, m, 137,138,MO, W, 144, 146, 147, 149, 150, 152 Staat 12,15,23,33,35,44,49,50,55,62, 98, 109, 116, 118, 124, 131 - 133, 142, 145,147,153,156 Staatengemeinschaft, modeme 13 - 18, 21, 22, 144 - 146, 150 . Staatsbildung 15, 21 - 23, 95, 124, 131 133, 145, 146 Stanyan, Abraham (SR) 125 Stargardt 55, 127, 134 Stockar (Dip!.) 115 Streiterledigung, freundschaftliche 15, 27, 29 - 31, 33, 36 - 39, 41, 66, 72, 75, 79, 80,85,90,95, 101, 109, 126 - 129, 134, 137 - 139, 141, 144, 154 -, rechtliche 12, 13, 15, 17, 27, 31, 50, 53,56,64,65,97,102,105,107,121, 125, 129, 139, 140, 148, 151 - 154, 157 Streitvermeidung 59, 67, 92, 127, 142, 155, 156 Stricklandt, W. (eng!. Rat) 70 Struve, Burcard Gotthelf 101 Suarez, Francisco 133 submissiva scriptura 32, 84, 110 Sully, Hzg. v. 98,99 Superarbiter 21, 25, 54, 56, 57, 68 - 71, 76, 78, 138, 148, 154 Swinglehurst, Richard (Kfm.) 111 Tagungsort 31, 32, 38, 43, 62, 69, 70, 81, 84, 110, 115, 125, 129, 137 Temple, William (SR) 75, 141 Terminvorschriften 31 - 33, 35, 38, 43, 53, 54, 65, 69, 70, 73, 74, 81 - 89, 108, 112, 114, 118 - 120, 122, 126, 128, 137, 138, 142, 143 Textor, Johann Wolfgang 98 Thomas v. Aquin 133 Thomasius, Christian 98 Thomson, William (SR) 110, 123 Thurloe (eng!. Rat) 117, 118, 122 Tordesillas, Vertrag v. 53,71

180

Sach- und Personenregister

Trier, Kurfürst v. 36,49,51,73,148 Turner, William (SR) 94,109,123,124 Übersee 35,38,51,53,64,81,90, l07ff., 118ff., 122ff., 151 Umfeld/Rahmen 29, 106, 139ft., 143 Ungarn 31,61,146 Unparteilichkeit 13, 39, 67, 68, 95, 96, 104, 120, 123, 135, 151 Urteil 32, 39, 41, 44, 48, 53, 55, 56, 63, 66,68 - 72, 74 - 79,81,82,84,86,87, 89,90,92,96,103,107,113,119,131, 133; 137, 138, 142 Urteilsverfahren 38,39, 44ft. Usseln (SR) 79,80 Vander Meer, Albert (SR) 125 Vattel, Emer de 17,102, 103f Venedig 18,35,42,44,45,47,58,62,65, 66,68,101,129,146 Vereinigte Staaten von Amerika 11,17, 90,149 - 153 Verfahren, summarisches 82,83,122 Verfahrensherrschaft 33,38,47,54,112 Verfahrensvorschriften 29, 57, 69, 70, 73, 74, 77, 78, 80, 81ft., 89, 96, 97, 110, 112, 119, 120, 122, 124, 154 Vergleich 31,32,38 - 43, 54 - 56, 67, 70, 74,76,79,92,103,110,111,120,128, 138, 141, 146, 152, 153 Vergleichsverfahren 38, 39ft., 48,72,81, 87,90 Verhandlungsgremium 31, 39ff., 42 - 44, 58, 59, 64, 72, 76, 110, 114, 122, 124, 126, 131, 143 Verhandlungsmaxime 88, 112 Vermittlung 15, 17,28,29,37,39 - 41, 51,66,71,74,76,79,80,85,87,89,90, 92,96,98,99, 102 - 104, 115, 127, 128, 130,131,135 -137, 144 Verschwinden der Schiedsgerichte 16, 17, 20,21,23,27,59, 100, 125, 129 - 131, 134,137,142,143,148,150,155

Vertragsrecht 11, 18,24 - 29, 31ft., 35,41, 44, 59, 90, 91, 95, 98, 100, 101, 104, 106, 109, 122, 126, 127, 134, 136, 140, 142 - 146, 152, 154, 156 Vertragsstrafe 55, 118 Verzögerung 33, 82, 83, 85, 86, 89, 134, 137,139 via juris 37, 41 Vitoria, Francisco de 133 Vitriarius, Philipp Reinhard 97 Vogelsank (SR-Kandidat) 123 Völkerrecht, klassisches 23, 131 Völkerrechtsgeschichte 11ft., 18,20,2225,30 Völkerrechtsliteratur , zeitgenössische 24,

25,27,28,90,91ft.,106,116,123,124

Völkerrechtsordnung 11 - 14, 20, 22, 28, 124, 131 - 134, 144 - 146, 157 Völkerrechtssubjektivität 21, 23, 24, 26,

47,50,132, 134,144ft., 155

Waldstädte 52 Walker, Walter (SR) 94, 114, 124 Watson, William (Kfm.) 113 Westfriesland 55, 141 Wettstein, Rudolf (SR) 50, 62 Wild, Richard (Kfm.) 111 Wildfangstreit 57, 102 Wilhelm, Hzg. v. Jülich-Cleve 55 winding-up Klauseln 142 Winslow, Edward (SR) 122, 123 Wolff, Christian 28,102f, 104 Zeugen 33, 63, 65, 83, 84, 88, 97, 112, 113 Zoll 55,127 Zouche, Richard 94, 124 Zürich 23,35,44,45,62,68,129 Zwangsmaßnahmen 27, 62, 65,93, 103, 116 Zweikampf 92