Inspirationen des Sportrechts [1 ed.] 9783428549566, 9783428149568

Mittlerweile sind die Interuniversitären Tagungen Sportrecht zu einer in der Fachwelt beachteten Tradition geworden. Der

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Inspirationen des Sportrechts [1 ed.]
 9783428549566, 9783428149568

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Beiträge zum Sportrecht Band 47

Inspirationen des Sportrechts

Herausgegeben von Klaus Vieweg

Duncker & Humblot · Berlin

KLAUS VIEWEG (Hrsg.)

Inspirationen des Sportrechts

Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Udo Steiner und Klaus Vieweg

Band 47

Inspirationen des Sportrechts

Herausgegeben von Klaus Vieweg

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 978-3-428-14956-8 (Print) ISBN 978-3-428-54956-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-84956-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Am 9./10. Oktober 2014 fand die 15. Interuniversitäre Tagung Sportrecht am Max-Planck-Institut für internationales, europäisches und regulatorisches Verfahrensrecht in Luxemburg statt. Ihr folgte am 7./8. August 2015 die 16. Interuniversitäre Tagung Sportrecht an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Teilnehmer waren Professoren, Doktoranden, wissenschaftliche Mitarbeiter und Studenten aus 10 Universitäten sowie namhafte Sportrechtsexperten aus der Praxis. Dieser Band enthält die für die Veröffentlichung durchgesehenen und teilweise ergänzten Vorträge. Die intradisziplinäre Vielfalt der Themen spiegelt – wie schon in den vorherigen Tagungsbänden – das unterschiedliche fachliche Interesse und Problemgespür der „jungen Sportrechtler“ wider. Der Titel „Inspirationen des Sportrechts“ greift diese individuellen Akzentsetzungen auf und bringt zugleich zum Ausdruck, dass die Querschnittsmaterie Sportrecht nicht nur fachgebietsintern, sondern auch darüber hinaus für andere Rechtsgebiete Anregungen zu geben vermag. Bei der redaktionellen Bearbeitung und Druckvorbereitung hat mich Sabine Trippmacher tatkräftig unterstützt. Ihr gebührt mein herzlicher Dank. Erlangen, im Dezember 2015

Klaus Vieweg

Inhaltsverzeichnis Marc Alexander Kretschmer Die Vermarktung von Persönlichkeitsrechten im Profisport. Vermarktungsfähige Positionen und Persönlichkeitsverwertungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Paul Lambertz Der Athlet auf dem Weg zur Teilnahme am Wettkampf und die (rechtlichen) Probleme auf seinem Weg. Ausgewählte Rechtsprobleme der Nominierung im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Stefan Brost Handlungsoptionen des Gesetzgebers zur Einführung eines Leistungsschutzrechts sui generis für Sportveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Johannes Wittmann Die Anfechtung eines Schiedsspruchs des CAS wegen der vorschriftswidrigen Zusammensetzung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Cristina M. Mariottini Sports-related Domain Names vis-à-vis ICANN’s New gTLD Program and Dispute Resolution System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Patrick Meier Materielle Rechtmäßigkeit von finanziellen Dopingsanktionen nach deutschem und europäischem Recht. Das Beispiel der UCI-Ehrenerklärungen im Radsport 137 Kirsten Helmecke Werbebeschränkungen im Sport in Deutschland und Frankreich . . . . . . . . . . . . . 165 Jan Axtmann Die Vorlage von Sportschiedsgerichten zum EuGH nach Art. 257 AEUV . . . . . 185 Matthias Voigt Das Diskriminierungsverbot des organisierten bundesweiten Fußballs am Beispiel eines Sonderfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Karolina Tetłak Internationale Sportveranstaltungen, insbesondere Olympische Spiele, und Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

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Inhaltsverzeichnis

Katharina Lammert Korruption im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Bernd Fluck Beschlussmängel in Sportvereinen und -verbänden. Zugleich eine Anmerkung zum Urteil des Landgerichts München I vom 25. Juli 2014 – 22 O 25649/13 . . . 255 Stefan Horn Meca-Medina. Europäisches Kartellrecht und Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Sebastian Egger Third-party Ownership of Players’ Economic Rights und Kartellrecht . . . . . . . . 307

Die Vermarktung von Persönlichkeitsrechten im Profisport Vermarktungsfähige Positionen und Persönlichkeitsverwertungsrechte Marc Alexander Kretschmer I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermarktungsfähigkeit der Persönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Persönlichkeitsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustimmungsfreie Nutzung der Persönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einwilligungsbedürftige Verwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einwilligungsfreie Verwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Privatsphäre im Alltag, Beeinträchtigung der Ehre, Infotainment und satirische Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Privatsphäre im Alltag und Ehrbeeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Infotainment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Satirische Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einräumung der Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schuldrechtliche Verwertungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dualistische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Monistische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entwicklung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verkehrsfähigkeit der Persönlichkeitsrechte und deren Ausgestaltung . . . . . . . . . . a) Bewertung der bisherigen Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausgestaltung verkehrsfähiger Persönlichkeitsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit urheberrechtlicher Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gegenstand der Rechtseinräumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Sportler sind optimale Werbeträger. Ihr Einsatz als Kommunikationsmittel garantiert dem Produkt nicht nur gesteigerte Beachtung seitens der Konsumenten, sondern fördert durch den beabsichtigten Imagetransfer auch dessen Attraktivität, was sich in einem erhöhten Produktabsatz niederschlägt.1 Die vielfältigen Aspekte der Persön1 Mayer, „Ob ein Fußballer gut spielt, ist unwichtig“, http://www.sueddeutsche.de/sport/ sportler-in-der-werbung-ob-ein-fussballer-gut-spielt-ist-unwichtig-1.190346 (zuletzt abgerufen am 10. 07. 2015).

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Marc Alexander Kretschmer

lichkeit berühmter Sportler haben daher faktisch einen sehr hohen Wert.2 Dieser tritt vor allem bei der kommerziellen Verwendung der Person im Merchandising, Sponsoring oder auf dem Feld der Werbung mit sog. Testimonials3 deutlich hervor. Wirtschaftlich betrachtet kommt den Erscheinungsformen der Persönlichkeit mithin eine Bedeutung zu, die als Einnahmequelle dem durch die sportliche Leistung zu erzielenden Verdienst häufig in nichts nachsteht oder diesen gar übersteigt.4 Ein entsprechend großes Interesse, diese Aspekte möglichst umfassend und exklusiv zu verwerten, besteht selbstredend nicht nur auf Seiten der einzelnen Sportler, deren Sphäre sie originär entstammen. Die Vereine, für die der Sportler antritt, die jeweiligen Verbände, deren Nationalmannschaftskader der Athlet möglicherweise angehört, und die Veranstalter von Wettkämpfen möchten ebenfalls möglichst viele Vermarktungsoptionen wahrnehmen.5 Schließlich resultieren die hohe Popularität, die starke Medienpräsenz und somit unmittelbar auch der enorme Kommerzialisierungswert nicht nur aus den positiven Charaktereigenschaften der Athleten, sondern auch aus deren Teilnahme an organisierten Wettkämpfen, deren Durchführung und Regelung nur durch eine übergeordnete Institution gewährleistet werden können. Daneben stehen berechtigte und unberechtigte Dritte wie die Presse oder die Werbebranche, die gleichfalls ein Interesse an der Nutzung verschiedener Ausprägungen der Persönlichkeit der Sportler haben, sei es zu Marketing- oder zu Informationszwecken.6

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Mayer, „Ob ein Fußballer gut spielt, ist unwichtig“, http://www.sueddeutsche.de/sport/ sportler-in-der-werbung-ob-ein-fussballer-gut-spielt-ist-unwichtig-1.190346 (zuletzt abgerufen am 10. 07. 2015). 3 Bei der Testimonial-Werbung geben – meist prominente – Persönlichkeiten vor, bestimmte Produkte zu nutzen und mit diesen zufrieden zu sein. Beabsichtigt ist ein Imagetransfer von der Person hin zur beworbenen Sache. 4 Mersch, Topverdiener im Fußball, „Ronaldo schlägt Messi – beim Einkommen“, http:// www.handelsblatt.com/sport/fussball/nachrichten/topverdiener-im-fussball-ronaldo-schlaegtmessi-beim-einkommen/4338500.html (zuletzt abgerufen am 12. 07. 2015); Bergmann, in: Götting/Schertz/Seitz (Hrsg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, München 2008, § 42 Rn. 2; Thorpe I.S.L.J. 2013, 211 (211). 5 Die Bedeutung dieses Themas veranschaulicht der gescheiterte Wechsel des bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Schalke 04 aussortierten Fußballspielers Kevin-Prince Boateng. Nach Medienberichten kam der Vertrag mit dem portugiesischen Verein Sporting Lissabon nur deshalb nicht zustande, weil sich die Parteien nicht über die Aufteilung der Verwertungsrechte an den Persönlichkeitsmerkmalen einigen konnten, http://www.spiegel.de/sport/fussball/kevinprince-boateng-wechsel-zu-sporting-scheitert-an-bildrechten-a-1046903.html (zuletzt abgerufen am 20. 08. 2015). 6 Bei dieser Interessengemengelage sind Kollisionen und Konflikte auf rechtlicher Ebene unvermeidlich. Dabei müssen nicht nur persönlichkeits- und vertragsrechtliche Implikationen beachtet werden, sondern auch das Kartellrecht; zu diesen Fragen Kretschmer, Die Verwertung von Persönlichkeitsrechten im Profisport, Tübingen 2015, passim.

Die Vermarktung von Persönlichkeitsrechten im Profisport

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II. Vermarktungsfähigkeit der Persönlichkeitsrechte Der Schutz vermögenswerter Interessen durch Persönlichkeitsrechte wurde juristisch lange Zeit nicht anerkannt. Ein Blick auf die Werbung der heutigen Zeit offenbart aber, dass der Verwertung von Aspekten der Persönlichkeit faktisch eine überragende Rolle zukommt. Rechtsprechung und Literatur tragen dem mittlerweile weit überwiegend Rechnung.7 In der Folge stellen sich die Fragen, welche Merkmale von Sportlern in der Regel den Gegenstand der Vermarktung bilden und wie diese rechtlich einzuordnen sind. Zudem ist zu erörtern, inwieweit dem Einzelnen überhaupt die alleinige Dispositionsfreiheit über seine Persönlichkeitsmerkmale zusteht und in welchen Fällen er dagegen eine gestattungsfreie Nutzung eben dieser aufgrund überwiegender Interessen Dritter hinnehmen muss. Zur Veranschaulichung der Problematik soll der für den Spielbetrieb der 1. und 2. Fußballbundesliga maßgebliche Musterarbeitsvertrag (im Folgenden: MuAV)8 der DFL herangezogen werden, dessen persönlichkeitsrechtliche Verwertungsklauseln aufgrund der im Fußball bereits weit fortgeschrittenen Professionalisierung und Kommerzialisierung als Paradebeispiel der Sportvertragspraxis gelten können. So heißt es in § 3 lit. a) und d) MuAV: „Der Spieler räumt dem Club, sofern und soweit seine Tätigkeit als Lizenzspieler und nicht ausschließlich seine Privatsphäre berührt ist, das ausschließliche Recht ein, sein Bildnis, seinen Namen (auch Spitz- und Künstlernamen), das von ihm gesprochene Wort sowie besondere fußballbezogene Persönlichkeitsmerkmale uneingeschränkt zu nutzen und zu verwerten. (…) Zu der ausschließlich der Privatsphäre des Spielers zugeordneten und bei diesem verbleibenden wirtschaftlichen Verwertung der Persönlichkeitsrechte gehören insbesondere schriftstellerische Tätigkeiten sowie die Testimonial-Werbung für nicht fußballbezogene Produkte. (…) Der Spieler stellt dem Club außerdem jederzeit seine Autogrammunterschrift im Originalschriftzug, als Faksimile oder in gedruckter Form für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit und/ oder zur Wiedergabe auf vom Club beschafften Souvenir- und Verkaufsartikeln – ggf. auch in Verbindung mit Werbung Dritter – zur Verfügung.“ [Hervorhebungen durch den Verfasser]

Mit den hervorgehobenen Begriffen sind die wesentlichen Vermarktungsformen der Persönlichkeit des Sportlers angesprochen. Diese sollen im Folgenden rechtlich eingeordnet und auf ihre Vermarktungstauglichkeit geprüft werden.

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Siehe hierzu Kretschmer (Fn. 6). Abgedruckt in Fritzweiler/Summerer/Pfister (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, 3. Aufl. 2014, Anhang C., S. 1010 ff. 8

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1. Persönlichkeitsmerkmale Einzelne der zuvor aufgezählten Merkmale sind gesetzlich verankert. So findet sich in den § 22 ff. KUG das Recht am eigenen Bild9 sowie in § 12 BGB das zivilrechtliche Namensrecht, das neben dem Spitz- und Künstlernamen10 auch die Autogrammunterschrift erfasst.11 Schriftstellerische Tätigkeiten werden je nachdem, ob sie das Kriterium der Schöpfungshöhe nach § 2 Abs. 2 UrhG erfüllen oder nicht, als Sprachwerk urheberrechtlich oder durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt. Ebenso verhält es sich mit dem gesprochenen Wort, dem es in aller Regel an der Werkqualität fehlen wird, sowie mit der Stimme allgemein.12 Daneben umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht des Sportlers, frei über seine gesamte äußere Erscheinung disponieren zu können.13 Die Möglichkeit des Sportlers, seinen Körper als Werbefläche einzusetzen, spielt in der Sportpraxis eine immens wichtige Rolle.14 Das Spektrum reicht vom Tragen von Kleidungsstücken ausgewählter Hersteller in der Öffentlichkeit über die Werbung auf Wettkampf- und Freizeitkleidung durch das Anbringen von Unternehmenslogos oder Namen, vom Verwenden bestimmter Ausrüstungsgegenstände bis hin zur Nutzung des Körpers an sich durch die Präsentation von Firmenemblemen mittels Tätowierungen bzw. Aufklebern, als Nagellack, in Frisuren oder durch das Tragen von Kontaktlinsen.15 Auslegungsbedürftig ist die Position der „fußballbezogenen Persönlichkeitsmerkmale“. Nach mündlichen Aussagen von Vertretern des Ligaverbandes sollten hier vor allem typische Gesten, wie etwa der individuelle Torjubel eines Spielers, erfasst werden. Einer Monopolisierung derart banaler Ausdruckformen zu Gunsten eines Einzelnen stehen jedoch ihre fehlende Schutzwürdigkeit sowie der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit entgegen.16 9 Diesem kommt in der Sportvermarktung eine überragende Rolle zu. Dies belegt die Anzahl entsprechender gerichtlicher Entscheidungen. Siehe die Nachweise bei Heermann, Haftung im Sport, Stuttgart 2008, Rn. 524 und Nolte CaS 2005, 246 (246 ff.). 10 Ihnen kommt aufgrund der Beliebtheit solcher Namensverkürzungen eine besondere Bedeutung zu. Dies belegen entsprechende Urteile: BGH NJW 1983, 1184 – Uns Uwe; LG Düsseldorf NJW-RR 1988, 748 – Berti; OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 450 – Quick Nick; LG München I SpuRt 2007, 211 – Schweini. 11 Einen gesetzlichen Schutz des persönlichen Datums statuiert das BDSG. 12 BGHZ 143, 214 (219) – Marlene Dietrich; hierzu ausführlich Röhl, Schutzrechte im Sport, Berlin 2012, S. 366 ff. 13 Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl., München 2015, § 823 Rn. 86. 14 Fritzweiler/Summerer/Pfister (Fn. 8), 3. Teil Rn. 78; Bergmann (Fn. 4), § 42 Rn. 5. 15 Siehe zum Beispiel die Werbemaßnahme des Sprinters Linford Christie, der während der Olympischen Spiele 1996 in Atlanta Kontaktlinsen mit dem Emblem seines Sponsors Puma trug. 16 Ausführlich Kretschmer (Fn. 6); im Ergebnis ähnlich v. Bassewitz, Prominenz und Celebrity: die Vermarktung bekannter Persönlichkeiten in Deutschland, England und den USA aus marken- und persönlichkeitsrechtlicher Sicht, Köln/München 2007, S. 26; Waldhauser, Die Fernsehrechte des Sportveranstalters, Berlin 1998, S. 95; Laier, Die Berichterstattung über Sportereignisse, Tübingen 2007, S. 138.

Die Vermarktung von Persönlichkeitsrechten im Profisport

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2. Zustimmungsfreie Nutzung der Persönlichkeitsrechte Im Folgenden ist zu erörtern, inwieweit die gefundenen Rechtspositionen durch den Sportler exklusiv vermarktet werden können. Grundsätzlich ist die Verwendung fremder Persönlichkeitsrechte von der Einwilligung ihres Inhabers abhängig, wie sich exemplarisch § 22 S. 1 KUG entnehmen lässt.17 Aufgrund überwiegender, legitimer Interessen der Allgemeinheit existieren hiervon allerdings Ausnahmen, die eine freie – und damit auch kostenfreie – Nutzung dieser Rechte ermöglichen. Die Frage lautet also: In welchen Fällen kann der Rechte-inhaber den Einsatz seiner Rechte durch Dritte untersagen und sie somit effektiv vermarkten? Hier kann und soll auf die Wertungen und Abwägungen zurückgegriffen werden, die der Gesetzgeber zum Bildnisschutz in den §§ 22 f. KUG als normatives Leitbild einfachgesetzlich niedergelegt hat. Da sich die dortige Abstufung ihrem Wesen nach nicht von der Abwägung zur Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterscheidet, ist dieses Vorgehen durchaus legitim.18 Mit dem Ziel, für die Verwertung persönlichkeitsrechtlicher Positionen von Sportlern eine Konkretisierung der Problemfälle mittels spezifischer Kriterien zu erreichen, werden im Folgenden auf der vorgenannten Basis Leitlinien für die Nutzung von Persönlichkeitsmerkmalen herausgearbeitet. a) Einwilligungsbedürftige Verwendungen Ohne die Einwilligung des Abgebildeten stets unzulässig ist die Verwendung von Aufnahmen aus der Intimsphäre desselbigen, die die Bereiche Krankheit, Tod und Sexualität erfasst.19 So muss ein Fußballspieler die Veröffentlichung eines Bildes mit zufällig entblößtem Geschlechtsteil ebenso wenig dulden20 wie ein Sportfunktionär die Verbreitung von Fotos und Videos, die ihn bei der Ausübung sexueller Praktiken in einem nicht-öffentlichen Raum zeigen21. Auch die Abbildung eines Athleten, 17 Die Einwilligung wird gem. § 22 S. 2 KUG vermutet, wenn der Abgebildete hierfür eine Entlohnung erhalten hat. 18 Schlechtriem DRiZ 1975, 65 (67 f.); Götting (Fn. 4), § 1 Rn. 9, § 11 Rn. 13. Hierfür spricht ferner, dass nach h. M. die Ausnahmen des § 23 KUG bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Bildbereich entsprechend anzuwenden sind, siehe Dreier/Specht, in: Dreier/Schulze (Hrsg.), UrhG, 4. Aufl., München 2013, § 23 KUG Rn. 2; Lochmann, Die Einräumung von Fernsehübertragungsrechten an Sportveranstaltungen, Tübingen 2007, S. 276. Gleiches gilt nach überwiegender Auffassung für den Bereich der Namensverwendung zu kommerziellen Zwecken, siehe OLG Hamburg AfP 2004, 232 (233); Bunnenberg/Schertz (Fn. 4), § 13 Rn. 25; Kusulis/Wichert SpuRt 2008, 53 (54); Gauß GRUR Int. 2004, 558 (562); Schertz AfP 2000, 495 (504 f.). 19 BGH NJW 2010, 763 (Rn. 16) – Esra; Fricke, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Urheberrecht, 4. Aufl., München 2013, § 23 KUG Rn. 33 f. 20 Fricke (Fn. 19), § 23 KUG Rn. 33. 21 LG Hamburg, Urteil vom 04. 02. 2014, Az.: 324 O 264/11 (Rn. 171 ff.) – Max Mosley. Das Gericht entschied, dass ein Internetsuchmaschinenbetreiber es unterlassen müsse, be-

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der aufgrund eines schweren Unfalls mit dem Tode ringt, bedarf zwingend dessen Zustimmung.22 Die Abbildungsfreiheit endet ferner bei manipulierten Aufnahmen, die den Aussagegehalt des Bildnisses verfälschen,23 etwa bei einer nicht gekennzeichneten Fotomontage, die den Torhüter der Fußballnationalmannschaft neben Ehefrau und Geliebter darstellt,24 sowie bei sachfremder Schmähkritik25. Darüber hinaus bedarf es einer Einwilligung in die Herstellung und Veröffentlichung von Aufnahmen aus der engeren Privatsphäre. Nach neuerer Rechtsprechung betrifft dies Bilder, die den persönlichen Rückzugsbereich des Einzelnen zeigen, in dem er sich entspannt und sich gehen lässt, und zwar unabhängig von einer räumlichen Abgeschiedenheit.26 Erkennbar private Lebensvorgänge sind demnach Teil des Schutzes der Person gem. §§ 22, 23 KUG, selbst wenn sie in öffentlichem Raum stattfinden,27 so dass von einem subjektiv-situationsgebundenen Privatsphärenschutz gesprochen werden kann.28 Schwierig sind die Fälle, in denen Prominente ihrem alltäglichen Leben nachgehen, ohne sich hierbei subjektiv in einem Rückzugsbereich zu bewegen. Hierauf wird später genauer eingegangen. Schließlich stehen die Persönlichkeitsrechte einer rein werblichen oder sonstigen kommerziellen Verwendung ohne Einwilligung des Betroffenen entgegen.29 Einem höherrangigen schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit kommt nicht nach, wer durch die Verwertung von Persönlichkeitsmerkmalen primär seine stimmte Fotos und Videos des klagenden Sportfunktionärs in den Trefferlisten seiner Suchmaschinen anzuzeigen. Es ist indes zweifelhaft, ob die dem Anbieter der Suchmaschine auferlegten weitgehenden Überwachungs- und Kontrollpflichten als zumutbar angesehen werden können. 22 Schwerdtner, Schutz der Persönlichkeitsrechte des Sportlers, in: Württembergischer Fußballverband e.V. (Hrsg.), Medien, Recht und Sport, Stuttgart 1987, S. 106 (115). 23 BVerfG AfP 1999, 57 (59 f.); Fricke (Fn. 19), § 23 KUG Rn. 35; die falsche Wahrnehmung kann sich auch aus einem Begleittext ergeben, der den Inhalt des Bildes als Dopingeinnahme beschreibt, siehe Schwerdtner (Fn. 22), S. 106 (108). 24 LG München I AfP 2003, 373 (373 f.). 25 Dreier/Specht (Fn. 18), § 23 KUG Rn. 26; Schertz (Fn. 4), § 12 Rn. 84; zur Abgrenzung zur gerechtfertigten Meinungsäußerung BVerfG GRUR 2013, 1266 – Winkeladvokat; OLG Frankfurt a.M. ZUM 2012, 973 (974). 26 BVerfG GRUR 2008, 539 (541) – Caroline von Monaco; diese ist aber weiterhin äußerst starkes Indiz für einen überwiegendes berechtigtes Interesse des Betroffenen nicht abgebildet zu werden. 27 BGH WRP 2013, 183 (Rn. 17) – Playboy am Sonntag; BGH ZUM 2009, 560 (561) – Sabine Christiansen; anders noch BVerfGE 101, 361 (384 f.) – Caroline von Monaco; BGHZ 131, 332 (343) – Paparazzi-Fotos; LG Hamburg ZUM 1998, 579 (579 ff.). Überzeugend dagegen LG Berlin NJW-RR 2007, 923 – Lukas Podolski. 28 Fricke (Fn. 19), § 23 KUG Rn. 31 f. spricht von „privaten Alltagssituationen“. 29 Allgemein BGHZ 143, 214 (229) – Marlene Dietrich; für das Recht am eigenen Bild: BGHZ 20, 345 (350 ff.) – Paul Dahlke; BGHZ 49, 288 (293 f.) – Ligaspieler; BGH GRUR 1979, 732 (734) – Fußballtor; für die Verwendung des Namens: BGHZ 30, 7 (12) – Caterina Valente; BGHZ 81, 75 (79 ff.) – Carrera; BGHZ 155, 273 (276 f.) – maxem.de; LG Düsseldorf NJW-RR 1998, 747 (748) – Berti; für die Verwendung der Stimme: OLG Hamburg GRUR 1989, 666 – Heinz Erhardt.

Die Vermarktung von Persönlichkeitsrechten im Profisport

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eigenen wirtschaftlichen Interessen zu befriedigen sucht.30 Eine Ausnahme zu Gunsten von Presseerzeugnissen gibt es hiervon nicht.31 Dieser Grundsatz gilt folglich für die Nutzung in der Werbung für andere Produkte, als Warenzeichen32 oder bei klassischen Merchandisingartikeln, bei denen die Abbildung verschiedener Persönlichkeitsdetails die eigentliche Ware darstellt (z. B. Poster, Fotos oder Aufkleber) oder deren wertbestimmenden Faktor bildet (z. B. ein uncharakteristisches T-Shirt mit dem Bild eines Profifußballers).33 Ausschlaggebend ist, dass der Verbraucher eine gedankliche Verbindung zwischen dem Athleten und der beworbenen Ware herstellt. Besonderes Gewicht hat der Eingriff, wenn dabei der Eindruck entsteht, der Abgebildete identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt oder bewerbe es.34 b) Einwilligungsfreie Verwendungen Ohne die Einwilligung des Sportlers möglich ist die Nutzung von persönlichkeitsrechtlichen Positionen zu reinen Informationszwecken. Dies gilt in aller Regel für die redaktionelle Berichterstattung.35 Folglich müssen Sportler die Information der Medien über die Ausübung ihrer Sportart, sei es im Training, sei es im Wettkampf, dulden. Hierzu gehören nicht nur die unmittelbare Wiedergabe des normalen Geschehens, sondern auch schwere Fouls, Verletzungen, Unfälle sowie Nahaufnahmen und Zeitlupen.36 Gleichfalls einwilligungsfrei ist die öffentliche Information in Wort und Bild über Handlungen, die in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang zur eigentlichen Berufsausübung stehen, so z. B. beim Verlassen des Trainingsgeländes oder bei einem offiziellen Termin. Einer Einwilligung bedarf es selbst dann nicht, wenn im Rahmen der Fernsehübertragung der Veranstaltung oder an ihrem Austragungsort in Form von Bandenwerbung geworben wird und somit die Bilder der Athleten mittelbar mit Werbemaßnahmen in Kontakt treten. Im Vordergrund steht die Vermarktung des Ereignisses als solches.37 Schließlich ist hier zu berück-

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BGH NJW 2009, 3032 (3035) – Rätselheft; BGHZ 143, 214 (229) – Marlene Dietrich; BGH GRUR 1979, 732 (734) – Fußballtor; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. 08. 2013, Az.: I-20 U 190/12 – jurisPC; Dreier/Specht (Fn. 18), § 23 KUG Rn. 28. 31 BGH NJW 2009, 3032 (3034) – Rätselheft; OLG München GRUR-RR 2003, 292 (293) – Dummy-Werbung, hier warb eine Zeitung mit einem bebilderten Artikel über einen Tennisspieler, obwohl der Artikel nicht existierte und nie erscheinen sollte. 32 OLG Hamburg GRUR 2002, 450 – Quick Nick; LG München I SpuRt 2007, 211 – Schweini. 33 Schertz, Merchandising – Rechtsgrundlagen und Vertragspraxis, München 1997, Rn. 351 f.; Röhl (Fn. 12), S. 315 f. 34 BGH WRP 2013, 183 (Rn. 25) – Playboy am Sonntag; BGH GRUR 2010, 546 (Rn. 19) – Der strauchelnde Liebling; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 1 (1) – Jan Ullrich. 35 Schertz (Fn. 4), § 12 Rn. 33; Dreier/Specht (Fn. 18), § 23 KUG Rn. 11 ff. 36 Waldhauser (Fn. 16), S. 169; Röhl (Fn. 12), S. 263 f. 37 Haas/Reimann SpuRt 1999, 182 (184); Summerer (Fn. 9), 4. Teil Rn. 193; Lochmann (Fn. 18), S. 273.

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sichtigen, dass die Sportler sich zur Ausübung ihrer Tätigkeit freiwillig und bewusst in die Öffentlichkeit begeben.38 c) Privatsphäre im Alltag, Beeinträchtigung der Ehre, Infotainment und satirische Werbung Schwierig gestaltet sich die Frage nach der Erforderlichkeit der Einwilligung im Bereich der „weiteren“ oder „öffentlichen“ Privatsphäre, beim Ehrenschutz sowie bei den Mischformen zwischen Werbung und Information („In-fotainment“) oder der Satire. aa) Privatsphäre im Alltag und Ehrbeeinträchtigungen Bewegt sich ein Sportler nicht in seiner Intimsphäre oder dem subjektiven, privaten (insbesondere auch räumlichen) Rückzugsbereich, darf nach der neueren deutschen Rechtsprechung über ihn in Wort und Bild berichtet werden, wenn der Beitrag für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess förderlich ist. Dies gilt für rein unterhaltende Beiträge gleichermaßen. Ausschlaggebend ist ein hinreichender Informationswert der begleitenden Wortberichterstattung. Zudem zu berücksichtigen sind die örtliche Situation und die damit verknüpften Erwartungen an die Privatheit durch den Abgebildeten.39 Gegen die Zulässigkeit können die Umstände der Gewinnung des Bildes sprechen, etwa wenn dieses heimlich oder im Zuge dauerhafter Nachstellung angefertigt wurde.40 Die Abwägung muss hier im Einzelfall erfolgen. Die Verbreitung eines Bildnisses, das die Ehre und den Ruf des Abgebildeten beeinträchtigt, braucht dieser regelmäßig nicht hinzunehmen.41 Allerdings kann nicht jede Darstellung mit negativer Tendenz von dem Betroffenen unterbunden werden.42 So muss gerade ein Fehlverhalten von am Sport beteiligten Personen durch die Presse aufgrund der Vorbildfunktion, vor allem für die Jugend, und deren Repräsentationsaufgabe für die Werte des Sports erörtert werden dürfen, um die Diskrepanz zwischen öffentlicher Darstellung und wahrem Verhalten aufzudecken. Hierher gehören insbesondere Alkohol- oder Drogenexzesse sowie Sachbeschädigungen oder Schlägerei-

38 Siegfried, Die Fernsehberichterstattung von Sportveranstaltungen, München 1990, S. 10; Schwerdtner (Fn. 22), S. 106 (108, 114), der aber zu weitgehend in der Teilnahme alleine eine konkludente Einwilligung erblickt. Einer Einwilligung bedarf es hier aus den genannten Gründen gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG überhaupt nicht. 39 Vgl. BVerfG GRUR 2011, 255 (257). 40 EGMR ZUM 2014, 284 (288). 41 BGH GRUR 1962, 324 – Doppelmörder; Schertz (Fn. 4), § 12 Rn. 85. 42 BVerfG GRUR 2010, 544 (545); aus dem englischen Rechtskreis Campell v MGN [2004] 2 A.C. 457; Douglas v Hello [2005] EWCA Civ. 595; John Terry v Persons Unknown [2010] EWHC 119 (QB); Callery ISLR 2010, 48 (49 ff.); a. A. Lober/Weber ZUM 03, 658 (667 f.); Schwerdtner (Fn. 22), S. 106 (115).

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en, obwohl diese dem Ansehen sowie dem Ruf und damit auch dem Werbewert des Betroffenen schaden.43 bb) Infotainment Für Vermarktungsfragen von überragender Bedeutung, ausgesprochen problematisch und deshalb Gegenstand vieler Gerichtsentscheidungen sind die Mischformen zwischen kommerzieller Nutzung und Informationsverbreitung. Neben der Verfolgung eigener kommerzieller Interessen befriedigt der Verwender hier auch Informationsinteressen. Da unter anderem Zeitungsverlage, Fernseh- und Radiosender am Wirtschaftsleben teilnehmen, kann solchen Beiträgen eine Berufung auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht von vornherein versagt werden.44 Ausschlaggebend für die Beantwortung der Frage, ob die Verwendung eines Bildnisses der Einwilligung des Betroffenen bedarf oder nicht, muss die Feststellung über den vordergründigen Zweck der Nutzung sein.45 Die Übergänge sind dabei oft fließend. Im Zwischenbereich von Werbung und redaktioneller Informationsverbreitung liegen Darstellungen und Namensnennungen auf der Titelseite eines Presseprodukts. Aufgrund der herausragenden Stellung der Pressefreiheit für das demokratische Gemeinwesen genießen bereits Publikationen von geringem informatorischen Gehalt umfassenden Schutz. Ein berühmter Tennisspieler darf folglich auf dem Titel eines Lehrbuchs gezeigt werden, wenn sich dieses unter anderem mit seiner Spieltechnik befasst.46 Ein Sportler muss ferner die Nutzung seiner Merkmale auf der Titelseite eines Presseerzeugnisses hinnehmen, selbst wenn es sich hierbei nur um eine einfach gestaltete Kundenzeitschrift handelt.47 Die Anforderungen an den mit dem Bild vermittelten Informationswert sind nicht sehr hoch. Irgendeine beliebige, über die rein werbliche Nutzung hinausgehende, informierende Aussage, die Bezug auf den Abgebildeten nimmt, reicht jedoch nicht aus.48 Erschöpft sich der redaktionelle Beitrag auf wenige begleitende Sätze auf der Titelseite des Presseerzeugnisses und weisen diese keine oder nur bereits hinlänglich bekannte Tatsachen auf, fehlt es an einem schützenswerten Informationsgehalt für die Allgemeinheit, der den Schutz der Persönlichkeit überwiegen könnte.49

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So auch Callery ISLR 2010, 48. BGH WRP 2013, 183 (Rn. 22) – Playboy am Sonntag; BGH GRUR 1979, 425 (427) – Fußballspieler. 45 OLG Hamburg SpuRt 2004, 210 (211) – Oliver Kahn; Schmid-Petersen SpuRt 2004, 248 (249); A. Fikentscher, Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten im Sport, in: Nolte (Hrsg.), Persönlichkeitsrechte im Sport, Stuttgart 2006, S. 27 (34); Strothmann GRUR 1996, 693 (696). 46 OLG Frankfurt NJW 1989, 402 (402 f.) – Boris Becker. 47 BGH AfP 1995, 495 (496) – Kundenzeitschrift; Kusulis/Wichert SpuRt 2008, 53 (56). 48 BGH NJW 2009, 3032 (3034) – Rätselheft; a. A.: OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 142 – Prominentenfoto; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 1 – Jan Ullrich. 49 BGH NJW 2009, 3032 (3034) – Rätselheft. 44

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Schwierig gestaltet sich die Beurteilung von Erzeugnissen, die nach außen hin sowohl gewerbliche als auch Informationsinteressen verfolgen, bei denen der Information also zumindest eine Nebenfunktion zukommt. So hat der BGH die Abbildung von Fußballspielern auf Sammelbildern ohne die Einwilligung der Betroffenen für rechtswidrig erklärt,50 während er das Foto auf dem Deckblatt eines Wandkalenders51 und das Portrait auf einer Gedenkmünze52 als nicht zustimmungspflichtig einstufte. Der eigenmächtigen Verwendung von Name und Bild in Computerspielen haben die Instanzgerichte wiederum einen Riegel vorgeschoben.53 In den USA waren vermehrt sog. Fantasy-Ligen54 Gegenstand richterlicher Entscheidungen.55 Eine operable Leitlinie ist weder den deutschen noch den amerikanischen Entscheidungen ohne Weiteres zu entnehmen.56 Eine sach- und praxisgerechte Differenzierung derartiger Fallgestaltungen lässt sich jedoch anhand zweier Fragen vornehmen57: (1) Erwirbt der Konsument das Produkt aufgrund eines Informationsinteresses oder bilden andere Zwecke den primären Beweggrund? (2) Aus welchem Antrieb heraus handelt der Anbieter des Produkts? Dementsprechend ist die Verwendung von Persönlichkeitsmerkmalen auf Sammelbildern, Wandkalendern und Computerspielen nur mit Einwilligung des Sportlers möglich58, In diesen Fällen geht es dem Käufer nicht um die Gewinnung von Informationen. Er handelt vielmehr aus reinem Affektions-, Unterhaltungs- oder Sammlerinteresse. Natürlich lassen sich gerade einer Computersimulation viele 50 BGHZ 49, 288 (293 ff.) – Ligaspieler; ebenso OLG München ZUM 1985, 448 (451 f.); OLG München ZUM 1985, 452 (453 ff.). 51 BGH GRUR 1979, 732 (734) – Fußballspieler; dem folgend OLG München ZUM 1985, 448 (452). 52 BGH GRUR 1996, 195 (197) – Abschiedsmedaille. 53 OLG Hamburg SpuRt 2004, 210 (210 f.) – Oliver Kahn; LG Frankfurt CaS 09, 157 (164 f.); LG Hamburg ZUM 2003, 689 (690 f.). 54 Bei diesen internetbasierten Spielen stellen die Spieler fiktive Teams, die aus echten Spielern einer Sportart gebildet werden, zusammen. Die Spieler erhalten für ihre reale Leistung an den jeweiligen Spieltagen Punkte, die den jeweiligen Teammanagern gutgeschrieben werden. Solche Spielkonzepte erfreuen sich auch in Deutschland einer steigenden Beliebtheit. Bekannte Beispiele sind der kicker-Manager der gleichnamigen Sportzeitschrift sowie die Plattform www.comunio.de. 55 Siehe die Darstellung bei Dreyer, in: Nafziger/Ross (Hrsg.), Handbook on International Sports Law, Northampton, USA, 2011, Chapter 16, S. 471 ff. 56 So zu den US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen Dreyer (Fn. 54), Chapter 16 S. 474. 57 Schertz AfP 2000, 495 (502); Gauß GRUR Int. 2004, 558 (561). 58 Zum Folgenden siehe Kretschmer, Ambush Marketing im Sport und Bewertung nach deutschem Recht, S. 19 ff. http://sportrecht.org/cms/upload/seminararbeiten/Kretschmer-Am bush-Deutschland.pdf (zuletzt abgerufen am 12. 08. 2015); ausführlich auch Röhl (Fn. 12), S. 319 ff.; a. A. Nickel, Bildverwertungsrechte von Athleten und Nationalmannschaften – aus der Sicht eines Spitzensportverbandes, in: Dierker/Führungs-Akademie Berlin des Deutschen Sportbundes (Hrsg.), Vermarktungsrechte im Sport, Frankfurt am Main 1999, S. 49 (53).

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Daten und Fakten rund um den behandelten Sport entnehmen, dies ist jedoch nicht der wesentliche Kaufgrund. Die Informationen kann der Verbraucher für einen Bruchteil des Geldes aus einer Zeitschrift beziehen. Kalendern und Sammelbildern ist von vornherein nur ein sehr geringer Informationswert eigen, auf den es dem Käufer aber gleichfalls nicht ankommt. Noch deutlicher wird dieses Ergebnis mit Blick auf die zweite Abgrenzungsfrage. Hersteller von derartigen Kalendern und Sammelbildern haben nicht die Information der Allgemeinheit im Sinn. Sie hoffen vielmehr, durch die Abbildung von Sportidolen potenzielle (zumeist jugendliche) Käufer zu emotional geprägten Kaufentscheidungen zu veranlassen. Es geht folglich ausschließlich um die Förderung eigener gewerblicher Interessen. Bei Computerspielen steht ebenso eindeutig die Absicht im Vordergrund, durch realitätsnahe Aufmachung Spielinteressierten attraktive Produkte zu verkaufen und Gewinn zu erzielen. Die Einbeziehung der Kunstfreiheit im Interesse des Herstellers vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Dieser übt zwar eine Kunst aus, verfolgt damit aber gänzlich unkreativ wirtschaftliche Interessen. Der einzelne Sportler muss sich nicht kommerzialisieren lassen, auch wenn die Betätigung in einer künstlerischen Form erfolgt.59 Eine andere Beurteilung kann sich lediglich für die Abschiedsmedaille ergeben, da bei dieser typischerweise das Bild mit Informationen über die Person und ihre Leistungen kombiniert wird. Zwar kommt auch hier dem Sammelinteresse des Käufers eine hohe Bedeutung zu, es ist indes nicht auszuschließen, dass dieses mit dem Wunsch zusammenfällt, sich die wesentlichen Informationen über den Abgebildeten noch einmal bei Betrachtung der Münze zu vergegenwärtigen. Anhand der oben angeführten Fragen können bei der erforderlichen Abwägung im Einzelfall sachgerechtere Ergebnisse erzielt werden als bei einer Orientierung an dem verwendeten Medium,60 dem höchstens eine Indizwirkung zukommen kann. Schließlich wäre es denkbar, dass ein Computerprogramm Informationen über den Sport und seine Akteure mit Hilfe spielerischer Elemente vermitteln möchte oder eine Gedenkmünze ohne begleitende Information vertrieben wird. In diesen Konstellationen erlaubt die Orientierung an den Leitfragen eine andere Beurteilung als in den oben besprochenen Situationen. cc) Satirische Werbung Einen Sonderfall stellt die satirische Werbung unter Einsatz identifizierender Persönlichkeitsmerkmale prominenter Personen dar. Das BVerfG hat klargestellt, dass dem Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG auch im Rahmen kommerzieller Kommunikation ein hoher Stellenwert zukommt. Solange Werbung 59

OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. 08. 2013, Az.: I-20 U 190/12 – jurisPC; a. A. für ein gemaltes Bild des Golfspielers Tiger Woods ETW Corp. V. Jireh Publishing, Inc. 332 F.3d 915 (6th Cir. 2003). 60 Für diese A. Fikentscher (Fn. 44), S. 27 (34 f.).

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einen meinungsbildenden Inhalt hat, können in ihr sogar Bilder eingesetzt werden, sofern diese die Meinungsäußerung transportieren.61 Dies ist bei satirischer Werbung regelmäßig der Fall, da sie die überzeichnete, scherzhafte Auseinandersetzung mit tatsächlichen Geschehnissen zum Gegenstand hat. Wird also eine humorvoll wertende Aussage oder eine Anspielung über eine Frage von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse getroffen, muss die Person demnach die Verwendung ihrer Persönlichkeitsdetails dulden, selbst wenn dies im Rahmen der Werbung geschieht.62 Den vermögensrechtlichen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts kommt gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit grundsätzlich kein Vorrang zu.63 Die Grenze ist da zu ziehen, wo der Werbende sich nicht mehr mit der betroffenen Person wertend auseinandersetzt, sondern diese lediglich benutzt, um deren Image- oder Werbewert auszubeuten64 – etwa wenn die Werbung suggeriert, der Prominente identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt oder er empfehle es.65

III. Einräumung der Rechtspositionen Der vorstehende Abschnitt hat gezeigt: Sportlern stehen viele Nutzungsmöglichkeiten an ihren persönlichkeitsrechtlich geschützten Merkmalen ausschließlich zu, was ihnen erlaubt, Eingriffe durch unbefugte Dritte zu untersagen bzw. über die Verwendung autonom zu entscheiden. Damit ist noch nicht geklärt, wie sie diese Rechtspositionen mithilfe Dritter vermarkten können. § 22 S. 2 KUG sieht hierfür das Instrumentarium der gegen Entgelt erteilten Einwilligung vor. Es wird einhellig anerkannt, dass sich die Person obligatorisch dazu verpflichten kann, bestimmte Eingriffe zu dulden. Hieraus lässt sich indes keine abschließende Aussage treffen. 61 BVerfGE 71, 162 (175); BVerfGE 102, 347 (359) – Benetton I; BGHZ 169, 340 (Rn. 15) – Rücktritt des Finanzministers; BGH BeckRS 2008, 21297 – Hinter den Kulissen. 62 BGH GRUR 2008, 1124 (1125) – Zerknitterte Zigarettenschachtel, unter ausdrücklicher Einbeziehung rein unterhaltender Beiträge im Sinne von BGH GRUR 2007, 902 – Abgestuftes Schutzkonzept II. Das Urteil wurde durch den EGMR bestätigt, siehe hierzu Götting GRUR Int. 2015, 657, 660. Zur Abgrenzung zwischen Satire und Schmähkritik LG München ZUM-RD 2009, 409, das über eine Fotomontage in einer Tageszeitung zu entscheiden hatte, in der ein Fußballtrainer unter der Überschrift „Always look on the bright side of life“ als gekreuzigter Christus abgebildet war; a. A. Röhl (Fn. 12), S. 317 f., der jedoch zu einseitig auf den (fehlenden) Informationswert der Werbung abstellt, den meinungsbildenden und gegebenenfalls künstlerischen Gehalt der Satire aber vernachlässigt. 63 BGHZ 169, 193 (Rn. 13 f.) – kinski-klaus.de. Dies ergibt sich entgegen der Rechtsprechung des BGH indes nicht aus der einfachgesetzlichen Natur der vermögenswerten Bestandteile der Persönlichkeitsrechte im Gegensatz zur verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit. Schließlich streiten für Erstere das grundgesetzlich geschützte wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG und die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Diesen kommt aber grundsätzlich kein Vorrang vor Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zu. Im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG so auch Balthasar NJW 2007, 664 (666). 64 BGH GRUR 2008, 1124 (1126) – Zerknitterte Zigarettenschachtel; BGHZ 169, 340 (Rn. 19 f.) – Rücktritt des Finanzministers. 65 OLG Hamburg ZUM-RD 2010, 469 (470).

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Darüber, ob weitere Formen der Rechtseinräumung zulässig sind, bestehen divergierende Auffassungen. Traditionell galten Persönlichkeitsrechte aufgrund ihrer engen inneren Verbindung zur Person, deren Sphäre sie entstammten, als unübertragbar, unverzichtbar und unvererblich.66 In der sportrechtlichen Literatur wird dieser Ansatz häufig mit nur geringem Argumentationsaufwand und ohne eine gründliche Auseinandersetzung mit der neueren Rechtsentwicklung67 oder mit dem Verweis auf eine vorgeblich immer noch herrschende Meinung68 weiter verfolgt. Dies ist für sportvermarktungsrelevante Fragen – z. B. die Frage nach einer eigenen Klagebefugnis des Erwerbers von Persönlichkeitsrechten und in Anbetracht von nicht eindeutigen Formulierungen in entsprechenden Vertragsklauseln – unzureichend. Die Diskussion wird daher im Folgenden vorgestellt und bewertet.69 1. Schuldrechtliche Verwertungsmodelle Vereinzelt wird in der Literatur an der grundsätzlichen Unveräußerlichkeit der Persönlichkeitsrechte festgehalten. Diese Forderung stützt sich auf Argumente, die den Schutz ideeller Interessen als Hauptaufgabe der Persönlichkeitsrechte und deren Abwehrfunktion betonen. Die wirtschaftliche Nutzung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale soll lediglich mit dem Mittel der Einwilligung möglich sein, die regelmäßig Bestandteil eines zugleich geschlossenen Gestattungsvertrags ist und der damit nur eine Wirkung inter partes zukommt.70 Eine weitergehende Rechtseinräumung, die die Persönlichkeit für Dritte verfügbar mache, führe zur ideellen Selbstentäußerung.71 Die Anerkennung eines verkehrsfähigen Persönlichkeitsrechts verstoße gegen das Schutzgebot der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.72 Der Mensch 66

Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht: Das Recht am eigenen Bild, das Recht am gesprochenen Wort und der Schutz des geschriebenen Wortes, Tübingen 1991, S. 51 f.; implizit BGHZ 119, 237 (240) – Universitätsemblem; OLG Hamm NJW-RR 1987, 232 (232); OLG München ZUM 1985, 448 (449 f.); LG Nürnberg-Fürth BB 1971, 284 (284) – Pele. 67 So etwa: Körner, Die rechtliche Stellung des Sportlers bei der Vermarktung, Bonn 2000, S. 56; Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordination im Sport, Berlin 2001, S. 213; Nam, Persönlichkeitsrechtsschutz in Ungleichgewichtslagen – am Beispiel des Sports, Frankfurt am Main 2006, S. 15; Wüterich/Breucker, Das Arbeitsrecht im Sport, Stuttgart 2006, Rn. 326. 68 Waldhauser (Fn. 16), S. 186 f.; Krogmann, Grundrechte im Sport, Berlin 1998, S. 120. 69 Zu diesem Themenkomplex siehe auch Unseld GRUR 2011, 982. 70 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 6. Aufl., Tübingen 2013, Rn. 57, 638 f.; Peifer, Individualität im Zivilrecht, Tübingen 2001, S. 313 f., 326; Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Tübingen 1997, S. 252; Helle (Fn. 65), S. 114 ff. 71 Schack (Fn. 69), Rn. 57; Peifer (Fn. 69), 293 f.; ders. GRUR 2002, 495 (499). 72 Schack JZ 2000, 1060 (1060); in diese Richtung auch Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, Tübingen 2008, S. 842 ff.; ähnlich für das Recht am eigenen Bild Fricke (Fn. 19), § 22 KUG Rn. 12.

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würde sich sonst durch die Unterwerfung unter eine unkontrollierbare Fremdbestimmung selbst zum Objekt anderer degradieren.73 Mit einer weniger idealistischen Argumentation hat sich Peukert für die Beschränkung auf schuldrechtliche Vermarktungsmöglichkeiten ausgesprochen.74 Die Anerkennung vermögenswerter Bestandteile der Persönlichkeitsrechte stelle eine richterliche Rechtsfortbildung contra legem dar, die die alleinige Kompetenz des Gesetzgebers gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, neues Privateigentum zu schaffen, missachte.75 Es existiere kein allgemeines Prinzip der Güterzuordnung im deutschen Recht, das eine Deutung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechts in ein vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht stützen könne.76 2. Dualistische Modelle Im Gegensatz zu der eben dargestellten Ansicht sprechen sich andere Stimmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur für eine translative Übertragbarkeit vermögenswerter Persönlichkeitspositionen aus. Ähnlich dem im amerikanischen Recht beheimateten dualistischen Modell eines auf den ideellen Persönlichkeitsschutz ausgerichteten „Right of Privacy“ und des „Right of Publicity“, das dem Individuum die Nutzung des kommerziellen Wertes identifizierender Persönlichkeitsmerkmale und Gegenstände exklusiv zuweist und das in vollem Umfang übertragbar ist,77 wird einem rein ideellen Persönlichkeitsrecht ein abgespaltenes wirtschaftliches Persönlichkeitsrecht zur Seite gestellt. Letzteres soll entgegen dem weiterhin unübertragbaren ideellen Persönlichkeitsrecht mit dinglicher Wirkung und vollständig veräußert werden können.78 Eine umfassende dualistische Konzeption vertreten in neuerer Zeit insbesondere Beuthien und Schmölz. Sie plädieren für eine strikte Trennung zwischen der Persönlichkeit und persönlichkeitsbezogenen Gegenständen als Wirtschaftsgütern.79 Dazu 73

Baston-Vogt (Fn. 69), S. 239 f., 252. Peukert (Fn. 71), S. 836 ff. 75 Peukert (Fn. 71), S. 838 ff.; so schon Peifer (Fn. 69), S. 273. 76 Peukert (Fn. 71), S. 845 ff. 77 Siehe hierzu Dreyer (Fn. 54), Chapter 16, S. 468 ff.; Lettmaier, Konzeption und Schutz des Kommerzialisierungswertes von Sportlern aus US-amerikanischer und deutscher Perspektive, in: Vieweg (Hrsg.), Prisma des Sportrechts, Berlin 2006, S. 219 (233 ff.); Gauß GRUR Int. 2004, 558 (563 ff.). 78 Siehe die Ansätze von Heitmann, Der Schutz der materiellen Interessen an der eigenen Persönlichkeitssphäre durch subjektiv-private Rechte, Hamburg 1963, S. 78 ff.; Fikentscher, Wirtschaftsrecht Band II: Deutsches Wirtschaftsrecht, München 1983, S. 112 und Lehmann, Das wirtschaftliche Persönlichkeitsrecht von Anbieter und Nachfrager, in: Forkel/Kraft (Hrsg.), Beiträge zum Schutz der Persönlichkeit und ihrer schöpferischen Leistungen – Festschrift für Heinrich Hubmann zum 70. Geburtstag, Frankfurt am Main 1985, S. 255 (262 f.). 79 Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz durch Persönlichkeitsgüterrechte – Erlösherausgabe statt nur billiger Entschädigung in Geld, München 1999, S. 3 ff., 20 ff. 74

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zählten der Name, das menschliche Abbild, das geschriebene und gesprochene Wort, Daten mit nahem Persönlichkeitsbezug und das sich hieraus ergebende Persönlichkeitsbild.80 Aus der Einordnung als materielle Herrschaftsrechte resultiere die umfassende Befugnis, diese vermarktungsfähigen Gegenstände mit nahem Persönlichkeitsbezug zu verwerten und Rechte daran zu übertragen.81 Nach Ullmann macht die zunehmende Kommerzialisierung von Persönlichkeitsdetails diese de facto zu Immaterialgüterrechten.82 Die verdinglichten vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts sollten lizenzierbar und übertragbar sein.83 3. Monistische Modelle Einen an die Konzeption des deutschen Urheberrechts angelehnten Weg verfolgen monistische Modelle. Ihre Befürworter gehen im Gegensatz zu den Vertretern der dualistischen Ansätze davon aus, dass Persönlichkeitsrechte einheitlich die ideellen und materiellen Interessen des Einzelnen schützen, da diese untrennbar miteinander verflochten seien.84 Dies zeige sich bereits daran, dass selbst die rein wirtschaftliche Verwertung primär kommerzielle Interessen der Person betreffe, dadurch aber nicht ausgeschlossen werden könne, dass daneben ideelle Interessen des Betroffenen berührt würden. Der ideelle Kern des Persönlichkeitsrechts als unveräußerliches Menschenrecht müsse bei dem Berechtigten verbleiben.85 Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung im Bereich der Persönlichkeitsvermarktung und der Betonung des Selbstbestimmungsrechts der Person wird aber die Möglichkeit einer konstitutiven Rechtseinräumung mit dinglicher Wirkung der vermögenswerten Bestandteile der Persönlichkeitsrechte angenommen. Für die Verwertungsfragen könne das Urheberrecht als Modell herangezogen werden, da sowohl bei der Beziehung zwischen dem Urheber und seinem Werk als auch bei den Identitätsmerkmalen der Person wirtschaftliche und ideelle Interessen 80

Beuthien/Schmölz (Fn. 78), S. 12 ff., 62 f. Beuthien/Schmölz (Fn. 78), S. 34, 65. 82 Ullmann AfP 1999, 209 (210 f.). 83 Ullmann WRP 2000, 1049 (1052 f.); scheinbar auch Staudinger/Habermann, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Berlin 2013, § 12 Rn. 125. 84 Forkel GRUR 1988, 491(495 ff.); Magold, Personenmerchandising: Der Schutz der Persona im Recht der USA und Deutschlands, Frankfurt am Main 1994, S. 521 ff., 546 f.; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, Tübingen 1995, S. 276; Freitag, Die Kommerzialisierung von Darbietung und Persönlichkeit des ausübenden Künstlers, BadenBaden 1993, S. 165 ff.; Ohly, „Volenti non fit iniuria“ Die Einwilligung im Privatrecht, Tübingen 2002, S. 151 ff.; Schertz (Fn. 33), Rn. 380; Gauß, Der Mensch als Marke – Lizenzierung von Name, Bild, Stimme und Image im deutschen und US-amerikanischen Recht, BadenBaden 2005, S. 93, 277; Rixecker in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, Allg. PersönlR Rn 28 ff. 85 Forkel GRUR 1988, 491 (493); Dreier/Specht (Fn. 18), KUG § 22 Rn. 37. 81

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miteinander verklammert seien.86 Folglich könne der Einzelne seinen Vertragspartnern Nutzungsrechte an bestimmten Persönlichkeitsrechten einräumen, die als Tochterrechte an das beim Rechtsinhaber verbleibende Mutterrecht gebunden blieben. Dieses Stammrecht sei aufgrund seiner höchstpersönlichen, ideellen Komponente weiter unveräußerlich und unübertragbar, wie dies § 29 S. 2 UrhG auch für das Urheberrecht vorsehe. Eine Verkehrsfähigkeit könne durch die von Forkel entwickelte Rechtsfigur der gebundenen Rechtsübertragung bewirkt werden.87 4. Entwicklung in der Rechtsprechung Schon früh bezeichnete der BGH das Recht am eigenen Bild als vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht,88 traf aber keine Aussage zur Verkehrsfähigkeit dieser Rechtsposition. Einen ersten Anhaltspunkt lieferte die Mephisto-Entscheidung, in der das Gericht ausführte, dass „…das Persönlichkeitsrecht – abgesehen von seinen vermögenswerten Bestandteilen – als höchstpersönliches Recht unübertragbar und unvererblich…“89 sei. Großes Aufsehen erregte in der Folge das NENA-Urteil, in dem der BGH dem klagenden Merchandisingunternehmen, das die betroffene Künstlerin exklusiv dazu ermächtigt hatte, Dritten die wirtschaftliche Verwertung ihres Bildnisses gegen Entgelt zu gestatten, die Legitimation einräumte, unberechtigte Nutzer auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr in Anspruch zu nehmen.90 Die Frage der Übertragbarkeit bezeichnete das Gericht jedoch als umstritten.91 Den vorläufigen Höhepunkt der BGH-Rechtsprechung zur Verkehrsfähigkeit von Persönlichkeitsrechten stellt die Marlene-Dietrich-Entscheidung dar. Das Gericht erkannte hier erstmals vererbliche vermögenswerte Bestandteile der Persönlichkeitsrechte an, die losgelöst von der Person nach deren Tod in der Hand der Erben weiter existierten. Dabei betonte der BGH die Unübertragbar- und Unvererblichkeit der Persönlichkeitsrechte, soweit sie dem ideellen Interesse des Rechtsträgers dienten, stellte aber zugleich fest, dass die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht in gleichem Maße unauflöslich mit der Person, deren Sphäre sie entstammten, verbunden seien.92 Den Bedenken, dass eine stärkere Kommerzialisierung der Persönlichkeit eine gesellschaftliche Fehlentwicklung bedeute, der sich das Recht entgegenstellen müsse, erteilte das Gericht eine Absage. Der Rechtsordnung 86 Forkel GRUR 1988, 491 (496 ff.); Götting (Fn. 83), S. 279 f.; ders. (Fn. 4), § 1 Rn. 39, § 10 Rn. 16.; Magold (Fn. 83), S. 515 ff. 87 Grundlegend Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, Köln/München 1977, passim; ders. GRUR 1988, 491 (496 f.); Magold (Fn. 83), S. 517 ff. 88 BGHZ 20, 345 (353) – Paul Dahlke. 89 BGHZ 50, 133 (137) – Mephisto. 90 BGH GRUR 1987, 128 – NENA; a. A. noch OLG Hamm NJW-RR 1987, 232; LG Nürnberg-Fürth BB 1971, 284 – Pele; kritisch auch Ohly (Fn. 83), S. 156. 91 BGH GRUR 1987, 128 (128) – NENA. 92 BGHZ 143, 214 (221 ff.) – Marlene Dietrich; bestätigt in BGHZ 165, 203 (Rn. 14 ff.) – Postmortaler Persönlichkeitsschutz und BGHZ 169, 193 (Rn. 12 ff.) – kinski-klaus.de.

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käme gegenüber der Realität auch eine dienende Funktion zu, soweit nicht höherrangige ethische oder moralische Prinzipien entgegenstünden. Solche vermochte der BGH nicht zu erkennen.93 Obwohl das Gericht sowohl die Vertreter der dualistischen als auch der monistischen Modelle in seiner Entscheidung zitierte, hat es die Frage ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die vermögenswerten Bestandteile der Persönlichkeitsrechte unter Lebenden übertragen werden können oder ob lediglich die Einräumung von Nutzungsrechten möglich sein soll.94 Zwei sich ähnelnde Sachverhalte aus dem Bereich des Sports haben im Anschluss an das Marlene-Dietrich-Urteil die Instanzgerichte mit dem Problem der Übertragbarkeit der besonderen Persönlichkeitsrechte des Namens und des eigenen Bildes konfrontiert. Jeweils stellte sich die Frage, ob Fußballspieler der 1. Bundesliga ihre Persönlichkeitsrechte an ihre Arbeitgeber mit dinglicher Wirkung übertragen können. Während das OLG Hamburg dies noch offen ließ und lediglich andeutete, dass die anerkannte Vererbbarkeit der vermögenswerten Bestandteile dafür spreche, eine Übertragbarkeit auch unter Lebenden zuzulassen,95 hat sich das LG Frankfurt eindeutig für diese Möglichkeit ausgesprochen96. Obgleich für die Entscheidung der zivilrechtsdogmatischen Frage nicht maßgeblich, dennoch zumindest als Tendenz bemerkenswert, sei erwähnt, dass der BFH unproblematisch ein immaterielles Nutzungsrecht an der Person zur Überlassung an andere für Sportler anerkannt hat.97 5. Verkehrsfähigkeit der Persönlichkeitsrechte und deren Ausgestaltung a) Bewertung der bisherigen Ansätze Einige Stimmen in der Literatur haben aus der in der Marlene-Dietrich-Entscheidung bejahten Vererblichkeit vermögenswerter Bestandteile der Persönlichkeitsrechte ähnliche Konsequenzen gezogen wie das LG Frankfurt oder fürchten eben diese.98 Ob sich tatsächlich solch weitreichende Schlüsse aus diesem Urteil ziehen lassen, muss jedoch stark bezweifelt werden.99 Insbesondere lässt der BGH ausdrücklich offen, ob der vermögenswerte Bestandteil des Persönlichkeitsrechts „unter Le93

BGHZ 143, 214 (225) – Marlene Dietrich. BGHZ 143, 214 (221 f.) – Marlene Dietrich. 95 OLG Hamburg SpuRt 2004, 210 (212) – Oliver Kahn; ohne jegliche Wertung noch LG Hamburg ZUM 2003, 689 (691). 96 LG Frankfurt CaS 2009, 157 (162). 97 BFHE 205, 174 (177 ff.). 98 Befürwortend: Ullmann WRP 2000, 1049 (1052); Jacobs WRP 2000, 896 (896); ablehnend Schack JZ 2000, 1060 (1062). 99 Dagegen auch Peukert ZUM 2000, 710 (711 f.); Götting GRUR 2004, 801 (804); Gauß (Fn. 83), S. 93; v. Bassewitz (Fn. 16), S. 51; gleichfalls an der Tragfähigkeit der Begründung des LG Frankfurt allgemein zweifelnd Heermann CaS 09, 166 (167). 94

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benden übertragen werden kann oder ob an ihm Nutzungsrechte eingeräumt werden können“.100 Obwohl dem LG Frankfurt im Grundsatz zugestimmt werden kann, dass die Rechtsordnung grundsätzlich mit den wirtschaftlichen Erfordernissen der Zeit Schritt halten muss, kann dieses Argument alleine nicht dazu führen, dass das Recht sich grenzenlos rein praktischen Erwägungen anpasst, ohne höherrangige Normen und Wertungen zu berücksichtigen. Dementsprechend muss die Kommerzialisierung der Persönlichkeit an dem Punkt enden, an dem das Individuum Gefahr läuft, sich der Fremdherrschaft, und sei es auch nur einer partiellen, zu ergeben. Durch die vollständige Übertragung der Rechte am eigenen Bildnis, des Namens usw. verlöre die Person jegliche Einflussmöglichkeit bei deren Nutzung. Diese Identifikationsmerkmale sind indes entscheidende Instrumente der Persönlichkeitsbildung und Darstellung und erfordern folglich ganz besonders eine individuelle Selbstbestimmtheit.101 Die Menschenwürde verbietet eine Entwicklung, die den Menschen teilweise zum schlichten Handelsobjekt anderer macht. Die enge, unauflösliche Verbindung von materiellen und ideellen Interessen, die den Bereich der Persönlichkeitsrechte ausmacht, steht von ihrer Natur her einem dualistischen Modell demnach ebenso entgegen wie höherrangige Verfassungsprinzipien. Eine entsprechende Interessenlage ist der deutschen Rechtsordnung nicht fremd. Ihre Lösung ist das Urheberrecht. Es zeigt mit der Möglichkeit der Einräumung von Nutzungsrechten eine Form der Übertragung auf, die die unabdingbare dauerhafte Verbindung kommerzieller und ideeller Interessen bestehen lässt. Es bedarf keiner Beschränkung auf rein obligatorisch wirkende Einwilligungsmodelle. Selbst bei der Einräumung einer ausschließlichen Lizenz bleibt beim urheberrechtlichen Modell das übertragene Recht hinsichtlich der höchstpersönlichen ideellen Interessen als Tochterrecht an das beim Rechtsinhaber verbleibende Stammrecht gebunden. Entsprechenden Schutz gewährleisten die Vorschriften der §§ 31 ff., 41 f. und 14 UrhG. Die Anlehnung der Persönlichkeitsrechtsverwertung an diese Bestimmungen und die vorzunehmende Beschränkung auf spezielle, verselbstständigte Ausprägungen der Persönlichkeit garantieren den Schutz der höchstpersönlichen Interessen des Individuums.102 Die ausschließlich subjektiv empfundenen Moralvorstellungen Weniger lassen sich nicht an einer höherrangigen rechtlichen oder ethischen Norm festmachen, die eine Beschränkung auf schuldrechtliche Vereinbarungen über Persönlichkeitsrechte erforderte.103 100

BGHZ 143, 214 (221 f.) – Marlene Dietrich. Götting (Fn. 4), § 10 Rn. 12; Feiler, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der partiellen audiovisuellen Eigenvermarktung am Beispiel von Fußball-Pressekonferenzen via Web-TV, Baden-Baden 2011, S. 128 ff. 102 Zur konkreten Ausgestaltung der konstitutiven Übertragung im Bereich der Persönlichkeitsrechte siehe zugleich unter V.2. 103 Schubert, Der Wert des Individuums im deutschen und französischen Privatrecht, Frankfurt am Main 2006, S. 154; Ohly, Gibt es einen Numerus clausus der Immaterialgüter101

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Nicht überzeugend ist auch der Verweis auf die Belange der Gemeinfreiheit sowie auf den Vorbehalt zu Gunsten des Gesetzgebers in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Bei den Merkmalen der Person handelt es sich nicht um Erzeugnisse, die theoretisch von jedermann geschaffen oder nachgeahmt werden können. Als untrennbare Teilaspekte des Einzelnen stellen die Persönlichkeitsdetails keine freien Güter dar, deren exklusive Zuordnung der Nutzungsmöglichkeiten zu der jeweiligen Person einer besonderen Rechtfertigung bedürfte. Mithin bestehen sie nur aufgrund der Existenz ihres Trägers.104 Durch die Anerkennung verwertbarer Bestandteile der Persönlichkeitsrechte wird nicht etwa ein neues Immaterialgüterrecht geschaffen, sondern lediglich der bereits gewohnheitsrechtlich manifestierte Persönlichkeitsschutz inhaltlich ausgestaltet. Durch die verfassungsrechtlich determinierte und konsequenterweise erfolgte Schaffung eines zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechts besteht bereits ein Ausschließlichkeitsrecht zu Gunsten eines Einzelnen, so dass die Möglichkeit der gebundenen Übertragung nicht zu einer stärkeren Monopolisierung zu Lasten der Allgemeinheit führt.105 Aus der Zusammenschau der § 22 KUG, § 12 BGB sowie des gewohnheitsrechtlich begründeten allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergibt sich darüber hinaus, dass die Anerkennung einer vermögenswerten, gebunden übertragbaren Komponente zwar dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterliegt, der jede konkrete vermögenswerte Rechtsposition umfasst,106 nicht jedoch an Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG scheitert. Aus den Erkenntnissen richterlicher Rechtsfortbildung resultierendes Gewohnheitsrecht genügt dem Gesetzesvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, zumal der Gesetzgeber durch den Schutz „sonstiger Rechte“ in § 823 Abs. 1 BGB eine entsprechende eigentumsrechtliche Zuordnung ermöglicht hat,107 so dass eine Präzisierung des vermögenswerten Umfangs bereits bestehender Positionen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist.108 Hierfür bedarf es auch keiner expliziten gesetzlichen Zuordnung, da bei Persönlichkeitsrechten niemand außer ihrem ursprünglichen Träger als berechtigter Nutzer in Frage kommt.109

rechte?, in: ders./Bodewig/Dreier/Götting/Haedicke/Lehmann (Hrsg.), Perspektiven des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrechts – Festschrift für Gerhard Schricker, München 2005, S. 105 (109) spricht zu Recht von einer paternalistischen Argumentation der Gegenansicht. 104 Ohly (Fn. 102), S. 105 (109). 105 Magold (Fn. 85), S. 548 f. 106 BVerfGE 24, 367 (394) – Deichordnungsgesetz; v. Mangoldt/Klein/Starck/Depenheuer, Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 6. Aufl., München 2010, Art. 14 Rn. 111. 107 Götting (Fn. 83), S. 140; für den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb v. Depenheuer (Fn. 105), Art. 14 Rn. 133; a. A. Peukert (Fn. 71), S. 274 ff. 108 In diese Richtung geht mittlerweile auch das BVerfG, das in einem Beschluss v. 05. 03. 2009 (GRUR-RR 2009, 375 – Fiktive Lizenzgebühr) die Einordnung der vermögenswerten Bestandteile der Persönlichkeitsrechte unter Art. 14 Abs. 1 GG zumindest für möglich hält. Im Ergebnis so auch Siemes AcP 2001, 203 (221); a. A. Peukert (Fn. 71), S. 838 ff. 109 Im Ergebnis genauso Schlechtriem DRiZ 1975, 65 (69).

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Letztendlich sprechen gegen das Einwilligungsmodell schwerwiegende praktische Probleme. Belässt man es bei der freien Widerrufbarkeit einer gegebenen Einwilligung, erlangt der Vertragspartner nur eine überaus schwache Rechtsposition, die den Erfordernissen einer effektiven Vermarktung nicht entspricht.110 Selbst wenn eine Bindungswirkung der Einwilligung als Rechtsgeschäft111 oder als Teil eines Gestattungsvertrags112 anerkannt wird, sind damit die Schwierigkeiten dieser Konstruktion noch nicht überwunden. Exklusivität ist dem Vermarkter damit nämlich nicht zugesichert. Bei einer rein obligatorischen Verpflichtung ist der ursprüngliche Rechtsinhaber grundsätzlich nicht daran gehindert, entgegen anders lautender Vereinbarungen weitere Lizenzen zu erteilen.113 Weiter ist durch die NENA-Entscheidung des BGH keinesfalls geklärt, welche rechtliche Konstruktion den Verwerter dazu berechtigen sollte, selbst prozessual gegen die unbefugte Nutzung Dritter vorgehen zu können. Aus diesem Grund wird teilweise eine gewillkürte Prozessstandschaft zugelassen,114 obwohl diese die Übertragbarkeit der Ansprüche voraussetzen würde.115 Darüber hinaus soll nicht nur die unbeschränkt erteilte Einwilligung übertragbar sein,116 sondern die Anerkennung der Rechtsfigur der Einwilligungsermächtigung soll auch den autorisierten Vertragspartner dazu befähigen, im eigenen Namen mit Wirkung für den ursprünglichen Rechtsinhaber weitere Einwilligungen zu erteilen.117 Damit wird die aus dem Deliktsrecht stammende Einwilligung für Zwecke instrumentalisiert,118 die ihrer eigentlichen Dogmatik nicht entsprechen.119 b) Ausgestaltung verkehrsfähiger Persönlichkeitsmerkmale Mit der Entscheidung für das Konzept, Nutzungsrechte mit quasidinglicher Wirkung in Form „gebundener Rechtsübertragungen“ an Persönlichkeitsmerkmalen ein-

110

Schertz (Fn. 33), Rn. 380 f.; Gauß (Fn. 83), S. 103; Feiler (Fn. 100), S. 124 f. Helle (Fn. 65), S. 102 ff. 112 Peifer (Fn. 69), S. 313 f. 113 Helle (Fn. 65), S. 110. 114 BGHZ 119, 237 (242) – Universitätsemblem; OLG München ZUM 1985, 448 (450 f.); Schack (Fn. 69), Rn. 638 f.; Krneta GRUR Int. 1996, 298 (306). 115 BGH GRUR 1983, 379 (381) – Geldmafiosi; Helle (Fn. 65), S. 114 f.; Ohly (Fn. 83), S. 161; Rixecker (Fn. 81), Allg. PersönlR Rn. 28; diesen Mangel erkennt auch Schack (Fn. 69), Rn. 638. 116 Dasch, Die Einwilligung zum Eingriff in das Recht am eigenen Bild, München 1990, S. 94 ff.; Helle (Fn. 65), S. 109 f.; Götting (Fn. 83), S. 162 ff. 117 Dasch (Fn. 115), S. 92 ff.; Götting (Fn. 83), S. 164. 118 Von Seiten der Kritiker der Kommerzialisierung Baston-Vogt (Fn. 69), S. 251 ff. ebenso wie von deren Befürworter Ohly (Fn. 83), S. 160 f., 467 f.; ders. (Fn. 102), S. 105 (110); v. Bassewitz (Fn. 16), S. 36. 119 Ausführlich hierzu Ohly (Fn. 83), S. 161 ff. 111

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räumen zu können,120 stellen sich im Anschluss Fragen nach der praktischen Umsetzung. aa) Anwendbarkeit urheberrechtlicher Normen Verschiedene urheberrechtliche Regelungen sind geeignet, die ideellen Interessen des Einzelnen zu wahren, und müssen entsprechend Anwendung für Persönlichkeitsrechte finden.121 Nach § 31 Abs. 1 S. 1, 2 UrhG kann die Person zunächst das eingeräumte einfache oder ausschließliche Nutzungsrecht inhaltlich, zeitlich und räumlich beschränken. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Übertragungszwecktheorie122 des § 31 Abs. 5 UrhG zu. Nach dieser erfolgt die Einräumung eines Nutzungsrechts, soweit es an einer vertraglichen Regel fehlt, zum Schutze des Rechtsinhabers nur in dem Umfang, in dem dies der Vertragszweck unbedingt erfordert.123 Um diesen Grundsatz nicht zu konterkarieren, gilt die Regel gleichfalls für das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft.124 Die Übertragungszweckregel ist bei der Anwendung auf Persönlichkeitsrechte nach ihrem Sinn und Zweck auf die gesamte Stufenleiter der Gestattung im Sinne von Ohly anzuwenden.125 Demnach kann die entsprechende Anwendung des § 31 Abs. 5 UrhG auch zur Annahme eines relativen Gestattungsvertrags führen. Schriftformerfordernisse finden sich für die Einräumung von Nutzungsrechten auf noch unbekannte Nutzungsarten in § 31a Abs. 1 S. 1 UrhG sowie für Vorausverfügungen in § 40 Abs. 1 S. 1 UrhG. Zudem verlangt neuerdings das BAG zumindest im Arbeitsverhältnis bei „Einwilligungen“ nach dem KUG stets die Schriftform.126 All dies spielt indes für die sportrechtliche Praxis keine Rolle, da Sportler in aller Regel aufgrund einer schriftlichen Abmachung tätig werden. Darüber hinaus stehen der Person in entsprechender Anwendung der §§ 41, 42 UrhG Rückrufrechte wegen Nichtausübung und gewandelter Überzeugung sowie ein Abwehrrecht gegen Entstellungen nach § 14 UrhG zu. Genauerer Betrachtung bedarf auch die Frage, ob das Prinzip der angemessenen Vergütung, wie es mittlerweile in § 11 S. 2 UrhG niedergelegt ist, und die §§ 32, 32a UrhG als Ausfluss dieses Grundsatzes auf den Rechtsverkehr mit Persönlichkeitsrechten anzuwenden sind. Diese Bestimmungen normieren die Vergütungsfunktion, 120

Ebenso Forkel GRUR 1988, 491 (491 ff.); Magold (Fn. 85), S. 515 ff.; Götting (Fn. 85), S. 279 ff.; ders. (Fn. 4), § 10 Rn. 16 f.; Schertz (Fn. 35), Rn. 380 ff.; Ohly (Fn. 85), S. 162 ff.; Gauß (Fn. 85), S. 105 f.; Klüber, Persönlichkeitsschutz und Kommerzialisierung, Tübingen 2007, S. 87 ff. 121 Für eine entsprechende Anwendung Forkel GRUR 1988, 491 (497); Götting (Fn. 85), S. 279 f.; Schertz (Fn. 35), Rn. 382; Magold (Fn. 85), S. 515 ff.; Klüber (Fn. 121), S. 91; Gauß (Fn. 85), S. 92 ff.; Feiler (Fn. 102), S. 135 ff. 122 Früher (sprachlich ungenau) als Zweckübertragungstheorie bezeichnet. 123 BGHZ 131, 8 (12) – Pauschale Rechtseinräumung. 124 Schack (Fn. 71), Rn. 1104 für das Urheberrecht. 125 Ohly (Fn. 85), S. 147. 126 BAG NJW 2015, 2140 (Rn. 26).

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die das Urheberrecht zu Gunsten der kreativ Arbeitenden entfaltet. Sie dienen der Existenzsicherung des Urhebers und schaffen einen Anreiz zur Fortentwicklung auf den Gebieten der Wissenschaft und Kunst. Insoweit könnte man annehmen, eine Übertragung auf Persönlichkeitsrechte sei untunlich, da eine Motivation zur Schaffung vermögenswerter Persönlichkeitsmerkmale ebenso wenig notwendig ist wie die Existenzsicherung von Personen, deren Auftritt alleine schon ein Werbewert innewohnt. Dies wäre jedoch zu kurz gegriffen, denn das Prinzip der angemessenen Vergütung dient nicht der Alimentierung sozial schwacher Urheber. Es bringt vielmehr den allgemeinen schuldrechtlichen Gedanken des Austauschs von Leistung und Gegenleistung zum Ausdruck.127 Für die Rechtseinräumung ist eine Vergütung zu zahlen. Vergleichbare Gedanken finden sich in den §§ 612, 632 BGB. Das Prinzip findet demnach auch auf Persönlichkeitsrechte Anwendung. Dies entspricht auch der Einordnung der Persönlichkeitsrechte als verfassungsrechtliches Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG.128 Die Unterschiede im Hinblick auf die nicht zugrunde liegende Anreizfunktion und die nicht im gleichen Maße ausgeprägte Notwendigkeit der Existenzsicherung sind bei der Frage der Angemessenheit der Vergütung zu berücksichtigen. Fraglich ist, ob die unauflösliche Bindung eines persönlichkeitsrechtlichen Nutzungsrechts an den unverzichtbaren höchstpersönlichen Kern des Rechts eine Modifikation einzelner Bestimmungen zur Stärkung des Inhabers erfordert. Dies wird zumindest für die Frage der Disposition über einzelne Schutzmechanismen bejaht. So soll das Zustimmungserfordernis der § 34 Abs. 1 S. 1 und § 35 Abs. 1 S. 1 UrhG entgegen der § 34 Abs. 5 S. 2 bzw. § 35 Abs. 2 i. V. m. § 34 Abs. 5 S. 2 UrhG nicht vertraglich abbedungen werden können.129 Peukert fordert darüber hinaus die translative Übertragung von Nutzungsrechten, die § 34 Abs. 1 S. 1 UrhG mit Zustimmung des Urhebers grundsätzlich erlaubt, für den Bereich der Persönlichkeitsrechte gänzlich auszuschließen.130 Die Gefahr, sich der Fremdbestimmtheit über die eigene Person auszuliefern, ist bei diesem Fragenkreis in der Tat evident. Doch ist dem aus der Menschenwürde resultierenden Schutzgebot grundsätzlich ausreichend Rechnung getragen, wenn man die Weiterübertragung von der Zustimmung des Rechtsinhabers abhängig macht und einen vertraglichen Ausschluss des Zustimmungserfordernisses als unzulässig erachtet. Schließlich verbleibt in diesem Fall dem Einzelnen die Möglichkeit, selbstbestimmt über die Verwendung seiner Merkmale in Bezug auf die verwertende Person zu entscheiden. Im Falle pauschaler oder formularmäßiger Zustimmung zur Weiterübertragung oder Einräumung abgeleiteter Rechte ist die Lösung über die Grenzen des §§ 138, 242 Abs. 1, 305 ff. BGB zu suchen.131 127

Wandtke/Grunert (Fn. 19), § 32 Rn. 10. Vgl. BVerfG NJW 2003, 1655, 1656; Wandtke/Grunert (Fn. 19), § 32 Rn. 1. 129 Götting (Fn. 83), S. 280; ders. (Fn. 4), § 10 Rn. 17; Gauß (Fn. 83), S. 99. 130 Peukert ZUM 2000, 710 (716). 131 In diesem Sinne auch Klüber (Fn. 119), S. 91 f.; für das Urheberrecht Wandtke/Grunert (Fn. 19), Vor §§ 31 ff. UrhG Rn. 118 ff. bzw. Rn. 97 ff. sowie Schack (Fn. 69), Rn. 1084 ff. 128

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bb) Gegenstand der Rechtseinräumung Letztendlich stellt sich für die rechtsgeschäftliche Konstruktion der Übertragung die Frage nach dem Verfügungsgegenstand und dessen Anknüpfungspunkt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist entgegen Magold132 als verwertungsrechtliche Grundlage in mehrerer Hinsicht nicht geeignet. Zum einen ist es als Rahmenrecht schlicht zu unbestimmt, um Gegenstand konkreter Verfügungen zu sein. Mangels eindeutig definierten Inhalts wäre gänzlich unklar, welche Befugnisse in Bezug auf welche Persönlichkeitsmerkmale ein aus ihm abgeleitetes Nutzungsrecht umfassen würde. Anknüpfungspunkt für die Einräumung von „Persönlichkeitsverwertungsrechten“133 können nur solche Persönlichkeitsmerkmale sein, die sozialtypisch offenkundig, in ihrem rechtlichen Umfang und ihrem Inhalt ausreichend bestimmt, mithin rechtlich anerkannt sind, einen wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt aufweisen und sich in verkörperter Form von der Person ablösen lassen. Für die in der Sportvermarktungspraxis relevanten Merkmale des Abbilds, des Namens, der Stimme und der Äußerungen in Wort und Schrift sind diese Voraussetzungen zweifellos erfüllt.134 Hieraus ergibt sich die Frage nach dem möglichen Verfügungsgegenstand. Teilweise wird dieser lediglich auf körperlich vergegenständlichte Merkmale beschränkt und dies mit der Notwendigkeit für den Rechtsinhaber begründet, die Bestimmbarkeit des Inhalts und die Reichweite seiner Verfügung zur kommerziellen Verwertung seiner Identität abschätzen zu können.135 Die Gegenansicht konkretisiert den Verfügungsgegenstand anhand der Eingriffskondiktion und der Frage, welche Rechtspositionen wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt und somit eine positive Verwertungsbefugnis haben. Demzufolge soll einerseits maßgeblich sein, ob der Verfügungsgegenstand eine individuell geprägte Fixier- und Wiederholbarkeit aufweist136, und andererseits, ob ein Eingriff in diesen nach den Gepflogenheiten des Verkehrs üblicherweise gegen Entgelt gestattet wird und eine erhebliche Verletzung ideeller Interessen nicht in Rede steht137. Eine echte Vergegenständlichung wird jeweils nicht vorausgesetzt.

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Magold (Fn. 83), S. 548, 571 f. Siehe diesen Begriff auch bei Magold (Fn. 83), S. 571. Er ist dem vom BGH gewählten Begriff der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts aus Gründen der sprachlichen Klarheit vorzuziehen. Schließlich geht es nicht um Nutzungen vermögenswerter Bestandteile von Persönlichkeitsrechten, sondern um die Einräumung von Verwertungsrechten an Persönlichkeitsmerkmalen, denen sowohl eine ideelle als auch eine kommerzielle Komponente innewohnt. 134 Im Ergebnis ebenso Forkel GRUR 1988, 491 (498); zumindest in diese Richtung gehend Götting (Fn. 83), S. 140, 277; Gauß (Fn. 83), S. 98; Schubert (Fn. 102), S. 188 f. 135 Forkel GRUR 1988, 491 (498 ff.); Götting (Fn. 83), S. 279. 136 Gauß (Fn. 83), S. 98. 137 So noch Peukert ZUM 2000, 710 (719); mittlerweile ausdrücklich aufgegeben Peukert (Fn. 71), S. 838 ff. 133

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Eine Restriktion auf Verwertungsrechte nur an verkörperten Merkmalen erweist sich in praktischer Hinsicht als unzureichend und rechtlich nicht notwendig. Sowohl der Verwerter als auch der Rechtsträger haben ein berechtigtes Interesse, Verwertungsbefugnisse nicht nur auf einzelne Bilder, Aufnahmen oder Aufzeichnungen zu beschränken. Der Verwerter wird nur dann ein effektives Gesamtvermarktungskonzept entwickeln können, wenn ihm im Voraus bereits Nutzungsrechte an künftigen vergegenständlichten Persönlichkeitsmerkmalen eingeräumt werden können. Aus diesem Grund muss es ihm auch möglich sein, dafür notwendige Vergegenständlichungen selbst herzustellen und ein entsprechendes Recht zu erwerben. Entscheidend für den Verfügenden sind die Bestimmbarkeit und die positive Kenntnis oder zumindest die Vorhersehbarkeit überblickbarer Sachverhalte über die inhaltliche Reichweite des Verfügungsgegenstands im Zeitpunkt, in dem die Übertragung wirksam wird.138 Diese lässt sich aber auch dadurch gewährleisten, dass die betroffenen Persönlichkeitsmerkmale und die konkreten Verwendungszwecke transparent und detailliert vertraglich abgebildet werden. Zum Schutz der untrennbar verbundenen ideellen Interessen ist dem Rechtsinhaber zudem bei den hier in Frage stehenden persönlichkeitsrechtlichen Lizenzverträgen als Dauerschuldverhältnissen ein vertraglicher Unterlassungsanspruch aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB gegen den Lizenznehmer zuzusprechen, wenn dieser sich außerhalb des vereinbarten Verwertungsrahmens bewegt oder die ideellen Interessen des Lizenzgebers verletzt oder zu verletzen droht.139

IV. Zusammenfassung Der Beitrag zeigt, dass die weit verbreitete Vermarktung von Persönlichkeitsmerkmalen rechtlich teilweise grundlegende Fragen aufwirft. Nicht jeder Ausprägung der Person steht eine rechtlich geschützte Position gegenüber. Auch kann der Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte nicht für jeden Fall abstrakt festgelegt werden. Die dargestellten Leitlinien geben indes eine erste Orientierung. Im Ergebnis ist die kommerzielle Verwendung der Persönlichkeitsmerkmale der Sportler in der Regel nur mit ihrer Einwilligung zulässig – eine exklusive Vermarktung ist also möglich. Für die Sportvertragspraxis ist festzuhalten, dass die Persönlichkeitsmerkmale sowohl durch schuldrechtliche Gestattungsverträge als auch mittels konstitutiver Rechtseinräumung nach dem Vorbild der urheberrechtlichen Nutzungsrechte Dritten zur Verwertung überlassen werden können. Ausgeschlossen ist lediglich die translative – sprich vollständige – Übertragung der Persönlichkeitsrechte. Dem Gestalter entsprechender Verträge ist soweit wie möglich zur gebundenen Ein138

Roth in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 398 Rn. 67; Castendyk (Fn. 4), § 41 Rn. 15; Nam (Fn. 66), S. 61 f. plädiert gleichfalls aus Gründen der Vermarktungspraxis dafür, an die Erkennbarkeit des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte für den Rechtsträger keine zu strengen Anforderungen zu stellen; er hält die Persönlichkeitsrechte indes für unübertragbar (S. 15). 139 Fritzweiler/Summerer/Pfister (Fn. 8), 3. Teil Rn. 86.

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räumung der Rechte zu raten. Diese gewährt dem Verwerter sowohl die Möglichkeit, aus eigenem Recht gegen unbefugte Dritte vorzugehen, als auch Sukzessionsschutz gegen später eingeräumte Nutzungsrechte. Wie schon angedeutet, schließt sich an diese Erkenntnisse eine Vielzahl weiterer juristischer Probleme an. Allgemein sieht sich der vertragsgestaltende Jurist mit einer Fülle zu beachtender gesetzlicher Rahmenbedingungen konfrontiert, die seiner Kreativität Schranken setzen. Hervorgehobene Bedeutung kommt dabei der Transparenz der Vertragsklauseln sowie der Angemessenheitskontrolle zu. Eine freie und damit wirksame Einwilligung in die Verwertung seiner Persönlichkeitsrechte kann nur erteilen, wer die Tragweite seiner Entscheidung aus den Vertragsbestimmungen entnehmen kann. Der Anwender vorformulierter Verträge darf zudem entgegenstehende Rechte seines Vertragspartners nicht unverhältnismäßig einschränken. Diese allgemeine Erkenntnis gilt aufgrund seiner Strukturen insbesondere für den Bereich des professionellen Sports. Die Sportler sehen sich in erhöhtem Maße selbstgesetztem Recht gegenüber, das ihre Vertragspartner in Satzungen und in zunehmendem Maße in vorgefertigten Sportleistungsverträgen niederlegen. In diesem Umfeld einseitig gesetzten Privatrechts und bestehender Machtungleichgewichte zu Lasten der Sportler sind das AGB- und Kartellrecht berufen, die Freiheitsrechte der Betroffenen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.140

140

Zu diesen Themen Kretschmer (Fn. 6), passim.

Der Athlet auf dem Weg zur Teilnahme am Wettkampf und die (rechtlichen) Probleme auf seinem Weg Ausgewählte Rechtsprobleme der Nominierung im Sport Paul Lambertz I. II. III. IV. V.

VI. VII. VIII.

IX.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Warum wird überhaupt nominiert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wer legt die Nominierungsrichtlinien fest? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welchen Inhalt haben Nominierungskriterien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgewählte Probleme von Nominierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subjektive Nominierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschärfung der sportlichen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Uneindeutig formulierte Nominierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Altersbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Wege zur Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten der Olympischen Spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schadensersatz bei rechtswidrig unterbliebener Nominierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschuldensvorwurf der Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verschulden bei falscher Auslegung der Nominierungskriterien . . . . . . . . . . . b) Verschulden wegen fehlerhaften Aufstellens der Nominierungsrichtlinien . . . 2. Schadenspositionen des Athleten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vom Sponsor/Arbeitgeber im Falle einer Nominierung/Teilnahme gezahlte Gelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entgangene Antrittsgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Möglicherweise gewonnene Preisgelder als Schadensposition . . . . . . . . . . . . aa) Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, der mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (§ 252 S. 2, 1. Alt. BGB) . . . . . . . . . . . . bb) Gewinn nach den besonderen Umständen, der mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (§ 252 S. 2, 2. Alt. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigene Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ersatz für auf die Leistung getätigte Aufwendungen (§ 284 BGB) . . . . . . . . . Gerichtliche Durchsetzung im einstweiligen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs im einstweiligen Verfügungsverfahren 2. Verfügungsgrund/-anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. (Keine) Vorwegnahme der Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Sportliche Spitzenevents wie die Olympischen Spiele, Welt- und Europameisterschaften ziehen jährlich Millionen Menschen in die Stadien und vor die Fernseher. Spitzensport fasziniert die Menschen. Anders als im Breitensport dürfen aber an diesen (inter-)nationalen Spitzenwettkämpfen nur die besten Athleten der jeweiligen Sportarten teilnehmen. Jedes Jahr versuchen deshalb tausende von Athleten, sich für sportliche Wettkämpfe zu qualifizieren, hunderte werden nominiert. Hat der Athlet die sportlichen Kriterien erfüllt, steht jedoch keinesfalls immer sicher fest, dass dieser auch tatsächlich für den Sportwettkampf nominiert wird, da den Athleten allzu oft der Start verwehrt wird – teilweise zu Recht, teilweise zu Unrecht. Einigen sich Verband und Athlet nicht, kommt es in regelmäßigen Abständen zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, die dann – zum Glück der (Sportrechts-)Juristen – oft vor den staatlichen Gerichten verhandelt werden, so dass die Entscheidungsgründe somit dem öffentlichen Diskurs zugänglich sind.1 Das sicherlich prominenteste Beispiel eines Athleten, der seine unterlassene Nominierung gerichtlich überprüfen ließ, ist der Dreispringer Charles Friedek2. Doch auch Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass Nominierungsstreitigkeiten vor Gericht ausgetragen werden, so wie es Ende des Jahres 2014 im sonst eher öffentlichkeitsfernen Curling geschah.3

II. Warum wird überhaupt nominiert? Zu Beginn muss erst einmal die Frage gestellt werden, warum überhaupt die Teilnahme an bestimmten Wettkämpfen erst nach einer vorherigen Nominierung möglich ist. Zum einen soll damit sichergestellt werden, dass nur die sportlich stärksten Athleten an den Start gehen und somit ein hohes Leistungsniveau garantiert wird. Der Wettkampf soll unter den Besten der Sportart ausgetragen werden. Zum anderen steigt dadurch auch die Attraktivität der Veranstaltung für Zuschauer, Medien und Sponsoren. Es sprechen also gute Gründe dafür, dass es Wettkämpfe gibt, zu denen man sich nicht einfach anmeldet, sondern für die man sich qualifizieren muss.

1 Zur Kritik an der grundsätzlichen Nichtveröffentlichung der Schiedssprüche siehe Lambertz, Die Nominierung im Sport, 2012, S. 149 f. 2 Eine Zusammenfassung des Verfahrens findet sich bei Lambertz (Fn. 1), S.96 ff.; Stopper, Verfahrensrechtliche Durchsetzung eines Anspruchs auf Nominierung, in Nominierungsfragen im Sport, 72 ff. Die Entscheidung des OLG Frankfurt in dem Berufungsverfahren Friedek ./. DOSB ist in der causa sport 2014, 48 ff. nebst Anmerkungen von Lambertz abgedruckt. 3 LG Kempten, SpuRt 2015, 35 f. nebst Anmerkungen von Lambertz.

Der Athlet auf dem Weg zur Teilnahme am Wettkampf

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III. Wer legt die Nominierungsrichtlinien fest? Hierbei wird zwischen nationalen und internationalen Titelwettkämpfen unterschieden. Handelt es sich um einen nationalen Wettkampf, so ist der für die Sportart zuständige Verband berufen, Nominierungsrichtlinien zu entwerfen und zu veröffentlichen. Bei internationalen Wettkämpfen gibt der zuständige internationale Verband die Nominierungskriterien vor, die regelmäßig allerdings nur die Mindestvoraussetzungen für die Teilnahme festlegen. Die einzelnen nationalen Verbände können in ihrem Ermessen dann jedoch festlegen, dass sie diese Nominierungskriterien sportlich strenger fassen. Als Beispiel für die Umsetzung internationaler Nominierungskriterien in nationale sollen die Nominierungskriterien der Dreispringer für die Olympischen Spiele 2008 in Peking dienen. Der internationale Leichtathletikverband sah vor, dass es eine A-Norm (17,10 Meter) und eine B-Norm (16,80 Meter) geben sollte, die es zu überspringen galt, um die sportlichen Vorgaben zu erreichen. Der Deutsche Leichtathletikverband orientierte sich an diesen Vorgaben, verschärfte die sportlichen Kriterien jedoch erheblich, indem er festlegte, dass die B-Norm nicht 16,80 Meter, sondern 17,00 Meter betragen sollte und dass diese sogar zweimal zu überspringen sei.

IV. Welchen Inhalt haben Nominierungskriterien? Nominierungskriterien können eine Vielzahl von Vorgaben enthalten, die der Athlet einhalten bzw. erreichen muss, um nominiert zu werden. Regelmäßig definieren sie den Zeitraum, in dem die Nominierungskriterien zu erreichen sind. Dabei können sich solche Zeiträume auf eine Länge von über einem Jahr vor dem eigentlichen Wettkampf erstrecken. Weitere typische Inhalte sind die bereits zuvor angesprochenen zu erreichenden sportlichen Erfolge (Zeit, Weite, Höhe, Platzierung etc.) oder die Teilnahme an bestimmten Verbandsmaßnahmen wie Trainingslagern oder auch an Wettkämpfen. Die sportlichen Nominierungskriterien bilden regelmäßig das Herzstück einer jeden Nominierungsrichtlinie, denn letztlich geht es um die Nominierung zu einem Sportwettkampf. Sofern es die Eigenart der Sportart zulässt, werden die sportlichen Nominierungskriterien in sog. A- und B-Normen unterteilt. Wird diese Unterteilung von den Verbänden vorgenommen, stellt die A-Norm die sportlich höhere Norm dar. In der Regel sehen die Nominierungskriterien dann vor, dass der Athlet, der die A-Norm erreicht hat, die sportlichen Voraussetzungen für die Teilnahme an dem Wettkampf erfüllt hat. Eine weitere sportliche Qualifikation ist dann regelmäßig nicht mehr erforderlich.

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Das einmalige Erreichen der B-Norm stellt dagegen regelmäßig nicht das unmittelbare Erfüllen der sportlichen Voraussetzung dar. Der Athlet muss, hat er „nur“ die B-Norm erreicht, die B-Norm nochmals erfüllen und/oder noch andere, zusätzliche Voraussetzungen erfüllen, um die sportlichen Voraussetzungen für die Teilnahme an dem Wettkampf zu erlangen. Die Vorgabe von objektiven Werten hat viele Vorteile, sowohl für den Athleten als auch für den Verband. Nur durch die Festlegung von objektiven Werten ist gewährleistet, dass sich am Wettkampftag vergleichbar leistungsfähige Athleten im Wettkampf gegenüberstehen. Die Verbände können so zudem gewährleiten, dass die Wettkämpfe auch für die Zuschauer, Medien und Sponsoren attraktiv sind, da bei den Wettkämpfen ein sportlich hohes Niveau vorherrscht. Für den Athleten kommt zusätzlich hinzu, dass er genau weiß, welche Werte er erreichen muss, um bei dem Wettkampf startberechtigt zu sein. Das Bestimmen objektiver Werte ist als rechtmäßige Ermessensausübung der Verbände anzusehen. Auch am Festlegen von A- und B-Werten ist nichts auszusetzen. Das Festlegen objektiver Werte ist im Gegenteil sogar zu begrüßen, da nur so wirksam einer willkürlichen Nominierungsentscheidung entgegengewirkt werden kann. Nachdem die Nominierungskriterien einmal beschlossen und veröffentlicht wurden, darf der nationale Verband diese nicht mehr ändern, schon gar nicht zu Lasten der Athleten, denn sie haben sich auf die Nominierungskriterien eingestellt und ihr Training darauf ausgerichtet. Einzige Ausnahme zu diesem Grundsatz ist eine Änderung der Kriterien durch den internationalen Verband. Verschärft er seine Kriterien, bedeutet die Erfüllung der nationalen Kriterien nämlich nicht mehr die Teilnahme an dem Wettkampf.4

V. Ausgewählte Probleme von Nominierungskriterien 1. Subjektive Nominierungskriterien Neben den zuvor bereits erwähnten objektiven Nominierungskriterien verwenden die Verbände regelmäßig auch subjektive Nominierungskriterien. Grundsätzlich können Nominierungskriterien somit in solche mit subjektiver und solche mit objektiver Natur unterteilt werden. Im Folgenden sollen unter subjektiven Nominierungskriterien solche verstanden werden, deren Erreichen gerade nicht anhand objektiver Umstände festgestellt werden kann.

4 So ähnlich auch das LG Kempten, das den Verbänden allerdings ein Recht zubilligt, trotz eindeutiger Nominierungskriterien bei Vorliegen eines wichtigen Falls eine andere Nominierungsentscheidung zu treffen, SpuRt 2015, 36.

Der Athlet auf dem Weg zur Teilnahme am Wettkampf

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Ein Beispiel für solch subjektive Kriterien findet sich in den Nominierungskriterien des DOSB für die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro 2016. Dort heißt es: „… Der Vorstand entscheidet abschließend und orientiert sich dabei an den nachfolgend genannten Voraussetzungen und Zulassungsbedingungen für die Nominierung; darüber hinaus würdigt er insbesondere auch die Persönlichkeit und das sportliche Verhalten von Athleten/ innen und Betreuern/innen.“

Immer wieder findet sich in Nominierungsrichtlinien auch das subjektive Nominierungskriterium der „begründeten Endkampfchance“. Begründet wird dies immer wieder mit dem Wunsch der Verbände, nur solche Athleten zum Wettkampf zu nominieren, die eine Chance haben, auch bis ins Finale vorzudringen. Wohl gemerkt gilt dieses Kriterium – bemerkenswerterweise – nicht für Mannschaftssportarten, die bei Erreichen der Kriterien immer nominiert werden. Als Beispiel für dieses subjektive Nominierungskriterium können die Nominierungsrichtlinien 2008 des Deutschen Leichtathletikverbands dienen. Dort heißt es: „… Abweichungen von den festgeschriebenen Normen gibt es, wenn das internationale Leistungsbild eine veränderte Prognose der Endkampfchance ergibt.“

Es muss die Frage gestellt werden, warum es überhaupt subjektiver Nominierungskriterien bedarf. Sollte es nicht ausreichen, dass ein Athlet bestimmte sportliche Werte erreicht hat? Sollte ein Athlet, weil seine Persönlichkeit den Verbandsfunktionären nicht zusagt, nicht nominiert werden? Diese Vorstellung befremdet doch etwas, denn in einem sportlichen Wettkampf entscheidet letztlich nur das Ergebnis; selbst der unfreundlichste und unhöflichste Athlet gewinnt den Wettkampf, wenn er der Beste ist. Da solche Kriterien nicht objektiv überprüfbar sind und immer Raum für Auslegung lassen, muss festgestellt werden, dass die subjektiven Nominierungskriterien zumindest die Möglichkeit eröffnen, missbraucht zu werden, um unliebsame Athleten nicht zu nominieren oder mit einem Hinweis auf spätere Nominierungen unter Druck zu setzen. Außerdem lässt gerade die Prognose der „begründeten Endkampfchance“ den Athleten keinerlei Möglichkeit, im Wettkampf über sich hinauszuwachsen und Bestleistungen zu erbringen, um eben doch das Finale zu erreichen.5 Aus den vorgenannten Gründen stellen subjektive Nominierungskriterien einen Fehlgebrauch des durch die Verbände ausgeübten Ermessens dar, insbesondere da es kaum einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen ist. Dass es auch ohne subjektive Nominierungskriterien geht, zeigt beispielsweise das Schweizerische Olympische Komitee mit seinen Nominierungskriterien für die Olympischen Spiele 20086. 5

So erbrachte der deutsche 110 m-Hürdenläufer Matthias Bühler im Vorlauf der Leichtathletik WM in Peking 2015 Saisonbestleistung https://twitter.com/dlv_online/status/ 636385843620499456 (alle Internetseiten zuletzt abgerufen: 28. 08. 2015). 6 Siehe Selektionskriterien Olympische Sommerspiele Beijing 2008, Stand 03. 03. 2008.

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2. Verschärfung der sportlichen Anforderungen Kritisch muss auch die Verschärfung der sportlichen Kriterien durch den nationalen Spitzenverband gesehen werden. Ein jüngeres Beispiel für die Verschärfung von nationalen im Vergleich zu internationalen Kriterien findet sich in den Nominierungsrichtlinien für die Leichtathletikweltmeisterschaft 2015 in Peking für den Zehnkampf. Der internationale Verband schreibt das Erreichen von 8.075 Punkten vor, sonst sind keine Voraussetzungen zu erfüllen.7 Der deutsche Leichtathletikverband verlangt von den Athleten jedoch, dass sie, wollen sie einigermaßen sicher nominiert werden, den 1. oder 2. Platz bei den Europameisterschaften und in einem anderen Wettkampf mindestens 8.200 Punkte erreichen.8 Britische Zehnkämpfer dagegen müssen in einem bestimmten Wettkampf lediglich die international geforderten 8.075 Punkte erbringen, um die Nominierungsvoraussetzungen zu erbringen,9 Gleiches gilt für Schweizer Zehnkämpfer10. Es muss die Frage gestellt werden, warum die deutschen Verbände die vom internationalen Verband als ausreichend erachteten sportlichen Werte immer wieder nach oben setzen, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass dies offensichtlich von anderen Nationen nicht so gehandhabt wird. Dies kann dazu führen, dass deutsche Athleten nicht nominiert werden, im Vergleich dazu schlechtere Athleten aus anderen Ländern aber an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Jüngst geschah dies beim deutschen Leichtathleten Christoph Kessler. Obwohl er in einem Qualifikationswettkampf andere internationale Starter distanzierte und gewann, wurde er nicht nominiert. Die von ihm geschlagenen Athleten wurden jedoch nominiert, weil deren nationaler Verband die internationalen Kriterien nicht verschärft hatte.11 Diese Herangehensweise ist unter folgendem Aspekt nicht nachvollziehbar: Der internationale Verband stellt als Ausrichter der jeweiligen Meisterschaften sportliche Kriterien auf, um ein hohes Niveau der startenden Athleten zu gewährleisten. Erreichen deutsche Athleten die ohnehin schon hohen Voraussetzungen der internationalen Verbände, droht ihnen dennoch, weil sie für Deutschland starten, die Versagung der Wettkampfteilnahme. Dies schafft Frustration bei den Athleten und führt die Athleten u. U. in Richtung der unerlaubten Leistungssteigerung oder zur Beendigung ihrer sportlichen Karriere. Außerdem birgt es die Gefahr, dass die Athleten müde in den eigentlichen Wettkampf gehen, weil die Qualifikation zu anstrengend war. Warum werden deutsche Athleten nicht nominiert, wenn in einer Vielzahl anderer Nationen Athleten – mit teilweise schlechteren Ergebnissen – nominiert werden 7

http://www.iaaf.org/competition/standards. https://www.leichtathletik.de/fileadmin/user_upload/05_Nationalmannschaft/Nominie rungsrichtlinien/2015_NomRL-EF_FH_HG.pdf. 9 http://www.britishathletics.org.uk/world-class/2015-selection-policies/. 10 http://www.swiss-athletics.ch/images/stories/de_Selektionskonzepte2015.pdf. 11 Siehe hierzu http://www.lgr-karlsruhe.de/vom-pech-ein-deutscher-leichtathlet-zu-sein. html. 8

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und warum nimmt man diesen Athleten auch die Möglichkeit, im Wettkampf zu überraschen? Warum entschließen sich deutsche Verbände dazu, lieber keinen Athleten zu den Wettkämpfen zu schicken, als einen, der sich – gemessen an den internationalen Vorgaben – sportlich qualifiziert hat? Mit welcher Begründung werden die internationalen Vorgaben verschärft? Athletenfreundliche Antworten sind nicht ersichtlich. Bei der Verschärfung der sportlichen Nominierungskriterien wird auch außer Betracht gelassen, dass gerade die Titelkämpfe in den Ausdauersportarten, wie bzw. dem Marathon, sehr stark taktisch geprägt sind und regelmäßig keine „schnellen“ Rennen sind. Es gewinnt mitunter daher nicht auch immer der schnellste sondern manchmal eben auch der taktisch klügste Athlet. Daneben sind aber auch die Forderungen der Politik an die Sportler und die Verbände, immer mehr Medaillen zu erkämpfen, zu kritisieren. Diese – nicht ganz neue – Entwicklung ist mit aller Vorsicht zu genießen, denn sie verschärft den Druck auf die Athleten und Verbände ungemein – vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es viele Athleten gibt, in deren Ländern anders mit Doping umgegangen wird als in Deutschland, und dass es Wettbewerbe gibt, bei denen gegen gedopte Athleten angetreten werden muss.12 3. Uneindeutig formulierte Nominierungskriterien Immer wieder kommt es dazu, dass Nominierungskriterien nicht mit der nötigen Sorgfalt verfasst werden. Dies führt dann unter Umständen dazu, dass mehrere Auslegungsmöglichkeiten denkbar sind. Als konkretes Beispiel hierfür kann erneut auf die Causa Friedek verwiesen werden. Friedek versuchte sich für die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking zu qualifizieren. Er sprang zweimal die B-Norm, der DOSB verweigerte ihm jedoch die Nominierung mit der Begründung, die vom DOSB vorgenommene Auslegung der Nominierungskriterien ergebe, dass die B-Norm in zwei verschiedenen Wettkämpfen zu erspringen sei und nicht wie von Friedek zweimal in einem Wettkampf.13 Sind Nominierungsrichtlinien nicht eindeutig verfasst, geht dies gemäß der Contra-proferentem-Regel zu Lasten des Verwenders.14 Verwender ist regelmäßig der Verband. Bei der Frage, wie Nominierungsrichtlinien zu verstehen sind – objektiver Empfängerhorizont –, kann es nicht darauf ankommen, wie die nominierenden Ver-

12 Dies zeigt das Beispiel der weißrussischen Kugelstoßerin Nadeschda Ostaptschuk, die des Dopings überführt wurde und der ihr Olympia-Gold daraufhin aberkannt wurde: http:// www.welt.de/sport/olympia/article108597700/Doping-Weissrussin-verliert-Gold-im-Kugelstos sen.html. 13 Zum Verfahren siehe Lambertz (Fn. 1). 14 So auch Mäsch, JuS 2012, 352, 353.

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bandsgremien diese verstehen, sondern nur darauf, wie der Athlet der konkreten Sportart die Nominierungskriterien versteht.15 Bei unklaren Formulierungen stellt sich weiter die Frage, wie diese unklaren Nominierungskriterien auszulegen sind. Da es sich bei Nominierungsrichtlinien, wenn sie zur Begründung eines Vertragsverhältnisses herangezogen werden, um Vertragsinhalte handelt, sind sie am objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Empfänger sind aber, wie bereits zuvor ausgeführt, die zu nominierenden Athleten16 und nicht etwa die nominierenden Verbandsgremien17. Nicht zutreffend ist es auch, dass Nominierungskriterien grundsätzlich objektiv auszulegen sind, denn sie sind, wenn es um die Frage eines Nominierungsanspruchs geht, Vertragsbestandteil und in diesem Fall kein nachrangiges Vereinsrecht18. Nachrangiges Vereinsrecht sind sie nur dann, wenn es beispielsweise um die Frage geht, welches Vereinsorgan zum Erlass berechtigt ist.19 4. Altersbeschränkungen In einigen Sportarten finden sich altersmäßige Beschränkungen, wie z. B. im Boxsport20. Inhalt dieser Regelungen ist es, dass nur Athleten eines bestimmten Alters an den Wettkämpfen teilnehmen dürfen. Dabei gibt es Regelungen, die ein bestimmtes Mindest- und/oder ein bestimmtes Maximalalter vorsehen. Sind Mindestaltersbegrenzungen sinnvoll, um etwa die jungen Athleten vor sich selbst oder vor allzu übereifrigen Trainern oder Eltern zu schützen, scheinen Altersbegrenzungen nach „oben“ eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zu sein.21 Warum soll ein Athlet, der die sportlichen Kriterien erfüllt hat, nur aufgrund seines Alters nicht nominiert werden? Allein das Erreichen der Nominierungskriterien zeigt doch eindeutig, dass dieser Athlet genauso wettkampffähig ist wie jüngere Athleten. Sollten medizinische Gründe gegen die Teilnahme sprechen, dann wären diese selbstverständlich zu berücksichtigen. Eine pauschale Ablehnung aufgrund des Alters ist jedoch abzulehnen.

15 Vgl. hierzu auch Lambertz, causa sport 2014, 56, 57. Anders OLG Frankfurt, Urteil vom 20. 12. 2013, causa sport 2014, 48 ff. 16 Siehe hierzu auch Lambertz, causa sport 2014, 56 ff. 17 So aber das OLG Frankfurt, causa sport 2014, 48 ff. 18 So aber der BGH, Urteil vom 13. 10. 2015 Az. II ZR 23/14, RN 24. 19 Zur Frage der rechtlichen Einordnung von Nominierungsrichtlinien siehe Lambertz (Fn. 1), S. 32 ff. 20 Beispielsweise Artikel 4.3 des Reglements des schweizerischen Boxverbandes. 21 Für den Boxsport bejahend Kaiser, SpuRt 2015, 98 ff.

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VI. Weitere Wege zur Teilnahme Erfüllt der Athlet die sportlichen Voraussetzungen, ist er zu nominieren. Nominiert der Verband den Athleten, verbindet beide ein sog. Nominierungsvertrag. Rechte und Pflichten der Parteien sind insbesondere die rechtliche Möglichkeit und die Verpflichtung des Verbands, den Athleten zu den Spielen zuzulassen und ihn dabei zu unterstützen.22

VII. Besonderheiten der Olympischen Spiele Anders als bei Europa- bzw. Weltmeisterschaften nehmen an den Olympischen Spielen nicht die Athleten, sondern vielmehr die einzelnen nationalen Olympischen Komitees teil.23 Nur der DOSB, als nationaler olympischer Spitzenverband, ist also berechtigt, an den Olympischen Spielen teilzunehmen.24 Der DOSB wiederum nominiert Athleten, die Teil seiner Olympiamannschaft werden sollen. Der DOSB stützt sich bei seiner Nominierung auf die Vorschläge der jeweiligen Sportspitzenverbände, allerdings räumt er sich dennoch ein eigenes Ermessen ein. Dies kann dazu führen, wie im Fall Friedek, dass der Athlet vom Sportverband nominiert wird, der DOSB diesem Vorschlag aber nicht folgt und sich auf sein Nominierungsermessen beruft. Da sich der DOSB bei der Auswahl seiner Athleten auf die Vorschläge der jeweiligen Verbände stützt, muss die Frage gestellt werden, warum der DOSB sich überhaupt noch eine eigene Kompetenz einräumt. Sinnvoller und gerechter wäre es doch, wenn der DOSB die Vorschläge der jeweiligen Spitzenverbände als bindend ansähe, wenn er sich schon auf diese stützt. Welche sportlichen Gründe könnten denn gegen eine Nominierung durch den DOSB sprechen, wenn schon der jeweilige Spitzenverband mit seinem überragenden Fachwissen eine Nominierung befürwortet hat? Dass in der Praxis die Nominierungsentscheidungen von Verbänden durch andere Verbände umgesetzt werden, zeigt das Beispiel des Behindertentischtennis. Hier verpflichtete sich der Deutsche Tischtennis-Bund, die Nominierungen des Deutschen Behindertensportverbands ohne eigenes Ermessen anzuerkennen und an die zuständigen internationalen Sportverbände weiterzuleiten.

22 Zur rechtlichen Einordnung des Vertrags siehe Lambertz (Fn. 1), S. 111 f.; Herrmann, Rechtsgrundlagen der Nominierung, S. 40 ff. 23 Art. 44.1 der Olympischen Charta. 24 Vgl. Art. 41 der Olympischen Charta.

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VIII. Schadensersatz bei rechtswidrig unterbliebener Nominierung Sollte der Athlet zu Unrecht nicht nominiert worden sein, stehen ihm aufgrund der Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten grundsätzlich Schadensersatzansprüche gegen den Verband zu, denn ein Monopolverband, der als einziger bestimmte Leistungen unter von ihm selbst aufgestellten Kriterien an Nicht-Verbandsangehörige erbringt, ist verpflichtet, diese Leistung jedem zu gewähren, der die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung erfüllt25. Art und Umfang der zu erbringenden Schadensersatzleistung ergeben sich, wie für alle vertraglichen und deliktischen Schuldverhältnisse, aus den §§ 249 ff. BGB. Dies bedeutet zweierlei: erstens Totalreparation und zweitens Naturalrestitution. Der Schädiger soll somit den Schaden ersetzen, der durch das zum Ersatz führende Ereignis eingetreten ist, sofern es sich um einen in Geld messbaren Schaden handelt. Sollte dies nicht der Fall sein, so muss der Schädiger nach dem Prinzip der Naturalrestitution trotzdem den Zustand herstellen, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Dies setzt aber zwangsläufig einen Vermögensschaden voraus. 1. Verschuldensvorwurf der Verbände Jeder Schadensersatzanspruch setzt ein schuldhaftes Handeln des Schädigers voraus. Da der Athlet Schadensersatzansprüche gegen den nicht nominierenden Verband geltend machen möchte, muss die Frage beantwortet werden, welcher Vorwurf dem Verband gemacht werden kann – ausgenommen natürlich den Fall, dass offensichtliches Wissen um die Rechtswidrigkeit der unterbliebenen Nominierung besteht. a) Verschulden bei falscher Auslegung der Nominierungskriterien Ein denkbarer Vorwurf, der dem Verband gemacht werden kann, ist die falsche Auslegung der eigenen Nominierungskriterien. Allerdings gilt es zu beachten, dass der Verband, legt er seine eigenen Nominierungskriterien falsch aus, unter Umständen einem unverschuldeten Rechtsirrtum unterliegen könnte. So gehen Mäsch und Walker davon aus, dass, sollte die vom Verband getroffene Auslegung von Gerichten bestätigt werden, diese falsche Auslegung der Nominierungsrichtlinie ein unverschuldeter Rechtsirrtum ist, denn dies zeige, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht verletzt worden sei.26 Dieses Argument ist sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen, doch muss der generelle Verweis auf bestätigende Urteile von Zivilgerichten relativiert werden, wenn es in demselben Verfahren auch andere Entscheidungen anderer Gerichte 25 26

BGH, Urteil vom 13. 10. 2015, Az: II ZR 23/14, Rn. 22. Mäsch, JuS 2012, 352, 354; Walker, SpuRt 2014, 46, 48.

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gab, wie beispielsweise im Verfahren Friedek27. Dort bekam der Kläger vor den Schiedsgerichten Recht, lediglich die ordentlichen Gerichte verweigerten ihm seinen Anspruch. Wenn also in einem solch mehrgliedrigen Verfahren unterschiedliche Auslegungen von den Gerichten getroffen werden, reicht m. E. der Hinweis auf einzelne Entscheidungen nicht aus, um dem Verband den Weg aus der Schadensersatzhaftung zu eröffnen. Vielmehr zeigt in diesem Fall das Vorhandensein verschiedener Auslegungsmöglichkeiten, dass der Verband die Nominierungskriterien so hätte auslegen können, dass der Athlet hätte nominiert werden müssen. Gerade vor dem Hintergrund, dass an das Vorliegen eines Rechtsirrtums hohe Anforderungen zu stellen sind, um dem Schuldner nicht einfach die Möglichkeit zu eröffnen, sich der Haftung zu entziehen,28 muss dem Verband bei unterschiedlichen Auslegungen durch Gerichte der Rückzug auf einen Rechtsirrtum verwehrt bleiben29. b) Verschulden wegen fehlerhaften Aufstellens der Nominierungsrichtlinien Denkbar ist es auch, ein Verschulden des Verbands in der unklaren Formulierung der Nominierungsrichtlinien zu suchen, also eine Stufe früher anzusetzen, denn es sind die Verbände, die ihre eigenen Regeln schaffen und die Formulierung bestimmen. Aufgrund der Formulierungshoheit muss in der unklaren Formulierung der jeweiligen Regelung ein Verschulden des Verbands gesehen werden.30 Es kann nicht sein, dass der Vertragspartner die uneingeschränkte Hoheit über die Formulierung der entscheidenden Normen hat, diese uneindeutig formuliert und sich dann darauf beruft, dass auch andere seine Richtlinie so zu verstehen haben wie er selbst. Der Verband hat bei einer unklaren/mehrdeutigen Formulierung die Sorgfalt außer Acht gelassen, die ein gewissenhafter Klauselersteller hätte an den Tag legen müssen. 2. Schadenspositionen des Athleten Im Folgenden sollen die unterschiedlichen potentiellen Schadenspositionen des Athleten im Hinblick auf ihre Ersatzfähigkeit begutachtet werden.31

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Vgl. Lambertz (Fn. 1), S. 96 ff. BGH, NJW 1994, 2754. 29 So auch BGH, Urteil vom 13. 10. 2015, Az: II ZR 23/4 Rn. 37 ff. 30 Vgl. Lambertz (Fn. 1), S. 84. 31 Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Schadensersatzpositionen des Athleten finden sich in Lambertz (Fn. 1), S. 130 ff. 28

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a) Vom Sponsor/Arbeitgeber im Falle einer Nominierung/Teilnahme gezahlte Gelder In vielen individualvertraglichen Verträgen zwischen Athleten und ihren Sponsoren sind Klauseln enthalten, die für den Fall der Nominierung oder einer späteren Teilnahme an herausragenden Titelwettkämpfen spezielle Bonuszahlungen vorsehen. Entgehen dem Athleten diese zusätzlichen Einnahmen, weil er unrechtmäßig nicht nominiert worden ist, so sind sie ihm zu ersetzen. b) Entgangene Antrittsgelder Kann der Athlet nachweisen, dass er für die Teilnahme an einem Wettkampf, für den er rechtswidrig nicht nominiert worden ist, Antrittsgelder erhalten hätte, so stellt dies einen Vermögensschaden dar, der zu ersetzen ist.32 c) Schmerzensgeld Die Nichtnominierung kann für den Athleten nicht nur finanzielle Einbußen zur Folge haben, sondern auch mit einem Verlust an Ansehen und Ehre einhergehen oder das „Platzen eines Lebenstraums“ bedeuten. Dieser Schaden, der nicht unmittelbar in Geld aufgewogen und kompensiert werden kann, wiegt mitunter schwerer als etwaige finanzielle Einbußen. Neben den materiellen Schäden sind für den Athleten durch eine unrechtmäßige Nichtnominierung also auch immaterielle Schäden i. S. d. § 253 BGB denkbar. Von der Vorschrift des § 253 BGB sind alle Einbußen des Geschädigten umfasst, die nicht in Geld messbar sind. Dieser Anspruch zeichnet sich dadurch aus, dass der individuelle Schaden nicht ohne Weiteres zu definieren ist.33 Der finanzielle Ersatz immaterieller Schäden ist im deutschen Schadensersatzrecht allerdings die Ausnahme.34 Bereits der Wortlaut begrenzt den Anwendungsbereich des § 253 Abs. 1 BGB. Schadensersatz für einen Schaden, der kein Vermögensschaden ist, kann eben nur in den gesetzlich festgelegten Fällen gefordert werden. Fehlt es an einer solchen gesetzlichen Sonderregelung, schließt Abs. 1 den Schadensersatz in Geld für Nichtvermögensschäden aus.35 Sinn und Zweck des Schmerzensgeldes ist nicht der Ersatz eines materiell messbaren oder gar eines Vermögensschadens, sondern die Schaffung eines materiellen Ausgleichs für immaterielle Schäden. Durch diesen soll ein angemessener Ausgleich 32

So auch Bergermann, Doping und Zivilrecht, 2002, S. 163. MünchKommBGB/Oetker, § 253, Rn. 4. 34 MünchKommBGB/Oetker, § 253, Rn. 1; Vieweg, in: Staudinger/Eckpfeiler, J, Rn. 50 ff. 35 Erman/Ebert, § 253, Rn. 3. 33

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für den erlittenen Nichtvermögensschaden und eine Genugtuung für das erlittene Geschehen gewährt werden.36 Im Falle der rechtswidrigen Nichtnominierung greift keiner der gesetzlichen geregelten Fälle37 des § 253 Abs. 1 BGB, so dass ein Schadensersatzanspruch wegen einer rechtswidrigen Nichtnominierung nicht gegeben ist. d) Möglicherweise gewonnene Preisgelder als Schadensposition Neben dem sportlichen Ruhm locken auch die vom Veranstalter ausgelobten Siegprämien die Topstars des Sports zu den Wettkämpfen.38 Wird ein Athlet aber rechtswidrig nicht von seinem Verband nominiert, wird ihm dadurch die Möglichkeit genommen, um diese Siegprämien zu kämpfen. Gerade bei extrem erfolgreichen Athleten scheinen die Siegprämien schon fest eingeplant zu sein. Kann ein Athlet also in einem Schadensersatzprozess einwenden, er hätte das Rennen gewonnen, wenn er an den Start gegangen wäre? Gesetzliche Grundlage für den Ersatz potentiell errungener Preisgelder ist § 252 BGB.39 Er besagt, dass dem Geschädigten auch Ersatz für die Werte zusteht, die er zuvor noch nicht gehabt hat, die ihm aber ohne das schädigende Ereignis zugeflossen wären.40 Letztlich konkretisiert § 252 BGB damit nur noch einmal den Grundsatz der Naturalrestitution und verdeutlicht, dass der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn umfasst.41 Die Vorschrift bietet dem Geschädigten zwei Möglichkeiten, seinen Schaden zu berechnen: zum einen die abstrakte Methode, die von dem regelmäßigen Verlauf im Handelsverkehr ausgeht, nämlich dass gewisse Geschäfte im Rahmen eines Gewerbes getätigt und daraus Gewinne erzielt werden, und zum anderen die konkrete Methode, bei der der Geschädigte nachweist, dass er durch die schädigende Handlung an der Durchführung bestimmter Geschäfte gehindert worden ist und dass ihm wegen der Nichtdurchführbarkeit dieser Geschäfte Gewinn entgangen ist.42

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Erman/Ebert, § 253, Rn. 16 f. Eine Aufzählung der Ausnahmen findet sich in Staudinger/Schiemann, § 253, Rn. 4. 38 Die IAAF lobte für die Weltmeisterschaft 2009 in Berlin für den Weltmeister ein Preisgeld in Höhe von 60.000 E aus, der Zweitplatzierte erhielt 30.000 E – http://www.dnews. de/nachrichten/sport/93474/satte-preisgelder-bei-der-leichtathletikwm.html. 39 So auch Haas/Reimann, SpuRt 2000, 49, 50. 40 Staudinger/Schiemann, § 252, Rn. 1. 41 Brox/Walker, Schuldrecht AT, § 31, Rn. 15; Larenz, Schuldrecht, 492; MünchKommBGB/Oetker, § 252, Rn. 1; PWW/Medicus, § 253, Rn. 1; Staudinger/Schiemann, § 252, Rn. 1. 42 BGH, NJW-RR 2001, 1542 f. 37

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aa) Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, der mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (§ 252 S. 2, 1. Alt. BGB) Der Geschädigte kann den Ersatz des Gewinns verlangen – Gewinn bedeutet in diesem Fall die nicht gezahlten Preisgelder –, den er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwarten durfte.43 Der Geschädigte muss hierbei nicht nachweisen, welcher Schaden ihm unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls konkret entstanden ist. Es wird gesetzlich vermutet, dass der Geschädigte mindestens den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlichen Gewinn realisiert hätte.44 Der BGH45 entschied für die abstrakte Schadensberechnung im Bereich des Handelsverkehrs, dass vom regelmäßigen Verlauf im Handelsverkehr auszugehen sei und dass der Kaufmann gewisse Geschäfte im Rahmen seines Gewerbes tätige und daraus Gewinn erziele. Es stellt sich die Frage, ob man diese Rechtsprechung auf den Bereich des wettkampfmäßigen Sports ausdehnen kann. Mit anderen Worten: Erzielt der Athlet im Rahmen seines Gewerbes, dem Wettkampfsport, mit Wahrscheinlichkeit einen regelmäßigen Gewinn? Dies erscheint äußerst fragwürdig, denn der auf Wettkampfniveau betriebene Sport ist nicht kalkulierbar. Eine regelmäßige Entwicklung, wie sie im Handelsverkehr zu erwarten ist, ist im Bereich des professionellen Sports nicht denkbar.46 Der in diesem Bereich zu realisierende Gewinn hängt überwiegend von der Eigenleistung des Athleten ab, die so starken Schwankungen unterliegen kann, dass eine über eine gewisse Dauer gleichmäßige „Arbeitsleistung“ nicht im Rahmen des gewöhnlichen Verlaufs liegt. Der Handwerker, um im Beispiel der zuvor zitierten BGH Entscheidung zu bleiben, kann z. B. davon ausgehen, dass er in der nächsten Zeit Aufträge erteilt bekommt, die ihm einen Gewinn ermöglichen. Darüber hinaus ist die Leistung des Athleten ständigen Beeinflussungen von außen ausgesetzt, die einen gewöhnlichen Lauf der Dinge verhindern. Die Leistung des Athleten wird durch andere Teilnehmer, die Widrigkeiten der äußeren Bedingungen und auch durch die Tagesform bestimmt. Ein regelmäßiges Abschneiden in den Wettkämpfen ist somit kaum zu realisieren.

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BGH, NJW 1959, 1079; BGH, NJW 1987, 1703, 1707; Palandt/Heinrichs, § 252, Rn. 5. v. Hoyningen-Huene/Boemke, NJW 1994, 1757, 1757. 45 BGH, NJW 1974, 895. 46 So auch Haas/Reimann, SpuRt 2000, 49, 51. 44

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Im Ergebnis muss somit festgestellt werden, dass anders als im „normalen“ Wirtschaftsleben im Sport kein Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erwartet werden kann, weil es hier eben keinen gewöhnlichen Lauf der Dinge gibt.47 bb) Gewinn nach den besonderen Umständen, der mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (§ 252 S. 2, 2. Alt. BGB) Neben der abstrakten Methode, den ausgebliebenen Gewinn zu berechnen, ermöglicht § 252 BGB auch die Berechnung nach einer konkreten Möglichkeit. Bei dieser Berechnung wird auf die Höhe des Gewinns abgestellt, der aufgrund der besonderen Umstände zu erwarten gewesen wäre. Haas/Reimann48 bejahen die Möglichkeit des Athleten, seinen Schaden auf diese Art zu berechnen.49 Für die Autoren erlauben sportliche Leistungen im Vorfeld eines Wettkampfs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für den späteren Ausgang des Wettkampfs. Ihrer Auffassung nach kann ein Athlet somit Ersatz für Siegprämien verlangen, die er hätte erringen können, soweit eine objektive Vergleichbarkeit der erbrachten Leistung im Vordergrund steht. Diese objektive Vergleichbarkeit sei bei sportlichen Wettkämpfen gegeben, denn im Sport stehe im Grundsatz die objektive Vergleichbarkeit der erbrachten Leistung im Vordergrund. Sollten die mit dem Wettkampf einhergehenden Unwägbarkeiten eine Prognose unmöglich machen, so könnten sie allenfalls die Grundlage für bestimmte Zu- oder Abschläge der Schadensberechnung nach § 287 ZPO bilden.50 Die Autoren ziehen für ihre Argumentation zwei Entscheidungen des BGH heran. Diese können jedoch nicht als Argumentationshilfe überzeugen. Als erste Entscheidung führen die Autoren ein Urteil des BGH aus dem Jahre 1982 an.51 In diesem Verfahren wurde einem Architekten mit seinem Beitrag zu Unrecht die Teilnahme an einem Architektenwettbewerb verwehrt. Er machte nunmehr wegen dieses unrechtmäßigen Ausschlusses Schadensersatz geltend. Der BGH kam in diesem Fall zu dem Ergebnis, dass die Frage, ob der Kläger im fraglichen Architektenwettbewerb einen Preis erreicht hätte oder nicht, dem Sachverständigenbeweis zugänglich sei.52 Haas/ Reimann führen dann aus, dass ein sportlicher Wettkampf einem Architektenwettbewerb ähnele, so dass auch dabei im Grundsatz die objektive Vergleichbarkeit der erbrachten Leistung im Vordergrund stehe. Dabei verkennen Haas/Reimann jedoch die unterschiedlichen Situationen der beiden „Wettkämpfe“. 47 So im Ergebnis auch Haas/Reimann, SpuRt 2000, 49, 51; Reimann, Doping im Arbeitsverhältnis des Berufssportlers, 2009, S. 288 f.; wohl auch Bergermann (Fn. 32), S. 166. 48 Haas/Reimann, SpuRt 2000, 49 ff. Differenzierender Bergermann (Fn. 32), S. 165 f. 49 Ähnlich auch Heermann, Haftung im Sport, 2008, Rn. 649 ff. 50 Haas/Reimann, SpuRt 2000, 49, 52. 51 BGH, NJW 1983, 442 ff. 52 BGH, NJW 1983, 442, 444.

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Bei dem vom BGH entschiedenen Fall lag die bewertungsuchende Arbeit des Architekten bereits vor, bei einem Sportwettkampf muss diese erst noch erbracht werden. Dass eine bereits erbrachte Leistung der Bewertung eines Sachverständigen zugänglich ist, ist ohne Weiteres verständlich, zumal diese Arbeit auch an den vorgelegten Arbeiten anderer gemessen werden kann. Der sportliche Wettkampf lebt vom unmittelbaren Kampf gegen den Gegner. Die Wettkampfsituationen und die sich daraus ergebenden Unwägbarkeiten sind spontan und nicht wiederholbar, geschweige denn der Begutachtung durch einen Sachverständigen zugänglich. Selbst vermeintlich individuelle Sportarten werden von der Interaktion mit dem Gegner beeinflusst. Zudem bietet keine sportliche Leistung im Vorfeld einen sicheren Anhaltspunkt für das spätere Abschneiden im Hauptwettkampf. Richtig ist dagegen der Vergleich, den der BGH in seiner Entscheidung als Abgrenzung gewählt hat: Der Sportwettkampf ähnelt eher einem Gesangs- oder Instrumentenwettbewerb. In beiden Fällen wurde die Leistung nämlich noch nicht erbracht. Die Bewertung der „Arbeit“ kann nur in der Schnelllebigkeit des Augenblicks geschehen und eben auch nur zu diesem Zeitpunkt. In der zweiten Entscheidung, die die Autoren als Argumentationsstütze heranziehen, musste sich der BGH mit dem Schadensersatzanspruch eines Fußballspielers auseinandersetzen, der aufgrund einer missglückten ärztlichen Behandlung nicht mehr Fußballspielen konnte und angab, dadurch auch in Zukunft nicht als B-Lizenztrainer arbeiten zu können.53 Der BGH entschied daraufhin, dass der Fußballer Schadensersatz für seinen Verdienstausfall für eine zukünftige Traineranstellung verlangen könne. Zwei Vereine hatten bestätigt, dass sie ihn für zwei Jahre beschäftigt hätten. Der darüber hinaus geltend gemachte Verdienstausfall für weitere acht Jahre könne jedoch nicht verlangt werden, denn eine Weiterbeschäftigung als Trainer sei maßgeblich von seinem Erfolg als Trainer abhängig. Dies gelte auch für seinen Vortrag, dass er schließlich die A-Lizenz erworben und somit höher dotierte Trainerverträge erlangt hätte. Diese Entscheidung stellt eine erneute Bestätigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar, dass im Sport zukünftige Entwicklungen nicht vorhersehbar sind und nicht zur Berechnung eines entgangenen Gewinns herangezogen werden können. Der BGH hat hier lediglich einen klar zu bestimmenden Schaden als ersatzfähig angesehen, nämlich die Einkünfte, die der Kläger als B-Lizenztrainer für einen begrenzten Zeitraum erworben hätte. Die von § 252 BGB geforderte Wahrscheinlichkeit ist hier eindeutig gegeben. In dem zur Entscheidung vorgelegten Fall war es hinreichend wahrscheinlich, dass der klagende Fußballspieler nach seiner aktiven Karriere als Trainer angefangen 53

BGH, NJW 1998, 1633 ff.

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und somit einen Nebenverdienst erlangt hätte, zumal er schon zwei konkrete Vereine vorweisen konnte, die ihn eingestellt hätten. Lediglich im Hinblick auf die Dauer seiner Anstellung machte der BGH vollkommen zu Recht Einschränkungen, da die Dauer der Beschäftigung von vielen nicht beeinflussbaren Faktoren abhängig ist. Zwar ließ der BGH erkennen, dass ein anderes Ergebnis denkbar gewesen wäre, wenn der Kläger zum Zeitpunkt der Verletzung bereits Erfolge als Trainer vorzuweisen gehabt hätte, doch bietet dies nicht auch zwangsläufig Schutz vor einer vorzeitigen Beendigung des Traineramts.54 Es ist folglich davon auszugehen, dass der Kläger wahrscheinlich nur schwer den Beweis hätte führen können, dass er für weitere zehn Jahre eine Anstellung gefunden hätte. Die vom BGH zugesprochene Entschädigung war der Ausgleich eines zwar in der Zukunft liegenden, doch aber genau zu bestimmenden Vermögenszuwachses. cc) Eigene Bewertung Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 252 BGB passen nicht für sportliche Wettkämpfe und die möglicherweise zu erringenden Preisgelder. Im Ergebnis ist ein Ersatz für potentiell gewonnene Preisgelder abzulehnen, da eine Platzierung in den Preisrängen eines bestimmten Rennens grundsätzlich nicht wahrscheinlich i. S. d. § 252 BGB ist.55 Jeglicher Sport lebt von der Zufälligkeit des Augenblicks. Eine brillante Kür im Qualifikationswettkampf oder eine starke Zeit in einem Vorlauf garantieren nie den sportlichen Erfolg im Hauptwettkampf. Im Spitzenleistungssport ist die Leistungsdichte so extrem hoch,56 dass bereits der kleinste Fehler ausreichen kann, um einen Preisgeldrang zu verlieren.57 Diese Auffassung teilt grundsätzlich auch das OLG Düsseldorf, das über den Schadensersatzanspruch eines Pferdehalters zu entscheiden hatte, dessen Pferd vor der Sperre fast ausschließlich siegreich von der Trabbahn ging58. Der Entscheidung des OLG Düsseldorf muss jedoch in einer Feststellung widersprochen werden. Das Gericht hatte die grundsätzliche Chance erkennen lassen, dass für den Fall, dass 54

Als Beispiel sei hier der Trainer des Fußballerstligisten TSG Hoffenheim Ralf Rangnick genannt, der den Verein in der Winterpause der Fußballbundesliga 2010/11 verließ, weil ein Spieler ohne sein Wissen verkauft wurde. Siehe dazu „Mobbing in Hoffenheim“, FAZ v. 03. 01. 2011, S. 23. 55 So auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 1986, 517 ff., Turner, NJW 1992, 720, 721. A.A. Heermann, (Fn. 49), Rn. 651. 56 Die hohe Leistungsdichte sieht auch das OLG Düsseldorf, NJW-RR 1986, 517. 57 So stürzten die favorisierten Koreaner und Kanadier im Weltcup-Shorttrack-Staffelfinale am 20. 02. 2011 in Dresden und die eigentlich nicht favorisierte deutsche Mannschaft siegte überraschend. Siehe http://www.desg.de/shorttrack/aktuelles/193-verrueckt-weltcupsieg-fuerdeutschland. 58 OLG Düsseldorf, NJW-RR 1986, 517 ff.

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ein Pferd vor einer Sperre (fast) alle Rennen gewonnen hätte und nachgewiesen werden könne, dass bei weiteren Rennen nur schwächere Pferde mitgelaufen seien, eine andere Entscheidung im Hinblick auf den entgangenen Gewinn möglich sei.59 Ähnlich sieht es das LG München I60, das die im Training erzielten Werte als „eher aussagekräftig“ ansieht und diese als Ansatzpunkte für ein Abschneiden in einem zukünftigen Wettkampf heranziehen würde. Selbst wenn dies der Fall wäre, so hängt die Wahrscheinlichkeit eines Sieges oder einer Platzierung in den Preisrängen doch von zu vielen Unwägbarkeiten61 ab, als dass auch in diesem Fall eine Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 252 BGB vorläge. Weder das Abschneiden in vorherigen Wettkämpfen noch die im Training erbrachten Leistungen62 reichen als Anknüpfungspunkt aus. Ergebnisse, die in der Vergangenheit erzielt worden sind, können grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt herangezogen werden, da es Menschen in aller Regel verwehrt ist, auf Knopfdruck eine maximale Leistung hervorzubringen. Im Übrigen scheint es auch schwer zu sein, die Höhe der entgangenen Preisgelder zu bestimmen, da die Höhe maßgeblich von der Platzierung abhängig ist. Dem Richter würde womöglich ein zu großer Entscheidungsspielraum gewährt.63 Nach welchem objektiven Maßstab sollte hier vorgegangen werden? Es stellt sich die Frage, wie bestimmt werden kann, welche Platzierung der Athlet in einem Wettkampf erreicht hätte.64 Die gemäß § 287 Abs. 1 ZPO von den Gerichten vorgenommenen Abschläge in Höhe von 1/2 oder 1/3 entbehren eines objektiven Anknüpfungspunkts und sind damit abzulehnen.

59 OLG Düsseldorf, NJW-RR 1986, 517; in diese Richtung geht auch BGH, NJW 1998, 1633. 60 LG München I, SpuRt 1995, 161, 168. 61 Als Beispiel für solche Unwägbarkeiten im Reitsport seien hier nur Stürze, Krankheiten, Fehlsteuerungen des Jockeys, technische Disqualifikation oder Materialfehler genannt. Hinsichtlich der Unwägbarkeiten beim Abschneiden in Wettkämpfen teilt diese Meinung auch LG München I, SpuRt 1995, 161, 168. 62 Da die im Training erbrachten Leistungen in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit erbracht wurden, besteht dabei grundsätzlich die Möglichkeit der Manipulation, im Gegensatz zu den in vorherigen Wettkämpfen erbrachten Leistungen, so dass dies auch gegen die Verwendung von Trainingswerten als Anknüpfungspunkt spricht. 63 Ein ähnliches Problem stellte sich auch dem historischen Gesetzgeber bei der Schaffung des § 253 Abs. 1 BGB. Die Rechenhaftigkeit des Schadensersatzrechts sollte gewahrt werden und so wandte man sich gegen ein zu weites Schätzungsermessen des Richters. Eine Überprüfung seiner Einschätzung in einer möglichen Revision sei kaum möglich und würde dem Richter eine zu große Souveränität gewähren. Im Übrigen bestünde auch keine Schutzlücke, da es den Parteien freistehe, Vertragsstrafen zu vereinbaren – Staudinger/Schiemann, § 253, Rn. 1. 64 Zwischen den einzelnen Preisrängen bestehen oftmals erhebliche Differenzen. So erhielt z. B. bei der WM der Leichtathleten jeder Weltmeister 42.282 E, jeder Vizeweltmeister erhielt 21.121 E und jeder Drittplatzierte erhielt 14.094 E – http://www.welt.de/sport/leichtathletikwm/article4302466/Deutscher-Meister-steht-unter-Dopingverdacht.html.

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Daneben ist auch stets das Bereicherungsverbot65 im Schadensrecht zu beachten, dem zufolge verhindert werden muss, dass der Schädiger übervorteilt wird. Der Geschädigte darf durch den Schadensersatz nicht besser stehen, als er ohne das schädigende Ereignis stünde.66 Diese Gefahr bestünde jedoch zweifelsohne, denn niemals lässt sich sicher sagen, dass ein bestimmter Athlet in einem Wettkampf eine bestimmte Platzierung erreicht hätte. Letztlich kann nie ausgeschlossen werden, dass der Athlet nicht doch eine niedrigere Platzierung erreicht hätte. e) Ersatz für auf die Leistung getätigte Aufwendungen (§ 284 BGB) Es stellt sich auch die Frage, ob der Athlet nicht auch Schadensersatz für im Vertrauen auf eine rechtswidrig unterbliebene Nominierung getätigte Aufwendungen geltend machen kann. Gerade im Bereich des Behindertensports kommt es regelmäßig vor, dass die Athleten die Kosten für die Teilnahme an Qualifikationswettkämpfen selbst tragen müssen. Diese Kosten können unter Umständen erheblich sein. Unterbleibt dann die Nominierung, mit der der Athlet gerechnet hat, ist an Schadensersatz gemäß § 284 BGB zu denken. Die Vorschrift billigt dem Gläubiger zumindest einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen zu, die er (billigerweise) im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung getätigt hat und die aufgrund des Ausbleibens der Leistung frustriert werden.67 Da zum Zeitpunkt des Eingehens der Verbindlichkeiten der Nominierungsvertrag zwischen Verband und Athlet noch nicht geschlossen ist, kommt eine Haftung nur unter den Grundsätzen der C.i.c.-Haftung in Frage.68 Entsprechend dem Wortlaut des § 284 BGB müssen die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung vorliegen, wobei es auf den ersatzfähigen Schaden nicht ankommt.69 Dies kann im Fall eines Athleten, der rechtswidrig nicht nominiert wurde, ohne Weiteres unterstellt werden. Fraglich ist allein, ob die freiwilligen Vermögensopfer des Athleten i. S. d. § 284 BGB ersatzfähig sind. Zunächst muss eine Aufwendung im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gegeben sein. Aufwendungen i. S. d. § 284 BGB sind danach grundsätzlich vom Gläubiger im Hinblick auf das Schuldverhältnis freiwillig erbrachte Vermögensopfer. Es kann sich dabei sowohl um eingegangene Verbindlichkeiten als auch um Sachaufwendungen handeln. Auf die Fremdnützigkeit kommt es daher bei § 284 BGB 65 Dieser Grundsatz leitet sich aus der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzrechts und der sog. Differenztheorie ab und begrenzt den Schadensersatzanspruch der Höhe nach. Zwar ist dieser Grundsatz in den §§ 249 ff. BGB nicht ausdrücklich geregelt, doch ist er inzwischen allgemein anerkannt; vgl. Vieweg (Fn. 34), Rn. 87 f. 66 Vieweg (Fn. 34), Rn. 87. 67 BeckOK BGB/Lorenz BGB § 284 Rn. 1. 68 BeckOK BGB/Lorenz BGB § 284 Rn. 15. 69 Stoppel, AcP 204, 2004, 89.

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nicht an.70 Vom Aufwendungsbegriff erfasst werden sämtliche Vermögensopfer, die der Gläubiger auf Weisung des Schuldners oder freiwillig erbringt; dazu zählen beispielsweise auch Reise- und Übernachtungskosten bei Konzertbesuchen.71 Nach der Vorstellung des Gläubigers kann, entsprechend der Konzeption des § 284 BGB, der mit seiner Aufwendung verfolgte Zweck nur mit dem Erhalt der vom Schuldner zu erbringenden Leistung eintreten, weshalb ihm die Aufwendung im Ergebnis selbst zugute kommt.72 Dabei ist die Funktion der Aufwendung zu beachten: Obwohl der Gläubiger keinen Schaden im materiellen Sinne erlitten hat, bildet sie den Maßstab für die Vermögenseinbuße, mit der sich die Nichterfüllung für den Gläubiger bemerkbar macht. Ob es sich um Erwerbsaufwendungen oder um Verwendungsinvestitionen für den späteren Einsatz des Vertragsobjekts handelt, ist also im Kontext des § 284 BGB unerheblich.73 Danach sind die von einem Athleten im Vorfeld einer Nominierung entrichteten Reisekosten sowie die Startgelder mangels Unfreiwilligkeit zunächst als Aufwendungen i. S. d. § 284 BGB zu qualifizieren. Die Aufwendung muss auch im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht worden sein. Sie muss daher, um ersatzfähig zu sein, in dem Zeitraum nach dem Entstehen der Leistungspflicht und vor deren Beendigung getätigt worden sein.74 Diese Voraussetzung liegt hier im Ergebnis vor, sofern vereinbarungsgemäß die Pflicht zur Nominierung durch den Spitzenverband bereits bestand und nur noch von der Wettkampfteilnahme des Athleten abhängig war, deren Kosten von diesem selbst zu tragen waren. Da der Verband grundsätzlich nominieren muss, wenn der Athlet die Voraussetzungen erfüllt hat, besteht die Nominierungspflicht. Das erforderliche Vertrauen des Gläubigers auf den Erhalt der Leistung bestimmt sich im Grundsatz, entsprechend dem Wortlaut des § 284 BGB, rein aus der subjektiven Gläubigersicht. Die Frage, ob das Vertrauen des Gläubigers schutzwürdig ist, ist sodann im Rahmen einer normativen Kontrolle in Form der Billigkeit zu beantworten.75 Im Anschluss an die Rechtsprechung zur Rentabilitätsvermutung76 fallen unter Aufwendungen im Vertrauen auf den Leistungserhalt unter anderem Vertragsschluss- und Vertragserfüllungskosten. Dies sind Aufwendungen, die den Zweck haben, die Vertragsdurchführung im Interesse beider Parteien zu ermöglichen oder zu sichern. Hierunter fallen auch Aufwendungen, die der Erlangung der Gegenleistung dienen, wie Kosten einer notariellen Beurkundung oder der Eintragung einer

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BeckOK BGB § 284 Rn. 11. HK-BGB/Reiner Schulze BGB § 284 Rn. 6. 72 Stoppel, AcP 204, 2004, 89. 73 MünchKommBGB/Ernst § 284 Rn. 16. 74 MünchKommBGB/Ernst § 284 Rn. 16. 75 Stoppel, AcP 204, 2004, 89, 90. 76 BGH JZ 92, 464 ff.; i. E. Wiedemann/Müller, JZ 1992, 468 ff.

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Auflassung sowie Maklerprovisionen. Daher reicht der Vertrauensschutz im Ergebnis sehr weit.77 Die Vorschrift des § 284 BGB enthält ferner ein weiteres normatives Korrektiv. Die vom Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung getätigten Aufwendungen sollen nur dann ersatzfähig sein, wenn er sie „billigerweise machen durfte“. Auf diese Weise soll die Möglichkeit der Abwälzung beliebig hoher Aufwendungen auf den Schuldner begrenzt werden, um ihn vor unübersehbaren Haftungsfolgen zu schützen.78 Zunächst ist hier das Gläubigervertrauen maßgebliches Kriterium für die Bestimmung der Ersatzpflicht des Schuldners.79 Das Gläubigervertrauen ist spätestens mit Entstehung des Anspruchs auf die Leistung schutzwürdig. Dem sind grundsätzlich auch diejenigen Fälle gleichzusetzen, in denen die Anspruchsentstehung so weit fortgeschritten ist, dass das Zustandekommen des Anspruchs nur noch vom Gläubigerwillen abhängt.80 Ein weiteres Abwägungskriterium stellt in diesem Zusammenhang die Höhe der Schuldnerbelastung dar – auch ein auffälliges Missverhältnis von Aufwendung und Wert der Leistung kann Grund für eine Begrenzung des Aufwendungsersatzanspruchs des Gläubigers sein.81 Ein Anspruch eines Athleten gemäß § 284 BGB ist daher durchaus denkbar.

IX. Gerichtliche Durchsetzung im einstweiligen Rechtsschutz Der Sport ist ein Rechtsgebiet, in dem Entscheidungen teilweise rasch getroffen werden müssen,82 nicht nur im Wettkampf sondern auch außerhalb. Dem vorläufigen Rechtsschutz kommt somit eine entscheidende Bedeutung zu.83 Dies gilt besonders für den Bereich der Durchsetzung einer Nominierung, denn die Nominierungen werden regelmäßig erst kurz vor den jeweiligen Wettkämpfen bekanntgegeben. Für die Parteien ist ein Abwarten der Hauptverhandlung teilweise nicht zumutbar,84 so dass Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz getroffen werden müssen, um einen effektiven Rechtsschutz zu gewähren.85

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HK-BGB/Reiner Schulze BGB § 284 Rn. 8. MünchKommBGB/Ernst § 284 Rn. 20; HK-BGB/Reiner Schulze BGB § 284 Rn. 11. 79 Stoppel, AcP 204, 2004, 89, 95. 80 Stoppel, AcP 204, 2004, 89, 96. 81 MünchKommBGB/Ernst § 284 Rn. 20; Stoppel, AcP 204, 2004, S. 98 f. 82 So auch Oschütz, Probleme der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport: Arbeitsrechtliche Streitigkeiten und einstweiliger Rechtsschutz, in: Haas (Hrsg.), Schiedsgerichtsbarkeit im Sport, 2003, S. 43, 53. 83 Schlosser, SchiedsVZ 2009, 84. 84 Oschütz (Fn. 82), S. 43, 53. 85 So auch Handbuch des Sportrechts/Haas/Haug/Reschke, Teil B, 2. Kap, Rn. 218. 78

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Spielen schiedsgerichtliche Entscheidungen im Bereich des professionellen Sports eine große Rolle, ist ihre Bedeutung für den Bereich der gerichtlichen Durchsetzung eines Nominierungsanspruchs regelmäßig nicht allzu hoch, da zunächst eine Schiedsvereinbarung vorliegen muss. An dieser wird es gerade im Bereich der Durchsetzung eines Nominierungsanspruchs gegenüber dem DOSB regelmäßig fehlen, da zum Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung des Nominierungsanspruchs noch keine vertragliche Beziehung zwischen Athlet und DOSB besteht, aus der sich die Schiedsvereinbarung ergeben könnte. 1. Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs im einstweiligen Verfügungsverfahren Aus § 1041 Abs. 1, 2 ZPO i. V. m. § 1033 ZPO ergibt sich die Parallelität der beiden Rechtswege.86 Demnach ist der Antragsteller befugt, seinen Eilantrag wahlweise beim Schiedsgericht oder bei den ordentlichen Gerichten einzureichen.87 Die Möglichkeit, vor den ordentlichen Gerichten vorläufigen Rechtsschutz zu suchen, ist trotz Abschluss einer Schiedsvereinbarung immer dann möglich, wenn der schiedsgerichtliche vorläufige Rechtsschutz nicht den effektiven Rechtsschutz bieten kann, den die ordentlichen Gerichte bieten können.88 Dies gilt selbst dann, wenn eine ausdrückliche Ermächtigung des Schiedsgerichts zur Verhängung vorläufiger Maßnahmen durch den Schiedsvertrag vorgesehen ist.89 Im Hinblick auf das deutsche Sportschiedsgericht dürfte das Kriterium des effektiven Rechtsschutzes gewahrt sein, da dieses an jedem Tag einen Schiedsrichter bestimmt, der für den einstweiligen Rechtsschutz zuständig ist. Gänzlich unzulänglich ist der Ausschluss des einstweiligen Rechtsschutzes durch Verweisung auf die „Vereinsgerichte“, da in diesen Fällen eben nicht neutral entschieden und ein effektiver Rechtsschutz nicht gewährt wird. In diesen Fällen sind weiterhin ausschließlich die ordentlichen Gerichte zuständig.90

86 So schon Gottwald/Adolphsen, DStR 1998, 1017, 1020; Hertel, Aktivierung von Athletenrechten im Verhältnis zur Verbandsautonomie unter besonderer Berücksichtigung der Berufsfreiheit, S. 200. 87 Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 2008, Rn. 2853; SportR/Haas, Teil B, 2 Kap, Rn. 221. Zu der Möglichkeit einer Exklusivvereinbarung über die ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts bei einstweiligen Rechtsschutzverfahren siehe Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, S. 569 ff. 88 Monheim, SpuRt 2009, 1, 4 f. 89 Vgl. nur OLG Hamm, MDR 1972, 52; OLG Frankfurt, NJW 1959, 1088; 1973, 2208; Schimke, SpuRt 1994, 91, 92. So z. B. in § 20 der DIS-Sportgerichtsordnung. 90 Hertel (Fn. 86), S. 202 f.

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Ebenso unzulässig ist es, den Athleten auf die Beschreitung des verbandsinternen Rechtswegs vor Anrufung des ordentlichen Gerichts zu verweisen, da sonst die Gefahr der Verschleppung des Rechtsstreits bestünde.91 2. Verfügungsgrund/-anspruch Für das Verfahren vor den Schiedsgerichten gibt es keine näheren Spezifikationen, unter welchen Voraussetzungen eine vorläufige Maßnahme zu erlassen ist. § 1041 ZPO enthält insoweit keine Vorgaben.92 Da es sich bei den vereinsrechtlichen Streitigkeiten um zivilrechtliche handelt, müssen auch zivilrechtliche Maßstäbe an die Verfahren vor den Schiedsgerichten angelegt werden. Dies bedeutet, dass auch im einstweiligen Rechtsschutz vor den Schiedsgerichten der Antragsteller einen Verfügungsgrund und einen Verfügungsanspruch vortragen muss.93 Der Athlet muss somit zum einen den Grund für die Dringlichkeit der Entscheidung vortragen.94 Dies wird ihm aller Voraussicht nach in den meisten Fällen gelingen, denn die Nominierungen werden in der Regel recht kurzfristig bekannt gegeben, so dass ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache unmöglich ist. Darüber hinaus muss der Athlet auch einen Verfügungsanspruch glaubhaft machen, indem er die Umstände vorträgt, die es überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Maßnahme des Verbands rechtswidrig ist.95 3. (Keine) Vorwegnahme der Hauptsache Grundsätzlich handelt es sich bei einem einstweiligen Verfügungsverfahren um eine vorläufige Regelung eines Sachverhalts. Es dient somit nicht zur endgültigen Klärung der streitigen Rechtsbeziehung.96 Der Beschluss, der in diesem summarischen Verfahren ergeht, soll den Zustand nur bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig regeln oder sichern.97 91

OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2000, 1117, 118; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1988, 1271, 1272; so auch SportR/Haas, Teil B, Rn. 220; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts 2010, Rn. 3418. 92 Schlosser, SchiedsVZ 2009, 84, 88. 93 Schlosser, SchiedsVZ 2009, 84, 89, der es für geschickter hält, den Vortrag auf einstweiligen Rechtsschutz auf beide Begründungen zu stützen. 94 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 935, Rn. 16 f. 95 OLG Celle, BB, 1973, 1190 ff.; Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach deutschem Recht, in: Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, 1997, S. 19, 39. 96 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz. § 916, Rn. 5; Schuschke/Walker/ Schuschke, ZPO, § 938, Rn. 10. 97 Schimke, SpuRt 1996, 167.

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Ausnahmsweise lässt man aber im Rahmen eines solchen Verfahrens die Möglichkeit zu, dass eine Leistungsverfügung ergeht. Dies bedeutet, dass der Antragsteller im Rahmen der einstweiligen Verfügung bereits das erreicht, was er im Hauptsacheverfahren erreichen könnte.98 Dies darf freilich nur unter ganz bestimmten, engen Voraussetzungen geschehen, nämlich immer dann, wenn ein weiteres Abwarten bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu derart großen Nachteilen führt, dass sie dem Antragsteller nicht zugemutet werden können.99 Im Hinblick auf Entscheidungen im Bereich der Nominierungen sind besondere Probleme zu erwarten. Begehrt der Athlet die Teilnahme an einem Wettkampf, so ist eine „Weniger-Regelung“ nicht möglich,100 denn ihm kann in der Regel nicht zugemutet werden, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, da diese regelmäßig erst nach dem jeweiligen Wettkampf stattfindet. In dieser Situation haben die Gerichte101 teilweise dem Athleten als Antragsteller die Zulassung zum Wettkampf im Rahmen einer einstweiligen Verfügung verweigert, weil dies, so ihre Ansicht, eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten würde. Stelle sich nach einer gerichtlich erzwungenen Teilnahme nämlich heraus, dass diese zu Unrecht erfolgt sei, so käme es zu einer nachträglichen, sportlich nicht zu rechtfertigenden Wettbewerbsverzerrung.102 Schlosser spricht sich dafür aus, dass der Eilschiedsrichter nur dann die Verfügung zur Zulassung zu einem Wettbewerb erlassen sollte, wenn er zu dem Entschluss kommt, dass der Athlet substantiell Recht hat. Die zusätzliche Beeinflussung des Wettkampfs durch diesen weiteren Athleten beeinträchtige die Wettkampfverhältnisse und das psychologische Umfeld des Wettkampfs. So würden z. B. Sprungwettbewerbe länger dauern.103 Dies kann nicht überzeugen, denn es ist davon auszugehen, dass die zeitliche Verlängerung eines Wettkampfs durch die Zulassung eines einzelnen Athleten in ihren Folgen für die anderen Athleten vernachlässigbar ist. Für den Athleten, dem eine Teilnahme verwehrt wird, sind die Auswirkungen dagegen erheblich und können im schlimmsten Fall das Ende seiner Karriere bedeuten. Seine Nichtteilnahme hat darüber hinaus noch weitere, durch einen späteren Schadensersatzanspruch nicht aufzuwiegende negative Auswirkungen. 98

Zur Zulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Verfügungsverfahren grundlegend Walker, Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, 1993, Rn. 66 ff. 99 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz. § 916, Rn. 5 f. 100 Ähnlich auch OLG Frankfurt, NJW-RR 2001, 1078. Anders als z. B. bei einem reinen Zahlungsanspruch, bei dem die Möglichkeit besteht, dass das Geld auf ein Treuhandkonto gezahlt wird, bis über die Hauptsache entschieden worden ist. 101 Tribunal de Première Instance, Genf 14. 09. 1995, C/23106/1995 – 9-SP; LG Frankfurt, Beschluss vom 02. 08. 1988 (Handbuch Sport, Dok. 13291). 102 Vgl. Schimke, SpuRt 1996, 167. 103 Schlosser, SchiedsVZ 2009, 84, 89.

Der Athlet auf dem Weg zur Teilnahme am Wettkampf

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Darüber hinaus spricht ein taktisches Element gegen die oben ausgeführte Meinung. Würde man so verfahren, würde dies zu einem defacto rechtsfreien Raum bei der Erstreitung einer Nominierung führen. Die Verbände könnten sich sicher sein, dass ein Athlet, der nicht nominiert worden ist, auch unter keinen möglichen Umständen tatsächlich an diesem Wettkampf teilnehmen wird. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung würde ihm verwehrt und eine Entscheidung in der Hauptsache würde zu spät ergehen. Die Verbände müssten lediglich einen anschließenden Schadensersatzanspruch des Athleten fürchten. Auch würde der verfassungsmäßig gewährte Rechtsschutz unterlaufen werden, wenn dem Athleten eine Leistungsverfügung verwehrt bliebe. Das Bundesverfassungsgericht hebt stets hervor, dass der verfassungsmäßig verankerte Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG dem Einzelnen eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle ermöglichen soll.104 Diese wirksame rechtliche Kontrolle würde jedoch unterlaufen, wenn dem Athleten die zivilprozessuale Rechtsfigur der Leistungsverfügung verwehrt bliebe. Leistungsverfügungen bilden zwar im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes eine Ausnahme, doch gebieten es die Eigenarten der Nominierung, dass die Ausnahme extensiv angewandt wird.105 Sollte der Eilschiedsrichter nach der gebotenen summarischen Prüfung zu dem Ergebnis kommen, dass es nicht gänzlich unwahrscheinlich ist, dass dem Athleten ein Anspruch auf Nominierung zusteht, so hat er die Verfügung zu erlassen.106

104

Vgl. beispielhaft BVerfG, NJW 1991, 2005. Schimke, SpuRt 1996, 167 f. spricht sich gegen eine „schematische“ Betrachtungsweise aus und fordert auf, die Folgen der Entscheidung auf die Intensität ihrer Auswirkung zu untersuchen. 106 Ähnlich auch Lachmann (Fn. 87), Rn. 2896. 105

Handlungsoptionen des Gesetzgebers zur Einführung eines Leistungsschutzrechts sui generis für Sportveranstalter Stefan Brost I. II. III. IV. V.

VI.

VII. VIII.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein ausreichender Schutz des Sportveranstalters de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestehende Schutzlücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutzbedarf des Sportveranstalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur eines Schutzrechts für Sportveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnismäßigkeit eines Investitionsschutzes für Sportveranstalter . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaftlicher Nutzen von Sportveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterhaltungsnutzen von Sportveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Volkswirtschaftlicher Nutzen von Sportveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wettbewerblicher Nutzen eines Leistungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Machbarkeit eines Leistungsschutzrechts für Sportveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergleichbare Ausgangssituation wie Kulturveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleichbare Schutzbedürftigkeit von Sportveranstaltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine höheren Gewinnchancen des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staatliche Förderung des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine geringere Gefahr eines Marktversagens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Investitionsschutz als Zuweisungsgrund im Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtspolitische Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriterien zur Begründung eines Leistungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Artikel 2 Abs. 1 f) EU-Urheberrechts-RL (2001/29/EG) (neu) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Artikel 3 Abs. 2 EU-Urheberrechts-RL (neu) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Artikel 7 Abs. 2 Vermiet- und Verleih-RL (2006/115/EG) (neu) . . . . . . . . . . . . . 4. § 87i UrhG (neu) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. § 4 Nr. 12 UWG (neu) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Der Sport ist eine der größten zivilgesellschaftlich organisierten Bewegungen1 und eine der beliebtesten Formen aktiver und passiver Freizeitgestaltung in Deutsch1 DOSB, Daten und Fakten, abrufbar unter: http://www.dosb.de/de/organisation/organisati on/ (zuletzt abgerufen am 01. 09. 2015). Allein in Deutschland sind 27 Mio. Menschen in ca. 90.000 Sportvereinen organisiert.

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land und Europa. Die große Attraktivität des Sports erschöpft sich dabei nicht alleine in der eigenen körperlichen Betätigung. Der organisierte Wettkampfsport besitzt vielmehr aufgrund seiner Unvorhersehbarkeit und Einzigartigkeit eine große emotionsweckende und identifikationsstiftende Wirkung für die Allgemeinheit. Diese drückt sich in einem gesteigerten Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungsinteresse in der Öffentlichkeit aus, das von den Medien durch eine auf Sport spezialisierte Berichterstattung umfassend bedient wird und eine dauerhafte Medienpräsenz des Sports, insbesondere des Fußballs, sicherstellt. Das enorme öffentliche Interesse hat zur Folge, dass sich Sportereignisse von ihren Veranstaltern vermarkten und auf verschiedene Art und Weise wirtschaftlich verwerten lassen. Über die vergangenen Jahrzehnte konnte sich der Sport so zu einem eigenen Wirtschaftsfaktor von erheblicher Bedeutung entwickeln. Nicht zuletzt die Sportveranstalter profitieren von der dynamischen Entwicklung des Sports als vermarktungsfähiges Unterhaltungsprodukt und sog. Premiuminhalt für alle Medien. Aufgrund der enorm gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung der Verwertung von Nutzungsrechten an Sportveranstaltungen sind alle Beteiligten daran interessiert, ihre eingesetzten Aufwendungen rechtlich abzusichern. Wie wichtig die Rechtssicherheit für die Beteiligten ist, lässt sich insbesondere anhand der aufwendigen Vergabeverfahren beim Verkauf von Fernsehrechten sowie der Gestaltung komplexer „Lizenzverträge“ zwischen dem Sportveranstalter als Rechteinhaber („Lizenzgeber“) und dem jeweiligen Rechteerwerber („Lizenznehmer“) ermessen. Die vertraglichen Regelungen werden in der Praxis von den Parteien in Anbetracht geltender markenrechtlicher, wettbewerbsrechtlicher oder urheberrechtlicher Vorschriften gestaltet. In solchen Verträgen werden die Rechte und Pflichten der Vertragspartner im Einzelnen aufgeführt. Der jeweilige Sportveranstalter „räumt“ als Inhaber der Rechte an der von ihm organisierten Sportveranstaltung dem Rechteerwerber gegen Entgelt die in dem Vertrag näher bestimmten einfachen oder ausschließlichen Nutzungsrechte „ein“. In den Verträgen über die audiovisuelle Verwertung einer Sportveranstaltung werden die „Nutzungsrechte“ z. B. analog § 31 Urheberrechtsgesetz (UrhG) beschrieben. Sie erlauben es dem Erwerber, die jeweilige Sportveranstaltung auf einzelne oder alle möglichen Arten zu nutzen. Die inhaltliche Ausrichtung dieser „Lizenzverträge“ an bestehenden urheberrechtlichen Regelungen zeigt, dass in der Marktwirklichkeit die Einräumung von Nutzungsrechten als Grundlage für die wirtschaftliche Verwertung von Sportveranstaltungen faktisch anerkannt ist. Sowohl die Rechteinhaber als auch die Rechteerwerber stimmen grundsätzlich darin überein, dass derjenige, der den sportlichen Wettbewerb organisiert und durchführt, dazu befugt sein soll, über die Art und Weise dessen wirtschaftlicher Verwertung selbst zu entscheiden.2 Auch in der juris2 Für Fernsehübertragungsrechte: EuGH, Urteil vom 04. 10. 2011, Rs. C-403/08 und C-429/08 („Football Association Premier League u. a.“), Slg. 2011, I-9083, Rn. 112 und 115 sowie die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 03. 02. 2011, Rs. C-403/08 und C-429/08 („FAPL u. a.“), Rn. 34; BVerfG, Urteil vom 17. 02. 1998 – 1 BvF 1 – 91, NJW 1998,

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tischen Debatte herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass jedem Sportveranstalter für die Planung, Organisation, Durchführung und die von ihm aufgewendeten Investitionen in die von ihm ausgerichtete Sportveranstaltung das Recht zur wirtschaftlichen Verwertung – zumindest auf vertraglicher Basis – zusteht.3 Darin kommt der auf Gerechtigkeitserwägungen fußende Begründungsansatz zur Geltung, dass demjenigen, der aufgrund eigener Leistung und Arbeit ein immaterielles Gut geschaffen hat, die wirtschaftliche Verwertung des von ihm geschaffenen Gutes zustehen sollte.4

II. Kein ausreichender Schutz des Sportveranstalters de lege lata Die allgemein akzeptierte Rechteinhaberschaft des Sportveranstalters für alle wirtschaftlichen Verwertungs- und Nutzungsrechte an dem von ihm veranstalteten Sportereignis findet im normierten Recht bisher keine Entsprechung. Die Art und Weise der unmittelbaren Übernahmen der Leistungen des Sportveranstalters spielt sich rechtlich im Grenzbereich des Immaterialgüter- und des Lauterkeitsrechts ab. Für einen urheberrechtlichen Schutz fehlen der Sportveranstaltung die erforderlichen Eigenschaften eines schöpferisch hergestellten Werks gemäß § 2 UrhG. Obwohl es sich bei den Fällen unbefugter Nutzungen der audiovisuellen Inhalte einer Sportveranstaltung um typische im Urheberrecht geregelte Nutzungsarten handelt, existiert auch keine mit den verwandten Schutzrechten der §§ 70 ff. UrhG oder dem Sui-generis-Leistungsschutz des Datenbankherstellers nach §§ 87a ff. UrhG vergleichbare gesetzliche Regelung. Ein Schutz nach urheberrechtlichen Gesichtspunkten besteht zugunsten des Sportveranstalters nur für kleine, bereits vor der Sportveranstaltung aufgenommene und während der Direktübertragung eingespielte Teile des Basissignals5, z. B. Bildtrenner, eingeblendete Logos oder sonstige Einspielsequenzen.6 Auf einen Leistungsschutz als Film- bzw. Laufbildhersteller 1627 (1628) („Kurzberichterstattung“), unter Berufung auf Art. 12 Abs. 1 GG. Dazu auch: Jänich, GRUR 1998, 438 (439). 3 EuG, Urteile vom 17. 02. 2011, Rs. T-385/07 („Belgische Listenregelung FIFA“), Slg. 2011, II-00205, Rn. 136; Rs. T-68/08 („Britische Listenregelung FIFA“), Slg. 2011, II-00349, Rn. 140; Rs. T-55/08 („Listenregelung UEFA“), Slg. 2011, II-00271, Rn. 177; Lochmann, Fernsehübertragungsrechte (2005), S. 8; Vieweg, Rechtsschutz der Athleten gegenüber dem internationalen Sportverband im Hinblick auf Werberechte, in: ders. (Hrsg.), Vermarktungsrechte im Sport (2000), S. 146. 4 Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip (2008), S. 735. 5 Als Basissignal werden die komplett geschnittenen, aber redaktionell unbearbeiteten Aufnahmen (Live-Bild und Live-Ton) einer Sportveranstaltung am Veranstaltungsort in voller Länge bezeichnet. 6 EuGH, Urteil vom 04. 10. 2011, Rs. C-403/08 und C-429/08 („FAPL u. a.“), Slg. 2011, I-9083, Rn. 149 und 152; OLG Frankfurt, ZUM 2005, 477 (480) („TV Total“); Schulze, in: Dreier/ders. (Hrsg.), UrhG, § 95, Rn. 8; Katzenberger, in: Schricker/Loewenheim (Hrsg.), UrhR, § 95, Rn. 8; Manegold/Czernik, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), UrhG, § 95, Rn. 3.

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gemäß §§ 94, 95 UrhG für das gesamte Basissignal kann sich der Sportveranstalter nicht berufen. Ein Leistungsschutz bezüglich der Sendung könnte eventuell greifen, wenn das Bildmaterial für das Basissignal zunächst fixiert und erst anschließend, leicht zeitversetzt von dem Datenträger weitergesendet würde. Darüber hinaus kommt im Einzelfall noch zugunsten des jeweiligen Regisseurs ein Schutz für Teile der Gesamtaufzeichnung einer Live-Sportveranstaltung als Filmwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG in Frage. Ein Filmwerkschutz für die gesamte Aufzeichnung ist nach geltendem Recht nicht möglich. Ferner kann sich ein Sportveranstalter im Hinblick auf Spieltagstabellen und Ansetzungslisten nicht auf das Schutzrecht sui generis des Datenbankherstellers aus § 87b UrhG berufen. Im Hinblick auf Liveund Statistikdaten einer Sportveranstaltung kann gegebenenfalls zugunsten des Sportveranstalters dieses Schutzrecht greifen. Allerdings muss er dazu den erforderlichen Nachweis erbringen, dass für die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der Daten in der betreffenden Datenbank eine Investition vorgenommen wurde, die im Verhältnis zu den für die Organisation und Durchführung der Sportveranstaltung selbst getätigten Aufwendungen selbstständig und nach ihrer Art und Weise wesentlich ist. Auf der Basis des Lauterkeitsrechts kann sich der Sportveranstalter ebenfalls nur auf einen teilweisen, in seiner Wirkung sehr geringen Schutz berufen. Denn bei der Aufzeichnung und Übertragung von audiovisuellen Inhalten einer Sportveranstaltung über Fernsehen, Hörfunk und Internet oder der Bereitstellung von audiovisuellen Inhalten auf einem Internet-Portal bzw. über Linklisten/-verzeichnisse handelt es sich nicht um eine Nachahmung im Sinne des § 4 Nr. 9 UWG. Der unmittelbare Schutz eines fremden Leistungsergebnisses ist – anders als eine identische Nachahmung fremder Leistungen – als solcher nicht Gegenstand des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Schutzes. Nach der hier vertretenen Auffassung kann sich der Sportveranstalter allenfalls sehr begrenzt und in sehr seltenen Einzelfällen auf einen unmittelbaren Leistungsschutz gegen ausbeutende Leistungsübernahmen auf der Basis der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG berufen.

III. Bestehende Schutzlücken Den fragmentarischen Schutz der Sportveranstalter de lege lata haben in den vergangenen Jahren zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)7 und des Bundesgerichtshofs (BGH)8 bestätigt und damit eine seit längerer Zeit andauernde rechtswissenschaftliche Diskussion9 über den rechtlichen Schutz von Sportveranstal7

EuGH, Rs. C-403/08 und C-429/08 („FAPL u. a.“), Slg. 2011, I-9083. BGH, Urteil vom 28. 10. 2010 – I ZR 60/09, GRUR 2011, 436 („hartplatzhelden.de“). 9 Kübler, ZUM 1989, 326; de Oliveira Ascencão, GRUR Int 1991, 20; Hohmann, WRP 1997, 1011; Waldhauser, ZUM 1998, 129; Stopper, SpuRt 1999, 188; Gyertyánfy, GRUR Int 2002, 557; Fikentscher, SpuRt 2002, 186; Winter, ZUM 2003, 531; Wittneben/Soldner, WRP 2006, 1175; Kirschenhofer, ZUM 2006, 15. 8

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tern neu entflammt.10 Nach Auffassung des BGH11 handelt es sich bei der vertraglichen „Einräumung“ von Nutzungsrechten rechtlich um eine Einwilligung, mit der sich der Sportveranstalter als Rechteinhaber und Berechtigter verpflichtet, gegenüber dem Vertragspartner nicht von seinen Abwehrrechten wegen eines unbefugten Eingriffs Gebrauch zu machen. Auffallend an der aktuellen Rechtsposition des Sportveranstalters ist vor allen Dingen die Diskrepanz zwischen der immensen wirtschaftlichen Bedeutung organisierter Sportveranstaltungen und den vagen rechtlichen Konstruktionen, mit denen versucht wird, zumindest die audiovisuelle Verwertung rechtsdogmatisch zu begründen. Nach geltendem Recht bestehen dadurch erhebliche Schutzlücken zulasten der Sportveranstalter, insbesondere in Bezug auf unbefugte unmittelbare Übernahmen des Live-Unterhaltungswerts einer Sportveranstaltung durch Dritte. Die vorteilhafteste Rechtsposition im Hinblick auf die audiovisuelle Verwertung von Sportveranstaltungen besitzt der Sportveranstalter über das sog. Hausrecht nach §§ 858, 859 i.V.m. 862 BGB bzw. §§ 903 i.V.m. 1004 Abs. 1 BGB. Dieser Abwehranspruch ermöglicht es ihm, aufgrund seiner tatsächlichen Sachherrschaft als Besitzer oder Eigentümer der Sportstätte faktisch und vertraglich den Zugang zu dem Grundstück bzw. der Sportstätte zu regeln.12 Der Sportveranstalter kann somit frei darüber entscheiden, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit unter welchen Bedingungen, z. B. der Zahlung eines Entgelts, gewährt bzw. wem er ihn verwehrt.13 Der Schutz des Sportveranstalters über das Hausrecht ist aber aus verschiedenen Gründen nicht ausreichend. Erstens ist das Hausrecht räumlich auf den abgrenzbaren Bereich einer Sportstätte beschränkt. Unmittelbare Übernahmen des Live-Unterhaltungswerts einer Sportveranstaltung von außerhalb des räumlich abgegrenzten Bereichs sind nach geltendem Recht nicht zu verhindern. Zweitens haben auch auf dem Hausrecht basierende vertragliche Abreden über die Zugangs- und Nutzungsbedingungen der Sportstätte eine begrenzte, relativ-schuldrechtliche Wirkung, die nur die Vertragsparteien untereinander bindet. Ihre Durchsetzbarkeit scheitert häufig in der Praxis an den faktischen Gegebenheiten. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass der Sportveranstalter bei einer Massenveranstaltung einen Zuschauer, der den AGB zuwiderhandelt, ausfindig macht, ist sehr gering und erfordert einen hohen zusätzlichen 10 Peukert, WRP 2010, 316; Ohly, GRUR 2010, 487; Heermann, CaS 2010, 227; ders., GRUR 2012, 791; ders., WRP 2012, 17 und 132; ders., WRP 2012, 650; ders., GRUR 2015, 232; Krebs/Becker/Dück, GRUR 2011, 439; Leistner, JZ 2011, 1140; Peifer, GRUR Prax 2011, 435; ders., AfP 2011, 540; Soldner, K&R 2011, 760; Reinholz, GRUR Prax 2011, 438; Körber/Ess, WRP 2011, 697; Kuhn/Lentze, SpuRt 2011, 222; Kahlert, CaS 2011, 323; Poll, SpuRt 2012, 5; Kreile, ZUM 2012, 177; Christmann, ZUM 2012, 187; Vedder, ZUM 2012, 190; Stieper, MMR 2012, 12; Trauschel, ZUM 2012, 194; Fezer, WRP 2012, 1173 und 1321. 11 BGH, Beschluss vom 14. 03. 1990 – KVR 4/88, GRUR 1990, 702 (705) („Sport-übertragungen“), Beschluss vom 11. 12. 1997 – KVR 7/96, NJW 1998, 756 (758) („Europapokalheimspiele“), GRUR 2011, 436 (437) („hartplatzhelden.de“). 12 Laier, Berichterstattung über Sportereignisse (2007), S. 240 ff. 13 BGH, NJW 2010, 534 (535) („Stadionverbot“). Siehe auch: Peukert (Fn. 4), S. 146 und 221.

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Aufwand. Eine unmittelbare Übernahme des Live-Unterhaltungswerts der Sportveranstaltung von innerhalb der Sportstätte, von der der Sportveranstalter keine Kenntnis besitzt und die nicht in andere Sonderschutzrechte eingreift, kann er nicht verhindern. Drittens begründet eine auf das Hausrecht gestützte Einwilligung für den Vertragspartner kein dingliches Nutzungsrecht. Die rein vertragliche „Einräumung von Nutzungsrechten“ wirkt nur schuldrechtlich zwischen den Vertragsparteien. Aufgrund eines fehlenden gegenständlichen Verwertungsrechts können somit die vertraglich geregelten Nutzungsrechte nicht nach urheberrechtlichen Grundsätzen vom Vertragspartner auf Dritte wirksam übertragen werden. Viertens besitzt der Sportveranstalter kein eigenes Verbotsrecht, auf dessen Grundlage er nicht nur die unbefugte Nutzung der von ihm ausgerichteten Sportveranstaltung durch den Vertragspartner, sondern auch die unbefugte Nutzung durch einen Dritten untersagen könnte. Fünftens bietet das geltende Recht derzeit keine Möglichkeit, etwaige bestehende Rechte zugunsten des Sportveranstalters wirksam gegen unmittelbare Übernahmen im Internet durchzusetzen. Die auf dem Hausrecht basierenden sachherrschaftlichen oder vertraglichen Abwehrrechte scheitern im Hinblick auf urheberrechtrechtlich relevante Verletzungshandlungen wie Vervielfältigungen, öffentliche Wiedergaben oder öffentliche Zugänglichmachungen von audiovisuellen Inhalten und Daten im Internet. Zur rechtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche fehlt es dem Sportveranstalter somit einerseits an einer klaren Zuweisung der Verwertungsbefugnis für das Immaterialgut „Sportveranstaltung“ und andererseits an der Normierung eines direkten Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs gegen z. B. Hosting- und Zugangsdiensteanbieter im Internet. Die Anwendung der Grundsätze der Störerhaftung nach § 97 Abs. 1 UrhG reicht zur rechtlichen Absicherung der Verwertungsinteressen des Sportveranstalters nicht aus.

IV. Schutzbedarf des Sportveranstalters Aufgrund der dargestellten Schutzlücken im geltenden Recht begehren die Sportveranstalter vom Gesetzgeber seit längerer Zeit die Einführung eines umfassenderen Rechtsschutzes.14 Dahinter steht das Interesse einer besseren rechtlichen Absicherung der in die jeweilige Sportveranstaltung getätigten organisatorischen und investiven Aufwendungen. Die wirtschaftliche Verwertung von Sportveranstaltungen basiert hauptsächlich auf der Möglichkeit, audiovisuelle Inhalte oder Live-Daten exklusiv für die Nutzung durch z. B. Sendeunternehmen oder Veranstalter von Online-Sportwetten anbieten zu können. Berücksichtigt man die Interessen des Sportveranstalters (Wahrung der Exklusivität, Behebung der Schutzlücken, Recht mit Wirkung gegenüber jedermann, effektive Durchsetzung), so wird deutlich, welche

14 Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte (2007), S. 42 und 81; Paal, Leistungsund Investitionsschutz für Sportveranstalter: Bestandsaufnahme, Analyse und Folgerungen (2014), S. 87.

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Merkmale der begehrte Rechtsschutz seiner Art und seinem Umfang nach aufweisen müsste. 1. Rechtsnatur eines Schutzrechts für Sportveranstalter Nach geltendem Recht hat der Sportveranstalter die Möglichkeit, sich auf verschiedene Abwehrrechte zu berufen, die es ihm ermöglichen, bestimmte Nutzungen der Sportveranstaltung zu untersagen. Über diese (negativen) Abwehrmöglichkeiten hinaus strebt der Sportveranstalter zusätzlich eine (positive) Gestattungsbefugnis im Hinblick auf die wirtschaftliche Verwertung der Sportveranstaltung an. Der Sportveranstalter begehrt damit letztlich ein subjektives Recht für die wirtschaftliche Verwertung und Nutzung der von ihm organisierten Sportveranstaltung. Anschaulichstes Beispiel für ein subjektives Recht mit absoluter Wirkung ist das Eigentum gemäß § 903 BGB. Der Eigentümer darf über die Sache nach eigenem Belieben verfügen. Wesentlicher (positiver) Inhalt des Eigentums ist ein exklusives, alle Personen ausschließendes Verfügungs- und Nutzungsrecht.15 Der Eigentümer hat zudem die (negative) Befugnis, jeden anderen von einer Einwirkung auf die Sache auszuschließen und gegebenenfalls Unterlassung, Beseitigung oder Schadensersatz zu verlangen.16 Um den Interessen des Sportveranstalters zu entsprechen, könnte ihm vom Gesetzgeber ein subjektives Recht zur wirtschaftlichen Verwertung der von ihm organisierten und durchgeführten Sportveranstaltung in Form eines eigenen Schutzrechts zugewiesen werden. Ausschließlichkeitsrechte sind in der deutschen Rechtsordnung nicht nur dem Sacheigentümer zugeordnet, sondern auch den Inhabern anderer dinglicher Rechte sowie den Inhabern der den dinglichen Rechten nachgebildeten Immaterialgüterrechte.17 Eine konkrete Zuweisung der Berechtigung der wirtschaftlichen Verwertung des Immaterialguts „Sportveranstaltung“ hätte zur Folge, dass der Sportveranstalter alleine und frei über die Art und Weise der wirtschaftlichen Verwertung verfügen dürfte. Jedermann wäre aufgrund der Absolutheit der Rechtsposition verpflichtet, die eigens zugewiesenen Rechte zu achten. Die organisatorischen und unternehmerischen Leistungen des Sportveranstalters bei der Ausrichtung einer Sportveranstaltung könnten sowohl in Form eines sondergesetzlichen Immaterialgüterschutzes als auch über das Lauterkeitsrecht geschützt werden. Ein gesetzlich normierter unmittelbarer Leistungsschutz im Lauterkeitsrecht unterscheidet sich in seiner Schutzwirkung und seinem Zuweisungsgehalt jedoch stark von einem sondergesetzlichen Immaterialgüterschutz im Urheberrecht. Selbst wenn das betroffene Leistungsergebnis im besonderen Einzelfall lauterkeitsrechtlich als schutzwürdig angesehen werden kann, erfolgt durch die Normierung eines unmittelbaren Leistungsschutzes im UWG weder eine ausschließliche Zuweisung des Immaterialguts „Sportveranstaltung“, noch kann der Sportveranstalter sich auf eine absolute Schutzwirkung gegenüber jedermann berufen. Wegen des hand15

Säcker, in: MüKo, BGB, § 903, Rn. 6. Säcker, in: MüKo, BGB, § 903, Rn. 5. 17 Gaier, in: MüKo, BGB, Einl §§ 854 ff., Rn. 4 und 10. 16

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lungsbezogenen Schutzzwecks des Lauterkeitsrechts ist zunächst jeder berechtigt, das Immaterialgut zu nutzen, wenn er dabei nicht gegen andere wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstößt.18 Der Sportveranstalter könnte damit weiterhin nur im Einzelfall eine unbefugte unmittelbare Übernahme der Sportveranstaltung verhindern. Sein relativ wirkendes Abwehrrecht könnte er nicht gegenüber sonstigen Dritten durchsetzen.19 Um den Interessen der Sportveranstalter vollständig gerecht zu werden, stellt daher ein sondergesetzlicher Immaterialgüterschutz in Form eines ausschließlichen Rechts zur wirtschaftlichen Verwertung des vom Sportveranstalter erbrachten Leistungsergebnisses (Sportveranstaltung) den besseren Lösungsansatz dar, denn sondergesetzliche Regelungen besitzen gegenüber einer wettbewerbsrechtlichen Regelung „wesentliche Vorteile“20: Erstens erhöht eine solche Regelung die Transparenz für alle Beteiligten. Das gilt sowohl für die Nachweispflichten (bei einer immaterialgüterrechtlichen Regelung gilt zugunsten des Sportveranstalters die rechtliche Vermutung der Rechteinhaberschaft) als auch für die einzelnen Schutzvoraussetzungen sowie die Beschränkungen des Rechts (z. B. Schranken und Schutzdauer). Zweitens böte ein lauterkeitsrechtlicher Schutz über die Generalklausel nur punktuell (absoluten) Schutz gegenüber unmittelbaren Übernahmen, da sich der lauterkeitsrechtliche Anspruch nur gegen den jeweils unlauter handelnden Dritten richtet. Für einen umfassenden Schutz der Veranstalterleistungen ist jedoch, wie die aktuelle Rechtslage zeigt, eine absolute Wirkung gegenüber jedermann erforderlich, insbesondere im Hinblick auf einen effektiven Rechtsschutz bei neuen Nutzungsarten. Drittens stellte sich bei einer Regelung in Form eines lauterkeitsrechtlichen unmittelbaren Leistungsschutzes aufgrund der fehlenden Dispositionsbefugnis des Sportveranstalters weiterhin die Frage nach der Verkehrsfähigkeit der betroffenen Rechte.21 Eine rechtssichere Übertragung von Nutzungsrechten auf Dritte ist nur durch die Schaffung eines ausschließlichen Rechts zugunsten des Sportveranstalters möglich. Viertens spricht die inhaltliche und faktische Nähe zu dem Regelungsinhalt der anderen im UrhG geregelten Leistungsschutzrechte (Regelungsziel: Schutz der unternehmerischen Leistung) für die Regelung eines Schutzrechts zugunsten der Sportveranstalter im Abschnitt über „verwandte Schutzrechte“. Eine solche Regelung in Form eines Leistungsschutzes sui generis und ausgestaltet als ausschließliches Immaterialgüterrecht mit absoluter Wirkung gegenüber jedermann könnte de lege ferenda den Rechtsschutz der Sportveranstalter verbessern.

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Schröer, Unmittelbarer Leistungsschutz (2010), S. 216. Schröer (Fn. 18), S. 79. 20 Kur, GRUR 1990, 1 (15). 21 Kainer, Sportveranstalterrecht (2014), S. 346.

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2. Regelungsinhalt Die Normierung eines Leistungsschutzrechts für Sportveranstalter im Urheberrecht setzt eine Konkretisierung des Schutzgegenstands und des Schutzumfangs voraus. Der Schutz des Sportveranstalters soll dabei zum einen die schutzwürdigen Aspekte der audiovisuellen Verwertung umfassen und zum anderen eine Grundlage für den Schutz der Verwertung von Live-Daten einer Sportveranstaltung im Zusammenhang mit Online-Sportwetten bieten. Das Schutzobjekt eines gesetzlich normierten Leistungsschutzes zugunsten des Sportveranstalters wäre die von ihm geplante, organisierte und finanzierte Sportveranstaltung als wirtschaftlich verwertbares, immaterielles Gut. Bei einer Sportveranstaltung handelt es sich um die Organisation eines sportlichen Wettbewerbs, der für eine begrenzte Dauer von einem Veranstalter für die Sportler und die Öffentlichkeit zur aktiven Teilnahme bzw. passiven mittelbaren oder unmittelbaren Teilhabe ausgerichtet wird. Das Schutzsubjekt eines Leistungsschutzes wäre der Sportveranstalter. Er ist derjenige, der durch einen eigenen organisatorischen und unternehmerischen Beitrag die Ausrichtung eines sportlichen Wettbewerbs anordnet, die Veranstaltung durch sein Schaffen selbst ins Werk setzt und dabei ein wirtschaftliches Risiko für deren Gelingen trägt. Sportveranstalter ist dabei jede natürliche oder juristische Person, die in organisatorischer und finanzieller Hinsicht für eine Sportveranstaltung verantwortlich ist. Je nach Art und Umfang des eigenen organisatorischen und wirtschaftlichen Beitrags kann dies verschiedene Veranstalter betreffen, z. B. den unmittelbar ausrichtenden Heim- bzw. Gastverein oder einen den Gesamtwettbewerb verantwortenden und ausrichtenden Verband (Mitveranstalter). Geschützt werden sollte der Veranstalter von sportlichen Wettbewerben, der seine Organisations- und Investitionsleistungen in Form einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt. Diese wirtschaftliche Tätigkeit muss auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sein und bedarf keiner Gewinnerzielungsabsicht. Ein über die organisatorische und finanzielle Verantwortung hinausreichendes, sog. Auswertungsrisiko22 sollte nicht zur Voraussetzung für den Schutz der Leistung eines Sportveranstalters gemacht werden. Vom Schutzbereich eines Leistungsschutzrechts umfasst sein sollten auch Sportveranstaltungen, die einen rein ideellen Zweck verfolgen und nicht von vornherein dazu gedacht waren, sich selbst zu finanzieren. Geschützt werden sollte die vom Sportveranstalter getätigte Investition in die Ausrichtung des sportlichen Wettbewerbs, wenn er die Investition in der Absicht getätigt hat, die Aufwendungen im Gegenzug über Einnahmen aus der wirtschaftlichen Verwertung der Sportveranstaltung zu amortisieren (Amortisationsinteresse). Der Schutzgegenstand eines gesetzlich normierten Leistungsschutzrechts ist die durch die organisatorisch-unternehmerische Leistung des Sportveranstalters geschaffene sportliche Darbietung im Rahmen einer Live-Sportveranstaltung vor 22 Als Auswertungsrisiko wird die Ungewissheit hinsichtlich der Amortisation der eigenen Aufwendungen bezeichnet. Vgl. Dreier, in: ders./Schulze (Hrsg.), UrhG, § 81, Rn. 4; Büscher, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), UrhG, § 81, Rn. 9.

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einem öffentlichen Publikum.23 Durch den Schutz solcher Sportveranstaltungen sollen diejenigen organisatorischen und unternehmerischen Leistungen eines Sportveranstalters geschützt werden, die der Förderung des Sports im Allgemeinen dienen, bei denen also der sportliche Wettbewerb im Vordergrund steht. Durch ein gesetzlich normiertes Leistungsschutzrecht könnte der Sportveranstalter in die Lage versetzt werden, die Sportveranstaltung umfassend wirtschaftlich zu verwerten. Zur Bestimmung des Schutzumfangs eines Schutzrechts für die Leistungen des Sportveranstalters kann zur Orientierung auf die im UrhG geregelten Verwertungs- und Nutzungsrechte zurückgegriffen werden. Ein gesetzlich normierter Leistungsschutz für Sportveranstalter sollte verschiedene, konkret benannte ausschließliche Rechte umfassen. Dazu gehört zunächst das Aufnahme- und Aufzeichnungsrecht im Hinblick auf Bild und Ton des im Rahmen der Sportveranstaltung dargebotenen sportlichen Wettbewerbs. Dem Sportveranstalter könnte zudem das ausschließliche Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht an den aufgezeichneten Bildern und dem dazugehörenden Ton zugeordnet werden. Außerdem bedarf der Sportveranstalter zum Schutz seiner Leistung eines ausschließlichen Rechts zur öffentlichen Wiedergabe auf allen Übertragungswegen, das das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung, das Senderecht und das Recht zur öffentlichen Wahrnehmbarmachung umfasst. Im Hinblick auf die über die audiovisuelle Verwertung einer Sportveranstaltung hinausgehende Verwertung von Live- und Spieldaten könnte dem Sportveranstalter zudem ein ausschließliches Recht zur Aufzeichnung von Daten zugewiesen werden, das die sportlichen und Ereignisdaten des dargebotenen sportlichen Wettbewerbs beinhaltet.

V. Verhältnismäßigkeit eines Investitionsschutzes für Sportveranstalter Der Sportveranstalter begehrt vom Gesetzgeber letztlich einen privilegierten Schutz seiner Investitionen. Die an sich potentiell wettbewerbseinschränkende Zuweisung eines Ausschließlichkeitsrechts gesteht dem Hersteller eines von der Allgemeinheit stark nachgefragten immateriellen Guts insofern ein schutzwürdiges Amortisationsinteresse zu. Geschützt werden soll damit die „Ertragserwartung“24 des Begünstigten, um die anfänglich erheblichen Investitionsaufwendungen abzusichern.25 Da es sich bei dem Schutz von Investitionen um einen Markteingriff zugunsten eines Marktteilnehmers handelt, müssen auch beim Zuweisungsgrund „Investitionsschutz“ objektive Kriterien zur Rechtfertigung herangezogen werden. Hier sind ins23

Osterwalder, Übertragungsrechte (2004), S. 83; Laier (Fn. 12), S. 133; Kainer (Fn. 21), S. 32. 24 Schröer (Fn. 18), S. 375. 25 Kirchner, GRUR Int 2004, 603 (604) spricht von „staatlicher Investitionslenkung“, die „unter bestimmten Voraussetzungen ökonomisch gerechtfertigt sein kann“.

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besondere die Funktion des zu schützenden Immaterialguts, sein Nutzen für die Allgemeinheit und der Grad der durch einen möglichen Schutz verursachten Wettbewerbsbeschränkung gegeneinander abzuwägen.26 Wenn die Fortsetzung der Investition, die (1) erhebliche Anfangsinvestitionen erfordert, die (2) wegen ihrer besonderen (Eigen-)Art27 eine kurze Amortisierungsphase besitzt, die (3) mithilfe technischer Mittel zu sehr geringen Kosten nachgeahmt bzw. unmittelbar übernommen werden kann und für die (4) keine alternative Schutzmöglichkeit rechtlicher oder tatsächlicher Art besteht, gefährdet ist, kann ausnahmsweise die Gewährleistung eines unmittelbaren Leistungsschutzes auch auf der Basis des Zuweisungsgrunds „Investitionsschutz“ gerechtfertigt sein. Für die Zuweisung subjektiver Rechte an vermögenswerten Gütern mit absoluter Wirkung gegenüber Dritten kennt die deutsche Rechtsordnung kein allgemeingültiges Rechtsprinzip.28 Der Investitionsschutz in Form eines unmittelbaren Leistungsschutzes kann aber dann gerechtfertigt werden, wenn die dadurch bewirkte Güterzuordnung der Erreichung eines im allgemeinen Interesse liegenden legitimen Zwecks dient.29 Der Leistungserbringer muss insofern Investitionen tätigen, die von herausragendem Interesse für die Allgemeinheit sind. Bei der Bewertung der gesellschaftlichen Bedeutung des in Frage stehenden Allgemeininteresses kommt es darauf an, wie sehr die Allgemeinheit nach der Bereitstellung des betroffenen immateriellen Guts tatsächlich verlangt und welchen Nutzen sie davon hat.30 1. Gesellschaftlicher Nutzen von Sportveranstaltungen Die Sportveranstalter investieren in die Organisation und Ausrichtung sportlicher Wettbewerbe, um den Sport allgemein zu fördern und die Eigenfinanzierung über eine umfassende Vermarktung einer Sportveranstaltung zu gewährleisten. Auf allen politischen Ebenen (europäisch, national, regional oder kommunal) bekennen sich die politischen Entscheidungsträger zur Förderung des Sports in seinen breiten-, leistungs- und hochleistungssportlichen Ausprägungen. In diesem allgemeinen politischen Bekenntnis zur Förderung des Sports kommt die besondere gesellschaftliche Bedeutung des Sports als eine der größten sozialen und zivilgesellschaftlichen Massenbewegungen zur Geltung. Allein in Deutschland sind etwa 27 Mio. Menschen in ca. 90.000 Sportvereinen organisiert. Der organisierte Sport schafft damit ein strukturiertes, grundsätzlich an alle Interessierten gerichtetes und für alle offenes Bewegungs- und Sportangebot, durch das wichtige soziale und gesundheitspolitische Funktionen in der Gesellschaft erfüllt werden. 26

Kur, GRUR 1990, 1 (7). Sandrock, GRUR 1978, 335 (344). 28 Peukert (Fn. 4), S. 744, 763 und 812. 29 Lochmann (Fn. 3), S. 243; Hilty/Henning-Bodewig (Fn. 14), S. 75; Schröer (Fn. 18), S. 374; Paal (Fn. 14), S. 88. 30 Schröer (Fn. 18), S. 378. 27

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Zugleich bietet der Sport dem Einzelnen die Möglichkeit zur ehrenamtlichen Betätigung. In Deutschland engagieren sich knapp 8,8 Mio. Bürgerinnen und Bürger freiwillig und ehrenamtlich im Sport. Das macht den Sport zum größten Träger bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland und in Europa. Die freiwillig im Sport und für den Sport Engagierten leisten in unterschiedlichen Funktionen, z. B. als Vorstandsmitglieder, Sportwarte, Übungsleiter oder einfach nur als Helfer bei Sportveranstaltungen oder Vereinsfesten, jährlich insgesamt etwa 446 Mio. an freiwilligen und nicht entlohnten Arbeitsstunden. Durchschnittlich ist jeder Ehrenamtliche im Sport etwa 20 Stunden pro Monat im Einsatz. Dieser Arbeitsaufwand entspricht einer jährlichen Wertschöpfung und damit einem Wohlfahrtsgewinn allein in Deutschland von ca. 6,7 Mrd. Euro.31 Vergleichbare Zahlen lassen sich auch für die gesamte EU feststellen. In den 27 EU-Mitgliedstaaten (ohne Kroatien) engagierten sich im Jahre 2010 etwa 94 Mio. Menschen freiwillig für Ziele des Gemeinwohls, davon die meisten im Sport (ca. 35 bis 40 Prozent aller freiwillig Tätigen in der EU).32 2. Unterhaltungsnutzen von Sportveranstaltungen Neben dem direkten Nutzen für die Gesellschaft kommt dem Sport auch ein mittelbarer gesellschaftlicher Nutzen als Unterhaltungsinhalt zu. Über attraktive Sportveranstaltungen wird umfassend in den Medien berichtet. Der betreffende sportliche Wettbewerb wird dadurch zu einem Tagesereignis, das „wichtige Identifikationsmöglichkeiten“ für die Bevölkerung bietet und als „Anknüpfungspunkt für eine breite Kommunikation“ eine gesamtgesellschaftliche Rolle spielt.33 Durch diese Präsenz in den Medien und Köpfen der Menschen bleibt der Sport „Tagesgespräch“ und kann dadurch für viele Menschen einen wichtigen Anreiz bieten, überhaupt selbst Sport ausüben zu wollen. Ein solcher Effekt war beispielsweise nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 oder der Handball-Weltmeisterschaft 2007 in Deutschland nachzuweisen. Wegen der Erfolge der professionellen Sportler stiegen im darauffolgenden Jahr die Mitgliederzahlen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und des Deutschen Handball-Bundes (DHB) merklich an. Das herausragende Unterhaltungs- und Informationsinteresse der Allgemeinheit an Sportveranstaltungen, insbesondere des Profisports, lässt sich ferner dadurch belegen, dass neun EU-Mitgliedstaaten gemäß Art. 14 Abs. 1 der AVMD-RL nationale Listen mit „Ereignissen von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung“ festgelegt haben (in Deutschland durch § 4a Abs. 1 RStV umgesetzt), bei denen es sich weit überwiegend34 um internationale, nationale oder regionale Sportveranstaltungen 31 32

S. 7. 33

Breuer/Mutter, Zum Wert des Sports aus ökonomischer Perspektive (2013), S. 82. Europäische Kommission, Study on volunteering in the European Union (Februar 2010),

BVerfG, NJW 1998, 1627 (1629) („Kurzberichterstattung“). Im Durchschnitt handelt es sich bei 94 % der gelisteten Ereignisse von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung um Sportveranstaltungen. Die übrigen 6 % sind kulturelle Veranstaltungen. 34

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handelt. Der besondere gesellschaftliche Unterhaltungs- und Identifikationsnutzen von Sportveranstaltungen lässt sich in Deutschland nicht zuletzt anhand der Zahl von 34,65 Mio. Zuschauern (Marktanteil von 86,3 %) beim FIFA-Weltmeisterschaftsendspiel Deutschland gegen Argentinien veranschaulichen.35 Bei den zehn erfolgreichsten Fernsehsendungen aller Zeiten in Deutschland handelt es sich um zehn Spiele der Fußball-Nationalmannschaft bei Welt- oder Europameisterschaften. 3. Volkswirtschaftlicher Nutzen von Sportveranstaltungen Durch die Kommerzialisierung des Sports und der Sportveranstaltungen hat die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Sports in den vergangenen 30 Jahren stark zugenommen. In Deutschland geben die Haushalte jährlich 77,6 Mrd. Euro für das aktive Betreiben von Sport und zusätzliche 9,8 Mrd. Euro für den passiven Konsum aus.36 Im Jahre 2010 wurden durch Werbung, Sponsoring und die Verwertung von Medienrechten in Deutschland im gesamten Sport rund 5,5 Mrd. Euro erwirtschaftet. Nach der engsten statistischen Definition trägt der Sport 0,28 % (5,7 Mrd. Euro) zur deutschen Bruttowertschöpfung bei und beschäftigt 143.000 Menschen.37 Nicht zuletzt führt der wirtschaftliche Erfolg des professionellen Hochleistungssports und attraktiver Sportveranstaltungen zur Generierung von Steuereinnahmen, die über die einzelnen Haushalte der Allgemeinheit zu Gute kommen. Die direkten sportbezogenen Einnahmen der öffentlichen Haushalte in Deutschland sind insgesamt größer als ihre direkten sportbezogenen Ausgaben. Bei einer engen Definition von Sport stehen in Deutschland staatlichen Einnahmen in Höhe von 14,65 Mrd. Euro aus dem Sport Kosten für die Förderung des Sports in Höhe von rund 9,9 Mrd. Euro gegenüber. Bei einer weiten Definition von Sport stehen staatlichen Einnahmen in Höhe von ca. 22,2 Mrd. Euro Kosten in Höhe von 9,9 Mrd. Euro gegenüber. Insgesamt betrachtet überwiegen damit aus Sicht der öffentlichen Haushalte die sportbezogenen Nutzeneffekte eindeutig die sportbezogenen Kosteneffekte.38 Der wirtschaftliche Gesamtsaldo im Bereich des Sports ist positiv.

35

F.A.Z. vom 15. 07. 2014, „34,65 Mio. – TV-Rekord“, S. 34. Zur Identifikationsfunktion des Fußballs: DER SPIEGEL vom 14. 07. 2014, „Die entkrampfte Nation“, S. 56 – 63. 36 Bundeswirtschaftsministerium, Wirtschaftsfaktor Sport, Monatsbericht 2 – 2012, S. 2 und 3. 37 Europäische Kommission, Studie über den Beitrag des Sports zu wirtschaftlichem Wachstum und Beschäftigung in der EU vom 19. 11. 2012, S. 111/112. 38 Breuer/Mutter (Fn. 31), S. 6 und 88; Vgl. auch: Ahlert, Die wirtschaftliche Bedeutung des Sports in Deutschland. Abschlussbericht zum Forschungsprojekt „Satellitenkonto Sport 2008“ (2013), S. 29. Demnach beliefen sich im Jahr 2008 die Nettogütersteuern (Saldo aus Gütersteuern und Gütersubventionen) der gewerblichen Unternehmen im Sport auf 18,2 Mrd. Euro.

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4. Wettbewerblicher Nutzen eines Leistungsschutzes Eine besondere Wettbewerbssituation in einem bestimmten Wirtschaftssektor kann einen rechtlichen Schutz rechtfertigen, wenn von diesem Schutz allgemeine positive Effekte für die Wirtschaft zu erwarten sind.39 Durch die Leistung des Sportveranstalters entsteht ein eigener, den anderen sportbezogenen Waren- und Dienstleistungsangeboten vorgelagerter, „Markt für Sportveranstaltungen“.40 Über die für eine mediale Verwertung bereitgestellten Sportveranstaltungen wird die Nachfrage der Öffentlichkeit an einer unmittelbaren und mittelbaren Teilhabe an dem jeweiligen sportlichen Wettbewerb verstärkt bzw. erst geschaffen (nachgelagerter Zuschauermarkt). Die gesteigerte Nachfrage führt dazu, dass die Sportveranstaltung als Werbeforum für andere Produkte (nachgelagerter Werbemarkt) oder als Unterhaltungsinhalt für die Sendeunternehmen (nachgelagerter Markt für die audiovisuelle Verwertung) an Wert gewinnt. Aus diesem Grund wird von den Sendeunternehmen zusätzlich in die Produktion entsprechender Übertragungen und Übertragungsformate investiert. Dies führte in den vergangenen Jahren zu völlig neuen Formen der Kamera- und Tonberichterstattung und animierte die Sportveranstalter ihrerseits, zusätzliche Investitionen in die Sportstätte und die Vermarktung des eigenen Wettbewerbs zu tätigen. In technisch anspruchsvollen Sportarten kann zudem ein sportlicher Wettbewerb zu technischen Innovationen führen, die über den Sport ihren Weg in den Alltag finden und industrielle Arbeitsplätze schaffen.41 Über die Attraktivität von Sportveranstaltungen für die Öffentlichkeit lassen sich mit fortschreitender technischer Entwicklung auch neue Geschäftsfelder im Bereich der wirtschaftlichen Verwertung von Sportveranstaltungen entwickeln. Dazu gehört z. B. die Veranstaltung von OnlineSportwetten (nachgelagerter Sportwettenmarkt). Die darüber hinausgehenden positiven Effekte der zunehmenden Vermarktung des Sports insgesamt wurden im Sinne einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bereits dargelegt.42 Insofern kann man dem Sport und den von Sportveranstaltern ausgerichteten sportlichen Wettbewerben ihre allgemein marktfördernde Wirkung nicht absprechen.43 Der wirtschaftliche Erfolg des (professionellen) Sports hat in der Breite zu

39 Vgl. Hilty/Henning-Bodewig (Fn. 14), S. 88; Kirchner, GRUR Int 2004, 603 (604), der Innovations- und Investitionsschutz als alleinige Zuweisungsgründe für ausschließliche Rechte ablehnt und stattdessen stärker auf das übergeordnete Ziel der „Herstellung der Funktionsfähigkeit von Innovationsmärkten“ abstellt, was letztlich zum übergeordneten Ziel der „Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt“ beitragen soll. 40 Zu den wettbewerbsfördernden Aspekten ausschließlicher Schutzrechte auf der Produktionsebene: Lehmann, GRUR Int 1983, 356 (360 f.). 41 Vgl. F.A.Z. vom 01. 11. 2014, „Formel 1 auf den Weltmeeren“, S. 22. Dort wird über die Fertigung der schnellsten Segelboote der Welt berichtet. Daraus ist eine spezialisierte Hochtechnologie-Branche und Zulieferindustrie mit mehreren hundert Arbeitsplätzen in der Bretagne entstanden. 42 Siehe oben unter V. 1. c). 43 So auch: Röhl, Schutzrechte im Sport (2012), S. 235.

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einem von der Sportveranstaltung direkt ableitbaren, umfassenden Waren- und Dienstleistungsangebot Dritter beigetragen. Die Zuweisung eines ausschließlichen Leistungsschutzrechts sui generis im Sinne eines Investitionsschutzes zugunsten der Sportveranstalter lässt sich aufgrund der Bedeutung von Sportveranstaltungen für die Allgemeinheit sowie aufgrund ihres gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzens rechtfertigen. Durch eine eindeutige Zuweisung einer Verwertungsbefugnis für das Immaterialgut Sportveranstaltung und die absolute Wirkung eines solchen Leistungsschutzrechts ließen sich die bestehenden Schutzlücken, die sich aus der Anwendung der derzeit bestehenden Abwehrrechte ergeben, wirksam schließen. Die dogmatische „Hilfskonstruktion“44 eines lückenhaften Schutzes über verschiedene Abwehrrechte könnte durch die Schaffung eines sondergesetzlichen Leistungsschutzrechts beseitigt werden. Dadurch würde die Rechtssicherheit für alle an der wirtschaftlichen Verwertung einer Sportveranstaltung Beteiligten erhöht.

VI. Machbarkeit eines Leistungsschutzrechts für Sportveranstalter Die Schaffung eines gesetzlich normierten Immaterialgüterrechts zugunsten der Sportveranstalter lässt sich bei einer Gesamtabwägung der beteiligten Interessen auch schlüssig begründen. Die tatsächliche Ausgangsposition des Sportveranstalters ist nämlich entgegen den Bedenken der herrschenden Meinung45 mit der des über § 81 UrhG geschützten Veranstalters von künstlerischen Darbietungen vor der Einführung dieses sondergesetzlichen Schutzes vergleichbar und somit grundsätzlich einer Regelung durch den Gesetzgeber zugänglich.46 1. Vergleichbare Ausgangssituation wie bei Kulturveranstaltern Die Art und der Umfang der von Kulturveranstaltern auf der einen und Sportveranstaltern auf der anderen Seite erbrachten Veranstalterleistungen sind vergleichbar. Sowohl Kultur- als auch Sportveranstalter tragen das organisatorische und finanzielle Risiko für das Gelingen der jeweiligen kulturellen oder sportlichen Veranstal44

Laier (Fn. 12), S. 524. Büscher, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), UrhG, § 81, Rn. 6; Dreier, in: ders./Schulze, UrhG, § 81, Rn. 2; Meckel, in: Dreyer/Kotthoff/ders. (Hrsg.), UrhG, § 81, Rn. 2, Vogel, in: Schricker/Loewenheim (Hrsg.), UrhR, § 81, Rn. 12; Vogel, in: Loewenheim (Hrsg.), HandbUrhR, § 39, Rn. 3; Schmieder, GRUR 1964, 121 (122); Gentz, GRUR 1968, 182 (185); Eckstein, Exklusivverträge (2000), S. 30; Dünnwald, ZUM 2004, 161 (179); Hilty/HenningBodewig (Fn. 14), S. 85 f.; Laier (Fn. 12), S. 162; Körber/Ess, WRP 2011, 697 (698); Heermann, WRP 2012, 132 (133); Kainer (Fn. 21), S. 373 f. und 379. 46 Vgl. Wandtke, ZUM 2014, 847 (847), dem zufolge sich der Gesetzgeber die vergleichbare Situation des Herstellers von Tonträgern (§ 85 Abs. 1 UrhG) zum Vorbild für die Neuregelung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger genommen hat. 45

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tung. Sie zeichnen jeweils verantwortlich für die Verpflichtung der ausübenden Künstler bzw. Sportler, die Anmietung des Saales bzw. der Sportstätte, die Programmgestaltung, den Verkauf der Eintrittskarten, die Bewerbung der Veranstaltung, die Bereitstellung des Personals (z. B. Kassen-, Bedienungs-, Kontroll- oder Sicherheitspersonal), die Bereitstellung einer spielfertigen Veranstaltungs- bzw. Sportstätte, die Erstellung und Verbreitung von Pressetexten und -erklärungen mit Bild- und biografischem Material der Künstler bzw. Sportler, die Installation und Bereitstellung der technischen Voraussetzungen für eine Aufzeichnung oder die Erbringung eigener technischer Dienstleistungen. Vergleichbar ist auch die Art und Weise der ausnutzenden unmittelbaren Übernahmen der Veranstalterleistungen durch unbefugte Dritte. Mit steigendem öffentlichen Interesse und zunehmender Kommerzialisierung der Veranstaltung von künstlerischen Darbietungen stieg die Nachfrage nach entsprechenden Inhalten zur unmittelbaren und mittelbaren Teilnahme an den betreffenden Veranstaltungen. Wegen neuer technischer Möglichkeiten bei der Aufzeichnung auf Bild- und Tonträger und der dadurch bedingten einfacheren und schnelleren Vervielfältigung und Verbreitung von Inhalten nahmen unmittelbare Übernahmen ohne Genehmigung des Veranstalters künstlerischer Darbietungen stark zu. Die gleiche Entwicklung lässt sich um Jahrzehnte zeitversetzt für Sportveranstaltungen nachzeichnen. Steigendes öffentliches Interesse und zunehmende Kommerzialisierung im Zusammenhang mit neuen technischen Möglichkeiten (z. B. Internet-Streaming und Online-Sportwetten) führen zu einem Anstieg unerlaubter unmittelbarer Übernahmen von Leistungen der Sportveranstalter. Vergleichbar sind außerdem die Strukturen der beiden Sektoren Kultur und Sport. Die Gruppe der Veranstalter von künstlerischen Darbietungen ist wie auch die der Sportveranstalter sehr heterogen. Beide umfassen eine große Zahl von „kleinen“ Veranstaltern (Kultur- oder Breitensportvereine), aber auch größere Zusammenschlüsse einzelner Veranstalter bis hin zu professionell arbeitenden größeren Veranstaltungsunternehmen. Ihnen allen ist gemein, dass sie durch eine umfassende Möglichkeit zur wirtschaftlichen Verwertung „ihrer“ Veranstaltung zusätzliche Einnahmequellen erschließen wollen, um die Investitions- und Arbeitskosten für die Veranstaltung zu amortisieren bzw. darüber hinausgehende Erlöse in die (qualitative) Weiterentwicklung der jeweiligen Veranstaltung zu reinvestieren.47 Vergleichbar ist ferner die gesellschaftliche Bedeutung kultureller und sportlicher Veranstaltungen. Die Investitionen der Veranstalter künstlerischer Darbietungen und die der Sportveranstalter sind aufgrund ihrer gesellschaftlichen und wertemittelnden Funktion sowie des Unterhaltungswerts der Darbietungen von großem Interesse für die Allgemeinheit. Kulturelle und sportliche Veranstaltungen tragen beide zu einem flächendeckenden Kultur- und Sportangebot für die gesamte Bevölkerung bei.

47

Krebs/Becker/Dück, GRUR 2011, 391 (393); Lochmann (Fn. 3), S. 5.

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Auch die rechtlichen Ausgangslagen des Veranstalters von künstlerischen Darbietungen und des Sportveranstalters sind vergleichbar. Beide Typen von Veranstaltern befanden bzw. befinden sich in der vor Einführung eines sondergesetzlichen Leistungsschutzes „klassischen Situation“.48 Die von ihnen getätigten Investitionen und Arbeitsaufwendungen waren bzw. sind auf der Basis des Hausrechts am jeweiligen Veranstaltungsort oder über lauterkeitsrechtliche Abwehransprüche nicht mehr oder nur noch lückenhaft gegen ausbeutende unmittelbare Übernahmen mittels neuer technischer Nutzungsformen zu schützen, da Vervielfältigungen von Aufzeichnungen der audiovisuellen Inhalte und Live-Daten, also des vermögenswerten Unterhaltungswerts der jeweiligen Veranstaltung, ohne großen technischen oder finanziellen Aufwand des Übernehmenden angefertigt und verbreitet werden können. Dadurch wurden bzw. werden die Veranstalter in der wirtschaftlichen Verwertung der von ihnen organisierten und durchgeführten Veranstaltungen stark eingeschränkt. In allen vergleichbaren Fällen hat die Rechtsprechung in diesem Grenzbereich zwischen Lauterkeitsrecht und Immaterialgüterrecht zunächst versucht, die Schutzlücken, die aufgrund neuer technischer Entwicklungen entstanden, über den wettbewerblichen Leistungsschutz zu schließen, weil die Ausnutzung fremder Leistungen zur Förderung eigener gewerblicher Interessen als unlauter angesehen wird.49 War die lauterkeitsrechtliche Rechtsprechung aufgrund der sich stark verändernden tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr in der Lage, die wegen der neuen Übernahmetechniken entstandenen Schutzlücken grundsätzlich zu schließen, griff regelmäßig der Gesetzgeber ein und schloss die bestehenden Schutzlücken durch sondergesetzliche Leistungsschutzrechte.50 2. Vergleichbare Schutzbedürftigkeit von Sportveranstaltern Die organisatorisch-unternehmerischen Leistungen der Sportveranstalter sind nicht weniger schutzbedürftig als die der Veranstalter von künstlerischen Darbietungen, obwohl die bisher vorherrschende Meinung eine geringere Schutzbedürftigkeit der Sportveranstalter unterstellt. Dies wird damit begründet, dass die vermarktungsfähigen Nutzungsrechte für Sportveranstaltungen einen höheren wirtschaftlichen Wert besitzen, eine finanzielle Förderung des Sports durch den Staat auf allen Ebenen erfolgt und die Gefahr eines Marktversagens für die Vermarktung von Sportveranstaltungen im Vergleich zu kulturellen Veranstaltungen geringer ist. Diese Behauptungen stellen sich bei einer eingehenderen Untersuchung jedoch allesamt als unzutreffend heraus. 48 Schulze, ZUM 1989, 53 (54); Götting, ZUM 2005, 185 (187); Krebs/Becker/Dück, GRUR 2011, 391 (392); Ensthaler/Blanz, GRUR 2012, 1104 (1106 f.). 49 BGH, GRUR 1962, 470 (474) („AKI“). Die Frage der Unlauterkeit einer unmittelbaren Übernahme ist schon bei KG, GRUR 1952, 533 (533) („Waldbühne“) angelegt. Vgl. Harmsen, GRUR 1952, 500 (501). 50 Vgl. Götting, ZUM 2005, 185 (187), für die ebenfalls vergleichbare Ausgangslage vor Einführung des Leistungsschutzrechts für Sendeunternehmen durch § 87 Abs. 1 Nr. 3 UrhG.

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a) Keine höheren Gewinnchancen des Sports Die Literatur geht davon aus, dass bei der Bewertung der Schutzbedürftigkeit der kulturellen Veranstalter und der Sportveranstalter der unterschiedliche wirtschaftliche Wert der zu schützenden Investition berücksichtigt werden muss.51 Da der Sportveranstalter bei der wirtschaftlichen Verwertung eines sportlichen Wettbewerbs höhere „Gewinnchancen“ besitze als der Veranstalter von künstlerischen Darbietungen, sei er mit seinen Investitionen weniger schutzbedürftig.52 Für die Heranziehung der Höhe der zu erzielenden Einnahmen als maßgebliches Kriterium zur Bestimmung der Schutzbedürftigkeit des Sportveranstalters findet sich in den amtlichen Begründungen zur Einführung der bisher bestehenden Leistungsschutzrechte kein Beleg. Gemeinsames Ziel der im UrhG geregelten Leistungsschutzrechte ist es, die wirtschaftlichen Interessen der Veranstalter von Sportveranstaltungen bzw. künstlerischer Darbietungen durch die eindeutige Zuweisung eines Verwertungsrechts für ein bestimmtes Immaterialgut zu schützen. Der Gesetzgeber unterscheidet dabei nicht nach der Art oder dem Umfang der getätigten Aufwendungen. Ein Leistungsschutzrecht umfasst alle organisatorischen und investiven Leistungen der Veranstalter. In der amtlichen Begründung für die Normierung des Leistungsschutzes für die Veranstalter künstlerischer Darbietungen (heutiger § 81 UrhG) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass ein Veranstalter mit seiner Leistung schutzbedürftig ist, wenn die „von ihm mit Mühe und Kosten durchgeführten Darbietungen von anderen ohne seine Erlaubnis durch Bildschirm- oder Lautsprecherübertragung in Räume außerhalb der Veranstaltung, durch Aufnahme auf Bild- oder Tonträger und deren Vervielfältigung oder durch Funksendung ausgenutzt werden.“53 Die Schutzbedürftigkeit der Veranstalterleistung ist somit unabhängig von der zu erwartenden Gewinnchance. Sie hängt vielmehr von der Art und dem Umfang der ausnutzenden unmittelbaren Übernahme der Veranstalterleistung durch unbefugte Dritte ab. Mit der Verwendung des „Werts der Investition“ als Kriterium der Schutzbedürftigkeit würden in der Praxis reine Billigkeitserwägungen als Grundlage für eine Entscheidung herangezogen werden müssen. Dies würde nicht nur zu großen Nachweisschwierigkeiten, sondern auch zu rein subjektiven Werturteilen über die Schutzbedürftigkeit von Sportveranstaltern führen. Im Falle des schon bestehenden Veranstalterschutzes nach § 81 UrhG hätte dies zur Folge, dass wirtschaftlich erfolgreiche Veranstaltungen künstlerischer Darbietungen mit mehreren zehntausend Zuschauern plötzlich als weniger schutzbedürftig erachtet werden müssten als die weniger Gewinn versprechenden kulturellen Veranstaltungen kleinerer Veranstalter, obwohl gerade die großen Veranstaltungen am häufigsten von ausnutzenden unmittelbaren Übernahmen betroffen sind. Weil es sich um Veranstaltungen künstlerischer Darbietungen handelt, wären diese professionellen und wirtschaftlich erfolgreichen 51

Kainer (Fn. 21), S. 373. Vgl. Kainer (Fn. 21), S. 371 und S. 383. 53 Reg-E 1962, BT-Drucks IV/270, S. 94. 52

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Veranstaltungen zudem als „schutzbedürftiger“ anzusehen als wirtschaftlich erfolgreiche Sportveranstaltungen mit mehreren zehntausend Zuschauern, obwohl große Musiktourneen internationaler Künstler ähnliche Gesamteinnahmen verzeichnen wie herausragende Sportveranstaltungen. b) Staatliche Förderung des Sports Als weiteres Argument für eine im Vergleich höhere Schutzbedürftigkeit der Veranstalter künstlerischer Darbietungen wird die finanzielle Unterstützung des Sports durch die öffentliche Hand angeführt. Durch dieses Argument wird insinuiert, dass die staatliche Förderung des Sports auf der supranationalen und allen nationalen staatlichen Ebenen, angefangen von der EU, über Bundes- und Landesförderung bis hin zur Förderung durch die Kommunen vor Ort, höher sei als die der Kulturwirtschaft. Der Sport „verdiene“ keine Zuweisung ausschließlicher Rechte zur wirtschaftlichen Verwertung der von ihm organisierten und durchgeführten Sportveranstaltung, da dem Sportveranstalter aufgrund des Anteils staatlicher Förderung die „Früchte“ der Investition nicht alleine zufallen dürften.54 Hinter diesem Verweis auf die öffentliche Förderung steckt der Gedanke, dass das Veranstalterrecht gemäß § 81 UrhG neben der Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Veranstalter auch der Kulturförderung allgemein dienen soll.55 In der Tat wird der Sport mittlerweile auf allen staatlichen Ebenen aus öffentlichen Mitteln gefördert. Zuletzt hat die EU mit Art. 165 AEUV eine Vorschrift in das Unionsrecht aufgenommen, mit der eine Förderung des Sports aus Haushaltsmitteln der EU möglich wurde.56 Aber auch der Kulturbereich erhält eine umfassende staatliche Förderung seiner Leistungen auf allen staatlichen Ebenen. Grund für die staatliche Unterstützung ist die besondere gesellschaftliche Bedeutung der beiden Bereiche für die Allgemeinheit. Vergleicht man die Fördersummen der EU für Kultur und Sport, wird ersichtlich, dass mit der Höhe der öffentlichen Förderung an sich keine höhere Schutzbedürftigkeit des Kultursektors begründet werden kann. Auf EU-Ebene ist für den Zeitraum 2014 bis 2020 eine EU-Förderung des Kultursektors von insgesamt 1,463 Mrd. Euro vorgesehen57, im Vergleich zu 265,94 Mio. Euro für die EU-Sportförderung im gleichen Zeitraum.58 In Deutschland wurde der Kulturbereich von Bund, Ländern und Gemeinden im Jahr 2009 mit ca. 9,1 Mrd. Euro geför54

Brinkmann, ZUM 2006, 802 (808); Melwitz, Der Schutz von Sportgroßveranstaltungen (2008), S. 214. 55 Büscher, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), UrhG, § 81, Rn. 6; Vogel, in: Schricker/Loewenheim (Hrsg.), UrhR, § 81, Rn. 5 und 19. 56 Brost, SpuRt 2010, 178 (179). 57 Art. 24 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1295/2013 zur Einrichtung des Programms Kreatives Europa (2014 – 2020) und zur Aufhebung der Beschlüsse Nr. 1718/2006/EG, Nr. 1855/2006/EG und Nr. 1041/2009/EG vom 11. 12. 2013, ABl. vom 20. 12. 2013, Nr. L 347, S. 221 – 237. 58 Art. 18 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 e) VO (EU) Nr. 1288/2013.

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dert.59 Die Sportförderung aller staatlichen Ebenen betrug im Jahr 2008 ca. 3,85 Mrd. Euro.60 Die Zahlen zeigen einerseits, dass die staatliche Förderung für die Kulturwirtschaft auf allen staatlichen Ebenen höher ist als die öffentliche Förderung des Sports. Andererseits wird klar, dass die Zuweisung eines ausschließlichen Rechts für Sportveranstalter, ebenso wie den Veranstaltern künstlerischer Darbietungen, dem Sport auf breiter Basis die Möglichkeit böte, auf einer rechtlich abgesicherten Grundlage neue Einnahmequellen zu erschließen. Die über ein Leistungsschutzrecht möglicherweise zu generierenden zusätzlichen Gelder wären Beiträge zur allgemeinen Sportförderung, wie die Einnahmen der Veranstalter künstlerischer Darbietungen gemäß § 81 UrhG als Eigenbeiträge der Kulturwirtschaft zur allgemeinen Kulturförderung angesehen werden. c) Keine geringere Gefahr eines Marktversagens Gegen eine mit den Veranstaltern künstlerischer Darbietungen vergleichbare Schutzbedürftigkeit der Sportveranstalter wird zudem die höhere Gefahr eines „Marktversagens“ im Kulturbereich angeführt. Es wird behauptet, dass der Kulturbereich ohne die Möglichkeit der Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Einnahmequellen auf der Basis des Leistungsschutzrechts nicht überlebensfähig wäre. Dies wird damit begründet, dass mit dem unternehmerischen Aufwand der Theater- und Konzertveranstalter ein „besonderes“ wirtschaftliches Risiko einhergehe und die „Gefahr von Verlustgeschäften hoch“ sei.61 Die Veranstalter künstlerischer Darbietungen müssten möglichst viele Verwertungsmöglichkeiten ausschöpfen können, „um zu verhindern, dass diese kulturellen Leistungen nicht mehr erbracht werden und es in diesem Bereich zu einem Marktversagen kommt.“62 Die Gruppe der Sportveranstalter und die der Veranstalter künstlerischer Darbietungen ähneln sich stark in ihrer Struktur. Sie umfassen eine sehr große Zahl „kleiner“ Veranstalter, die mit ihren Veranstaltungen Einnahmen generieren, die nicht immer die Höhe der Ausgaben erreichen, und die daher auf die Zuwendungen öffentlicher Mittel angewiesen sind. Eine kleine Zahl „größerer“ Veranstalter besitzt jedoch die Möglichkeit, wegen der Attraktivität ihrer Veranstaltungen durch eine umfassende wirtschaftliche Verwertung zusätzliche Einnahmen zur Amortisierung der aufgewendeten organisatorischen und investiven Leistungen zu erzielen. Es ist nicht ersichtlich, warum die kleineren oder größeren Veranstalter künstlerischer Darbietungen ein höheres wirtschaftliches Risiko bei der Organisation und Durchführung ihrer Veranstaltung tragen als die kleineren und größeren Sportveranstalter. Die Ge59

Statistikämter der Länder, Kulturfinanzbericht 2012, S. 12. Ahlert, gws Discussion Paper 2008/5, S. 3, auf der Basis von Daten des statistischen Bundesamts für 2008. 61 Kainer (Fn. 21), S. 123 und 379. 62 Kainer (Fn. 21), S. 118. 60

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fahr von Verlustgeschäften ist für die meisten der von den beiden Typen von Veranstaltern organisierten Veranstaltungen hoch, unabhängig davon, ob es sich um eine kulturelle oder sportliche Veranstaltung handelt. § 81 UrhG schützt die Veranstalter von künstlerischen Darbietungen vor unbefugten Übernahmen ihrer Leistung, z. B. in Form von ungenehmigten Aufzeichnungen oder öffentlichen Wiedergaben. Der BGH hat mit seiner neueren Rechtsprechung klargestellt, dass sich ein Veranstalter ohne einen sondergesetzlichen Schutz nicht auf einen ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz berufen kann, da durch eine unmittelbare Übernahme eine Veranstaltung nicht in irgendeiner Form nachgeahmt, sondern die Veranstaltung als Ergebnis der Leistungen des Veranstalters direkt übernommen wird.63 Wenn die Filmaufzeichnung eines Teils einer Sportveranstaltung keine Nachahmung der Sportveranstaltung im Sinne des § 4 Nr. 9 UWG sein kann, muss dies – angenommen, es bestünde kein Sonderschutz nach § 81 UrhG – auch für die Übernahme von Leistungsteilen einer Veranstaltung künstlerischer Darbietungen gelten. Im Fall von Sportveranstaltungen wurde ein Marktversagen vom BGH abgelehnt, weil nichts dafür spreche, dass der Sportveranstalter ohne die ausschließliche Zuweisung der in Rede stehenden Vermarktungsrechte nicht mehr in der Lage wäre, die für die Durchführung des Spielbetriebs notwendigen Investitionen zu tätigen.64 Das Gleiche gilt allerdings auch für künstlerische Darbietungen. Die Erlöse aus der Einräumung von Nutzungsrechten stellen nicht die einzigen Einnahmen solcher Veranstaltungen dar. Ohne Einnahmen aus der über das Leistungsschutzrecht des § 81 UrhG abgesicherten Vermarktung wäre die Veranstaltung von künstlerischen Darbietungen nicht grundsätzlich gefährdet. Würden die Einnahmen aus der wirtschaftlichen Verwertung aber wegbrechen, entstünden den Veranstaltern große Finanzierungslücken. Vielleicht wären einige Veranstalter dennoch in der Lage, weiterhin die für die Durchführung der Veranstaltung notwendigen Investitionen zu tätigen. Sie müssten dafür aber wahrscheinlich Einbußen bei der künstlerischen Qualität ihrer Veranstaltungen hinnehmen (z. B. durch die Verpflichtung weniger bekannter Künstler). Eine vollständige Einstellung jeglicher Veranstaltungstätigkeit im kulturellen Bereich wäre, wie im Sport, ohne einen sondergesetzlichen Schutz der kulturellen Veranstalter nicht zu erwarten. Die Gefahr eines Marktversagens ist somit für die Veranstalter künstlerischer Darbietungen nicht höher als die Gefahr eines Marktversagens für Sportveranstalter. Sowohl Kultur- als auch Sportveranstaltungen fänden auch ohne einen sondergesetzlichen Schutz statt. Allerdings wären diese Veranstaltungen nicht mehr wirksam vor ausnutzenden unmittelbaren Übernahmen geschützt und würden aller Voraussicht nach eine geringere künstlerische Qualität aufweisen. Vor diesem Hintergrund offenbart sich die beschränkte Aussagekraft des Merkmals „Marktversagen“. In besonderen Wirtschaftsbereichen wie Kultur und Sport kann „Marktversagen“ als Kriterium für die Bestimmung der Wettbewerbswirkung einer Handlung und die Erforderlich63 64

BGH, GRUR 2011, 436 (437) („hartplatzhelden.de“). Ebd.

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keit eines Schutzrechts gegen unmittelbare Leistungsübernahmen nur sehr eingeschränkt herangezogen werden, denn anders als bei sonstigen Waren- und Dienstleistungsmärkten führt eine starke Beeinträchtigung der kommerziellen Verwertbarkeit einer Kultur- oder Sportveranstaltung nicht wie sonst üblich zu einer vollständigen Einstellung der „Produktion“. Durch eine unbefugte unmittelbare Übernahme von Leistungen der Veranstalter kann allerdings die Art und Weise der „Produktion“ qualitativ und quantitativ stark eingeschränkt werden. 3. Investitionsschutz als Zuweisungsgrund im Urheberrecht Gegen die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Sportveranstalter im UrhG werden außerdem noch rechtssystematische Einwände ins Feld geführt. Trotz der dargestellten Ähnlichkeiten der tatsächlichen und rechtlichen Ausgangsposition der Veranstalter künstlerischer Darbietungen und der Sportveranstalter wird eine mit § 81 UrhG vergleichbare Regelung mit Hinweis auf unterschiedliche Schutzobjekte und die fehlende Verbindung des Sportveranstalters zum sonstigen Urheberrecht abgelehnt (fehlende „Werkmittlereigenschaft“). Gegen die Normierung eines Leistungsschutzrechts für Sportveranstalter im Urheberrecht werden darüber hinaus noch grundsätzliche Bedenken geltend gemacht, die darauf gründen, dass wettbewerbsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz von Leistungsergebnissen nicht im Urheberrecht geregelt werden sollten. Eine weitere grundlegende Kritik an einer gesetzlichen Regelung des Leistungsschutzes für Sportveranstalter im UrhG setzt an der Schnittstelle und dem Spannungsverhältnis zwischen dem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz und dem sondergesetzlichen Immaterialgüterschutz an und richtet sich insofern auch gegen die Regelung des Veranstalterschutzes in § 81 UrhG. Kernpunkt der Kritik: Die Regelung des § 81 UrhG im Abschnitt über den Schutz des ausübenden Künstlers sei rechtssystematisch verfehlt.65 Bei den im UrhG geregelten Leistungsschutzrechten handele es sich dem Schwerpunkt und dem Wesen nach um wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.66 Ein Veranstalter künstlerischer Darbietungen sei ohne den sondergesetzlichen Leistungsschutz bereits ausreichend über sein Hausrecht, den ergänzenden Leistungsschutz gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 9 UWG und das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb aus § 823 Abs. 1 BGB geschützt.67 Ein darüber hinausgehender sondergesetzlicher Schutz der reinen Investitionsleistung stelle einen „Fremdkörper“ im Urheberrecht dar, der die Grenzen zwischen urheberrechtlich geschütztem Werk und sonstiger Leistung zu stark verschwimmen lasse.68 Wenn überhaupt sei die Regelung von aus65 Vogel, in: Schricker/Loewenheim (Hrsg.), UrhR, § 81, Rn. 12; ders., in: Loewenheim (Hrsg.), HandbUrhR, § 39, Rn. 3; Schmieder, GRUR 1964, 121 (122); Schulze, ZUM 1989, 53; Hodik, ZUM 1989, 65. 66 Schmieder, GRUR 1964, 121 (124); v. Gamm, GRUR 1968, 401 (401). 67 Vogel, in: Schricker/Loewenheim (Hrsg.), UrhR, § 81, Rn. 13. 68 Wandtke, in: ders./Bullinger, UrhG (2009), Einl., Rn. 11; Dreier, in: ders./Schulze, UrhG, Einl., Rn. 17.

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beutenden unmittelbaren Übernahmen einer fremden Leistung besser im Wettbewerbsrecht anzusiedeln.69 Die Entstehungsgeschichte der im UrhG im Abschnitt über verwandte Schutzrechte geregelten Leistungsschutzrechte zeigt, dass die tatsächliche und rechtliche Ausgangssituation für alle heute Leistungsschutzberechtigten vergleichbar war. Die verschiedenen Abwehrrechte aus dem Hausrecht, dem Lauterkeitsrecht oder dem Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb reichten nicht mehr aus, um die Leistungen der Betroffenen umfassend vor ausbeutenden unmittelbaren Leistungsübernahmen zu schützen. Hauptgrund dafür waren veränderte tatsächliche Rahmenbedingungen, zumeist technische Neuerungen im Bereich der Aufzeichnungs- und Verbreitungstechnik, die es unbefugten Dritten ermöglichten, fremde Leistungen ohne wesentliche eigene Kosten unmittelbar für eigene gewerbliche Zwecke zu nutzen. Der ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz konnte gegen solche Leistungsübernahmen nur im Einzelfall korrigierend eingreifen. Insbesondere wegen des rein handlungsbezogenen wettbewerblichen Leistungsschutzes war eine eindeutige Zuweisung der Verfügungsbefugnis über die betroffenen Immaterialgüter im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung nicht möglich. Die Art und Weise der ausnutzenden unmittelbaren Übernahmen (Aufzeichnung, Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Wiedergabe) und die Möglichkeiten, sich dagegen zur Wehr zu setzen (ausschließliches Verwertungsrecht) zeigen, dass „(…) die ganze Lehre [von der unlauteren unmittelbaren Übernahme einer Leistung] unverkennbar sonderschutzrechtliche Züge [trägt]“.70 Der Gesetzgeber hat insofern durch die Einführung von Leistungsschutzrechten als dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte eine grundsätzliche Entscheidung darüber getroffen, dass wirtschaftliche und organisatorische Aufwendungen Schutzgegenstand eines sondergesetzlichen Immaterialgüterschutzes im Urheberrecht sein können. Der Schutz eines Leistungsergebnisses über das Immaterialgüterrecht bietet dem Berechtigten wegen seiner absoluten Wirkung gegenüber einem rein wettbewerbsrechtlichen, handlungsbezogenen Leistungsschutz nämlich bedeutende Vorteile. Der Begünstigte kann aufgrund eines sondergesetzlichen Immaterialgüterschutzes – im Gegensatz zu seiner Rechtsposition auf der Basis des Hausrechts oder eines ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes – auch gegen ausbeutende unmittelbare Leistungsübernahmen unbefugter Dritter vorgehen, mit denen er keine vertragliche Beziehung eingegangen ist oder von denen er keine Kenntnis hat. Zudem verringern sich im Vergleich zum wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz die Nachweispflichten. Die wirtschaftliche Beeinträchtigung durch ausbeutende unmittelbare Leistungsübernahmen muss nämlich in geringerem Maße spürbar sein als im Lauterkeitsrecht.71Im Lauterkeitsrecht obliegt dem ursprünglichen Leistungser69

Ehmann, GRUR Int 2009, 659 (661). Gastiger, GRUR 1965, 179 (180); v. Gamm, GRUR 1968, 401 (402); Luchterhandt, GRUR 1969, 581 (593). 71 Paal (Fn. 14), S. 94 f. 70

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bringer insofern eine umfassendere Nachweispflicht als es bei einem sondergesetzlichen Schutz der Fall wäre. Um in einer solchen Wettbewerbssituation (ausbeutende unmittelbare Übernahme eines Leistungsergebnisses) eine für alle Seiten transparente und verhältnismäßige Lösung zu finden, bedarf es eines sondergesetzlichen Schutzes des Sportveranstalters und des von ihm veranstalteten sportlichen Wettbewerbs. Der Gesetzgeber selbst hat in der amtlichen Begründung des UrhG 1965 hervorgehoben, dass es sich bei der Einführung der verwandten Schutzrechte in Form der Leistungsschutzrechte des Veranstalters (§ 81 UrhG), des Tonträgerherstellers (§ 85 UrhG), der Sendeunternehmen (§ 87 UrhG), der Filmhersteller (§ 94 UrhG) und der Laufbildhersteller (§ 95 UrhG) um einen „erheblichen Fortschritt gegenüber der bisherigen wettbewerbsrechtlichen Lösung“ handele.72 Bei der Normierung der ersten Leistungsschutzrechte Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre hat der Gesetzgeber noch versucht, einen zumindest mittelbaren Bezug des Schutzes der wirtschaftlichen Interessen des Berechtigten zum Urheberrecht herzustellen.73 Bei den später eingeführten Leistungsschutzrechten stand jedoch der Schutz der wirtschaftlichen Interessen stärker im Mittelpunkt des Regelungsinteresses.74 Spätestens mit der Einführung des Datenbankherstellerrechts in §§ 87a ff. UrhG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass für die Normierung eines Leistungsschutzrechts kein persönlicher urheberrechtlicher Bezug des Berechtigten als maßgeblicher Regelungsgrund mehr erforderlich ist. Damit kann auch der Schutz der unternehmerischen Leistung, der im Falle von allgemeinwohldienlichen Investitionen allein der Absicherung wirtschaftlicher Interessen dient, mittlerweile als dem geltenden Recht immanent angesehen werden.75 Aufgrund der durch den technischen Fortschritt erleichterten Möglichkeiten zur Leistungsübernahme sind nicht nur beim Schutz von Datenbanken, sondern auch im Bereich des Markenrechts Tendenzen erkennbar, vermehrt neben der schöpferischen Leistung auch die in der Entwicklung einer Marke liegenden Investitionen selbst zu schützen.76

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v. Gamm, GRUR 1968, 401 (402). Luchterhandt, GRUR 1969, 581 (592); Reg-E 1962, BT-Drucks IV/270, S. 87: „Die Einbeziehung der Leistungsschutzrechte in das Urheberrechtsgesetz erscheint wegen des engen Sachzusammenhangs geboten, weil diese Rechte vorwiegend gerade durch die Darbietung urheberrechtlich geschützter Werke begründet werden.“ 74 Reg-E 1962, BT-Drucks IV/270, S. 95, 97, 98 und 102. 75 Paal (Fn. 14), S. 101; Erwägungsgrund 40 EU-Datenbank-RL: „Das Ziel dieses Schutzrechts sui generis besteht darin, den Schutz einer Investition in die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung des Inhalts einer Datenbank für die begrenzte Dauer des Schutzrechtes sicherzustellen. Diese Investition kann in der Bereitstellung von finanziellen Mitteln und/oder im Einsatz von Zeit, Arbeit und Energie bestehen.“ [Hervorhebungen durch den Verfasser] 76 Ohly, JZ 2003, 545 (551). 73

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Der „Paradigmenwechsel“ hin zu einer Stärkung der Inhaber verwandter Schutzrechte ist somit bereits erfolgt.77 Die sondergesetzlichen Leistungsschutzrechte stellen insofern einen „vertypten Wettbewerbsschutz“ dar.78 Sie nehmen eine eindeutige Regelung für Sachverhalte vor, in denen einen unmittelbare Übernahme eines Leistungsergebnisses von der Gesellschaft als nicht hinzunehmende „Ausbeutung“ der Leistungen des Berechtigten angesehen wird. 4. Rechtspolitische Einwände In der Literatur gibt es noch ganz grundsätzliche Überlegungen zu der Frage, ob die „individualistisch und naturrechtlich geprägte Rechtskonstruktion des Urheberrechts“ im digitalen Zeitalter überhaupt noch sachgerecht ist.79 So sieht eine Meinung, die maßgeblich auf der Theorie der ökonomischen Analyse des Urheberrechts aufbaut, im Hinblick auf die Effizienz der durch das Urheberrecht bedingten Ressourcenverwendung und ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb grundlegende Defizite in der bestehenden urheberrechtlichen Rechtsordnung.80 Ausschlaggebend für die Bewertung immaterialgüterrechtlicher Schutzrechte sind demnach die Auswirkungen solcher Rechte auf das Funktionieren des Wettbewerbs. Wie gesehen, ist der „Markt für Sportveranstaltungen“ nicht von unmittelbaren Übernahmen betroffen. Betroffen sind die davon abgeleiteten, nachgelagerten Märkte. Für den Fall von Sportveranstaltungen sind in diesem Zusammenhang der „Markt für Übertragungsrechte“ und der „Markt für die Veranstaltung von Online-Sportwetten“ von besonderem Interesse. Diese Märkte würden ohne die Veranstaltung sportlicher Wettbewerbe nicht existieren. Zur Schaffung eines funktionierenden Marktes sind die Sportveranstalter auf dem „Markt für Übertragungsrechte“ darauf angewiesen, bei der audiovisuellen Verwertung einer Live-Sportveranstaltung eine exklusive Nutzung durch ein Sendeunternehmen zu ermöglichen. Der Grad der Exklusivität der Rechte ist ein wesentliches Kriterium für das durch die Verwertung zu erzielende Entgelt, das der Erwerber zu zahlen bereit ist.81 Die Sicherstellung der Exklusivität audiovisueller Inhalte ist jedoch aktuell eines der größten Probleme der Sportveranstalter. Ohne die Sicherstellung von Exklusivität, die es den Sendeunternehmen ermöglicht, die Inhalte ausschließlich selbst zu verwerten und damit die Kosten für den Erwerb zu refinanzieren, könnte kein funktio-

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Dreier, in: ders./Schulze (Hrsg.), UrhG, Einl., Rn. 17. Luchterhandt, GRUR 1969, 581 (593). 79 Vgl. Wandtke, in: ders./Bullinger (Hrsg.), UrhG (2009), Einl., Rn 11. Zu den naturrechtlichen Grundlagen: Schmidt-Szalewski, GRUR Int 1993, 187 (194); Ann, GRUR Int 2004, 597 (600 f.); Götting, GRUR 2006, 353 (354). 80 Dreier, in: ders./Schulze (Hrsg.), UrhG, Einl., Rn. 14; Kirchner, GRUR Int 2004, 603 (603); Bechthold, GRUR Int 2008, 484 (485 f.). 81 Vgl. Röhl (Fn. 43), S. 632. 78

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nierender Markt für Übertragungsrechte bestehen.82 Würde also die Anzahl unbefugter unmittelbarer Übernahmen von Sportveranstaltungen, z. B. durch Live-Streaming von Live-Sportveranstaltungen oder die Bereitstellung entsprechender Live-Inhalte auf Internet-Portalen, mit den jetzigen Wachstumsraten zunehmen, könnte dies dazu führen, dass an sich exklusive Inhalte, für die die Erwerber der Nutzungsrechte hohe Investitionen getätigt haben, kostenfrei weltweit zur Verfügung stehen. Durch die fehlende Exklusivität würde sich der Wert der Rechte mittelfristig stark vermindern und die Erbringung der zu Grunde liegenden Leistung ihrer Qualität und ihrem Umfang nach für die Zukunft gefährden.83 Der fehlende Schutz hätte zur Folge, dass der Wettbewerb auf funktionierenden Märkten zugunsten bestimmter individueller Marktteilnehmer stark verzerrt würde. Ohne einen weiterreichenden gesetzlichen Schutz würden so diejenigen Marktteilnehmer begünstigt, die ohne die Aufwendung eigener Produktionskosten die qualitativ hochwertig produzierten Leistungen der Sportveranstalter und der zur Nutzung der Sportveranstaltung berechtigten Sendeunternehmen durch einfache, unmittelbare Übernahmen kostenlos für ihre eigenen gewerblichen Zwecke nutzen. Insofern wäre ohne einen besseren Schutz der Sportveranstalter eine Marktstörung auf dem nachgelagerten „Markt für Übertragungsrechte“ zu erwarten, da der Marktmechanismus aus Angebot und Nachfrage nicht mehr zu den volkswirtschaftlich wünschenswerten Ergebnissen führen würde.84 Die Gegner eines Leistungsschutzrechts für Sportveranstalter verweisen gerne darauf, dass die Sportveranstalter bereits nach geltendem Recht in ausreichendem Maße gegen unrechtmäßige Live-Streaming-Anbieter geschützt seien.85 Diese Argumentation lässt die starke Zunahme illegaler Live-Streaming-Angebote und den aktuellen politischen Diskurs über die Zukunft des Urheberrechts im Zeitalter des Internets völlig außer Acht. Sollten sich die politischen Forderungen nach einer weitgehenden Aushöhlung des geltenden Urheberrechts durchsetzen, wird die Frage eines effektiven Schutzes der Leistungen der Sportveranstalter nur noch drängender. Auch die Frage der Beteiligung der Veranstalter von Online-Sportwetten an den Investitionskosten der Sportveranstalter spielt in der aktuellen Marktsituation überraschenderweise kaum eine Rolle. Dabei steht fest, dass ein Veranstalter von Sportwetten sich den Unterhaltungswert einer Sportveranstaltung ohne Aufwendung wesentlicher eigener Kosten zu eigen macht.

82 Waldhauser, Fernsehrechte des Sportveranstalters (1999), S. 347; Lochmann (Fn. 3), S. 288. Siehe auch: Peukert (Fn. 4), S. 145. 83 Lochmann (Fn. 3), S. 167; Maume, MMR 2008, 797 (801). 84 Vgl. Gordon, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse der rechtlichen Organisation von Innovationen : Beiträge zum IV. Travemünder Symposium zur Ökonomischen Analyse des Rechts (23.–26. März 1994) (1994), S. 332. Demnach können Immaterialgüterrechte dann als gerechtfertigt angesehen werden, wenn die durch den sondergesetzlichen Schutz zu erwartenden Investitionen die sonstigen Kosten des Immaterialgüterschutzes (Monopolstellung des Geschützten) überwiegen. 85 Heermann, GRUR 2015, 232 (236).

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Eine Sportveranstaltung ist kein öffentliches Gut. Sie wird in der Regel von einem privaten Veranstalter organisiert und durchgeführt und besitzt einen wirtschaftlich verwertbaren Unterhaltungswert. Eine Sportveranstaltung ist somit ein immaterielles Wirtschaftsgut, für das eine eigene Nachfrage besteht. Die Nutzung des Unterhaltungswerts einer Sportveranstaltung auf nachgelagerten Märkten stellt sowohl auf dem „Markt für Übertragungsrechte“86 als auch auf dem „Markt für die Veranstaltung von Online-Sportwetten“87 eine gewerbliche Nutzung dar – insbesondere, wenn der Veranstalter von Online-Sportwetten noch stärker auf die Nutzung von Sportveranstaltungen angewiesen ist als ein Sendeunternehmen, das auch andere Sendeinhalte nutzen kann. Handelt es sich bei beiden Nutzungsformen um eine „kommerzielle Nutzung von Sportveranstaltungen“, müssen entweder das Sendeunternehmen und der Veranstalter von Online-Sportwetten ein angemessenes Entgelt für die Nutzung entrichten88 oder aber beide Nutzungen müssten entgeltfrei sein und einen kostenlosen Zugriff auf die Sportveranstaltung ermöglichen.89 Eine solche „gemeinfreie“ Lösung wäre nicht interessengerecht. Auch wenn die naturrechtliche Basis des Urheberrechts aufgrund der ökonomischen Realitäten Schwächen aufweist, kann unter Verweis auf die bisherige Rechtsprechung des BGH nicht vernachlässigt werden, dass vom Gesetzgeber eine Entscheidung darüber erwartet werden kann, ob die unmittelbare Übernahme des Leistungsergebnisses zum Schaden des Sportveranstalters als Leistungserbringer erfolgt und wem „billigerweise die Früchte davon zukommen müssten.“90 Der Verweis auf die heute zur Verfügung stehenden internetbasierten Nutzungsformen führt nicht automatisch zu der Schlussfolgerung, dass dort, wo es um „Inhalte“ und deren digitale Verwertung geht, ein Investitionsschutz weder erforderlich noch möglich ist.91 Die von der Rechtsprechung für die Fälle einer unmittelbaren Übernahme und Ausbeutung eines Leistungsergebnisses bisher entwickelten Kriterien zeigen, dass bei der Berücksichtigung der Interessen der Wettbewerber, Verbraucher und der Allgemeinheit zur Feststellung einer „nicht unerheblichen“ Verfälschung des Wettbewerbs durch das Verhalten der Marktteilnehmer auch Bil86

Eifert, in: Hahn/Vesting (Hrsg.), RStV, § 16a Rn. 33 f. Europäisches Parlament, Entschließung über die Integrität von Online-Glücksspielen (2008/2215 [INI]) vom 10. 03. 2009, Ziff. 5 und 10; Entschließung zu Online-Glücksspielen im Binnenmarkt (2011/2084 [INI]) vom 15. 11. 2011, Punkt M und Ziff. 40; Entschließung über die europäische Dimension des Sports (2011/2087 [INI]) vom 02. 02. 2012, Ziff. 50 und 54. 88 BGH, GRUR 1960, 614 (617) („Figaros Hochzeit“): „Es stellt eine sittenwidrige Vermögensschädigung dar [§ 826 BGB], eine fremde Leistung, die üblicherweise nur gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung erbracht wird, sich kostenlos unter Zuhilfenahme der technischen Errungenschaften zunutze zu machen, die es dem Leistenden verwehren, Wirkungsbereich und Art der Auswertung seiner Leistung in tatsächlicher Beziehung zu beherrschen und durch entsprechende Verträge auch Dritten gegenüber rechtswirksam abzugrenzen.“ Götting, ZUM 2005, 185 (188); Peukert (Fn. 4), S. 284. 89 So auch: Lochmann (Fn. 3), S. 288; Schulze, ZUM 2011, 2 (12). 90 RGZ, 111, 254 (256) („Käthe Kruse Puppen“); dass., 115, 180 (183) („Puppenjunge“); BGH, GRUR 1969, 186 (188) („Reprint“); ders., GRUR 1969, 618 (620) („Kunststoffzähne“). 91 Vgl. Zypries, ZUM 2005, 98 (100). 87

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ligkeitserwägungen bei der Findung eines interessengerechten Ausgleichs eine Rolle spielen müssen,92 insbesondere bei einer „unfairen Verteilung von Erlösen“93 aufgrund einer aktuellen Marktlage. Letztlich ist also die Frage nach der Zukunft des Urheberrechts und der Einführung neuer Leistungsschutzrechte rechtspolitisch zu beantworten. Forderungen nach einem wissensbasierten Regulierungsansatz auf der Basis objektiver Daten sind zu unterstützen.94 Es bedarf insofern einer generellen Wertentscheidung des Gesetzgebers, wem die Nutzung eines Guts zustehen soll, das durch eine individuell zuordnungsbare eigene Leistung „ins Werk“ gesetzt wurde. Die Einschätzungsprärogative und der Ermessenspielraum des Gesetzgebers richten sich darauf, wirtschaftliche Nachteile des von ausbeutenden unmittelbaren Leistungsübernahmen Betroffenen abzuwenden und gleichzeitig „keine Monopole an grundsätzlich freizuhaltenden Gütern entstehen zu lassen.“95

VII. Kriterien zur Begründung eines Leistungsschutzes Weder im Unionsrecht noch im deutschen Recht existiert ein feststehendes Rechtsprinzip für die Zuweisung ausschließlicher Rechte an immateriellen Gütern. „Denn kein Gut, kein faktisches Merkmal wie sein Wert oder die Art seiner Hervorbringung sagen etwas darüber aus, wer in welcher Hinsicht allein befugt ist, über die Nutzung des betreffenden Gutes zu entscheiden.“96 Doch welche Kriterien sollen für den Gesetzgeber dann bei seiner Entscheidungsfindung maßgeblich sein? Bei der Bewertung der tatsächlichen Rechtsposition des Sportveranstalters ist an die objektiven Kriterien zu erinnern, die die Rechtsprechung des BGH zur Fallgruppe der ausbeutenden unmittelbaren Übernahme von Leistungsergebnissen nach § 1 UWG a.F. entwickelt hat.97 Für die Einschätzung der „Art und Weise“ einer Verletzungshandlung als per se unlauter müssen zunächst folgende Punkte vorliegen: (1) die unmittelbare und unveränderte Übernahme eines fremden Leistungsergebnisses, (2) der Einsatz beträchtlicher Arbeit und Kosten auf Seiten des Leistungserbringers, (3) kein Hinzutreten einer eigenen Leistung auf Seiten des Übernehmers, (4) die Übernahme und Ausbeutung der fremden Leistung zu eigenen Erwerbszwecken, (5) die systematische Übernahme der fremden Leistung zur Erlangung einer vorteilhaften Wettbewerbsposition, (6) die Zufügung eines Schadens durch den Überneh-

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Kur, GRUR Int 1998, 771 (774). Paal (Fn. 14), S. 37 und 100. 94 Kur, GRUR Int 2006, 725 (725). 95 Leistner, IIC 2005, 592 (593); Paal (Fn. 14), S. 88. 96 BGH, GRUR 1985, 1041 (1048) („Inkasso-Programm“). Dazu auch: Laier (Fn. 12), S. 149; Peukert (Fn. 4), S. 748; Paal (Fn. 14), S. 88 und 91. 97 Fezer, WRP 2012, 1321 (1326). 93

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mer und (7) der Verlust des im Allgemeininteresse liegenden Anreizes für die Weiterentwicklung der Leistungen auf Seiten des Leistungserbringers. Legt man diese Kriterien an die tatsächliche Ausgangsposition des Sportveranstalters an, kommt man zu folgendem Ergebnis: (1) Live-Streaming-Seiten und Internet-Portale sowie die Veranstalter von Online-Sportwetten übernehmen durch die unmittelbare und unveränderte öffentliche Wiedergabe oder öffentliche Zugänglichmachung der audiovisuellen Inhalte auf einem Server bzw. die öffentliche Nutzung und öffentliche Zugänglichmachung der Live-Daten eines sportlichen Wettbewerbs den Unterhaltungswert einer (Live-) Sportveranstaltung, für deren Ausrichtung (2) der Sportveranstalter beträchtliche organisatorische und finanzielle Mittel aufgewendet hat.98 Die unmittelbare Übernahme erfolgt (3) durch technische Vervielfältigungs- und Verbreitungstechniken ohne Hinzutreten einer eigenen Leistung auf Seiten der Betreiber von Live-Streaming-Seiten, Internet-Portalen oder der Veranstalter von Online-Sportwetten sowie (4) zu eigenen Erwerbszwecken (Einnahmen durch Werbung oder Abonnementsgebühren bzw. durch das Angebot von Wettmöglichkeiten). Die unmittelbaren Übernahmen erfolgen (5) systematisch, da ohne sie im Falle der Betreiber von Live-Streaming-Seiten und Internet-Portalen ein wichtiger attraktiver Sendeinhalt für das eigene Medienangebot fehlen würde. Im Fall der Veranstalter von Online-Sportwetten wäre ohne eine systematische Nutzung und Übernahme der Spieltagstabellen, Ansetzungslisten und Live-Daten von Sportveranstaltungen überhaupt keine wirtschaftliche Tätigkeit der Übernehmenden möglich. Durch die systematische Übernahme des Unterhaltungswerts einer Sportveranstaltung erlangen die Übernehmer99 eine vorteilhafte Wettbewerbsposition. Diese Praxis einer systematischen Übernahme hat für den Sportveranstalter (6) zur Folge, dass die Vermarktungspreise für die audiovisuelle Verwertung einer Sportveranstaltung sinken bzw. „null“ betragen können. Ihm wird zudem die Möglichkeit genommen, die Betreiber von Live-Streaming-Seiten und Internet-Portalen oder die Veranstalter von Online-Sportwetten an den Kosten für die Organisation und die Gewährleistung der Integrität einer Sportveranstaltung angemessen zu beteiligen.100 Für die Allgemein98 Vgl. F.A.Z. vom 16. 07. 2014, „Feiertag mit Schalalalala“, S. 32. Demnach sind z. B. die Dominanz und der Erfolg des deutschen Fußballs in der deutschen Sportlandschaft „die Frucht harter Arbeit“. Die Sportveranstalter müssen um die Gunst der Öffentlichkeit kämpfen. Der Markt für Sportveranstaltung wird durch die Nachfrage (= Interesse der Öffentlichkeit) bestimmt. 99 Die Betreiber von Live-Streaming-Seiten und Internet-Portalen erreichen dies dadurch, dass sie sich über die Nutzung des attraktiven Sendeinhalts von anderen Internet-Seiten unterscheiden, somit eine höhere Zahl an Nutzern auf ihre Seiten anlocken und wegen der häufigeren Frequentierung der Seite höhere Werbeeinnahmen generieren können. Die Veranstalter von Online-Sportwetten verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil, indem sie – z. B. zu Lasten der ehemaligen staatlichen Wettanbieter – durch die Übernahme von Live-Daten attraktivere Live-Wetten anbieten und somit höhere Umsätze erzielen können. An den Vorleistungen der Sportveranstalter beteiligen sich weder die Betreiber von Streaming-Seiten oder Internet-Portalen noch die Veranstalter von Online-Sportwetten. 100 Nemeczek, GRUR 2011, 292 (293): „Angesichts des Grundsatzes der Nachahmungsfreiheit besteht allerdings für den Nachahmenden [wegen seiner besseren Wettbewerbsposi-

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heit haben die systematischen Übernahmen zulasten der Sportveranstalter (7) zur Folge, dass Sportveranstalter aufgrund des Wegbrechens einer zusätzlichen Einnahmequelle die Investitionen in die Ausrichtung einer Sportveranstaltung einschränken müssen. Darunter leidet zum einen die Qualität des sportlichen Wettbewerbs und zum anderen verringern sich die finanziellen Spielräume der Sportveranstalter, um in die qualitative Weiterentwicklung und Vermarktung einer Sportveranstaltung zu investieren.

VIII. Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers Die Sportveranstalter befinden sich aufgrund der neuen technischen Vervielfältigungs- und Verbreitungsmöglichkeiten in einer Situation, in der die von ihnen erbrachten Leistungen (Sportveranstaltung) systematisch von unbefugten Dritten zu eigenen gewerblichen Zwecken und zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition unmittelbar und beinahe identisch ohne Aufwendung eigener Kosten übernommen werden. Es liegt ein typischer Fall der ausbeutenden, unmittelbaren Leistungsübernahme vor, wie ihn die Rechtsprechung für vergleichbare Fälle schon vor Jahrzehnten beschrieben hat. Da es bisher keine eindeutige Regelung für Fälle der unmittelbaren Leistungsübernahme gibt, bedarf es im Falle der Sportveranstalter einer Entscheidung durch den Gesetzgeber,101 denn eine vergleichbare wettbewerbliche Lage war bisher die klassische rechtliche Ausgangsposition für die Schaffung eines sondergesetzlichen Immaterialgüterrechts zugunsten der Betroffenen.102 Der Gesetzgeber muss entscheiden, welches von mehreren geeigneten Mitteln ihm im Spannungsverhältnis zwischen dem Investitionsschutz von Sportveranstaltern und der grundsätzlichen Wettbewerbsfreiheit zur Verfügung steht, um eine im Sinne der Allgemeinheit verhältnismäßige und angemessene Regelung zu finden, ohne den Wettbewerb auf den betroffenen Märkten spürbar zu beschränken.103 Letztlich darf der Schutz von Investitionen nur so weit gehen, wie auch das Schutzbedürfnis reicht.104 Der Aspekt des Investitionsschutzes reicht zur alleinigen Begründung eines sondergesetzlichen Schutzrechts nicht aus. Hinzutreten muss ein besonderes Interesse der Allgemeinheit an der Erbringung der zu schützenden Leistung. Den Immaterialgüterrechten kommt insofern eine „Vermittlungsfunktion“ zwischen den Interessen der Leistungserbringer am Schutz ihrer Leistung und den Interessen der Allgemeinheit am freien Zugang zu der Leistung zu.105

tion] grundsätzlich kein Bedürfnis, einen Vertrag abzuschließen, der das Leistungsergebnis, das von Sonderschutzrechten nicht erfasst ist, zum Gegenstand hat.“ 101 Neurauter, GRUR 2011, 691 (697). 102 Kur, GRUR 1990, 1 (15). 103 Ohly, GRUR 2007, 731 (735); Peukert (Fn. 4), S. 99 f.; Ehmann, GRUR Int 2009, 659 (661); Kainer (Fn. 21), S. 323 f. und 329; Heermann, GRUR 2015, 232 (233). 104 Ehmann, GRUR Int. 2009, 659 (661). 105 Vgl. Kainer (Fn. 21), S. 413.

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Die Einführung eines Leistungsschutzrechts auf EU-Ebene dürfte aufgrund der fehlenden Harmonisierung im Bereich der Urheberrechte schwer umzusetzen sein. Insofern ist vorrangig eine nationale Regelung im deutschen UrhG anzustreben. Der EuGH verwies in seiner QC Leisure/Karen Murphy-Entscheidung ausdrücklich darauf, dass der Unionsgesetzgeber eigentlich davon ausgegangen war, „dass die EU-Mitgliedstaaten von dieser Befugnis Gebrauch machen werden, da er im 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/36106 auf Ereignisse Bezug nimmt, die von einem Veranstalter organisiert werden, der kraft Gesetzes befugt ist, die Rechte an diesem Ereignis zu veräußern.“107 Dieser Auszug aus dem Urteil der Großen Kammer zeigt die grundlegende Auffassung des Gerichtshofs, dass eine mitgliedstaatliche Regelung, die einen sondergesetzlichen Schutz von Sportveranstaltungen vorsieht, nicht gegen EU-Recht verstößt und sogar erwünscht wäre. Man könnte die Formulierung und den Verweis auf die Richtlinie insoweit sogar als Gesetzgebungsauftrag interpretieren, der die Erforderlichkeit eines nationalen Schutzrechts für Sportveranstalter unterstreicht.108 Eine nationale Normierung eines Leistungsschutzes für Sportveranstalter könnte jedoch durch eine Regelung auf europäischer Ebene unterstützt werden. Hier ließe sich an die Vorschriften der bestehenden EU-Urheberrechts-RL anknüpfen. Im deutschen Recht kann ein Leistungsschutzrecht sui generis für Sportveranstalter im UrhG in den Abschnitt über „verwandte Schutzrechte“ in Form eines neuen § 87i UrhG aufgenommen werden. Sollte dies allein aus rechtssystematischen Gründen abgelehnt werden, käme auch hilfsweise eine Regelung des unmittelbaren Leistungsschutzes im UWG in Frage. 1. Artikel 2 Abs. 1 f) EU-Urheberrechts-RL (2001/29/EG) (neu) Die EU-Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten: f) für die Veranstalter kultureller und sportlicher Ereignisse in Bezug auf die Aufzeichnungen von Bild, Ton oder Daten der von ihnen organisierten Veranstaltungen.

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Erwägungsgrund 52 der AVMD-RL (2010/13/EU): „Ereignisse von ,erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung‘ im Sinne dieser Richtlinie sollten bestimmten Kriterien genügen, d. h. es sollten herausragende Ereignisse sein, die von Interesse für die breite Öffentlichkeit in der Union, einem bestimmten Mitgliedstaat oder in einem bedeutenden Teil eines Mitgliedstaats sind und die im Voraus von einem Veranstalter organisiert werden, der kraft Gesetzes befugt ist, die Rechte an diesem Ereignis zu veräußern.“ [Hervorhebung durch den Verfasser] 107 EuGH, Rs. C-403/08 und C-429/08 („FAPL u. a.“), Slg. 2011, I-9083, Rn. 103. 108 Vgl. Fezer, WRP 2012, 1173 (1174), der betont, dass die Ausführungen des EuGH zum Rechtscharakter von Sportereignissen nicht zwingend geboten waren und daher umso bemerkenswerter sind.

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2. Artikel 3 Abs. 2 EU-Urheberrechts-RL (neu) Die EU-Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass die nachstehend genannten Schutzgegenstände unabhängig vom Verbreitungsweg oder der Verbreitungstechnik in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind: e) für die Veranstalter kultureller und sportlicher Ereignisse in Bezug auf die Aufzeichnungen von Bild, Ton oder Daten der von ihnen organisierten Veranstaltungen.

3. Artikel 7 Abs. 2 Vermiet- und Verleih-RL (2006/115/EG) (neu) (1a) Die Mitgliedstaaten sehen für die Veranstalter kultureller und sportlicher Ereignisse das ausschließliche Recht vor, die Aufzeichnung von Bild, Ton oder Daten der von ihnen organisierten Veranstaltungen zu erlauben oder zu verbieten.

4. § 87i UrhG (neu) (1) Dem Veranstalter eines Sportereignisses (Sportveranstalter) steht das ausschließliche Recht zu, dieses Sportereignis und die durch den dargebotenen sportlichen Wettbewerb erzeugten Daten 1. auf Bild-, Ton- oder Datenträger aufzunehmen, 2. den Bild-, Ton- oder Datenträger, auf den das Sportereignis aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen und zu verbreiten, 3. die Bild- und Tonaufnahmen sowie die im Rahmen des Sportereignisses im Sinne des Absatz 1 am Veranstaltungsort aufgezeichneten Daten öffentlich wiederzugeben oder öffentlich zugänglich zu machen, sofern die jeweilige öffentliche Zugänglichmachung nicht ausschließlich der nachrichtlichen Berichterstattung dient, 4. die Bild- und Tonaufnahmen zu senden, es sei denn, dass das Sportereignis erlaubterweise auf Bild-, Ton- oder Datenträger aufgenommen worden oder öffentlich zugänglich gemacht worden ist, 5. die Bild- und Tonaufnahmen an jedem anderen Ort als dem Veranstaltungsort, durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen. (2) Dem Sportveranstalter ist eine angemessene Vergütung zu zahlen, wenn 1. das Sportereignis nach Absatz 1 Nr. 4 erlaubtermaßen gesendet oder sonst öffentlich wiedergegeben wird, 2. das Sportereignis oder die im Rahmen des Sportereignisses im Sinne des Absatz 1 am Veranstaltungsort aufgezeichneten Daten mittels Bild-, Ton- oder Datenträger oder andere technische Mittel öffentlich zugänglich gemacht werden, 3. die Sendung oder die auf öffentlicher Zugänglichmachung beruhende Wiedergabe des Sportereignisses öffentlich wahrnehmbar gemacht wird,

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4. die im Rahmen eines Sportereignisses am Veranstaltungsort aufgezeichneten Daten von Dritten unmittelbar oder mittelbar zu gewerblichen Zwecken genutzt werden. Davon ausgenommen sind Nutzungen zu rein nachrichtlichen Zwecken. (3) Das Recht ist übertragbar. Die §§ 10 Abs. 1, 31 sowie die §§ 33 und 38 UrhG gelten entsprechend. (4) Die in Abs. 1 bezeichneten Rechte des Sportveranstalters erlöschen 50 Jahre nach der ersten öffentliche Wiedergabe der Aufzeichnung eines Sportereignisses oder, wenn deren erste erlaubte Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe früher erfolgt ist, 50 Jahre nach dieser, soweit durch Vertrag nicht ausdrücklich eine andere Dauer vereinbart ist. Die Rechte erlöschen bereits 50 Jahre nach dem Sportereignis, wenn eine Aufzeichnung innerhalb dieser Frist nicht erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden ist. Die Fristen sind nach § 69 zu berechnen.

5. § 4 Nr. 12 UWG (neu)109 Unlauter handelt insbesondere, wer Nr. 12 ohne vorherige Genehmigung und aus wettbewerblichen oder eigenen gewerblichen Zwecken ein fremdes, von einer anderen Person geschaffenes Leistungsergebnis, für dessen Erbringung beträchtliche Mittel an Arbeit und Kosten eingesetzt wurden, mittels technischer Vervielfältigungs- oder Verbreitungsmittel und unter Aufwendung keiner oder geringer eigener Kosten in systematischer Art und Weise unmittelbar übernimmt und verwertet. Der ursprüngliche Leistungserbringer kann, sofern sich aus den Vorschriften des UrhG nichts anderes ergibt, den unmittelbaren Übernehmer auf Beseitigung und Unterlassung gemäß § 8 oder, bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit, auf Schadensersatz gemäß § 9 in Anspruch nehmen.

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Aufbauend auf Köhler, WRP 1999, 1075 (1081).

Die Anfechtung eines Schiedsspruchs des CAS wegen der vorschriftswidrigen Zusammensetzung des Schiedsgerichts Johannes Wittmann I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorschriftswidrige Zusammensetzung des Schiedsgerichts (Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Regelungen zur Besetzung des Schiedsgerichts im IPRG . . . . . . . . . . . . . . . a) Ablehnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfechtbare Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verstoß des Schiedsrichters gegen Anforderungen der Parteien . . . . . . . . . . . . . . 4. Fehlende Unabhängigkeit im Sinne von Art. 180 Abs. 2 lit. c IPRG . . . . . . . . . . 5. Fehlende Unabhängigkeit des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unabhängigkeit des Schiedsgerichts vom IOC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Problematik der geschlossenen Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Verfahren zur Auswahl des Vorsitzenden des Schiedsgerichts . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Unabhängigkeit der Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Anforderungen an die Unabhängigkeit eines Schiedsrichters in der Sportgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendbarkeit der IBA–Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Strengere Anforderungen an die Unabhängigkeit für den Vorsitzenden des Schiedsgerichts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Problematik der fehlenden Mitwirkung eines Schiedsrichters im Rahmen von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Der „Court of Arbitration for Sport“ (CAS) gilt bei Streitigkeiten im internationalen Sportrecht als die letzte Instanz der Sportgerichtsbarkeit.1 Er hat seinen Sitz in

1 So sieht beispielsweise Art. 13 des World Anti Doping Code (WADC) vor, dass der CAS die letzte Instanz bei gerichtlichen Verfahren über Dopingsperren bilden soll. Eine aktuelle Version des WADC ist abrufbar unter http://www.wada-ama.org/Documents/World_AntiDoping_Program/WADP-The-Code/WADA_Anti-Doping_CODE_2009_EN.pdf.

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Lausanne und ist als Schiedsgericht nach schweizerischem Recht ausgestaltet.2 Zahlreiche Anmeldeformulare zu internationalen Sportwettbewerben (sog. „Entry Forms“) und die Statuten der internationalen Sportverbände beinhalten deshalb Schiedsklauseln, die anstatt der ordentlichen Gerichtsbarkeit Schiedsverfahren mit dem CAS als letzter Instanz vorsehen.3 Athleten, Vereine und Verbände müssen daher bei Streitigkeiten im Sport in den allermeisten Fällen den Weg über den CAS wählen und können nicht vor einem ordentlichen Gericht Klage erheben. Das System der Sportschiedsgerichtsbarkeit des CAS steht aber in jüngster Zeit vermehrt in der öffentlichen Kritik. Das Oberlandesgericht (OLG) München hat beispielsweise in dem medial viel beachteten Prozess von Claudia Pechstein gegen den Internationalen Eisschnelllaufverband (ISU) entschieden, dass die derzeitige Ausgestaltung des Schiedsverfahrens ein „Missbrauch von Marktmacht“ der Sportverbände darstelle, da die Verbände zu viel Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts hätten.4 Grundsätzlich muss ein Schiedsspruch des CAS aber nicht das „letzte Wort“ im sportgerichtlichen Verfahren bedeuten. Das schweizerische Recht sieht vor, dass das Bundesgericht den Schiedsspruch nochmals – wenn auch in geringem Umfang – überprüfen kann.5 Je nachdem, ob es sich um ein internationales oder ein nationales Schiedsverfahren handelt, sehen Art. 190 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) bzw. Art. 393 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (CHZPO) verschiedene Fallkonstellationen vor, in denen ein ordentliches Gericht einen Schiedsspruch aufheben darf. Dabei ist es beispielsweise möglich, den Schiedsspruch wegen der fehlerhaften Besetzung des Schiedsgerichts durch die ordentliche Gerichtsbarkeit aufheben zu lassen. Gerade die Besetzung des Schiedsgerichts gab seit Gründung des CAS Anlass zu Diskussionen, da immer wieder geltend gemacht wurde, dass der CAS dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und den Verbänden zu nahe stehen würde.6 Im Folgenden wird der Aufhebungsgrund der vorschriftswidrigen Zusammenset2 Grundlegend hierzu Schweizerisches Bundesgericht, Entscheidung vom 27. 03. 2003, Az.: 4P.267/2014 = BGE III 129, 445 = SpuRt 2004, 38 m. Anm. Oschütz; für die Literatur z. B. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Tübingen 2003, S. 497; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, München 2006, S. 381. 3 Eingehend zu der Thematik, welche formalen Anforderungen an eine Schiedsvereinbarung zu stellen sind, äußert sich Adolphsen (Fn. 2), S. 550 f. 4 OLG München, Urteil vom 15. 01. 2015, Az. U 1110/14 Kart, Rn 90 – juris = SpuRt 2015, S. 78 ff.; in diesem Verfahren klagte Claudia Pechstein auf Schadensersatz u. a. gegen die ISU, da ihre Dopingsperre im Jahr 2010 rechtswidrig gewesen sei und zudem ihr schiedsgerichtliches Verfahren vor dem CAS über die Rechtmäßigkeit der Sperre nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt habe. 5 Vgl. eingehend zu den Rechtsmitteln gegen Schiedssprüche des CAS die Dissertation des Verfassers, „Schiedssprüche des Court of Arbitration for Sport vor schweizerischen und deutschen ordentlichen Gerichten“, München 2015, im Erscheinen. 6 Schon 1993 wurde geltend gemacht, dass der CAS den Sportverbänden zu nahe stünde, vgl. die sog. „Gundel“-Entscheidung, BGE 119 II 271 = ASA Bulletin 1993, S. 398.

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zung des Schiedsgerichts erläutert. Da die allermeisten Verfahren vor dem CAS internationale Schiedsverfahren darstellen, beschränken sich die Ausführungen auf Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG.

II. Vorschriftswidrige Zusammensetzung des Schiedsgerichts (Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG)7 Gemäß dem Wortlaut von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG kann ein Schiedsspruch aufgehoben werden, wenn das Schiedsgericht vorschriftswidrig zusammengesetzt wurde. Dieser Aufhebungsgrund ist eine Ausprägung des Rechts auf den gesetz-lichen Richter, welches aus Art. 29, 30 BV (Schweizerische Bundesver-fassung)8 und Art. 6 Abs. 1 EMRK abgeleitet wird.9 Demnach soll das Schiedsgericht bzw. der Einzelschiedsrichter den vereinbarten Regelungen oder – bei Fehlen einer Vereinbarung zwischen den Parteien – den gesetzlichen Vorschriften entsprechen.10 Da Schiedsentscheide die gleiche Wirkung wie die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit haben, muss im Hinblick auf Art. 30 BV eine vergleichbare Qualität wie bei einem staatlichen Urteil gewährleistet sein.11 1. Allgemeines Grundsätzlich kann die vorschriftswidrige Zusammensetzung sowohl struktureller als auch punktueller Natur sein.12 Sie kann bereits aus der Schiedsvereinbarung hervorgehen, erst bei der Ernennung auftreten oder später im Laufe des Schiedsverfahrens oder bei der Beratung und Beschlussfassung eintreten.13 Das Bundesgericht hat insoweit aber auch entschieden, dass nur das „Schiedsgericht“ von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG betroffen ist, welches den angefochtenen Entscheid auch tatsächlich gefällt hat, d. h. wird die fehlerhafte Zusammensetzung vorher geheilt, entfällt dieser Rügegrund.14 Anders ist dies zu beurteilen, wenn das ursprünglich vorschriftswidrig besetzte Gericht bereits für das neubesetzte Schiedsgericht bindende und nicht anfechtbare Vor- oder Zwi-schenentscheide erlassen hat, die nur zusammen 7

Die folgenden Ausführungen finden sich auch als Kapitel in der Dissertation des Verfassers, „Schiedssprüche des Court of Arbitration for Sport vor schweizerischen und deutschen ordentlichen Gerichten“, München 2015, im Erscheinen. 8 Im Folgenden wird die Abkürzung BV verwendet. 9 Berti/Schnyder, in: Basler Kommentar zum IPRG, 2. Aufl., Basel 2007, Art. 190, Rn. 25. 10 BGE 118 II 359, 361. 11 BGE 119 II 271, 275 m. w. N. zur Rechtsprechung des Bundesgerichts. 12 Berti/Schnyder (Fn. 9), Art. 190, Rn. 26. 13 Jermini, Die Anfechtung der Schiedssprüche im internationalen Privatrecht, Zürich 1997, Rn. 275. 14 BGE 118 II 359, 360.

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mit dem Endentscheid angefochten werden können. Dann ist ausnahmsweise die Rüge der ursprünglich vorschriftswidrigen Zusammensetzung über Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG möglich.15 Letztlich geht es bei diesem Anfechtungsgrund auch um die Frage, ob überhaupt ein „echtes“ Schiedsgericht im Sinne des IPRG vorliegt oder ob der Einfluss einer Partei auf die Besetzung des Schiedsgerichts so groß ist, dass man vielmehr von einem Verbandsgericht sprechen müsste. 2. Die Regelungen zur Besetzung des Schiedsgerichts im IPRG Regelungen zur Besetzung eines Schiedsgerichts finden sich in Art. 179 und 180 IPRG. Die Frage, wann ein Schiedsgericht vorschriftswidrig besetzt ist, regelt Art. 180 Abs. 1 lit. a–c IPRG. Darin sind mögliche Gründe gesetzlich festgelegt, aus denen man einen Schiedsrichter ablehnen kann.16 Die Parteien können selbst vereinbaren, welche Voraussetzungen an einen Schiedsrichter zu stellen sind. Deshalb kann der Schiedsrichter entweder den direkt in der Schiedsklausel unter den Parteien vereinbarten Anforderungen (Art. 180 Abs. 1 lit. a IPRG) oder den Vorgaben der Verfahrensordnung eines institutionellen Schiedsgerichts (Art. 180 Abs. 1 lit. b IPRG) nicht genügen. Darüber hinaus gibt es noch den gesetzlichen Ablehnungsgrund des Art. 180 Abs. 1 lit. c IPRG, dem zufolge ein Schiedsrichter wegen fehlender Unabhängigkeit abgelehnt werden kann.17 a) Ablehnungsverfahren Liegt ein Ablehnungsgrund gegen einen Schiedsrichter vor, so bedarf es zunächst eines Ablehnungsgesuchs gem. Art. 179, Art. 180 IPRG. Wird ein solches nicht gestellt, hat man sein Rügerecht aus Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG verwirkt und kann die Mängel nicht mehr im Aufhebungsverfahren geltend machen. Dies resultiert aus dem Prinzip der Prozessökonomie, das auch den Grundsatz beinhaltet, gerichtsorganisatorische Fragen so früh wie möglich zu klären, bevor das Verfahren fortgesetzt wird.18 Ein durchgeführtes Ablehnungsverfahren endet häufig mit einem Zwischenentscheid des Schiedsgerichts. Diesen muss man aufgrund obiger Argumentation gesondert zum Bundesgericht anfechten und darf nicht abwarten, bis ein Endentscheid gefällt wurde.19 Die Verwirkung tritt nicht erst dann ein, wenn eine Partei tatsächlich Kenntnis vom Ablehnungsgrund hat. Vielmehr bestehen für die Prozessteilnehmer 15

Jermini (Fn. 15), Rn. 278. Berti/Schnyder (Fn. 9), Art. 190, Rn. 28. 17 Vgl. hierzu auch Peter/Besson, in: Basler Kommentar zum IPRG, 2. Aufl., Basel 2007, Art. 180, Rn. 7 ff. 18 BGE 130 III 66, 75 m. w. N. 19 Schnyder, Causa Sport 2005, 355. 16

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gewisse Nachforschungspflichten. Gut illustriert dies die Anfechtungsklage eines belgischen Mountainbike-Fahrers mit Lizenz des belgischen Radsport-verbandes (RLVB) gegen die durch den CAS bestätigte Dopingsperre des Internationalen Radsportverbandes (UCI).20 Der Radsportler rügte in seiner Klage vor dem Bundesgericht die fehlende Unabhängigkeit eines Schiedsrichters, obwohl er dies im Verfahren vor dem CAS noch unterlassen hatte. Er machte geltend, dass es zwar während des Prozesses bereits gewisse Verdachtsmomente gegeben habe, er aber erst im Nachgang zum Verfahren Kenntnis erlangt habe, dass einer der Schiedsrichter schon mehrfach für den UCI als Schiedsrichter in gleich gelagerten Fällen tätig gewesen sei. In der Verhandlung vor dem CAS hatte der Schiedsrichter dies verschwiegen, es wurde seitens des Radsportlers aber auch nicht danach gefragt. Das Bundesgericht wies die Anfechtungsklage ab und stellte heraus, dass bereits bei Verdacht bezüglich des Vorliegens von Ablehnungsgründen eine gewisse „Pflicht zur Neugierde“ für die Parteien bestehe. Es bestehe dann eine Nachforschungspflicht, z. B. durch gezieltes Nachfragen, inwieweit diese Verdachtsmomente zuträfen. Im Umkehrschluss lässt sich aus dieser Rechtsprechung ableiten, dass nach Ansicht des Bundesgerichts der Schiedsrichter selbst keine Aufklärungspflicht über mögliche Ablehnungsgründe hat, sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese den Parteien nicht bekannt sind. b) Anfechtbare Entscheidungen Die Anfechtungsklage gem. Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG ermöglicht nur die Anfechtung von Entscheidungen des Schiedsgerichts selbst.21 Dies ist vor allem für institutionelle Schiedsgerichte wie den CAS bedeutsam: Dort entscheidet häufig nicht das Schiedsgericht über seine Zusammensetzung, sondern ein Organ der Schiedsgerichtsinstitution. Beispielsweise bestimmt der jeweilige Kammerpräsident des CAS den vorsitzenden Richter des Schiedsgerichts, vgl. Art. R40.2 und R53 f CAS-Code. Solche Entscheidungen sind nach dem Wortlaut von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG aber nicht direkt mit der Anfechtungsklage anfechtbar.22 Ebenso verhält es sich mit Entscheidungen des International Council of Arbitration for Sport (ICAS), der Trägergesellschaft des CAS, der gem. R34 CAS-Code über Ablehnungsgesuche im Sinne der Art. 179, 180 IPRG entscheidet. Diese Entscheidung kann nach dem Wortlaut von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG ebenfalls nicht direkt zum Bundesgericht angefochten werden.23 Dennoch gibt es in der Literatur Stimmen, die eine direkte Anfechtbarkeit solcher Entscheidungen vor dem Bundesgericht fordern. Aufgrund des auch im Schiedsverfahren geltenden Rechtsstaatsprinzips müsse es die Möglichkeit geben, 20

BG Urt. v. 09. 10. 2012, 4 A_110/2012 = SpuRt 2013, 23 ff. Kaufmann-Kohler/Rigozzi, Arbitrage international – Droit et pratique à la lumière de la LDIP, 2. Aufl., Bern, Rn. 807, m. w. N. 22 Rigozzi, L’arbitrage international en matière de sport, Basel 2005, Rn. 1359. 23 Krit. hierzu Berti/Schnyder (Fn. 9), Art. 190, Rn 29. 21

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Schiedsspruch und -verfahren auf ihre rechtsstaatliche Unbedenklichkeit zu überprüfen, wozu die Unparteilichkeit eines Schiedsrichters gehöre. Deshalb könne eine unrichtige Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch nicht ohne Korrekturmöglichkeit bleiben, nur weil sie von einer privaten Schiedsinstitution und nicht vom Schiedsgericht selbst getroffen worden sei.24 Diese Bedenken wurden letztlich vom Bundesgericht gehört. Es hat deshalb festgehalten, dass eine Entscheidung einer Schiedsorganisation inzident mit der Anfechtungsklage gegen den (End-)Schiedsentscheid angefochten werden kann und dort nochmals die Unabhängigkeit des Schiedsgerichts überprüft wird.25 Dies wurde für Entscheidungen des ICAS nochmals explizit bestätigt.26 3. Verstoß des Schiedsrichters gegen Anforderungen der Parteien Wie bereits erwähnt, führt das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes gem. Art. 180 IPRG zu einem Mangel im Sinne des Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG. Der erste der beiden Ablehnungsgründe richtet sich danach, welche individuellen Vereinbarungen die Parteien über die Anforderungen an die Schiedsrichter getroffen haben (Art. 180 Abs. 1 lit. a IPRG). Der zweite betrifft den Fall, dass sie sich einer Schiedsordnung unterworfen haben, und richtet sich danach, welche Anforderungen diese an die Schiedsrichter stellt. „Vorschriftswidrig“ bedeutet, dass die Parteien oder die Schiedsinstitution die von ihnen gesetzten Regeln nicht beachtet haben.27 Jedoch muss nicht zwingend jede Missachtung der Anforderungen an einen Schiedsrichter eine Ablehnung nach sich ziehen. Entscheidend ist, ob die Regelungen, die missachtet wurden, die Rechtsstaatlichkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens betreffen.28 Art. 180 Abs. 1 lit. a und b IPRG sind diesbezüglich im Rahmen von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG eingeschränkt anzuwenden. In Verfahren vor dem CAS gilt als spezifische Voraussetzung für die Schiedsrichter, dass sie aus einer geschlossenen Schiedsrichterliste ausgewählt werden müssen.29 Dieses System ist nicht unumstritten, da gerade die Athleten faktisch wenig Einfluss

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Vgl. Walter/Bosch/Brönnimann, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Kommentar zu Kapitel 12 des IPR-Gesetzes, Bern 1991, S. 112 f. 25 Vgl. BGE 118 III 359, 361; Poudret/Besson, Comparative law of international arbitration, 2. Aufl., London/Zürich 2007, Rn. 791. 26 Vgl. BGE 136 III 605. 27 Briner Die Anfechtung und Vollstreckung des Schiedsentscheids, in: Böckstiegel, (Hrsg.), Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz (II), Das neue Recht ab 1. Januar 1989, Köln 1989, S. 104. 28 BG Urt. vom 30. 06. 1994, ASA Bulletin 1997, 99, 103 f.; vgl. auch Rigozzi, (Fn. 22), Rn. 1356. 29 Dieses Konzept ist in Art. R38, R39, R48 und R55 CAS-Code festgehalten.

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auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste haben.30 Es sagt jedoch nichts über die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit eines Schiedsrichters aus, wenn er nicht auf dieser geschlossenen Schiedsrichterliste steht. Ebenso führt eine Abweichung von der geschlossenen Schiedsrichterliste nicht dazu, dass das Verfahren nicht mehr den rechtsstaatlichen Anforderungen entspricht. Deshalb wäre es theoretisch durchaus denkbar, dass der CAS mit Schiedsrichtern, die nicht auf der geschlossen Liste stehen, entscheidet, ohne dass zugleich dieser Schiedsentscheid gem. Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG aufgehoben werden muss. Des Weiteren werden oft durch die Statuten der Sportverbände, die mittels Verweisung Bestandteil der Schiedsvereinbarung werden, gewisse Anforderungen an die Schiedsrichter gestellt. So hat die UEFA in Art. 61 und 62 ihres Statuts festgelegt, dass ein Schiedsrichter in Verfahren mit Beteiligung der UEFA seinen Wohnsitz in Europa haben muss. Erfüllt ein Schiedsrichter diese Voraussetzung nicht und nimmt dennoch an der Verhandlung teil, so verstößt dies zwar gegen die Statuten der UEFA, führt aber nach obiger Rechtsprechung nicht zu einer Aufhebung gem. Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG, da der Wohnsitz eines Schiedsrichters nichts über die rechtsstaatliche Qualität eines Schiedsverfahrens aussagt.31 4. Fehlende Unabhängigkeit im Sinne von Art. 180 Abs. 2 lit. c IPRG Über die Anforderungen hinaus, die die Parteien bestimmt haben, verlangt der Gesetzgeber, dass ein Schiedsrichter bzw. das ganze Schiedsgericht unabhängig sein muss (Art. 180 Abs. 2 lit. c IPRG). Zunächst ist zu untersuchen, was sich hinter dem Begriff der „Unabhängigkeit“ in Art. 180 Abs. 2 lit. c IPRG verbirgt. Dabei geht es um die Problematik, ob man den Begriff relativ eng auslegen will oder ob man durch eine etwas weitere Interpretation vom Schiedsrichter nicht nur Unabhängigkeit, sondern auch Unparteilichkeit erwartet. Teile der Literatur bevorzugen es, nahe am Wortlaut der Vorschrift zu bleiben, und gehen davon aus, dass nur die fehlende Unabhängigkeit zu einer vorschriftswidrigen Besetzung führt. Ihrer Meinung nach ist die Unabhängigkeit eine Gesamtheit von objektiven Umständen, die den Schiedsrichter autonom erscheinen lassen.32 Es 30 Zur Problematik der geschlossen Schiedsrichterliste im Rahmen der Unabhängigkeit des Schiedsgerichts als Institution später mehr. 31 Vgl. zu dem Ganzen auch Rigozzi (Fn. 22), Rn. 1356. 32 Blessing, Das neue internationale Schiedsgerichtsrecht der Schweiz – Ein Fortschritt oder ein Rückschritt?, in: Böckstiegel (Hrsg.), Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz (II), Köln, Berlin, München, Bonn 1989, S. 47; Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit – Die Schiedsverfahren des Tribunal Arbitral du Sport vor dem Hintergrund des schweizerischen und deutschen Schiedsverfahrensrechts, Berlin 2005, S. 125 ff.; Vischer, in: Züricher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl., Zürich 2004, Art. 180 Rn. 8; Unentschlossen Bucher, Die

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wird dabei stillschweigend davon ausgegangen, dass sich die Begriffe Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eindeutig voneinander abgrenzen lassen.33 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist dies aber gerade nicht möglich. Eine gewisse objektive Abhängigkeit eines Schiedsrichters führt auch dazu, dass er in seiner Entscheidungsfindung nicht mehr unbefangen, d. h. unparteiisch, sein kann.34 Diese Argumentation überzeugt, weshalb im Folgenden beide Begriffe als gemeinsames Konzept betrachtet werden sollen. Da gerade im Bereich des Sportrechts nicht immer nur die Unabhängigkeit einzelner Schiedsrichter zur Diskussion steht, sondern auch die Unabhängigkeit des CAS selbst, wird zunächst untersucht, welche Probleme sich bezüglich der Unabhängigkeit des gesamten Schiedsgerichts stellen. Anschließend werden die Anforderungen an die Besetzung der einzelnen Schiedsrichter im Lichte von Art. 190 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 180 Abs. 2 lit. c IPRG betrachtet. 5. Fehlende Unabhängigkeit des Schiedsgerichts Es ist umstritten, ob der CAS ein unabhängiges Schiedsgericht darstellt. Immer wieder gibt es Stimmen von Seiten der Athleten, die einen zu großen Einfluss der Sportverbände auf die Rechtsprechung des CAS monieren.35 Im Folgenden soll zunächst auf die institutionelle Unabhängigkeit des CAS eingegangen werden, um danach die Besetzungsmodalitäten genauer zu betrachten. a) Unabhängigkeit des Schiedsgerichts vom IOC Ein Schiedsgericht kann nur dann als unabhängig und als „echtes“ Schiedsgericht bezeichnet werden, wenn es nicht zu stark von einem Träger finanziert wird, der selbst regelmäßig als Partei vor dem Gericht auftritt.36 In der Anfangszeit des CAS wurde häufig kritisiert, dass das IOC zu starken Einfluss auf dessen Rechtsprechung habe. Beanstandet wurde etwa, dass der CAS dem IOC zu Beginn formal unterstellt gewesen sei, z. B. bezüglich der Änderung der Verfahrensregeln oder im Hinblick auf die Finanzierung der Arbeit des Gerichts.

neue internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Basel 1989, Rn. 168 f.; Lalive/ Poudret/Reymond, Le droit de l’arbitrage interne et international en Suisse, Lausanne 1989, Art. 180 Rn. 4. 33 Jermini (Fn. 15), Rn. 314. 34 BGE 136 III 605, 611 ff. 35 Vgl. FAZ vom 29. 10. 2013, „Großer Unterstützerkreis für Pechstein“, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/pechstein-resolution-grosser-unterstuet-zerkreisfuer-pechstein-12639824.html. 36 Vgl. z. B. BGE 119 II 271.

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Im Fall Gundel gegen den FEI (Internationaler Reitsportverband) hat das Bundesgericht dann entschieden, dass zumindest in Verfahren ohne Beteiligung des IOC ein echtes, unabhängiges Schiedsverfahren vor dem CAS geführt werden kann.37 Der Kläger, ein deutscher Reitsportler, hatte bemängelt, dass die gegnerische Partei, der Weltreitverband, ein faktisches Übergewicht bei der Schiedsrichterbestellung habe. Schließlich entscheide sie über die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste des CAS, aus der gemäß dem CAS-Code zwingend ein Schiedsrichter ausgewählt werden müsse. Dem ist das Bundesgericht entgegengetreten und hat ausgeführt, dass der jeweils beklagte Einzelverband nur eine geringe Anzahl von Schiedsrichtern auf der Liste selbst nominieren könne und somit eine echte Auswahlmöglichkeit für den Athleten bestehe.38 Zudem besitze der Athlet in jedem Falle auch eine Möglichkeit, den von der Gegenseite benannten Schiedsrichter abzulehnen, was auch zur Sicherung der institutionellen Unabhängigkeit beitrage.39 Da das Bundesgericht aber Zweifel aufwarf, ob dies auch in Verfahren mit Beteiligung des IOC gelte,40 hat man 1994 den CAS grundlegend reformiert und neu organisiert.41 Schließlich sollte der CAS in Zukunft bei Olympischen Spielen mit einer „Ad-hoc-Division“, d. h. einem Ad-hoc-Schiedsgericht, Streitigkeiten z. B. hinsichtlich Regelauslegung oder Dopingvergehen lösen. In dieser Situation wäre das IOC aber in jedem Fall eine Partei des Verfahrens. Deshalb gründete man eine Stiftung (die ICAS), deren Mitglieder sich aus allen am CAS interessierten Kreisen (Sportler, Verbände, IOC) zusammensetzen sollten, die von nun an die Trägerschaft für den CAS übernahm.42 Der ICAS entscheidet seitdem exklusiv über die Abänderung der Schiedsordnung oder die Ablehnung oder Abberufung von Schiedsrichtern. Er besteht gem. Art. S4 CAS-Code aus zwanzig erfahrenen Juristen. Diese werden zu je einem Fünftel von den am Sport beteiligten Kreisen nominiert. Demnach dürfen das IOC, die internationalen Sportverbände, die nationalen Olympischen Komitees und die Athleten jeweils vier Schiedsrichter nominieren. Darüber hinaus werden vier weitere Mitglieder vom ICAS selbst nominiert, die unabhängig von etwaigen Ver-

37 BGE 119 II 271, 279: Das Bundesgericht hatte in der Entscheidung die Ansicht der Gründungsväter geteilt, dass es sich um ein echtes Schiedsgericht handelte („Un tel avis peut être partagé“), wenn auch „nicht ohne ein gewisses Zögern“ („non sans hésitation du reste“). 38 BGE 119 II 271, 279. 39 BGE 119 II 271, 280. 40 BGE 119 II 271, 279: Das Bundesgericht hatte die Frage, ob der CAS ein Schiedsgericht darstellt, explizit nur für den Fall entschieden, dass das IOC nicht Partei im Verfahren ist („en tant du moins qu’il a trait aux procédures conduites devant le TAS dans lesquelles le CIO n’apparaît pas comme partie“ – „zumindest dann, wenn es sich um Verfahren handelt, in denen das IOC nicht als Partei auftritt“). 41 Ausführlich zur damaligen Reform vgl. Reeb, in: ders. (Hrsg.), Recueil du TAS I, S. XVIII ff. 42 Vgl. hierzu Adolphsen (Fn. 2), S. 492.

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bänden oder Athletenvertretungen sein sollen. Die Aufsicht über die Schiedsverfahren durch das IOC sollte dadurch beseitigt werden.43 Diese Strukturreform war sicherlich ausschlaggebend dafür, dass 2003 das Bundesgericht klarstellte, dass der CAS bei Beteiligung des IOC am Rechtsstreit ebenfalls die notwendige Unabhängigkeit besitze.44 Im damals anhängigen Verfahren versuchten die russischen Langläuferinnen Danilova und Latsutina mit einer Anfechtungsklage, gestützt auf Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG, gegen ein Urteil des CAS vorzugehen, mit dem dieser eine Dopingsperre bestätigte, die vom IOC und dem internationalen Skiverband (FIS) verhängt worden war. Das Bundesgericht setzte sich in dieser Entscheidung mit den Hauptargumenten auseinander, die weiterhin gegen die institutionelle Unabhängigkeit des CAS vorgebracht wurden. So wurde insbesondere auf eine mögliche faktische Kontrolle durch das IOC und die einseitige Finanzierung durch die Sportorganisationen eingegangen. Man kam zu dem Schluss, dass durch die 1994 geschaffene neue Trägerschaft durch den ICAS nicht mehr von einer zu starken Beeinflussung seitens des IOC ausgegangen werden könne. Durch die Zusammensetzung der Mitglieder aus den verschiedenen Interessenkreisen sei keine Kontrolle mehr für das IOC gegeben. Der ICAS sei in seinen Entscheidungen unabhängig und könne zudem auch keinen Einfluss auf das laufende Schiedsverfahren ausüben, außer durch die Entscheidung über Schiedsrichterablehnungen gem. Art. R34 Abs. 2 CAS-Code. Es gebe also für die Parteien ausreichend Möglichkeiten, ein faires und unabhängiges Verfahren vor dem CAS zu bestreiten.45 Das Bundesgericht setzte sich auch mit der Frage auseinander, wie sich das Finanzierungsverfahren des ICAS auf die Unabhängigkeit des CAS auswirkt. Ein Teil der Einnahmen, die den internationalen Verbänden der olympischen Sportarten aus der Verwertung der medialen Rechte an den Olympischen Spielen zustehen, fließt direkt vom IOC an die Stiftung.46 Das Gericht stufte diese Praxis als sinnvoll ein, da sie eine ausreichende Finanzierung sicherstelle.47 Dennoch wird weiterhin Kritik geübt. Durch das derzeitige Finanzierungssystem bestehe weiterhin eine faktische Abhängigkeit vom IOC. Deshalb solle dieses Verfahren abgeschafft und stattdessen über eine Erhöhung der Gebühren eine neue Finanzierungsmöglichkeit geschaffen werden.48 Dies ist jedoch abzulehnen. Das Bundesgericht hat zutreffend ausgeführt, dass durch die Finanzierung durch die Verbände gleichzeitig eine Entlastung für die Ath43 Hierzu auch Mbayé, in: Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS I, S. XI; Oschütz (Fn. 32), Berlin 2005, S. 99 f. 44 BGE 129 III 445 = SpuRt 2004, S. 38 m. Anm. Oschütz. 45 BGE a.a.O. 46 Oschütz (Fn. 32), S. 103; Martens, SchiedsVZ 2004, 203. 47 BGE 129 III 445, 460 f. 48 Downie, Melbourne Journal of International Law, vol. 12, 22 f.

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leten hinsichtlich der Verfahrenskosten geschaffen wird.49 Der einzelne Sportler besitzt im Rechtsstreit häufig die geringeren finanziellen Mittel als eine Sportorganisation. Da die Verfahrenskosten (Kosten für die Schiedsrichter und für die etwaige anwaltliche Vertretung) schon hoch genug sind, erscheint es nicht sinnvoll, durch eine deutliche Erhöhung der Gerichtskosten eine zusätzliche finanzielle Belastung für den Athleten zu schaffen. Zudem führt das Bundesgericht zu Recht aus, dass die Form der Finanzierung noch nichts über die Unabhängigkeit eines Gerichts aussagt, da ansonsten alle ordentlichen Gerichte in Streitigkeiten mit Beteiligung des Staates ebenfalls als nicht unabhängig gelten müssten, da dieser ebenfalls für ihre Finanzierung sorgt.50 b) Die Problematik der geschlossenen Liste Neben der behaupteten Abhängigkeit vom IOC wird zudem immer wieder das System der geschlossenen Schiedsrichterliste kritisiert.51 Es wurde argumentiert, dass die Verbände bei der Erstellung der Liste über ein starkes Übergewicht im Vergleich zu den Athleten verfügen, weshalb keine unabhängige Besetzung der Schiedsrichterliste möglich sei.52 Demgegenüber wird von den Befürwortern argumentiert, dass es mittlerweile eine große Auswahl an Schiedsrichtern gebe53 (derzeit befinden sich ca. 300 Schiedsrichter auf der Liste54) und die beschränkte Zulassung auch der Qualitätssicherung der Entscheidungen des CAS diene.55 Im Fall „Latsutina/Danilova“ musste sich auch das Bundesgericht mit der geschlossenen Schiedsrichterliste auseinandersetzen. Es hielt fest, dass die Anzahl der Schiedsrichter auf der Liste zu einer echten Auswahlmöglichkeit der Parteien führe und dass das Besetzungsverfahren nicht durch einen übermäßigen Einfluss des IOC geprägt sei.56 Durch diese Entscheidung wurde auch das letzte Argument, das immer wieder gegen die Anerkennung des CAS als echtes Schiedsgericht vorgebracht wurde, vom Bundesgericht behandelt und abgelehnt.

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BGE 129 III 445, 461. BGE 129 III 445, 461. 51 Vgl. die Darstellung des Streits bei Netzle, in: Röhricht, Sportgerichtsbarkeit, Stuttgart 1997, S. 12; kritisch äußerten sich auch Oschütz (Fn. 32), S. 419 f; Adolphsen (Fn. 2), S. 493 und 497. 52 Heß, ZZPInt 1998, 470; bei Netzle (Fn. 51), S. 12. 53 Schlosser, Die Olympische Sportschiedsgerichtsbarkeit und das deutsche Recht, in: Festschrift für Adalbert Zeuner, Tübingen 1994, 467, 478; Oschütz (Fn. 32), S. 101. 54 Die aktuelle Schiedsrichterliste ist unter http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/452/ 5048/0/Liste20des20arbitres20par20nationalit%C3 %A920d%C3 %A9c202013.pdf abrufbar. 55 Oschütz (Fn. 32), S. 101. 56 BGE 129 III 445, 458 = SpuRt 2004, 38, 41. 50

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Die Kritik an dem geschlossenen System der Schiedsrichterliste ist durch diese Entscheidung jedoch nicht verstummt.57 Aus Sicht der Kritiker würde eine Öffnung der Liste dazu beitragen, die Transparenz der Verfahren zu erhöhen und das Ansehen des CAS in juristischen Fachkreisen zu verbessern.58 Außerdem wird auf andere institutionelle Schiedsgerichte verwiesen, die mit einer offenen Liste arbeiten.59 Beispielsweise verzichtet die Schiedsgerichtsbarkeit der ICC (Internationale Handelskammer) auf eine geschlossene Liste,60 weil dies größtmögliche Flexibilität garantiere.61 Darüber hinaus wird nach wie vor kritisiert, dass die Verbände ein zu großes Übergewicht bei der Besetzung der Schiedsrichterliste haben. Nach Art. S14 CAS-Code wird lediglich ein Fünftel der Schiedsrichter als Interessenvertreter der Athleten nominiert, für die die Athleten selbst gar kein Vorschlagsrecht besitzen.62 Bislang hat der ICAS jedoch – wohl auch bedingt durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts – an der geschlossenen Schiedsrichterliste festgehalten. Zwar wuchs die Zahl von damals ca. 200 Schiedsrichtern auf mittlerweile über 300, aber das bisherige System wurde trotz Reformen in den Jahren 2010, 2012 und 2013 nicht zu einer offenen Liste hin verändert.63 Es gibt sogar Überlegungen, spezielle Schiedsrichter für Dopingstreitigkeiten auszuweisen, um so eine größtmögliche Gleichbehandlung in der Anti-Doping-Rechtsprechung herzustellen.64 Im Zuge der jüngsten Reform des CAS-Codes wurde durch die Neufassung von Art. S14 Abs. 1 S. 2 CASCode die Voraussetzung für die Erstellung solcher „special lists“ geschaffen.65 Der ICAS sollte hierbei bedenken, dass man so die Anzahl der potentiellen Schiedsrichter und damit auch die Auswahlmöglichkeiten wieder reduziert, obwohl gerade die große Auswahl eines der Schlüsselargumente des Bundesgerichts war, das System der geschlossenen Liste nicht zu beanstanden.66 Da die letzten Reformvorhaben darauf hindeuten, dass der ICAS an der bisherigen Methode festhalten will, ist ihm zu empfehlen, den Vorschlag der Rechtsprechung 57 Oschütz (Fn. 32), S. 419 f; Baddeley, Causa Sport 2004, 91; Downie, Melbourne Journal of International Law, vol. 12, 24 f. 58 Oschütz (Fn. 32), S. 420. 59 Downie, Melbourne Journal of International Law, vol. 12, 24 f. 60 Vgl. Art. 11 der für die Schiedsverfahren vor dem ICC maßgeblichen Schiedsordnung. 61 Vgl. Homepage der International Chamber of Comerce (ICC) „Ten good reasons to choose ICC arbitration“, abrufbar unter http://www.iccwbo.org/Products-and-Services/Arbitra tion-and-ADR/Arbitration/Introduction-to-ICC-Arbitration/Ten-good-reasons-to-choose-ICC-ar bitration/. 62 Adolphsen (Fn. 2), S. 494. 63 Krähe, SpuRt 2012, 17; Rigozzi/Hasler/Quinn, Jusletter vom 03. 06. 2013, S. 5. 64 Rigozzi/Hasler/Quinn (Fn. 63), S, 5. 65 Demnach ist nun in Art. S14 Abs. 1 S. 2 geregelt, dass der ICAS „may identify the arbitrators with a specific expertise to deal with certain types of disputes“. 66 Rigozzi/Hasler/Quinn (Fn. 63), S. 5.

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aufzunehmen und die Ausgestaltung der Schiedsrichterliste zu verbessern. Das Bundesgericht hat in der Latsutina/Danilova-Entscheidung nämlich kritisiert, dass auf der Liste nicht zu erkennen sei, welcher Schiedsrichter von welcher Seite (Athleten, Verband, IOC) nominiert worden sei. Dies könne mit aufgenommen werden.67 Die Athleten könnten so leichter „ihren“ Schiedsrichter finden. Darüber hinaus ist weiterhin zu fordern, dass das System der geschlossenen Schiedsrichterliste aufgegeben wird. Dies wäre ein weiteres glaubwürdiges Zeichen, dass es dem ICAS ernst ist mit dem Ansinnen, den CAS als vollständig unabhängiges, oberstes Sportschiedsgericht auszugestalten.68 c) Das Verfahren zur Auswahl des Vorsitzenden des Schiedsgerichts Der CAS tagt in der Regel als Schiedsgericht mit drei Schiedsrichtern. Gemäß Art. R40.1 CAS-Code besitzen die Parteien aber die Freiheit, selbst zu bestimmen, ob das Schiedsgericht aus einem oder drei Schiedsrichtern bestehen soll. Kommt es zu keiner Einigung, entscheidet der Präsident der jeweiligen Kammer über die Besetzung. Dabei ist zu beachten, dass in Berufungsverfahren gem. Art. R50 CASCode nur in Ausnahmefällen ein Einzelschiedsrichter bestimmt werden kann, ansonsten ist es zwingend, vor drei Schiedsrichtern zu verhandeln. Während aber in den sog. ordentlichen Verfahren, beispielsweise bei Streitigkeiten über Sponsoringverträge, die Parteien relativ frei sind, was das Ernennungsverfahren betrifft,69 bestehen in Berufungsverfahren gegen Verbandsentscheidungen oder Schiedssprüche nationaler Sportschiedsgerichte strengere Regelungen zur Schiedsrichterbestellung. Gemäß Art. R48 Abs. 1, R53 CAS-Code können die Parteien jeweils einen Schiedsrichter selbst bestimmen, hingegen wird der Vorsitzende des Schiedsgerichts vom Präsidenten der Berufungskammer festgelegt (vgl. Art. R54 Abs. 2 CAS-Code). Wenn die Entscheidung ausnahmsweise vor einem Einzelrichter gefällt werden soll, wird dieser durch den Präsidenten der Berufungskammer bestimmt (vgl. Art. R54 Abs. 1 CAS-Code). Folglich kommt dem Präsidenten der Berufungskammer durch seine Möglichkeiten zur Schiedsrichterbestellung eine wichtige Rolle zu. Gemäß Art. S6 Abs. 2 CASCode wird er vom ICAS gewählt, der überwiegend aus Verbandsvertretern zusammengesetzt ist. Dies führt dazu, dass ausgerechnet in Berufungsverfahren, in denen es um die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der Verbände geht, diese mittelbar ein Übergewicht bei der Bestellung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts besitzen.

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BGE 129 III 445, 458 f. Adolphsen (Fn. 2), S. 494. 69 Vgl. hierzu ausführlich Oschütz (Fn. 32), S. 106 f. 68

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Diese Vorgehensweise hat Kritik am Ernennungsverfahren durch den ICAS hervorgerufen.70 Zu Recht weist Oschütz darauf hin, dass die Besorgnis einer uneinheitlichen Regelauslegung durch eine gefestigte Rechtsprechung des CAS nicht mehr gerechtfertigt ist. Deshalb vertritt er die Ansicht, dass die parteiernannten Schiedsrichter den Vorsitzenden bestimmen sollten, beispielsweise binnen einer in der CASOrdnung gesetzten Frist.71 Dieser Vorschlag erscheint auf den ersten Blick sinnvoll, schließt jedoch die Möglichkeit nicht aus, dass die Verbände mittelbar durch den von ihnen ernannten Schiedsrichter eine Nominierung eines ihnen nicht gewogenen Vorsitzenden blockieren. Dies würde wiederum sozusagen „durch die Hintertür“ doch zu einer Einsetzung durch den ICAS führen. Deshalb wäre es sinnvoller, vorab alle zwei Jahre eine Art „Geschäftsverteilungsplan“ durch den ICAS erstellen zu lassen, in dem festgelegt ist, welcher Schiedsrichter bei welchen Verfahren den Vorsitz übernimmt. Dies ist beispielsweise in der ordentlichen Gerichtsbarkeit gang und gäbe. Dadurch würde auch verhindert werden, dass es bei der undurchsichtigen Besetzungspraxis durch den Präsidenten der Berufungskammer bleibt. Die Auswahl der Vorsitzenden wird gerüchteweise mit Hilfe eines vom Generalsekretär des CAS geführten „Records“ entschieden, in dem vermerkt ist, wie oft ein Schiedsrichter von einer Partei benannt wurde. Darüber hinaus wird gemutmaßt, dass in diesem Dokument vermerkt ist, wie ein Schiedsrichter in den jeweiligen Verfahren entschieden hat, d. h. ob er eher verbandsfreundlich oder athletenfreundlich entschieden hat. Da die Liste aber den anderen Schiedsrichtern verborgen bleibt und nur im engsten Kreis veröffentlicht wird, erhält das derzeitige Verfahren zur Ernennung von Schiedsrichtern einen intransparenten Charakter. Ungeachtet des Wahrheitsgehalts solcher Gerüchte würde jedenfalls ein vorab erstellter Geschäftsverteilungsplan dem Eindruck einer verbandsfreundlichen Nominierungspraxis des Vorsitzenden entgegensteuern. d) Zusammenfassung Das Bundesgericht hat letztlich mit der Latsutina/Danilova-Entscheidung zutreffend festgestellt, dass es sich beim CAS um ein echtes Schiedsgericht handelt. Weder die Organisation der Trägergesellschaft des CAS noch deren Finanzierung lassen eine Abhängigkeit vom IOC oder von den Sportverbänden vermuten. Nach Ansicht des Bundesgerichts ist auch die geschlossene Schiedsrichterliste kein Anerkennungshindernis. Die große Anzahl an Schiedsrichtern auf der Liste lasse jeder Partei eine ausreichend große Wahlmöglichkeit. Dies mag hinsichtlich rechtsstaatlicher Gesichtspunkte durchaus zutreffend sein.72 Ungeachtet dessen wird diese Regelung zur Schiedsrichterwahl von vielen Athleten als Einschränkung empfunden. 70

Vgl. Heß, ZZPint 1998, 470; Oschütz (Fn. 32), S. 108. Oschütz (Fn. 32), S. 108. 72 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, München 2006, S. 189. 71

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Das System der geschlossenen Schiedsrichterliste muss deshalb abgeschafft werden. Ein Schiedsgericht, das durch alle Beteiligten akzeptiert werden soll, bedarf einer freien Schiedsrichterwahl und hätte zudem eine enorme Signalwirkung für die Athleten. Zudem würde eine tatsächliche Öffnung der Liste kaum praktische Konsequenzen nach sich ziehen und wäre ohne große Schwierigkeiten durchführbar.73 Deshalb ist der neueste Trend, neben der Schiedsrichterliste weitere, sog. „special lists“ zu schaffen, mit Skepsis zu betrachten. Solche Listen dürfen auf keinen Fall verpflichtend ausgestaltet werden, sondern sollten lediglich als Empfehlung für Schiedsrichter mit besonderen Qualifikationen in speziellen Bereichen (z. B. im Bereich der Dopingsanktionen) gelten. Daneben wäre es sinnvoll, den Vorschlag des Bundesgerichts aufzugreifen und darauf hinzuweisen, welcher Schiedsrichter auf wessen Vorschlag in die Liste aufgenommen wurde. Dies würde den Athleten helfen, leichter einen Schiedsrichter zu finden, von dem sie glauben, dass er ihre Interessen vertreten kann. Weiterhin wäre es sinnvoll, die umstrittene Praxis zur Besetzung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts in Berufungsverfahren zu ändern. Um größtmögliche Transparenz herzustellen, sollte vorab für einen Zeitraum von zwei Jahren eine Art Geschäftsverteilungsplan erstellt werden, in dem vermerkt wird, welcher Schiedsrichter für welche Verfahren Vorsitzender sein kann. Dafür wäre dann sogar die Schaffung einer geschlossenen Liste sinnvoll, auf der die potentiellen Vorsitzenden des Schiedsgerichts stehen. Die Auswahl der parteiernannten Schiedsrichter sollte hingegen ohne Listenzwang ermöglicht werden. 6. Unabhängigkeit der Schiedsrichter Neben der institutionellen Unabhängigkeit des Schiedsgerichts muss im konkreten Verfahren jeder Schiedsrichter auch individuell unabhängig und unparteiisch im Sinne des Art. 180 Abs. 1 lit. c IPRG sein. Dies wurde sogar in der Verfahrensordnung des CAS mit Art. R33 Abs. 1 CAS-Code nochmals ausdrücklich geregelt. Dabei lässt sich der Begriff der Unabhängigkeit im Sinne des Art. 180 Abs. 1 lit. c IPRG in eine objektive und eine subjektive Komponente unterteilen.74 Die objektive besagt, dass kein Schiedsrichter in tatsächlicher Hinsicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer Partei stehen darf, während die subjektive auf die geistige Unabhängigkeit abstellt, die mit der Unparteilichkeit zusammenhängt.75 Daneben gilt allgemein die Formel, dass es aufgrund durch Tatsachen belegter Umstände erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit eines Schiedsrichters geben

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Oschütz (Fn. 32), S. 102. Peter/Besson (Fn. 17), Art. 180, Rn. 12. 75 Peter/Besson (Fn. 17), Art. 180, Rn. 12. 74

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muss, um den Ablehnungsgrund des Art. 180 Abs. 1 lit. c IPRG zu erfüllen.76 Ein gutes Beispiel für die Auslegung dieser Formel bietet der bereits erwähnte Fall Mutu gegen Chelsea FC. Der rumänische Fußballer machte vor dem Bundesgericht geltend, dass der Schiedsrichter Luigi Fumagalli in einem Interessenkonflikt gestanden habe, da er mittelbar von Chelsea FC wirtschaftlich abhängig gewesen sei. Demnach habe die russische Niederlassung der italienischen Kanzlei, der der Schiedsrichter als Partner angehörte, ein Mandat für eine Firma betreut, an welcher der Besitzer des FC Chelsea, Roman Abramowitsch, beteiligt gewesen sei. Dies hätten Mutu bzw. seine Parteivertreter erst nach dem CAS-Schiedsspruch mittels anonymer Email erfahren.77 Das Bundesgericht wies die Anfechtungsklage zurück. Ein Umstand, der auf eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Schiedsrichters von einer Partei hinweise, sei nicht nachweisbar, solange eine anonyme Email der einzige Hinweis auf eine derartige Verstrickung sei. Der Schiedsrichter habe dem Vorbringen Mutus widersprochen und dieser habe den von ihm vorgebrachten Umstand nicht zur Überzeugung des Bundesgerichts nachweisen können.78 Dieses Urteil illustriert, was die Formel für die Praxis bedeutet. Bloße Verdachtsmomente gegen die Unbefangenheit eines Schiedsrichters reichen für sich alleine ebenso wenig aus wie vage Andeutungen aus vorgelegten Beweismitteln. Vielmehr muss schon sehr substantiiert vorgetragen werden, weshalb Zweifel an der Unabhängigkeit des Schiedsrichters bestehen, wenn nicht sogar der Vollbeweis zu führen ist. Im Folgenden wird nun zunächst untersucht, welche Anforderungen im Allgemeinen an die Unabhängigkeit eines Schiedsrichters in der Sportgerichtsbarkeit gestellt werden müssen. Dabei ist zu beachten, dass es bei Verfahren vor dem CAS in der Regel immer drei Schiedsrichter gibt, von denen einer, der sog. Vorsitzende des Schiedsgerichts, nicht von den Parteien nominiert wurde. Deshalb ist auch die Frage zu erörtern, ob für den Vorsitzenden des CAS ein strengerer Maßstab hinsichtlich der Unabhängigkeit gelten muss. a) Allgemeine Anforderungen an die Unabhängigkeit eines Schiedsrichters in der Sportgerichtsbarkeit Der Gesetzgeber hat als Maßstab die Formel festgelegt, dass Umstände vorliegen müssen, die Anlass zu berechtigten Zweifeln an der Unabhängigkeit der Schiedsrichter geben. Die Rechtsprechung hat verschiedene Fallgruppen entwickelt. So darf der Schiedsrichter nicht in einem Subordinationsverhältnis zu einer Partei stehen, z. B. als Angestellter.79 Auch andere Formen wesentlicher wirtschaftlicher Bindun-

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Peter/Besson (Fn. 17), Art. 180, Rn. 13. Vgl. insoweit auch Beffa/Ducrey, Causa Sport 2011, 307, 308 f. 78 BG Urt. vom 10. 06. 2010, 4 A_458/2009, E.3.2.1 und 3.2.2. 79 BG Urt. vom 09. 02. 1998, ASA Bulletin 1998, 634, 645. 77

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gen des Schiedsrichters an die Partei können solche Zweifel hervorrufen.80 Das Bundesgericht hat aber ausgeführt, dass bei der Beurteilung der Unabhängigkeit die Besonderheiten der Sportgerichtsbarkeit berücksichtigt werden müssen.81 Wie dies zu verstehen ist, illustriert der Fall von Alejandro Valverde.82 Der Radsportler wurde im Zuge der Ermittlungen gegen den spanischen Dopingarzt Fuentes im Jahre 2009 des Dopings überführt und auf Antrag der italienischen Dopingkommission vor dem Gericht des Nationalen Olympischen Komitees (CONI) für zwei Jahre gesperrt. Im anschließenden Berufungsverfahren standen sich als Parteien im Rechtsstreit die CONI, die WADA (Welt-Anti-Doping-Agentur) und Valverde gegenüber. CONI und WADA nominierten als ihren Schiedsrichter den Jura-Professor Prof. Dr. Ulrich Haas, der 2006/2007 als unabhängiger, von der WADA ausgewählter Rechtsexperte bei der Ausarbeitung des World Anti-Doping Codes (WADC) mitgewirkt hatte. Im Laufe des Prozesses rügte Valverde die fehlende Unabhängigkeit des nominierten Schiedsrichters. Er legte zahlreiche Beweismittel vor, die belegen sollten, dass Prof. Dr. Ulrich Haas in enger Beziehung zur WADA stand und für diese auch bei den Olympischen Spielen 2004 – in ehrenamtlicher Funktion, d. h. unbezahlt – als unabhängiger Experte über die Umsetzung des Anti-Doping-Programms wachen sollte. Der ICAS als zuständiges Entscheidungsorgan für Ablehnungsgesuche von Schiedsrichtern des CAS wies diese Rüge zurück: Selbst wenn durch die Rolle des Schiedsrichters als Doping-Beauftragter der WADA bei den Olympischen Spielen 2004 Zweifel an seiner absoluten Unabhängigkeit aufkämen, gebe es keine Anzeichen, dass eine Beeinflussung zugunsten der WADA oder der CONI aufgrund etwaiger finanzieller oder emotionaler Abhängigkeit gegeben sei. Valverde rügte anschließend beim Bundesgericht unter anderem die Verletzung von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG. Dies wurde zurückgewiesen. Das Bundesgericht legte ausführlich dar, welche Anforderungen an einen Schiedsrichter des CAS bezüglich seiner Unabhängigkeit zu stellen sind. Von den parteiernannten Schiedsrichtern könne man keine absolute Unabhängigkeit verlangen. Dies sei mit der Praxis nicht vereinbar. Dadurch, dass die Schiedsrichter von den Parteien ausgesucht würden, fiele die Wahl stets auf denjenigen, von dem die Partei glaube, dass er ihr am meisten gewogen sei. Das Bundesgericht hebt hervor, dass es aufgrund der Besonderheiten der Sportgerichtsbarkeit möglich sei, dass Schiedsrichter bereits vorher punktuell für eine der Parteien tätig gewesen seien.83 Es sei nicht angebracht, in der Sportschiedsgerichtsbarkeit ein strengeres Anforderungsprofil an die Unabhängigkeit der Schiedsrichter zu stellen als beispielsweise

80

BGE 111 Ia 72, 74. BGE 129 III 445, 454 f. 82 Vgl. BG Urt. v. 29. 10. 2010, 4 A_234/2010 = BGE 136 III 605, zusammengefasst bei Beffa/Ducrey, Causa Sport 2011, 309 f. 83 BGE 136 III 605, 612 f. 81

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in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit.84 Valverde hatte gefordert, dass man aufgrund der geschlossenen Schiedsrichterliste und der damit geringeren Anzahl an verfügbaren Schiedsrichtern einen höheren Maßstab an die Unabhängigkeit eines Schiedsrichters stellen müsse als beispielsweise bei anderen Schiedsgerichten. Das Bundesgericht hingegen argumentierte, dass die Besonderheiten des Sportrechts es mit sich brächten, dass Schiedsrichter des CAS mit Sportorganisationen und mit auf Sportrecht spezialisierten Anwälten in Kontakt kämen, ohne dass man dadurch gleich an ihrer Unabhängigkeit zweifeln müsse. Eine restriktive Auslegung würde häufig zu Verzögerungen im Prozess führen und die Anfechtbarkeit eines Schiedsspruchs erhöhen. Dies würde der Besonderheit der Sportschiedsgerichtsbarkeit und der Schiedsgerichtsbarkeit im Allgemeinen zuwiderlaufen, die eine fachkundige und vor allem schnelle Streitlösung ermöglichen solle.85 Die Entscheidung des Bundesgerichts ist fragwürdig. Es ist ihm zuzugeben, dass es im Bereich des Sportrechts eine überschaubare Anzahl von Experten gibt, die die rechtlichen Fragestellungen des Sportrechts nicht nur als Schiedsrichter beim CAS bearbeiten. Dennoch müssen zwei Faktoren beachtet werden: Anders als im Bereich der Handelsschiedsgerichtsbarkeit haben die Parteien in Verfahren vor dem CAS nur eine beschränkte Auswahl an Schiedsrichtern. Darüber hinaus findet das Schiedsverfahren im Bereich des Sports zumindest im Verhältnis Athlet zu Verband nicht freiwillig statt, sondern wird faktisch dem Athleten „aufgezwungen“.86 Deshalb ist im Bereich des Sportrechts ein höheres Maß an Unabhängigkeit zu fordern. Den Parteien, insbesondere den Athleten, wird durch das faktisch durch die Verbände „diktierte“ Schiedsverfahren der gesetzliche Richter entzogen. Deshalb muss bei den parteiernannten Schiedsrichtern sichergestellt werden, dass sie keine Parteibindung aufweisen, die sie faktisch als deren Repräsentanten erscheinen lassen. Hier wäre es hilfreich, Regelungen einzuführen, die einen gewissen Standard hinsichtlich der Unabhängigkeit schaffen.87 Der ICAS hat erkannt, dass es aufgrund der beschränkten Anzahl von Schiedsrichtern schneller zu Interessenkonflikten kommen kann als beispielsweise in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit, zumal die Verfahren vor dem CAS zunehmen.88 Deshalb wurde den Schiedsrichtern im Zuge der Reform des CAS-Codes von 2010 nun mit Art. S18 Abs. 3 CAS-Code untersagt, in anderen Verfahren vor dem CAS als Anwalt aufzutreten.89 Dies hat praktische Nachteile, da sich ein Anwalt nun überlegen muss, ob er sich auf die geschlossene Schiedsrichterliste setzen lässt, da ihm dadurch 84

BGE 136 III 605, 614. BGE 136 III 605, 614 f. 86 Rigozzi (Fn. 22), Rn. 811 spricht von der „arbitrage forcé“. 87 Die Problematik stellt sich auch bei Schiedsgerichten wie dem ICSID (Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, engl. „International Centre for Settlement of Investment Disputes“), vgl. Classen, EuZW 2014, S. 611 ff. 88 Vgl. Reeb, ASA Bulletin 2007, S. 74 f. 89 Rigozzi, Jusletter vom 13. 09. 2010, S. 3. 85

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verwehrt wird, als Parteivertreter vor dem CAS aufzutreten. Er müsste damit einen Teil seines Geschäfts faktisch aufgeben. Grundsätzlich ist diese Reform jedoch zu befürworten. Sie reduziert die Gefahr möglicher Interessenkonflikte bei den Schiedsrichtern und verhilft dem CAS zu einer unabhängigeren Rechtsprechung. b) Anwendbarkeit der IBA–Richtlinien Da der CAS-Code nur allgemein regelt, dass der Schiedsrichter unabhängig sein muss, hat man versucht, gewisse Standards aus der Handelsschiedsgerichtsbarkeit für den Bereich des Sportrechts zu adaptieren. Das Bundesgericht musste beispielsweise im Hinblick auf den CAS die Frage klären, inwieweit Verstöße gegen die Richtlinien der IBA (International Bar Association) – die „IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration“ – eine mögliche Befangenheit eines Schiedsrichters indizieren. Diese Richtlinien beinhalten Fallkonstellationen, die auf die Abhängigkeit oder Parteilichkeit eines Schiedsrichters schließen lassen.90 Es wurden drei Listen mit verschiedenen Konstellationen geschaffen. Je nachdem welche Liste einschlägig ist, soll der Schiedsrichter seine Berufung für das jeweilige Verfahren zurückweisen oder nicht. Die erste dieser Listen ist die rote Liste (die sog. „red list“). Sie beinhaltet Fallkonstellationen, in denen ein Schiedsrichter selbst seine Berufung ablehnen soll, weil er in diesem Verfahren in einem erheblichen Interessenkonflikt steht. Daneben gibt es eine orange Liste („orange list“) mit Fällen, in denen der Schiedsrichter sich vergewissern sollte, ob die dort genannten Gründe ihn in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigen. Zu guter Letzt gibt es eine grüne Liste („green list“) mit Konstellationen, die für die Unabhängigkeit unbedenklich sind.91 Die Frage nach der Anwendbarkeit der IBA-Richtlinien für CAS-Schiedsrichter stellte sich beispielsweise im Verfahren von Adrian Mutu gegen Chelsea FC. Bevor es zum Prozess um Schadensersatz vor dem CAS kam, wurde vor demselben Gericht bereits ein Rechtsstreit über die Frage geführt, ob ein Vertragsbruch des Spielers vorlag. Beide Male war Dirk-Reiner Martens Schiedsrichter im Verfahren. Nach den Richtlinien der IBA hätte Martens daher auf der „red list“ auftauchen müssen und nicht am Verfahren teilnehmen dürfen.92 Dem hat das Bundesgericht widersprochen. Es hielt fest, dass die IBA-Richtlinien kein verbindliches Recht darstellten. Deshalb lasse sich aus einem Verstoß nicht automatisch schlussfolgern, dass tatsächlich eine vorschriftswidrige Besetzung vorliege. Vielmehr müsse man im Einzelfall überprüfen, ob der Verstoß zu einer vorschriftswidrigen Besetzung führe oder nicht.93

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Eine aktuelle Version der Richtlinien ist abrufbar unter http://www.ibanet.org/Publica tions/publications_IBA_guides_and_free_materials.aspx#conflictsofinterest. 91 Vgl. hierzu Coccia, Bulletin TAS 2013/2, S. 5. 92 BG Urt. vom 10. 06. 2010, 4 A_458/2009, E.3.3.1. 93 BG Urt. v. 10. 06. 2010, 4 A_456/2009 E.3.3.3.1; bestätigt in BG Urt. v. 09. 10. 2012, 4 A_110/2012, E.2.2.2 = SpuRt 2013, 23 ff.

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Die Richtlinien der IBA sind also nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht zwingend ein Indikator für die Befangenheit eines Schiedsrichters. Dennoch könnte man darüber nachdenken, ein den IBA-Richtlinien ähnliches System bei Verfahren vor dem CAS zu etablieren.94 An ein Schiedsverfahren im Bereich des Sports müssen wegen dessen Besonderheiten strengere Maßstäbe an die Unabhängigkeit angelegt werden als im Bereich einer freiwilligen Schiedsgerichtsbarkeit. Durch die CAS-Reform wird nun in Art. R33 Abs. 1 CAS-Code auch geregelt, dass die Schiedsrichter alle Umstände, welche ihre Unabhängigkeit betreffen können, offenlegen müssen.95 Um eine Einordnung solcher Umstände vornehmen zu können, wäre darüber hinaus die Schaffung einer „CAS-Richtlinie zur Bestimmung der Unabhängigkeit“ wünschenswert. Dies wäre eine sinnvolle, präventive Maßnahme, um bereits im Vorfeld eines Verfahrens etwaige Interessenkonflikte festzustellen. Unabhängig davon, ob dann nach dem Maßstab des Bundesgerichts ein Anfechtungsgrund gem. Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG vorliegt, kann so bereits frühzeitig vermieden werden, dass ein Verfahren unter dem Verdacht der fehlenden Unabhängigkeit der Schiedsrichter steht. c) Strengere Anforderungen an die Unabhängigkeit für den Vorsitzenden des Schiedsgerichts? Die Nominierung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts erfolgt in der Regel durch einen neutralen Dritten. Dabei stellt sich die Frage, ob deshalb der vorsitzende Schiedsrichter höhere Anforderungen hinsichtlich seiner Unabhängigkeit erfüllen muss als die parteiernannten Schiedsrichter. Das Gesetz und der CAS-Code bieten hierfür keinen Ansatzpunkt. Weder Art. 180 IPRG noch der CAS-Code unterscheiden zwischen dem Vorsitzenden und den parteiernannten Schiedsrichtern. Das Bundesgericht war früher ebenfalls der Ansicht, dass für die parteiernannten Schiedsrichter und den Vorsitzenden kein unterschiedlicher Maßstab anzulegen sei.96 Nach dem Inkrafttreten des IPRG hat es seine Auffassung relativiert und lässt nun offen, ob an die Unabhängigkeit des Vorsitzenden höhere Anforderungen zu stellen sind als an parteiernannte Schiedsrichter97 Der Gesetzgeber und Teile des Schrifttums befürworten einen unterschiedlichen Beurteilungsmaßstab.98 Schließlich werden die Parteien sich einen Schiedsrichter suchen, von dem sie glauben, dass er ihre Interessen am besten im

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Vgl. zu dieser Idee auch Downie, Melbourne Journal of International Law, vol. 12, 26 f. Noth/Abegg, Causa Sport 2013, S. 114. 96 BGE 92 I 271, 277 f. 97 BGE 118 II 359, 362. 98 Walter/Bosch/Brönnimann (Fn. 24), S. 109 f.; Lalive/Poudret/Reymond (Fn. 32), Art. 180 Rn. 4; Bucher, Zur Unabhängigkeit des parteibenannten Schiedsrichters, in: Festschrift für Max Kummer, Bern 1980, S. 599; i. Erg. auch Berti/Schnyder (Fn. 9), Art. 180, Rn. 14. 95

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Rechtsstreit vertritt und gegebenenfalls auch in ihrem Sinne entscheidet.99 Dies führt dazu, dass in der internationalen Praxis die parteiernannten Schiedsrichter teilweise sogar als indirekte Parteivertreter angesehen werden.100 Damit ist es für die Autonomie des gesamten Schiedsgerichts aber umso wichtiger, dass die Unabhängigkeit des Vorsitzenden außer Frage steht.101 Für den Vorsitzenden des Schiedsgerichts muss deshalb ein strengerer Maßstab gelten als für die parteiernannten Schiedsrichter. Für die Umsetzung in der Praxis wäre es sinnvoll, durch Richtlinien bereits im Vorfeld klare Grenzen zu ziehen, ab wann ein Vorsitzender abgelehnt werden kann bzw. selbst auf seine fehlende Unabhängigkeit hinweisen muss. Insoweit sind die Überlegungen des ICAS zu begrüßen, der Ansätze aus dem Schrifttum aufgreift102 und plant, eine „Special List of Presidents“ auszuweisen. Diese Liste soll Schiedsrichter enthalten, die lediglich als Vorsitzende agieren können.103 Darin könnte auch der oben genannte Geschäftsverteilungsplan aufgenommen werden. 7. Die Problematik der fehlenden Mitwirkung eines Schiedsrichters im Rahmen von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG Neben der fehlenden Unabhängigkeit eines Schiedsrichters ist in der herrschenden Lehre allgemein anerkannt, dass es im Geltungsbereich des IPRG für alle Schiedsrichter eine Pflicht zur Teilnahme an der Beratung und Abstimmung geben muss.104 So kann es auch zu einer vorschriftswidrigen Zusammensetzung führen, wenn nicht alle Schiedsrichter am Verfahren oder an gewissen Verfahrensschritten mitwirken.105 Der Schiedsrichter kann allerdings nicht durch sein Fernbleiben bei der der Entscheidungsfindung einen Mangel im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG begründen. Sonst hätte der parteiernannte Schiedsrichter nämlich die Möglichkeit, durch bewusstes Fernbleiben einen für seine Partei ungünstigen Entscheid zu verhindern und somit die Entscheidungsfindung zu blockieren oder ein anderes Ergebnis zu erzwingen. Vielmehr ist erforderlich, dass der Schiedsrichter durch Einwirkung von außen in seinen Mitwirkungsrechten eingeschränkt wurde und deshalb nicht am Prozess teilnehmen kann.106

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Bucher (Fn. 98), S. 599. Peter/Besson (Fn. 17), Art. 180, Rn. 14. 101 Lalive/Poudret/Reymond (Fn. 32), Art. 180 Rn. 4. 102 Rigozzi (Fn. 22), Rn. 575. 103 Rigozzi/Hasler/Quinn, Jusletter vom 03. 06. 2013, S. 5 m. w. N. 104 Vgl. Rüede/Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht nach Konkordat und IPRG, Bern 1993, S. 297. 105 Vgl. Poudret/Besson (Fn. 25), Rn. 693 ff.; Solhchi, Arbitration International 1993, 303 ff. 106 BGE 128 III 234, 238 f. 100

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Das Bundesgericht hatte sich im Zusammenhang mit der Sportschiedsgerichtsbarkeit mit der Frage auseinanderzusetzen, wann eine fehlende Mitwirkung eines Schiedsrichters zur Urteilsaufhebung führt. Der Kläger rügte gem. Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG, dass das Schiedsgericht bei der Urteilsverkündung nicht mehr korrekt besetzt gewesen sei, da der von ihm ausgewählte Schiedsrichter bereits vorher zurückgetreten sei und nicht mehr bei den Beratungen für die Urteilsgründe mitgewirkt habe. Deshalb sei sein Recht auf ein korrekt zusammengesetztes Schiedsgericht verletzt. In seinem Urteil äußerte sich das Bundesgericht zu der Frage, was passiert, wenn sich ein Schiedsrichter im Laufe des Verfahrens vom Prozess zurückzieht. Wenn ein Schiedsrichter tatsächlich zurücktritt und kein Nachfolger berufen wird, liegt ein ungültiger Schiedsspruch vor, der von einem dann unvollständigen Schiedsgericht erlassen wurde. Ein Rücktritt kann aber nur dann als wirksam angesehen werden, wenn er von den anderen Schiedsrichtern oder zumindest dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts angenommen wird. Sonst ist er formal unwirksam. Wird dem Ablehnungsantrag des Schiedsrichters vom Schiedsgericht nicht entsprochen, muss er gegen diese Entscheidung Widerspruch zum Generalsekretär des CAS einlegen. Unterlässt er dies, kann er auch nicht durch bloße Abwesenheit bei den Beratungen ein ungültiges Urteil provozieren, wenn die Mehrheit der Mitglieder des Schiedsgerichts sich entscheidet, fortzufahren und einen Schiedsentscheid zu erlassen. Schließlich ermöglicht Art. R59 Abs. 1 CAS-Code gerade die Entscheidung durch die Mehrheit der Schiedsrichter.107 Die Entscheidung des Bundesgerichts ist zu begrüßen, da so die Handlungsfähigkeit des Schiedsgerichts gewährleistet bleibt, wenn einer der drei Schiedsrichter aufgrund eines seiner Ansicht nach falschen Urteils durch Rücktritt versucht, den Schiedsspruch zu verhindern.

III. Zusammenfassung Die Rüge der vorschriftswidrigen Zusammensetzung hat in der Historie des CAS eine wichtige Bedeutung. Sie war Anstoß zur ersten großen Reform des CAS im Jahre 1994. Darüber hinaus veranlasste eine Anfechtungsklage gem. Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG die Anerkennung als echtes Schiedsgericht durch die staatliche Rechtsprechung. Seit dem Urteil von 1994 wurde noch kein Schiedsspruch des CAS wegen fehlender Unabhängigkeit des Schiedsgerichts aufgehoben. Dies belegt, dass die Reformen seit 1994 in die richtige Richtung gehen. Dennoch gibt es weiterhin Punkte, die einer Reform bedürfen:

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Urt. BG vom 03. 01. 2011, 4 A_386/2010 E.4.3.

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Zwar ist die umstrittene Praxis der geschlossenen Schiedsrichterliste nach Ansicht des Bundesgerichts rechtmäßig, es gibt jedoch weiterhin von verschiedenen Seiten Kritik an dieser Voraussetzung. Es wird gefordert, dass die CAS-Liste dahingehend geöffnet wird, dass sie lediglich als Empfehlung geeigneter Kandidaten zu sehen ist. Eine Öffnung der Liste wäre durchaus wünschenswert, um den Athleten eine bessere Möglichkeit zu geben, ihre Interessenvertreter in den jeweiligen Verfahren zu nominieren. Zumindest sollte jedoch eine Kennzeichnung erfolgen, welcher Schiedsrichter von welcher Seite für die Liste vorgeschlagen wurde. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts ist zu fordern, dass in der Sportgerichtsbarkeit ein strengerer Maßstab an die Unabhängigkeit der Schiedsrichter angelegt wird. Durch das den Athleten faktisch „aufgezwungene“ Verfahren und die geschlossene Schiedsrichterliste ist der ICAS gefordert, genau zu überprüfen, ob wirtschaftliche oder ähnliche Beziehungen zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern bestehen. Zu begrüßen ist daher, dass durch die Reform des CAS-Codes im Jahr 2010 neu geregelt wurde, dass ein Parteischiedsrichter dieselbe Partei nicht schon vorher in anderen Verfahren als Anwalt vertreten haben darf. Diese Regelung dürfte dazu beitragen, dass es weniger Interessenkonflikte und Zweifel an der Unabhängigkeit der Schiedsrichter gibt. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, mit den IBA-Richtlinien vergleichbare Maßstäbe seitens des ICAS für Schiedsrichter des CAS festzulegen. Dadurch könnten die Verfahren schon frühzeitig vom Verdacht der Beeinflussung durch eine der Parteien befreit werden. Ebenso ist anzuregen, zur Besetzung der Vorsitzenden eines Schiedsgerichts eine Art Geschäftsverteilungsplan anzulegen, der die zuständigen Richter schon von vornherein festlegt, noch bevor abzusehen ist, welche Verfahren überhaupt vor dem CAS geführt werden.

Sports-related Domain Names vis-à-vis ICANN’s New gTLD Program and Dispute Resolution System Cristina M. Mariottini I. II. III. IV.

Introduction: ICANN’s New gTLD Program and Dispute Resolution Procedure . . . Stakeholders’ Concerns with Respect to the Expansion of the Internet’s Name Space The Program’s Application Round . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ICANN’s Self-contained Dispute Resolution Procedure to Raise Objections against a New gTLD Application . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legal Rights Objection . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Limited Public Interest Objection . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. String Confusion Objection . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Community Objection . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Objections Brought against Applications for Sports-related Domain Names in the Framework of the New gTLD Dispute Resolution System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. String Confusion Objection against the .sports String . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Community Objections against Sports-related String . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Concluding Remarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Introduction: ICANN’s New gTLD Program and Dispute Resolution Procedure The Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) was founded in 1998.1 ICANN’s mission is to ensure a stable and unified global Internet, and it plays an undisputed key role in determining what the Internet ultimately looks like to end-users.2 One of its strategic mandates is to introduce and promote competition in the registration of domain names, while ensuring the security and stability of the Domain Name System (DNS).3

1

See https://www.icann.org/. All the sources retrieved on the Internet were last accessed on 26. 10. 2015. 2 Art. 1, Bylaws for Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, as amended 07. 02. 2014, available at https://www.icann.org/resources/pages/bylaws-2012 - 02 - 25-en. On the long-standing debate on which institutions should be in charge of the Internet and how their legitimacy may be established see Radu/Chenou/Weber (eds.), The Evolution of the Global Internet Governance. Principles and Policies in the Making (2014). 3 See New gTLD Applicant Guidebook 4. 6. 2012 (hereinafter: Applicant Guidebook) at http://newgtlds.icann.org/en/applicants/agb, Attachment to Module 2, at A-1. See also Core Value No 1, available at: https://www.icann.org/resources/pages/bylaws-2012 - 02 - 25-en.

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ICANN is also tasked to shape and direct the Internet namespace. Initially, the namespace was limited and confined to twenty-two generic Top Level Domains (gTLDs) – which are visible to Internet users as the suffix at the end of a domain name.4 However, extending the gTLD market to new gTLDs was in the forefront of ICANN’s agenda since its foundation and, after a 2011 decision of ICANN’s board, most restrictions on the generic top-level domain names were terminated.5 That decision and the subsequent adoption of ICANN’s New gTLD Program meant that in 2012 companies and organizations (but not individuals) could apply for the exclusive registration of essentially arbitrary top-level Internet domains. In conjunction with the application procedure for new gTLDs, ICANN also drew up a New gTLD Dispute Resolution Procedure, a fully self-contained alternative dispute resolution system that provides the framework for bringing claims against an application.6 All New gTLD applications submitted to ICANN are made public, and each individual string may be objected to by any third party that has standing to object. The objections must be based on one of four grounds: Legal Rights; Limited Public Interest; String Confusion; and Community.7 During the first application window, opened in January 2012 and closed in April the same year, ICANN received 1,930 New gTLD applications. Examples of the new gTLDS for which applications were filed are: .bank, .book, .energy, .health, .healthcare, .hospital, .insurance, .hotel, .lotto, .mail, .med, .medical, .food, .camera, .church. In March 2013, ICANN announced the first twenty-seven strings that had passed the initial evaluation.8 In August 2013, it issued a statement that of the 1,930 New gTLD applications submitted, 1,745 applications passed the initial evaluation phase, 32 went into the extended evaluation phase, and 121 were withdrawn.9 Ultimately, a total of 263 claims were brought against some of the applications.10

4 See Applicant Guidebook, preamble. Each gTLD has a designated registry operator that enters into the Registry Agreement with ICANN and is responsible for setting up and maintaining the operation of the registry: the registry operator is responsible for the technical operation of the gTLD, including all of the names registered in that gTLD. The gTLDs are served by over 900 registrars, who interact with registrants to perform domain name registration and other related services. The Registry Agreement is the agreement executed between ICANN and successful gTLD applicants, which appears as an attachment to Module 5 of the Applicant Guidebook. 5 Applicant Guidebook, preamble. 6 At http://newgtlds.icann.org/en/applicants/agb, Applicant Guidebook, Attachment to Module 3. 7 Applicant Guidebook, Module 3, Art. 2(e). 8 Press Release 30. 08. 2013, ICANN.org, https://www.icann.org/resources/press-material/ release-2013 - 08 - 30-en. 9 ICANN 45: New gTLD Overview and Information for Applicants with ICANN CSO Kurt Pritz, retrievable at http://www.thewhir.com/web-hosting-news/icann-45-new-gtld-over view-and-information-for-applicants-with-icann-cso-kurt-pritz. 10 See http://newgtlds.icann.org/en/program-status/odr/filings.

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In this paper, I examine the seven objections (one string confusion objection and six community objections) brought against the applications filed for sports-related new gTLDs through the New gTLD Dispute Resolution Procedure. As will be described, it appears that objections – and particularly community objections – against the applications for sports-related new gTLDs are unusually successful compared to similar objections raised against non-sports-related new gTLDs.

II. Stakeholders’ Concerns with Respect to the Expansion of the Internet’s Name Space When announcing its New gTLD Program, ICANN emphasized that the program aims at expanding and making accessible the top level of the Internet’s namespace to “foster diversity, encourage competition, enhance the utility of the DNS” whilst generating substantial advantage to Internet users.11 Some stakeholders have greeted the expansion of gTLDs as a remarkable marketing and business opportunity to obtain their own gTLD and exercise enhanced control over their online presence. Nevertheless, strong concerns have been voiced about the impact of these new gTLDs on the market, and on competition, as well as on Internet users. In fact, in the New gTLD Program the interests of Internet users are only indirectly considered, and opponents of the expansion apprehendthat such expansion is capable of generating user confusion, making the DNS more complicated, and increasing cybersquatting as well as commercial fraud. In a communication of December 2011, the U.S. Federal Trade Commission (FTC) expressed its concern that a “rapid, exponential expansion of gTLDs has the potential to magnify both the abuse of the domain name system and the corresponding challenges we encounter in tracking down Internet fraudsters”.12 The FTC urged ICANN to implement the New gTLD Program as a pilot program and substantially reduce the number of gTLDs introduced in the first application round.13 The FTC also invited ICANN to “address these issues before it approves any new gTLD applications” and stated that “if ICANN fail[ed] to address these issues responsibly, the introduction of new gTLDs could pose a significant threat to consumers and undermine consumer confidence in the Internet”.14 Nonetheless, ICANN indicated its intention to proceed with the gTLD expansion as planned. ICANN defended its New gTLD Program arguing that the new gTLDs would offer more protection for consumers and trademark holders than current 11

Applicant Guidebook, preamble. Letter from FTC to ICANN (16 December 2011), available at https://www.ftc.gov/sites/ default/files/documents/public_statements/icanns-plan-increase-available-generic-top-level-do mains/111216letter-icann.pdf. 13 Ibid. 14 Ibid. 12

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gTLDs, and that new gTLDs would provide needed competition, choice, and innovation for the domain name system.15 Ultimately, ICANN did not delay the initiation of the New gTLD Program, and the application window was opened on 12 January 2012, as scheduled.16

III. The Program’s Application Round The program’s application round implements a “first come, first served” processing schedule. Each applicant must show that it has a “legitimate claim” to the name it applies for.17 However, no definition or any other indication for the interpretation of “legitimate claim” is provided in the program. Such legitimacy may be scrutinized by means of the objections that third parties can make against the application. The eligibility of the entity applying for a new gTLD is determined by a background screening which protects the public interest in the allocation of critical Internet resources: ICANN reserves the right to deny an otherwise qualified application based on any information identified during the background screening process. Furthermore, in keeping with ICANN’s Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP),18 with the Anti-Cybersquatting Consumer Protection Act,19 and with other equivalent legislation, the program states that applications from any entity that has been involved in a pattern of adverse final decisions indicating that the applicant was engaged in cybersquatting will be automatically disqualified from the

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Kruger, Internet Governance and the Domain Name System: Issues for Congress, Congressional Research Service (CRS Report for Congress) (2014) 7 – 5700, R42351, at 15. 16 On ICANN’s expansion of gTLDs see: Borchert, 45 Valparaiso University Law Review 505 (2010 – 11); Easton, 20 International Journal of Law and Information Technology 273 (2012); Kruger, Congressional Research Service (CRS Report for Congress) 7 – 5700, R42351 (2014); Weitzenboeck, 1 International Journal of Law and Information Technology 22, 49 (2014); McGillivray/WieseSchartum/Bekken, Yulex 2012 (2012), at 91; Mahler/WieseSchartum/Bekken, Yulex 2012 (2012), at 163. Strong criticism against ICANN’s New gTLD Program has been expressed in Annex C – NCUC Minority Statement, 25. 07. 2007, available at http://gnso.icann.org/en/issues/new-gtlds/pdp-dec05-fr-parta-08aug07.htm. In NCUC’s opinion the Program’s objection and rejection processes are far too broad and unwieldy to be put into practice. 17 Instructions for Completing the Registrar Accreditation Application, available at https:// www.icann.org/resources/pages/instructions-2014 - 02 - 05-en. 18 At https://www.icann.org/resources/pages/udrp-2012 - 02 - 25-en. 19 15 U.S.C. § 1125(d). The Anti-Cybersquatting Consumer Protection Act (ACPA) was enacted by U.S. Congress in 1999 to establish a cause of action for registering, trafficking in, or using a domain name confusingly similar to, or dilutive of, a trademark or personal name. Instead of suing in federal court under the ACPA, a trademark owner can choose to pursue an administrative proceeding under ICANN’s Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP) which allows a trademark owner to challenge domain name registrations in expedited administrative proceedings. See https://www.icann.org/resources/pages/udrp-2012 - 02 - 25-en.

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Program.20 These measures are meant to prevent access to the new gTLD system by those applicants who have an history of cybersquatting or equivalently undesirable cyber-behaviors, such as typosquatting, and phishing. To enhance public participation and make available a public comment forum where stakeholders can voice their concerns, the program provides for a public comment period when anyone (including individuals) may submit a comment at any stage of the evaluation process.21 While public comments do not constitute formal objections – the latter having been created to allow a full and fair consideration of objections based on certain limited grounds22 – and will not per se prevent an application from being evaluated, they will nevertheless be available to, and may be subsequently considered by, expert panels during a dispute resolution proceeding.

IV. ICANN’s Self-contained Dispute Resolution Procedure to Raise Objections against a New gTLD Application ICANN’s Dispute Resolution Procedure is designed to protect certain interests and rights. Four categories of objection may be raised within its framework.23 For each category, the expert deciding panel shall apply the standards that have been laid down by ICANN.24 In addition, the panel may refer to and base its findings upon the statements and documents submitted and any rules or principles that it determines to be applicable.25 The categories of objection laid down in ICANN’s New gTLD Program are: 1. Legal Rights Objection In a Legal Rights objection the objector alleges that the applied-for gTLD string infringes on the existing legal rights of the objector.26 Examples of these legal rights 20

Applicant Guidebook, Module 1, paras 1.2.1(m), 1 – 23 – 1 – 24. Applicant Guidebook, Module 1, para. 1.1.2.3. 22 See http://newgtlds.icann.org/en/program-status/odr for more information on objections. 23 Applicant Guidebook, Module 3. The various categories of dispute are administered by different Dispute Resolution Service Providers (DRSP) based upon the rights that are protected with each claim. Namely, the International Centre for Dispute Resolution (ICDR) administers disputes arising on the ground of string confusion; The Arbitration and Mediation Centre of the World Intellectual Property Organization (WIPO) administers disputes arising on the ground of legal rights; finally, the International Chamber of Commerce (ICC) administers disputes arising on the ground of Limited Public Interest as well as on grounds of community objection. See Module 3, para. 3.2.3. 24 Art. 20(a) of the Procedure, Applicant Guidebook, Attachment to Module 3. 25 Id. at Art. 20(b). 26 Applicant Guidebook, Module 3, esp. para. 3.5.2. On legal rights and new gTLDs see Lipton/Wong, 38 Monash University Law Review 188 (2012). 21

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that are internationally recognized include, but are not limited to, rights defined in the Paris Convention for the Protection of Industry Property (in particular, trademark rights),27 as well as intellectual property treaties administered by the World Intellectual Property Organisation (WIPO) and the WTO Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property (TRIPS).28 Only the holder of registered or unregistered trademarks or a service mark is acknowledged standing in this claim. 2. Limited Public Interest Objection In a Limited Public Interest objection, the objector alleges that the applied-for gTLD string is contrary to generally accepted legal norms of morality and public order that are recognised under international principles of law.29 These grounds are, to name a few: incitement to or promotion of violent lawless action; incitement to or promotion of discrimination based upon race, color, gender, ethnicity, religion or national origin, or other similar types of discrimination that violate generally accepted legal norms recognized under principles of international law.30 3. String Confusion Objection String confusion refers to the case where the applied-for string is confusingly similar to an existing gTLD or to another applied-for gTLD string.31 In fact, user confusion may arise from two or more similar gTLDs being delegated. Pursuant to ICANN’s Applicant Guidebook, “similar” means “strings so similar that they create a probability of user confusion if more than one of the strings is delegated into the root zone”.32 The procedure further specifies that “for a likelihood of confusion to exist, it must be probable, and not merely possible, that confusion will arise in the mind of the average, reasonable Internet user”,33 and “mere association, in the sense that the string brings another string to mind, is insufficient to find a likelihood of confusion”.34

27

Paris Convention for the Protection of Industrial Property of 20 March 1883 and subsequent amendments, consolidated text, available at: http://www.wipo.int/treaties/en/text. jsp?file_id=288514. 28 Text available at: http://www.wto.org/english/tratop_e/trips_e/t_agm0_e.htm. 29 Applicant Guidebook, Module 3, esp. para. 3.5.3. 30 Ibid. 31 Applicant Guidebook, Module 1, esp. para. 1.1.2.10 and Applicant Guidebook, Attachment to Module 3, esp. Art. 2(e)(i). 32 Applicant Guidebook, Module 3, esp. para. 3.5.1. 33 Ibid. 34 Ibid.

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4. Community Objection In a community objection, the objector alleges that there is substantial opposition to the new gTLD application from a significant portion of the community which the new gTLD string may explicitly or implicitly target.35 To qualify for standing for a community objection, the objector must prove it is “an established institution” and it has “an ongoing relationship with a clearly delineated community”.36 To evaluate whether the community is clearly delineated, the panel may consider, among others, the following factors: the level of public recognition of the group as a community at a local and/or global level; the level of formal boundaries around the community and which persons or entities are considered to form the community; the length of time the community has been in existence; the global distribution of the community; and the number of people or entities which make up the community.37 In considering whether the ‘clearly delineated community’ test is met, the procedure provides that the panel may consider, among others, the following factors: the number of expressions of opposition relative to the composition of the community; the representative nature of entities expressing opposition; the level of recognized stature or weight among sources of opposition; the distribution or diversity among sources of expressions of opposition, including (i) regional; (ii) subsectors of community; (iii) leadership of community; (iv) membership of community; the historical defence of the community in other contexts; and the costs incurred by the objector in expressing opposition, including other channels the objector may have used to convey opposition.38 The expert panel deciding a case shall “perform a balancing of the factors listed above, as well as other relevant information, in making its determination”.39 In order to fulfil the standing requirements, an objector is not required to demonstrate satisfaction of each and every factor considered.40 For a community objection to be successful on substantive grounds, the objector must prove that: (i) the community invoked by the objector is a clearly delineated community; (ii) community opposition to the application is substantial; (iii) there is a strong association between the community invoked and the applied-for new gTLD string;41 and (iv) the application creates a likelihood of material detriment to the rights or legitimate interests of a significant portion of the community

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Applicant Guidebook, Module 3, esp. para. 3.5.4. Applicant Guidebook, Module 3, esp. para. 3.2.2.4. 37 Ibid. 38 Ibid. 39 Ibid. 40 Ibid. 41 To evaluate the existence of a strong association between the string and the community, the panel may consider, among others, the following factors: statements contained in the application; other public statements by the applicant; and associations by the public. Applicant Guidebook, Module 3, esp. para. 3.5.4. 36

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which the string may explicitly or implicitly target,42 such (not better identified) rights or legitimate interests being the ultimate object of protection that ICANN’s New gTLD Dispute Resolution Procedure aims at furthering by means of the community objection.43 To assess the existence of material detriment to the members of the community, the procedure advises the panel to use, among others, the following factors: nature and extent of damage to the reputation of the community represented by the objector that would result from the applicant’s operation of the applied-for gTLD string; evidence that the applicant is not acting or does not intend to act in accordance with the interests of the community or of users more widely, including evidence that the applicant has not proposed or does not intend to institute effective security protection for user interests; interference with the core activities of the community that would result from the applicant’s operation of the applied-for gTLD string; dependence of the community represented by the objector on the DNS for its core activities; nature and extent of concrete or economic damage to the community represented by the objector that would result from the applicant’s operation of the applied-for gTLD string; and level of certainty that alleged detrimental outcomes would occur.44

V. Objections Brought against Applications for Sports-related Domain Names in the Framework of the New gTLD Dispute Resolution System Seven objections were raised against applications for sports-related domain names using the New gTLD Dispute Resolution System: namely, one string confusion objection and six community objections.

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To assess the existence of material detriment to the members of the community, the procedure advises the panel to use, among others, the following factors: nature and extent of damage to the reputation of the community represented by the objector that would result from the applicant’s operation of the applied-for gTLD string; evidence that the applicant is not acting or does not intend to act in accordance with the interests of the community or of users more widely, including evidence that the applicant has not proposed or does not intend to institute effective security protection for user interests; interference with the core activities of the community that would result from the applicant’s operation of the applied-for gTLD string; dependence of the community represented by the objector on the DNS for its core activities; nature and extent of concrete or economic damage to the community represented by the objector that would result from the applicant’ s operation of the applied-for gTLD string; and level of certainty that alleged detrimental outcomes would occur. Applicant Guidebook, Module 3, esp. para. 3.5.4. 43 Applicant Guidebook, Module 3, esp. para. 3.5.4. 44 Ibid.

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1. String Confusion Objection against the .sports String In the string confusion objection brought against the applied-for .sports string,45 the objector – which applied for the .sport new gTLD – alleged that, since “sports” is the plural of “sport”, a significant degree of confusion would ensue if both strings (.sports and .sport) were used in the DNS. In fact, the objector argued that a significant degree of confusion would occur between any gTLD string that is understood to be the plural of another gTLD string. Having established that the objector had legal standing to file a string confusion objection in that it was also applicant for a new gTLD .sport,46 the expert panel observed that, for a string confusion to exist, a string must so nearly resemble another string that it is likely to deceive or cause confusion. Accordingly, a resemblance must occur between the string of the objector and the string of the applicant. The expert panel indicated that, while the test for string confusion is primarily visual, this test is to be supplemented by comparison of similarities other than visual. In fact, as emphasized in the provision on ICANN’s initial evaluation designated “string review”: “The visual similarity check that occurs during the initial evaluation is intended to augment the objection and dispute resolution process that addresses all types of similarity” (emphasis added).47 Therefore, while visual similarity is the primary evaluation in a string confusion analysis, in its assessment the expert panel is expected to examine other resemblances as well. For instance, additional similarities may be provided by aural and semantic resemblances. However, as these additional similarities are not enumerated in the requirements laid down in the New gTLD Dispute Resolution System, they are left to the panel’s discretion. In its determination in the .sports case, the expert panel undertook a comparative analysis and balancing of different factors. First, they observed that, in the case at hand, the two proposed new gTLDs displayed several similarities. While the two were visually different, as the gTLD proposed by the applicant added a final “s” to the word sport that was absent from the gTLD proposed by the objector, such difference was the only visual difference.48 On the other hand, as the expert panel noted, 45

ICDR, SportAccord v. Steel Edge LLC, expert determination available at https:// newgtlds.icann.org/sites/default/files/drsp/25sep13/determination-2–1 – 1614–27785-en.pdf. 46 See Section 3.2.2.1, Module 3 of the Applicant Guidebook where it states that “any applicant in this application round may file a string confusion objection to assert string confusion between an applied-for gTLD and the gTLD for which it has applied where string confusion between the two applicants has not already been found in the Initial Evaluation”. 47 Applicant Guidebook, Module 2, para. 2.2.1.1. 48 The same line of reasoning is found in the expert determination on the string confusion objection over .pet/.pets, where the expert panel found singulars and plurals to be confusingly similar: ICDR, Charleston Road Registry Inc. v. John Island, LLC available at https:// newgtlds.icann.org/sites/default/files/drsp/25sep13/determination-1–1 – 1578–44109-en. pdf. Sed contra, the expert determination on the string confusion objection over .hotel/.hotels in ICDR, Hotel Top-Level-Domain Sarl v. Booking Dot Com BV, available at https://newgtlds. icann.org/sites/default/files/drsp/25sep13/determination-3 – 1 – 1016 – 75482-en.pdf where the

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the two terms exhibit common features that are likely to deceive or cause confusion in the mind of the average, reasonable Internet user. For instance, while in English the terms “sport” and “sports” are not pronounced in the exact same manner, they do sound similar. Additionally, the two terms are pronounced exactly the same in French, which is the primary spoken and written language for a substantial part of the global population. Furthermore, the expert panel rejected the applicant’s argument that in English “sport” and “sports” are two different nouns and stated that, to the contrary, the two words clearly address the same activity: in fact, the word “sport” is not only a singular noun referring to one of many sports practiced around the world, but it is also a collective noun referring to all the practices that are designated as “sports”. For instance, the expressions “sport world” and “sports world” designate the exact same context. The same happens with respect to expressions such as “sport wear” and “sportswear” and “sport coat” or “sports coat”. Accordingly, these features led the expert panel to conclude that it was probable that confusion would arise in the mind of the average, reasonable Internet user, and therefore to sustain the objection. Overall, this expert determination is the result of careful analysis and balancing of factors. Ultimately, in this case the expert panel grounded their decision on the extent of the overlap of the similarities displayed by the two strings: namely, they took into account that the words look very similar, sound very similar in English and sound the same in French, and that they can be used interchangeably as nouns and as adjectives in English to indicate the panorama of sporting activities. Regretfully, comparable cases had a different outcome. While a line of reasoning similar to that laid out in the .sport/.sports case is found in the expert determination on the string confusion objection over .pet/.pets, where the expert panel found singulars and plurals to be confusingly similar,49 in the expert determination on the string confusion objection over .hotel/.hotels the expert panel was adamant in finding the two strings not similar for the purposes of ICANN’s New gTLD Dispute Resolution Procedure.50 This lack of consistency – which may be ascribed to the fact that expert determinations rendered in the framework of ICANN’s New gTLD Dispute Resolution Procedure may pragmatically be described to a large extent as expressions of the expert panel’s opinion – certainly operates to the detriment of predictability and equanimity in the solutions rendered in the framework of ICANN‘s New gTLD system, and in perspective is likely to affect also sports-related New gTLDs.

expert panel found the two strings not similar pursuant to ICANN’s New gTLD Dispute Resolution Procedure. 49 ICDR, Charleston Road Registry Inc. v. John Island, LLC available at https://newgtlds. icann.org/sites/default/files/drsp/25sep13/determination-1 – 1 – 1578 – 44109-en.pdf. 50 ICDR, Hotel Top-Level-Domain SARL v. Booking Dot Com BV, available at https:// newgtlds.icann.org/sites/default/files/drsp/25sep13/determination-3 – 1 – 1016 – 75482-en.pdf.

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2. Community Objections against Sports-related Strings Six community objections were decided on the application for sports-related new gTLDs. These objections tackled the following strings: .basketball, .polo, .rugby, .ski, .sport, and .sports. In all claims, the objector succeeded in establishing standing; only in one claim (the .basketball string) did the applicant ultimately prevail.51 Looking at the statistical data and percentage rates of success of community objections, the objector prevailed only in 12 out of the 104, or 11.53 %, of community objections over non-sports-related gTLDs during the first application window for new gTLDs in 2012. However, for community objections raised against the application for sports-related new gTLDs the objector prevailed in 5 out of 6 applications or 83.3 % of the time which is a significant difference. In investigating the reasons for such a discrepancy in the outcome of community objections over sports-related strings as opposed to non-sports-related strings, part of the focus appears to be on the second prong of the standing requirements, i. e. the requirement that the objector prove that, in addition to being “an established institution”, it has “an ongoing relationship with a clearly delineated community”.52 Looking at the first prong of the standing requirements, factors that may be considered in making the determination that the objector is “an established institution” include, but are not limited to, the level of global recognition of the institution; length of time the institution has been in existence; and public historical evidence of its existence such as the presence of a formal charter, or national or international registration, or validation by a government or inter-governmental organization or treaty. As to the second prong, with regard to the objector’s claim that it is bringing the objection “on behalf of a clearly delineated community”, according to the final report of the Generic Names Supporting Organization (GNSO) the term “community” should be “interpreted broadly and will include, for example, an economic sector, a cultural community, or a linguistic community”.53 Pursuant to the Applicant Guidebook, factors that may be considered whether the “community” identified by the objector is “clearly delineated” “include, but are not limited to… the level of formal boundaries around the community”. To evaluate whether the community is clearly delineated, the expert panel may consider, among others, the following factors: the level of public recognition of the group as a community at a local and/or global level; the level of 51 See ICC, Case No. Exp/442/ICANN/59 Fédération Internationale de Basketball (Switzerland) v. Dot Basketball Limited (Gibraltar), consolidated with Case No. Exp/503/ICANN/ 120 Fédération Internationale de Basketball (Switzerland) v. Little Hollow, LLC (USA). Eventually, the applicant prevailed as a result of the fact that the objector failed to prove the likelihood of the material detriment pursuant to Applicant Guidebook, Module 3, esp. para. 3.5.4. 52 See supra, para IV.4. 53 ICANN Generic Names Supporting Organization, Final Report, Introduction of New Generic Top-Level Domains, 8. 8. 2007, Part A: Final Report – Introduction of New Generic Top-Level Domains, available at http://gnso.icann.org/en/issues/new-gtlds/pdp-dec05-fr-parta08aug07.htm.

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formal boundaries around the community and which persons or entities are considered to form the community; the length of time the community has been in existence; the global distribution of the community; and the number of people or entities which make up the community. The community objection raised against the .book string, brought by Rakuten against Amazon, provides a vivid example of the difficulties that an objector may face in establishing that it has “an ongoing relationship with a clearly delineated community” when the objection tackles a non-sports-related new gTLD.54 In fact, in the .book case the objection failed exactly on standing grounds and squarely on the second prong. Rakuten was able to satisfy the first prong of the requirements on standing: in fact, it was incorporated in 1997; it established Rakuten Books Inc. in 2000; it started its expansion outside Japan in 2005; and acquired the Canadian e-book reader company Kobo in 2012. Accordingly, the expert panel concluded that Rakuten met the first prong of the standing requirement to the extent that it is an “established institution”. As regards the “community” component to the definition of “institution” pursuant to the first factor under subsection 3.2.2.4 of Module 3 of the Applicant Guidebook, Rakuten argued that the community it represented is comprised of 10 million users across 190 countries of its Kobo reading devices (similar to the Kindle). However, the expert panel observed that, beyond a cursory reference to its “eBook platform”, which can be accessed and used by Rakuten’s customers, and to Rakuten’s proven membership, governance structure and activities, the objector made no attempt to establish the presence of the “community” factor. The second factor under subsection 3.2.2.4 of Module 3 of the Applicant Guidebook refers to an “institutional purpose related to the benefit of the associated community”. Again, the objector failed to demonstrate that its purpose is related to the benefit of the community it claims to represent. Like any publicly-traded corporation, Rakuten’s primary purpose is profit for the benefit of its shareholders and it may generate benefits for its customers as a means to achieve this primary purpose. The third factor under subsection 3.2.2.4 of the Applicant Guidebook refers to the “performance of regular activities that benefit the associated community”. Beyond a casual reference to Rakuten’s online and offline distribution networks being “active” in both the online and offline book publishing and distribution business, the expert panel held that the objection lacked any attempt to demonstrate the performance of regular activities that benefit the associated community. The last factor under subsection 3.2.2.4 of Module 3 of the Applicant Guidebook goes more directly to the identification of the “community”, and it refers particularly to “the level of formal boundaries around the community. However, as observed by the expert panel, Rakuten made no attempt to show that it provides any participatory mechanism to members of the community it represents. Accordingly, Rakuten failed to demonstrate the existence of formal boundaries around the community it claimed to represent. Because Rakuten

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Case No. Exp/453/ICANN/70 Rakuten, Inc. (Japan) v. Amazon EU SARL (Luxembourg).

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was unable to meet the second prong of the requirement for standing to bring a community objection, the applicant prevailed. The .book case clearly depicts the complexity for an objector to prove that it is bringing the objection “on behalf of a clearly delineated community” under the standards put forth by ICANN’s New gTLD Dispute Resolution Procedure. While one may wonder whether Rakuten could in fact have the ambition to represent the “book community” on the basis of the allegations it made, the real question appears to be whether any entity at all has the said characteristics. In fact, regardless of whether the “book community” may be considered to encompass the vast majority of the global population (and, therefore, it may qualify as a “clearly delineated community”), identifying a long established entity that has “an ongoing relationship” with it is a totally different matter. Similar difficulties stood in the way of objectors being acknowledged standing in a significant number of other cases concerning non-sports-related strings.55 On the contrary, these difficulties do not seem to arise in community objections against the application for a sports-related new gTLD, where meeting the conditions laid down in the second prong of the standing requirement appears to be significantly more accessible. In the objection raised against the application for the .basketball string by the Fédération Internationale de Basketball,56 the expert panel noted that the basketball community, as defined by the objector, has existed for decades and brings together under the objector’s leadership member basketball federations from over 200 countries. Together, these federations sponsor more than 100,000 basketball clubs involving millions of players on all continents. The objector’s purpose is to promote basketball throughout the world. As the sole competent authority in basketball recognized by the International Olympic Committee, the objector does this through regular activities that benefit the basketball community. These include establishing the rules and regulations for international and Olympic basketball competitions, governing the appointment of international referees, regulating the transfer of players from one country to another and governing all international basketball competitions. In light of this, the expert panel found that the basketball community is a “clearly delineated community” with which the objector has an “ongoing relationship”. The basketball community does not encompass every person who plays basketball or every basketballrelated organization, but it does encompass an extensive network of basketball organizations and leagues under the leadership of the objector that spans the globe and in55

For a detailed and comprehensive analysis of such difficulties see esp. the expert determination in the .shop case, ICC, Case No. Exp/450/ICANN/67 Japan Association of New Economy (Japan) v. Amazon EU SARL (Luxembourg). See also, inter alia, the .music case, ICC, Case No. Exp/470/ICANN/87 American Association of Independent Music (A2IM) (USA) v. Entertainment Names Inc. (British Virgin Islands); and the .health case, ICC, Case No. Exp/505/ICANN/122 ICANN At-Large Advisory Committee (USA) v. Goose Fest, LLC (USA). 56 See ICC, Case No. Exp/442/ICANN/59 Fédération Internationale de Basketball (Switzerland) v. Dot Basketball Limited (Gibraltar).

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volves millions of players. In light of this, there is a likely association in the minds of many people between the word “basketball” and the basketball community. Accordingly, the expert panel considered this association sufficient to support a finding that the basketball community is “strongly associated” with the .basketball new gTLD. In the community objection against the application for the .polo string57 the objector, the United States Polo Association (USPA), succeeded in proving that it is an “established institution” by asserting that it is an institution formed in 1890; it was recognized in 2008 by the International Olympic Committee; and it is a full member of the Federation of International Polo, the global governing body of the sport of polo. As regards the second prong of the standing requirements, it was uncontested that the polo sports community is a delineated community consisting of polo clubs, polo players and polo fans sharing an interest in the promotion of the sport of polo. The expert panel deemed it irrelevant that the objector was only one of the three members of the global governing body of the sport. In fact, the expert panel observed that the Applicant Guidebook does not restrict standing to the most representative entity of the community’s interests. USPA is a prominent member of the polo sports community; it represents, at a regional level, the interests of the US polo sports community; and, at the international level, it constantly participates in the governance of the Federation of International Polo. USPA’s established institutional leadership is accompanied by the performance of a number of activities to the benefit of the polo sports community, such as the promulgation of the standard rules for polo in the US, the provision of umpire services, the arrangement of polo tournaments both in the US and abroad, and the selection of US élite team polo players. The expert panel dismissed as unconvincing the applicant’s allegation that USPA’s objection purports not to represent the interests of the polo sports community but rather to promote the sales of its trademark USPA products worldwide. As observed by the expert panel, profitable activities of USPA do not deprive it of its ongoing connection with the polo sports community: it is a truism that a modern sport is largely financed by sponsoring and merchandising activities. Even the assumption that USPA does not direct the profits made by sales of its products to the benefit of the sports of polo was deemed by the expert panel as incapable of affecting USPA’s standing in the community objection. Accordingly, USPA succeeded in establishing its standing in the proceedings. In the claim over the .rugby string,58 the expert panel held that the objector, International Rugby Board Ireland, fully met the condition under the second prong of the standing requirement. Participants in the rugby community are an “identifiable group of individuals sharing specific interests or characteristics”. To see a demonstration of that sharing of interests and characteristics, it is sufficient to stand on the edges of a 57

ICC, Case No. Exp/452/ICANN/69 United States Polo Association, Inc. (USA) v. Ralph Lauren Corporation (USA). 58 ICC, Consolidated Expert Determination International Rugby Board (Ireland) v. Dot Rugby Limited (Gibraltar) Exp/517/ICANN/132 (C. Exp/519/ICANN/134) International Rugby Board (Ireland) v. Atomic Cross, LLC (USA) Exp/519/ICANN/134 (C. Exp/517/ ICANN/132).

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dispute between rugby partisans and cricket partisans (a feature which is indeed also common to most, if not all, sports). Moreover, the boundaries of the rugby community are set by its players, fans, organizations, teams and clubs, tournaments, and other economic and social stakeholders. While the applicants appeared to argue implicitly that ICANN rules require one and only one representative of the community, the expert panel stated that the fact that several associations exist in support of different configurations of rugby play does neither undermine the existence of a global rugby community nor prevent objector from asserting a community objection on behalf of that community. The expert panel concluded that the fact that members of the global rugby community may have diverse goals, values or interest does not preclude them from sharing at the same time similar goals, values and interests such as participation in and promotion of the sport in its many variants. In the objection against the .ski string,59 the objector, the Fédération Internationale de Ski, succeeded in proving its standing by providing a detailed account of its creation, its history, its current membership, and its extensive activities as the international governing body of ski sport. The expert panel agreed with the objector’s argument that the ski “community” is highly organized on local, national, and international levels. The objector was clearly delineated by way of its organizational structure, its values, and specialized equipment and resorts. As stated in the expert determination, (i) the capacity of the Fédération which is recognized by the International Olympic Committee as having sole authority to govern and regulate ski sport on a global level and to organize the ski sport events at the Winter Olympic Games; (ii) its 115 member national federations (from all five continents) who are tasked to govern and regulate ski sports on behalf of the Fédération at the national level, directing the development and promotion of ski sport both as a recreational pastime and as a competitive activity; and (iii) its steady presence at local (the local and regional ski clubs and ski schools), national and international level are all elements that clearly point to the Fédération as being an “established institution” which has “an ongoing relationship with a clearly delineated community”. Likewise, in the community objection brought by SportAccord against the application for the .sport string, the length of time that the objector has been in existence – almost half a century – was considered sufficient by the expert panel to consider SportAccord as a long established institution. Additionally, the expert panel noted that the objector also met the standard of “global recognition”, as mentioned in the Applicant Guidebook, since it has a very large membership of 91 international sports federations and 16 organizations related to sports. The expert panel dismissed the applicant’s argument that relied on a survey according to which the objector is hardly known to the majority of the public surveyed. It was the expert panel’s view that the level of global recognition of any institution should be analysed within the context of the community that such institution is claiming to be a part of, not the 59 ICC, Case No. EXP/421/ICANN/38, Fédération Internationale de Ski (Switzerland) v. Wilde Lake, LLC (USA).

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public in general. As concerns the issue of whether an objector has an ongoing relationship with a clearly delineated community, the expert panel was not convinced by the applicant’s argument that challenged the objector’s standing on the grounds that it only has an on-going relationship “with a particular subset of stakeholders” and not the community as a whole. As the expert panel recalled, the Applicant Guidebook does not require that an “entire” community agree on an objection to an application. In fact, it would be almost impossible for an institution to represent any community as a whole, especially a community as comprehensive as the sport community, which extends beyond the borders of a single sports activity to embrace the concept of sport overall. As the expert panel observed, regardless of the fact that the objector may not represent the “entire” sport community, it acts for a preponderant part of such community. Moreover, the expert panel stated that it is difficult to imagine which other association may claim to be representative of the sport community besides an institution that represents, as the objector did, more than a hundred well-known sports federations and institutions related to sports. Finally, the objector, as an institution that represents multiple sports federations, has explicitly foreseen – through its statutes – different mechanisms for participation in activities, membership and leadership among the sport federations and organizations. In analysing the objector’s statutes, it is clear that membership is open to any sport organisation which assembles the majority of the National Federations (or organisations) throughout the world practising its sport and regularly holding international competitions, and “any sport organisation which groups together the activities of several members… for the purpose of organising competitions”.60 Therefore, membership, far from being closed and exclusive, is accessible to any organization which complies with these minimum standards. Accordingly, the expert panel was of the view that the objector’s “community”, which includes multiple organizations associated with sports, was “clearly delineated” for the purpose of objecting to the application for .sport gTLD. Finally, in the objection raised by SportAccord against the applied-for .sports string, the expert panel especially focused on the hierarchical structure in the governance of sports: in the expert’s view, the “clearly delineated community” requirement is fully satisfied by a community of individuals and organizations who associate themselves with organized sports, i. e. sports that are sanctioned and conducted in accordance with a common set of rules that are applied and enforced throughout the sports thorough a pyramid system of governance and control that has the International Olympic Committee and the international federations at its apex, member regional federations below them, member national federations below them, and regional, league, club and individual members below them.

60 See Art. 6(a)-(b) of the Statutes of SportAccord, available at http://www.sportaccord. com/upload/SportAccord%20Statutes%202014.pdf.

Sports-related Domain Names and Dispute Resolution System

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VI. Concluding Remarks Overall, it appears that, in objections over sports-related new gTLDs, the objector stands good chances of prevailing. However, while the sole string confusion decision over a sports-related new gTLD – albeit certainly sound in reasoning – only provides limited basis for debate, the striking inconsistency in the determinations of the expert panels on absolutely comparable issues clearly indicates that the standards laid down by ICANN on the similarity and resemblance of strings and the potential confusion stemming therefrom are overly elusive. The sequence of decisions on community objections over sports-related strings certainly offers more ground for discussion. As seen, on the issue of standing, community objections over sports-related new gTLDs are more prone to success than similar objections raised against non-sports-related new gTLDs. Unlike other sectors of human interactions and activities, where proving standing and particularly that the objector has “an ongoing relationship with a clearly delineated community” appears especially complex and burdensome – regardless of how developed and expanded the activity is (see, for instance, the example of the “book community”, to which the vast majority of the global population would undoubtedly feel affiliated, and yet it remains uncertain which entity might actually represent the community under the standards laid down in the Applicant Guidebook) – in community objections over sports-related gTLDs the objector benefits from the fact that the world of sports is structured in a way that inherently facilitates success in proving standing. Elements that are common among sports organizations and federations, and are clearly conducive to success in evidencing that the said entities have “an ongoing relationship with a clearly delineated community” are, inter alia: recognition of the objector by the International Olympic Committee; governance of the given sports activity by establishing the rules and regulations for international and Olympic competitions; representation, at a regional level, of the interests of the given sports community; governance of the appointment of international referees; regulatory activity of the transfer of players from one country to another; and authority over competitions at local, regional and/or international level. Mechanisms for participation in activities, membership and leadership are at the core of any sports organization, and certainly contribute to a positive outcome with respect to proving standing in Community objections. While this may obviously be welcome by sports associations as an element of predictability and control over the gTLDs that are related to the activity in which they are directly involved, it is regrettable that the same is not always true for other (at times, more crucial) contexts, where this element of control is likely to be significantly affected because of the difficulties in evidencing, pursuant to ICANN’s standards, a community and its relationship with the objector – possibly to the detriment of the community and the Internet end-users – over the gTLDs that are directly linked to the core of their activities.

Materielle Rechtmäßigkeit von finanziellen Dopingsanktionen nach deutschem und europäischem Recht Das Beispiel der UCI-Ehrenerklärungen im Radsport Patrick Meier I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ehrenerklärung und ihre Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgeschichte und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschluss und Inhalt der Ehrenerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Qualifikation der Ehrenerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sanktion als Vereinsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Normen- und Vertragstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Folgen für die Einordnung der Ehrenerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Überprüfbarkeit der Ehrenerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirksamkeit der Ehrenerklärung nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wucher, Knebelung oder Gläubigergefährdung? . . . . . . . . . . . . . . (b) Ausnutzung einer Monopolstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Straffördernde Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Straffeindliche Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Weitere Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . (2) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Exkurs: Zulässige Höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige zwingende Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kartellrechtswidrigkeit gegenüber den Sportlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kartellrechtswidrigkeit gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirksamkeit der Ehrenerklärung nach europäischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europäisches Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit des Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verstoß gegen Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unternehmensvereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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(c) Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten . . . . (e) Freistellung gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Verbesserung der Warenerzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Angemessene Beteiligung der Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . (cc) Unerlässlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Kein Ausschluss des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verstoß gegen Art. 102 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kartellrechtswidrigkeit gegenüber den Athleten . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kartellrechtswidrigkeit gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Doping ist ein umfassendes Problem für den Sport insgesamt. Die mehr oder weniger systematische Täuschung über die eigene Leistungsfähigkeit macht weder an Staatsgrenzen halt, noch ist sie auf einzelne Sportarten beschränkt. Besonders starke Dopingvorwürfe und eine hohe Anzahl an überführten Dopingtätern finden sich in den klassischen Kraft- und Ausdauersportarten wie der Leichtathletik, dem Ringen und dem Gewichtheben sowie natürlich nicht zuletzt in dem ständig im Fokus der öffentlichen Beobachtung stehenden Radsport. Die jüngsten Enthüllungen über offenbar systematisches Doping im Bereich der Leichtathletik sind nur eine weitere Fortsetzung der bereits seit Langem bekannten Dopingskandale, von denen nur exemplarisch BALCO, Fuentes und die nach wie vor nicht aufgeklärten Fragen bezüglich der Freiburger Sportmedizin genannt werden sollen. Der Schaden durch solche Ereignisse für die jeweilige Sportart ist immens. Als unmittelbare Folge droht die Rücknahme von Sponsorengeldern ebenso wie der Verlust staatlicher Förderung. Doch die mittelbaren Folgen wiegen oftmals noch schwerer. Sportarten, bei denen es wiederholt zu Dopingvergehen gekommen ist, verlieren ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit. Sie werden von dieser nicht mehr als „echter“ Sport wahrgenommen, sondern unterliegen dem Verdikt, dass die siegreichen Sportler ihren Erfolg wohl nur infolge von Doping und damit durch Täuschung erzielen konnten. Jüngst ließ sich dies eindrucksvoll an den Reaktionen auf den Sieg von Chris Froome bei der Tour de France beobachten. Eine solche Einbuße an Vertrauen der Öffentlichkeit führt zu einem rapiden Verlust des Interesses an der Sportart und damit zu massiven Einnahmeeinbrüchen. Nicht nur ist mit signifikant weniger Zuschauern bei der Veranstaltung selbst zu rechnen, auch das Medieninteresse geht schlagartig zurück – und damit zum einen die Aufmerksamkeit und zum anderen die daraus folgenden Zahlungen, so dass der Sportart erhebliche Finanzierungsprobleme drohen.

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Dem Kampf gegen das Doping wird aus diesem Grund nicht nur aus ideologischen, sondern vor allem auch aus handfesten wirtschaftlichen Gründen von Seiten der Sportverbände – jedenfalls in öffentlichen Stellungnahmen – höchste Priorität eingeräumt. Neben der Prävention und der Verbesserung der Analyse- und Nachweismethoden befindet sich stets auch eine Verschärfung oder Veränderung der Sanktionen gegen die Täter auf der Agenda. Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Kampfes gegen Doping zeigen nicht zuletzt die legislativen Überlegungen und Maßnahmen, auch in Deutschland ein Anti-Doping-Gesetz einzuführen, das erstmalig das Doping selbst strafrechtlich erfasst. Einen eigenständigen Weg hat demgegenüber der Weltradsportverband UCI beschritten, der mittels einer Ehrenerklärung, die insbesondere eine finanzielle Dopingsanktion vorsah, versuchte, Doping effektiv zu bekämpfen.

II. Die Ehrenerklärung und ihre Wirksamkeit 1. Vorgeschichte und Ziele Die Geschichte der Ehrenerklärung der UCI reicht bis in das Jahr 2007 zurück. An ihrem Anfang stand der erste große Dopingskandal des Radsports, in dem eine Vielzahl nicht mehr aktiver Sportler eigene Verfehlungen in ihrer aktiven Zeit öffentlich eingestand und damit den Ruf des ohnehin angegriffenen Radsports erheblich beschädigte. Die Aussagen des früheren Siegers der Tour de France und aktiven sportlichen Leiters Bjarne Riis sowie der ehemaligen deutschen Spitzenfahrer Erik Zabel, Udo Bölts und Rolf Aldag wurden von einem erheblichen Medienecho begleitet, so dass über die Vergehen umfassend berichtet und der Sport insgesamt öffentlich als dopingbelastet wahrgenommen wurde.1 Als unmittelbare Folge dieses Skandals, verstärkt durch die Dopingüberführung von Patrik Sinkewitz,2 brachen die öffentlichrechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF ihre Live-Berichterstattung von der Tour de France 2007 ab3 und zogen sich für die folgenden sieben Jahre zurück,4 so dass erhebliche Verluste bei Ausrichtern und Verband entstanden. In der Folge entwickelte der Weltradsportverband als Reaktion die Ehrenerklärung, die zum einen eine aktive und schwerwiegende Dopingsanktion für die Sportler begründen und zum anderen ein deutliches Signal an die Öffentlichkeit senden sollte, dass Dopingvergehen durch die Verbände nicht geduldet würden.5 Begleitet wurde diese Neuerung durch eine Medienoffensive, um die gewünschten Effekte zu errei1 Siehe nur die Berichte in der SZ v. 25. 05. 2007, S. 33; v. 26. 05. 2007, S. 37 und v. 29. 05. 2007, S. 25 sowie in der FAZ v. 26. 05. 2007, S. 39; v. 27. 05. 2007, S. 14 und v. 29. 05. 2007, S. 28. 2 SZ v. 19. 07. 2007, S. 1; v. 20. 07. 2007, S. 3; FAZ v. 19. 07. 2007, S. 28. 3 SZ v. 18. 07. 2007, S. 1; v. 19. 07. 2007, S. 1; FAZ v. 19. 07. 2007, S. 1. 4 Seit der Tour de France 2015 sind in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten wieder Livebilder zu sehen: SZ v. 05. 01. 2015, S. 26; FAZ v. 05. 01. 2015, S. 9. 5 Siehe hierzu auch Entscheidung des CAS v. 30. 08. 2010, Rn. 3.17 ff.

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chen.6 Hier zeigen sich deutlich die Doppelinteressen der Verbände, die einerseits die Förderung des Sports und des durch ihn verwirklichten Gedankens der Bestenauslese und des fairen Wettkampfs, andererseits aber stets auch eigene wirtschaftliche Ziele im Blick haben. 2. Abschluss und Inhalt der Ehrenerklärung Die faktische Verpflichtung zum Abschluss einer Ehrenerklärung richtete sich an die Spitzenfahrer der UCI, die die höchsten Lizenzkategorien erlangen wollten. Soweit diese nicht bereit waren, die gewünschte Erklärung abzugeben, wurde ihnen von Seiten der UCI die Ausstellung der Lizenz und damit die Teilnahme an den offiziellen Rennen verweigert. Dies galt insbesondere für die Fahrer bei der Tour de France, die ohne die Erklärung nicht startberechtigt gewesen wären. Vor diesem Hintergrund waren letztlich alle Sportler, auf die die Bedingungen zutrafen, bereit, die Erklärung abzugeben. Inhaltlich war die Abrede zweigeteilt. Zunächst versicherte der Sportler, dass er keine verbotenen Substanzen oder Methoden zur Leistungssteigerung einsetzen und somit jede Form des Dopings unterlassen werde. Insoweit brachte die Ehrenerklärung keine Neuerungen, da diese Verpflichtung bereits durch die bestehenden Reglements der UCI, der nationalen Verbände sowie der nationalen und internationalen Anti-Doping-Agenturen statuiert wurde. Eine spürbare Änderung des status quo begründete dagegen der zweite Teil. Durch ihn verpflichtete sich der Athlet, im Falle der Zuwiderhandlung als Strafe ein Jahresgehalt zu Gunsten des Radsportverbands zu entrichten. Die wesentliche Neuerung bestand darin, dass nunmehr nicht nur sportimmanente Sanktionen, insbesondere Wettkampfsperren und die Aberkennung von erzielten Preisen, sondern auch Strafen vorgesehen wurden, die unmittelbar in das bestehende Vermögen eingriffen. Es kam damit zu einer Form der Bestrafung, die über den sportinternen Bereich hinausging. Der CAS behandelte die Ehrenerklärung in der Folge allerdings als unwirksam, da er ihr den Rechtsbindungswillen absprach.7 Vielmehr ging das Schiedsgericht davon aus, dass die Ehrenerklärung eine rein informelle Absichtserklärung darstelle und daher nur programmatischen Charakter habe.8 Aus diesem Grund sei es der UCI verwehrt, Athleten nach Ablauf ihrer Dopingsperre nur deshalb keine neue Lizenz auszustellen, weil sie die Strafzahlung nicht erbracht hätten.9 Inhaltlich kann diese Auffassung nicht überzeugen, da sich ganz im Gegenteil keine Anhaltspunkte dafür fin6

SZ v. 21. 06. 2007, S. 33; v. 02. 08. 2007, S. 7; FAZ v. 03. 08. 2007, S. 31. Entscheidung des CAS v. 30. 08. 2010, Rn. 3.14 ff. 8 Entscheidung des CAS v. 30. 08. 2010, Rn. 3.17 ff. 9 Im konkreten Fall betraf die Entscheidung den kasachischen Fahrer Alexandre Vinokourow, der nach Ablauf seiner Dopingsperre wegen fehlender Entrichtung der Strafzahlung von den Wettkämpfen der UCI ausgeschlossen blieb, da der Verband ihm keine neue Lizenz gewährte. 7

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den lassen, dass den Parteien der Rechtsbindungswille gefehlt hätte.10 Vielmehr zeigt gerade der Umstand einer konkret vereinbarten Sanktion, dass die Parteien die Einhaltung der Regelungen wollten und eine wirksame und effektive Strafe beabsichtigten.11 Eine Auslegung solcher Abreden als unverbindlich erweist sich damit als unhaltbar. 3. Rechtliche Qualifikation der Ehrenerklärung a) Sanktion als Vereinsstrafe Verbreitet wird vertreten, vereinsinternen Strafmaßnahmen sei, jedenfalls soweit sie auf einer satzungsmäßigen Anordnung beruhten, eine Sonderstellung zuzubilligen. Sanktionen, die durch Vereine oder Verbände gegenüber ihren Mitgliedern verhängt würden, seien keine Vertragsstrafen im Sinne der §§ 339 ff. BGB, sondern müssten als besonderes Rechtsinstitut der Vereinsstrafe aufgefasst werden.12 Insbesondere die Rechtsprechung hängt dieser These an und vertritt sie ständig.13 Neben der rein materiell-rechtlichen Qualifikation zeitigt dieses Verständnis auch Auswirkungen auf die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung.14 In der jüngeren Judikatur finden sich zur Begründung außer Verweisen auf frühere Entscheidungen keine Ausführungen.15 Der Ausgangspunkt für diese Linie ist aber die Vereinsautonomie, die nicht nur die Selbstverwaltung, sondern auch die Selbstgesetzgebung garantiere.16 b) Normen- und Vertragstheorie Grundlegend für die Differenzierung von Vereins- oder Vertragsstrafe ist allerdings nicht das Verständnis der Vereinsautonomie, sondern ein alter, in der Literatur nach wie vor ungeklärter Streit über die Rechtsnatur der Satzung.17 Insoweit stehen sich die Normen- und die Vertragstheorie gegenüber. Die erste Auffassung geht – ur10

Meier, Dopingsanktion durch Zahlungsversprechen, 2015, S. 92 ff. Meier (Fn. 10), S. 93 f. 12 Beuthin, BB 1968, Beilage 12, 6; Gehrlein, ZIP 1994, 852; Kübler, Gesellschaftsrecht, 1998, § 33 IV. 2c); Soergel/Lindacher, Vor §§ 339, Rn. 44; Meyer-Cording, Die Vereinsstrafe, 1957, S. 60 ff.; ders., JZ 1957, 124; ders., JZ 1959, 649 (650); ders., NJW 1966, 225 (226 ff.); Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 7. Aufl. 2007, Rn. 2705; Röhricht, AcP 189 (1989), 386 (390 f.); Vieweg, JuS 1983, 825 (827). 13 RG, JW 1927, 691 (692); JW 1928, 2208; JW 1928, 2209 (2210); BGHZ 21, 370 (373); 36, 105 (114); 47, 172 (174 f.); 47, 381 (384); 87, 337 (344 f.); 102, 265 (277). 14 So auch Hadding, FS Fischer, 1979, 165 (176 f.); Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 324 f.; ders., JuS 1983, 825 (827). 15 So exemplarisch: OLG Hamm, OLGR 2008, 710 (711); OLG Köln, SpuRt 2007, 28 (29). 16 So ausdrücklich BGHZ 13, 5 (11); 21, 370 (375 f.); 29, 352 (355); 102, 265 (277). 17 Siehe zum Streit umfassend: Meier (Fn. 10), S. 96 ff. 11

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sprünglich begründet durch Thesen von Gierkes‘18 – davon aus, dass zwischen Verein und Mitglied ein subordinationsrechtliches Verhältnis bestehe.19 Daher sei die Satzung kein Produkt Gleichgeordneter, mithin kein Vertrag, sondern Ausdruck einer Herrschaftsbefugnis und damit eine Rechtsnorm. Die Gegenauffassung20 sieht demgegenüber in der Satzung allein einen besonderen Vertrag, der die Mitglieder untereinander nur schuldrechtlich binde. Eine Änderung der Satzung sei möglich, da sich die Parteien bereits im Vorfeld einigen, dass mittels Mehrheitsentscheidung eine Revision des Vertrags gestattet sei.21 Das Konzept der Vereinsautonomie, die eine Herrschaftsbefugnis gegenüber den Mitgliedern begründen soll, sei abzulehnen. c) Eigene Stellungnahme Im Ergebnis ist allein die Vertragstheorie überzeugend.22 Die Normentheorie leidet an unüberwindlichen Widersprüchen und kann daher das Wesen der Satzung und in der Folge auch das der Vereinsstrafe nicht sinnvoll erklären. Für diese verfängt bereits das Argument der Vereinsautonomie nicht. Jene ist für sich genommen in der Privatrechtsordnung irrelevant. Zwar gewährt Art. 9 Abs. 1 GG eine entsprechende Berechtigung zu Gunsten des Einzelnen und nach herrschender Ansicht auch zu Gunsten der Vereine selbst,23 allerdings berechtigen die Grundrechte lediglich im Verhältnis zum Staat, nicht aber auch im Verhältnis zu anderen Bürgern. Darüber hinaus kann die Normentheorie auch nicht erklären, weshalb sowohl die Mitwirkung einer Person bei der Gründung24 und damit bei der Schaffung der Satzung als

18 von Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887; ders., Deutsches Privatrecht, Erster Band, 1895; ders., JherJB 35 (1896), 169 ff. 19 Grundlegend: Meyer-Cording (Fn. 12), S. 48; ihm in der Sache folgend: Brox/Walker, Allgemeiner Teil, 39. Aufl. 2015, Rn. 764; Ernst, Die Ausübung der Vereinsgewalt, 1968, S. 16 f.; Kirberger, NJW 1973, 1732 (1733); Lüer, Dopingstrafen und der Grundsatz „ne bis in idem“, 2006, S. 49; MünchKomm-BGB/Reuter, 7. Aufl. 2015, § 25, Rn. 18; Schopp, RPfleger 1959, 335 (339); Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6 (11 f.); Wolf, JZ 1973, 229 (231); offen bei Vieweg (Fn. 14), S. 319 ff. 20 Grundlegend: von Thur, Der Allgemeine Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts – Erster Band, 1910, S. 476 ff.; zustimmend: OLG Stettin, ROLG 28, 97; Bötticher, ZfA 1970, 1 (44 f.); Soergel/Hadding, 13. Aufl. 2000, § 25, Rn. 17; Koch, Gesellschaftsrecht, 9. Aufl. 2015, § 27, Rn. 29; van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafe, 1990, S. 91 f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84 (97 f.); Petri, Die Dopingsanktion, 2004, S. 65; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 2012, § 17, Rn. 4. 21 Ausführlich van Look (Fn. 20), S. 93 ff. 22 Siehe hierzu auch umfassend: Meier (Fn. 10), S. 99 ff. 23 BVerfGE 13, 174 (175); 30, 227 (241); 50, 290 (354); 62, 354 (373); 80, 244 (253); 84, 372 (378). 24 BayObLG, NJW 1960, 292 (293); Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Erster Band, Halbbd. 1, 15. Aufl. 1959, 636; Reuter (Fn. 19), § 25, Rn. 22; Erman/Westermann, 14. Aufl. 2014, § 38, Rn. 3.

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auch der Beitritt25 zum Verein unbestritten rechtsgeschäftliche Handlungen darstellen sollen, die Satzung selbst dann jedoch den Charakter einer Norm annehmen kann. Wie eine solche Transformation einer vertraglichen Abrede in eine Rechtsnorm zu bewerkstelligen ist, bleibt im Dunkeln. Der Erlass von Normen, die juristischen oder natürlichen Personen Pflichten auferlegen oder Rechte nehmen, steht allein dem Staat zu. Private untereinander können sich lediglich durch Verträge binden. d) Folgen für die Einordnung der Ehrenerklärung Da damit die Normentheorie ausscheiden muss und auch die Vereinsautonomie keine hinreichende Grundlage für die Schaffung von Sanktionsnormen gegenüber Vereinsmitgliedern bietet, kann die vereinbarte Strafzahlung nur als originäre Vertragsstrafe gem. §§ 339 ff. BGB verstanden werden.26 Der Annahme eines selbstständigen Strafversprechens bedarf es demgegenüber nicht.27 Der Unterschied zwischen beiden Instituten besteht darin, dass die Vertragsstrafe eine konkrete, wirksame Verpflichtung des Schuldners sichert, während das unselbstständige Strafversprechen eine akzessorische Obligation nicht benötigt.28 Da jedoch im ersten Teil der Ehrenerklärung eine ausdrückliche und absolute Bindung des Sportlers zur Einhaltung aller Reglements und zum Unterlassen verbotener Maßnahmen begründet oder zumindest bekräftigt wird, liegt eine akzessorische Verpflichtung vor, die durch das Strafversprechen im zweiten Teil gestützt wird, so dass die Abrede eine originäre Vertragsstrafe darstellt. e) Überprüfbarkeit der Ehrenerklärung Zuletzt stellt sich noch die Frage, ob und wie die zwischen Athlet und Verband geschlossene Ehrenerklärung zu überprüfen ist. Soweit deutsches Recht auf die Ehrenerklärung Anwendung findet,29 bestehen für die Nachprüfbarkeit der Abrede selbst keine Beschränkungen. Zwar wird ein Ausschluss der Kontrolle durch nationale Instanzen von den Sportverbänden gefordert,30 inhaltlich ist dies aber nicht zu rechtfertigen.31 Zugegebenermaßen ist es für die Verbände unzweckmäßig, wenn das weltweite Reglement anhand unterschiedlicher nationaler Rechtsordnungen überprüft werden kann; dies ist allerdings vor dem Hintergrund privat vereinbarter Rege25

BGHZ 101, 193 (196 f.); BayObLG, NJW 1960, 292 (293); Jauernig/Mansel, 16. Aufl. 2015, § 38, Rn. 2; Reuter (Fn. 19), § 25, Rn. 22. 26 Ausführlich Meier (Fn. 10), S. 103 ff. 27 Anders aber Bahners/Schöne, SpuRt 2007, 227 (227). 28 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 141; Harke, Allgemeines Schuldrecht, 2010, Rn 158; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Band 1, 14. Aufl. 1987, § 24 II b); Looschelders, Allgemeines Schuldrecht, 13. Aufl. 2015, Rn. 810 f. 29 Siehe dazu im Detail: Meier (Fn. 10), S. 19 ff. 30 So exemplarisch die Stellungnahme der Verbände in EuGH, Slg. 1995, I-4921-Bosman. 31 Meier (Fn. 10), S. 106 ff.

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lungen unumgänglich. Insoweit unterscheiden sich die Regularien der Sportverbände nicht von Abreden zwischen Wirtschaftsunternehmen, die ebenfalls globale Wirksamkeit anstreben. Auch sie müssen aber damit rechnen, dass die Rechtmäßigkeit in unterschiedlichen Staaten auf verschiedene Weise beurteilt wird und die nationalen Regelungen der Gestaltungsfreiheit somit Grenzen setzen.32 Nichts anderes kann auch für den Sport gelten, so dass sämtliche Satzungen, Ordnungen und Reglements vollumfänglich an den in Deutschland geltenden Gesetzen zu messen sind.33 Jede andere Deutung würde das Rangverhältnis zwischen zwingendem staatlichen Recht und den nur im Rahmen der gesetzlichen Spielräume zulässigen privaten Abreden auf den Kopf stellen. Auch prozessual ergibt sich bei den Strafmaßnahmen im Einzelfall keine abweichende Bewertung. Zwar wird vertreten, dass Vereinsentscheidungen nur einer beschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit unterliegen;34 für eine solche Reduktion besteht jedoch keine sachliche Rechtfertigung. Es ist nicht ersichtlich, weshalb Sportverbände stärkere Möglichkeiten zur Belastung ihrer Mitglieder besitzen sollen, als dies in jedem anderen privatrechtlichen Verhältnis der Fall ist.35 Für die hier vorliegende Frage ergeben sich allerdings zur herrschenden Ansicht keine Unterschiede. Nach der Rechtsprechung des BGH sind jedenfalls solche Maßnahmen, die von sozialmächtigen Vereinen verhängt werden, in weitem Umfang nachprüfbar.36 Es existieren nur noch geringe Ausnahmen,37 die in der Praxis regelmäßig aber ohne Bedeutung bleiben. Sportverbände als Monopolisten bestimmen über wesentliche Fragen für die einzelnen Sportler, da der Athlet seine Tätigkeit ohne die Erteilung einer Lizenz und die damit einhergehende Startgenehmigung nicht ausüben kann. Aus diesem Grund sind die Verbände sozialmächtig,38 so dass Abreden in Form von Ehrenerklärungen auch nach dieser Auffassung einer umfassenden Kontrolle unterliegen. 4. Wirksamkeit der Ehrenerklärung nach deutschem Recht Da nunmehr geklärt ist, dass Ehrenerklärungen vollumfänglich überprüfbar sind, stellt sich die Frage, ob solche Abreden tatsächlich mit den Vorgaben des deutschen Rechts in Einklang stehen. Da eine verfassungsunmittelbare Kontrolle anhand der 32

Siehe zum internationalen Handelsrecht: Bonell, RabelsZ 42 (1978), 485 (488). Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, 287 ff.; Vieweg (Fn. 14), S. 139 f. 34 Siehe dazu genauer: Meier (Fn. 10), S. 198 ff. 35 Im Ergebnis ebenso: Baecker, NJW 1984, 906 (907); Beneke, WM 2000, 1173 (1182); Gehrlein, ZIP 1994, 852 (854 ff.); Hadding/van Look, ZGR 1988, 270 (279); Preis, DB 1971, 1570 (1576); Vieweg, JZ 1984, 167 (171). 36 BGHZ 102, 265 (276 f.); 118, 93 (110 f.). 37 Insbesondere besteht ein Bewertungs- und Subsumtionsspielraum des Vereins: BGHZ 102, 265 (277); 128, 93 (110 f.). 38 Für einen nationalen Sportverband: BGHZ 128, 93 (110). 33

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Grundrechte des Grundgesetzes nicht in Betracht kommt,39 sind allein das allgemeine Zivilrecht sowie das nationale Kartellrecht Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit der Ehrenerklärung. a) Allgemeines Zivilrecht Als Kontrollnormen des allgemeinen Zivilrechts sind die Vorgaben des BGB über die Wirksamkeit und Zulässigkeit von Verträgen maßgeblich. Insoweit ist insbesondere § 138 Abs. 1 BGB von entscheidender Wichtigkeit, da er als Außenschranke des Zivilrechts mit den stärksten Konsequenzen vorrangig vor anderen Normen zu untersuchen ist. aa) Sittenwidrigkeit (1) Tatbestand (a) Wucher, Knebelung oder Gläubigergefährdung? Da mangels Austauschverhältnis zwischen Verband und Sportler eine Nichtigkeit wegen Wuchers gem. § 138 Abs. 2 BGB40 oder wegen wucherähnlichen Geschäfts gem. § 138 Abs. 1 BGB41 nicht denkbar ist, stellt sich allein die Frage nach der allgemeinen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit ist begründet, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht.42 Rechtsprechung und Literatur haben zur Handhabung dieser Formel Fallgruppen gebildet, bei denen ein sittenwidriges Verhalten bejaht wird. Hierbei sind sowohl die Knebelung43 wie auch die Gläubigergefährdung44 anerkannt, die allerdings im Ergebnis der Ehrenerklärung nicht entgegenstehen. Für die Knebelung ist Voraussetzung, dass die ökonomische Betätigungsfreiheit des anderen in unerträglichem Maße beschränkt und diesem somit kein wirtschaftlicher Spielraum gelassen wird.45 Dies wird durch die Ehrenerklärung allerdings nicht bewirkt.46 Sie verbietet zwar ein tatsächliches Verhalten und knüpft an den Verstoß eine Sanktion in erheblicher Höhe, allerdings werden die aktuellen wirtschaftlichen Möglichkeiten des Sportlers hierdurch nicht berührt. Allein seine persönliche 39 BVerfGE 7, 198 (220); 24, 278 (282); 42, 143 (148); 52, 131 (173); 60, 234 (239 f.); 73, 261 ( 269). 40 Siehe BGHZ 106, 269 (271 f.); BGH, NJW 1988, 2599 (2602); NJW 1991, 2015 (2017) für die Bürgschaft. 41 Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 3. Aufl. 2011, Rn. 1193; Medicus, ZIP 1989, 817 (820); Staudinger/Sack/Fischinger, 2011, § 138, Rn. 272. 42 St. Rspr. seit RGZ 80, 219 (221). 43 Hierzu Meier (Fn. 10), S. 112 f. 44 Siehe Meier (Fn. 10), S. 130 ff. 45 Brox/Walker (Fn. 19), Rn. 338; Palandt/Ellenberger, 74. Aufl. 2015, § 138, Rn. 39; Wolf/Neuner, (Fn. 20), § 46, Rn. 31. 46 Im Detail: Meier (Fn. 10), S. 112 f.

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Freiheit wird beschränkt. Da jedoch das Dopingverbot bereits durch die allgemeinen Reglements und Satzungen festgelegt wird, verschlechtert sich die Rechtsstellung des Athleten durch die Ehrenerklärung insoweit nicht mehr. Auch eine Gläubigergefährdung wird mangels unmittelbaren Entzugs von Vermögenswerten nicht hervorgerufen.47 Die Schaffung neuer schuldrechtlicher Verpflichtungen rechtfertigt den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht.48 Dies gilt auch vor dem Hintergrund der leichteren Vollstreckungsmöglichkeiten für die Verbände, da jedenfalls die Benachteiligungsabsicht49 nicht beweisbar ist. (b) Ausnutzung einer Monopolstellung Jedoch verdient die Fallgruppe der sittenwidrigen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung vertiefte Beachtung. Sie wird zwar praktisch häufig zur Kontrolle synallagmatischer Verträge herangezogen,50 ist aber inhaltlich nicht auf diese beschränkt.51 Voraussetzung ist die Monopolstellung, die Schaffung unangemessener Bedingungen sowie das Vorliegen besonderer, die Sittenwidrigkeit begründender Umstände.52 Während die Bejahung des Monopols für Sportverbände, die wegen des Ein-Platz-Prinzips stets über eine Alleinstellung innerhalb der Sportart verfügen, ohne Weiteres möglich ist,53 bedarf die Untersuchung der Unangemessenheit einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen.54 Die vereinbarte Vertragsstrafe ist überhöht, wenn sich ihr Umfang nicht durch vernünftige Ziele des Sportverbands im Verhältnis zum einzelnen Sportler rechtfertigen lässt. (aa) Straffördernde Kriterien Für eine möglichst strenge und damit auch besonders hohe finanzielle Sanktion spricht zunächst die Effektivität der Dopingbekämpfung. Die Verwendung unzulässiger Methoden ist nunmehr auch strafrechtlich sanktioniert und schon seit längerem staatlich missbilligt.55 Dies zeigte sich an verschiedenen Initiativen auf nationaler und internationaler Ebene, die aktive Maßnahmen gegen Doping darstellen.56 Dar-

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BGH, NJW 1956, 417 (418); OLG München, NZG 2001, 412 (413). Ausführlich: Meier (Fn. 10), S. 131 ff. 49 Hierzu BGHZ 138, 291 (299 f.). 50 BGHZ 19, 85 (93 f.); 41, 271 (280 ff.); 65, 284 (289 f.); BGH, NJW 1958, 1772; BB 1971, 1177 (1177 f.); NJW 1976, 710 (711); NJW 1998, 3188 (3191). 51 Im Ergebnis ebenso: MünchKomm-BGB/Armbrüster, 7. Aufl. 2015, § 138, Rn. 92 ff. 52 RGZ 62, 264 (266); 161, 76 (81 f.); BGHZ 19, 84 (95); BGH, BB 1971, 1177 (1177); NJW 1976, 710 (711); NJW 1998, 3188 (3191). 53 Für den DEB: BHW, NJW 2000, 1028 (1028); für einen regionalen Verband: BGH, NJW 1999, 3552 (3552). 54 BGH, NJW 1976, 710 (711). 55 Ausführlich hierzu: Meier (Fn. 10), S. 116 ff. 56 Siehe dazu Meier (Fn. 10), S. 118. 48

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über hinaus bestanden schon früher mit dem Betrug57 und den Vorschriften des AMG58 strafrechtliche Normen, die Einzelaspekte des Dopings sanktionieren. Die Unterbindung unerlaubter Maßnahmen erweist sich daher als grundsätzlich legitimes Ziel.59 Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der drohenden Konsequenzen für die Verbände. Die Gefahren, die vom Entzug staatlicher oder privater Förderung ausgehen, können existenzbedrohend sein.60 Dieses Risiko wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass das öffentliche Interesse an der Sportart bei Manipulationsvorwürfen zugleich typischerweise abnimmt, was zu einem Wegfall der Zuschauer- und Medieneinnahmen führt.61 Überdies streitet für die Bestrafung durch die Verbände auch deren satzungsmäßige Zielsetzung. Sie sind hierdurch verpflichtet, die reglementgerechte Durchführung eines Wettkampfs zu ermöglichen, was insbesondere auch die effektive Sanktionierung von Vergehen einschließt. Des Weiteren ist auch die in Art. 9 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Vereinigungsfreiheit zu beachten, die zwar nicht als Befugnis gegenüber Dritten herangezogen werden, wohl aber für die Auslegung von Generalnormen Bedeutung erlangen kann.62 Nicht zuletzt spricht für die Ziele des Verbands auch der Gesundheitsschutz. Doping bewirkt nicht unerhebliche Gefahren für den Sportler selbst. Je mehr Personen sich dieser Mittel bedienen, desto größer wird der Anreiz für andere, diese ebenfalls zu nutzen und damit eine Gefahr für sich und mittelbar auch für andere hervorzurufen.63 Die genannten Umstände sprechen nicht nur grundsätzlich für eine Konsequenz, sondern auch für eine besonders nachhaltige und schwere Bestrafung. Nur eine Sanktion, die geeignet ist, die Betroffenen erheblich in ihrer Rechtsstellung zu beeinflussen, kann die notwendige Abschreckungswirkung entfalten. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die kriminologische Forschung64 zeigt, dass höhere Strafen keinen durchgreifenden Effekt mehr entfalten, soweit die Grenze effektiver Rechtsfolgen bereits überschritten ist. Täter, die trotz empfindlicher Strafen bereit sind, eine Tat zu verüben, gehen regelmäßig davon aus, nicht überführt zu werden, so dass die konkrete Höhe der Sanktion für ihre Überlegungen irrelevant ist.

57 OLG Stuttgart, SpuRt 2012, 74 (74 ff.); Cherkeh/Momsen, NJW 2001, 1745 (1748 f.); Kett-Straub/Müller, JA 2013, 182 (185 ff.); Kudlich, SpuRt 2012, 54 (54 f.). 58 § 6a Abs. 2 lit. a; § 95 Abs. 1 Nr. 2 lit. b AMG. 59 Genauer bei Meier (Fn. 10), S. 116 ff. 60 Siehe dazu SZ v. 06. 07. 2007, S. 27. 61 Glocker, Die strafrechtliche Bedeutung von Doping de lege lata und de lege ferrenda, 2009, S. 94 f.; Prokop, Die Grenzen der Dopingverbote, 2000, S. 253. 62 BVerfGE 7, 198 (205 f.); 24, 236 (251 f.); 42, 143 (148); 73, 261 (269 f.); 89, 214 (229). 63 Siehe dazu auch Glocker (Fn. 61), S. 92; Prokop (Fn. 61), S. 251. 64 Meier, Strafrechtliche Sanktionen, 4. Aufl. 2015, S. 27 ff.; Göppinger/Schneider, Kriminologie, 6. Aufl. 2008, § 30, Rn. 56; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Aufl. 2012, Rn. 62 ff.

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(bb) Straffeindliche Kriterien Im Ergebnis wiegen die Argumente gegen die Zulässigkeit einer solchen Bestrafung jedoch schwerer.65 Das ergibt sich nicht nur aus dem Umstand, dass eine nachhaltige Prävention durch Verschärfung der Konsequenzen nicht effektiv bewirkt werden kann, sondern insbesondere auch aus den erheblichen Nachteilen für die Sportler. Der Verlust eines Jahresgehalts ist für Menschen mit durchschnittlichem oder leicht überdurchschnittlichem Einkommen kaum zu verkraften. Dies folgt schon daraus, dass mit steigendem Gehalt der prozentuale Anteil, der zum unmittelbaren Lebensunterhalt gebraucht wird, immer weiter sinkt, umgekehrt dieser Anteil bei niedrigem Einkommen dagegen signifikant höher ist. Nennenswerte Rücklagen können nur aus Überschüssen gebildet werden, die allerdings vorrangig bei besonders erfolgreichen und damit gut verdienenden Sportlern anfallen. Andere können kaum etwas oder zumindest nur sehr wenig ansparen, vor allem wenn sie Unterhaltspflichten66 erfüllen müssen. Daher trifft die Sanktion die meisten Sportler so hart, dass die Gefahr der Insolvenz besteht. Dies gilt insbesondere deshalb, da zusätzlich zur finanziellen auch die sportimmanente Sanktion eintritt, der Athlet also für mehrere Jahre gesperrt und damit weiterer Einnahmemöglichkeiten beraubt wird. Gerade dies lässt die gewünschte Prävention noch weniger realistisch erscheinen, da der Athlet durch die Sperre wirtschaftlich bereits massiv geschädigt ist. Genügt dies nicht als Anreiz, so wird eine weitere Geldauflage kaum eine darüber hinaus gehende Abschreckungswirkung entfalten. Aus diesem Grund sind die Folgen für die Sportler im Vergleich zu den erreichbaren Zielen bereits für sich genommen untragbar. Auch bei Bewertung der Folgen für den Verband erscheint die Strafe unangemessen, da dieser durch die Strafzahlung in außergewöhnlichem Maße begünstigt wird.67 Er erlangt eine Zahlung in erheblicher Höhe, ohne dafür einen Schaden belegen zu müssen. Ganz im Gegenteil wäre ihm dieser Nachweis regelmäßig sogar unmöglich, da sich die Reduktion von Einnahmen und Förderungen typischerweise nicht kausal auf das Vergehen eines Einzelnen zurückführen lässt, sondern Folge wiederholten Dopings ist. Daher wäre ein Schadensersatzanspruch von vornherein ausgeschlossen, so dass auch die Vertragsstrafe eines ihrer Ziele zwangsläufig verfehlt: die Kompensationsfunktion.68 Es ist zwar nicht generell unzulässig, dass der Gläubiger einer Vertragsstrafe mehr erhält als die Höhe seines Schadens, so dass ihr eine gewisse Bereicherungsmöglichkeit durchaus immanent ist;69 allerdings liegt der Fall hier insoweit anders, als das Entstehen eines Schadens unmittelbar durch das konkrete Ereignis jeweils ausgeschlossen ist. Die Bereicherung des Verbands ist damit nicht nur Chance, sondern unter schadensrechtlichen Überlegungen zwangsläufig und daher 65

Siehe auch Meier (Fn. 10), S. 126 ff. Insbesondere für Kinder gem. §§ 1601 ff. BGB und für Ehegatten nach §§ 1360 ff., 1569 ff. BGB. 67 Umfassend Meier (Fn. 10), S. 124 f. 68 Siehe dazu Harke (Fn. 28), Rn 153 f.; Looschelders (Fn. 28), Rn. 768. 69 RGZ 103, 99 (99); BGHZ 63, 256 (260); BGH, NJW 1969, 461 (462). 66

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von Anfang an eingeplant. Auch die – ebenso wie die Vereinigungsfreiheit auf Seiten der Verbände – zu berücksichtigenden Grundrechte der Sportler, die die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG sowie die allgemeine Handlungsfreiheit zur Einnahme von Dopingmitteln aus Art. 2 Abs. 1 GG umfassen,70 sprechen gegen die Zulässigkeit. (cc) Weitere Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit Die Strafe erweist sich damit als insgesamt überhöht. Dies allein ist allerdings für die Sittenwidrigkeit noch nicht ausreichend, da zusätzliche Elemente hinzukommen müssen.71 Nach Auffassung des BGH genügt hierfür bereits das Verfolgen eines Strafzwecks,72 der hier zu bejahen ist. Ziel einer so hohen Buße zu Gunsten des Verbands ist nicht nur die effektive Abwehr, also eine Prävention, sondern auch die Sanktionierung von Fehlverhalten, was ein repressives und damit strafendes Vorgehen darstellt. Die Sittenwidrigkeit folgt allerdings noch aus einem anderen Aspekt: Eine Vereinsstrafe ist stets dann ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB, wenn sie sich als rücksichtslos hinsichtlich der Belange der Sportler erweist.73 Dies ergibt sich schon aus der unterschiedslosen Behandlung von Sportlern mit hohem und solchen mit niedrigem Einkommen.74 Beide Gruppen werden in weit unterschiedlichem Maße betroffen, da wohlhabende Athleten die Strafzahlung ohne allzu große Schwierigkeiten erbringen können, während durchschnittlich oder unterdurchschnittlich verdienende Sportler kaum in der Lage sein werden, die Sanktion auszugleichen. Damit werden sie nicht nur in die Insolvenz getrieben, sondern ihnen würde als Folge auch die Lizenz auf Dauer verweigert werden. Darüber hinaus werden durch die Ehrenerklärung auch nicht die weiteren Verpflichtungen des Athleten, die insbesondere in Unterhaltszahlungen bestehen können, berücksichtigt. Sie bewirkt faktisch damit eine massive Besserstellung wohlhabender Athleten zu Lasten der materiell schlechter Gestellten. (2) Rechtsfolge Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Verbot der Sittenwidrigkeit ist umstritten. Obwohl der Wortlaut des § 138 Abs. 1 BGB als Konsequenz ausdrücklich die Nichtigkeit anordnet, vertritt eine starke Ansicht in der Literatur das Konzept der Teilnichtigkeit auf Grund eines Normzweckvorbehalts und orientiert sich insoweit

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Zum Konsum von Rauschmitteln: BVerfGE 90, 145 (171). RGZ 114, 304 (306 f.); RG, JW 1909, 488 (489); JW 1913, 319 (320); BGH, WM 1977, 641 (643). 72 BGHZ 29, 352 (357). 73 RG, JW 1927, 691 (692). 74 Im Detail: Meier (Fn. 10), S. 129. 71

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an der Dogmatik des § 134 BGB.75 Dem ist allerdings entgegenzutreten.76 § 134 BGB und § 138 Abs. 1 BGB werden inhaltlich dadurch getrennt, dass für § 134 BGB eine gesetzgeberische Wertentscheidung notwendig ist, die die Berücksichtigung eines Normzweckvorbehalts möglich macht. Eine legislative Normierung der guten Sitten fehlt hingegen, so dass eine inhaltliche Beschränkung auf das zur Erreichung des legislativen Zwecks erforderliche Maß in Bezug auf § 138 Abs. 1 BGB nicht denkbar ist.77 Überdies würde die Reduktion auf das Höchstzulässige auch das Risiko des sittenwidrig Handelnden in nicht zu rechtfertigender Weise reduzieren, da er stets versuchen könnte, unangemessene Bedingungen durchzusetzen, um im Fall der gerichtlichen Kontrolle zumindest die maximal zulässige Gegenleistung zu bekommen.78 Die Ausnahmen, die von Seiten der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung gemacht werden,79 beruhen ganz überwiegend auf spezifischen Schutzinteressen des sittenwidrig Belasteten, dem die Vorteile des Vertrags nicht durch die Nichtigkeit der Abrede genommen werden sollen. Daher rechtfertigen diese Ausnahmen aber keinen Schluss auf eine generelle Teilnichtigkeit.80 Speziell für die Vertragsstrafe folgt das Erfordernis der Gesamtnichtigkeit auch aus § 343 Abs. 1 Satz 1 BGB.81 Hiernach kann die Strafe allein wegen ihrer extremen Höhe, unabhängig von weiteren Voraussetzungen, auf das noch zulässige Maß reduziert werden. Erreicht sie die Grenze zur Sittenwidrigkeit und erfüllt damit den schwereren Tatbestand, können die Rechtsfolgen aber nicht identisch sein. Aus diesem Grund ist die Abrede über eine Vertragsstrafe dieser Höhe insgesamt unwirksam und nichtig. (3) Exkurs: Zulässige Höhe Mit der Feststellung, dass die Vereinbarung eines Jahresgehalts als Vertragsstrafe unzulässig ist, kann die Untersuchung jedoch nicht beendet sein. Vielmehr muss eine Obergrenze gefunden werden, bis zu der finanzielle Dopingsanktionen stets zulässig sind. Zieht man die gesetzgeberischen Wertungen aus anderen Bereichen heran, so erscheinen drei Monatsgehälter als im Höchstmaß angemessen. Dies entspricht der Normierung in den Sozialgesetzen,82 die für Sperren von Sozialleistungen die glei75

Damm, JZ 1986, 913 (917 ff.); Hager, Gesetzes- und sittenkonforme Auslegung und Aufrechterhaltung von Rechtsgeschäften, 1983, S. 145 ff.; Lindacher, AcP 173 (1973), 124 (131); Roth, JZ 1989, 411 (415 ff.); Sack/Fischinger (Fn. 41), § 138, Rn. 110 ff. 76 BGHZ 44, 158 (162); 68, 204 (207); Armbrüster (Fn. 51), § 138, Rn. 161; Brox/Walker (Fn. 19), Rn. 333; Canaris, WM 1981, 978 (979); Honsell, ZHR 148 (1994), 298 (299); Tiedtke, ZIP 1987, 1089 (1092 ff.); Wolf/Neuner (Fn. 20), § 45, Rn. 65. 77 Ebenso: Bork (Fn. 41), Rn. 1154. 78 BGHZ 68, 204 (207); Armbrüster (Fn. 51), § 138, Rn. 161; Krampe, JZ 1975, 574 (576); Lindacher, AcP 173 (1973), 124 (134); Tiedtke, ZIP 1987, 1089 (1094). 79 Siehe dazu Meier (Fn. 10), S. 135 f. 80 Genauer Meier (Fn. 10), S. 140 f. 81 Ähnlich auch Canaris, FS Steindorff, 1990, 519 (537). 82 § 144 Abs. 3 Satz 1 Abs. 4 Nr. 3 SGB III, § 31 b Abs. 1 Satz 3 SGB II.

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chen Fristen vorsehen und damit belegen, dass von jedermann erwartet werden kann, drei Monate ohne regelmäßiges Einkommen auszukommen. Nichts anderes gilt auch für nachgelagerte Strafen, da diese Summe für alle Athleten tragbar ist.83 bb) Sonstige zwingende Vorschriften Neben dem Verbot der Sittenwidrigkeit würde auch das Gebot von Treu und Glauben gem. § 242 BGB eine solche Strafe untersagen.84 Die §§ 307 ff. BGB greifen demgegenüber nicht, da entweder die Vereinbarung der Vertragsstrafe Hauptabrede i. S. d. § 307 Abs. 3 BGB ist oder, soweit die Ehrenerklärung in der Satzung verankert ist, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB eine Kontrolle in direkter oder analoger Anwendung verbietet.85 Wäre die Strafe nicht unwirksam, wäre sie des Weiteren auch nach § 343 Abs. 1 Satz 1 BGB herabzusetzen, da § 348 HGB mangels Kaufmannseigenschaft der Sportler86 nicht entgegensteht. b) Kartellrecht Neben dem allgemeinen Zivilrecht fungiert auch das Kartellrecht als Korrektiv für die Maßnahmen der Sportverbände. aa) Kartellrechtswidrigkeit gegenüber den Sportlern Aus Sicht der Sportler tritt eine Kartellrechtswidrigkeit sowohl infolge eines Ausbeutungsmissbrauchs nach § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB als auch wegen eines Behinderungsmissbrauchs gem. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 GWB ein. Für die Feststellung der marktbeherrschenden Stellung ist zunächst der sachlich relevante Markt abzugrenzen. Dies geschieht nach dem Bedarfsmarktkonzept,87 wonach untersucht wird, ob bestimmte Produkte untereinander funktional austauschbar sind. Ist dies der Fall, gehören sie zu demselben, andernfalls zu verschiedenen Märkten.88 Im hier relevanten Bereich ist die Lizenzierung jeder einzelnen Sportart ein gesonderter

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Ausführlich Meier (Fn. 10), S. 142 f. Siehe dazu detailliert: Meier (Fn. 10), S. 145 f. 85 Zur AGB-Prüfung genauer: Meier (Fn. 10), S. 143 ff. 86 Meier, SpuRt 2012, 229 (231 f.). 87 BGHZ 160, 67 (73); BGH, WuW/E BGH, 1435 (1440); WuW/E BGH, 2433 (2436 f.); WuW/E BGH, 3026 (3028); WuW/E BGH, 3058 (3062); WuW/E DE-R, 1355 (1357); WuW/ E DE-R, 2451 (2453). 88 BGHZ 71, 102 (108 f.); 73, 65 (71 f.); 101, 100 (103); 131, 107 (110); 160, 67 (73); BGH, WuW/E BGH, 1435 (1440); WuW/E BGH, 1678 (1681); WuW/E BGH, 2575 (2576); WuW/E BGH, 3058 (3062); WuW/E DE-R, 1355 (1357); WuW/E DE-R, 2451 (2453). 84

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Markt,89 da die Startberechtigungen in unterschiedlichen Disziplinen nicht funktional austauschbar sind. Athleten sind jeweils auf eine bestimmte Sportart festgelegt, so dass für sie die Erteilung einer Lizenz durch einen anderen Verband und die damit einhergehende Startmöglichkeit in einer anderen Sportart nicht gleichwertig ist. Die Sportverbände sind somit Monopolisten, weil sie die alleinige Möglichkeit haben, die gewünschten Lizenzen auszustellen. Voraussetzung für den Ausbeutungsmissbrauch ist darüber hinaus noch, dass „Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen gefordert werden, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden.“ Hierbei kann der von § 19 Abs. 2 Nr. 2 HS 2 GWB angeordnete Vergleich mit Märkten, auf denen wirksamer Wettbewerb besteht, jedoch nicht durchgeführt werden, da solche nicht existieren. Sportlizenzmärkte sind stets monopolisiert, da dies zwangsläufige Folge des Ein-Platz-Prinzips ist. Es kann daher nur ein abgewandeltes Gewinnspannenkonzept90 durchgeführt werden, das nicht Kosten und Erträge, sondern potentielle Schäden mit der Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe vergleicht.91 Dabei erweist sich aus denselben Gründen wie oben die Strafe als überhöht, so dass die Kartellrechtswidrigkeit aus diesem Grund folgt. Des Weiteren begründet die Strafe auch einen Behinderungsmissbrauch, soweit die Sportler als Unternehmer92 agieren. Athleten, die Verbraucher sind, werden dagegen nicht durch § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 GWB erfasst.93 Die durch die Sanktion bewirkte Behinderung ist nach Abwägung aller Gesichtspunkte unbillig. Selbst wenn die reine Ausbeutung für sich genommen noch keine Behinderung ist,94 so ist eine solche hier gleichwohl zu bejahen, da die Stellung im Kampf um Sponsoren und Werbepartner für Sportler, die durch Ehrenerklärungen gebunden, im Vergleich zu solchen, die davon frei sind, erheblich verschlechtert wird.95 Haben Sponsoren die Auswahl, werden sie Athleten wählen, bei denen die Regressmöglichkeiten nicht von vornherein durch eine solche Regelung reduziert werden. Rechtsfolge des Kartellrechtsverstoßes ist die Unwirksamkeit der Abrede nach § 134 BGB.96 Dies bedeutet allerdings auf Grund des Normzweckvorbehalts der Vor89 Siehe allgemein zum Lizenzmarkt: OLG Frankfurt, GRUR 1983, 517 (518); Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordination im Sport, 2001, S. 235; Petri (Fn. 20), S. 133. 90 Grundlegend: Knöpfle, BB 1974, 862 (864 ff.); ders., BB 1975, 1607 (1608 f.); ders., BB 1979, 1101 (1101 f.); aus der Rechtsprechung: EuGH, Slg. 1978, 207 (305) – United Brands/Kommission; BGH, WuW/E DE-R, 1513 (1516). 91 Ausführlich: Meier (Fn. 10), S. 151 f. 92 Siehe dazu Meier, SpuRt 2012, 229 (229 ff.). 93 Allerdings kann insoweit unmittelbar auf die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB zurückgegriffen werden. 94 So OLG Celle, WuW/E DE-R, 327 (331); OLG München, WuW/E OLG, 5898 (5900). 95 Siehe genauer Meier (Fn. 10), S. 154 f. 96 BGH, WuW/E DE-R, 1144 (1145); OLG Düsseldorf, WuW/E OLG, 4056 (4058); OLG München, WuW/E OLG, 5735 (5741); OLG Stuttgart, WuW/E OLG, 3415 (3415).

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schrift, dass die Vertragsstrafe nur insoweit nichtig ist, als sie das maximal Zulässige überschreitet.97 Die oben ermittelte Grenze von drei Monatsgehältern wäre auch kartellrechtlich unbedenklich, da insoweit die Abwägung sowohl hinsichtlich des Ausbeutungs- wie auch des Behinderungsmissbrauchs zu Gunsten der Verbände ausfiele und daher weder die marktbeherrschende Stellung ausgenutzt noch unbillige Behinderungen geschaffen würden.98 bb) Kartellrechtswidrigkeit gegenüber Dritten Überdies kann sich auch ein Verstoß gegen kartellrechtliche Vorgaben im Verhältnis zu Dritten ergeben. Hierfür kommt § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB in Betracht, der auch die unbillige Behinderung gegenüber anderen Unternehmen verbietet. Die hierzu von der Praxis gebildeten Fallgruppen99 sind nicht abschließend,100 so dass der Tatbestand im Einzelfall untersucht werden muss. Eine Behinderung der anderen Unternehmen ergibt sich dadurch, dass Sponsoren und Werbepartner von Sportlern, die durch Ehrenerklärungen gebunden sind, gegenüber anderen Unternehmen schlechter gestellt sind. Dies gilt insbesondere für die Regressmöglichkeiten im Falle eines Dopingvergehens. Trifft den Athleten die erhebliche Belastung durch die Ehrenerklärung, ist kaum zu erwarten, dass er auch seine Verbindlichkeiten gegenüber den Vertragspartnern erfüllen kann. Insbesondere Sponsoren, die auf Grund ihrer wirtschaftlichen oder geschäftlichen Ausrichtung auf bestimmte Sportarten festgelegt sind, können daher letztlich nicht wählen, ob sie Athleten mit oder ohne Ehrenerklärung beschäftigen wollen. Der Sportverband ist allerdings nicht auf dem Markt, auf dem die Werbepartner tätig sind, marktbeherrschend, sondern auf einem Drittmarkt, nämlich dem der Lizenzierung. Die früher umstrittene Frage, ob dies für einen Behinderungsmissbrauch ausreichend ist,101 hat sich durch die Neuregelung der Vorschrift in der achten GWBNovelle erledigt.102 Der Gesetzgeber hat durch die Zusammenführung von § 19 und § 20 GWB deutlich gemacht, dass sämtliche Verhaltensweisen, die von § 19 GWB a. F. erfasst waren, auch weiterhin verboten sein sollen.103 Da für § 19 GWB a. F. die

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Immenga/Mestmäcker/Markert, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, § 20 GWB, Rn. 229; Frankfurter Kommentar/Rixen, 83. Lieferung 2015, § 20 GWB 2005, Rn. 291; Staudinger/ Sack/Seibl, 2011, § 134, Rn. 249. 98 Näher Meier (Fn. 10), S. 155 f. 99 Siehe zu diesen Immenga/Mestmäcker/Möschel, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, § 19 GWB, Rn. 121 ff.; Langen/Bunte/Nothdurft, Bd. 1, 12. Aufl. 2014, § 19 GWB, Rn. 245 ff. 100 Nothdurft (Fn. 99), § 19 GWB, Rn. 286. 101 Siehe zu diesem Streit: Meier (Fn. 10), S. 157 ff. 102 BGBl. 2013, I, 1738 ff. 103 BT-Drucks. 17/9852, 20.

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Relevanz von Drittmarktbeeinträchtigungen anerkannt war,104 muss dies auch für die aktuelle Fassung der Norm gelten.105 Die Behinderung erweist sich auch als unbillig. Zwar kann das verbreitet angewandte Konzept des Leistungs- im Vergleich zum Nichtleistungswettbewerb106 nicht herangezogen werden, da die Maßnahmen der Verbände als Monopolisten nicht auf die Bindung von Kunden abzielen. Allerdings folgt der Missbrauch aus der Abwägung der widerstreitenden Interessen.107 Insoweit können die zum Verhältnis zwischen Sportler und Verband entwickelten Erkenntnisse jedoch nicht unmittelbar übertragen werden, da es um eine andere Beziehung geht. Die Interessen des Sportverbands sind jedoch als weniger schwerwiegend zu bewerten, da sie ihrerseits auf ein sitten- und kartellrechtswidriges Verhalten gerichtet sind. Dagegen werden die werbenden Unternehmen deutlich benachteiligt, da der Verband zum einen auf Grund der Vertragsstrafenabrede eine schnelle Vollstreckungsmöglichkeit und damit den vorrangigen Zugriff auf das Vermögen des Sportlers besitzt. Insoweit besteht auch ein erheblicher Nachteil gegenüber anderen Unternehmen, die nicht in dieser Sportart tätig sind. Zum anderen ist die Gefahr gegeben, dass der Verband den Markt zu seinen Gunsten verschiebt, weil Werbepartner, die auf bestimmte Sportarten festgelegt sind, geneigt sein können, unmittelbar Verträge mit dem Verband statt mit den einzelnen Sportlern einzugehen, da dessen Bonität nicht in gleicher Weise wie die der Athleten gefährdet ist. Dies würde zu einer strukturellen Verbesserung der Marktposition des Verbands führen. Als Rechtsfolge führt auch dieser Verstoß gem. § 134 BGB zur Nichtigkeit der Abrede. Die Reichweite unterliegt allerdings dem Normzweckvorbehalt, so dass die Nichtigkeit nur insoweit greift, als die Strafe drei Monatsgehälter überschreitet, da unterhalb dieser Schwelle die Ziele und Interessen der Unternehmen gegenüber dem Verband nicht überwiegen und daher die Benachteiligung nicht unbillig ist. 5. Wirksamkeit der Ehrenerklärung nach europäischem Recht Neben dem nationalen Recht müssen Dopingsanktionen auch dem geltenden europäischen Recht standhalten. Als Prüfungsmaßstab kommen zum einen die europäischen Grundfreiheiten, zum anderen die Vorgaben des europäischen Kartellrechts nach Art. 101, 102 AEUV in Betracht.

104 BGHZ 156, 379 (382 f.); BGH, WuW/E DE-R, 1206 (1206 f.); WuW/E DE-R, 1210 (1211); WuW/E DE-R, 1283 (1284); WuW/E DE-R, 1555 (1556). 105 Ebenso: Nothdurft (Fn. 99), § 19 GWB, Rn. 191. 106 Siehe dazu grundlegend: Ulmer, GRUR 1977, 565 (567 ff.); ders., AfP 1975, 870 (882 ff.); ders., WuW 1978, 330 (341 ff.); ders., Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, 1977, S. 98 ff. 107 Näher Meier (Fn. 10), S. 161 f.

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a) Grundfreiheiten Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Maßnahmen und Reglements der Sportverbände an den Grundfreiheiten zu messen.108 Die Sportverbände seien als intermediäre Gewalten ebenfalls Verpflichtungsadressat. Da die private Rechtsetzung ebenso wie die staatliche den freien Wirtschaftsverkehr gefährden könne, müssten im Rahmen des effet utile auch Private, die eine solche Macht besäßen, an die Grundfreiheiten gebunden werden.109 Dieser Annahme ist allerdings mit einer starken Ansicht innerhalb des Schrifttums entgegenzutreten.110 Die Auffassung des EuGH führt zu einer befremdlichen Differenzierung zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten, da letztere auch im europäischen Kontext nach ganz herrschender Meinung keine unmittelbare Drittwirkung besitzen.111 Darüber hinaus erweist sich bereits die Prämisse des Gerichtshofs als unzutreffend. Bei den Reglements der Sportverbände handelt es sich nicht um private Rechtsetzung, sondern um die vertragsweise Bestimmung von Regeln,112 die grundsätzlich zwischen Gleichgeordneten geschieht. Es fehlt insoweit am hoheitlichen Charakter, der nach dem EuGH die Prüfungspflicht anhand der Grundfreiheiten auslösen soll. Ein weiteres Argument folgt aus den Beschränkungsmöglichkeiten, da diese auf private Maßnahmen nicht passen können.113 Die Grundfreiheiten ermöglichen Eingriffe zu Gunsten des Schutzes der öffentlichen Sicherheit, Gesundheit, Sittlichkeit und anderer Gemeinwohlziele, die jedoch nur durch staatliche, nicht aber von privaten Stellen verfolgt werden können und sollen. Letztlich zeigt auch die interne Systematik des AEUV, dass die Grundfreiheiten zur Überprüfung verbands108 EuGH, Slg. 1974, 1405 (1419) – Walrave/Union Cycliste Internationale; Slg. 1976, 1333 (1340) – Dona/Mantero; Slg. 1995, I-4921 (5065 f.) – Bosman; Slg. 2000, I- 2549 (2614) – Deliège; Slg. 2000, I-2681 (2729) – Lehtonen und Castors Braine; Slg. 2010, I- 2177 (2206) – Olympique Lyonnais. 109 EuGH, Slg. 1974, 1405 (1419) – Walrave/Union Cycliste Internationale; Slg. 1976, 1333 (1340) – Dona/Mantero; Slg. 1995, I-4921 (5066) – Bosman; Slg. 2000, I- 2549 (2614) – Deliège; Slg. 2000, I-2681 (2729) – Lehtonen und Castors Braine. 110 Birkemeyer, EuR 2010, 662 (667); Burgi, EWS 1999, 327 (330 ff.); Ehlers/Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 7, Rn. 60; Forsthoff, EWS 2000, 389 (393); Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. I, 2. Aufl. 2012, Rn. 371; Graber, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2002, S. 133 f.; Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 71 ff.; Kluth, AöR 122 (1997), 557 (568 ff.); Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2004, S. 721 ff.; Michaelis, NJW 2001, 1841 (1842); Streinz/Leible, EuZW 2000, 459 (464 f.). 111 Meyer/Borowsky, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl. 2014, Artikel 51, Rn. 31; Calliess/Ruffert/Calliess, 4. Aufl. 2011, Art. 1 GRCh, Rn. 6; Ehlers (Fn. 110), § 14, Rn. 81; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. IV, 2009, Rn. 279 f.; Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, Art. 51, Rn. 27 f.; Magiera, DÖV 2000, 1017 (1025); Tettinger, NJW 2001, 1010 (1011). 112 Siehe schon oben II. 3. c). 113 Jaensch (Fn. 110), S. 123 ff.; Roth, FS Everling, 1995, 1231 (1242); Steindorff, FS Lerche, 1993, 575 (584); Streinz/Leible, EuZW 2000, 459 (463 f.).

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rechtlicher Maßnahmen nicht berufen sind.114 Für das Verhältnis zwischen Gleichgeordneten normieren die Art. 101, 102 AEUV besondere Anforderungen im Rahmen des Kartellrechts. Diese würden sich aber als überflüssig erweisen, wenn ihre Regelungswirkung bereits durch die Grundfreiheiten vorweggenommen würde. Die Differenzierung zwischen Grundfreiheiten und Kartellrecht zeigt vielmehr, dass erstere der Überprüfung des Handelns staatlicher Institutionen dienen, während letzteres privatrechtliche Machtbefugnisse begrenzen soll. Die europäischen Grundfreiheiten können daher keine unmittelbare Anwendung auf Reglements von Sportverbänden finden und kommen somit als Prüfungsmaßstab nicht in Betracht. b) Europäisches Kartellrecht aa) Anwendbarkeit des Kartellrechts Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Vorgaben des europäischen Kartellrechts grundsätzlich auch auf Reglements der Sportverbände anwendbar. Dem steht auch nicht die Entscheidung in Sachen Meca-Medina und Majcen115 entgegen. Zwar lassen sich die Aussagen des Gerichtshofs als Beschränkung des Tatbestandes deuten,116 allerdings ist mit der überwiegenden Ansicht davon auszugehen, dass hierdurch nicht, wie durch die im amerikanischen Recht entwickelte „rule of reason“,117 eine Tatbestandsreduktion bewirkt werden soll, sondern bestenfalls ein zusätzliches Rechtfertigungselement geschaffen wurde.118 Die Anwendbarkeit des Kartellrechts ist damit für Reglements des Sports nicht ausgeschlossen, sondern Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit können lediglich unter zusätzlichen Voraussetzungen gerechtfertigt sein. Daher ist eine umfassende Prüfung nach Art. 101, 102 AEUV durchzuführen. bb) Verstoß gegen Art. 101 AEUV Ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV liegt vor, wenn von Seiten einer Unternehmensvereinigung ein wettbewerbsbeschränkender Beschluss gefasst wird, der den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann, und eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV nicht besteht.

114 Ähnlich auch Burgi, EWS 1999, 327 (329); Calliess/Ruffert/Kingreen, 4. Aufl. 2011, Art. 34 – 36 AEUV, Rn. 115. 115 Slg. 2006, I-6991 (7023 f.) – Meca-Medina und Majcen/Kommission. 116 Ähnlich auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs in Slg. 2002, I-1577 (1685 ff.) – Wouters u. a. 117 Siehe dazu umfassend: Ackermann, Art. 85 Abs. 1 EGV und die rule of reason, 1997, S. 53 ff. 118 Näher Meier (Fn. 10), S. 177 f.

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(1) Tatbestand (a) Unternehmensvereinigung Zunächst ist zu erörtern, ob internationale Sportverbände Unternehmensvereinigungen nach Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellen. Erforderlich hierfür ist die Kooperation von wenigstens zwei Unternehmen, bei der es keiner organisatorischen Verfasstheit bedarf.119 Darüber hinaus können auch Unternehmensvereinigungen, soweit sie sich mit Unternehmen oder anderen Vereinigungen zusammenschließen, eine weitere Vereinigung bilden.120 Unternehmen sind alle Rechtssubjekte, die kommerzielle oder wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben.121 Da sich die internationalen Verbände aus nationalen zusammensetzen, ist entscheidend, ob die Untergliederungen ihrerseits Unternehmen nach europäischem Recht sind. Da auch die nationalen Sportverbände eine große wirtschaftliche Tätigkeit entfalten, ist dies zu bejahen.122 Dies zeigt sich bereits darin, dass sie umfangreiche Werbe- und Sponsoring-Einnahmen generieren und damit auf wirtschaftlichem Gebiet tätig werden. Dass daneben ideelle Zwecke verfolgt werden, ist ohne Belang, da sonst das Kartellrecht umgangen werden könnte.123 Aus diesem Grund sind internationale Verbände ihrerseits stets Unternehmensvereinigungen,124 so dass Art. 101 Abs. 1 AEUV Anwendung findet. (b) Beschluss Des Weiteren müsste es sich bei der Regelung durch den internationalen Sportverband um einen Beschluss handeln. Der Begriff wird sehr weit ausgelegt und schließt jede Form der Verständigung innerhalb der Vereinigung ein.125 Dies gilt insbesondere auch für die Schaffung von Satzungsregelungen, da diese für die Mitgliedsverbände unmittelbar wirksam werden.126 119 Schwarze/Brinker, 3. Aufl. 2012, Artikel 101 AEUV, Rn. 34; Immenga/Mestmäcker/ Möschel, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 38; Langen/Bunte/ Hengst, Bd. 2, 12. Aufl. 2014, Art. 101 AEUV, Rn. 68; Calliess/Ruffert/Weiß, 4. Aufl. 2011, Art. 101 AEUV, Rn. 43. 120 GA Slynn, Slg. 1985, 391 (396 f.); Komm., ABl. EG 1985, L 35, 35 (39); Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. II, 2006, Rn. 385; Weiß (Fn. 119), Art. 101 AEUV, Rn. 44. 121 Siehe die Legaldefinition in Art. 1 Protokoll 22 zum EWR-Abkommen, BGBl. 1993, II, 407. 122 EuGH, Slg. 2008, I-4863 (4901) – Motoe; EuG, Slg. 2005, II-209 (238 f.) – Piau/ Kommission. EuGH, Slg. 2006, I-6991 (7022) – Meca-Medina und Majcen/Kommission behandelt nationale Verbände als Unternehmensvereinigungen. 123 Hannamann (Fn. 89), S. 303; Schaefer, Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit dem Europarecht, 2012, S. 126; Vetter, SpuRt 2005, 233 (234). 124 Siehe zur Einordnung der nationalen Verbände als Unternehmensvereinigungen: Meier (Fn. 10), S. 171. 125 EuGH, Slg. 1987, 405 (455) – Verband der Sachversicherer/Kommission. 126 EuGH, Slg. 1972, 977 (990) – Cementhandelaren/Kommission; Slg. 1980, 3125 (3250) – van Landewyck/Kommission; Slg. 1983, 3369 (3410) – IAZ/Kommission; Slg. 1985, 391 (423) – BNIC/Clair; Slg. 1994, I-5641 (5686 ff.) – DLG.

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(c) Wettbewerbsbeschränkung Überdies liegt auch eine Wettbewerbsbeschränkung vor.127 Zwar stehen die Sportverbände auf gleicher Ebene grundsätzlich nicht unmittelbar in Konkurrenz zueinander, da sie territorial ausschließlich zuständig sind, allerdings verhindern Beschlüsse der Weltverbände ein Abweichen der nationalen Sportorganisationen. Dies macht den Wechsel eines Sportlers von einem Verband zum anderen weniger attraktiv, da er nicht mit für ihn günstigeren Konditionen rechnen kann, sondern bei sämtlichen Verbänden an identische Reglements gebunden ist. Auch das ungeschriebene Merkmal der Spürbarkeit128 wird überschritten. Das Kriterium ist normativ zu betrachten und greift jedenfalls dann ein, wenn der Wettbewerb erheblich beeinträchtigt wird.129 Da die Märkte bereits in sich monopolisiert sind, erweist sich jeder Eingriff als Verfestigung der vorherrschenden Stellung und überschreitet somit die Grenze der Spürbarkeit. (d) Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten Darüber hinaus müsste die Gefahr der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn durch die Maßnahme die Verwirklichung des gemeinsamen Marktes mittelbar oder unmittelbar, tatsächlich oder potentiell erschwert wird.130 Als Kriterium wird die Abschottung eines Marktes herangezogen, so dass die Gefahr immer dann besteht, wenn das Staatsgebiet eines kompletten Mitgliedstaats betroffen ist.131 Bei internationalen Verbänden wird das Territorium mehrerer Mitgliedstaaten berührt, meist sogar das der gesamten Europäischen Union. Hierdurch wird die Gefahr der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten hervorgerufen, so dass auch dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist. (e) Freistellung gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV Jedoch kommt eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV in Betracht. Da diese Norm grundsätzlich auf kartellrechtliche Fragen wie die vorliegende passt, bedarf es einer weiteren Einschränkung in Form einer zusätzlichen Rechtfertigungsmöglichkeit mittels praktischer Konkordanz von Grundrechten oder Grundfreiheiten132 und somit eines aktiven Eingriffs in die Normstruktur nicht.133 Die Maßnahme ist vielmehr gestattet, wenn sie zu einer Verbesserung der Warenerzeugung dient, dabei 127

Ausführlich: Meier (Fn. 10), S. 172 ff. St. Rspr. seit EuGH, Slg. 1966, 281 (303 f.). 129 Frenz (Fn. 120), Rn. 493; Hengst (Fn. 119), Art. 101 AEUV, Rn. 310. 130 St. Rspr. seit EuGH, Slg. 1966, 281 (303). 131 EuGH, Slg. 1972, 977 (991) – Cementhandelaren/Kommission; Slg. 1979, 1869 (1899) – Hugin/Kommission; Slg. 1985, 2545 (2572) – Remia/Kommission. 132 So schon Gack, Die kartellrechtliche Überprüfbarkeit vereinsrechtlicher Vorschriften im Sport, 2011, S. 102 ff.; Klees, EuZW 2008, 391 (393); Schaefer (Fn. 123), S. 143 ff. 133 Vertieft Meier (Fn. 10), S. 179 f. 128

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die Verbraucher angemessen beteiligt, den Wettbewerb nicht ausschließt und für sich genommen unerlässlich ist. (aa) Verbesserung der Warenerzeugung Erste Voraussetzung der Freistellung ist, dass es zu einer Förderung des Produkts selbst kommt. Dabei sind nicht nur Waren i. S. d. Art. 28 ff. AEUV erfasst, sondern auch Dienstleistungen gem. Art. 56 ff. AEUV.134 Eingeschlossen von der Norm wird jede Form der Effizienzsteigerung.135 Durch einen aktiven Kampf gegen das Doping wird das vom Sportverband angebotene Produkt des Sports tatsächlich verbessert.136 Die Steigerung der Qualität liegt darin, dass den Zuschauern beim „sauberen“ Sport ein höherwertiges Angebot gemacht wird, da sie mit höherer Wahrscheinlichkeit den Sieg eines Athleten miterleben, der allein aufgrund größerer körperlicher oder taktischer Voraussetzungen oder eines gesteigerten Trainings die beste Leistung erbringen kann. Dies entspricht den Erwartungen der Zuschauer und verbessert daher aus ihrer Sicht die vom Sportverband angebotene Leistung. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist allerdings darüber hinaus erforderlich, dass bereits an dieser Stelle die Vorteile gegen die Nachteile abgewogen werden.137 Dabei sind dieselben Überlegungen für und gegen die Ehrenerklärungen anzuführen, die bereits die Entscheidung zum deutschen Recht geprägt haben. Aus diesem Grund ist eine Rechtfertigung für eine finanzielle Dopingsanktion, die über den Bereich von drei Monatsgehältern hinausgeht, von vornherein ausgeschlossen, da dann die Nachteile die Vorteile überwiegen, so dass eine Freistellung nicht gewährt werden kann.138 (bb) Angemessene Beteiligung der Verbraucher Überspringt die Strafvereinbarung die Hürde der Verbesserung der Warenerzeugung, müssen die Verbraucher an den sich ergebenden Vorzügen angemessen beteiligt sein. Dabei muss allerdings kein finanzieller Anreiz zu Gunsten des Verbrauchers geboten werden, sondern es sind auch nicht-wirtschaftliche oder nicht-finanzielle Vorzüge zu beachten.139 Insoweit ergeben sich die Vorteile der Verbraucher daraus, dass das ihnen angebotene Produkt signifikant verbessert wurde und damit ihre Erwartungen an Sportveranstaltungen in größerem Umfang befriedigt werden können. Angemessen sind diese Vorteile dann, wenn bei einer Abwägung der Vor- und Nachteile zumindest ein ausgewogenes Verhältnis besteht.140 Auch dies kann dann bejaht 134 Immenga/Mestmäcker/Ellger, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 133; Frenz (Fn. 120), Rn. 876. 135 Komm. ABl. EU 2004, Nr. C 101, 97 (140 ff.). 136 Siehe ausführlich Meier (Fn. 10), S. 180 ff. 137 St. Rspr. seit EuGH, Slg. 1966, 321 (396 f.). 138 Umfassend Meier (Fn. 10), S. 181 f. 139 Brinker (Fn. 119), Artikel 101 AEUV, Rn. 87; Ellger (Fn. 134), Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 227 ff.; Hengst (Fn. 119), Art. 101 AEUV, Rn. 384. 140 Komm., ABl. EU 2004, Nr. C 101, 97 (110).

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werden, wenn sich die Vertragsstrafe im Rahmen von drei Monatsgehältern bewegt, da in diesem Fall die wettbewerblichen Nachteile nicht so schwerwiegend sind, dass sie durch die Verbesserung des Produkts nicht aufgewogen werden können.141 (cc) Unerlässlichkeit Die Unerlässlichkeit einer Maßnahme besteht dann, wenn sie zur Erreichung des Ziels erforderlich ist, wenn also keine milderen Mittel existieren.142 Dass ein gleichwertiges, insbesondere ebenso abschreckendes Mittel zur Prävention besteht, das bisher noch nicht ausgeschöpft wurde und anstelle einer finanziellen Sanktion treten kann, ist nicht ersichtlich. Zwar mag die Effektivitätssteigerung durch zusätzliche Strafen gering sein, allerdings ist anzunehmen, dass zumindest ein gewisser Anreiz durch die finanzielle Sanktion eintritt, der durch andere Strafen nicht realisiert werden kann. Jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt ist die Erforderlichkeit zu bejahen. (dd) Kein Ausschluss des Wettbewerbs Durch die Maßnahmen kommt es auch nicht zu einem Ausschluss des Wettbewerbs.143 Eine nennenswerte Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen kann auch durch den Erlass der zusätzlichen Reglements nicht hervorgerufen werden, da die Märkte in sich monopolisiert sind und aus diesem Grund das Merkmal praktisch keine Bedeutung mehr besitzt. Bei Märkten, die ohnehin ausschließlich durch einen Akteur allein beherrscht werden, können die Wettbewerbschancen nicht reduziert werden, so dass sich weitere Maßnahmen nicht nachteilig auswirken können. (2) Ergebnis Finanzielle Dopingsanktionen bewirken grundsätzlich einen tatbestandlichen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV. Dieser kann allerdings nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt sein, soweit die Strafe verhältnismäßig bleibt. Insbesondere Konsequenzen, die sich auf drei Monatsgehälter beschränken, sind vor diesem Hintergrund zulässig und werden von Art. 101 Abs. 3 AEUVerfasst. Darüber hinausgehende Maßnahmen sind jedoch ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV. Sie führen nach Art. 101 Abs. 2 AEUV zur Nichtigkeit der Vereinbarung, wobei allerdings anerkannt ist, dass auch diese Norm einen Normzweckvorbehalt kennt und daher lediglich der über das zulässige Maß hinausgehende Teil unwirksam ist.144

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Insgesamt vertiefend Meier (Fn. 10), S. 182 ff. Komm., ABl. EU 2004, Nr. C 101, 97 (107). 143 Siehe näher Meier (Fn. 10), S. 184 f. 144 Brinker (Fn. 119), Artikel 101 AEUV, Rn. 74; Frenz (Fn. 120), Rn. 1091; Immenga/ Mestmäcker/Schmidt, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, Art. 101 Abs. 2 AEUV, Rn. 29; Weiß (Fn. 119), Art. 101 AEUV, Rn. 146. 142

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cc) Verstoß gegen Art. 102 AEUV Neben einem möglichen Verstoß gegen Art. 101 AEUV ist auch ein solcher gegen Art. 102 AEUV denkbar. Die Norm schützt nicht nur das wettbewerbsgerechte Verhalten gegenüber anderen Unternehmen, sondern soll auch die Verbraucher vor unangemessenen Methoden bewahren, so dass sie unterschiedslos auf jedermann anzuwenden ist.145 Gleichwohl kann sich die Rechtswidrigkeit wieder aus zwei Überlegungen ergeben: Sie kann einerseits im Verhältnis zu den Sportlern selbst, andererseits aber auch gegenüber dritten Unternehmen bestehen. (1) Kartellrechtswidrigkeit gegenüber den Athleten (a) Tatbestand Zunächst ist zu untersuchen, ob durch die Verwendung von Ehrenerklärungen und den damit verbundenen finanziellen Sanktionen eine Kartellrechtsverletzung gem. Art. 102 AEUV zulasten der einzelnen Sportler begangen wird. Wie gezeigt, sind die Sportverbände Monopolisten und damit marktbeherrschende Unternehmen, soweit es um die Erteilung von Lizenzen geht. Auch das europäische Recht folgt insoweit dem Bedarfsmarktkonzept,146 so dass die jeweilige Lizenz nicht gegen die eines anderen Verbands austauschbar ist. Für die Anwendung des Art. 102 AEUV ist allerdings darüber hinaus die missbräuchliche Ausnutzung dieser Stellung erforderlich. Nach der Definition des EuGH ist dies insbesondere dann gegeben, wenn die Handlungen des Unternehmens dazu dienen, die ohnehin bereits geschwächte Wettbewerbsstruktur des Marktes negativ zu beeinflussen, was vor allem dann der Fall ist, wenn die noch vorhandene Konkurrenz behindert oder ausgeschlossen wird.147 Da der Markt bereits monopolisiert ist, kann eine solche Betrachtung hier aber nicht Platz greifen, da eine Verschlechterung der Wettbewerbssituation somit nicht mehr möglich ist. Weil das Vergleichsmarktkonzept wie auch im deutschen Recht ebenfalls nicht in Betracht kommen kann, ist die Ausnutzung anhand einer Abwägung zu ermitteln.148 Damit sind identische Überlegungen anzustellen wie bereits oben,149 so dass eine Strafe von einem Jahresgehalt überhöht ist und damit Art. 102 AEUV verletzt. Ob abstrakt 145

EuGH, Slg. 1989, 803 (848) – Ahmed Saeed Flugreisen u. a. /Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. 146 Siehe zum deutschen Recht II. 4. b) aa). 147 EuGH, Slg. 1979, 461 (541) – Hoffmann-La Roche/Kommission; Slg. 1980, 3775 (3794) – L’Oreal/De Nieuwe Amck; Slg. 1983, 3461 (3514) – Michelin/Kommission; Slg. 1991, I-3359 (3455) – Akzo/Kommission; Slg. 2007, I-2331 (2398 f.) – British Airways/ Kommission; Slg. 2009, I-2369 (2431) – France Telecom/Kommission. 148 EuGH, Slg. 1978, 207 (305) – United Brands/Kommission; Slg. 1986, 3263 (3304) – British Leyland/Kommission; Slg. 1989, 803 (850) – Ahmed Saeed Flugreisen u. a. /Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs; Slg. 2009, I-2369 (2432) – France Telecom/Kommission. 149 Oben II. 4. b) aa).

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eine Rechtfertigung analog Art. 101 Abs. 3 AEUV in Betracht kommt,150 kann offen bleiben, da sich gezeigt hat, dass eine Strafe dieser Höhe auch nicht durch diese Vorschrift gerechtfertigt werden kann. (b) Rechtsfolge Eine bestimmte Rechtsfolge ergibt sich aus Art. 102 AEUV nicht unmittelbar. Vielmehr ist ergänzend das nationale Recht heranzuziehen, so dass die europäischen Kartellrechtsvorschriften ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB darstellen.151 Da auch das europäische Recht eine Totalnichtigkeit nach dieser Vorschrift nicht verlangt,152 tritt die Unwirksamkeit der Abrede nur insoweit ein, als das höchstzulässige Maß überschritten wird. Daher ist die Vereinbarung bis zu einer Höhe von drei Monatsgehältern weiterhin gültig. (2) Kartellrechtswidrigkeit gegenüber Dritten (a) Tatbestand Durch Art. 102 AEUV werden neben den Interessen der Vertragspartner auch Dritte vor einer Ausnutzung der Marktmacht durch den Monopolisten geschützt. Insoweit ist auch der Behinderungsmissbrauch zulasten anderer Unternehmen als Fallgruppe anerkannt.153 Problematisch ist jedoch, dass der Sportverband zwar auf dem Markt der Lizenzierung Monopolist ist, auf dem relevanten Werbe- und Sponsoringmarkt demgegenüber aber keine marktbeherrschende Stellung innehat. Ob durch Art. 102 AEUVauch Drittmarktbeeinträchtigungen erfasst sind, ist umstritten. Während dies richtigerweise uneingeschränkt bejaht werden muss,154 fordern die Gerichte zusätzliche Voraussetzungen. Für den EuGH ist eine spezielle Rechtfertigung erforderlich,155 während das EuG verlangt, dass eine hinreichend enge Verbindung der beiden Märkte gegeben sein muss.156 Vorliegend sind aber auch die Anforderungen der Rechtsprechung gewahrt. Zwischen Lizenzierungs- und Werbemarkt besteht schon deshalb eine hinreichend enge Verbindung, da der Sportler wirtschaftlich für Werbepartner uninteressant ist, wenn er nicht bei Wettkämpfen starten, somit Erfolge erzielen und die 150

So Bryde, Rechtfertigungsprüfung in der Anwendung von Art. 102 AEUV, 2011, S. 183 ff. 151 Langen/Bunte/Bulst, Bd. 2, 12. Aufl. 2014, Art. 102 AEUV, Rn. 398; Frenz (Fn. 120), 2006, Rn. 1418; Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, Art. 102 AEUV, Rn. 416; Weiß, (Fn. 119), Art. 102 AEUV, Rn. 74. 152 Ebenso: Bulst, (Fn. 151), Art. 102 AEUV, Rn. 389; ausführlich: Meier (Fn. 10), S. 191 f. 153 EuGH, Slg. 1979, 461 (539 f.) – Hoffmann-La Roche/Kommission; Slg. 1991, I-3359 (3455) – Akzo/Kommission. 154 Ebenso auch Fuchs/Möschel (Fn. 151), Art. 102 AEUV, Rn. 141. 155 EuGH, Slg. 1996, I-5951 (6008) – Tetra Pak/Kommission. 156 EuG, Slg. 2003, II-5917 (5989) – British Airways/Kommission.

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Marke präsentieren kann. Die Lizenzierung ist damit unabdingbare Voraussetzung für eine aktive Tätigkeit zu Werbe- oder Sponsoringzwecken. Infolge dieser engen Verknüpfung und der unmittelbaren Möglichkeit der Einflussnahme durch den Sportverband ist die Anwendung der Kartellrechtsregeln auf den marktfremden Akteur auch sachlich gerechtfertigt. Zur Feststellung des Behinderungsmissbrauchs ist, wie schon im deutschen Recht,157 eine Abwägung der widerstreitenden Interessen notwendig.158 Dabei ergeben sich keine Unterschiede zur nationalen Bewertung, so dass die Vereinbarung einer Ehrenerklärung gegenüber dritten Unternehmen kartellrechtswidrig ist. Darüber hinaus besteht auch eine Gefahr der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, da erfolgreiche Sportler nicht nur national, sondern auch international als Werbefiguren einsetzbar sind und die Reglements somit Wirkung über den Bereich eines einzelnen Mitgliedstaats hinaus entfalten. (b) Rechtsfolge Wie gegenüber den Sportlern ist auch im Verhältnis zu den Unternehmen Art. 102 AEUV Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB. Die Unwirksamkeit tritt allerdings nur ein, soweit das zulässige Maß, also die Vereinbarung von mehr als drei Monatsgehältern, überschritten wird.

III. Fazit Eine Dopingstrafe, die dem Athleten ein Jahresgehalt abverlangt, ist sowohl nach deutschem als auch nach europäischem Recht unzulässig. Sie entfernt sich so weit vom rechtlich Erlaubten, dass sie nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit vollständig nichtig ist. Im Übrigen wäre die Strafe auf Grund anderer zivil- und kartellrechtlicher Vorschriften geltungserhaltend auf das höchstzulässige Maß von drei Monatseinkommen zurückzuführen. Trotz der rechtlichen Schwierigkeiten scheint die Vereinbarung einer solchen Strafe im Ergebnis durchaus zweckmäßig. Zum einen mag sie, obwohl sie nur eine beschränkte Präventionsmöglichkeit besitzt, einen gewissen zusätzlichen Anreiz zu rechtstreuem Verhalten geben, zum anderen bietet sie den Verbänden die Gelegenheit, sich klar vom Dopingvergehen zu distanzieren.

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Oben 4. b) bb). So auch Fuchs/Möschel (Fn. 151), Art. 102 AEUV, Rn. 203.

Werbebeschränkungen im Sport in Deutschland und Frankreich Kirsten Helmecke I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Werbebeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Alkoholwerbeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktuelles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorgaben in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorgaben in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. L3323 – 2 du Code de la santé publique . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Tabakwerbeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktuelles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorgaben in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorgaben in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. L3511 – 3 Code de la santé publique . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die explizite Ausnahme vom Verbot: Art. L3511 – 5 Code de la santé publique . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesamtfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung „Les sportifs, ces bêtes de pub“ – Die Sportler, diese Werbetiere.1 Diese Überschrift eines französischen Artikels beschreibt treffend das Interesse, Werbung und Sport miteinander zu verknüpfen. Der Sport, gleich, ob eine Sportart an sich oder ein einzelner Sportler, stellt eine attraktive Möglichkeit dar, Produkte zu vermarkten. Mit Sportlern zu werben ist besonders auf Grund der Bekanntheit der Sportler in der Gesellschaft interessant. Da viele Konsumenten davon ausgehen, dass es etwas Gutes sein muss, wenn jemand Bekanntes ein Produkt benutzt, bedient man sich gerne bekannter Sportler, um ein Produkt noch besser zu vermarkten. Darüber hinaus machen sich die Hersteller die Werte des Sports oder der einzelnen Sportler zu Nutze. Hierzu gehören der Mut, das Über-sich-Hinauswachsen, der Kampfgeist, der Siegeswille, die Kraft, die Energie, das Gemeinschaftsgefühl, die Gesundheit, die Korrektheit und die Präzision. Mit dem Ziel, die Konsumbereitschaft noch mehr anzuregen, wird eine Verbindung zwischen diesen positiven Werten und den zu bewerbenden Produkten hergestellt. 1. Begriffsbestimmungen Um eingrenzen zu können, welche Handlungen unter den Begriff der Werbung fallen, muss diese jedoch zunächst näher bestimmt und insbesondere vom Begriff des Sponsorings abgegrenzt werden. a) Werbung Ausgehend von der Definition der Werbung in Art. 2 a der Richtlinie 2006/114/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates über irreführende und vergleichende Werbung sowie der Definition in § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV ergibt sich folgende diesem Beitrag zu Grunde zu legende Definition: Werbung ist jeder planvolle Einsatz von Kommunikationsmitteln mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Die Angebotsadressaten sollen in ihrem Kaufverhalten derart beeinflusst werden, dass ihr Konsum gesteigert wird. Im Mittelpunkt steht demnach das Ziel, im Rahmen der Werbung ein Produkt zu verkaufen. b) Sponsoring Sponsoring ist dagegen eine gegenseitig verpflichtende, geschäftliche Vereinbarung. Der Sponsor erbringt hierbei eine finanzielle Leistung, eine Sachleistung oder 1 Vgl. den Artikel „Les sportifs, ces bêtes de pub“ vom 24. 12. 2012, abrufbar unter http:// www.eurosport.fr/economie/les-sportifs-ces-betes-de-pub_sto4868332/story.shtml (alle Internetseiten zuletzt abgerufen am 09. 09. 2015).

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eine Dienstleistung.2 Sein Ziel ist es, eine positive Verbindung zwischen ihm und dem Gesponserten herzustellen. Anschließend wird mit dieser Verbindung geworben, um die Bekanntheit des Sponsors erstmals zu erlangen, zu steigern oder zu erhalten. In erster Linie geht es dem Sponsor folglich gerade nicht darum, den Konsum anzuregen. Zunächst soll seine Bekanntheit positiv beeinflusst werden. Dennoch kann diese entstehende Bekanntheit letztendlich zumindest zu einer „indirekten Werbung“ führen: Die Konsumenten stellen die Verbindung zwischen einem Produkt oder einer Dienstleistung und dem Gesponserten her und werden so hierauf aufmerksam. Früher oder später kann dies schließlich dazu führen, dass die Konsumenten das Produkt erwerben oder die Dienstleistung in Anspruch nehmen. Sponsoring kann also einen werbenden Effekt haben. Folglich müssen beide Begriffe einerseits rechtlich strikt voneinander abgegrenzt werden. Andererseits weisen sie einige mögliche Überschneidungspunkte auf. Diese Tatsache macht es erforderlich, Werbeverbote auch explizit für das Sponsoring zu erlassen, um zu vermeiden, dass die Effektivität reiner Werbebeschränkungen eingeschränkt wird. 2. Werbebeschränkungen Da man es im Sport vermeiden möchte, dass durch Werbung ein negatives Bild auf diesen fällt, existieren hinsichtlich der Werbung gewisse Beschränkungen. Hiernach wird Werbung unter bestimmten Voraussetzungen verboten. Explizit auf den Sport bezogen, findet man solche Beschränkungen insbesondere in Vereins- oder Verbandsstatuten. Beispielhaft sei auf § 15 Abs. 3 des DFB-Ligastatuts hingewiesen: „Die Werbung darf nicht gegen die allgemein im Sport gültigen Grundsätze von Ethik und Moral, die gesetzlichen Bestimmungen oder die guten Sitten verstoßen. Die Werbung für starke Alkoholika (Alkoholgehalt über 15 %) oder für Tabakwaren und ihre Hersteller sowie für Unternehmen, zu deren Haupttätigkeiten die Herstellung von Tabakwaren gehört, ist unzulässig. Werbung mit politischem, religiösem oder rassistischem Inhalt oder zu Gunsten von Sekten ist ebenfalls untersagt.“3

Es wird deutlich, dass die Regelung Verbote für solche Handlungen enthält, die einen negativen Einfluss auf den Sport haben können.4 2

Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG, § 4 Rn. 3.47a f. Vgl. auf französischer Seite die Règlements intégraux de la LFP 14/15 Art. 561 und 566, die dieser Regelung inhaltlich entsprechen, abrufbar unter http://www.lfp.fr/reglements/regle ments/2014_2015/reglement_integral.pdf. 4 Vgl. zur Veranschaulichung den Artikel „… und es war Ommer“ zur Kondomwerbung durch den FC Homburg, abrufbar unter http://www.11freunde.de/artikel/als-der-fc-homburgfuer-kondome-warb und den Artikel „Als der ECD Iserlohn Gaddafis Grünes Buch bewarb“ vom 14. 08. 2012, abrufbar unter http://www.welt.de/sport/fussball/article108598278/Als-derECD-Iserlohn-Gaddafis-Gruenes-Buch-bewarb.html. 3

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Problematisch an dieser Vorschrift ist die Tatsache, dass die Begriffe dieser Vorgabe wie „Ethik und Moral“ oder die „guten Sitten“ unbestimmte Begriffe sind. Dies erschwert es einerseits, eine genaue Vorhersage zu treffen, ob eine Werbung diesem Verbot unterfällt oder nicht. Andererseits bedürfen diese Begriffe aufgrund ihrer Unbestimmtheit einer Auslegung. Dies führt dazu, dass sie in gewisser Weise anpassungsfähig und gerade deshalb häufig im Rahmen von Werbebeschränkungen aufzufinden sind. Aufgrund ihrer Auslegungsfähigkeit und Auslegungsbedürftigkeit werden sie dem zeitlichen Kontext angemessen ausgelegt und verstanden. Diese Begriffe können sich somit zeitlich mitentwickeln und ihrem jeweiligen aktuellen Verständnis nach ausgelegt werden. Diese Verbote in Vereins- oder Verbandsstatuten gelten nur innerhalb der jeweiligen Sportart bzw. des jeweiligen Vereins oder Verbands.5 Gesetzliche und damit allgemeingültige Verbote existieren dagegen in erster Linie zu Gunsten des Gesundheitsschutzes, mithin aus Gründen, die die Allgemeinheit betreffen. Hierunter fallen demnach Werbebeschränkungen hinsichtlich der Alkohol- und Tabakwerbung. Solche Verbote gelten grundsätzlich für die Werbung in allen Bereichen. Jedoch haben sie gerade auch immensen Einfluss auf den Sport, da, wie bereits dargestellt, ein großes Interesse an einer Verknüpfung zwischen dem Sport und der Werbung existiert.

II. Das Alkoholwerbeverbot 1. Aktuelles Am 29. 04. 2015 wurde eine Resolution des Europäischen Parlaments veröffentlicht.6 Wenngleich diese für die Mitgliedstaaten rechtlich nicht bindend ist, ist ihre mögliche Bedeutung nicht von der Hand zu weisen. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments haben die Kommission hierin aufgefordert, „unverzüglich mit der Arbeit an einer neuen EU-Alkoholstrategie (2016 – 2022) zu beginnen“. Gleichzeitig wurden die Mitgliedstaaten aufgefordert, „Werbung für Alkohol und deren Auswirkungen auf Jugendliche zu überwachen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um 5 Beispiele für Werbeverbote: Jägermeister Braunschweig, Verbot heute wegen Verstoßes gegen § 15 Abs. 3 DFB Ligastatut (IV. Sponsorwerbung): Foto des Trikots, abrufbar unter http://bc02.rp-online.de/polopoly_fs/archiv-mittelfeldspieler-paul-breitner-eintracht-braun schweig-1.3274417.1363880185!httpImage/363704866.jpg_gen/derivatives/d950x950/ 363704866.jpg; FC Homburg – London Rubber Company – Verbot wegen Verstoßes gegen Moral und Ethik, § 15 Abs. 3 DFB Ligastatut (IV. Sponsorwerbung): Foto des Trikots, abrufbar unter http://cdn3.spiegel.de/images/image-637396-galleryV9-pnff.jpg; ECD IserlohnGrünes Buch Gaddafi – Verbot wegen politischen Inhalts, Foto des Trikots, abrufbar unter http://sammlung.sportmuseum.de/wp-content/uploads/2011/08/11 – 126.jpg. 6 Vgl. die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Alkoholstrategie (2015/2543 (RSP)), abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP// TEXT+MOTION+B8 - 2015 - 0357+0+DOC+XML+V0//DE.

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Jugendliche weniger mit entsprechender Werbung in Berührung kommen zu lassen“. Es soll auch über Werbeverbote für alkoholische Getränke im Fernsehen und im Internet sowie bei Sportveranstaltungen nachgedacht werden. Gerade für die Sportveranstaltungen ist dies von großer Bedeutung, da immer mehr Hersteller alkoholischer Getränke im professionellen Sport und im Amateursport Sponsoren von Mannschaften, Veranstaltungen und Stadien sind. Insbesondere für Deutschland könnte sich aus dieser Resolution ein gewisser Druck ergeben: Wenngleich die Resolution rechtlich nicht bindend ist, erscheint sie zunächst nur als erster Schritt auf dem Weg zu einem möglichen europaweiten Alkoholwerbeverbot. Gerade beim Blick über die Grenze in den Mitgliedstaat Frankreich und die hier gegebenen umfangreichen Regelungen erscheint es realistisch, dass früher oder später auch die anderen Mitgliedstaaten, somit insbesondere Deutschland, weitergehende Regelungen erlassen müssen. Um abschätzen zu können, inwieweit solche Regelungen getroffen werden könnten, müssen zunächst die Rechtslagen in Deutschland und in Frankreich näher analysiert werden. 2. Vorgaben in Deutschland a) Historische Entwicklung „Alkohol und aktiver Sport gehören nicht zusammen.“7 Wenngleich diese Aussage immer öfter zu hören ist, hat das Sponsoring von Sportveranstaltungen, Vereinen und Programmen durch die Alkoholindustrie in Deutschland zugenommen: Fußballstadien werden nach Biermarken benannt, Sportsendungen werden von Herstellern alkoholhaltiger Getränke präsentiert. Darüber hinaus sind Alkoholhersteller Exklusivsponsoren von Sportveranstaltungen, sie erscheinen auf Trikots und auf Banden. So ist z. B. die Bitburger Braugruppe GmbH offizieller Partner des DFB. Krombacher sponsert den deutschen Fußball und die Berichterstattung in der Formel 1 sowie Handball- und Basketballklubs und Bobbycar- und Leichtathletikvereine.8 Alkohol und Sport scheinen demnach entgegen der oben abgedruckten Aussage in Deutschland durchaus zusammenzugehören.9 Dennoch gibt es immer wieder Versu7 Vgl. die Homepage von Jägermeister, abrufbar unterhttp://newsroom.jaegermeister.de/ ?s=alkohol+und+aktiver+sport+geh%C3 %B6ren+nicht+zusammen. 8 Vgl. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS): Beobachtungen in Deutschland, AMMIE-Alcohol Marketing Monitoring Europe-Kurzbericht, S. 9, abrufbar unter http://www. dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/AMMIE/A4_A12 - 2030_A122030_DHS_Ammie.pdf; vgl. für weitere aktive Sponsoren aus der Alkoholindustrie: Krombacher, abrufbar unterhttps:// www.krombacher.de/Engagement/Sportsponsoring/VereinssponsoringFussballl/; Bitburger, abrufbar unter http://www.bitburger.de/fussballfieber/unsere-vereine//; Hasseroeder, abrufbar unter http://www.hasseroeder.de/sponsoring; Erdinger, abrufbar unter http://www.erdinger.de/ de/erdinger-weissbier-unternehmen/sponsoring. 9 DHS (Fn. 8), S. 9; vgl. diesbezüglich auch Werbung aus der Vergangenheit: Jägermeisterwerbung, abrufbar unter http://www.hochsitz-cola.de/wp-content/uploads/2012/06/574-ich-er

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che, ein umfassendes Werbe- und Sponsoringverbot für Alkohol einzuführen.10 Dieses ist jedoch bislang, insbesondere aufgrund der dadurch drohenden wirtschaftlichen Auswirkungen, noch nicht durchgesetzt worden. Ein solches Verbot würde die Sportbranche seriösen Schätzungen zufolge um 300 Mio. E erleichtern.11 Momentan ist ein Werbeverbot daher politisch (noch) nicht vorgesehen. b) Gesetzliche Vorgaben In Deutschland existiert folglich kein allgemeines Verbot für Alkoholwerbung und Alkoholsponsoring. Dennoch gibt es Bestimmungen, die sich explizit auf die Regulierung alkoholbezogener Werbeaktivitäten beziehen.12 Eine solche Bestimmung findet sich in § 11 Abs. 5 JuSchG: „Werbefilme oder Werbeprogramme, die für Tabakwaren oder alkoholische Getränke werben, dürfen unbeschadet der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 4 nur nach 18 Uhr vorgeführt werden.“

Eine weitere Bestimmung nach § 5 Abs. 5 JmStV lautet: „Werbung für alkoholische Getränke darf sich weder an Kinder oder Jugendliche richten noch durch die Art der Darstellung Kinder und Jugendliche besonders ansprechen oder diese beim Alkoholgenuss darstellen. Entsprechendes gilt für die Werbung für Tabak in Telemedien.“

Da diese Regelungen zum Schutze der Jugend bereits erlassen wurden, übt die Resolution insoweit wohl keinen weiteren Druck auf den deutschen Gesetzgeber aus, zumal sie rechtlich nicht bindend ist. c) Zwischenfazit In Bezug auf die Frage, ob in Deutschland ein Verbot erlassen oder das Alkoholsponsoring weitergehender eingeschränkt werden wird, lässt sich sagen, dass dies eine Frage der Verhältnismäßigkeit ist. Da es gerade in Deutschland viele Brauereien gibt, die als Sponsoren auftreten, würde jede Beschränkung die deutsche Wirtschaft stark beeinträchtigen. Auf der anderen Seite steht die Gesundheit der Bevölkerung. hard-keller-trinke-Jaegermeister-weil-ich-auf-eiskalte-sachen-steh.jpg und unter https://www. ichliebediemarke.com/bestof/ich-trinke-jagermeister-weil. 10 Vgl. den Artikel „Alkoholwerbung: Zittern um 300 Millionen Euro“ vom 11. 09. 2008, abrufbar unter www.http://www.spiegel.de/sport/fussball/alkoholwerbeverbot-zittern-um-300millionen-euro-a-576400.html und den Artikel „Sponsoringverbot für Alkohol vom Tisch“ vom 29. 10. 2008, abrufbar unter http://www.horizont.net/marketing/nachrichten/-Sponsoring verbot-fuer-Alkohol-vom-Tisch-79896. 11 Vgl. den Artikel „Alkoholwerbung: Zittern um 300 Millionen Euro“ vom 11. 09. 2008, abrufbar unter www.http://www.spiegel.de/sport/fussball/alkoholwerbeverbot-zittern-um-300millionen-euro-a-576400.html. 12 DHS (Fn. 8), S. 7.

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Was jedoch möglich erscheint, ist – gerade auch im Hinblick auf die bereits erlassene Resolution13 – der Erlass einer bindenden europäischen Vorgabe. Hierdurch würde der deutsche Gesetzgeber verpflichtet werden, eine gesetzliche Regelung zu erlassen. Wenngleich abzuwarten bleibt, welche tatsächlichen weiteren Effekte die genannte Resolution noch haben wird, lässt der Blick auf die französische Gesetzeslage vermuten, dass diese früher oder später durchaus Einfluss hierauf haben wird. 3. Vorgaben in Frankreich Frankreich ist ein Land, das in ganz besonderem Maße Wert auf die Gesundheit des Volkes legt. Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass der französische Gesetzgeber hinsichtlich der Alkoholwerbung und des Alkoholsponsorings tätig geworden ist, um diese einzuschränken und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Frankreich ist dafür bekannt, mit der sog. „Loi Evin“ eines der strengsten Gesetze Europas in Bezug auf Alkohol und Tabakwerbeverbote zu haben. a) Historische Entwicklung Der gesetzliche Rahmen für das Alkoholwerbeverbot wurde nach und nach vom französischen Gesetzgeber entwickelt. Das erste Gesetz diesbezüglich wurde 1959 erlassen.14 Das Charakteristische für diesen „Code des débits de boissons et des mesures contre l’alcoolisme“ war die Aufteilung der einzelnen Alkoholika im Hinblick auf ihre Herstellung, ihren Vertrieb und ihren Verbrauch in fünf Gruppen. Diese Gruppierung erfolgte folgendermaßen: Die erste Gruppe umfasste alkoholfreie Getränke wie Mineralwasser, nicht vergorene Frucht- oder Gemüsesäfte und solche, welche aufgrund begonnener Gärung Alkohol in Spuren von höchstens 1 % aufwiesen.15 Wein und Bier gehörten zur zweiten Gruppe. Apéritifs auf Weinbasis sowie Liköre mit einem Alkoholgehalt von nicht mehr als 18 % gehörten zur dritten Gruppe. Digéstifs wie z. B. Cognac fielen in die vierte Gruppe. Apéritifs wie Whiskey gehörten zur fünften Gruppe.16 Die Untergliederung in diese Gruppen hatte den Zweck, vorgeben zu können, welche Alkoholika keinerlei Werbeverbot unterlagen, in Bezug auf welche Alkoholika Einschränkungen zu beachten waren und welche letztlich gar nicht beworben werden

13 Vgl. die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Alkoholstrategie (2015/2543 (RSP)), abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP// TEXT+MOTION+B8 - 2015 - 0357+0+DOC+XML+V0//DE. 14 Revue juridique et économique du sport 1992, 20 – 23, S. 47. 15 CJCE 10 juillet 1980 af. C-152/78, Commission c/France, S. 2301, D. 1982, jur. S. 141, Anmerkung Bergères. 16 Cf. Fabre., Bonnet Desplan., Sermet Gen Droit de la publicité et de la promotion des ventes, 2006, S. 257; Revue Lamy Droit des Affaires 2008, 26, S. 1.

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durften.17 Demnach durften Alkoholika der Gruppen 1, 2 und 4 unbeschränkt beworben werden. Bei Gruppe 3 waren Einschränkungen zu beachten und Alkoholika aus Gruppe 5 unterlagen einem vollständigen Werbeverbot.18 Die Einschränkungen bezogen sich darauf, dass im Rahmen der Werbung ausschließlich auf die Zusammensetzung des Erzeugnisses sowie auf den Namen und die Anschrift des Herstellers, seine Vertreter und Niederlassungen hingewiesen werden musste.19 Cognac fiel folglich mit einem Alkoholgehalt von ca. 40 vol.–% als Digéstif in Gruppe 4. Die Werbung für Cognac war demnach unbeschränkt erlaubt. Whiskey, mit einem Alkoholgehalt von ebenfalls ca. 40 – 50 vol.–%, durfte jedoch als Teil von Gruppe 5 gar nicht beworben werden. Der einzige hier auffallende Unterschied (neben dem vorwiegenden Herstellungsort) zwischen Cognac und Whiskey ist, dass das eine Getränk vor und das andere Getränk nach dem Essen getrunken wird.20 In rechtlicher Hinsicht ist diese Unterteilung damit unbestritten als eine Diskriminierung der verschiedenen alkoholhaltigen Getränke zu qualifizieren. Dies wurde auch vom Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Art. 226 EGV a. F./Art. 258 Abs. 1 AEUV n. F. mit allgemeiner Geltung entschieden.21 In diesem Rahmen machte die Europäische Kommission die Französische Republik darauf aufmerksam, dass die nationale Regelung der Werbung für Branntwein bestimmte Branntweinsorten benachteilige, die herkömmlicherweise als Erzeugnis anderer Mitgliedstaaten angesehen würden. Statt die Diskriminierung aufzuheben, wies die französische Regierung jedoch anschließend darauf hin, dass die Untergliederung auf Gründen des Gesundheitsschutzes beruhe und die Unterscheidungen der alkoholischen Getränke nicht auf deren Ursprung zurückzuführen sei.22 Europarechtlich wurde diese Unterteilung jedoch nach der Dassonville-Formel als Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 30 EGV a. F./Art. 28 AEUV n. F. angesehen. Hiernach seien die Art. L17 und L18 des „Code des débits de boissons et des mesures contre l’alcoolisme“ geeignet, die Einfuhr von Branntwein aus anderen Mitgliedstaaten nach Frankreich unmittelbar, mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern. Eine Rechtfertigung kam nach Auffassung der Kommission nicht in Betracht: Obwohl die Unterscheidung nicht unmittelbar auf dem Ursprung der Getränke beruhe und sich damit als eine unterschiedslose Maßnahme darstelle, bewirke sie eine strengere Behandlung bestimmter Getränke, von denen die Mehrzahl aus anderen Mitgliedstaaten stamme, ohne dass diese unterschiedliche Behandlung durch objektive

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Revue Lamy Droit des Affaires (Fn. 16), S. 1. Revue Lamy Droit des Affaires (Fn. 16), S. 1. 19 CJCE 10 juillet 1980 af. C-152/78, Commission c/France, S. 2301 (2301), D. 1982, jur. S. 141, Anmerkung Bergères. 20 Revue Lamy Droit des Affaires (Fn. 16), S. 1. 21 CJCE 10 juillet 1980 af. C-152/78, Commission c/France, S. 2301 (2301)., D. 1982, jur. S. 141, Anmerkung Bergères. 22 CJCE 10 juillet 1980 af. C-152/78, Commission c/France, S. 2301 (2302), D. 1982, jur. S. 141, Anmerkung Bergères. 18

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Gründe gerechtfertigt werden könne.23 Eine Unterteilung in Gruppen nach dem Alkoholgehalt könne grundsätzlich objektiv gerechtfertigt werden. Die Unterteilung nach Verbrauchergewohnheiten sei jedoch eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung. Insbesondere sei diese Unterteilung nicht verhältnismäßig. Die Auswirkungen auf den Handel stünden außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel, gegen den Alkoholismus zu kämpfen.24 Der Gerichtshof schloss sich zu Recht der Ansicht der Kommission an: Die Vorgaben in Bezug auf Alkoholwerbung seien, wenngleich sie auch inländische Alkoholika beträfen, Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen nach Art. 30 EGV a. F./Art. 28 AEUV n. F. Eine Rechtfertigung nach Art. 36 EGV a. F./Art. 29 AEUV n. F. sei mangels Verhältnismäßigkeit nicht möglich. Die Französische Republik habe somit gegen Art. 36 EGV a. F./Art. 29 AEUV n. F. verstoßen.25 Infolgedessen musste der französische Gesetzgeber dieses Gesetz aufheben, Art. 228 EGV a. F./Art. 260 Abs. 1 AEUV n. F.26 Da die Alkoholwerbung aber nicht unbeschränkt bleiben sollte, wurde am 20. 07. 1987 das Gesetz no. 87 – 588 „Loi Barzach-Ricard“ erlassen.27 In diesem Gesetz wurden einerseits noch mehr Einschränkungen vorgesehen. Andererseits wurde die Unterteilung der Getränke in Gruppen aufgehoben. Überdies enthielt dieses Gesetz nun explizit eine Vorgabe hinsichtlich des Sponsorings: Wurde die Werbung für Alkoholika verboten, so galt dies automatisch auch für das Sponsoring. In dem Gesetz fand demnach eine Art Gleichstellung beider wirtschaftlicher Praktiken statt.28 Das Verbot bezog sich insbesondere auf das Sportgelände, das Fernsehen und Zeitschriften, die sich in erster Linie an Jugendliche richteten.29 Problematisch stellten sich in Bezug auf dieses Gesetz die zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen dar. Insbesondere auf Grund der Tatsache, dass sich kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes die ersten großen Sponsoren aus dem Fecht- und dem Radsport zurückzogen, zog die damalige Gesundheitsministerin Michèle Barzach Konsequenzen und erließ am 16. 10. 1987 ein „Rundschreiben“, um das Sponsoring durch Alkoholfabrikanten zu retten.30 Als Grund hierfür erkannte sie den rechtlichen und auch wirtschaftlichen Unterschied zwischen Werbung und Sponsoring an, der einer Gleichstellung entge23

CJCE 10 juillet 1980 af. C-152/78, Commission c/France, S. 2301 (2302), D. 1982, jur. S. 141, Anmerkung Bergères. 24 CJCE 10 juillet 1980 af. C-152/78, Commission c/France, S. 2301 (2307), D. 1982, jur. S. 141, Anmerkung Bergères. 25 CJCE 10 juillet 1980 af. C-152/78, Commission c/France, S. 2301 (2317), D. 1982, jur. S. 141, Anmerkung Bergères. 26 Revue Lamy Droit des Affaires (Fn. 16), S. 1; Revue juridique et économique du sport (Fn. 14), S. 50 f. 27 Revue juridique et économique du sport (Fn. 14), S. 50 f.; Revue Lamy Droit des Affaires (Fn. 16), S. 1. 28 Revue juridique et économique du sport (Fn. 14), S. 50 f. 29 Revue juridique et économique du sport (Fn. 14), S. 50 f. 30 Revue juridique et économique du sport (Fn. 14), S. 50 f.

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genstand: Werbung ziele darauf ab, das Publikum zum Kauf zu animieren, wohingegen das Sponsoring in erster Linie dazu diene, das Bild eines Unternehmers zu verbessern bzw. zu verbreiten und dessen Bekanntheit zu steigern, indem mit einer bestimmten Sportart eine Verbindung hergestellt werde.31 Wenngleich dieser Grund rechtlich gesehen vertretbar war, gab es für das „Rundschreiben“ als solches keine Rechtsgrundlage, da das damalige Gesetz in Art. L18 al.3 gerade ausdrücklich und rechtswirksam vorsah, dass die einschlägigen Verbote sowohl für die Werbung als auch für das Sponsoring gelten sollten.32 Konsequenterweise stellte das TGI (Tribunal de Grande Instance) Paris schließlich fest, dass ein Rundschreiben kein Gesetz modifizieren könne.33 Hierauf folgte am 10. 01. 1991 das wohl bekannteste Gesetz „la Loi Evin“, das nach seinem Verfasser, Claude Evin, benannt wurde: Dieses Gesetz stellt noch heute eine der strengsten Vorgaben für ein Land hinsichtlich dessen Werbung für Alkohol in ganz Europa dar. Umgesetzt wurde das Gesetz in den Art. L3323 – 1 bis -6 und R3323 – 1 bis -4 des Code de la santé publique.34 Es übernimmt die europäische Richtlinie von 1989, die Vorgaben bezüglich Alkoholwerbung im Fernsehen enthielt, und vervollständigt diese.35 Festzuhalten ist demnach, dass der französische Gesetzgeber im Gegensatz zum deutschen Gesetzgeber rechtsetzend tätig geworden ist und Alkoholwerbung in Frankreich größtenteils verboten hat. b) Gesetzliche Vorgaben aa) Art. L3323 – 2 du Code de la santé publique Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass Art. L3323 – 2 du Code de la santé publique36 nur exklusive Ausnahmen aufzählt, wann bzw. wo Alkoholwerbung erlaubt ist. Daraus lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber von einem generellen Verbot ausgeht und Alkoholwerbung nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Dies bedeutet, dass die Ausnahmen, die explizit im Gesetz genannt sind, jedoch so eindeutig sein müssen, dass keine Zweifel daran bestehen dürfen, dass eine Ausnahme vom Verbot gegeben ist. Aufgrund der Struktur des Artikels muss zu Lasten des Werben31

Revue juridique et économique du sport (Fn. 14), S. 50 f. Revue juridique et économique du sport (Fn. 14), S. 50 f. 33 Revue juridique et économique du sport (Fn. 14), S. 50 (51): Le TGI de Paris décidait „Qu‘une circulaire ne saurait modifier une loi. “ 34 Revue Lamy Droit des Affaires (Fn. 16), S. 1; Bahans/Menjucq, Droit du marché vitivinicole, nr. 659, S. 335. 35 Sog. Fernsehrichtlinie 89/552 EWG vom 03. 10. 1989, abrufbar unter http://eur-lex.euro pa.eu/legalcontent/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31989 L0552&from=DE. 36 Gesetz abrufbar unter http://www.legifrance.gouv.fr/affichCodeArticle.do?cidTexte=LE GITEXT000006072665&idArticle=LEGIARTI000006688011&dateTexte=&categorieLien= cid. 32

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den und zu Gunsten der Gesundheit der französischen Bevölkerung im Grundsatz von einem Verbot ausgegangen werden. Dies ist einer der Gründe, weshalb die „Loi Evin“ als eines der schärfsten Verbote in Europa bezeichnet wird. Zusammenfassend ist nach dem aktuellen Gesetzesstand in Frankreich somit die Ausstrahlung von Werbefilmen für alkoholhaltige Getränke im Fernsehen und bei öffentlichen Filmveranstaltungen verboten. Auf Plakaten und in Printmedien, die nicht an Jugendliche gerichtet sind, ist die Bewerbung alkoholischer Produkte dagegen erlaubt. Allerdings darf diese Werbung nicht lifestyle- oder imageorientiert sein, sondern darf lediglich Produktinformationen übermitteln. Die Strenge des Gesetzes wird auch im Hinblick auf die Grundrechte deutlich: Die „Déclaration des Droits de l’homme et du citoyen“ (DDHC) aus dem Jahr 1789 beinhaltet in Art. 5, dass die Freiheit das Prinzip sein soll und die Einschränkung die Ausnahme. Die „Loi Evin“ missachtet genau diesen Grundsatz, indem sie den Artikel umkehrt. Man könnte sich nun fragen, ob der französische Gesetzgeber durch die Formulierung des Art. L3323 – 2 gegen die Grundprinzipien des französischen Staates verstoßen hat und das Gesetz daher verfassungswidrig ist. Dies muss jedoch im Hinblick auf das mit dem Gesetz verfolgte Ziel, die Gesundheit der französischen Bevölkerung zu fördern, verneint werden. Die Gesundheit überwiegt die Bedeutung des Art. 5 DDHC, sodass auch dieser Verstoß gerechtfertigt ist. Dennoch hat die Tatsache, dass durch die „Loi Evin“ der Grundsatz des Art. 5 DDHC umgekehrt wird, einen Effekt: Art. L3323 – 2 muss restriktiv ausgelegt werden. Dies führt auch dazu, dass die Tatbestandsmerkmale, insbesondere die Werbung, nicht zu weit gefasst werden dürfen. Vorab ist bereits festzuhalten, dass unter „alkoholische Getränke“ solche fallen, die einen Alkoholgehalt von über 1,2 Vol-% haben.37 Was nun als Werbung für alkoholische Getränke zu verstehen ist, muss strikt definiert werden. Dies führt dazu, dass Handlungen, die nicht unter den Begriff der Werbung fallen, auch nicht dem Gesetz und damit nicht dem grundsätzlichen Verbot unterfallen: Werbung ist eine kommerzielle Handlung, die den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen zum Ziel hat und die unmittelbar von einer Person oder mittels Medien gegen Bezahlung durchgeführt wird.38 Demnach ist Art. L3323 – 2 nicht auf das Sponsoring anwendbar, weil dieses gerade nicht den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen zum obersten Ziel hat.39

37

Décret nr. 92 – 280 du 27 mars 1992, JO 28 mars 1992, S. 4313. Revue Lamy Droit des Affaires (Fn. 16), S. 1 (5). 39 Revue Lamy Droit des Affaires (Fn. 16), S. 1 (2). 38

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Allerdings enthält der Artikel diesbezüglich eine gesonderte Vorschrift. Nach Art. L3323 – 2 Code de la santé publique40 ist auch das Sponsoring verboten, wenn dieses zum Ziel oder als Effekt hat, dass alkoholische Getränke propagiert oder direkt oder indirekt beworben werden. Um zu verstehen, was genau unter diese, ebenfalls eng auszulegende Vorschrift fällt, müssen die einzelnen Begriffe definiert und insbesondere von den Gerichten ausgelegt werden. Die Cour de Cassation ist nach ihrem Verständnis davon ausgegangen, dass die im Artikel enthaltene „indirekte Werbung“ bereits in folgender Situation gegeben sei: Ein Formel-1-Fahrer wird fotografiert und in einer französischen Zeitung abgebildet. Auf dem Foto erkennt man im Hintergrund seine Sponsoren anhand ihrer Marken und Logos, die im konkreten Fall „Foster Bier“ und „Mumm“ waren.41 Letztlich versteht man unter Werbung somit jede kommerzielle Kommunikation, die auf ein alkoholisches Getränk hinweist, ohne dass diese in erster Linie zum Ziel hat, den Konsum der Rezipienten anzuregen. Um insbesondere wegen der notwendigen restriktiven Auslegung der „Loi Evin“ zu verhindern, dass auf Umwegen Alkohol beworben wird, musste demnach auch das Sponsoring einbezogen werden, sofern es werbende Elemente enthält. Ansonsten würde das Gesetz nahezu leerlaufen und hätte keinerlei positive Effekte in Richtung Verringerung des Alkoholkonsums. Sponsoring ist demnach insoweit verboten, als damit ein mit Werbung verbundenes Ziel verfolgt wird. Mithin ist das Verbot auch in diesem Aspekt sehr streng. Seit 2005 ist jedoch eine Tendenz dahingehend zu erkennen, dass das Gesetz immer weniger streng ausgelegt wird: „Il est licite de communiquer sur le vin, mais illicite de communiquer sur le boire.“ Dem TGI Paris zufolge ist es also erlaubt, über den Wein zu kommunizieren, aber verboten, über das Trinken zu kommunizieren.42 Hinsichtlich des Sponsorings lässt dies mutmaßen, dass Maßnahmen zukünftig immer wohlwollender als erlaubt angesehen werden, da durch das Sponsoring gerade nicht zum Konsum animiert werden soll. Allerdings ist die vom TGI getroffene Unterscheidung wiederum eine sehr delikate, sodass abzuwarten bleibt, wie die Entscheidungen der Gerichte zukünftig ausfallen werden. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung des Sponsorings ist jedoch davon auszugehen, dass eine weniger strenge Auslegung ausgeweitet werden wird. bb) Zwischenfazit Zwar hat Frankreich eine gesetzliche Vorgabe, was Alkoholwerbung und Alkoholsponsoring anbelangt, jedoch ist diese nicht sehr eindeutig ausgestaltet. Das Ver40 Art. L3323 – 2 Code de la santé publique: „Toute opération de parrainage est interdite lorsqu’elle a pour objet ou pour effet la propagande ou la publicité, directe ou indirecte, en faveur des boissons alcooliques.“ 41 Cass.crim. du 3 nov. 2004, no 4 – 81.123, Bull. Crim. nr. 268; Revue Lamy Droit des Affaires (Fn. 16), S. 1 (5). 42 TGI Paris du 18 mars 2004, nr. RG 04/52818.

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bot besteht vor allem für Fernsehen, Kino und Zeitschriften, die an Jugendliche gerichtet sind. Insbesondere Radiowerbung und sonstige Printwerbung sind explizit erlaubt. Die Gestaltung in Form eines grundsätzlichen Verbots führt dazu, dass das Gesetz eines der strengsten Gesetze Europas ist. Die explizit aufgeführten Ausnahmen vom Verbot sind deshalb eng auszulegen und nur bei eindeutiger Subsumtionsmöglichkeit gegeben. 4. Fazit Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es hinsichtlich des Alkoholsponsorings in Deutschland und Frankreich insbesondere einen großen Unterschied gibt: In Deutschland existiert kein, in Frankreich dagegen ein umfassendes Verbot. Die Undurchsichtigkeiten des französischen Gesetzes zeigen, dass es besonders wichtig ist, genauestens festzulegen, was unter Sponsoring und was unter Werbung zu verstehen ist, und die Unterschiede so genau wie möglich gesetzlich zu fixieren.

III. Das Tabakwerbeverbot 1. Aktuelles Neben dem Alkohol ist der Tabak eine weit verbreitete „Droge“, die gesundheitsschädigende Folgen haben kann. Im Gegensatz zum Alkohol wurde hinsichtlich des Tabaks auf europäischer Ebene die Tabak-Werberichtlinie 2003/33/EG erlassen.43 Da es sich hierbei um eine europarechtliche Richtlinie handelt, waren sowohl Frankreich als auch Deutschland verpflichtet, diese umzusetzen. Somit gibt es in beiden Ländern diesbezüglich gesetzliche Vorgaben. Aktuell macht Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) deutlich, dass Tabakwerbung in Deutschland auch im Kino und auf Plakaten verboten werden soll.44 Das Verbot in Deutschland ist demnach offensichtlich nicht vollumfassend. Aus Frankreich hört man dagegen aktuell keine ähnlichen Forderungen, sodass vermutet werden kann, dass inhaltlich trotz der Richtlinie wiederum Unterschiede in der Umsetzung in beiden Ländern bestehen. 2. Vorgaben in Deutschland Im Gegensatz zu älteren Aufzeichnungen von Formel-1-Rennen, in denen die Rennwagen noch übersät waren von Marken und Logos von Zigarettenherstellern wie Marlboro oder West, zieren heute die Logos von Banken wie Santander oder 43

Richtlinie abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L: 2003:152:0016:0019:DE:PDF. 44 Vgl. den Zeitungsartikel „Agrarminister will Tabak-Werbeverbot“ in der FAZ vom 29. 06. 2015, S. 17.

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des Energieunternehmens Shell die Ferraris.45 Der Grund dafür sind allgemeingültige gesetzliche Vorgaben. a) Historische Entwicklung Bereits 1966 wurden die ersten Maßnahmen gegen den Tabakkonsum ergriffen, die nach und nach modifiziert und ergänzt wurden: Im Rahmen einer freiwilligen Selbstbeschränkung der Zigarettenhersteller wurde vereinbart, auf Werbemittel, die insbesondere für Kinder attraktiv sind, auf Marktaktivitäten in oder an Sportstätten und sogar auf das Sponsoring öffentlicher Sportveranstaltungen zu verzichten.46 Nach und nach wurden dann auch gesetzliche und damit verbindliche Vorgaben erlassen: 1975 verbot das deutsche Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz Werbung für Tabakprodukte in Fernsehen und Hörfunk sowie Werbung, die das Rauchen als unschädlich oder gesund und als Mittel zur Anregung körperlichen Wohlbefindens darstellte.47 Im Oktober 1989 wurde auf europarechtlicher Ebene die bereits im Rahmen des Alkoholwerbeverbots genannte Richtlinie EWG 89/552 erlassen, die jede Form von Fernsehwerbung und Teleshopping für Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse untersagte.48 Die Richtlinie 92/41/EWG änderte die vorgenannte Richtlinie hinsichtlich überarbeiteter Gesundheitshinweise und Angaben über Tee- und Nikotingehalt ab.49 1998 folgte dann die Richtlinie „über Werbung und Sponsoring zu Gunsten von Tabakerzeugnissen“, die zum ersten Mal explizit das Sponsoring miteinbezog.50 Diese sah in Art. 3 ein umfassendes, allgemeines Verbot von Werbung und Sponsoring vor.51 Die Bundesrepublik Deutschland erhob wegen der drohenden wirtschaftlichen Auswirkungen gegen diese Richtlinie nach Art. 230 EG a. F./ Art. 263 AUEV n. F. Nichtigkeitsklage und rügte insbesondere die fehlende Rechtsgrundlage zum Erlass dieser Richtlinie, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Missachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes und die Verletzung von Grundrechten.52 Der EuGH stellte eine Kompetenzüberschreitung mangels ausreichender Rechtsgrundlage fest und erklärte die Richtlinie für nichtig.53 1999 wurde ein Verbot des Sponsorings von Rundfunk- und Fernsehsendungen

45 Vgl. Fotos, abrufbar unter https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/09/Micha elSchumacherHO2005.jpg > und < http://comercial.bridgestone.com.mx/files/documents/docu ment/24_2.jpg. 46 Vgl. die Homepage des Deutschen Zigarettenverbands, abrufbar unter https://www.ziga rettenverband.de/de/259/Themen/Werbung. 47 Vgl. Informationen zu Tabakwerbung und Sponsoring, Situation in Deutschland, abrufbar unter http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/Tabakwerbung_und_Sponsoring.html. 48 Sopp, EuZW 2005, 365. 49 Sopp (Fn. 48), 365. 50 Sopp (Fn. 48), 365. 51 Sopp (Fn. 48), 365; EuGH, GRUR 2001, 67. 52 EuGH, GRUR 2001, 67. 53 EuGH, GRUR 2001, 67 (72); Sopp (Fn. 48), 365.

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durch Zigarettenhersteller in den Rundfunkstaatsvertrag aufgenommen.54 2002 wurde im Jugendschutzgesetz Tabakwerbung im Kino vor 18 Uhr verboten.55 Schließlich wurde die Richtlinie 2003/33/EG erlassen. Diese hat die Schwächen der Vorgängerin erkannt und sie im Sinne des EuGH-Urteils versucht zu beseitigen.56 Sie verfolgte das Ziel, Werbebeschränkungen in Zeitungen und Zeitschriften zu vereinheitlichen, um die europaweite Vermarktung von Presseerzeugnissen zu ermöglichen.57 Auch gegen diese Richtlinie erhob die sich gegen ein solches Verbot sträubende Bundesrepublik Deutschland – wiederum unter anderem wegen mangelnder Rechtsgrundlage – im September 2003 Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG a. F./ Art. 263 AUEV n. F.58 Diese zweite Klage wurde am 12. 12. 2006 vom EuGH abgewiesen. Dieses Mal wurde die Rechtsgrundlage als ausreichend erachtet.59 Die Richtlinie wurde daraufhin mit Wirkung zum 01. 01. 2007 in § 21 a VTabakG umgesetzt.60 b) Gesetzliche Vorgaben § 21a VTabakG beinhaltet zunächst in Abs. 1 die Definitionen von Werbung und Sponsoring, die unmittelbar von der Richtlinie 2003/33/EG übernommen wurden. Die Abs. 2 bis 4 beinhalten Verbote in Bezug auf Tabakwerbung und die Abs. 5 und 6 gehen explizit auf das Sponsoringverbot ein. Das Werbeverbot in § 21a VTabakG umfasst ein Verbot im Fernsehen und in der Presse. Unter Werbung wird demnach jede Art kommerzieller Kommunikation verstanden, die das Ziel oder die indirekte oder direkte Wirkung hat, den Verkauf von Tabakerzeugnissen zu fördern.61 Auch hier steht im Rahmen der Werbung wiederum der Konsum bzw. die Anregung zum Kauf im Vordergrund, was es unmöglich macht, dieses Verbot auf das Sponsoring auszuweiten. Demnach musste diesbezüglich eine besondere Vorschrift und Definition geschaffen werden. An der Definition der Werbung fällt auf, dass sie sehr weit gefasst ist. Auch die indirekte Werbung ist 54 Vgl. Informationen zu Tabakwerbung und Sponsoring, Situation in Deutschland, abrufbar unter http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/Tabakwerbung_und_Sponsoring.html. 55 Vgl. Informationen zu Tabakwerbung und Sponsoring, Situation in Deutschland, abrufbar unter http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/Tabakwerbung_und_Sponsoring.html. 56 Sopp (Fn. 48), 365 (366). 57 Vgl. die Homepage des Deutschen Zigarettenverbands, abrufbar unter https://www.ziga rettenverband.de/de/259/Themen/Werbung. 58 Sopp (Fn. 48), 365 (366). 59 Vgl. die Homepage des Deutschen Zigarettenverbands, abrufbar unter https://www.ziga rettenverband.de/de/259/Themen/Werbung. 60 Erbs/Kohlhaas/Dr.Rohnfelder/Freytag, VTabakG § 21 a Rn. 1; vgl. Informationen zu Tabakwerbung und Sponsoring, Situation in Deutschland, abrufbar unter http://www.dkfz.de/ de/tabakkontrolle/Tabakwerbung_und_Sponsoring.html. 61 Art. 2 Buchstabe b der Richtlinie 2003/33/EG; Erbs/Kohlhaas/Dr.Rohnfelder/Freytag (Fn. 60), Rn. 2; Zipfel/Rathke/Sosnitza/Zipfel/Rathke, VTabakG § 21 a Rn. 3.

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hier wiederum erfasst, um möglichst alle Arten der Konsumanregung zu verbieten und das Verbot möglichst effektiv ausgestalten zu können. Diese Reichweite wurde in einem Urteil vom OLG Hamburg aus dem Jahr 2009 deutlich dargestellt: Demnach genüge es, um von einem Verbot auszugehen, dass der Absatz eines Produktes indirekt gesteigert werde. Dies gelte auch dann, wenn der Hinweis auf ein Tabakerzeugnis nur klein am unteren Rand eingefügt werde.62 Für diese weite Auslegung der Werbung spricht auch, dass der Gesetzgeber in Abs. 5 und 6 des § 21 a VTabakG sogar das Sponsoring verbietet, bei dem das Tabakunternehmen oftmals im Hintergrund bleibt. Würde es keine expliziten Definitionen und Verbote für das Sponsoring geben, würde dieses wiederum mangels Subsumtionsmöglichkeit im Rahmen des Werbungsbegriffs aus dem Regelungsbereich herausfallen. Auch hier wurde jedoch die Definition der Richtlinie übernommen. Sponsoring ist demnach jede Art von öffentlichem oder privatem Beitrag zu einer Veranstaltung oder Aktivität oder jede Art von Unterstützung von Einzelpersonen mit dem Ziel, den Verkauf von Tabakerzeugnissen zu fördern.63 c) Zwischenfazit Festhalten lässt sich, dass das Tabakwerbe- und das Tabaksponsoringverbot in Deutschland streng umgesetzt wurden. Überdies hielt sich der deutsche Gesetzgeber jedoch stark an die europäischen Vorgaben und weitete das Gesetz nicht noch weiter aus. Hieraus wird deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber das Verbot nicht freiwillig erließ. Stattdessen setzte er dieses aufgrund der Richtlinie lediglich nahezu wortlautgetreu um. Verboten ist demnach die Tabakwerbung in der Presse und in sonstigen Printmedien sowie in Diensten der Informationsgesellschaft wie dem Internet. Auch das grenzüberschreitende Sponsoring ist verboten. Keine Regelung beinhaltet das Gesetz dagegen für standortgebundene Werbung, also Kino, Plakate oder den Automatenverkauf.64 3. Vorgaben in Frankreich Wie bereits dargestellt, hat sich Deutschland stark an die Vorgaben der Richtlinie gehalten und ist bei deren Umsetzung nicht weit über diese hinausgegangen. Zu klären bleibt daher, ob Frankreich die Richtlinie ähnlich wie Deutschland umgesetzt hat oder ob doch Unterschiede festzustellen sind.

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OLG Hamburg, BeckRS 2009, 27074. Art. 2 Buchstabe c der Richtlinie 2003/33/EG; Erbs/Kohlhaas/Dr.Rohnfelder/Freytag (Fn. 60), Rn. 2; Zipfel/Rathke/Sosnitza/Zipfel/Rathke (Fn. 61), Rn. 6. 64 Sopp (Fn. 48), 365. 63

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a) Historische Entwicklung Bereits am 09. 07. 1976 wurde die sog. „Loi Veil“ erlassen. Diese verbot in Art. 10 das Sponsoring von Sportveranstaltungen durch Tabakhersteller, -fabrikanten und -händler.65 Insbesondere war es verboten, die Marke, den Namen oder das Emblem eines Tabakprodukts oder den Namen eines Herstellers, Fabrikanten oder Händlers zu zeigen.66 Wenngleich dieses Gesetz heute nicht mehr in Kraft ist, existiert in Frankreich noch immer ein Tabakwerbe- und Tabaksponsoringverbot.67 Dieses ist ebenso wie das Alkoholverbot aus der „Loi Evin“ vom 10. 01. 1991 hervorgegangen.68 Enthalten ist es in Art. L3511 – 3 des Code de la santé publique. b) Gesetzliche Vorgaben aa) Art. L3511 – 3 Code de la santé publique Das Tabakwerbeverbot ist in seiner Struktur aufgebaut wie das Alkoholwerbeverbot: Der Grundsatz ist das Verbot der Werbung. Die Ausnahmen von diesem Grundsatz sind explizit aufgelistet.69 Aktuell ist die Tabakwerbung sowohl im Fernsehen und im Radio als auch in den Printmedien verboten.70 Erlaubt ist sie jedoch z. B. auf Schildern in Tabakläden. Die Cour de Cassation hat die Strenge dieses Gesetzes deutlich gemacht, indem entschieden wurde: „Toute utilisation publique d’une marque de cigarettes qu’elle que soit la finalité est interdite.“71

Demnach kommt es bei der Tabakwerbung nicht auf eine kommerzielle Zielsetzung an. Alle Handlungen, die dazu führen, dass Tabak, wenn auch ungewollt, aufgewertet wird, sind verboten.72 Hinsichtlich der Fernsehübertragung von Sportveranstaltungen haben sich einige Gerichte gewehrt, von Werbung zu sprechen, wenn die 65

Revue juridique et économique du sport (Fn. 14), S. 27. La semaine juridique: cahiers de droit de l’entreprise 1984 – 1985, S. 17. 67 Beispiele für Werbung aus der Vergangenheit, die heute verboten wäre: Werbung mit Raymond Koppa „Camel, la vraie cigarette des vrais fumeurs“, abrufbar unter http://les durocasseriesdepierlouim.blog50.com/images/medium_tabac_camel_2_1961.JPG und den Artikel „Sport et publicité: ces 7 publicités insolites qui sont passées (presque) inaperçues“, abrufbar unter http://www.eurosport.fr/omnisport/football-et-publicite-ces-7-publicites-in solites-qui-sont-passees-presque-inapercues_sto4007081/story.shtml. 68 Les cahiers du droit du sport 2007, S. 180 (182). 69 Gesetzestext abrufbar unter http://www.legifrance.gouv.fr/affichCodeArticle.do?cidTex te=LEGITEXT000006072665&idArticle=LEGIARTI000006688207&dateTexte=&categorie Lien=cid. 70 Marmayou/ Rizzo, Contrats de sponsoring sportif, 2010, S. 97. 71 „Jede öffentliche Verwendung von Zigarettenmarken ist unabhängig von ihrer Zielsetzung verboten.“ Cass.Crim. 19 juin 1999, Gaz. Pal. jurisprudence S. 607; Marmayou/ Rizzo (Fn. 70), S. 100. 72 Les cahiers du droit du sport 2007, S. 180, 184. 66

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Marken oder Logos von Tabakprodukten kenntlich waren. Es müsse unterschieden werden zwischen Werbung im eigentlichen Sinne und reiner Information. Letztere unterfalle der Informationsfreiheit und könne nicht ohne weiteres eingeschränkt werden.73 Doch auch hier entschied der Gerichtshof zu Gunsten des Tabakwerbeverbots.74 Hinsichtlich des Sponsorings greift Art. L3511 – 3 al.3 Code de la santé publique. Dieser entspricht der Regelung bezüglich des Alkoholsponsorings. Grundsätzlich sind hier alle Arten des Sponsorings erfasst. Somit unterfällt auch das Einzelsponsoring diesem Verbot.75 Eine Besonderheit gibt es jedoch: In Art. L3511 – 5 Code de la santé publique ist der Motorsport explizit von diesem Verbot ausgenommen. bb) Die explizite Ausnahme vom Verbot: Art. L3511 – 5 Code de la santé publique Nach Art. L3511 – 3 Code de la santé publique76 ist die Fernsehübertragung von Wettkämpfen im Motorsport, die in Ländern stattfinden, wo die Werbung für Tabakprodukte erlaubt ist, möglich. Diese Ausnahme ist auf die einflussreiche Lobby der „Fédération de sport autmobile“ zurückzuführen. In Kraft trat der Artikel am 27. 01. 1993.77 Unter Motorsport versteht man nicht nur den Automotorsport, sondern auch das Kartfahren und das Bootfahren.78 Überdies muss für die Anwendung des Artikels ein Wettkampf in einem Land stattfinden, in dem es kein Tabakwerbeverbot gibt. Fraglich ist aber, was unter Wettkampf zu verstehen ist. Darf letztlich nur das Rennen oder dürfen auch die Geschehnisse um das Rennen unzensiert übertragen werden? Grundsätzlich fallen hierunter auch die Geschehnisse um das Rennen, wie z. B. Reportagen rund um das Material und die Analyse der Teilnehmer. All das, was informativ ist, ist von dem Verbot nicht erfasst und demnach ausnahmsweise erlaubt.79 Obwohl dieses Tatbestandsmerkmal weit gefasst ist, ist zu beachten, dass die Vorschrift die Erlaubnis nur für die Fernsehübertragung vorsieht. Überdies sind auch, wenngleich dies nicht aus dem Wortlaut erkennbar ist, nur Live-Übertragungen erfasst. Der Grund hierfür ist, dass es technisch nicht möglich oder zumindest schwierig ist, die Tabak73

TGI Paris, ord. Réf., 16 mars 1995, Gaz. Pal. 1995,2, S. 498; Marmayou/ Rizzo (Fn. 70), S. 100. 74 Cass.Crim. 19 nov. 1997, nr. 96 – 82.625, RJDA 1989 nr. 3. 75 Marmayou/ Rizzo (Fn. 70), S. 100. 76 Art. L3511 – 3 Code de la santé publique „La retransmission des compétitions de sport mécanique qui se déroulent dans des pays où la publicité pour le tabac est autorisée, peut être assurée par les chaînes de télévision.“ 77 Légicom nr. 23, S. 99. 78 Légicom nr. 23, S. 99. 79 Marmayou/ Rizzo (Fn. 70), S. 100 (103).

Werbebeschränkungen im Sport in Deutschland und Frankreich

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werbung im Rahmen von Live-Übertragungen unkenntlich zu machen. Um also wirtschaftliche Einbußen zu verhindern, indem keine Motorsportwettkämpfe aus dem Ausland mehr übertragen werden, hat der Gesetzgeber diese Ausnahme geschaffen.80 Dies bedeutet jedoch, dass alle Hinweise auf Tabakprodukte nach dem Wettkampf unkenntlich gemacht werden müssen. Dies betrifft insbesondere Zusammenfassungen und Nachrichten.81 Da die Ausnahme nur für das Fernsehen gilt, dürfen insbesondere Printmedien auch über den Motorsport nicht ohne Zensierungen berichten. Somit könnten die Medien hier ungleich behandelt werden, sodass ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung von Medien nach Art. 14 CEDH gegeben sein könnte. Dieser Verstoß wurde jedoch mit dem Argument des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt.82 Überdies ist fraglich, ob hier überhaupt eine Ungleichbehandlung zweier im Wesentlichen gleicher Sachverhalte gegeben ist: Die Printmedien können technisch gesehen ihre Fotos bearbeiten, bevor sie sie veröffentlichen. Das Fernsehen überträgt dagegen live, sodass dies technisch hier nicht möglich ist. Folglich liegt schon gar keine vergleichbare Situation vor.83 c) Zwischenfazit Auch Tabakwerbung und Tabaksponsoring sind in Frankreich gesetzlich verboten. Wenngleich dieses Verbot zunächst alle Medien betrifft, hat der Gesetzgeber, vor allem aus technischen und wirtschaftlichen Gründen, im Gegensatz zum Alkoholwerbeverbot, eine gesetzliche Ausnahme hinsichtlich der Live-Übertragungen von Motorsportwettkämpfen erlassen. Diese ist jedoch sehr eng zu verstehen, sodass nicht festgestellt werden kann, dass die Regelungen bezüglich des Tabaks weniger streng sind als die hinsichtlich des Alkohols. 4. Fazit Aufgrund der Richtlinie 2003/33/EG existiert sowohl in Deutschland als auch in Frankreich ein Tabakwerbe- und ein Tabaksponsoringverbot. Der französische Gesetzgeber hat die Verbote früher als der deutsche Gesetzgeber umfassend gesetzlich fixiert. Da das noch heute gültige Gesetz bereits vor Erlass der Richtlinie in Kraft getreten ist, weicht es im Hinblick auf den Aufbau von dieser ab. Der deutsche Gesetzgeber hielt sich dagegen stark an die europäischen Vorgaben und weitete das Gesetz nicht noch weiter aus. Hieraus wird deutlich, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ein Verbot war. Nur auf Grund der sie zur Umsetzung verpflichtenden 80

Marmayou/ Rizzo (Fn. 70), S. 100 (103). Marmayou/ Rizzo (Fn. 70), S. 100 (103). 82 CEDH 5 mars 2009, nr. 13353/05, Hachette Filipacchi, presse automobile et Dupuy c/ France et CEDH 5 mars 2009, nr. 26935/05, Sté de conception de presse et d’édition et Ponson c/France, Dr. péna. 2009, comm.80, ob. Robert J.H. cah. dr. sport nr. 16, 2009, S. 153. 83 Marmayou/ Rizzo (Fn. 70), S. 100 (103). 81

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Richtlinie wurde das Verbot in § 21 a VTabakG festgelegt. In Deutschland ist die Tabakwerbung dem Grunde nach erlaubt. Die einzelnen Verbote sind als Ausnahme von diesem Grundsatz einzeln geregelt. In Frankreich ist die Tabakwerbung dagegen dem Grunde nach und somit im Zweifel verboten. Explizite Ausnahmen sind gesetzlich geregelt. Folglich ist das Tabakwerbeverbot in Frankreich strenger als das in Deutschland.

IV. Gesamtfazit Die Ausführungen haben ergeben, dass Werbung und Sport sowohl in Deutschland als auch in Frankreich zusammengehören. Dennoch unterliegt diese Verbindung – nicht immer in erster Linie nur auf den Sport bezogen – gewissen Beschränkungen. Gesetzliche, allgemeingültige Werbebeschränkungen gibt es vor allem zum Schutz der Gesundheit. Gerade auch für den Sport hat dies besondere Bedeutung, da ein Sportler gesund sein muss, um gute Leistungen zu erbringen. Daneben werden Werbebeschränkungen durch die Vereine, Verbände o. Ä. intern in den Statuten geregelt. Hierbei ist zu beachten, dass diese nicht allgemeingültig sind und vor allem dem Zweck dienen, kein negatives Image auf den Sport zu werfen. Werbung, die so ausgestaltet ist, dass sie als negativer Einfluss gewertet werden könnte, wird demnach von vornherein verboten. Der französische Gesetzgeber setzt die allgemeingültigen Werbebeschränkungen im Regelfall sehr streng um. Alle daraus resultierenden Eingriffe in Grundfreiheiten werden mit dem Gesundheitsschutz, dem oberste Priorität zukommt, gerechtfertigt. In Deutschland überwiegt in Bezug auf umfassende Werbeverbote die Sorge um wirtschaftliche Einbußen. Dementsprechend existiert mangels europäisch verpflichtender Vorgabe noch kein Verbot hinsichtlich der Alkoholwerbung. Aufgrund der strengen Regelungen in Frankreich als Mitglied- und Nachbarstaat und der sich aus der Resolution vom April 2015 ergebenden Tendenz, die Alkoholwerbung einzuschränken, lässt sich jedoch erahnen, dass auch der deutsche Gesetzgeber in Zukunft die Alkoholwerbung schärfer reglementieren muss, so wie es hinsichtlich der Tabakwerbung bereits erfolgt ist.

Die Vorlage von Sportschiedsgerichten zum EuGH nach Art. 257 AEUV Jan Axtmann I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung „echte“ und „unechte“ Sportschiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Vorlage unter Anwendung der EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Kriterienkatalog des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsprechungsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorlagen von Schiedsgerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die obligatorische Gerichtsbarkeit von Sportschiedsgerichten . . . . . . . . . . . . . . a) Wirksamkeit der Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zumutbare Kenntnisnahmemöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schiedsvereinbarungen als Grundrechtsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hinreichend enge Beziehung zwischen vorlegender Stelle und Mitgliedstaat . . . a) Gleichstellung von Sportverbänden mit Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die unmittelbare Drittwirkung in der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entzug des gesetzlichen Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besonderheiten des Sportrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Systematisierung der EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das bewegliche System nach Wilburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatische Begründung und Einordnung der Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stellung eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ordnungsgemäße Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesetzliche Ausgestaltung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entscheidung nach Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ständiger Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Hinreichend enge Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Obligatorische Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung des Systems auf Sportschiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vorlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Der CAS als „Gericht eines Mitgliedstaates“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anknüpfungsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung auf den CAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung „In Artikel 177 des EWG-Vertrags ist dem Gerichtshof die Funktion anvertraut, jedem Gericht in der Gemeinschaft die Elemente der Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Verfügung zu stellen, die zur Entscheidung wirklicher, bei ihm anhängiger Rechtsstreitigkeiten erforderlich sind.“1

Diese Aussage des Europäischen Gerichtshofs scheint auf den ersten Blick klar verständlich und eindeutig in ihrem Gehalt. Der Gerichtshof sieht sich verpflichtet, jedem Gericht bei der Auslegung unionsrechtlicher Fragestellungen behilflich zu sein. Allerdings enthält das Zitat keinen Hinweis darauf, was der EuGH unter dem Begriff des „Gerichts“ eigentlich versteht. Dem Sport kommt in der heutigen Gesellschaft sowohl in kultureller als auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine immer größere Bedeutung zu. Seit vielen Jahren schon wird er nicht mehr nur freizeitmäßig oder regional, sondern auch berufsmäßig und international ausgeübt. Auf diese Entwicklung haben die großen Sportverbände durch immer detailliertere Regelwerke reagiert, die denen eines Gesetzgebers nahekommen. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass das Bedürfnis nach gerichtlicher Klärung sportrechtlicher Streitigkeiten in gleichem Maße wächst wie die Regelungswut der Verbände. Dies gilt umso mehr, als immer wieder Konflikte zwischen nationalem Recht und Verbandsrecht entstehen. Staatliche Gerichte sind dabei aufgrund der langen Verfahrensdauer und der ausschließlichen Bindung der Richter an das nationale Recht nicht in der Lage, den Belangen des Sports ausreichend Rechnung zu tragen. Aus diesem Grund wurden Sportschiedsgerichte zur Klärung sportrechtlicher Streitigkeiten eingerichtet. Da Schiedsgerichte materielle Rechtsprechung ausüben,2 sind sie unabhängig von einer Rechtswahl der Parteien dazu verpflichtet, die zwingenden Vorschriften des jeweils geltenden staatlichen Rechts und damit auch das Europarecht zu beachten. Die Frage nach der Vorlagebefugnis – an welche sich diejenige nach der Vorlagepflicht anschließt – von Schiedsgerichten zum EuGH ist bereits seit langem umstritten.3 Der Gerichtshof hat in einer Reihe von Entscheidungen Kriterien hierzu auf1

EuGH, Urt. v. 11. 3. 1980, Rs. C-104/79 (Foglia Novello), Slg. 1980, 745 (760). BGHZ 65, 59 (61); BGHZ 98, 70 (72); Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Tübingen 2003, S. 504; Raeschke-Kessler, NJW 1988, 3041 (3046); Habscheid, in: FS Fasching, 1988, S. 195 (209); ähnlich Ramm, ZRP 1989, 136 (140), der von der Gleichordnung der staatlichen und der privaten Gerichte spricht. 3 Zu den Argumenten siehe Schütze, SchiedsVZ 2007, 121 (123); gegen eine Vorlageberechtigung: Knopp, JZ 1961, 305 (306); Cohn, AWD 1965, 267 (268); Dauses, JZ 1979, 125 (126); Gündisch, Rechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1994, S. 101; Everling, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, 1986, S. 32; wohl auch Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1992, S. 314 ff.; a. A.: von Winterfeld, NJW 1988, 1409 (1412); Mok/Johannes, AWD 1965, 181 (183); dies., AWD 1966, 125 (129); Hepting, IPRax 1983, 101 (102); Weitbrecht/Fabis, EWS 1997, 1 (5); Spiegel, EuZW 1999, 568 (569); differenzierend Schmidt, in: FS Lüke, 1997, S. 721 (729 ff.). 2

Die Vorlage von Sportschiedsgerichten zum EuGH nach Art. 257 AEUV

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gestellt. Diese Kriterien sah er bei Schiedsgerichten teilweise nicht erfüllt, weshalb er die Vorlage versagte. Aufgrund der fast ausschließlichen Zuständigkeit von Schiedsgerichten zur Entscheidung sportrechtlicher Fragen droht daher im Sport die Entstehung eines europarechtsfreien Raums.

II. Abgrenzung „echte“ und „unechte“ Sportschiedsgerichte Jedenfalls nicht vorlageberechtigt sind die internen Verbandsgerichte, da sie lediglich den staatlichen Gerichten vorgelagert sind, diese aber nicht ersetzen. Die Abgrenzung von Verbandsgerichten und echten Schiedsgerichten erfolgt anhand einiger von Rechtsprechung und Literatur aufgestellter Kriterien.4 Obwohl der Wortlaut den Ausgangspunkt zur Auslegung der Satzung darstellt, besteht Einigkeit dahingehend, dass der Bezeichnung des Spruchkörpers in der Satzung keine oder allenfalls indizielle Wirkung zukommt.5Als erster Abgrenzungspunkt kommt daher die Tatsache in Frage, dass Schiedsgerichte die staatlichen Gerichte ersetzen.6 Dies zeigt sich in § 1055 ZPO, dem zufolge die getroffenen Entscheidungen die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils haben. Verbandsgerichtsbarkeit ist dagegen nur exekutives Verbandshandeln.7 Soll die Entscheidung eines Verbandsgerichts durch ein staatliches Gericht (oder ein Schiedsgericht) überprüfbar sein, kann schon begrifflich nicht von einem echten Schiedsgericht gesprochen werden.8 Kennzeichen der echten Schiedsgerichtsbarkeit ist nämlich gerade eine dauerhafte Rechtswegbeschränkung.9 Wie aus §§ 1035 V, 1036 ZPO hervorgeht, müssen die Schiedsrichter bei einem echten Schiedsgericht den Grundsätzen der persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit entsprechen.10 Das Schiedsgericht selbst muss dabei den Parteien als neutraler Dritter gegenüberstehen. Andernfalls kann es nicht als private Rechtsprechungsinstitution anerkannt werden.11 Ist die in der Satzung angespro4 Zusammenfassung bei Fenn, in: FS Henckel, 1995, S. 173 ff. m. w. N.; siehe auch Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 32 Rn. 17; Kröll, ZIP 2005, 13 ff.; ders. NJW 2003, 791 (792); Haas, ZEuP 1999, 355 ff. 5 Fenn, in: FS Henckel (Fn. 4), S. 173 (179); Hilpert, BayVBl. 1988, 161 (169); Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 12. Aufl. 2010, Rn. 5286; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228 (228). 6 BGHZ 65, 59 (61); Reichert (Fn. 5), Rn. 5284; Kröll, ZIP 2005 13 (16); Schwab/Walter (Fn. 4), Kap. 32 Rn. 17; Voit, in: Musielak, Kommentar ZPO, 11. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 19; vgl. auch Schlosser, in: Stein/Jonas, Kommentar Zivilprozessordnung, 22. Aufl. 2002, § 1029 Rn. 15, der dies als Wirksamkeitserfordernis der Schiedsvereinbarung einordnet. 7 Adolphsen (Fn. 2), S. 504; Heini, in: FS Meier-Hayoz, Bern 1982, S. 223 (226). 8 Kröll, ZIP 2005, 13 (16). 9 Fenn, in: FS Henckel (Fn. 4), S. 173 (192). 10 BVerfGE 3, 377 (381); BVerfGE 21, 139 (145 f.); BVerfGE 42, 64 (78). 11 Reichert (Fn. 5), Rn. 5284; ähnlich Flume, in: FS Bötticher, 1969, S. 101 (133).

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chene Gerichtsbarkeit auf eine Entscheidung in eigener Sache angelegt, liegt also kein echtes Schiedsgericht vor, sondern Organhandeln.12 Die persönliche und sachliche Unabhängigkeit der Schiedsrichter sowie die Stellung des Schiedsgerichts als Dritter sind daher als weiteres Kriterium zur Abgrenzung heranzuziehen.13 Als weitere Abgrenzungsmerkmale führt das Schrifttum die Ausgestaltung des Verfahrens, die Rechtsgrundlagen der Entscheidungen, die Art der dem Gericht unterbreiteten Verfahren (Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit) sowie die Vollstreckung der Entscheidungen an.14 Ihnen allen kann aber höchstens indizielle, keinesfalls konstitutive Wirkung zugesprochen werden.15 Insbesondere das Merkmal der Ausgestaltung des Verfahrens nach §§ 1025 ff. ZPO taugt nicht zur begrifflichen Abgrenzung, da die Beachtung verfahrensrechtlicher Garantien nicht einmal für den Begriff des staatlichen Richters Voraussetzung ist.16 Im Ergebnis lassen daher nur die beiden erstgenannten Kriterien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sowie des Ausschlusses der staatlichen Gerichtsbarkeit eine hinreichend sichere Abgrenzung zu, mit deren Hilfe die überwiegende Zahl der Fälle lösbar erscheint.17 Allerdings stehen beide Kriterien nicht gleichwertig nebeneinander, sondern in einem Stufenverhältnis. Zuerst ist festzustellen, ob durch die Einrichtung der streitentscheidenden Stelle die staatliche Gerichtsbarkeit ausgeschlossen werden soll. Ist dies nicht der Fall, kann ohnehin kein Schiedsgericht vorliegen. Ist der Ausschluss hingegen bezweckt, bedarf es zweitens der Überprüfung, ob dieses Ziel auch erreicht wurde, indem die zur Entscheidung berufenen Richter den Grundsätzen der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit entsprechen.18

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Fenn, in: FS Henckel (Fn. 4), S. 173 (189); Kröll, ZIP 2005,13 (17); ähnlich Münch, in: MüKo ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1066 Rn. 21; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Komm ZPO, 73. Aufl. 2015, § 1066 Rn. 3; Raeschke-Kessler, in: Prütting/Gehrlein, 6. Aufl. 2014, § 1066 Rn. 4. 13 So auch BGHZ 51, 255 (258); BGHZ 54, 392 (395); Schwab/Walter (Fn. 4) Kap. 32 Rn. 17; Reichert (Fn. 5), Rn. 5284; Fenn, in: FS Henckel (Fn. 4), S. 173 (190); RaeschkeKessler, in: Prütting/Gehrlein (Fn. 12), § 1066 Rn. 4. Zu der Frage, wann Unabhängigkeit und Unparteilichkeit auszuschließen sind vgl. Adolphsen (Fn. 2), S. 505; Hadding, in: Soergel, Kommentar BGB, 13. Aufl. 2000, § 25 Rn. 56; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228 (229); Kröll, ZIP 2005, 13 (18); Hilpert, BayVBl. 1988, 161 (169). 14 Vgl. Kröll, ZIP 2005, 13 (18 f.); Fenn, in: FS Henckel (Fn. 4), S. 173 (185 ff., 192 f.); Reuter, in: MüKo BGB, 6. Aufl. 2012, § 25 Rn. 61 mit Verweis auf BGHZ 159, 207 (212). 15 Ausführlich dazu Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV, Berlin 2016, 1. Teil § 2 I. 16 Fenn, in: FS Henckel (Fn. 4), S. 173 (193). 17 Wie hier auch Adolphsen (Fn. 2), S. 508; Schwab/Walter (Fn. 4), Kap. 32 Rn. 17; BGH NJW-RR 2013, 873 (Tz. 47). 18 Bei Anwendung der aufgestellten Kriterien ergibt sich, dass die „Gerichte“ der FIFA, der UEFA sowie des DFB rein interne Verbandsgerichte und damit nicht vorlageberechtigt nach Art. 267 AEUV sind. Ausführlich dazu Axtmann (Fn. 15), 1. Teil § 2 II.

Die Vorlage von Sportschiedsgerichten zum EuGH nach Art. 257 AEUV

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III. Die Vorlage unter Anwendung der EuGH-Rechtsprechung Der Europäische Gerichtshof ist bei der Bestimmung des „Gerichts eines Mitgliedstaates“ i. S. v. Art. 267 AEUV nicht an die Beurteilungen nationaler Gerichte gebunden. Vielmehr ist der Begriff unionsrechtlich autonom auszulegen.19 Demnach ist die Vorlage von Sportschiedsgerichten zunächst anhand der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu überprüfen. 1. Der Kriterienkatalog des EuGH Der Gerichtshof hat keine Definition des unionalen Gerichtsbegriffs herausgebildet, sondern in einer Vielzahl von Fällen20 Kriterien aufgestellt, die zu erfüllen Voraussetzung für die Anerkennung als „Gericht eines Mitgliedstaates“ ist. Den Grundstein hierfür legte der Gerichtshof bereits im Jahre 1966 in seiner Vaassen-GöbbelsEntscheidung21, die er in der Folge weiter präzisiert hat.22 a) Rechtsprechungsübersicht Bei der Auswertung der ergangenen Rechtsprechung ergeben sich die folgenden acht Kriterien: Die Stelle muss nach nationalen Vorschriften ordnungsgemäß gebildet worden sein und einen ständigen Charakter aufweisen. Ihre Gerichtsbarkeit muss für die Parteien obligatorisch sein, wobei eine Legitimation durch die Parteien gerade 19

EuGH, Urt. v. 17. 9. 1997, Rs. C-54/96 (Dorsch Consult), Slg. 1997, I-4961 (4992); EuGH, Urt. v. 11. 6. 1987, Rs. 14/86 (Pretore di Salò), Slg. 1987, 2545 (2555); EuGH, Urt. v. 30. 3. 1993, Rs. C-24/92 (Corbiau), Slg. 1993, I-1277 (1304). Zur Auslegung europäischer Normen vgl. Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010, passim; Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1 ff. 20 EuGH, Urt. v. 30. 6. 1966, Rs. 61/65 (Vaassen-Göbbels), Slg. 1966, 583 ff.; EuGH, Urt. v. 14. 12. 1971, Rs. 43/71 (Politi), Slg. 1971, 1039 ff.; EuGH, Urt. v. 21. 2. 1974, Rs. 162/73 (Birra Dreher), Slg. 1974, 201 ff.; EuGH, Urt. v. 28. 6. 1978, Rs. 70/77 (Simmenthal), Slg. 1978, 1453 ff.; EuGH, Beschl. v. 18. 6. 1980, Rs. 138/80 (Borker), Slg. 1980, 1975 ff.; EuGH, Urt. v. 6. 10. 1981, Rs. 246/80 (Broekmeulen), Slg. 1981, 2311 ff.; EuGH, Urt. v. 23. 3. 1982, Rs. 102/81 (Nordsee), Slg. 1982, 1095 ff.; EuGH, Urt. v. 11. 6. 1987, Rs. 14/86 (Pretore di Salò), Slg. 1987, 2545 ff.; EuGH, Urt. v. 17. 10. 1989, Rs. 109/88 (Danfoss), Slg. 1989, 3199 ff.; EuGH, Urt. v. 30. 2. 1993, Rs. C-24/92 (Corbiau), Slg. 1993, I-1277 ff.; EuGH, Urt. v. 27. 4. 1994, Rs. C-393/92 (Almelo), Slg. 1994, I-1477 ff.; EuGH, Urt. v. 19. 10. 1995, Rs. C-111/94 (Job Center), Slg. 1995, I-3361 ff.; EuGH, Urt. v. 17. 9. 1997, Rs. C-54/96 (Dorsch Consult), Slg. 1997, I-4961 ff.; EuGH, Urt. v. 4. 2. 1999, Rs. C-103/97 (Köllensperger), Slg. 1999, I-551 ff.; EuGH, Urt. v. 21. 3. 2000, Rs. verb. C-110/98 bis C-147/98 (Gabalfrisa), Slg. 2000, I-1577 ff.; EuGH, Urt. v. 30. 11. 2000, Rs. C-195/98 (Österreichischer Gewerkschaftsbund), Slg. 2000, I-10497 ff.; EuGH, Urt. v. 27. 1. 2005, Rs. C-125/04 (Denuit, Cordenier/Transorient), EuZW 2005, 319 f. 21 EuGH, Urt. v. 30. 6. 1966, Rs. 61/65 (Vaassen-Göbbels), Slg. 1966, 583 ff. 22 Ausführliche Darstellung der Rechtsprechung bei Axtmann (Fn. 15), 2. Teil § 1 I.; Zobel, Schiedsgerichtsbarkeit und Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 120 ff.; Malferrari, Zurückweisung von Vorabentscheidungsersuchen durch den EuGH, 2003, S. 95 ff.

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nicht ausreicht.23 Das Verfahren vor dieser Stelle muss Vorschriften unterliegen, die den allgemeinen Normen für Streitverfahren vor ordentlichen Gerichten zumindest ähnlich sind; es muss also gesetzlich ausgestaltet sein und auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielen. Die Vorlage eines Gerichts, das im konkreten Fall als Verwaltungsbehörde tätig wird oder einen Justizverwaltungsakt erlässt, ist demnach unzulässig.24 Ferner muss zwischen der vorlegenden Stelle und dem jeweiligen Mitgliedstaat eine hinreichend enge Beziehung bestehen. Eine solche fehlt, wenn der Staat keinen Einfluss auf den Ablauf des Verfahrens und die Zusammensetzung des Gerichts nehmen kann.25 Zudem muss es sich bei der Stelle um eine unabhängige Einrichtung handeln. Hierunter versteht der Gerichtshof die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Entscheidungsträger.26 Nicht zwingend ist – nach dem Almelo-Urteil – das Kriterium einer Entscheidung nach Rechtsnormen.27 Doch ist dieses Kriterium auch nicht völlig belanglos, da der EuGH immerhin davon ausgeht, dass der ordre public – und damit auch Rechtsnormen – immer zu beachten ist. b) Vorlagen von Schiedsgerichten Erstmals im Rahmen der Nordsee-Entscheidung28 hat der Gerichtshof einem Schiedsgericht die Gerichtseigenschaft nach Art. 267 AEUV (ex-Art. 177 EWGV) abgesprochen. Er sah insbesondere die Kriterien der hinreichend engen Beziehung zwischen vorlegender Stelle und Mitgliedstaat sowie der obligatorischen Gerichtsbarkeit nicht als erfüllt an. Die Gerichtsbarkeit sei bei Schiedsgerichten bereits deswegen nicht als tatsächlich oder rechtlich verpflichtend anzusehen, weil es den Parteien freistehe, sich zur Streitentscheidung an ein staatliches Gericht zu wenden. Die hinreichend enge Beziehung scheitere darüber hinaus an der fehlenden Einflussmöglichkeit des Staates auf die Besetzung des Schiedsgerichts und das Verfahren vor diesem.29 Anders beurteilte der EuGH hingegen die Vorlage eines tarifvertraglichen Schiedsgerichts in der Sache Danfoss30, die er als zulässig ansah und zur Entscheidung annahm. Zur Begründung stellte er darauf ab, dass die Parteien gesetzlich dazu verpflichtet gewesen seien, die Streitigkeit vor diesem Tarifvertragsgericht auszutra23

EuGH, Urt. v. 23. 3. 1982, Rs. 102/81 (Nordsee), Slg. 1982, 1095 (1110). Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 27. Ergänzungslieferung Oktober 2010, P II. 3.) b) aa), Rn. 133; beispielsweise im Rahmen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. 25 Vgl. EuGH, Urt. v. 6. 10. 1981, Rs. 246/80 (Broekmeulen), Slg. 1981, 2311 (2326, 2328); EuGH, Urt. v. 23. 3. 1982, Rs. 102/81 (Nordsee), Slg. 1982, 1095 (1110). 26 So GA Tesauro, Schlussantrag v. 15. 5. 1997, Rs. C-54/96 (Dorsch Consult), Slg. 1997, I-4963 (4974). 27 EuGH, Urt. v. 27. 4. 1994, Rs. 393/92 (Almelo), Slg. 1994, I-1477 (1515). 28 EuGH, Urt. v. 23. 3. 1982, Rs. 102/82 (Nordsee), Slg. 1982, 1095 ff. 29 EuGH, Urt. v. 23. 3. 1982, Rs. 102/81 (Nordsee), Slg. 1982, 1095 (1110 f). 30 EuGH, Urt. v. 17. 10. 1989, Rs. 109/88 (Danfoss), Slg. 1989, 3199 ff. 24

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gen.31 Zudem seien in diesem Gesetz die Zusammensetzung des Gerichts und die Regeln für die Behandlung tarifvertraglicher Streitigkeiten festgelegt, sodass letztlich beide zuvor fehlenden Kriterien erfüllt seien.32 Der Gerichtshof beschränkte sich in der Prüfung der Zulässigkeit der Vorlage sogar auf diese beiden Punkte. 2. Die obligatorische Gerichtsbarkeit von Sportschiedsgerichten Die Gerichtsbarkeit ist aus Sicht des Gerichtshofs obligatorisch, wenn eine Verpflichtung der Parteien besteht, „ihre Streitigkeiten vor ein Schiedsgericht zu bringen“33. Diese Verpflichtung kann tatsächlicher oder rechtlicher Art sein. In sportrechtlichen Streitigkeiten kommt lediglich eine tatsächliche Bindung in Betracht, es besteht keine gesetzliche Verpflichtung. Eine tatsächliche Bindung zumindest der Vereine und Sportler kann sich deshalb aus dem Zwang zum Abschluss von Schiedsvereinbarungen ergeben. Dieser wird durch die Verbandsstruktur im Sinne des Ein-Platz-Prinzips34 ermöglicht. Hierdurch werden Sportorganisationen in die Lage versetzt, die Sportler und Vereine an ihre Satzung zu binden und den Abschluss von Schiedsvereinbarungen zur obligatorischen Zulassungsvoraussetzung für die Teilnahme am jeweiligen sportlichen Wettbewerb zu machen. a) Wirksamkeit der Schiedsvereinbarungen Eine tatsächliche Bindung der Parteien an die Sportschiedsgerichtsbarkeit kann aber nur angenommen werden, wenn die den Spielern und Vereinen von den Verbänden oktroyierten Schiedsvereinbarungen auch wirksam vereinbart werden. Andernfalls stünde es den Parteien frei, staatliche Gerichte anzurufen. Der Kontrollumfang von Schiedsvereinbarungen ist dabei umstritten. aa) Zumutbare Kenntnisnahmemöglichkeit Einigkeit besteht jedenfalls dahingehend, dass die wirksame rechtsgeschäftliche Unterwerfung des Sportlers unter die Regelungen des Verbands unabhängig von der jeweiligen Form die Möglichkeit voraussetzt, in zumutbarer Weise von deren Inhalt Kenntnis zu nehmen.35 Da die Regeln zumeist in standardisierten Sport- und Wettkampfordnungen der jeweils zuständigen Spitzenverbände festgelegt sind, werden an die Kenntnisnahmemöglichkeit allerdings keine allzu hohen Anforderungen ge31

§ 22 des dänischen Gesetzes Nr. 317 vom 13. Juni 1973 über das Arbeitsgericht. EuGH, Urt. v. 17. 10. 1989, Rs. 109/88 (Danfoss), Slg. 1989, 3199 (3224). 33 EuGH, Urt. v. 23. 3. 1982, Rs. 102/81 (Nordsee), Slg. 1982, 1095 (1110). 34 Festgelegt bspw. in: Art. 10 FIFA-Statuten; Art. 4.5 FIBT-Statuten; Art. 3 Abs. 1 FIAStatuten; Art. C 7.1 FINA-Constitution; Art. 17 IIHF-Statuten; Rule 28 Abs. 3 Olympic Charter, abgedruckt in Fechner/Arnhold, SportR, S. 403 ff. 35 BGHZ 128, 93 (105); Haas, in: Haas/Haug/Reschke, Handbuch des Sportrechts, Bd. I, 60. Ergänzungslieferung, Juli 2011, B S. 20. 32

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stellt. Ausreichend ist jedenfalls die Möglichkeit der Einsichtnahme in der Geschäftsstelle36 oder im Internet37. bb) Anwendbare Vorschriften Bezüglich der bei der Überprüfung von Schiedsvereinbarungen zur Anwendung kommenden Vorschriften ist zwischen den satzungsverankerten und den vertraglichen Schiedsklauseln zu differenzieren.38 Die Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit in der Vereinssatzung ist grundsätzlich zulässig.39 Die §§ 1025 ff. ZPO – darunter auch § 1031 ZPO – greifen für satzungsmäßige Schiedsklauseln nicht ein.40 Fest steht zudem, dass die Satzungsautonomie nur im Rahmen der staatlichen Gesetze anerkannt ist. Die §§ 134, 138 BGB markieren deren äußere Grenze. Eine AGB-Kontrolle der Satzung ist wegen § 310 Abs. 4 BGB abzulehnen. Dieser umfasst ausweislich der Gesetzesbegründung41 neben dem Gesellschafts- auch das Vereinsrecht.42 Die Satzungen von Vereinen mit Aufnahmezwang (Monopolvereine) sind einer Überprüfung nach § 242 BGB zugänglich. Ob dies auch für sonstige Vereine gilt, bedarf vorliegend keiner Klärung, da solche im Sport aufgrund des Ein-Platz-Prinzips undenkbar sind.43 Schiedsklauseln in Satzungen von Sportverbänden sind daher am Maßstab des § 242 BGB auf ihre Vereinbarkeit mit Treu und Glauben zu überprüfen.44 Dieser Maßstab rechtfertigt sich vor allem durch das fehlende Korrektiv der Ein- und Austrittsfreiheit. Der Einzelne ist auf die Mitgliedschaft angewiesen. Das erspart dem Monopolverband wiederum, bei der Normsetzung Rücksicht auf seine Mitglieder zu nehmen.45 Bei den vertraglichen Schiedsklauseln kann der Kontrollmaßstab nicht einheitlich beurteilt werden. Es ist zu unterscheiden zwischen den Verträgen, die eine eigene Schiedsvereinbarung enthalten, und denjenigen, die auf eine in der Satzung enthaltene Klausel verweisen. Das Formerfordernis des § 1031 ZPO wird zumeist erfüllt sein, findet aber nach hier vertretener Ansicht auf die verweisenden Vereinbarungen 36

BGH NJW-RR 1989, 376 (378). Kreißig, in: Adolphsen u. a., Sportrecht in der Praxis, 2012, Rn. 221; Haas, in: Haas/ Haug/Reschke (Fn. 35), B S. 20. 38 Zu den Mitgliedschaftsarten vgl. Axtmann (Fn. 15), 2. Teil § 2 III. 1. 39 Ausführlich hierzu Beckmann, Statutarische Schiedsklauseln im deutschen Recht und internationalen Kontext, 2007, S. 67 ff. 40 Siehe hierzu Axtmann (Fn. 15), 2. Teil § 2 III. 2. b) aa) m. w. N. 41 Begründung zu § 23 Abs. 1 AGBG, BT-Drucks. 7/3919, S. 41. 42 Roloff, in: Erman BGB, 11. Aufl., 2004, § 310 Rn. 27; Grüneberg, in: Palandt, 74. Aufl. 2015, § 310 Rn. 49; Reichert (Fn. 5), Rn. 447. 43 Holzhäuser, in: Stopper/Lentze, Handbuch Fußball-Recht, 2012, Kap. 16 Rn. 83. 44 Zu den hierzu vertretenen Meinungen vgl. BGHZ 105, 306 ff.; vgl. auch BGHZ 64, 238; § 25 Rn. 20; Reichert (Fn. 5), Rn. 448; Vieweg, JuS 1983, 825 (828); ders., JZ 1984, 167 (171). 45 Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 2004, S. 213. 37

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ohnehin keine Anwendung.46 Eine Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach §§ 305 ff. BGB ist nur möglich, wenn diese nicht Bestandteil des verbandsrechtlichen Regelwerks ist. Andernfalls ist die Anwendung gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB ausgeschlossen, da dem Sportler/Verein durch den Regelanerkennungsvertrag – zeitlich beschränkt – exakt die Stellung eines Verbandsmitglieds verschafft wird. Der Vertrag ist daher korporationsrechtlicher Natur, wodurch die Satzung zu einem Essential desselben wird.47 Eine Inhaltskontrolle ist somit nur bei eigenständig abgeschlossenen Schiedsvereinbarungen möglich, da diese schuldrechtlicher Natur sind. Demnach unterliegen die verweisenden Vereinbarungen demselben Kontrollumfang wie die satzungsverankerten Schiedsklauseln, nämlich den §§ 134, 138, 242 BGB. Bei neben dem Hauptvertrag abgeschlossenen Schiedsklauseln ist neben §§ 305 ff. BGB lediglich die Vorschrift des § 134 BGB zusätzlich anwendbar. Es bedarf daher immer der Überprüfung der Schiedsvereinbarungen im konkreten Einzelfall auf ihre Angemessenheit. Eine abstrakte Unwirksamkeit ist weder nach § 242 BGB noch nach § 307 BGB gegeben. Ausschlaggebend ist hierfür zunächst, dass der Gesetzgeber die Schiedsgerichtsbarkeit als eine gleichwertige Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit angesehen hat. Zudem sind die im Sport beteiligten Personen auf die größere Sachnähe und die kürzere Verfahrensdauer angewiesen. Insbesondere die Sportler können sich aufgrund ihrer im Durchschnitt relativ kurzen Karriere keine langjährigen Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit von Verbandsentscheidungen leisten.48 Hinzu kommt die durch eine Konzentration der Zuständigkeit bewirkte Einheitlichkeit der Regelanwendung.49 Trotzdem bedarf es natürlich noch der Überprüfung der Schiedsvereinbarungen im Einzelfall auf ihre Angemessenheit. Hier sind die nach der jeweiligen Schiedsvereinbarung geltenden Verfahrensbestimmungen miteinzubeziehen. cc) Schiedsvereinbarungen als Grundrechtsverzicht Problematisch ist, dass der Abschluss einer Schiedsvereinbarung einen Verzicht auf die aus dem Justizgewährleistungsanspruch fließende, unbeschränkte Klagbarkeit eines Anspruchs, mithin also einen teilweisen Grundrechtsverzicht darstellt.50 Der teilweise Verzicht auf den Justizgewährleistungsanspruch als solcher ist grundsätzlich zulässig.51 Der Verzicht auf ein Grundrecht bedarf zu seiner Wirksamkeit 46

Siehe dazu Axtmann (Fn. 15), 2. Teil III. 2. c) bb) (2) (a). Reuter, in: MüKo BGB (Fn. 20), § 25 Rn. 29. 48 Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 175 (186). 49 Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 175 (186). 50 Kölbl (Fn. 45), S. 81; ausführlich Axtmann (Fn. 15), 2. Teil § 2 III. 3. a) cc). 51 Pohle, in: FS Lent, 1957, S. 195 (214); Kölbl (Fn. 45), S. 82; Münch, in: MüKo ZPO (Fn. 12), Vor § 1025 Rn. 4; Baumgärtel, ZZP 75 (1962), 385 (394) differenziert richtigerweise zwischen der Klagbarkeit und dem Verzicht auf den Justizgewährleistungsanspruch als solchen; a. A. Alberts, JuS 1972, 590 (592); Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privat47

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aber einer freiwilligen Erklärung. Freiwilligkeit ist gegeben, wenn keine den Willen zur Erklärung des Verzichts beeinträchtigende Wirkung vorliegt.52 Gerade im Sport fehlt es aufgrund des strukturellen Ungleichgewichts an dieser Freiwilligkeit, da die Sportverbände die Vereinbarung einer Schiedsvereinbarung zur Voraussetzung für die Teilnahme an ihren Sportveranstaltungen machen. Der Teilnehmer ist also auf deren Abschluss angewiesen, um seinen Beruf bzw. sein Hobby ausüben zu können. Grundsätzlich führt das Fehlen der Freiwilligkeit eines Grundrechtsverzichts zu dessen Unwirksamkeit. Eine Ausnahme ist indes möglich, wenn der Verzicht nicht den Wegfall des Grundrechts zur Folge hat, sondern ersetzt wird. Dies ist der Fall, wenn dem Verzichtenden eine (nahezu) gleichwertige Rechtsposition eingeräumt wird.53 Dazu müsste der durch den Justizgewährleistungsanspruch begründete Schutz – namentlich ein effektiver Rechtsschutz – auch bei einem Schiedsverfahren gewahrt werden.54 Eine Abweichung von den Voraussetzungen des Justizgewährleistungsanspruchs liegt bei der richterlichen Unabhängigkeit vor.55 Im staatlichen Gerichtsverfahren ist der entscheidende Richter im Voraus festzulegen, um Eingriffe von außen in die Rechtsprechung zu vermeiden.56 Im Schiedsverfahren werden die entscheidenden Richter von den Parteien selbst ernannt, § 1034 Abs. 1 ZPO, was zunächst die Unparteilichkeit der Schiedsrichter zumindest zweifelhaft erscheinen lässt. Die Unabhängigkeit der Richter bleibt aber auch im Schiedsverfahren nicht ungesichert. So kann das Gericht auf Antrag einer Partei abweichend von der erfolgten Ernennung einen oder mehrere andere Schiedsrichter bestellen, § 1034 Abs. 2 S. 1 ZPO,57 wenn ein Übergewicht der anderen Partei bei der Ernennung besteht und die antragstellende Partei hierdurch benachteiligt wird. Zudem bleibt die Möglichkeit der Parteien, die bestellten Schiedsrichter nach § 1036 Abs. 2 ZPO abzulehnen, wenn berechtigte Zweifel an deren Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit bestehen. Durch

recht, 1970, S. 158 f., beide müssten eigentlich die Schiedsgerichtsbarkeit für verfassungswidrig erklären. 52 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland III/2, 1994, S. 914. Richtigerweise hat das LG München, Urt. v. 26. 2. 2014 – 37 O 28331/12 entgegen der Beklagtenansicht anerkannt, dass die Freiwilligkeit nicht nur bei einem ausdrücklichen Widerspruch fehlt, sondern bereits die strukturelle Unterlegenheit ausreichen kann. 53 Vgl. Kölbl (Fn. 45), S. 97; Preis, DB 1972, 1723 (1725). 54 Ausführlich dazu Kölbl (Fn. 45), S. 97 ff. 55 Zur notwendigen Struktur von Sportschiedsgerichten siehe auch Niese, in: Schiedsgerichte bei Dopingstreitigkeiten, Akademieschrift 54 – Dokumentation des Akademiegesprächs vom 06./07. 02. 2002, 2003 S. 7 (12 f.). 56 Sachs, in: Sachs, GG, Art. 101 Rn. 5 ff. 57 Maihold, SpuRt 2013, 95 (96) weist richtigerweise daraufhin, dass durch die Vorschrift des § 1034 Abs. 2 ZPO nicht die Ungleichgewichtslage bei Abschluss der Schiedsvereinbarung ausgeglichen wird, sondern nur eine danach fortbestehende.

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diese Schutzmechanismen wird das Fehlen der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit im Vergleich zu staatlichen Gerichten ausgeglichen.58 Ein weiterer Schutzmechanismus des Schiedsverfahrens ist in § 1059 ZPO verankert. Die Vorschrift des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b) ZPO ermöglicht die Aufhebung eines Schiedsspruchs, wenn dessen Anerkennung zu einem ordre-public-widrigen Ergebnis führt. Zum ordre public gehören unter anderem die Grundrechte sowie die mit der Garantie des rechtsstaatlichen Verfahrens zusammenhängenden Vorschriften.59 Durch die Möglichkeit der Aufhebung des Schiedsspruchs wird daher das Recht auf ein faires Verfahren auch für das Schiedsverfahren abgesichert.60 Dem Schutz des rechtlichen Gehörs und der Gleichbehandlung dient die Vorschrift des § 1042 Abs. 1 ZPO. Durch das Erfordernis der Gewährung rechtlichen Gehörs werden die Schiedsparteien verfahrensrechtlich gegen Nachlässigkeit und Willkür gesichert.61 Das Gleiche gilt für die Gleichbehandlung der Parteien, die Teil des Gebots eines fairen Verfahrens ist.62 Nicht gewahrt sind im schiedsgerichtlichen Verfahren die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verfahren nach §§ 169 ff. GVG. Die fehlende Öffentlichkeit der Schiedsverfahren dient aber auch dem Schutz der Sportler. Dies gilt insbesondere in Dopingangelegenheiten, bei denen andernfalls das Persönlichkeitsrecht der Sportler ungeschützt bliebe. Ebenfalls nicht vorhanden sind Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe. b) Ergebnis Die Vorschriften des 10. Buches der ZPO enthalten nicht alle Garantien des Justizgewährleistungsanspruchs. Nichtsdestotrotz enthält das Schiedsverfahrensrecht ausreichende Schutzmechanismen, um die Positionen der Parteien aus dem Verfahren vor staatlichen Gerichten zu wahren. Zudem gelten grundsätzlich die verfassungsmäßigen Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren auch für das Schiedsverfahren.63 Abstrakt bedeutet dies, dass das Schiedsverfahren grundsätzlich geeignet ist, den staatlichen Rechtsschutz nahezu gleichwertig zu ersetzen,64 was eine Ausnahme vom Erfordernis der Freiwilligkeit ermöglicht. Im Konkreten ist aber auf die jeweilige Ausgestaltung des Verfahrens durch den Verband abzustellen. Durch die Möglichkeit, das Verfahren vorbehaltlich der zwingenden Vorgaben selbst 58

So auch Kölbl (Fn. 45), S. 102; wohl auch Achterberg, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, XII, 165. Ergänzungslieferung, Januar 2014, Art. 92 Rn. 188. 59 Schlosser, in: Stein/Jonas (Fn. 6), Anhang § 1061 Rn. 135. 60 Kölbl (Fn. 45), S. 101, m. w. N. 61 Schlosser, in: Stein/Jonas (Fn. 6), § 1042 Rn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann (Fn. 13), § 1042 Rn. 3. 62 Thomas, in: Thomas/Putzo, 34. Aufl. 2013, § 1042 Rn. 2; Münch: MüKo ZPO (Fn. 12), § 1042 Rn. 12. 63 Schlosser, in: Stein/Jonas (Fn. 6), § 1042 Rn. 7. 64 BT-Drucks. 13/5274, S. 34; Kölbl (Fn. 45), S. 103; Ebbing, NZG 1999, 745 (755).

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zu gestalten, § 1042 Abs. 3 ZPO, könnte im Einzelfall eine erhebliche Abweichung von den Garantien des Justizgewährleistungsanspruchs vorgesehen sein.65 Daher muss immer eine konkrete Kontrolle der jeweiligen Ausgestaltung des Verfahrens erfolgen. 3. Hinreichend enge Beziehung zwischen vorlegender Stelle und Mitgliedstaat Der EuGH hat in seiner Nordsee-Entscheidung neben einer fehlenden Bindung das Kriterium des Einflusses des Staates auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts und den Ablauf des Verfahrens als nicht erfüllt angesehen. Es bleibt den Parteien weitgehend frei, die Zusammensetzung des Schiedsgerichts und das Verfahren selbst zu regeln. Das Kriterium erscheint damit auf den ersten Blick nicht erfüllt zu sein. Jedoch könnten Sportverbände den Mitgliedstaaten im Europarecht gleichzustellen sein. Ebenso kommen Ausnahmen von dem Kriterium – insbesondere aufgrund der Eigenarten des Sports – in Betracht. a) Gleichstellung von Sportverbänden mit Staaten Sportverbände sind weder Staaten, noch kommt ihnen derivative Völkerrechtssubjektivität zu.66 Dies gilt unabhängig davon, ob sie national oder international agieren. Eine Gleichstellung mit den Mitgliedstaaten kommt daher nur aufgrund der Rechtsprechung des EuGH bezüglich der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten in Frage. aa) Die unmittelbare Drittwirkung in der Rechtsprechung des EuGH In seinen Urteilen zur unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten sieht der EuGH die Sportverbände –wie auch andere zum Erlass kollektiver Regelungen befähigte Verbände und Vereinigungen – ebenso an die Grundfreiheiten gebunden wie die Mitgliedstaaten.67 Diese Institutionen sind bei Erlass solcher Regelungen an das 65 So war bspw. die Vereinbarung der Eisschnellläuferin Pechstein mit der ISU unwirksam. Siehe dazu Axtmann (Fn. 15), 2. Teil § 2 III. 4. b) bb). 66 Vgl. dazu Schleiter, in: Vieweg, Facetten des Sportrechts, S. 231; ders., Globalisierung im Sport, 2009, S. 87 ff.; Axtmann (Fn. 15), 2. Teil § 3 I. 1. 67 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 12. 12. 1974, Rs. 36/74 (Walrave und Koch), Slg. 1974, 1405 ff.; EuGH, Urt. v. 14. 7. 1976, Rs. 13/76 (Donà), Slg. 1976, 1333 ff.; EuGH, Urt. v. 15. 12. 1995, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, I-4921 ff.; EuGH, Urt. v. 20. 2. 1979, Rs. 120/ 78 (Cassis de Dijon/Rewe), Slg. 1979, 649; EuGH, Urt. v. 11. 4. 2000, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97 (Deliège), Slg. 2000, I-2549 ff.; EuGH, Urt. v. 13. 4. 2000, Rs. C-176/96 (Lehtonen), Slg. 2000, I-2681 ff.; EuGH, Urt. v. 16. 3. 2010, Rs. C-325/08 (Olympique Lyonnais), Slg. 2010, I-2177 ff.; EuGH, Urt. v. 23. 3. 2006, Rs. C-519/04 P (Meca Medina), Slg. 2006, I-6991 ff.; EuGH, Urt. v. 11. 12. 2007, Rs. C-438/05 (Viking), Slg. 2007, I-10779 ff.; EuGH, Urt. v. 18. 12. 2007, Rs. C- 341/05 (Laval un Partneri), Slg. 2007, I-11767 ff.

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unionale Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot gebunden.68 Dieses gilt explizit nur für kollektive Regelungen im Arbeits- oder Dienstleistungsbereich, nicht hingegen für Individualverträge.69 Diese wurden bisher vom EuGH nur auf eine mögliche Diskriminierung hin geprüft. Hinzu kommt, dass der EuGH eine Bindung Privater an das Diskriminierungsverbot auch nur bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit, nicht hingegen bei der Dienstleistungsfreiheit angenommen hat.70 In keinem der Urteile hat er sich für ein aus Art. 45, 56 AEUV fließendes Beschränkungsverbot unter Privaten entschieden.71 Eine Erstreckung auch des Beschränkungsverbots auf das Verhältnis zwischen Privaten ohne Verbandsmacht ließe sich aus dogmatischer Sicht auch nicht rechtfertigen. Sie wäre nicht mehr von den Verträgen gedeckt.72 Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft würde auf den Kopf gestellt, da plötzlich der Einzelne die Ausübung seiner Vertragsfreiheit vor den Grundfreiheiten legitimieren müsste.73 Gegen eine solche Ausdehnung der unmittelbaren Drittwirkung spricht zudem die Existenz des europäischen Wettbewerbsrechts, Art. 101 f. AEUV. Die dort beschriebenen Verhaltensweisen wären bei einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten schon durch diese untersagt. Auch die aufgrund von Art. 101 Abs. 3 AEUV getroffenen Regelungen könnten durch einen Rückgriff auf die Grundfreiheiten gegenstandslos werden, was eine Aushöhlung der Vorschrift zur Folge hätte.74 bb) Ergebnis Der EuGH stellt die Sportverbände im Rahmen der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten den Mitgliedstaaten gleich, indem er deren Regelungen ebenfalls dem Diskriminierungs- und insbesondere dem Beschränkungsverbot unterwirft. Demnach lässt sich argumentieren, dass der Gerichtshof den Sportverbänden, wenn er ihnen bereits dieselben Pflichten auferlegt wie den Mitgliedstaaten, auch die Vorteile aus den europäischen Verträgen zukommen lassen muss, sodass hieraus ein Gleichbehandlungsanspruch der Sportverbände erwachsen könnte. Allerdings handelt es sich bei der Gleichstellung im Rahmen der Grundfreiheiten eher um ein in68

Ausfühlich dazu Axtmann (Fn. 15), 2. Teil § 3 I. 3. a). Frenz, Handbuch Europarecht I, 2004, Rn. 1157. 70 Frenz (Fn. 75), Rn. 329. 71 EuGH, Urt. v. 6. 6. 2000, Rs. C-281/98 (Angonese), Slg. 2000, I-4139 ff.; EuGH, Urt. v. 17. 7. 2008, Rs. C-94/07 (Raccanelli), Slg. 2008, I-5939 ff. 72 Herdegen, Europarecht, 2014, § 14 Rn. 14. 73 So Kluth, AöR 122 (1997), 557 (570 f.), der dabei auf das von C. Schmitt begründete Verteilungssystem verweist. Hiernach wird „die Freiheitssphäre des Einzelnen […] als etwas von dem Staat Gegebenes vorausgesetzt, und zwar ist die Freiheit des Einzelnen prinzipiell unbegrenzt, während die Befugnis des Staates zu Eingriffen in diese Sphäre prinzipiell begrenzt ist“, Schmitt, Verfassungslehre, Nachdruck 1954, S. 126. 74 Kluth, AöR 122 (1997), 557 (573). 69

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dizielles denn um ein für sich alleine überzeugendes Argument bezüglich der Vorlage nach Art. 267 AEUV. b) Ausnahmen Neben dem Argument der Gleichbehandlung von Sportverbänden und Mitgliedstaaten kommen Ausnahmen vom Erfordernis der hinreichend engen Beziehung in Betracht. aa) Entzug des gesetzlichen Richters Der Gerichtshof könnte den am Ausgangsverfahren beteiligten Parteien den gesetzlichen Richter entziehen, indem er die Vorlage von Sportschiedsgerichten für unzulässig erklärt. Ein Verzicht auf das Recht auf den gesetzlichen Richter liegt durch den Abschluss der Schiedsvereinbarung selbst nicht vor. Art. 101 Abs. 2 S. 1 GG eröffnet nicht den Weg zu den staatlichen Gerichten, sondern schützt vielmehr nur den bereits eröffneten Weg.75 Das Recht auf den gesetzlichen Richter existiert im Unionsrecht. Es ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten.76 Umstritten ist lediglich der genaue Umfang des Rechts auf Unionsebene. Es soll aber jedenfalls nicht nur gegenüber der ersten und zweiten Gewalt, sondern auch gegen Verstöße durch den Richter selbst schützen.77 Der EuGH ist auch als Gericht im Sinne dieses Rechts anzusehen. Zwar könnten Zweifel an dieser Einordnung aufgrund der fehlenden abstrakt-generellen Vorausbestimmung der im konkreten Fall entscheidenden Richter bestehen.78 Allerdings wirkt das europäische Recht im Gegensatz zu der in Deutschland verfassten Garantie des Art. 101 Abs. 2 S. 1 GG nicht gerichtsintern und erfordert somit nicht die abstrakt-generelle Vorausbestimmung eines jeden im Einzelfall entscheidenden Richters.79 Es ist daher dem BVerfG auch bezüglich des europäischen Rechts auf den gesetzlichen Richter zuzustimmen, wenn es ausführt, dass an der Gerichtsqualität des EuGH im Sinne des Rechts auf den gesetzlichen Richter keine Zweifel bestehen können.80

75 Dütz (Fn. 51), S. 237; Kölbl (Fn. 45), S. 79 f.; ausführlich auch Axtmann (Fn. 15), 2. Teil § 2 II. 3. a) aa). 76 Für Art. 6 Abs. 1 EMRK Kühne, in: Karl, Kommentar EMRK, 13. Lieferung, Dezember 2010, Art. 6 Rn. 294; Puttler, EuR-Beiheft 3/2008, 133 (152 f.); ausführlich zur Verfassungstradition Axtmann (Fn. 15), 2. Teil § 3 II. 1. b) bb). 77 Grundlegend zu Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG BVerfGE 3, 359 (364); BVerfGE 4, 412 (416). 78 Ähnlich Huber, in: Streinz, Komm EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 251 AEUV Rn. 6; siehe dazu auch Puttler, EuR-Beiheft 3/2008, 133 ff. 79 So auch Jung, EuR 1980, 372 (377); Dörr, in: Sodan/Ziekow, Kommentar VwGO, 3. Aufl. 2010, Rn. 25; Wichard, EuZW 1996, 305 (305); Stotz, EuZW 1995, 749 (749); a. A. wohl Ehlers, in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im ÖR, 2009, § 6 Rn. 22. 80 BVerfGE 73, 339 (367).

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Versagt der EuGH den Sportschiedsgerichten die Vorlage, entzieht er den Parteien des Ausgangsrechtsstreits dadurch eine zur Entscheidung über Teile des Rechtsstreits berufene Stelle. Dies ist fraglos ein Eingriff in das Recht auf den gesetzlichen Richter. Eine Rechtfertigung des Eingriffs ist nicht ersichtlich. Das Recht auf den gesetzlichen Richter unterliegt nach Art. 6 Abs. 1 EMRK keinem Gesetzesvorbehalt. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten.81 Als Rechtfertigung könnten daher allenfalls praktische Überlegungen wie eine Überlastung des Gerichtshofs angeführt werden.82 Allerdings darf die Folge steigender Verfahrenszahlen nicht die Verkürzung des Individualrechtsschutzes durch den Entzug des gesetzlichen Richters sein. Vielmehr muss einer Überlastung des EuGH durch weitere Reformen abgeholfen werden.83 Auch der Einwand der Vorlagemöglichkeit über den Umweg der staatlichen Gerichte nach § 1050 ZPO trägt an dieser Stelle nicht.84 Zwar kann auf diesem Weg „übers Eck“ eine Vorlage an den EuGH erreicht werden. Doch wird durch die hierdurch verlängerte Verfahrensdauer der subjektive Rechtsschutz derart verkürzt, dass die Vorschrift des § 1050 ZPO nicht geeignet erscheint, den Entzug des gesetzlichen Richters auszugleichen. Die Folge des dargestellten Eingriffs können Haftungs- bzw. Entschädigungsansprüche der durch die Entscheidung benachteiligten Partei gegen die Union sein. Dies reicht jedoch nicht aus, um einen einheitlichen Rechtsschutzstandard für die Sportschiedsgerichtsbarkeit auf europäischer Ebene zu bejahen. Aufgrund des Entzugs des gesetzlichen Richters durch den EuGH bei Versagung der Vorlageberechtigung ist daher eine Ausnahme von dem Kriterium des Einflusses des Staates zu machen, damit Grundrechtsverletzungen vermieden werden. bb) Besonderheiten des Sportrechts Eine weitere Ausnahme von dem Kriterium des staatlichen Einflusses auf das Schiedsverfahren und die Besetzung des Schiedsgerichts ergibt sich aus den Besonderheiten des sportlichen Wettkampfs. Der geforderte Einfluss des Staates stört eines der elementaren Prinzipien des sportlichen Wettkampfs85 – den Grundsatz der Chancengleichheit.86

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Axtmann (Fn. 15), 2. Teil § 3 II. 1. d) aa). Schütze, SchiedsVZ 2007, 121 (123). 83 Zobel (Fn. 22), S. 186; zu diesbezüglichen Überlegungen siehe Schwarze, DVBl. 2002, 1297 (1307 ff.); Hirsch, ZRP 2000, 57 (58 ff.); Tramon/Tüllmann, NVwZ 2004, 43 (45). 84 Siehe dazu Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, § 12 Rn. 23; Münch, in: MüKo ZPO (Fn. 12), § 1050 Rn. 11; Voit, in: Musielak (Fn. 6), § 1050 Rn. 2. 85 Zur Notwendigkeit des Begriffs Wettkampf im Sport siehe Holzke, Der Begriff Sport im deutschen und europäischen Recht, 2001, S. 102 ff. 86 Vgl. auch Schleiter (Fn. 66), S. 20 f. 82

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Der Wettkampfbegriff bezeichnet eine bei Chancengleichheit aller Teilnehmer vorab geregelte Auseinandersetzung zwischen Individuen oder Gruppen um einen Wert, den nur eine der wettkämpfenden Parteien gewinnen kann.87 Der Wettkampf ist von drei elementaren Grundprinzipien geprägt: dem Leistungsprinzip, dem Konkurrenzprinzip und dem Gleichheitsprinzip.88 Nach dem Leistungsprinzip soll derjenige, der die beste Leistung erbracht hat, als Sieger aus dem Wettbewerb hervorgehen. Das Konkurrenzprinzip sorgt dafür, dass jeder Teilnehmer während des Wettkampfs seine bestmögliche Leistung abrufen muss. Nur so kann der jeweils Beste seiner Sportart im Wettkampf ermittelt werden. Unabdingbar ist darüber hinaus die formelle Gleichheit der Wettkämpfer und damit die Gleichheit der Leistungsbedingungen.89 Bei ungleichen Voraussetzungen ist die Ermittlung des Besten eines Fachs nicht möglich. Das Gleichheitsprinzip ist eine unerlässliche Voraussetzung des sportlichen Wettkampfs. Um es zu wahren, bedarf es eines für alle Beteiligten der jeweiligen Fachsportart weltweit gleichen Regelwerks,90 das zudem einheitlich durchgesetzt wird. Die internationalen Verbände stellen weltweit einheitliche Regeln für jede Sportart auf.91 Für deren Durchsetzung sind grundsätzlich die nationalen Gerichte zuständig. Da es im internationalen Sport diverse Anknüpfungspunkte für die Zuständigkeit staatlicher Gerichte sowie die kollisionsrechtliche Einordnung gibt, ragt das Sportgeschehen in verschiedene Rechtsordnungen hinein.92 Durch einen realisierten Geltungsanspruch der staatlichen Gerichte wird das Gleichheitsprinzip gefährdet, eine einheitliche Durchsetzung der Regeln kann so kaum erreicht werden.93 Die nationalen Gerichte versuchen vielmehr, das sportliche Geschehen mit den aus dem nationalen Recht stammenden Instrumentarien zu erfassen.94 Dabei kommt es zu unterschiedlichen Schutzstandards, je nach Ausprägung beispielsweise des Grundrechtsschutzes, des Arbeits- oder des Kartellrechts. Die einheitliche Durchsetzung sowie die Beachtung des Gesamtzusammenhangs, in den sich die Entscheidung einfügt, kann daher nur über Sportschiedsgerichte erreicht werden. Allein die Sportschiedsgerichtsbarkeit ist in der Lage, ein einheitliches, weltweit zuständiges letztinstanzliches Schiedsgericht zu etablieren. Hinzu kommt, dass eine Verpflichtung des staatlichen Richters zur Berücksichtigung der Belange des Sports nicht besteht.95 Die Sportschiedsgerichte können hingegen per Ermächtigung auch nach privat gesetzten Regeln – der sog. lex sportiva – entscheiden. Auf diesem Wege kann den Besonder87

Schattmann, Der Betrug des Leistungssportlers im Wettkampf, 2008, S. 5. Adolphsen, SchiedsVZ 2004, 169 (170). 89 Adolphsen, SchiedsVZ 2004, 169 (170); Pfister, in: FS Lorenz, 1991 S. 171 (171). 90 Pfister, in: FS Lorenz (Fn. 89), S. 171 (172). 91 Hess, in: Vieweg, Prisma des Sportrechts, 2006, 1 (3); Pfister, in: FS Lorenz (Fn. 89), S. 171 (173). 92 Schleiter (Fn. 66), S. 19; Adolphsen (Fn. 2), S. 19. 93 Adolphsen, in: Adolphsen u. a. (Fn. 37) , Rn. 971; vgl. auch ders. (Fn. 2), S. 255. 94 Adolphsen, in: Adolphsen u. a. (Fn. 37), Rn. 971 m. w. N. 95 Adolphsen, SchiedsVZ 2004, 169 (170). 88

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heiten des sportlichen Wettkampfs Rechnung getragen und gleichzeitig eine Zersplitterung des Sports und damit einhergehend eine Ungleichbehandlung der Sportler vermieden werden.96 Problematisch ist freilich, dass es sich trotz einiger Fortschritte in der Rechtsprechung bei der Entwicklung einer lex sportiva weiterhin lediglich um Prinzipien und nicht um eine hinreichend verfestigte Ordnung handelt.97 Eine ausschließliche Verweisung auf die lex sportiva kann daher zumindest nach heutigem Stand noch keine Rechtssicherheit und daher auch keine Gleichheit der zu beurteilenden Fälle gewährleisten.98 Um das Gleichheitsprinzip tatsächlich zu wahren, müssten weitere Maßnahmen ergriffen werden. Das könnte zum einen dadurch erreicht werden, dass zusätzlich zur lex sportiva immer auch ein bestimmtes Sachrecht für anwendbar erklärt wird.99 Zudem könnte der CAS für alle Schiedsgerichtsverfahren als Revisionsinstanz eingesetzt werden. Werden diese Maßnahmen allerdings getroffen, ist eine Ausnahme vom Kriterium des staatlichen Einflusses zu machen. Nur hierdurch kann die weltweit einheitliche Beurteilung sportrechtlicher Fälle gesichert werden. Der staatliche Einfluss auf das Verfahren und die Zusammensetzung des Schiedsgerichts würde die Gleichheit der Voraussetzungen der Sportler zerstören. c) Ergebnis Das Erfordernis des staatlichen Einflusses kann bei Sportschiedsgerichten aufgrund der Rechtsprechung des EuGH zur unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten, in der er die Sportverbände den Mitgliedstaaten gleichstellt, als erfüllt angesehen werden. Andernfalls sind Ausnahmen von dem Kriterium angezeigt. So stellt die Versagung der Vorlageberechtigung einen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf den gesetzlichen Richter dar. Außerdem führt der Einfluss des Staates zu einer Verletzung des Gleichheitsprinzips im Wettkampfsport.

IV. Systematisierung der EuGH-Rechtsprechung Die Rechtsprechung zur Bestimmung des Gerichtsbegriffs in Art. 267 AEUV ist einzelfallspezifisch geprägt.100 Es erfolgt keine dogmatische Begründung oder gar eine Systematisierung der oben bereits dargestellten Kriterien. Indes enthält die

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Zum zwingenden Charakter der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport aufgrund des Gleichheitsprinzips siehe auch Schleiter (Fn. 66), S. 108 ff. 97 Schleiter (Fn. 66), S. 212. 98 Ausführlich zur lex sportiva und deren Entwicklung Axtmann (Fn. 15), 2. Teil § 3 II. 2. b), c), d). 99 Schleiter (Fn. 66), S. 214 ff. schlägt hierfür den Common Frame of Reference vor. 100 Piekenbrock, EuR 2011, 317 (356).

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Rechtsprechung des Gerichtshofs zumindest Hinweise darauf, dass die Kriterien ein bewegliches System nach der Lehre Wilburgs ergeben.101 1. Das bewegliche System nach Wilburg Nach der Lehre vom „beweglichen System“102 sollen sich die Rechtsfolgen nicht aus der Erfüllung eines starren Tatbestands ergeben, sondern das Ergebnis einer „Kräftewirkung“ sein.103 Wilburg selbst hat ein solches bewegliches System im Bereich des Schadensrechts entworfen.104 Hierzu hat er eine Reihe von Prinzipien (Elementen) an die Stelle eines festen Tatbestands gesetzt. Zwischen den einzelnen Gesichtspunkten besteht Ranggleichheit. Das Vorliegen aller Kriterien ist keine notwendige Bedingung mehr für eine Schadensersatzpflicht. Diese soll sich vielmehr durch das Zusammenspiel der Elemente – je nach Zahl und Intensität ihres Vorliegens – von Fall zu Fall ergeben.105 Die kombinierende Anwendung der einzelnen Kriterien auf den konkreten Fall ist Sache des entscheidenden Richters; die Rechtsfolge hat er nach gelenktem Ermessen festzulegen.106 Für jede Regelungsmaterie müssen dabei konkrete Elemente herausgearbeitet werden. Nach der Lehre vom beweglichen System können nur diese einander ersetzen.107 Daraus folgt, dass die Wesensmerkmale des beweglichen Systems in der grundsätzlichen Ranggleichheit und Austauschbarkeit der maßgeblichen Prinzipien bei einem gleichzeitigen Verzicht auf eine abschließende Tatbestandsbildung liegen.108 Das bewegliche System soll letztlich dazu dienen, ein höheres Maß an Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit zu erreichen. Der nach gebundenem Ermessen entscheidende Richter ist hiernach dazu gezwungen, seine Entscheidung unter Abwägung aller konkreten Umstände ausführlich zu begründen.

101 Dafür spricht vor allem die Aussage in EuGH, Urt. v. 13. 2. 2014, C-555/13 (Merck Canada), Rn. 24, wonach die entscheidende Stelle „jedoch auf einer gesetzlichen Grundlage errichtet wurde, über eine dauerhafte Zuständigkeit verfügt und darüber hinaus die von ihm anzuwendenden Verfahrensvorschriften durch die nationale Gesetzgebung festgelegt und in einen Rahmen gefasst werden, dass im vorliegenden Fall auch die Voraussetzung des ständigen Charakters erfüllt ist.“ [Hervorhebung durch Verf.] 102 Zum Ganzen vgl. Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, 1951, passim; ders., Die Elemente des Schadensrechts, 1941, passim; ders., AcP 163 (1964), 346 ff.; zusammengefasst bei Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1981, S. 529 ff. 103 Bydlinski (Fn. 102), S. 529. 104 Wilburg (Fn. 102), passim. 105 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 299; Diederichsen, NJW 1966, 697 (699). 106 Wilburg, Elemente (Fn. 102), S. 22; Bydlinski (Fn. 102), S. 529. 107 So richtig Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl., 1983, S. 77. 108 Canaris (Fn. 107), S. 75.

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2. Dogmatische Begründung und Einordnung der Kriterien Die Kriterien des EuGH bezüglich der Vorlage nach Art. 267 AEUV erfolgt vorliegend in die Kategorien unverzichtbar, verzichtbar und ersetzbar. Zur Qualifikation der einzelnen Kriterien ist deren dogmatische Begründung maßgebend. Hierfür ist auf das Rechtsstaatsprinzip zurückzugreifen, das Teil des „aquis communautaire“ ist. Zudem muss hinsichtlich der ersetzbaren Kriterien eine Unterscheidung dahin gehend getroffen werden, ob sie den Begriff des „Gerichts“ oder denjenigen der Zuordnung zu einem Mitgliedstaat („eines Mitgliedstaates“) i. S. d. Art. 267 AEUV beschreiben, denn nur die jeweils dieselbe Eigenschaft beschreibenden Kriterien können einander ersetzen. a) Stellung eines Dritten Die Stellung eines Dritten umfasst die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der entscheidenden Stelle. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Richter bei ihren Entscheidungen nur durch das Gesetz gebunden sind.109 Sie ist also Ausdruck der Gewaltenteilung und gleichzeitig eines der zentralsten Merkmale richterlicher Tätigkeit.110 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sind Voraussetzung für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Justizgewährleistungsanspruchs. Es gibt mithin keinen Rechtsstaat ohne rechtsprechende Gewalt durch unbeteiligte Dritte.111 Daraus folgt, dass dieses Kriterium als unverzichtbar einzustufen ist. Ohne dessen Vorliegen kann kein dem Rechtsstaatsprinzip genügendes Gericht angenommen werden. b) Ordnungsgemäße Bildung Die Voraussetzung der ordnungsgemäßen Bildung nach nationalem Recht entspringt dem Justizgewährleistungsanspruch.112 Dieser in Korrespondenz zum Gewaltmonopol des Staates konzipierte Rechtsschutzanspruch des Bürgers verlangt die Einhaltung des elementaren Rechtsschutzstandards.113 Zu dessen Sicherung gehören nicht nur Vorschriften über die Errichtung und die Zusammensetzung des entscheidenden Gerichts, sondern auch über dessen Zuständigkeit und Besetzung.114 Da die ordnungsgemäße Bildung nach nationalem Recht eine Voraussetzung der Stellung eines Dritten ist, muss das Kriterium ebenfalls unverzichtbar sein.

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Classen, in: Mangold/Klein/Starck, Komm GG III, 6. Aufl. 2010, Art. 97 Rn. 6. Schulze-Fielitz, in: Dreier, Komm GG, III, 2. Aufl. 2008, Art. 97 Rn. 14; Classen, in: M/K/S (Fn. 109), Art. 97 Rn. 7. 111 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Fn. 110), Art. 97 Rn. 14; ähnlich Classen, in: M/K/S (Fn. 109), Art. 97 Rn. 1. 112 Axtmann (Fn. 15), 3. Teil § 2 III. 3. g) m. w. N. 113 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Fn. 110), Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 215. 114 Grabenwarter/Pabel, EMRK, 5. Aufl. 2012, § 24 Rn. 30. 110

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c) Gesetzliche Ausgestaltung des Verfahrens Die gesetzliche Ausgestaltung des Verfahrens ist auf den Grundsatz des fairen Verfahrens zurückzuführen. Das faire Verfahren soll dazu beitragen, Prozesse zu einem materiell vernünftigen Ergebnis zu bringen.115 Gleichzeitig stellt das Recht die wichtigste verfahrensrechtliche Garantie des Grundrechtskatalogs dar, auf den sich die Bürger gegenüber dem Staat bzw. der europäischen Hoheitsgewalt berufen können, und bildet ein Kernelement des europäischen Verständnisses von Rechtsstaatlichkeit.116 Das Recht auf ein faires Verfahren sichert somit den Zugang zu Gerichten, das rechtliche Gehör sowie die unparteiische Verfahrensführung und -gestaltung. Bei Nichterfüllung der gesetzlichen Ausgestaltung wären die Parteien der Willkür des Richters ausgesetzt. Das Kriterium ist daher ebenfalls unverzichtbar. d) Entscheidung nach Rechtsnormen Eine Entscheidung nach Rechtsnormen ist bereits aufgrund des Almelo-Urteils des Gerichtshofs nicht als unverzichtbar einzustufen. Darin hatte der EuGH ausgeführt, dass eine solche Entscheidung auch bei einer Billigkeitsentscheidung vorliege, da die zwingenden Normen immer zu beachten seien.117 Da mittlerweile auch das europäische Wettbewerbsrecht Teil des von Schiedsgerichten zu beachtenden ordre public ist,118 dürfte eine reine Billigkeitsentscheidung kaum noch möglich sein. Demnach ist das Kriterium fast immer erfüllt und somit als verzichtbar anzusehen. Allerdings kann das Kriterium als den Begriff des Gerichts beschreibend jedenfalls dazu beitragen, ein möglicherweise fehlendes Kriterium zu ersetzen. e) Ständiger Charakter Der ständige Charakter der vorlegenden Stelle beschreibt ebenfalls die Gerichtseigenschaft. Das Kriterium gründet auf dem Recht auf den gesetzlichen Richter. Sinn und Zweck ist die Wahrung der Neutralität des Richters sowie der Schutz vor etwaiger Manipulation.119 Zudem soll Rechtssicherheit geschaffen werden, die unverzichtbarer Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist.120 Trotzdem ist das Kriterium bereits deswegen nicht als unverzichtbar einzustufen, weil es durch das Vorliegen der Stellung eines Dritten und der gesetzlichen Ausgestaltung des Verfahrens ersetzt werden kann. Gleichzeitig kann der ständige Charakter dazu beitragen, das abgeschwächte

115

Brenner, DV 31 (1998), 1 (17). Pache, NVwZ 2001, 1342 (1342. 117 EuGH, Urt. v. 27. 4. 1994, Rs. C-393/92 (Almelo), Slg. 1994, I-1477 (1515). 118 EuGH, Urt. v. 1. 6. 1999, Rs. C-126/97 (Eco Swiss), Slg. 1999, I-3055 (3092). 119 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland I, 2. Aufl. 1984, S. 846; Maunz, in: Maunz/Dürig, 72. Ergänzungslieferung 2014, Art. 101 Rn. 13. 120 Sobota, Das Prinzip des Rechtsstaats, 1997, S. 501. 116

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Vorliegen der beiden vorgenannten Kriterien auszugleichen, weshalb es auch nicht verzichtbar, sondern ersetzbar ist. f) Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter Die Zuständigkeit, Entscheidungen mit Rechtsprechungscharakter zu treffen, wohnt jedem Gericht inne,121 weshalb das Kriterium offensichtlich die Gerichtseigenschaft beschreibt. Es dient dabei dem effektiven Rechtsschutz. Bei seinem Fehlen wären erhebliche Rechtsschutzlücken die Folge. Daher ist in diesem Fall ein Ausgleich im Namen des Rechtsschutzes zu fordern, was eine Verzichtbarkeit ausschließt. Allerdings ist das Kriterium reichlich konturenlos, sodass selbst der EuGH zu Hilfskriterien greift, um das Vorliegen festzustellen.122 Wäre es unverzichtbar, so müsste in vielen Fällen die Gerichtseigenschaft abgesprochen werden. Demnach ist auch die Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter ein ersetzbares Kriterium. g) Hinreichend enge Beziehung Fraglos beschreibt das Kriterium der hinreichend engen Beziehung die Zuordnung des „Gerichts“ zu einem Mitgliedsstaat. Es gründet auf dem Gewaltmonopol des Staates und dessen daraus resultierender Pflicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes.123 Die Effektivität des Rechtsschutzes, die alleiniger Maßstab des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs ist,124 kann aber auch durch Zulassung privater Schlichtungsstellen erreicht werden. Dabei bleibt der Gesetzgeber zur Evidenz- und Missbrauchskontrolle verpflichtet, wodurch das Gewaltmonopol des Staates erhalten bleibt. Mehr als eine gesetzliche Zulassung ist daher für die Beziehung zwischen vorlegender Stelle und Mitgliedstaat nicht zu fordern. Auf dieses Erfordernis darf allerdings nicht einfach verzichtet werden, weil sonst weder das Gewaltmonopol des Staates noch der effektive Rechtsschutz gesichert wären. Es bedarf daher eines Ausgleichs, weshalb das Kriterium ersetzbar ist. h) Obligatorische Gerichtsbarkeit Das Kriterium der obligatorischen Gerichtsbarkeit betrifft die Zuordnung einer Stelle zu einem Mitgliedstaat, wie bereits die Ausführungen des EuGH in der Nordsee-Entscheidung zeigen. Es dient der Sicherung des staatlichen Gewaltmonopols, das notwendige Voraussetzung unseres Rechtsstaatsverständnisses ist. Fehlt die obligatorische Gerichtsbarkeit, droht eine Durchbrechung dieses Gewaltmonopols, was 121

EGMR, Sramek ./. Österreich, Urt. v. 22. 10. 1984 = EuGRZ 1985, 336 (339). GA Ruiz-Jarabo, Schlussantrag v. 28. 6. 2001, Rs. C-17/00 (De Coster), Slg. 2001, I-9447 (9458) m. w. N. 123 Siehe dazu Axtmann (Fn. 15), 3. Teil § 2 III. 3. c). 124 Sachs, in: Sachs, Komm GG, 7. Aufl. 2014 Art. 20 Rn. 162; Detterbeck, AcP 192 (1992), 325 (328). 122

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aufgrund seiner Wichtigkeit nicht ersatzlos hingenommen werden kann. Allerdings zeigt bereits die Danfoss-Entscheidung, dass es unschädlich ist, wenn der Staat die Ausübung seines Gewaltmonopols Privaten überlässt.125 Letztlich kann das Gewaltmonopol des Staates bereits durch eine hinreichend enge Beziehung gesichert werden, weshalb die obligatorische Gerichtsbarkeit ersetzbar ist.

3. Anwendung des Systems auf Sportschiedsgerichte Die Anwendung des erbarbeiteten Systems auf Sportschiedsgerichte führt dazu, diese als vorlageberechtigt nach Art. 267 AEUV einzustufen. Die unverzichtbaren Kriterien sind – bei Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO – allesamt erfüllt, wenn auch in unterschiedlichen Abstufungen. Während die Stellung eines Dritten und die ordnungsgemäße Bildung nach nationalem Recht vollständig erfüllt sind, fehlt es bei der gesetzlichen Ausgestaltung an der Verfahrensöffentlichkeit. Allerdings wählen die Parteien oftmals den Weg der Schiedsgerichtsbarkeit, um ihre Streitfälle nicht öffentlich verhandeln zu müssen.126 Insoweit lässt sich also auch bezüglich des Öffentlichkeitsgrundsatzes von einem bewussten Parteiverzicht sprechen. Hinsichtlich der Kriterien, die die Gerichtseigenschaft einer Stelle beschreiben, erfüllen Sportschiedsgerichte das Kriterium des ständigen Charakters nicht, denn wenn Private die Entscheidung ihrer Streitigkeiten übertragen, kann die entscheidende Stelle logischerweise nicht bereits im Voraus gesetzlich festgelegt sein. Allerdings wird das Fehlen dieses Kriteriums durch das vollumfängliche Vorliegen der Stellung eines Dritten sowie der gesetzlichen Ausgestaltung des Verfahrens ausgeglichen. Hierdurch wird das Recht auf den gesetzlichen Richter ausreichend abgesichert. Hingegen entscheiden Sportschiedsgerichte nach Rechtsnormen und erlassen eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter. Zwar bedürfen ihre Entscheidungen noch einer Vollstreckbarerklärung. Doch ist der Rechtsstreit zwischen den Parteien durch den Schiedsspruch grundsätzlich bindend entschieden.127 Bei den Kriterien, die die Zuordnung zu einem Mitgliedstaat beschreiben, ist hinsichtlich der Erfüllung auf die oben gefundenen Ergebnisse zurückzugreifen. Im Sport besteht aufgrund der den Sportlern und Vereinen von den Verbänden oktroyierten Schiedsvereinbarungen eine tatsächliche Bindung an die Sportschiedsgerichtsbarkeit. Wird entgegen den obigen Ausführungen das Kriterium der hinreichend engen Beziehung nicht als erfüllt angesehen bzw. werden keine Ausnahmen zugelassen, so ist es jedenfalls durch das Kriterium der obligatorischen Gerichtsbarkeit ersetzt, da auch hierdurch das Gewaltmonopol des Staates ausreichend geschützt wird. 125

Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, § 1 Rn. 14. Schwab/Walter (Fn. 4), Kap. 16 Rn. 43. 127 Die Aufhebungsmöglichkeit nach § 1059 ZPO ändert an diesem Ergebnis nichts, da auch die Urteile eines staatlichen Gerichts erster oder zweiter Instanz von der nächsthöheren Instanz aufgehoben werden können. 126

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V. Vorlagepflicht Die Vorlage von Sportschiedsgerichten umfasst zwingend die Frage nach einer Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV. Hiernach ist ein einzelstaatliches Gericht vorlagepflichtig, wenn seine Entscheidung selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann. Die Vorlagepflicht trifft daher nur letztinstanzliche Gerichte.128 Der Gerichtshof beurteilt die Frage der Letztinstanzlichkeit der entscheidenden Stelle dabei anhand der konkreten Theorie, also danach, ob deren Entscheidung im konkret zu entscheidenden Fall noch mit einem Rechtsmittel angreifbar ist.129 Gegen Schiedssprüche ist in Deutschland der Aufhebungsantrag nach § 1059 Abs. 2, 3 ZPO zulässig. Demnach wären Sportschiedsgerichte nicht vorlagepflichtig, wenn es sich bei diesem um ein Rechtsmittel im Sinne des Unionsrechts handeln würde. Da keine unionsrechtliche Definition des Rechtsmittels existiert, ist auf den Sinn und Zweck des Art. 267 AEUV zu rekurrieren.130 Ausgehend von dem Ziel der Wahrung der Rechtseinheit sowie des Individualrechtsschutzes muss das zulässige Rechtsmittel zu einer Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts führen können.131 Andernfalls könnten weder die individuellen Rechte der Parteien noch die einheitliche Anwendung des Unionsrechts gesichert werden. Im Rahmen des Aufhebungsantrags wird der Schiedsspruch vom zuständigen staatlichen Gericht nur auf die in § 1059 Abs. 2 ZPO genannten Aufhebungsgründe hin kontrolliert. Dabei sind vor allem Verstöße gegen den verfahrens- oder materiellrechtlichen ordre public von Bedeutung. Gerade bei Verstößen gegen den materiell-rechtlichen ordre public ist der Prüfungsumfang des staatlichen Gerichts stark eingegrenzt. Die Prüfung bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der Aufdeckung solcher Verstöße und dem Verbot der Nachprüfung der sachlichen Richtigkeit des Schiedsspruchs.132 Durch den Umstand, dass nur die Ordre-public-Verstöße von den staatlichen Gerichten überprüft werden können, wird die Auslegung von Normen, die nicht Teil des ordre public sind, der Entscheidung durch den Gerichtshof entzogen. Dies betrifft vor allem Vorschriften des Sekundärrechts, das nur eine Ausformung des Primärrechts darstellt und somit grundsätzlich nicht zum ordre public gehört. Lediglich Fragen zur Auslegung des europäischen Kartellrechts sowie der Grundfreiheiten können dem EuGH auf diesem Weg durch die staatlichen Gerichte vorgelegt werden. Aufgrund dieser eingeschränkten Überprüfbarkeit kann der Aufhebungsantrag nicht als Rechtsmittel gegen das Schiedsurteil i. S. d. Art. 267 Abs. 3

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Dauses, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Artikel 177 EG-Vertrag, 1995, S. 70. Vgl. EuGH, Urt. v. 4. 6. 2002, Rs. C-99/00 (Lyckeskog), Slg. 2002, I-4839 (4885). 130 Ausführlich zum Telos des Art. 267 AEUV Axtmann (Fn. 15), 3. Teil § 1 I. 4. a). 131 Sommer, NVwZ 1996, 135 (136), Piekenbrock, EuR 2011, 317 (332). 132 Saenger, in: Saenger, Komm ZPO, 5. Aufl. 2013, § 1059 Rn. 30. 129

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AEUV angesehen werden.133 Sportschiedsgerichte sind daher, soweit ihre Entscheidungen nicht mehr vor einer zweiten Schiedsgerichtsinstanz angefochten werden können, vorlagepflichtig nach Art. 267 Abs. 3 AEUV.134 Gestützt wird das Ergebnis zusätzlich durch die Einbeziehung des effet utile: Wenn es keine Vorlagepflicht bei dem höchsten Sportschiedsgericht gibt, werden wesentliche Teile des Unionsrechts der Durchsetzung entzogen, was zu einer Rechtszersplitterung innerhalb der Union führte. Dass sich die Vorlagebefugnis der Sportschiedsgerichte dadurch in eine Vorlagepflicht umwandeln kann, soweit keine zweite Instanz vereinbart wurde, ist hinzunehmen. Es kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass der Kosten- und Zeitvorteil der Schiedsgerichtsbarkeit hierdurch zunichtegemacht wird.135 So dürfte ein stärkerer Individualrechtsschutz den Parteien eher entgegenkommen als ein verkürztes und billigeres Verfahren, in dem ihre Rechte nicht in dem gesetzlich vorgesehenen Maße verwirklicht werden. Zudem beansprucht die einheitliche Geltung des Unionsrechts Vorrang gegenüber den privaten Interessen der Parteien. Sportschiedsgerichte sind daher, wenn gegen ihre Entscheidungen nur noch der Aufhebungsantrag nach § 1059 Abs. 2, 3 ZPO statthaft ist, vorlagepflichtig nach Art. 267 Abs. 3 AEUV.

VI. Der CAS als „Gericht eines Mitgliedstaates“ Das wichtigste Sportschiedsgericht in Europa ist der Court of Arbitration for Sport (CAS) mit Sitz in Lausanne. Viele der großen Sportverbände haben den CAS entweder als erste Schieds- oder als Revisionsinstanz in ihren Satzungen festgelegt. Daher landet die Mehrzahl der im Sport aufkommenden Streitigkeiten früher oder später zur Entscheidung vor dem CAS. Obwohl der CAS seinen Sitz in der Schweiz hat, kann er durchaus in die Lage kommen, das Unionsrecht in seinen Entscheidungen anwenden und auslegen zu müssen.136 Schon aufgrund der praktischen Relevanz stellt sich die Frage, ob der CAS ebenfalls als „Gericht eines Mitgliedstaates“ anzusehen und damit nach Art. 267 AEUV vorlageberechtigt ist. Entscheidend für die Zuordnung zu einem Mitgliedstaat ist die Nationalität eines Schiedsgerichts, für die wiederum ausschlaggebend ist, auf welches Anknüpfungsmoment die Zuordnung zu einem Staat gestützt werden kann.

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So schon vermutet von GA Reischl, Schlussantrag v. 2. 2. 1982, Rs. 102/81 (Nordsee), Slg. 1982, 1095 (1121 f.). 134 Ebenso Mok/Johannes, AWD 1965, 181 (183); dies., AWD 1966, 125 (130); a. A. Zobel (Fn. 22), S. 192 f. 135 So aber Zobel (Fn. 22), S. 193. 136 Vgl. bspw. CAS 98/200 AEK Athens and Slavia Prague/UEFA vom 20. 08. 1999.

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1. Anknüpfungsmoment Bei Schiedsgerichten kommen im Gegensatz zu staatlichen Gerichten137 mehrere Anknüpfungsmomente in Betracht. Eine Anknüpfung an das anwendbare materielle Recht muss ebenso ausscheiden wie eine Anknüpfung an den materiell-rechtlichen ordre public. Beide Anknüpfungspunkte erlauben keine zuverlässige Feststellung der Nationalität des Schiedsgerichts.138 Es liegt nahe, auch bei den Schiedsgerichten auf die Territorialität im Sinne ihres Sitzes abzustellen. Dies ist möglich, da der Sitz zwingende Rechtsfolgen nach sich zieht, die eine Zuordnung zum Mitgliedstaat grundsätzlich zulassen.139 Die zentrale Bedeutung des Schiedsorts liegt dabei in der Festlegung des Anwendungsbereichs des deutschen bzw. ausländischen Rechts, was vor allem kollisionsrechtlich bedeutsam ist.140 Die Wahl des Schiedsortes bestimmt also über das zu beachtende zwingende materielle und Prozessrecht und demnach auch unmittelbar über die Nationalität des Schiedsspruchs. Dieses Ergebnis gilt allerdings nicht einheitlich für alle Mitgliedstaaten. Die Parteien eines belgischen Schiedsverfahrens können das anwendbare Verfahrensrecht nach belgischem Recht vollkommen frei wählen und selbst die zwingenden Vorschriften quasi abbedingen, Art. 1693 Abs. 1 Gerechtelijk Wetboek.141 In diesem Fall kommt dem Sitz des Schiedsgerichts gerade nicht die rechtliche Wirkung als Anknüpfungspunkt für das nationale Prozessrecht zu, weshalb hier der Sitz als Anknüpfungsmoment ausscheiden muss. Da dieses Moment aber einheitlich für alle Mitgliedstaaten bestimmt werden muss, kann im Rahmen des Art. 267 AEUV nicht auf den Sitz des Schiedsgerichts abgestellt werden. Hingegen lässt sich die Nationalität des Schiedsgerichts einheitlich anhand des anwendbaren zwingenden Verfahrensrechts feststellen. Nach der vorzugswürdigen „gemischten“ Theorie ist die Schiedsgerichtsbarkeit eine auf dem Willen der Parteien basierende Rechtsprechung.142 Im Gegensatz zu den staatlichen Gerichten werden Schiedsgerichte demnach nicht vom Staat, sondern von den Parteien zur Entscheidung des Rechtsstreits legitimiert.143 Die Legitimation durch die Parteien beruht wiederum auf der Anerkennung der privaten Rechtsprechung durch staatliche Gesetze.144 Daraus folgt, dass die Berechtigung der Schiedsgerichte letztlich dem anwendbaren Verfahrensrecht entspringt, auch wenn ihre Konstituierung einer auf Rechts137

Bei diesen bestimmt sich die Nationalität nach der territorialen Zugehörigkeit. Vgl. dazu EuGH, Urt. v. 3. 7. 1991, Rs. C-355/89 (Barr und Montrose), Slg. 1991, I- 3479 (3500 f.). 138 Ausführlich Axtmann (Fn. 15), 3. Teil § 3 II. 2. und 3. 139 Siehe dazu Schwab/Walter (Fn. 4), Kap. 15 Rn. 38; Voit, in: Musielak (Fn. 6), § 1043 Rn. 1; Münch, in: MüKo ZPO (Fn. 12), § 1043 Rn. 13. 140 Prütting, in: Prütting/Gehrlein (Fn. 12), § 1043 Rn. 1; Münch, in: MüKo ZPO (Fn. 12), § 1043 Rn. 13. 141 Zobel (Fn. 22), S. 204. 142 Solomon, Verbindlichkeit von Schiedssprüchen. 143 A. A. Voit, JZ 1997, 120 (124 f.). 144 Schlosser, in: Stein/Jonas (Fn. 6), vor § 1025 Rn. 1.

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geschäft beruhenden Anordnung der Entscheidungsgewalt Privater bedarf.145 Aus diesem Grund ist die lex arbitri grundsätzlich taugliches Anknüpfungsmoment für die Zuordnung eines Schiedsgerichts zu einem Staat.146 Zwar steht es den Parteien frei, das Verfahren und damit auch – zumindest mancherorts – den verfahrensrechtlichen ordre public selbst festzulegen. Allerdings kann auch in diesem Fall auf das von den Parteien für anwendbar erklärte Recht abgestellt werden. Demnach bildet der anwendbare verfahrensrechtliche ordre public einen tauglichen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Nationalität des Schiedsgerichts. Nicht lösbar sind hierbei aber die Fälle, in denen die Parteien dem Schiedsgericht die Festlegung des Verfahrens – auch nach privat gesetzten Regeln – überlassen. Um auch diesen Fall fassen zu können, ist an eine gestufte Prüfung zu denken. Zunächst ist auf den verfahrensrechtlichen ordre public abzustellen. Bringt dieser keine Lösung, ist auf der zweiten Stufe der Sitz des Schiedsgerichts heranzuziehen. Hierdurch lassen sich fast alle Fälle einheitlich fassen und beantworten, sodass es den Parteien kaum möglich ist, sich der Vorlage nach Art. 267 AEUV durch Privatvereinbarung zu entziehen. 2. Anwendung auf den CAS Ginge es lediglich nach dem Sitz des Schiedsgerichts, wäre eine Vorlage durch den CAS offensichtlich ausgeschlossen, da dieser in der Schweiz ansässig ist. Wird hingegen auf den verfahrensrechtlichen ordre public abgestellt, kommt es darauf an, welcher den Verfahren vor dem CAS zugrunde liegt. In der Schweiz erlassene Schiedssprüche können durch Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden, Art. 191 IPRG, Art. 389 Abs. 1 SZPO. Nationale wie internationale Schiedssprüche sind anfechtbar wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebots und des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, Art. 190 Abs. 2 lit. d) IPRG, Art. 393 lit. d) SZPO. Internationale Schiedssprüche können zudem wegen Verstoßes gegen den ordre public aufgehoben werden, Art. 190 Abs. 2 lit. e) IPRG. Bei nationalen Schiedssprüchen ist der Aufhebungsgrund hingegen noch weiter gefasst. Bei ihnen kommt eine Aufhebung schon wegen offensichtlicher Verletzung des Rechts oder der Billigkeit in Betracht, Art. 393 lit. e) SZPO. Die Schiedsrichter des CAS müssen also immer den schweizerischen verfahrensrechtlichen ordre public beachten. Daher ist der CAS in jedem vor ihm verhandelten Fall ein schweizerisches Gericht und damit kein Gericht eines Mitgliedstaats. Er ist somit nie nach Art. 267 AEUV vorlageberechtigt.

VII. Zusammenfassung Die Untersuchung hat ergeben, dass mitgliedstaatliche Sportschiedsgerichte vorlageberechtigt sind. Ist gegen ihre Entscheidung nur noch der Aufhebungsantrag 145 146

Münch, in: MüKo ZPO (Fn. 12), Vor § 1025 Rn. 5. So auch Zobel (Fn. 22), S. 203 f.

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nach § 1059 ZPO statthaft, trifft sie sogar eine Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV. Die Zugehörigkeit zu einem Mitgliedstaat bestimmt sich auf der ersten Stufe nach dem anwendbaren verfahrensrechtlichen ordre public und auf der zweiten Stufe nach dem Sitz des Schiedsgerichts, weshalb der CAS nie zur Vorlage berechtigt ist. Die Vorlageberechtigung ergibt sich sowohl bei einer reinen Anwendung der zu Art. 267 AEUV ergangenen Rechtsprechung des EuGH als auch durch deren Systematisierung. Die Sportschiedsgerichtsbarkeit ist für die am Sport beteiligten Vereine und Sportler obligatorisch, da der Abschluss einer Schiedsvereinbarung Voraussetzung für die Teilnahme am sportlichen Wettkampf ist. Für die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarungen kommt es auf die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens an. Sofern ein fehlender Einfluss des Staates auf die Sportschiedsgerichtsbarkeit angenommen wird, ist dieser unschädlich. Zudem hat sich gezeigt, dass die Rechtsprechung des EuGH zur Vorlage ein bewegliches System darstellt, in dem die Kriterien einander ersetzen können, sodass bei einer vorlegenden Stelle nicht stets alle Kriterien in derselben Intensität vorliegen müssen. Aus dem Zusammenspiel der einzelnen Kriterien ergibt sich zusätzlich die Vorlagemöglichkeit für Sportschiedsgerichte.

Das Diskriminierungsverbot des organisierten bundesweiten Fußballs am Beispiel eines Sonderfalls Matthias Voigt I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Ausgangsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verletzung der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Äußerung oder Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wirkung der Äußerung oder Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Herabwürdigend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Diskriminierend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verunglimpfend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bezugspunktekatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hautfarbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verschuldenserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis des Ausgangsfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung „Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern. Er hat die Kraft, zu inspirieren. Er hat die Kraft, Menschen zu vereinen, wie es sonst nur Weniges kann. Sport kann Hoffnung erwecken, wo vorher nur Verzweiflung war.“1

1 Nelson Mandela, Rede im Rahmen der Laureus World Sports Awards, Monaco 2000, abrufbar unter http://www.laureus.de/ueber-uns/die-stiftung/ueber-laureus.html (zuletzt abgerufen am 31. 08. 2015).

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Mit dieser Aussage trifft Nelson Mandela den Kern des Sports. Als beliebte Beschäftigung vieler Menschen und gesellschaftliches Massenphänomen bedarf der Sport zur Entfaltung seiner integrativen Kraft einer gewissen Lenkung. Denn nicht alle am Sport Beteiligten fördern die integrative Kraft des Sports. Dies mögen regelgebundene Akteure sein oder Zuschauer, die auch ohne eigene Regelbindung Zugriff auf die Integrität des sportlichen Wettkampfs erlangen, indem sie seinen Veranstaltungen beiwohnen. Die ständig wachsende mediale Verbreitung des Sports potenziert einerseits seine integrative Kraft, bietet aber andererseits auch seiner Integrität schadendem Verhalten eine Bühne. Für den bundesweiten Fußball lenkt § 9 RuVO (Rechts- und Verfahrensordnung des DFB) diese Einflüsse in geordnete Bahnen, indem die Vorschrift divergente Verhaltensweisen mit Strafe bedroht. Denn Sport folgt notwendig einheitlichen Regeln.2 § 9 RuVO vereinheitlicht das Regelwerk in Bezug auf diskriminierende Verhaltensweisen. Mit Strafe ist in diesem Zusammenhang jede Sanktion gemeint, die der Strafgewalt des Verbands, also des DFB, unterliegt. Diese basiert auf der Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 GG. Sie garantiert neben dem Recht sozialer Gruppenbildung auch das Recht der Gruppen auf Selbstverwaltung.3 Diese nimmt der DFB im Rahmen des Zivilrechts wahr, das den Rahmen auch der Sanktionsnormen des Verbands vorgibt. Soweit in diesem Kontext von Strafnormen die Rede ist, so handelt es sich lediglich um Sanktionen in Bezug auf den eigens durch den Verband organisierten Sport. Über seine Organisation hinaus steht dem Sportverband keine Strafgewalt zu. Dennoch reichen die Eingriffe in Grundrechte der Regelgebundenen mitunter weit. Im Profisport bedeutet die Sperre eines Spielers beispielsweise einen Eingriff in dessen Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Aufgrund der Monopolgewalt des Verbands4 hat der Spieler aufgrund des Ein-Platz-Prinzips keine andere Wahl, als sich den Regeln des einzigen Verbands zu unterwerfen.5 Verbandsstrafen sind unter gewissen Voraussetzungen justiziabel und haben wegen der im Zivilrecht mittelbare Drittwirkung entfaltenden Grundrechte6 stets die Anforderungen staatlichen Rechts zu erfüllen. Ein zur Überprüfung einer Verbandssanktion angerufenes Gericht hätte vorbehaltlich der Zulässigkeit einer solchen Klage seinerseits die Grundrechte zu achten.

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Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, Kiel 2004, S. 14 ff. BVerfG, BVerfGE 50, 290. 4 EuGH, Slg. 2008, I-4863; EuGH, Slg. 1979, 461; OLG Frankfurt, GRUR 1983, 517; Schütt, Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Verlangen einer CASSchiedsvereinbarung, jurisPR-IWR 2015. 5 BGH, BGHZ 140, 74 = SpuRt 1999, 159. 6 Vgl. etwa Nolte (Fn. 2), S. 251 f.; Münch, Art. 9, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblatt, Heidelberg 2014, Rn. 19. 3

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II. Der Ausgangsfall Am Freitag, den 26. 09. 2014, dem 10. Spieltag der Regionalliga Nord, spielte die U23 des SV Werder Bremen auswärts gegen den VfB Lübeck. Das Spiel endete unentschieden mit 2:2. Auf Fernsehaufnahmen ist nach dem Spiel zu sehen, wie Maik Lukowicz, ein junger Bremer Spieler polnischer Abstammung, im Anschluss an den Treffer seiner Mannschaft zum zwischenzeitlichen Führungstreffer durch Levent Aycicek in der 35. Minute vor dem Fanblock des VfB Lübeck eine Geste zeigte, die ihm anschließend in den Medien als „Hitlergruß“ angelastet wurde. Auf den Videoaufnahmen ist zu erkennen, wie der Stürmer den rechten Arm nach vorn gerichtet über die Höhe seines Kopfes mit der Handfläche nach unten ausstreckte. Er verharrte in dieser Position mit erhobenem Kopf. Dabei ruhte sein linker Arm auf der Schulter seines neben ihm stehenden Mitspielers. Kurz darauf zog sein Mannschaftskamerad Florian Bruns ihn mit einem Griff an dessen rechte Schulter nach hinten. Dabei drückte der Mitspieler Lukowicz‘ Arm nach unten und drehte ihn von dem Fanblock weg. Anschließend wies Bruns ihn vehement zurecht. Im Nachgang des Spiels auf dieses Verhalten angesprochen, distanzierte sich der Spieler Lukowicz von rechtem Gedankengut. Der Fall schlug medial hohe Wellen. Die Aufmerksamkeit der Medien führte ex officio zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft Lübeck gegen Lukowicz wegen des Anfangsverdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a StGB und der Volksverhetzung nach § 130 StGB. Die Lübecker Staatsanwaltschaft übertrug das Verfahren nach der auf Lukowicz altersbedingt anwendbaren Wohnortzuständigkeit an die Staatsanwaltschaft in Bremen. Diese stellte das Ermittlungsverfahren im Januar 2015 ein. Wenn auch die autonom urteilenden sportverbandlichen Spruchkörper sich nicht an strafrechtlichen Ermittlungsverfahren oder Urteilen staatlicher Institutionen orientieren müssen, vermögen sie dennoch eine Indizwirkung auch für verbandliche Verfahren zu entfalten. Denn das Urteil eines staatlichen Gerichts unter Anwendung strengerer Beweisregeln wird ein Verbandsgericht nicht unbeachtet lassen. In dem gegenständlichen Fall sah der zuständige Norddeutsche Fußballverband (NFV) von einer Anklage durch seinen Spielausschuss ab. Ein Verbandsgericht wurde daher nie mit dem Fall betraut. Zur Begründung führte der NFV aus, es bestehe weder Anlass noch eine Handhabe für eine solche Anklage.7 Zumindest die Einschätzung eines fehlenden Anlasses erstaunt. Doch auch eine Handhabe hätte dem Grunde nach bestanden, da § 7 Nr. 1 Buchstabe (j) der Rechts-und Verfahrensordnung des NFV dem § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO stark angenähert ist.8 7

Mitteilung des norddeutschen Fußballverbandes vom 01. 10. 2014, abrufbar unter http:// www.nordfv.de/start/news/archiv/2014/oktober/artikel/regionalliga-nord-der-herren-20142015keine-ermittlungen-gegen-maik-lukowicz-sv-werder-bremen-ii (zuletzt abgerufen am 31. 08. 2015). 8 Zu wissenschaftlichen Zwecken überträgt diese Untersuchung den Fall auf die Ebene des DFB.

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Durch die unterlassene Anklage unterblieb eine Untersuchung, ob das fragliche Verhalten gegen das verbandliche Diskriminierungsverbot verstieß. Das Absehen von der Eröffnung eines Verfahrens enthält gerade keine Feststellung, ob der Spieler sich eines Verhaltens nach § 9 RuVO schuldig gemacht hat oder nicht. Die Entscheidung bedeutet vielmehr, dass der NFV sich schon nicht mit den Umständen des Einzelfalls auseinanderzusetzen vermochte.

III. Das Diskriminierungsverbot Das Verbot diskriminierender Verhaltensweisen normiert § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO. Danach wird „für mindestens fünf Wochen“ gesperrt, wer „die Menschenwürde einer Person oder einer Gruppe von Personen durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äußerungen oder Handlungen in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Herkunft verletzt“. Überträgt man den Fall also auf die Ebene des DFB-Sportsgerichts, dürfte die Erfüllung des Tatbestands des § 9 Nr. 2. Abs. 2 S. 1 RuVO nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen, weil die Beantwortung dieser Frage maßgeblich von der Bewegung und Haltung des Spielers im konkreten Fall abhängt. Diese ist durch Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Wird eine bestimmte Körperhaltung als Hitlergruß begriffen, solidarisiert sich der Spieler durch sie mit dem Gedankengut des nationalsozialistischen Regimes zum Nachteil seiner Opfer und der durch das Dritte Reich verfolgten ethnischen Gruppen. Daher wäre eine nähere Untersuchung des Vorfalls allein schon aus generalpräventiven Erwägungen angezeigt gewesen. Immerhin handelt es sich bei den gefährdeten Rechtsgütern um die Menschenwürde, das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie die persönliche Ehre und damit um die Grundmauern der Demokratie, Freiheit, Gleichheit und Menschlichkeit. Zum Schutze dieser und weiterer Rechtsgüter wie der Integrität des Fußballs selbst bedroht die hier untersuchte Vorschrift des § 9 RuVO derartiges Verhalten mit Sanktionen, denn das Ansehen des Sports leidet unter diskriminierenden Verhaltensweisen ebenso wie die persönlichen Rechte der Sportler. 1. Tatbestand Der Wortlaut des § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO setzt tatbestandlich „die Verletzung der Menschenwürde einer Person oder einer Gruppe von Personen durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äußerungen oder Handlungen in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Herkunft“ voraus. Zusätzlich folgt aus § 9 Nr. 4. S. 1 RuVO das Erfordernis des Verschuldens in Gestalt eines Strafaufhebungs- oder Strafmilderungsgrunds.

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a) Anwendungsbereich Das Diskriminierungsverbot richtet sich wie auch alle anderen Vorschriften der RuVO an diejenigen Akteure des organisierten Fußballs, die seiner Verbandsgewalt unterworfen sind und in gewissen Grenzen an Personen, die nicht der Verbandsgewalt unterstehen. Die Verbandsgewalt erstreckt sich nur auf den funktionalen Zusammenhang mit dem Sport selbst.9 Der DFB ist insbesondere nicht befugt, in den Rechtskreis des Privatlebens seiner Mitglieder und derjenigen einzugreifen, die an seine Bestimmungen gebunden sind, soweit dieser Lebensbereich nicht in funktionalem Zusammenhang mit dem Fußball steht. Insbesondere die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG hat der Rechtsordnungsgeber zu achten, soweit der Äußernde die Meinung nicht funktional mit dem Fußballsport verknüpft oder sich ein solcher Zusammenhang mit dem Sport aus sonstigen Begleitumständen ergibt. b) Verletzung der Menschenwürde Das Diskriminierungsverbot des § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO macht sein Schutzgut ostentativ zur tatbestandlichen Voraussetzung. Das Rechtsgut der Menschenwürde ist bis heute in seiner Bedeutung abstrakt und daher keiner unumstrittenen Bedeutung zugeführt worden. Schon seine Positionierung in Art. 1 Abs. 1 GG an der Spitze des Grundgesetzes ist Gegenstand verschiedener Kontroversen. Eine Literaturmeinung etwa spricht der Menschenwürde den Charakter eines Grundrechts per se ab.10 Dies ließe sie aber zu einem bloßen Politikum verkommen. Die Menschenwürde vermittelt gerade den subjektivrechtlichen Anspruch auf Achtung der eigenen Menscheigenschaft, des eigenen personalen Werts. Der Mensch ist kein Objekt11 und nicht als solches zu behandeln.12 Der Anspruch richtet sich dabei nicht allein gegen den Staat, sondern gegen jedermann. Den Staat trifft darüber hinaus gemäß Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG die „Verpflichtung“, sie aktiv zu schützen. Auf sie berufen kann sich indes unterscheidungslos jedermann.13 Dieses jedermann zustehende Recht resultiert spiegelbildlich auch in einer jeden treffenden Pflicht, die 9

Nolte, Sport und Recht, Schorndorf 2004, S. 212. Isensee, § 87, Die Würde des Menschen, in: Merten/Papier (Hrsg.), Deutschland – Einzelgrundrechte I, Bd. 4, Heidelberg 2011, Rn. 219 spricht der Menschenwürde die Grundrechtseigenschaft ab, bezeichnet sie stattdessen als Grund der Grundrechte und meint damit, sie sei nicht individualschützend. 11 Sog. Objektformel, Wintrich, Zur Problematik der Grundrechte, in: Brandt (Hrsg.), Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 1957, S. 7; Dürig, Der Grundrechtssatz von der Menschenwürde, in: Schmitt Glaeser/Häberle (Hrsg.), Günter Dürig, Gesammelte Schriften 1952 – 1983, Berlin 1984, S. 127 (137). 12 BVerfG v. 15. 12. 1970 – 2 BvF 1/69, 2 BvR 629/68, 2 BvR 308/69, juris-Rn. 72 = BVerfGE 30, 1. 13 Kirchhof, Der Allgemeine Gleichheitssatz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Heidelberg 2003 – 2014, Rn. 51 ff. 10

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Würde aller anderen Menschen zu achten, ohne dass daran eine bestimmte Rechtsfolge geknüpft wäre. Das einfache Recht setzt diese Pflicht praktisch wirksam um, indem es an die Verletzung der Menschenwürde konkrete Rechtsfolgen knüpft. Die Menschenwürde ist bekanntlich Bestandteil beispielsweise des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Soweit dieses durch beleidigende Verhaltensweisen beeinträchtigt wird, ergibt sich eine konkrete Rechtsfolge beispielsweise aus § 185 StGB. Die Verortung in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG hat durch eine traditionsreiche Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zu der häufigen Erwähnung der Menschenwürde gerade im Zusammenhang mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG geführt. Seltener wird sie auch im Zusammenhang mit Gleichheitsrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG erwähnt, dabei ist sie ohne die Gleichheit nicht denkbar.14 Die Menschenwürde vermittelt nämlich nur dann wirksamen Schutz vor einer Wiederholung der Geschichte zwischen 1933 und 1945, also vor Verfolgung bestimmter ethnischer Gruppen15, wenn sie jedem Menschen gleichermaßen einen Achtungsanspruch verleiht. Dies korreliert mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG. Sie bewirkt, dass nicht nur jedem Menschen ein Anspruch auf Achtung seiner Menschqualität zusteht, sondern dass dieser auch gegenüber jedem anderen Menschen besteht. Daraus ergibt sich ein Gefüge, in dem alle Menschen gleich sind. Gleichheit und Menschenwürde setzen sich insoweit gegenseitig voraus. Die Menschenwürde muss insbesondere im Lichte der grundgesetzlichen Bedeutung auch für den organisierten Fußball definiert werden, weil die Grundrechte mittelbar in diesen abstrahlen. Wie das staatliche Recht knüpft der DFB an die Verletzung der Menschenwürde bestimmte Rechtsfolgen, die nur innerhalb seiner Organisation wirken. Dadurch entfaltet die Menschenwürde praktisch Wirksamkeit. Zeigt ein Spieler den Hitlergruß während eines Spiels des organisierten Fußballs, solidarisiert er sich mit der Ideologie des Dritten Reiches. Mit dieser Solidarisierung wird Angehörigen bestimmter ethnischer Gruppen die Menschqualität abgesprochen, denn der maßgebliche objektive Betrachter assoziiert damit die Politik der Verfolgung und der Rassenideologie des nationalsozialistischen Regimes. Im Ausgangsfall kommt es daher insbesondere nicht darauf an, ob die betroffenen Menschen die gegenständliche Handlung wahrnehmen oder ob sie selbst im Stadion anwesend sind. Ihnen steht ein Anspruch auf Achtung auch gegenüber jedem anderen 14 Zutreffend Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, München 2006, Bd. IV/1, S. 81. 15 Dieses Ziel verfolgte der Parlamentarische Rat, indem er die Menschenwürde an der Spitze des Grundgesetzes positionierte, Abg. Dr. v. Mangoldt, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des GG, Anlage zum Stenographischen Bericht der 9. Sitzung des Parlamentarischen Rates am 06. 05. 1949, S. 6; Bergsträsser, 4. Sitzung des Grundsatzausschusses, 23. 09. 1948, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5/I, S. 63, 73.

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im Stadion Anwesenden zu. Die Menschenwürde ist absolut und unterscheidet nicht, vor wem sie verletzt wird. Wenn also ein Spieler den Hitlergruß im Stadion zeigt, verletzt er damit die Würde auch der nicht im Stadion anwesenden Angehörigen der unter der Nazidiktatur verfolgten Gruppen. Die Menschenwürde ist gerade nicht der Abwägung zugänglich. Daher ist es auch ohne Belang, ob die betroffenen Personen anwesend sind. Sie werden auch in Abwesenheit als Objekte von Verfolgung dargestellt. Zudem schützt der Tatbestand auch ausdrücklich eine Gruppe von Personen vor Diskriminierung. Diese Gruppe kann abstrakt sein, unter anderem weil der DFB in § 9 Nr. 1. RuVO sogar rein politisches Verhalten sanktioniert. Im Rahmen des § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO kann es daher ebenfalls nicht darauf ankommen, ob ein konkreter Adressat im Stadion angesprochen wird. Auch der Schutzzweck der Norm, Diskriminierung möglichst umfassend zu verhindern, spricht für einen weiten Anwendungsbereich, denn im Lichte von § 2 Abs. 2 der Satzung des DFB ist er als möglichst weiter Schutz vor menschenverachtenden, rassistischen oder sonst diskriminierenden Verhaltensweisen zu verstehen. Nach dieser Vorschrift tritt der DFB ausdrücklich rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen und anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entschieden entgegen. Die Effektivität des Verbots würde durch hohe Beweishürden unangemessen beschränkt, wenn die Verletzung der Menschenwürde so auszulegen wäre, dass stets eine konkrete Person oder Personengruppe adressiert werden müsste. Im Ausgangsfall ließe sich beispielsweise nicht aufklären, an wen oder welche Gruppe konkret der Spieler Lukowicz sich mit seiner Geste wandte. Er stand vor der Tribüne, auf der sich hauptsächlich Zuschauer der gegnerischen Mannschaft aufhielten. In derartigen Fällen wäre nie beweisbar, ob Angehörige im Dritten Reich verfolgter Gruppen tatsächlich anwesend waren. Trotzdem entstehen bei jedem Menschen, der die Geste wahrnimmt, Assoziationen der Ausgrenzung bestimmter Menschen. Hiervor schützt die Vorschrift. Anderenfalls hätte der DFB gerade kein Mittel, um derartigem Verhalten „entschieden entgegen“ zu treten, wie er es in § 2 Abs. 2 der Satzung verdeutlicht. c) Äußerung oder Handlung Der Hitlergruß erfüllt auch den Äußerungsbegriff. Selbst bei anderer Ansicht wäre zumindest aber der Handlungsbegriff erfüllt. Dadurch dass sowohl Äußerungen als auch Handlungen tatbestandsmäßig sind, ist jedes positive und bewusste Verhalten tatbestandsmäßig. Reflexhandlungen fallen damit nicht unter den Tatbestand. Der Ordnungsgeber verdeutlicht mit dem dennoch weiten Verhaltensbegriff den hohen Stellenwert der Diskriminierungsbekämpfung.16 16 Hieran lässt auch die FIFA keinen Zweifel, vgl. FIFA-Zirkular Nr. 1369 vom 08. 06. 2013, und forderte schon früh die zwingende Umsetzung des Diskriminierungsverbots in allen Nationalverbänden, vgl. FIFA-Zirkular Nr. 1026 vom 28. 03. 2006.

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Eine Äußerung ist jedes nach außen erkennbare Verhalten. Dies ergibt sich zunächst aus allgemeinem Sprachverständnis, wonach der Äußernde seine innerliche Empfindung äußerlich zutage treten lässt. Er macht sie wahrnehmbar. Eine Äußerung ist daher zunächst eine Kundgabe.17 Dies kann in der Form des gesprochenen Worts oder durch sonstiges, insbesondere auch schlüssiges Verhalten erfolgen. Da der Begriff nicht auf gesprochene Ausdrucksweisen beschränkt ist, erfüllt auch der Hitlergruß aus dem Ausgangsfall den Äußerungsbegriff. Der Spieler macht seine innerliche Geisteshaltung äußerlich erkennbar. Das Verhalten ist stets auslegungsbedürftig. Im Einzelfall ist die Auslegung des Verhaltens unter Berücksichtigung aller Umstände aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsempfängers entscheidend. Der Rechtsanwender hat zu fragen, ob das Verhalten als solches bereits diskriminierenden Charakter hat. Dabei kann er auf verschiedene Beweismittel zurückgreifen. Praktisch relevante Beweismittel sind insbesondere Fernsehaufnahmen, auch aus verschiedenen Blickwinkeln. Das Verhalten des Spielers Lukowicz stellt sich nach diesen Auslegungskriterien in der Gesamtschau der Begleitumstände als Hitlergruß dar. Zwar könnte es sich um einen bloßen Torjubel handeln. Dafür spricht zunächst, dass der Spieler den Arm etwas höher hob, als es beim Hitlergruß historisch betrachtet üblich war. Auch ruhte sein linker Arm auf der Schulter seines Mitspielers. Für die Annahme eines Hitlergrußes spricht allerdings die aufrechte Körperhaltung des Spielers und das stehende Verharren in dieser Position für einige Sekunden, während der rechte Arm mit nach unten ausgestreckter Handfläche ausgestreckt war. Beim bloßen Torjubel ist die Hand typischer Weise zur Faust geballt oder der Zeigefinger abgespreizt. Auch sein Mitspieler machte durch Wegziehen von Lukowicz deutlich, dass sich dessen Verhalten auch aus seiner Sicht nicht als bloßer Torjubel darstellte, was als Begleitumstand durchaus zum Gegenstand der Auslegung gehört, jedoch nur als Indiz dafür dienen kann, wie die Geste aus der Perspektive des Mitspielers gewirkt haben muss. d) Wirkung der Äußerung oder Handlung Die tatbestandsmäßige Äußerung oder Handlung muss „herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende“ Wirkung entfalten. aa) Herabwürdigend Herabwürdigend wirkt ein Verhalten, wenn es die Menschenwürde verletzt. Das Tatbestandsmerkmal nimmt wiederholend den Schutzzweck der Norm in Bezug, macht aber deutlich, dass es sich bei der Verletzung der Menschenwürde nicht um einen tatbestandlich vorausgesetzten Erfolg handelt, sondern um eine Wirkungsweise, die unmittelbar aus dem tatbestandlich vorausgesetzten Verhalten folgt. 17 Zaczyk, §§ 186, 187 StGB, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 4. Aufl., Baden-Baden 2013, Rn. 3.

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Herabwürdigende Wirkung entfaltet der Hitlergruß des Ausgangsfalls, weil er Angehörige der unter dem Dritten Reich verfolgten Gruppen aus dem Kreise der Menschen ausschließt. Diese Wirkung tritt bereits ein, wenn das Verhalten geäußert wurde und damit potentiell einer abstrakten Öffentlichkeit erkennbar gemacht wird, denn zwischen der Äußerung und der Wahrnehmung bedarf es keines weiteren Zwischenaktes mehr. Daher handelt es sich nicht um einen Erfolg. Die Wirkung tritt mit Wahrnehmbarkeit der Äußerung ein und fällt zeitlich mit der Äußerung zusammen. Allein auf ihre Auslegung im Einzelfall kommt es an. bb) Diskriminierend Eine Diskriminierung ist gemeinhin die unterschiedliche Behandlung zweier gleicher Tatbestände, die den Betroffenen benachteiligt.18 Diskriminierend wirkt Verhalten i. S. d. § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO, das andere Menschen ausgrenzt. Neben Unterschieden zwischen Menschen kommen nach dem Sprachgebrauch auch gesellschaftliche oder selbstbestimmte Unterschiede als Anknüpfungsmerkmale der Ausgrenzung in Betracht. Die Selbstbestimmtheit folgt hierbei unmittelbar bereits aus der Menschenwürde.19 Das Tatbestandsmerkmal des diskriminierenden Verhaltens ist im Lichte der Menschenwürde auszulegen, weil es sich dabei um das Schutzgut des § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO handelt. Betrachtet man das Tatbestandsmerkmal im Lichte des Schutzguts der Menschenwürde, muss es sich konkret um einen Ausschluss aus der Gruppe aller Menschen handeln. Eine Diskriminierung im Sinne des § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO ist daher das Herausstellen gerade der Unterschiede zwischen Menschen20 und die Bewertung dieser Unterschiede als minderwertig durch den Äußernden. Der Hitlergruß des Spielers Lukowicz konnte von einem objektiven Dritten nur als Ausgrenzung und damit als Diskriminierung der Angehörigen der ethnisch Verfolgten des Nazireichs verstanden werden. cc) Verunglimpfend Verunglimpfendes Verhalten macht den Betroffenen nach allgemeinem Sprachgebrauch verächtlich, zum Gespött, und stellt ihn dadurch verhöhnend bloß. Der Begriff findet keine Entsprechung in sonstigen Bestimmungen des organisierten Fuß-

18 Bogdandy, Art. 18 AEUV, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV, 56. Aufl., München 2015, Rn. 6. 19 BVerfG v. 19. 03. 2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11, BVerfGE 133, 168. 20 Vieweg/Lettmaier, Anti-discrimination law and policy, in: Nafziger/Ross (Hrsg.), Handbook on International Sports Law, Cheltenham 2013, S. 258.

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balls außer in der dem § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO entsprechenden Vorschrift der FIFA, Art. 58 FDC. In der staatlichen Rechtsordnung ist er jedoch aus §§ 90 – 90b, 189 StGB bekannt. Ein Verunglimpfen schließt dort geringfügige Beschimpfungen aus. Verunglimpfend sind nur erhebliche Beleidigungen, die nach Form, Inhalt, den Begleitumständen oder dem Beweggrund erheblichere Ehrenkränkungen bewirken. Geringere, unwesentliche Entgleisungen bleiben dabei außer Betracht.21 Dies ist systematisch auf § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO übertragbar und allein schon aufgrund der erforderlichen Verletzung der Menschenwürde der Fall. Der Hitlergruß des Spielers Lukowicz dürfte kein Verächtlichmachen darstellen, weil es sich um eine politische Geste und Sympathiebekundung mit rechtem Gedankengut handelt. Der Schwerpunkt dieses Verhaltens ist in der Ausgrenzung der im Dritten Reich Verfolgten und verfolgten Gruppen zu sehen. Um verunglimpfend zu sein, muss dem Verhalten eine verhöhnende Wirkung zukommen, die generell den Umständen des Einzelfalls zu entnehmen ist, im konkreten Fall des Spielers Lukowicz aber gefehlt haben dürfte. Zwar waren dem Regime der Nationalsozialisten auch Verächtlichmachungen immanent. Jedoch sprechen konkret im Falle von Lukowicz keine Anhaltspunkte dafür, dass er sich gerade spöttisches Verhalten zu eigen machte. Dafür hätte es weiterer Anhaltspunkte bedurft, die dem bloßen Zeigen des Hitlergrußes nicht zu entnehmen sind. Der Tatbestand ist ausweislich des Wortlauts bereits durch nur eine erfüllte Wirkungsweise erfüllt. Im Ausgangsfall sind die Tatbestandsvarianten des herabwürdigenden und diskriminierenden Verhaltens erfüllt. e) Bezugspunktekatalog § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO nennt mit „Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Herkunft“ einen abschließenden Katalog von Bezugspunkten, die im Zusammenhang mit dem divergenten Verhalten stehen müssen. aa) Rasse Der Rassebegriff findet sich in der modernen deutschen Rechtsordnung nur noch im Zusammenhang mit Diskriminierungsverboten, so etwa in Art. 3 Abs. 3 GG. Über den Begriff der Rasse besteht im heutigen deutschen Rechtssystem keine Einigkeit. Statt des Versuchs, dem Begriff genetische Konturierung anhand vererblicher Eigen-

21 BGH, Urt. v. 28. 01. 1959 – 3 StR 41/58, juris-Rn. 6 =BGHSt 12, 364,; vgl. auch BGH, BGHSt 16, 338; Sternberg-Lieben, § 90, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 29. Aufl., München 2014, Rn. 2.

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schaften22 wie der Gesichtsform, Hautfarbe oder sonstiger morphologischer Züge23 zu verleihen, bleibt nur der Blick auf das historische Begriffsverständnis. In alten Rechtsordnungen wurden Einzelne oder ganze Menschengruppen als von der übrigen Menschheit getrennte Rasse eingestuft. Schon dies ist als Rassismus zu werten, denn überhaupt irgendeine Einteilung in verschiedene Menschenrassen vorzunehmen, ist rassistisch und entspricht weder dem grundgesetzlichen Verständnis noch demjenigen des DFB (§ 2 Abs. 2 der Satzung des DFB). Es existiert vielmehr unabhängig von anthropologischen Besonderheiten nur eine einzige Menschenrasse.24 Ein Verständnis, das diesem entgegensteht, sucht der heutige Rassebegriff zu verbieten. Der Hitlergruß solidarisiert den ihn Zeigenden mit einem Regime, das nicht nur von der Existenz verschiedener Menschenrassen ausging, sondern einige unter diesen als minderwertig einstufte. Anhand der nationalsozialistischen Ideologie, das Judentum sei eine Rasse, lässt sich aufzeigen, dass die Vertreter der Ansicht, der Rassebegriff knüpfe an vererbliche Merkmale an, die Judenverfolgung nicht als Rassendiskriminierung begreifen können. Der jüdische Glaube ist wie jede andere Glaubensrichtung gerade nicht vererblich, sondern wird kulturell vermittelt und durch Erziehung weitergegeben. Erst, wenn man das Judentum als Volksgemeinschaft begreift und ihr als solche vererbbare Eigenschaften zuschreibt, führte diese Auffassung zu dem Ergebnis, dass eine Rassendiskriminierung vorliegt. Dies würde den Tatbestand anhand des Rassebegriffs durch eine verkomplizierte Beweisführung verengen und eine Sanktionierung von anderen Bezugspunkten abhängig machen. Dies steht nicht mit dem weiten Schutzverständnis des § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO im Einklang. Fehlte beispielsweise der Bezugspunkt der Religion, entstünde eine Schutzlücke, die durch den Ordnungsgeber nicht gewollt sein konnte.25 „Rasse“ ist deswegen zuvorderst historisch nach dem historischen Verständnis auszulegen. Daher war und ist gerade die Judenverfolgung eine Diskriminierung wegen der „Rasse“. bb) Hautfarbe Das Merkmal der Hautfarbe ist eng mit den Merkmalen Rasse und Herkunft verknüpft. Zum einen führten verschiedene Ideologien historisch betrachtet die Hautfar22

Streibel, Rassendiskriminierung als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Frankfurt, M, New York 2010 Bd. 39, S. 52 – 54. 23 Meyer-Ladewig, Art. 14, Diskriminierungsverbot, in: Meyer-Ladewig (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl., Baden-Baden 2011, Rn. 21. 24 Starck, Art. 3 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 6. Aufl., München 2010, Rn. 387. 25 Das Diskriminierungsverbot setzt nach Art. 146 FDC zwingendes FIFA-Recht um und soll die Menschenwürde möglichst umfassend schützen, vgl. nur FIFA-Zirkular Nr. 1369 vom 08. 06. 2013.

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be als morphologisches Merkmal auf die Existenz verschiedener Menschenrassen zurück, was unzutreffend ist. Zum anderen bedingt zutreffenderweise die geographische Herkunft die Hautfarbe eines Menschen als Ausprägung der Anpassung an die Sonneneinstrahlung, die mit größerer Nähe zum Äquator zunimmt. Der Hitlergruß diskriminiert daher bezüglich der Hautfarbe, weil das nationalsozialistische Regime die Hautfarbe historisch betrachtet als „rassenmorphologisches Merkmal“ auffasste. cc) Sprache Sprache ist, dem Schutzzweck der Norm geschuldet, ebenso wie die anderen Tatbestandsmerkmale weit auszulegen. Erfasst sind neben der Muttersprache auch Dialekte oder andere Sprachabwandlungen. Das Zeigen des Hitlergrußes legt allerdings den Schwerpunkt der Diskriminierung auf andere Bezugsmerkmale als auf die Sprache. dd) Religion Der Religionsbegriff ist mangels einer fußballeigenen Konturierung anhand des grundgesetzlichen Verständnisses zu definieren. Er schützt zunächst im organisierten Fußball wie auch im staatlichen Recht die Freiheit, seinen Glauben frei zu wählen (Forum Internum) und als für sich verbindlich zu begreifen.26 Die Freiheit, seinen Glauben innerhalb der Fußballorganisation und seiner Veranstaltungen frei zu leben (forum externum), ist demgegenüber eingeschränkt. Der DFB verbietet nämlich schon politische Meinungsäußerung nach § 9 Nr. 1. Var. 1 RuVO, um seinen Sportbetrieb nicht zum Schauplatz für Politik zu machen. Der Grund ist, dass jede politische Meinung auf irgendein Maß von Ablehnung stößt. Dies ist Politik, der persönlichen Überzeugung von einer bestimmten gesellschaftlichen Ordnung, immanent. Durch unterschiedliche Überzeugungen ist Politik zumindest abstrakt in der Lage, Konflikte auszulösen, denen der organisierte Sport keine Bühne bieten möchte. Dieses Konfliktpotential erwächst gleichermaßen aus religiösen Ansichten, weil auch Religion nicht allgemeingültig ist, sondern mitunter kontrovers. Sie hat in der Geschichte erwiesenermaßen für Konflikte gesorgt, was sich bis heute nicht geändert hat. Daher kann für sie nichts anderes gelten als für die Politik. So erklärt sich der DFB auch in § 2 Abs. 1 seiner Satzung für sowohl politisch als auch religiös neutral. Das Tatbestandsmerkmal schützt daher abstrakte Religionsgruppen wie auch die Individuen, die ihr auch nach außen erkennbar angehören, ohne jedem das Recht zu geben, den organisierten Fußballsport als Forum zur Religionsverbreitung zu nutzen. Diskriminierendes Verhalten, das an einen Glauben anknüpft, ist damit nach § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO verboten. 26 Herzog, Art. 4 GG, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, München Loseblattsammlung, Rn. 66.

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ee) Herkunft Der Herkunftsbegriff umfasst die geographische ebenso wie die ständisch-soziale Herkunft. Der Wortlaut der Norm gibt Raum für eine weite Auslegung, die nach dem Normzweck, möglichst umfassend vor Diskriminierung zu schützen und so letztlich dem Ansehen des Sports zu dienen, geboten ist (vgl. § 2 Abs. 2 der DFB-Satzung). Die geographische Herkunft meint die Zugehörigkeit einer Person oder Personengruppe zu einem bestimmten Land und Kulturkreis. Der Begriff umfasst zudem gerade auch die ständisch-soziale Herkunft, weil der DFB sich der Achtung des Grundgesetzes in § 2 Abs. 2 seiner Satzung verpflichtet und das Bundesverfassungsgericht den Begriff gerade gesellschaftlich auslegt.27 Auch die Literatur erkennt diese Dimension des Herkunftsbegriffs an, indem sie ihn als schichtenspezifisch umschreibt.28 Das Zeigen des Hitlergrußes verletzt alle Angehörigen kultureller oder sozialer Gruppen, die im Dritten Reich unter Verfolgung litten. Das Verhalten knüpft daher ebenso an die Herkunft an wie an Rasse, Hautfarbe oder Religion. f) Verschulden Die Sanktionierung nach § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO setzt wegen § 9 Nr. 4. S. 1 Var. 1 RuVO Verschulden voraus. Der Begriff ist zivilrechtlich zu verstehen und unterscheidet sich daher grundlegend von dem strafrechtlichen Verständnis von der Schuld. aa) Verschuldenserfordernis Das Verschuldenserfordernis folgt aus § 9 Nr. 4. S. 1 Var. 1 RuVO, der anordnet, dass eine Strafe aufgrund dieser Bestimmung (§ 9 RuVO) gemildert oder von ihr abgesehen werden kann, wenn der Betroffene nachweist, dass ihn für den betreffenden Vorfall kein oder nur ein geringes Verschulden trifft. Der DFB geht mit dieser Gestaltung ex ante davon aus, dass der Verstoß verschuldet war, und weist dem Betroffenen die Beweislast dafür zu, sich von dem Verschulden freizusprechen, sich also zu exkulpieren. Es gilt der zivilrechtliche Verschuldensbegriff. Das Verbandsrecht des DFB ist Teil des bürgerlichen Rechts und daher ungeachtet der an staatliches Strafrecht erinnernden Formulierung seiner Sanktionsnormen von zivilrechtlichen Maximen geprägt. Das Zivilrecht kennt anders als das Strafrecht das sich aus § 276 Abs. 1 BGB ergebende Verschuldenserfordernis als objektive persönliche Zurechnung, nicht als

27

BVerfG, Urt. v. 30. 05. 1978 – 1 BvL 26/76, , juris-Rn. 22 = BVerfGE 48, 281. Dürig/Scholz, Art. 3 Abs. 3 GG, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, München Loseblattsammlung, Rn. 38. 28

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subjektive Vorwerfbarkeit.29 Die Interessenlage ist allerdings strafrechtsähnlich, weil sportrechtliche Sanktionen schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigungen für die Betroffenen bedeuten können. Solche strafrechtsähnlichen Interessenlagen erfordern nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stets persönliche Vorwerfbarkeit des gegenständlichen Verhaltens.30 Das Maß der sanktionierenden Maßnahme soll daher durch die Schwere der persönlichen Zurechnung determiniert sein.31 Dies lässt sich aufgrund der Monopolstellung des Dachverbands32 auf den organisierten Sport übertragen, weil die verbandlichen Sanktionierungsmaßnahmen ähnlich wie staatliche Zwangsmaßnahmen repressive Wirkung entfalten können. bb) Verschuldensmaßstab Im Gegensatz zu staatlichem Strafrecht reicht als Verschuldensmaß im Fußballverbandsrecht schon Fahrlässigkeit aus, denn nach den vorstehenden Erwägungsgründen und allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsgrundsätzen determiniert nicht § 15 StGB, sondern § 276 Abs. 1 S. 1 BGB den Verschuldensmaßstab im Fußballrecht. Dies wird auch durch § 8c Nr. 2. lit. b) S. 1 HS. 1 RuVO systematisch untermauert. Diese Regel räumt dem dopingverdächtigen Athleten eine Strafmilderungsmöglichkeit für den von ihm zu beweisenden Fall ein, dass er nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gedopt hat. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Athlet im Falle einfacher Fahrlässigkeit dem Grunde nach zu sanktionieren ist, wenn auch weniger schwer. Zwar tragen dopingspezifische Sanktionsnormen den besonderen Beweisschwierigkeiten Rechnung und sind daher keine für Diskriminierungsverbote maßgeblichen Regeln. Sie zeigen jedoch, dass der DFB grundsätzlich auch fahrlässiges Verhalten sanktioniert. Zeigt ein Athlet wie im Ausgangsfall den Hitlergruß, ist von zumindest fahrlässigem Verhalten auszugehen, denn es herrscht ein objektiv-abstrakter Sorgfaltsmaßstab zum Schutze des Rechtsverkehrs.33 Der objektivierte zivilrechtliche Fahrlässigkeitsbegriff zeichnet sich insbesondere durch das Element des Vertrauensschutzes aus.34 Danach muss im Rechtsverkehr jeder darauf vertrauen dürfen, dass der andere die für die Erfüllung seiner Pflichten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt. 29 Grundmann, § 276, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., München 2013, Rn. 50 ff. 30 BVerfG, BVerfGE 20, 232. 31 VerfGH BY, Urt. v. 09. 12. 2010 – Vf. 3-VI-09, juris-Rn. 47, 49, 52 = VerfGHE BY 63, 209. 32 Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, Bd. 132, Berlin 1990, S. 41, 61. 33 Grundmann (Fn. 29), Rn. 55; Stadler, § 276, in: Jauernig/Mansel/Berger u. a. (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 15. Aufl., München 2014, Rn. 29. 34 Vgl. nur BGH, NJW 2001, 1786 (1787).

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Der organisierte Fußball muss darauf vertrauen dürfen, dass der Athlet sich der Bedeutung bewusst ist, die der Rechtsverkehr dem Einnehmen einer Geste wie dem Hitlergruß im Ausgangsfall beimisst. Dass der Spieler Lukowicz den rechten Arm mit nach unten gerichteter Handfläche ausstreckte, dürfte sogar in jedem, der diese Geste heute wahrnimmt, die Assoziation hervorrufen, dass der Spieler damit Sympathie mit der Diktatur des Dritten Reiches bekundet, sodass sich unter Umständen von grober Fahrlässigkeit sprechen ließe, denn der Rechtsverkehr darf davon ausgehen, dass dem Spieler die Bedeutung seiner Körperhaltung bewusst ist. Jedenfalls aber reicht die zumindest vorliegende einfache Fahrlässigkeit zur Sanktionierung derartigen Verhaltens. Die Strafe kann aber gegenüber vorsätzlichem Verhalten milder ausfallen. Das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Integrität des sportlichen Wettbewerbs und den Schutz der Rechte seiner Teilnehmer und Zuschauer wird durch das Zeigen einer derartigen Geste erschüttert. Der Spieler verletzt damit seine Pflicht, die Integrität des sportlichen Wettbewerbs zu schützen, an dem er teilnimmt. cc) Beweislast Nach § 9 Nr. 4. S. 1 RuVO hat sich der Beschuldigte wegen des Verschuldensvorwurfs zu exkulpieren. Nach dieser Vorschrift kann die Strafe gemildert werden oder es kann von Strafe gänzlich abgesehen werden, wenn kein oder geringes Verschulden vorliegt. Die Norm indiziert das Verschulden und weist so dem Beschuldigten die Beweislast zu. Zur Entkräftung dieser normgemäßen Vermutung bietet sich der Rückgriff auf die Grundsätze zur Erschütterung des Anscheinsbeweises an. Danach hat der Beschuldigte einen typischen Geschehensablauf substantiiert zu widerlegen.35 Der Geschehenslauf von Verhalten, das gegen § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO verstößt, ist typisch, weil nach den maßgeblichen objektiven Maßstäben prima facie davon auszugehen ist, dass der Beschuldigte sich der Bedeutung seines Verhaltens und dessen Gehaltes bewusst ist oder die Bedeutung zumindest fahrlässig nicht erkannt hat, denn er gehört dem Verkehrskreis ebenso an wie diejenigen, die Zeugen seines Verhaltens werden. Gerade bei bekannten und sogar nach staatlichem Strafrecht verbotenen Gesten wie dem Hitlergruß ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte sich der Bedeutung seiner Geste bewusst ist. In der Causa Lukowicz hat der Spieler sich im Nachgang des betreffenden Spiels lediglich so eingelassen, es nicht so gemeint zu haben, und sich von nationalsozialistischem Gedankengut distanziert. Dies wird den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag zur Exkulpation nicht gerecht, weil sich hiermit gerade nicht begründen lässt, dass der Spieler sich der Bedeutung seines Verhaltens nicht bewusst war. 35 Zum Prima-Facie-Beweis vgl. Prütting, § 286, in: Krüger/Rauscher (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Aufl., München 2013, Rn. 48.

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Eine Exkulpation erscheint generell dann möglich, wenn der Beschuldigte einem anderen Kulturkreis entstammt, in dem die fragliche Kundgabe eine gänzlich unterschiedliche Bedeutung hat. 2. Rechtsfolge Die Tatbestandserfüllung zieht nach § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO eine zwingende zeitige Sperre von nicht unter fünf Wochen nach sich. Diese Rechtsfolge ist der entscheidende Unterschied zu einer Sanktionierung nach § 9 Nr. 1. RuVO, dem zufolge schon über den Verweis auf § 1 Nr. 4. RuVO und § 44 der Satzung des DFB das gesamte Spektrum der Sanktionen des DFB zur Anwendung kommen kann, also auch eine bloße Verwarnung. Die genaue Höhe der Sanktion ist in das sportgerichtliche Ermessen gestellt. Sie richtet sich insbesondere nach dem vorliegenden Maß des Verschuldens, sodass im Gegensatz zur Tatbestandsseite auf Rechtsfolgenseite zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu differenzieren ist. Im Falle des Hitlergrußes von vorsätzlichem oder zumindest grob fahrlässigem Verhalten auszugehen, liegt nahe, weil die Geste einen besonders hohen Bekanntheitsgrad besitzt und daher davon ausgegangen werden kann, dass auch der Betroffene sich ihrer Bedeutung bewusst war.

III. Ergebnis des Ausgangsfalls In der Causa Lukowicz hätte sich der Spieler einer im Mindestmaß fünfwöchigen Spielsperre nach § 9 Nr. 2. Abs. 1 S. 1 RuVO ausgesetzt gesehen, wollte man den Fall auf die Ebene des DFB übertragen.

IV. Zusammenfassung Auf die Sanktionsnormen des organisierten Fußballs finden die Maximen des Zivilrechts Anwendung. Dazu gehört auch die Regel, Verhalten aus der Perspektive eines objektiven Empfängers auszulegen. Für diese Auslegung sind alle Begleitumstände zu berücksichtigen. Dieser objektive Maßstab ist ferner auch für das Maß des Verschuldens entscheidend, weil nicht die strafrechtlich zu verortende Schuld und damit eine subjektivierte Vorwerfbarkeit anzuwenden ist, sondern der zivilrechtliche Verschuldensbegriff, also das zumindest fahrlässige Vertretenmüssen einer Pflichtverletzung. Die durch die Regeln des Sports gebundenen natürlichen Personen trifft unter anderem die Pflicht, der Integrität des sportlichen Wettbewerbs keinen Schaden durch diskriminierende Verhaltensweisen zuzufügen. Das Zeigen des Hitlergrußes im Stadion verletzt diese Pflicht.

Internationale Sportveranstaltungen, insbesondere Olympische Spiele, und Steuerrecht* Karolina Tetłak I. II. III. IV. V. VI. VII.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Körperschaftssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doppelbesteuerungsabkommen und das Olympische Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zölle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Sport heute ein boomender Wirtschaftssektor, der 3 % des Welthandels ausmacht und umfassende Beschäftigungsmöglichkeiten schafft. Der Profisport ähnelt immer mehr einem regulären Geschäft und bietet somit zahlreiche Möglichkeiten, erhebliche Einkommen zu generieren. Aus diesem Grund wird der Sport vom Steuerrecht reguliert und in zahlreichen Fällen gelten die mit dem Sport verbundenen Sachverhalte als Steuerrechtstatbestände. Internationale Sportwettkämpfe sind diesbezüglich besonders kompliziert, denn sie werden sowohl vom nationalen Steuerrecht mehrerer Staaten als auch vom internationalen Steuerrecht reguliert. Sportgroßveranstaltungen gehen mit einer erheblichen Anzahl an Verträgen über die Veranstaltungsorte, Bauarbeiten, Catering und Hospitality Services, Übertragungsrechte sowie Sponsoring einher. Sie erzielen daher regelmäßig beträchtliche Summen an Einnahmen, nicht nur in der Tourismusbranche. Wegen seines großen Ausmaßes und des öffentlichen Aufsehens ist der internationale Sport auch für international tätige Sportler eine bedeutende Einkommensquelle und steht als solche unter strenger Beobachtung des Fiskus. Gleichzeitig spielt er jedoch aufgrund der universellen Werte und Nutzen für den Einzelnen und die Gesellschaft eine wichtige Rolle als eine der Aufgaben des Staates. Internationale Sportveranstaltungen ermöglichen dem Gaststaat, weltweit für sich zu werben und somit ein bestimmtes Bild des Landes zu vermitteln. Mit diesen Eigenschaften schafft der internationale Profisport eine gewisse Spannung in der Steuerpolitik in Bezug auf den Sport im Allgemeinen. Auf der einen Seite * Diese Veröffentlichung ist ein Teil des Projektes, das vom Nationalen Zentrum für Lehre, Polen, auf der Grundlage des Beschlusses Nr. DEC-2012/07/D/HS5/00662 finanziert wurde.

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möchte der Fiskus den Profisport wie jeden anderen Industriezweig behandeln und die Einkommen von Sportlern oder Sportvereinen und die mit dem Sport verbundenen Umsätze besteuern. Auf der anderen Seite wird der Profisport oft mit staatlichen oder lokalen Mitteln subventioniert, entweder direkt oder indirekt mit einer Steuerbefreiung. Da es auch die Aufgabe des Staates ist, aktive Erholung zu fördern, den Zugang zum Sport unabhängig von finanziellem Status oder sozialer Stellung zu schaffen und für die richtige Entwicklung des Sports zu sorgen, hat die Finanzierung der Sportveranstaltungen und der Bau von Sportanlagen eine besondere Bedeutung für die Behörden. Obwohl sich der Profisport im Allgemeinen an die Regeln des Marktes halten sollte, werden durch einige Zielgruppen begünstigende Steuerregelungen und Sondergesetze vorteilhafte Bedingungen für die Förderung des Sports geschaffen. Dies ergibt sich nicht nur aufgrund der besonderen Rolle des Staates, der es den Bürgern ermöglicht, sich sportlich zu betätigen, sondern auch aufgrund der übergreifenden Macht der Sportorganisationen. Das daraus resultierende Steuerrecht ist ein kompliziertes System, das mehrere Schwachstellen und Inkonsistenzen aufweist. Gleichzeitig entsteht jedoch ein kohärenter Ansatz in Bezug auf die Besteuerung von Sportgroßveranstaltungen, der als Lex Olympica Tributaria bezeichnet werden kann.1 Die Besteuerung ist ein wichtiger Bestandteil der rechtlichen Dimension der großen Sportveranstaltungen, insbesondere der Olympischen Spiele. Die Teilnehmer dieser Veranstaltungen kommen aus verschiedenen Ländern, was die Steuerlandschaft zusätzlich erschwert und die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen erfordert. Die rechtlichen und steuerlichen Systeme der meisten Länder sind nicht darauf ausgerichtet, den Besonderheiten, dem Umfang und der Vielfalt der Fragen, die im Olympia-Kontext entstehen, effizient zu begegnen. Die Vorschriften über die entsprechenden Vorgänge unterscheiden sich erheblich von Land zu Land, was zu einer unterschiedlichen Behandlung von Einkommen und somit möglicherweise zu einer übermäßigen Besteuerung führt. Die Gastgeberländer verfügen meist über keine Doppelbesteuerungsabkommen-Netzwerke, die jedes bei den Olympischen Spielen repräsentierte Land umfassen würden, so dass sie zwangsläufig mit Situationen konfrontiert werden, in denen es keine spezifischen internationalen Regeln für die Besteuerung von an der Veranstaltung teilnehmenden Personen oder Einrichtungen gibt. Daher werden in der Praxis im Vorfeld der Organisation von Sportgroßveranstaltungen wie den Olympischen Spielen spezielle Gesetze erlassen2, um nicht nur die Doppelbesteuerung zu mildern, sondern vielmehr die Steuerlast im Gastgeberland vollständig zu beseitigen.3 Die speziellen Steuermaßnahmen unter1 Tetłak, Olympic Tax Law, [in:] Sports Law. Lex Sportiva, Lex Olympica and Sports Jurisdiction. Experience, Development & Perspective, Panagiotopoulos (ed.), Athens 2015, S. 115. 2 Z. B. Statutory instruments 2010 No. 2913 Income Tax Corporation Tax – The London Olympic Games and Paralympic Games Tax Regulations 2010, 7 December 2010 (Olympic Tax Regulations). 3 Tetłak, Taxation of International Sportsmen, Amsterdam 2014, S. 173.

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scheiden sich von Staat zu Staat, da sie die bestehenden nationalen steuerlichen Regeln, Verfahren und die Rechtspraxis reflektieren. Gleichzeitig gibt es aber bestimmte neue Standards, die der Bewältigung der relevantesten Steuerszenarien im Rahmen der Einkommensteuer, Körperschaftssteuer, Umsatzsteuer und der Zollabgaben dienen sollen. Diese Standards werden vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) verhängt, das die Behörden der Gastgeberländer dazu auffordert, die steuerlichen Sondermaßnahmen für die Dauer der Spiele zu implementieren, verhängt. Diese Maßnahmen umfassen Steuerfreiheit für das IOC und das lokale Organisationskomitee, Steuerbefreiungen für die durch das IOC oder seine Tochtergesellschaften getätigten und empfangenen Zahlungen, für sämtliche von den Athleten erhaltenen Preise oder sonstige finanzielle Unterstützung und für die Einkommen aller anderen Personen, die sich im Zusammenhang mit der Durchführung ihrer olympiabezogenen Geschäfte vorübergehend im Gastgeberland befinden, sowie ein vereinfachtes Verfahren der vorübergehenden Verwendung für den zollrechtlich freien Verkehr aller für die Olympischen Spiele notwendigen Tiere, Ausrüstungen und Anlagen – und das ohne irgendwelche Steuern, Zölle oder sonstige Abgaben.

II. Einkommensteuer Die Einkommensteuer wird in der Regel von natürlichen Personen mit Wohnsitz im Gastgeberland für alle überall auf der Welt erzielten Einkünfte gezahlt (unbeschränkte Einkommensteuerpflicht). Personen, die nicht im Gastgeberland ansässig sind, zahlen die Steuer nur auf das aus den Quellen in diesem Staat bezogene Einkommen. Das bedeutet, dass ausländische Sportler die Quellenstaatsteuer auf das mit einer Sportveranstaltung verbundene Einkommen zahlen sollten. Allerdings erlassen die Gastgeberländer für erstklassige Sportveranstaltungen Verordnungen zur Freistellung bestimmter Gruppen von natürlichen Personen von der Einkommensteuer auf bestimmte Einkunftsarten, die im Zusammenhang mit der Teilnahme an den Veranstaltungen stehen. Eine Steuerbefreiung gilt in der Regel für die Dauer der Spiele für ausländische Wettbewerber und Personen, die sich vorübergehend im Gastgeberland aufhalten, um veranstaltungsbezogene Aktivitäten durchzuführen und Einkünfte zu erzielen, die sonst im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung besteuert würden. Die Einkommensteuerbefreiung ist ein wichtiger Bestandteil der olympischen Steuermaßnahmen. Das Olympiasteuerrecht bietet ausländischen Teilnehmern und Mitgliedern der Sport-Teams eine Befreiung von der Steuer auf alle Einkommen aus ihrer Leistung bei den Olympischen Spielen.4 Alle direkt mit den Spielen verbundenen Einkommen (wie Preisgelder und Auszeichnungen in bar oder in Sachleistung), Sponsoring oder Erträge aus Endorsement-Verträgen sowie die Vergütung für andere Aktivitäten fallen in den Anwendungsbereich dieser besonderen Regel. Die Befreiung erstreckt sich beispielsweise auf Honorare für TV-Auf4 Tetłak, Sochi 2014 Olympic Tax Legislation, „European Taxation“ 2013, Vol. 53, No. 4, S. 165.

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tritte in Werbekampagnen oder die Verwendung von Bildern in der Werbung der offiziellen Olympia-Sponsoren, persönliche Auftritte bei den Werbeveranstaltungen oder Interviews und Kommentierungen bezüglich der Spiele, bei denen es keine kommerzielle Produktwerbung gibt.5 Wenn ein Wettkämpfer einen langfristigen Endorsement- oder Sponsoring-Vertrag hat, der nicht direkt mit dem Sportereignis verbunden ist, werden alle Zahlungen im Rahmen des Vertrags, die normalerweise zu versteuern wären, anteilig verteilt, mit Ausnahme der Tage, an denen die Leistung bei den Spielen erbracht wurde. Inbegriffen sind Zahlungen an einen Dritten anstelle des Wettbewerbers. Allerdings sind Olympioniken nicht völlig frei von Steuern. Einkommen für die Teilnahme an einer Radio- oder Fernsehsendung, deren Inhalt nicht auf die Spiele bezogen ist, oder Boni aus einem Endorsement- oder Sponsoring-Vertrag, der in keiner direkten Verbindung zu den Spielen steht, sowie Vergütungen für die nicht olympiabezogene Empfehlung oder Werbung für ein kommerzielles Produkt als Olympiasieger sind von der Steuerbefreiung ausgenommen. Die Sportler zahlen die Steuer auf Erträge aus Sponsoring- oder Werbeverträgen mit Unternehmen, die keine offiziellen Sponsoren der Olympischen Spiele sind, oder in Bezug auf Leistungen für Sponsoren, die in keinem direkten Zusammenhang mit den Olympischen Spielen erbracht werden. Steuerbegünstigungen werden darüber hinaus für vorübergehend Beschäftigte eingeführt, beispielsweise für Personen, die für die Inhaber der Rundfunkübertragungsrechte und andere Handelspartner arbeiten. Personen, die im Gastgeberland vorübergehend arbeiten, um olympiabezogene Geschäfte abzuwickeln, sind nämlich nicht verpflichtet, Einkommensteuer zu zahlen, wenn sie sich innerhalb eines vereinbarten Zeitraums im Gastgeberland aufhalten und ihr Einkommen von ausländischen Unternehmen beziehen.6 Die Steuerbefreiung gilt für Personen, die von einem Rundfunkveranstalter angestellt werden, dem das Internationale Olympische Komitee (IOC) oder das jeweilige Organisationskomitee der Olympischen Spiele (OCOG) die exklusiven Fernseh-, Internet- oder Hörfunkrechte eingeräumt haben, um die Spiele in einem bestimmten Land auszustrahlen. Dasselbe gilt für Personen, die von einer Organisation angestellt sind, die für die Produktion von internationalen Fernseh- und Radiosignalen verantwortlich ist und den Rundfunkveranstaltern die notwendigen Einrichtungen und Dienstleistungen anbietet. Diejenigen, die bei den Handelspartnern der Olympischen Spiele angestellt sind, sind ebenfalls steuerbefreit. So fallen z. B. Mitarbeiter der Organisationen, die Zeitberechnungs- oder Spielergebnisdienste leisten, in den Anwendungsbereich der Befreiung. Die Befreiung findet in der Regel Anwendung auf während der Organisation und Durchführung der Olympischen Spiele erzielte Einnahmen in Form von Geld- und Sachleistungen. Wenn eine Person zugleich olympiabezogene und nicht olympiabezogene Leistungen erbringt und hierfür eine auf beides bezogene Vergütung bekommt, wird eine 5 6

Sec. 2 (2) London 2012 Olympic Tax Regulations. Sec. 3 London 2012 Olympic Tax Regulations.

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Splitting-Methode angewendet, so dass die Befreiung von der Einkommensteuer im Gastgeberland nur bezüglich des Teils der Vergütung geltend gemacht werden kann, der auf die olympiabezogenen Einkünfte zurückzuführen ist. Es kann vorkommen, dass die Mitarbeiter oder Personen, die am Bau der Olympia-Sportstätte beteiligt sind, nicht in den Anwendungsbereich der Befreiung fallen. Dies hängt davon ab, wie der Begriff „olympischer Handelspartner“ definiert wird. Erbringt beispielsweise ein Bauunternehmen Dienstleistungen an das lokale Organisationskomitee, so gilt dieses Unternehmen nicht als olympischer Partner, wenn es im Gegenzug Werbe- und/oder Vermarkungsrechte erhält, die es für kommerzielle Zwecke nutzen kann, indem es auf seine Zusammenarbeit mit dem Olympischen Komitee hinweist. Die Steuerbefreiung findet darüber hinaus Anwendung auf Sacheinkommen in Form von Aufwendungen für die Visaerteilung, Einladungen und ähnliche Dokumente, Kosten für An- und Abreise, Unterkunft, Verpflegung, Ausbildung, Kommunikation, Uniformen und Bekleidung, Transportunterstützung, sprachliche Unterstützung, Geschenkartikel mit Olympia-Symbolen, die von den OCOG oder der Verwaltung der Gastgeberstadt den Vertretern des Internationalen und des Nationalen Olympischen Komitees, den Sportverbänden, natürlichen Personen mit OlympiaAkkreditierung oder solchen, die durch die OCOG oder die Gastgeberstadtverwaltung beschäftigt oder beauftragt werden oder sich als Freiwillige an der Organisation der Olympischen Spiele beteiligen, zur Verfügung gestellt werden. Das Einkommen der genannten Personen wird nicht besteuert auch in Bezug auf bestimmte Versicherungsleistungen und Prämien für alle Arten von Versicherungen, wenn diese Beträge von OCOG auf Versicherungsverträge zugunsten der genannten Personen eingezahlt werden. Sämtliche Arbeitsgenehmigungen, die für das bei den Olympischen Spielen eingesetzte Personal ausgestellt werden, sind ebenso von der Steuer befreit. Allerdings müssen die OCOG Steuern vom Einkommen der gebietsansässigen Personen, die für das OCOG arbeiten, einbehalten. Eine separate Steuerbefreiung ist auch für „akkreditierte Personen“ vorgesehen. Dies sind Personen, die nicht im Gastgeberland ansässig sind, eine Akkreditierungskarte besitzen und zur Ausübung bestimmter olympischer Funktionen befugt sind. Hierzu gehören zum Beispiel Medienschaffende, Servicetechniker, Mannschaftsbetreuer und technische Beamte. Der Begriff „Mannschaftsbetreuer“ bezeichnet eine Person, die ein Teil der Ersatzmannschaft, des Unterstützungs- und Servicepersonals bzw. des technischen, medizinischen oder des Pflegepersonals des Nationalen Olympischen oder Paralympischen Komitees ist. Der persönliche Geltungsbereich dieser Steuerbefreiung gewährleistet die Einbeziehung von Mitgliedern der Nationalteams sowie von Personen, die wesentliche medizinische, technische, mediale und betreuende Dienstleistungen anbieten (z. B. Schiedsrichter, Doping-Tester, Manager, Sparringpartner, Sportbeamte, Journalisten, Fotografen, Medien-Manager, Produzenten, Techniker und Medien-Support-Mitarbeiter). Die Freistellung umfasst auch die Vergütung der bei der Eröffnungs- und Abschlusszeremonie auftretenden Künstler. Da

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die Steuerbefreiung nur für Personen gilt, die sich vorübergehend für die Zwecke der Spiele im Gastgeberland aufhalten, steht sie nur Gebietsfremden zu. Als Bescheinigung über die Steuerbefreiung gilt eine entsprechende Akkreditierung oder ein Ausweis. Der durch die OCOG und die lokale Verwaltung durchgeführte Akkreditierungsprozess besteht aus Hintergrundüberprüfungen und der Ausstellung eines Ausweises, der dem Einzelnen den Zugang zu den Austragungsorten und die Teilnahme an den Olympischen Spielen ermöglicht. Wo die Befreiung eingreift, ist die Verpflichtung der Auftraggeber zur Einbehaltung der Einkommensteuer auf Vergütungen, die an Gebietsfremde gezahlt werden, aufgehoben. Das zuständige Finanzamt ist damit von der Pflicht zur Einziehung der Steuer befreit. Es gibt in der Regel einen Zeitrahmen für die Steuerbefreiung.7 Das Recht auf steuerliche Entlastung hängt von der Art der mit den Olympischen Spielen verbundenen Aktivitäten ab. Für die Sportler und Arbeitskräfte der kommerziellen Olympia-Partner bezieht sich die Maßnahme auf die Dauer der Spiele und eine kurze Zeit vor und nach den Spielen. Eine längere Frist ist für andere Personen – z. B. die Mitarbeiter von Rundfunkveranstaltern – vorgesehen, da die entsprechenden Vorbereitungen im Vorfeld der Spiele eine längere Anwesenheit verlangen. Ihr Einkommen ist somit in der gesamten Phase der Event-Vor- und -Nachbereitung von der Steuer befreit.

III. Körperschaftssteuer In der Regel unterliegen in- und ausländische juristische Personen mit ihren Einkünften der Körperschaftsteuer, wenn sie ihre Aktivitäten im Gastgeberland durch ständige Niederlassungen ausführen oder Einkünfte aus inländischen Quellen beziehen. Das Olympia-Steuerrecht enthält Bestimmungen über die Befreiung des veranstaltungsbezogenen Einkommens von der Körperschaftssteuer. Das IOC ist von der Körperschaftssteuer in seinem Sitzstaat und in der Schweiz befreit und ist bestrebt, den Steuerbefreiungsstatus in den Gastgeberländern zu erwerben. Die Absicht der Organisatoren der Olympischen Spiele ist es auch, die lokalen Organisationskomitees der Olympischen Spiele (OCOG) als die vorteilhaftesten und effizientesten Organisationsstrukturen im Rahmen der Rechts- und Steuersysteme der Gastgeberländer zu etablieren. Das OCOG ist in der Regel in Form einer Non-Profit-Organisation organisiert. Diese Rechtsform minimiert seine steuerliche Belastung. Als eine gemeinnützige Gesellschaft oder eine Stiftung ist das OCOG von der Körperschaftsteuer befreit, sofern seine Einnahmen ausschließlich für die in der Stiftungssatzung festgelegten Zwecke verwendet werden. Somit sind alle Beiträge aus dem IOC sowie Spenden und staatliche Subventionen steuerfrei. Die Befreiung von der Körperschaftssteuer 7

Sec. 9 London 2012 Olympic Tax Regulations.

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erstreckt sich darüber hinaus auf Gewinne aus olympiabezogenen unternehmerischen Aktivitäten, die normalerweise zu versteuern wären. So unterliegen z. B. die Beträge, die das IOC an das OCOG für den Anteil an Fernseh- und Vermarktungsrechten zahlt, aufgrund der Bestimmungen des Olympia-Rechts nicht der Körperschaftssteuer.8 Im Gastgeberland wird keine Steuer auf die Erlöse aus dem Verkauf der mit den Olympischen Spielen verbundenen Rundfunkübertragungs-, Vermarktungs- oder anderer Eigentumsrechte an lokale Unternehmen oder natürliche Personen erhoben.9 Keine Quellensteuer wird auf Zinsvergütungen, Lizenzgebühren und andere jährliche Zahlungen an das IOC und das OCOG erhoben. Die Befreiung gilt bis zu einen bestimmten Datum. Es wird keine Körperschaftssteuer auf das im Zusammenhang mit der Organisation und der Durchführung der Olympischen Spiele von den juristischen Personen erzielte Einkommen erhoben. Abgesehen von den Organisatoren der Olympischen Spiele umfasst der persönliche Anwendungsbereich der Steuerimmunität, im Hinblick auf olympiabezogene Transaktionen, auch ausländische Marketingpartner des Internationalen Olympischen Komitees sowie ihre Niederlassungen und Repräsentanzen. Darüber hinaus sind folgende Organisationen als Nicht-Steuerzahler anerkannt: offizielle Rundfunkveranstalter in Bezug auf die die Produktion und den Vertrieb von Massenmedienprodukten umfassenden Tätigkeiten, die in Ausführung des mit dem IOC geschlossenen Vertrags während der gesamten Dauer der Olympischen Spiele ausgeübt werden. Die Quellensteuer wird weder auf die an das lokale Organisationskomitee oder an das IOC durch Dritte gezahlten Beträge für den Erwerb der olympiabezogenen Rundfunkübertragungs- oder Vermarktungsrechte noch auf die Zahlungen des OCOG an das IOC berechnet.

IV. Doppelbesteuerungsabkommen und das Olympische Steuerrecht Der volle Umfang der Vergünstigungen im Rahmen des olympischen Steuersystems hängt auch von den Doppelbesteuerungsabkommen ab, die vom Gastgeberland mit den Ansässigkeitsstaaten der unter die olympische Ausnahmeregelung fallenden Personen abgeschlossen werden. In der Regel enthalten die Besteuerungsabkommen ähnliche Bestimmungen wie Artikel 7 des OECD-Musterabkommens 2003 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, Artikel 15 für Arbeitnehmer sowie Artikel 17 für Sportler und Artikel 12 für Lizenzgebühren. Die Artikel 7 und 15 weisen das primäre Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zu und verbieten gleichzeitig die Quellenbesteuerung, 8

Tetłak, The taxpayer as the unofficial sponsor of the London 2012 Olympic Games, „International Sports Law Journal“ 2013, Vol. 13 No. 1, S. 97 – 103. 9 Art. 143 Abs. 2 der Russischen Abgabenordnung von 2000 (durch Olympiagesetz vom 30. Juli 2010 [N 242-FZ] geändert).

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wenn der Steuerzahler keine Betriebsstätte im Quellenstaat hat oder wenn er sich dort für weniger als 183 Tage während eines Steuerjahres aufhält und Einkünfte von einem nichtansässigen Arbeitgeber (und nicht von einer Betriebsstätte eines gebietsfremden Arbeitgebers im Gastgeberland) bezieht. Aufgrund der kurzen Dauer der Spiele würden die meisten der in einem Abkommenstaat ansässigen und unter die olympische Steuerbefreiung fallenden Personen der Besteuerung im Gastgeberland sowieso entkommen. Beispielsweise können Mitarbeiter von Organisationen, die für die Produktion internationaler Fernseh- und Radioübertragungen von den Olympischen Spielen verantwortlich sind, infolge eines Doppelbesteuerungsabkommens von der inländischen Besteuerung befreit werden. Doppelbesteuerungsabkommen, die den Artikel 12 betreffen, ordnen das exklusive Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat der Person zu, die die Lizenzgebühren bekommt. Gemäß Artikel 12 der mit der Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen wird keine Quellensteuer in Bezug auf die an das IOC bezahlten Geldbeträge in Form von Lizenzgebühren und ähnlichen Erträgen aus dem Verkauf von Rundfunk- und Vermarktungsrechten erhoben. Derzeit verfügt die Schweiz über Doppelbesteuerungsabkommen mit über 80 Ländern. Das Netzwerk an Doppelbesteuerungsabkommen schützt das IOC vor der Quellenstaatsteuer für Zahlungen von seinen ausländischen Partnern und der daraus resultierenden Doppelbesteuerung. Artikel 17 des OECD-Musterabkommens, der auf Olympia-Athleten anwendbar ist, stellt eine Ausnahme von den allgemeinen Vorschriften über die Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Arbeitnehmereinkommen dar.10 Er ordnet ein Vollbesteuerungsrecht in Bezug auf Einkommen von Sportlern dem Land der Leistung zu, unabhängig von der dort verbrachten Zeit. Würde es sich nicht um die Olympia-Steuerbefreiung handeln, hätte das Gastgeberland das Recht, Steuern auf das von den Wettbewerbern mit Wohnsitz in einem DBA-Staat im Zusammenhang mit den Spielen verdiente Einkommen zu erheben. Man könnte annehmen, dass die Olympiasteuerbefreiung in der Praxis die Situation der von Artikel 17 erfassten Sportler, die sonst an der Quelle besteuert würden, mit der Situation der von Artikel 7 (Selbstständige und Unternehmen) und von Artikel 15 (Arbeitnehmer) erfassten Steuerzahler durch das Besteuerungsabkommen des Gastgeberlandes, dem zufolge das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen ist, lediglich gleichstellt. Allerdings gilt dies nur für die Ansässigen der Steuerabkommenstaaten. Medienschaffende und andere natürliche Personen aus vielen Nicht-Abkommenstaaten müssen sich immer noch auf die speziellen Olympia-Steuerfreistellungen entsprechend dem Recht des Gastgeberlandes berufen, weil sie nicht von den Doppelbesteuerungsabkommen profitieren können. Aus dieser Perspektive betrachtet, erzeugt die olympische Steuerbefreiung gleiche Wettbewerbsbedingungen für all diejenigen, die an den Spielen beteiligt sind. 10 Tetłak, Taxation of Athletes Participating in the Olympic Games under Article 17 of the OECD Model Convention, Saarbrücken 2012, S. 26.

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Das Gastgeberland verzichtet einseitig auf sein Besteuerungsrecht im Hinblick auf die olympiabezogenen Einkommen, aber die Ansässigkeitsländer der Steuerzahler müssen immer noch die relevanten Doppelbesteuerungsabkommen berücksichtigen. Die einzelnen Vergütungen für die mit den Olympischen Spielen verbundenen Aktivitäten können natürlich immer noch im Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen steuerpflichtig sein. Abhängig von den anwendbaren Vorschriften des Abkommens muss der Ansässigkeitsstaat die Anrechnungs- oder Befreiungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verwenden. Die Anrechnungsmethode erfordert, dass der Ansässigkeitsstaat die in- und ausländischen Einkommen des Steuerpflichtigen summiert und die Steuer in Übereinstimmung mit den inländischen Steuervorschriften und -sätzen berechnet. Die Steuer wird dann um den Betrag der einbehaltenen Quellensteuer reduziert. Da es keine Quellensteuer im olympischen Gastgeberland gibt, hat die Anrechnungsmethode keinen Einfluss auf die Steuerfestsetzung im Ansässigkeitsstaat. Der Steuerzahler wird vollständig aufgrund seiner ausländischen Einkünfte besteuert und ihm steht keine ausländische Steuer zur Verfügung, die er gegen die inländische Steuer aufrechnen kann. Jedoch kann der Wohnsitzstaat einseitig eine Steuerbefreiung für die Olympioniken bieten, was tatsächlich oft in Bezug auf Preise und Boni von der Regierung oder inländischen Sponsoren der Fall ist. In einer solchen Situation sind die Sportler in der Lage, die Besteuerung in ihren Ansässigkeitsstaaten zu vermeiden. Unterschiedliche steuerliche Auswirkungen ergeben sich aus den Doppelbesteuerabkommen durch die Befreiungsmethode. Hiernach befreit der Ansässigkeitsstaat das in dem Land der Leistung verdiente Einkommen von inländischen Steuern. Der Progressionsvorbehalt ermöglicht es dem Ansässigkeitsstaat, die befreiten ausländischen Einkünfte für die Zwecke der Festsetzung der Steuer zu berücksichtigen, die auf inländische Einkünfte anwendbar wäre. Ein solcher Mechanismus kann von Bedeutung sein, wenn das inländische Recht des Ansässigkeitsstaates eine progressive Steuer auferlegt und der Steuerzahler im Steuertarif durch das Zusammenrechnen der ausländischen und der inländischen Einkünfte nach oben rückt. In einem solchen Fall können die inländischen Einkünfte zu einem höheren Satz besteuert werden, während die ausländischen Einkünfte steuerfrei bleiben. Sollte auch der Quellenstaat eine Steuerbefreiung anbieten, wird der Steuerzahler die doppelte Nichtbesteuerung ausländischer Einkünfte genießen. Der gleiche Effekt tritt auf, wenn durch das Abkommen dem Gastgeberland ausschließliche Besteuerungsrechte auferlegt werden. In einem solchen Fall bleibt das gesamte im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen erzielte Einkommen steuerfrei, weil das Abkommen die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat verhindern wird. Ähnliche Überlegungen gelten, wenn der Quellenstaat keine Steuer auf die im Ausland verdienten Unternehmensgewinne erhebt.

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V. Mehrwertsteuer Die Mehrwertsteuer ist eine Steuer auf Konsumausgaben, die auf Erlöse aus Verkäufen von Waren und Dienstleistungen sowie auf Zollwerte der eingeführten Waren erhoben wird. Die Auswirkung der Mehrwertsteuer auf Unternehmen ist neutral, da der Kostenaufwand vom Endverbraucher getragen wird. In der Europäischen Union ist die Mehrwertsteuer eine vereinheitlichte Steuer. Die EU-Mitgliedstaaten dürfen keine Mehrwertsteuerbefreiungen einführen, die nicht durch das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vorgesehen sind. Aus diesem Grund gibt es keine bestimmten Mehrwertsteuerbefreiungen für die in der EU stattfindenden Spiele, so dass die inländischen Mehrwertsteuervorschriften des Gastgeberlandes zutreffend sind. Die Unternehmen sind verpflichtet, sich für die Mehrwertsteuer zu registrieren und die Mehrwertsteuer auf ihre steuerpflichtigen Umsätze anzurechnen und zu erklären. Die Steuerzahler können die Vorsteuer wiedererlangen. Der Mehrwertsteuersatz hängt von der Art der gelieferten Waren oder Dienstleistungen ab. Während sich die olympische Steuergesetzgebung für die in der EU stattfindenden Spiele nicht auf die MwSt. erstreckt, sind die Nicht-EU-Länder frei, ihre Mehrwertsteuervorschriften abzuändern.11 Das „Olympiarecht“ dieser Länder enthält oft eine Mehrwertsteuerbefreiung für Waren und Dienstleistungen, die vom IOC und seinen Handelspartnern geliefert werden. Die Mehrwertsteuer wird nicht auf den Verkauf von olympiabezogenen Rundfunk- und Vermarktungsrechten durch das IOC erhoben. Die Vergütungen und Kosten für die Medien- und Werberechte zwischen dem IOC und dessen Handelspartnern, wie z. B. den Rundfunkveranstaltern und den Sponsoren der Veranstaltung, sind steuerfrei. Die Mehrwertsteuerbefreiung kann sich ebenso auf den Verkauf von Eintrittskarten für die Sportveranstaltungen erstrecken. Allerdings ist die Mehrwertsteuer oft auf die von den OCOG durchgeführten Operationen anwendbar. Als eine Körperschaft sind die OCOG für die Mehrwertsteuer registriert und dürfen diese auf die Tickets- und Warenverkäufe erheben. Dennoch ist die Tatsache, dass die lokalen Organisatoren verpflichtet sind, die Mehrwertsteuer vor allem auf den Verkauf von Waren und Merchandise-Artikeln zu erklären, in diesem Fall nicht nachteilig für die Sportverbände, denn dank ihrem Steuerzahlerstatus können sie die Mehrwertsteuer auf im Gastgeberland gekaufte Waren und Dienstleistungen absetzen sowie eine Rückerstattung der überschüssigen Vorsteuer bekommen.

VI. Zölle Um die Auferlegung von Zöllen für die in das Gastgeberland eingeführten Waren und Equipments für die Olympischen Spiele zu verhindern, wird ein vorübergehen11 Art. 3 des Bundesgesetzes der Russischen Föderation vom 1. Dezember 2007 (N 310FZ) zur Organisation der XXII. Olympischen Winterspiele und der XI. Paralympischen Winterspiele 2014 in Sotschi, zur Entwicklung von Sotschi als Mountain Resort und zu Änderungen bestimmter Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation.

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des Zulassungsverfahren in Kraft gesetzt. Es ermöglicht die zollfreie Einfuhr, Verwendung und Wiederausfuhr von Waren und Artikeln, die von den Mitgliedern der Olympischen und Paralympischen Teams verwendet und benötigt werden, um ihre Aktivitäten und Pflichten durchführen zu können. Von diesem Verfahren profitieren das IOC, die Nationalen Olympischen Komitees und ihre Delegationen (Mitglieder oder Mitarbeiter), die Internationalen Sportverbände, Rundfunkveranstalter und sonstige Medienschaffende, offizielle Sponsoren und Lieferanten. Dieses Zollverfahren gilt darüber hinaus für alle Sportgeräte, die für Trainingszwecke oder Wettkämpfe im Rahmen der Spiele notwendig sind, ebenso wie für jede professionelle Medien- und Computertechnik und EDV-Anlagen. Die Befreiung gilt unabhängig vom Wert der Ware. Die Befreiung von Zollgebühren umfasst eine vollständige bedingte Befreiung von Zöllen und Steuern im Hinblick auf Waren, die für den Einsatz bei oder in Verbindung mit den Olympischen und Paralympischen Spielen vorübergehend in das Gastgeberland importiert werden.12 Nach der Verwendung für eine bestimmte Zeit müssen die Waren wieder ausgeführt werden, ansonsten würden Zollgebühren anfallen. Davon ausgenommen sind Waren wie olympische Souvenirs – z. B. Anstecknadeln und Abzeichen oder Sponsor-T-Shirts und Cappies, die kostenlos während der Spiele an die Öffentlichkeit, Freiwillige Helfer und die Olympischen und Paralympischen Teammitglieder verteilt werden. Gleiches gilt für die nach den Spielen gespendeten Waren und Werbegeschenke einschließlich Lebensmittel, alkoholfreien Getränkeproben, pharmazeutischen und medizinischen Artikeln sowie touristischer Literatur (Reiseführer). Alkoholische Getränke, Tabakwaren oder Brennstoffe werden nicht als Werbegeschenke berücksichtigt. In ähnlicher Weise können Waren, die als „kommerzielle Importgüter“ für den Verkauf gelten – z. B. Lebensmittel und Getränke, die während der Spiele verzehrt werden –, nicht im Rahmen des vorübergehenden Zulassungsverfahrens importiert werden. Sie unterliegen bei der Einfuhr in das Gastgeberland den üblichen Zollgebühren. Gehört das Gastgeberland zu einer Zollunion, hat das zum Zwecke der Olympischen Spiele vereinbarte Verfahren die Wirkung einer Zollbefreiung (und in einigen Fällen auch einer Mehrwertsteuerbefreiung) für die in das Gastgeberland aus Drittländern importierten Waren. Finden beispielsweise die Spiele in einem EU-Mitgliedstaat statt, gilt die Befreiung für Waren aus Nicht-EU-Staaten, da im Allgemeinen die von einem anderen Mitgliedstaat der EU importierten Waren nicht deklariert werden müssen.

VII. Fazit Das eigene Olympiasteuerrecht ist ein Teil des supranationalen Lex Olympica (Großveranstaltungsrecht) und beeinflusst zunehmend die Rechtssysteme der jeweiligen Gastgeberländer. Um die Interessen der Olympischen Spiele und ihrer offizi12

Art. 212 Zollkodex der Russischen Föderation.

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ellen Sponsoren zu schützen, verlangt das Internationale Olympische Komitee als Voraussetzung für die Ausrichtung der Spiele, dass die Gastgeberländer für die Dauer der Spiele besondere Rechtsvorschriften einführen und die allgemein geltenden nationalen Gesetze während der Olympischen Spiele zum Teil außer Kraft setzen. Volle Steuerimmunität für die Dauer der Olympischen Spiele ist ein Beispiel für eine rechtliche Abspaltung, da die bestehenden allgemeinen Gesetze für die Olympischen Spiele selbst nicht gelten. Stattdessen wird den Gastgeberländern unter dem Diktat des IOC im Rahmen der Gastgeberstadtverträge auferlegt, besondere steuerliche Regelungen zu schaffen, um – trotz der Unterschiede in den jeweiligen Rechtssystemen der Gastgeberländer – die eigene, weltweit einheitliche Finanzpolitik der Sportorganisationen umsetzen. Zwar ist es verständlich, dass die bereits bestehenden Rechtssysteme der Gastgeberländer oft nicht ausreichend sind, um die für die Austragung der Olympischen Spiele erforderlichen Vorschriften und Voraussetzungen zu erfüllen. Dennoch weckt die sich immer weiter verselbstständigende Strategie der Schaffung eines die Olympischen Spiele begünstigenden rechtlichen Umfelds erhebliche Legitimitätszweifel. Solche ereignisspezifischen Rechtsvorschriften werden Teil eines einheitlichen Olympischen Rechtssystems, das durch das IOC konstruiert und von den Gastgeberländern weltweit umgesetzt wird. Auf der einen Seite verursacht eine solche Praxis den Zerfall der nationalen Rechtssysteme der Gastgeberländer, die für die Dauer der Veranstaltung teilweise außer Kraft gesetzt oder weitgehend ergänzt werden. Auf der anderen Seite entwickelt sie stabile steuerliche und rechtliche Rahmenbedingungen für die Olympischen Spiele und vereinheitlicht die Austragungspraxis der Großveranstaltungsgastgeber auf der ganzen Welt. Eine besondere Steuerregelung für die Olympischen Spiele regelt umfassend die Behandlung von Einkommen der Teilnehmer und der Veranstalter sowie anderer Personen, die an der Vorbereitung und Austragung der Spiele beteiligt sind. Das Entscheidende an den olympischen Steuermaßnahmen ist, dass die oben genannten Personen von der Einkommensteuer auf die im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen erzielten Einkünfte befreit und die übrigen steuerlichen Auswirkungen, die ansonsten zur Geltung kommen würden, gemildert werden. In der Tat ist das angepasste Steuersystem der Gastgeberländer und der Steuerstatus der OCOG für alle an den Olympischen Spielen Beteiligten sehr begünstigend. Die regulären Steuern werden durch die Einführung einer Ausnahme vermieden und dem IOC, den OCOG, ihren Handelspartnern, den Sportlern und dem gesamten Hilfspersonal, das vorübergehend im Gastgeberland arbeitet, wird ein besonderer Steuerstatus angeboten. Trotz einiger Abweichungen wird grundlegend festgelegt, dass das Equipment, die Anlagen und die sonstigen für die Vorbereitung und Durchführung der Olympischen Spiele notwendigen Artikel, die importiert und anschließend wieder ausgeführt werden, keinen Zollgebühren unterliegen. Das IOC muss darüber hinaus keine Körperschaftssteuer zahlen, bekommt aber die Mehrwertsteuer auf die im Gastgeberland entstandenem Kosten zurück. Die olympiabezogenen Einkommen von Sportlern und anderen akkreditierten Personen sind komplett steuerfrei.

Internationale Sportveranstaltungen und Steuerrecht

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Das Olympiasteuerrecht wird eingeführt, um alle gesetzlichen Anforderungen der Olympischen Bewegung zu erfüllen und durch die Schaffung vorteilhafter rechtlicher, finanzieller und betrieblicher Voraussetzungen für die OCOG, das IOC und andere beteiligte Organisationen eine effiziente Inszenierung der Olympischen Spiele zu gewährleisten. Die Verhandlungsmacht des IOC als Eigentümer der Olympischen Spiele hat es seit Langem ermöglicht, eine Steuerimmunität zu fordern und zu erhalten. Das IOC erwartet, dass das Gastgeberland ein entsprechend begünstigendes Rechtssystem etabliert und nicht unwesentliche Gesetzesänderungen vornimmt, um eine erfolgreiche Planung und Austragung der Spiele zu gewährleisten. Dass die Anforderungen und Erwartungen der Sportorganisationen erfüllt werden, ist somit eine Voraussetzung für die Durchführung der Veranstaltung. Das Ausschreibungsverfahren erfordert eine enorme Bereitschaft und Flexibilität der Aufnahmeländer, um einen außergewöhnlichen Steuerstatus für die Olympische Bewegung bieten und ein sehr günstiges Umfeld für die operativen Geschäfte des IOC, der OCOG und aller an den Olympischen Spielen Beteiligten schaffen zu können. Die Steuerbefreiungen sind eine Antwort auf die Skepsis des IOC bezüglich der Auswirkungen der Steuern auf die Veranstaltung. Ebenso bringt die Regierung des Gastgeberlandes dadurch zum Ausdruck, dass sie die Olympischen Spiele unterstützt.. Die Maßnahmen können, abhängig von dem im jeweiligen Gastgeberland geltenden Recht und dem inländischen Steuersystem, im Einzelnen von Land zu Land variieren, aber im Endeffekt haben die Steuern keine Auswirkungen auf die Durchführung der Olympischen Spiele.

Korruption im Sport Katharina Lammert I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Heutige Erscheinungsformen von Korruption im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unrechtskern der Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtstatsächliche Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorbeugung und Bekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Analyse vorhandener Instrumentarien und Ansätze für Verbesserungsempfehlungen 2. Verantwortungsteilung zwischen Sport und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßnahmen des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßnahmen des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Wesentliche Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Seit Beginn menschlicher Gemeinschaften ist das Phänomen Korruption existent. Die dem Zusammenleben immanente soziale Interaktionsform von Geben und Nehmen hat im Lauf der Geschichte immer wieder korruptive Verhaltensweisen hervorgebracht. So verwundert es nicht, dass es Korruption in der Antike genauso wie in der Neuzeit, in diktatorischen ebenso wie in demokratischen staatlichen Organisationsformen gab.1 Zudem zeigt die Vergangenheit, dass spezifische hierarchische Strukturen ihr Auftreten begünstigten. Korruption trat nicht nur im unmittelbaren Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft, sondern auch zwischen anderen Bereichen wie beispielsweise der Gesellschaft und der Kirche auf und besitzt damit vielfältige Erscheinungsformen. Angesichts dieser Vielschichtigkeit und Komplexität des Phänomens Korruption in seinem historischen Verlauf ist es nicht verwunderlich, dass die außerordentliche Bandbreite korruptiver Strukturen bis in den Lebensbereich Sport hineinreicht und auch dort schon sehr früh ersichtlich war. Bei den antiken Olympischen Spielen von 338 v. Chr. ereignete sich der erste dokumentierte Korruptionsfall der Sportgeschichte. Mit hohen Geldsummen bestach

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Bajohr, Parvenüs und Profiteure, S. 7.

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der Athlet Eupolos aus Thessalia erfolgreich drei seiner Gegner im Faustkampfturnier.2 Korruptives Verhalten im Bereich des Sports ist jedoch kein Phänomen, das ausschließlich in der Antike praktiziert wurde. Auch heutzutage ist Korruption im organisierten Sport allgegenwärtig. Ein Grund dafür ist, dass auch der organisierte Sport hierarchische Strukturen aufweist, in denen sich Korruption ursprünglich entfaltete. Heutzutage macht zudem die immer stärker werdende Ökonomisierung des organisierten Sports diesen anfällig für korruptive Praktiken.

II. Heutige Erscheinungsformen von Korruption im Sport 1. Begriffsbestimmungen Um die heutigen Erscheinungsformen von Korruption im Sport identifizieren zu können, muss zunächst der Begriff des Sports im Rechtssinn geklärt bzw. dessen Auslegung eingegrenzt und erläutert werden, welche Verhaltensweisen unter den Korruptionsbegriff fallen, der dieser Untersuchung3 zugrunde liegt. Eine Legaldefinition des Sportbegriffs existiert nicht.4 Allerdings ist jeder unbestimmte Rechtsbegriff der juristischen Auslegung zugänglich. Dies gilt daher auch für den Begriff des Sports. Der Begriffsinhalt ist mit Hilfe juristischer Gesetzesauslegung5 zu ermitteln. Deren Anwendung führt dazu, den Sportbegriff im jeweiligen Textbezug, also bereichsspezifisch,6 zu verstehen. Daher kann der Terminus Sport nur für den jeweils einzelnen Regelungsbereich der verschiedenen, ihn gebrauchenden Gesetze definiert werden, nicht jedoch einheitlich. Ebenso wenig gibt es einen einheitlichen Begriff der Korruption oder kennt das geltende Recht eine Legaldefinition dieses Begriffs. Weder im öffentlichen Dienstrecht noch im Strafrecht, Strafprozessrecht oder Nebenstrafrecht wird der Begriff be-

2 Mikolajczyk, Korruption im Sport, in: Nolte (Hrsg.), Doping und Korruption im Sport, S. 25; Seitschek, Skandale – Betrügereien, Bestechungen und Fehlentscheidungen in der Antike, Forum Archaelogiae, http://homepage.univie.ac.at/elisabeth.trinkl/forum/forum0307/ 42skandal.htm (alle Internetseiten zuletzt abgerufen am 27. 10. 2015). 3 Lammert, Korruption im Sport – zugleich ein Beitrag zur rechtlichen Verantwortungsteilung zwischen Sport und Staat, Diss. Köln 2015. 4 Holzke, Der Begriff Sport im deutschen und im europäischen Recht, S. 181; Tettinger, SpuRt 2003, 45 (46). 5 Als Instrumente stehen dafür die vier Methoden der grammatikalischen, systematischen, historischen und teleologischen Auslegung von Friedrich Carl von Savigny zur Verfügung. 6 Bauer, Kultur und Sport im Bundesverfassungsrecht, S. 253: „Für den Sport gilt insoweit das gleiche wie für die Kultur.“, S. 148: „Der Kulturbegriff muss bereichsspezifisch ausgelegt werden.“; Holzke (Fn. 4), S. 87; Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, S. 16.

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stimmt.7 Daher wurde der Korruptionsbegriff, der dieser Untersuchung zugrunde liegt, selbst bestimmt und eingegrenzt. Er konzentriert sich auf Korruption im engeren Sinne, d. h. auf Verhaltensweisen, die den Bestechungstatbeständen des Strafgesetzbuchs unterfallen können. Diese sind die Wählerbestechung gemäß § 108b StGB, die Abgeordnetenbestechung gemäß § 108e StGB, die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB, die Vorteilsannahme gemäß § 331 StGB, die Bestechlichkeit gemäß § 332 StGB, die Vorteilsgewährung gemäß § 333 StGB und die Bestechung gemäß § 334 StGB. 2. Unrechtskern der Korruption Der Unrechtskern der Korruption besteht darin, dass eine Person, die bestimmte Aufgaben zu erfüllen hat, für ein Handeln oder Unterlassen im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unzulässige materielle oder immaterielle Vorteile erhält. Der Vorteilsgeber beabsichtigt, die Aufgabenerfüllung durch den Vorteilsnehmer in sachwidriger Weise zu beeinflussen. Der Vorteilsnehmer missbraucht seine Machtposition oder Vertrauensstellung, um diese unzulässigen Vorteile zu erlangen. Er orientiert sich bei der Erfüllung seiner Aufgaben dann nicht mehr an den hierfür geltenden Regeln und Gesetzen, sondern allein an den unzulässigen Vorteilen. Dadurch entsteht die Gefahr, dass der Vorteilsnehmer seine Aufgaben nicht mehr sach- und rechtsgemäß ausführt und dass er die Organisation, für die er tätig ist, schädigt. Im Kern geht es bei Korruption daher um einen Angriff auf die sachgerechte Aufgabenerfüllung durch eine regelwidrige Austauschbeziehung zwischen Geber und Nehmer.8 3. Erscheinungsformen Diese Definition von Korruption vorausgesetzt, lassen sich die untersuchten und eigens kategorisierten heutigen Erscheinungsformen korruptiver Praktiken im organisierten Sport in fünf Gruppen einordnen.9 Die Kategorisierung der Erscheinungsformen erfolgt, um die Vielgestaltigkeit korruptiver Handlungsweisen im Sport darzustellen sowie die Notwendigkeit aufzuzeigen, gegen unterschiedliche Erscheinungsformen auch unterschiedlich vorzugehen. In die erste Kategorie Vergabe und Realisierung von Sportgroßveranstaltungen fallen Bestechungshandlungen, die dazu dienen, die Entscheidung um die Wahl der Ausrichterstadt eines Sportereignisses zu manipulieren. Darüber hinaus gehören 7 Bannenberg, Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle, S. 13; Dölling, Handbuch der Korruptionsprävention für Wirtschaftsunternehmen und öffentliche Verwaltung, Rn. 1. 8 Dölling (Fn. 7), Rn. 2. 9 So bereits Lammert, zitiert von Merx, „Im Profi-Fußball ist auch Gier im Spiel“, http:// www.handelsblatt.com/sport/fussball/willi-lemke-im-interview-im-profi-fussball-ist-auch-gierim-spiel/6877818.html.

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die korruptive Vergabe von Aufträgen, die für die Durchführung des Events unerlässlich sind, wie beispielsweise der Bauauftrag zur Errichtung der Sportstätte, und die Beeinflussung parlamentarischer Abstimmungen dieser Gruppe an. Der zweiten Fallgruppe Manipulation von Sportbeteiligten sind Verhaltensweisen zuzuordnen, die sich im sportlichen Geschehen selbst niederschlagen, beispielsweise wenn ein bestechlicher Schiedsrichter den von ihm zu leitenden sportlichen Wettkampf durch absichtlich getroffene Fehlentscheidungen verfälscht. Günstlingswirtschaft und Patronage in Bezug auf die Besetzung begehrter Stellen in Spitzensportorganisationen bilden die nächste Kategorie, die Vergabe von Ämtern. Hinzu treten Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Rechten. In die fünfte Gruppe Hospitality-Maßnahmen fallen Einladungen von Geschäftspartnern zu Sportveranstaltungen, die auch in der Absicht ausgesprochen werden können, eine Gegenleistung zu erlangen.

III. Rechtstatsächliche Bestandsaufnahme Diesen fünf Gruppen haften verschiedene rechtliche Besonderheiten an, die aktuell eine Sanktionierung des jeweiligen korruptiven Verhaltens erschweren oder sogar unmöglich machen. Ein korruptionsrelevantes Problem, das im Lebensbereich Sport auftritt, sind die verbandsrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen, die die Täter zu befürchten bzw. gerade nicht zu befürchten haben. Situationen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass der Ausspruch verbandsrechtlicher Sanktionen oft im Ermessen der Sportverbände selbst liegt und es nicht immer zu einer Ahndung der korruptiven Verhaltensweisen kommt. Außerdem existieren strafrechtliche Vorkehrungen zur Abwendung von Korruption im Sport gar nicht für jede ihrer fünf Erscheinungsformen. Einen spezifischen strafrechtlichen Schutz gibt es beispielsweise nicht bei Bestechungshandlungen im Zusammenhang mit der Vergabe von Sportgroßveranstaltungen sowie bei Spielmanipulationen und Bestechungen, die unmittelbar im Wettkampf stattfinden oder auf ihn abzielen. Lediglich die Hintergründe von Manipulationen, etwa das Platzieren einer Sportwette, lassen sich strafrechtlich erfassen, nicht aber der Kernangriff auf das sportliche Geschehen selbst. Der faire und lautere Wettkampf wird durch das Strafrecht nicht geschützt.10 Ebenso wenig lässt sich die korruptive Ämtervergabe innerhalb eines Sportverbands mit Hilfe des Strafrechts sanktionieren. Zwar werden staatliche Rechtsgüter, wie beispielsweise das Vermögen von Sportbeteiligten, durch die Verhaltensweisen der korrupten Akteure im Sport berührt, vor allem aber werden die sportimmanenten ethisch-moralischen Ansprüche, auf denen die Glaubwürdigkeit und die Integrität des Sports beruhen, beschädigt. Somit wird die Unverzichtbarkeit einer verbesserten, differenzierten Bekämpfung von Korruption im Sport deutlich. 10 Bannenberg/Rössner, Straftat gegen den Wettbewerb, in: Weinreich (Hrsg.), Korruption im Sport: Mafiose Dribblings. Organisiertes Schweigen, S. 215.

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IV. Vorbeugung und Bekämpfung 1. Analyse vorhandener Instrumentarien und Ansätze für Verbesserungsempfehlungen Eine kritische Würdigung der bestehenden Maßnahmen gegen korruptives Verhalten im Sport hat ergeben, dass zwar bereits diverse Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption im Bereich des Sports existieren, diese jedoch noch nicht ausreichen, um insgesamt effizient und erfolgreich gegen das Problem vorzugehen. Daher werden in der Untersuchung Ansätze für Verbesserungsempfehlungen aufgezeigt, die sich nicht nur auf rechtliche Maßnahmen im engeren Sinne erstrecken, sondern unter anderem auch institutionelle, administrative und politische Maßnahmen einbeziehen. Hierbei kommt der aus anderen Bereichen bekannten Verantwortungsteilung zwischen privaten und staatlichen Akteuren besondere Bedeutung zu.11 2. Verantwortungsteilung zwischen Sport und Staat Die Verantwortung für die Korruptionsbekämpfung liegt sowohl bei der Gesellschaft, insbesondere dem gesellschaftlichen Teilbereich des Sports, als auch beim Staat.12 Damit stellt der Kampf gegen Korruption eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar, die aufgrund ihrer Komplexität nur durch sinnvolles Zusammenwirken aller Akteure zu bewältigen ist. Diese Verantwortungsteilung beruht zum einen auf der freiheitlichen Dimension der Grundrechte und dem allgemeinen Prinzip der Subsidiarität im Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft. Nach dem als Auslegungshilfe zu verstehenden Grundsatz löst der Sport seine Probleme primär in eigener Verantwortung.13 Dabei kommt es ihm darauf an, seine Glaubwürdigkeit zu wahren, die Integrität seiner Wettkämpfe zu gewährleisten und das Sportethos zu verteidigen. Erst wenn dieses Prinzip der Selbstregulierung an Kompetenzgrenzen stößt oder versagt, entfaltet sich die Mitverantwortung des Staates.14 Dieser verfolgt im Rahmen der Korruptionsbekämpfung insbesondere die Lauterkeit des Wettbewerbs, der Amtsausübung sowie ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Staatsapparates. Zum anderen wird der Sport bei der Korruptionsbekämpfung vom Staat dadurch ent11 Vgl. hierzu im Allgemeinen Nolte (Fn. 6), passim; vgl. zur Verantwortungsteilung von Staat und Gesellschaft im Bereich des Dopings Reissinger, Staatliche Verantwortung zur Bekämpfung des Dopings, passim; vgl. zur Verantwortungsteilung von Staat und Gesellschaft im Bereich des Sportsponsorings Spindler, Sportsponsoring unter staatlicher Verantwortung, passim. 12 Ausführlich zur Verantwortungsteilung: Nolte (Fn. 6), S. 200 ff.; ders., Doping und Korruption im Sport, S. V. 13 Vgl. Nolte, Dopingbekämpfung in Deutschland – Prototyp einer Verantwortungsteilung von Staat und Gesellschaft –, in: Schliesky/Ernst/Schulz (Hrsg.), Die Freiheit des Menschen in Kommune, Staat und Europa, Festschrift für Edzard Schmidt-Jortzig, S. 772; ders. (Fn. 6), S. 148; Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 178, 181. 14 Vgl. Nolte (Fn. 13), S. 772; Vieweg (Fn. 13), S. 178.

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lastet und unterstützt, dass er sich bei der Ausgestaltung seiner eigenen Anti-Korruptions-Klauseln an den Grundsätzen und Normen staatlichen Rechts orientieren kann.15 a) Maßnahmen des Sports Um ihrer Verantwortung in Bezug auf Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption im Sport nachzukommen, hat die Gesellschaft, insbesondere der Sport selbst, bereits wirksame Mittel und Instrumente zur Korruptionsbekämpfung im Lebensbereich Sport entwickelt und umgesetzt sowie Institutionen geschaffen, die sich dem Kampf gegen Korruption widmen. Diese Maßnahmen reichen von der Implementierung von Anti-Korruptions-Klauseln in die selbst gesetzten Sportregelwerke über die Etablierung von Frühwarnsystemen, die Einrichtung des Amtes eines Ombudsmannes und Compliance Officers in einem Sportverband bzw. Sportverein, die Gründung einer gesamtgesellschaftlichen Antikorruptionsorganisation einschließlich ihrer auch sportbezogenen Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur Entwicklung von Leitfäden über den rechtlich korrekten Umgang mit Einladungen zu Sportveranstaltungen. Mit den meisten dieser Instrumente kann korruptiven Praktiken vor allem im Wege der General- und Spezialprävention vorgebeugt werden. Zudem wirken die normativen Maßnahmen auch repressiv, so dass die Täter mit ihrer Hilfe verbandsrechtlich sanktioniert werden können. Regelungslücken bestehen allerdings dahingehend, dass die geschaffenen Instrumentarien nicht flächendeckend eingesetzt werden und dass sie nicht alle korruptionsanfälligen Bereiche im Sport gleich effektiv abdecken. Daher gibt es noch Optimierungsbedarf. b) Maßnahmen des Staates Sobald und soweit der Sport nicht mehr in der Lage ist, seine Konflikte selbst zu lösen, greift die Mitverantwortung des Staates ein.16 Dieser hat eine Anzahl von Maßnahmen und Instrumentarien zur Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption entwickelt, die sich auf den Schutz von Rechtsgütern beziehen und auch für den Bereich des Sports relevant sind. Dazu gehören gesetzgeberische Maßnahmen wie die Schaffung eines Korruptionsstrafrechts inklusive strafprozessualer Regelungen sowie verschiedener Rechtsnormen im öffentlichen Dienstrecht und die Verabschiedung von Korruptionsbekämpfungsgesetzen. Hinzu treten administrative Maßnahmen wie die Führung von Korruptionsregistern, die Einrichtung von Korruptionshotlines und die Einstellung von Antikorruptionsbeauftragten. Diese Instrumente werden schließlich ergänzt durch den Ausbau und die Spezialisierung von Strafverfolgungsbehörden und -organisationen sowie durch politische Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung. 15

Vgl. Nolte (Fn. 13), S. 772. Nolte, Vereinbartes Recht am Beispiel der lex sportiva. Wechselwirkungen zwischen „lex sportiva“ und „lex extra sportiva“, in: Bumke/Röthel (Hrsg.), Privates Recht, S. 110 f. 16

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Trotz der Vielzahl staatlicher Korruptionsbekämpfungsmöglichkeiten, die weitestgehend auch zur Eindämmung der Korruption im Sport herangezogen werden können, gibt es auch hier Erweiterungs- und Optimierungsbedarf.

V. Wesentliche Erkenntnisse Die wesentlichen Erkenntnisse der Untersuchung17 lassen sich in den folgenden elf Thesen zusammenfassen: These 1: Sport und Staat haben bereits Mittel und Instrumente zur Korruptionsvorbeugung und -bekämpfung im Lebensbereich Sport entwickelt und umgesetzt, müssen jedoch noch weitere Maßnahmen ergreifen, um den bisherigen Kampf gegen Korruption im Sport zu verbessern und effektiver zu gestalten. These 2: Durch die Implementierung von Anti-Korruptions-Klauseln in sportverbandliche Regelwerke hat der Sport seine grundrechtlich gewährleistete Autonomie genutzt und einen zentralen Beitrag zur Bekämpfung von Korruption im Sport geleistet. In den meisten der untersuchten Regelwerke – exemplarisch herausgegriffen wurden solche des DFB, des DOSB, der UEFA, der FIFA und des IOC – waren Anti-Korruptions-Klauseln zu finden. Es bestehen jedoch eklatante Unterschiede, was die Regelungsinhalte, aber auch die Regelungsdichte betrifft. Während die DFB-Regularien präzise formulierte Normen enthalten, die aber in ihrem Anwendungsbereich reduziert sind, haben UEFA und FIFA eine Vielzahl von Bestimmungen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption geschaffen, die jedoch nicht immer eindeutig formuliert sind, so dass sie teilweise sogar Umgehungsmöglichkeiten eröffnen. Für den DOSB gelten wie für das IOC dessen Anti-Korruptions-Vorschriften. Diese verbieten zwar jegliche Form korruptiver Verhaltensweisen, sind aber relativ allgemein gefasst, so dass es in der Praxis zu Auslegungsund Anwendungsschwierigkeiten kommen dürfte. Optimierungsbedarf besteht also dahingehend, dass Korruptions-Verbotsnormen für den gesamten Sport, d. h. sportartenübergreifend für alle Verbände, geschaffen und die Regelungen konkret gefasst sowie eindeutig formuliert werden müssen. Nur dann kann Auslegungs- und Anwendungsschwierigkeiten vorgebeugt werden und schließlich können alle Erscheinungsformen korruptiven Verhaltens im Sport sanktioniert werden. These 3: Die Installation von Telefonhotlines und internetbasierten Hinweisgebersystemen sowie die Entwicklung von Leitfäden durch Akteure des Sports sind für die Korruptionsvorbeugung und -bekämpfung konstruktiv.

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Lammert (Fn. 3), passim.

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Die FIFA und die UEFA beispielsweise haben bereits Meldesysteme eingerichtet, durch die alle am Fußballsport Beteiligten die Möglichkeit haben, Kontakt aufzunehmen, um Insiderwissen über korruptives Verhalten oder auffälliges Handeln preiszugeben.18 Kenntnisse jeder Art sollen per Telefon, per E-Mail oder über eine bestimmte Internetseite gemeldet werden. Sämtliche Meldungen können auf Wunsch des Hinweisgebers anonym erfolgen und werden streng vertraulich behandelt. In der Folgezeit bearbeiten unabhängige Ermittler die eingegangenen Meldungen, werten sie aus und stellen gegebenenfalls weitergehende Ermittlungen an. Wie viele dieser Angaben tatsächlich werthaltig sind und zu einer Überführung von Tätern beitragen, ist nicht bekannt. Da es sich aber um eine kostengünstige und in ihrer Einrichtung unaufwändige Antikorruptionsmaßnahme handelt, sollte ein solches Hinweisgebersystem auch in deutschen Sportverbänden etabliert werden. Nach einer Probelaufzeit könnten seine Inanspruchnahme und sein tatsächlicher Nutzen evaluiert werden, um anschließend über die endgültige Installation zu entscheiden. Schließlich ist auch die Entwicklung von Leitfäden zielführend. Neben den bereits bestehenden Werken von DFB und DFL bzw. der S2019 zum rechtlich korrekten Umgang mit Hospitality-Einladungen sollten zudem schriftliche Empfehlungen zur adäquaten Handhabung von Vergabeentscheidungen in Bezug auf Sportveranstaltungen, Ämter und Rechte formuliert werden, um das Problembewusstsein der Verantwortlichen auch in diesen korruptionsanfälligen Bereichen zu schärfen. These 4: Die nur singuläre Einrichtung des Amts verbandsinterner Antikorruptionsbeauftragter, externer Ombudsmänner oder Compliance Officer sowie die Nutzung von Frühwarnsystemen sind unzureichend. Anstelle der Installation eines dieser Ämter in nur einzelnen Verbänden muss eine universale Anti-Korruptions-Organisation des gesamten Sports aufgebaut werden. Diesbezüglich wurden in der Untersuchung acht verschiedene Modelle präsentiert, unter anderem eine Nationale Anti-Korruptions-Agentur, ein An-Institut einer Hochschule, eine Antikorruptionsstelle in Form einer Rechtsanwaltskanzlei und ein Deutsches Zentrum gegen Manipulation im Sport. Das idealtypische Modell – das sehr schwer zu entwickeln und zu realisieren ist – muss die Unabhängigkeit und Effektivität der Institution gewährleisten, ihr Glaubwürdigkeit und Akzeptanz verleihen und gleichzeitig finanziell realisierbar sein. Nur dann kann die Anti-Korruptions-Organisation ihren elementaren Aufgaben in den Bereichen Prävention, Überwachung und Normentwicklung optimal nachkommen. Die Frühwarnsysteme zur Verhinderung von Spielmanipulationen durch Sportbeteiligte können zwar auffällige Quotenveränderungen anzeigen, diese haben aller18 Uefa.com, Integritätsbeauftragte treffen sich in Deutschland, http://de.uefa.org/aboutuefa/legal-justice/news/newsid=1969035.html. 19 The Sponsors‘ Voice – Interessengemeinschaft namhafter Sportsponsoren.

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dings allenfalls eine Indizwirkung, nicht aber strafrechtlichen Beweischarakter für eine Manipulation.20 Daher muss zu anderen bzw. zusätzlichen Maßnahmen gegriffen werden. Um Wettbetrügern das Einwirken auf Schiedsrichter zu erschweren, sollten die Verbände im Vorhinein für jedes einzelne Spiel eines Turniers, das sie ausrichten, immer zwei Schiedsrichterteams einteilen. Die Schiedsrichtergespanne selbst sollten so spät wie möglich von ihren möglichen Einsätzen, ihren Kollegen und dem Konkurrenzteam Kenntnis erlangen, um so das Risiko zu minimieren, dass sie dieses Wissen an unbefugte Dritte weitergeben. Ob sie dann tatsächlich ein bestimmtes Spiel leiten oder ob doch das andere Team zum Einsatz kommt, sollte noch kurzfristiger entschieden werden. Die Kosten für die Verbände, zwei Schiedsrichterteams aufzustellen und zu bezahlen, dürften deutlich unter den finanziellen Aufwendungen liegen, die sie für die Zusammenarbeit mit den Anbietern von Frühwarnsystemen aufwenden müssen. These 5: Der von der gesellschaftlichen Institution Transparency International entwickelte Korruptions-Wahrnehmungs-Index sollte auf den Sportbereich übertragen und dort etabliert werden. Der Korruptions-Wahrnehmungs-Index sollte in einer Art Rangliste aufzeigen, welche Institutionen des organisierten Sports besonders korruptionsanfällig sind. Auf diese Weise würden korruptive Praktiken innerhalb von beispielsweise Sportverbänden oder Sportsponsoringunternehmen sichtbar gemacht, die Betroffenen würden dadurch „bestraft“, dass sie einen enormen Imageverlust erleiden, und potenzielle Vertragspartner würden gewarnt und abgeschreckt. Die präventive Wirkung des Index bestünde darin, dass korruptive Verhaltensweisen von vornherein vermieden werden. Schließlich möchte keine Institution des Sports an der Spitze oder überhaupt in der Rangliste geführt werden. Die Daten, anhand derer der Index erstellt würde, sollten jedoch nicht wie die des Korruptions-Wahrnehmungs-Indexes von Transparency International aus subjektiven Wahrnehmungen resultieren,21 sondern auf objektiven Indizien beruhen. Diese könnte die einzurichtende Anti-Korruptions-Organisation liefern, die durch ihre Kontrolltätigkeit auf Verstöße aufmerksam würde. These 6: Neben dem Sport ist auch der Staat für die Bekämpfung der Korruption im Sport verantwortlich. Obwohl sich die staatlichen Antikorruptionsmaßnahmen nur partiell auf den gesellschaftlichen Teilbereich des Sports auswirken, führen sie großteils zu einem nutzbringenden Transfer. These 7: Das staatliche Recht trägt nur bedingt dazu bei, dass sportinterne korruptive Verhaltensweisen sanktioniert werden können. 20 Zenglein, Wie erkenne und bekämpfe ich Wettmanipulationen?, in: Höfling/Horst/Nolte (Hrsg.), Sportwetten in Deutschland, S. 45. 21 Möllering, in: Dölling (Fn. 7), Rn. 178; See/von Blomberg, Streitgespräch: „Wie unabhängig ist Transparency International Deutschland?“, in: von Arnim (Hrsg.), Korruption und Korruptionsbekämpfung, S. 133 f.

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Das Strafrecht, d. h. die strafrechtlichen Bestechungstatbestände, finden nur auf einige der im Bereich des Sports denkbaren korruptiven Praktiken Anwendung – und zwar dann, wenn ein geschütztes Rechtsgut, d. h. das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unkäuflichkeit von Trägern staatlicher Funktionen sowie die Sachlichkeit staatlicher Entscheidungen bzw. das Allgemeininteresse an einem freien, lauteren Wettbewerb, berührt ist. Manipulative sportinterne Praktiken, die beispielsweise den Spielbetrieb oder innerverbandliche Vergabeentscheidungen, aber gerade keines der genannten Schutzgüter betreffen, können strafrechtlich nicht sanktioniert werden. Ausweitungen der Straftatbestände erscheinen jedoch angesichts der vorherrschenden Abgrenzungsprobleme als nicht tunlich. Der Gesetzgeber ist daher aufgefordert, den speziellen Erscheinungsformen der Korruption im Sport durch die Implementierung eines speziellen Straftatbestands zu begegnen. Einem solchen steht in Bezug auf das zu schützende Rechtsgut dann nichts im Wege, wenn er neben dem Schutz der Glaubwürdigkeit und Integrität des Sports auch den aus dem Schutz des freien Wettbewerbs abgeleiteten Schutz vermögensrechtlicher Interessen22 gewährleisten kann. Die Bestimmungsmacht, die neuen Schutzgüter zu definieren, obliegt dabei dem Gesetzgeber.23 Durch die Schaffung des Spezialtatbestands würde nicht nur ein generalpräventives Signal gesendet, sondern es bestünde auch endlich die Möglichkeit, zur Ermittlung auf die staatlichen strafprozessualen Zwangsmittel zurückgreifen zu können. Das öffentliche Dienstrecht nimmt im Rahmen der Vorbeugung und Bekämpfung der Korruption im Sport nur eine untergeordnete Stellung ein. Es ist lediglich in den Bereichen anwendbar, in denen ein Beamter in den Sport betreffende Vergabeentscheidungen involviert ist oder zu einer Sportveranstaltung eingeladen wird. In diesen Fällen untersagt es konsequent die Annahme von Zuwendungen und sanktioniert bei fehlender Genehmigung die Zuwiderhandlung in der Regel mit der Entfernung aus dem Dienst. Die übrigen möglichen korruptiven Verhaltensweisen im Sport können mit Hilfe des Dienstrechts nicht geahndet werden. These 8: Die staatlichen Korruptionsregister, Korruptionshotlines und Antikorruptionsbeauftragten leisten für die Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption im Sport unmittelbar einen nur geringen Beitrag, sollten aber – soweit noch nicht geschehen – speziell auf den Sportbereich transferiert und dort etabliert werden. Ein sportspezifisches Korruptionsregister bietet eine gute Möglichkeit, um korrupte Sportorganisationen oder bestechliche Sportbeteiligte zu sanktionieren, indem sie für eine gewisse Zeit von beispielsweise Vergabeentscheidungen über die Austragung von Sportveranstaltungen oder über die Besetzung eines Amtes 22 So auch ein Lösungsansatz des Bundesrats in der Schweiz, vgl. dazu Volken/Hofmann, SpuRt 2013, 19 (19). 23 Vgl. zur Bestimmungsmacht des Gesetzgebers im Allgemeinen Nolte, Staatliche Verantwortung zur Bestrafung des Dopings?, in: Vieweg (Hrsg.), Perspektiven des Sportrechts, S. 136.

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im Sport ausgeschlossen werden. Gleichzeitig werden die redlichen Mitbewerber geschützt und korruptive Verhaltensweisen im besten Fall eingedämmt. Das eigene Korruptionsregister für den Sport wäre jedoch nicht von staatlicher Seite zu führen, sondern von der einzurichtenden Anti-Korruptions-Organisation des Sports zu etablieren und zu verwalten. Korruptionshotlines und Antikorruptionsbeauftragte wurden hingegen bereits auch im Bereich des Sports etabliert und deren Einsatz sollte dort – wie bereits erwähnt – ausgeweitet bzw. modifiziert werden. These 9: Das Potenzial der politischen Maßnahmen des Staates wird nicht vollständig ausgeschöpft. Das Weißbuch Sport erbringt einen Nutzen, indem es Leitlinien für die europäische Politik im Bereich des Sports empfiehlt, zu denen auch die Korruptionsbekämpfung gehört.24 Hingegen beschränkt sich das OECD-Übereinkommen inhaltlich auf nur einen Teilbereich der Antikorruptionspolitik, auf die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr,25 und ist damit nicht weitreichend genug. Die UN-Konvention, die ein weltweit anwendbares Regelungswerk zur Bekämpfung der Korruption enthält, das auch dem Sport dienen kann, wurde erst 2014 vom Bundestag ratifiziert, so dass die Effektivität ihrer antikorruptiven Wirkung abzuwarten bleibt. These 10: Die staatlichen Strafverfolgungsbehörden zeichnen sich durch eine für die Korruptionsbekämpfung effiziente Organisationsstruktur in Form von Schwerpunktstaatsanwaltschaften aus und sind in der Lage, auch einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung korruptiver Praktiken im Sport zu leisten. Durch die Verabschiedung eines speziellen Korruptionstatbestands für den Sport könnte dieser Beitrag sogar noch auffallend erhöht werden. Bis jetzt beschränkt sich die Effizienz der Korruptionsbekämpfung durch die Schwerpunktstaatsanwaltschaften im Lebensbereich Sport auf die Erscheinungsformen, die mit Hilfe des deutschen Strafrechts sanktioniert werden können. Eine enge Zusammenarbeit des Sports mit den staatlichen Ermittlungsbehörden sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene ist essentiell, da die Sportorganisationen selbst nicht über die weitreichenden Befugnisse und die Vernetzung von Staatsanwaltschaften, Europol und Interpol verfügen. Zudem können die Vereine und Verbände nur ihre eigenen Mitglieder sanktionieren, nicht aber die Personen, die, ohne Mitglied zu sein, für ein Organisationskomitee, ein Bauamt oder ein Wirtschaftsunternehmen arbeiten und in korruptive Praktiken involviert sind. These 11: Ergänzend zu den bereits erläuterten Antikorruptionsmaßnahmen sollten, um die Korruptionsgefahr im Sport wirksam einzugrenzen, auch neue Instru24

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch Sport, KOM (2007) 391 endgültig, Vorwort von Kommissar Jan Figel, S. 1; Muresan, Causa Sport 2007, 281 (281). 25 Tivig/Maurer, Die EU-Antikorruptionspolitik, Erfolgsbedingungen einer Korruptionsbekämpfung auf mehreren Ebenen, S. 26.

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mentarien zur Optimierung und Fortentwicklung erarbeitet und umgesetzt werden. Ein Nationaler Anti-Korruptions-Code sowie ein Ehrenkodex erscheinen für dieses Ziel in hohem Maße geeignet. Den Akteuren des Sports ist zu empfehlen, einen solchen sportartenübergreifenden Code mit einheitlichen Anti-Korruptions-Regelungen für alle am organisierten Sport Beteiligten verbindlich zu etablieren. Ein Muster mit konkreten Vorschriften, die explizit bestimmen, welche korruptiven Verhaltensweisen im Sport verboten sein sollen und wie bei Verstößen vorzugehen ist, wurde im Rahmen der Untersuchung entwickelt. Komplettierend empfiehlt sich die Erarbeitung und Einführung eines Ehrenkodexes mit Verhaltensrichtlinien für alle am Sport Beteiligten. Durch das Zusammenspiel von Nationalem Anti-Korruptions-Code und Ehrenkodex, das sich zum einen aus der Fremdkontrolle der Sportorganisationen durch die Anti-Korruptions-Organisation und zum anderen aus dem Ausfluss der Selbstkontrolle der Verbände ergibt, resultiert eine komplexe Maßnahme aus verbindlichen Verboten und appellartigen Richtlinien, die die Akzeptanz bei ihren Adressaten überzeugend und nachhaltig erhöht. Dem Sport werden demnach zwei neue Instrumentarien zur Seite gestellt, mit denen er sich klar von korruptiven Praktiken abgrenzen kann, nicht zuletzt, weil mit ihrer Hilfe umfassend gegen alle Erscheinungsformen von Korruption im Sport vorgegangen werden kann.

Beschlussmängel in Sportvereinen und -verbänden Zugleich eine Anmerkung zum Urteil des Landgerichts München I vom 25. Juli 2014 – 22 O 25649/13 Bernd Fluck I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand des Beitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffsklärung und rechtliche Einordnung von Beschlüssen und Beschlussmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolge fehlerhafter Vereinsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangsproblematik: Gesetzeslücke im Vereinsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingeschränkte Nichtigkeit fehlerhafter Vereinsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich: Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Relevanz bzw. Kausalität bei Verfahrensfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Heilungsmöglichkeit bei Einberufungsfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Widerspruchserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Legitimation zur Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Prozessuales Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung auf Sportvereine und -verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klassischer Sportverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spartenverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sportverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Urteil des LG München I vom 25. Juli 2014 – 22 O 25649/13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schlussbemerkung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung 1. Gegenstand des Beitrags Die Fehlerfolge mangelhafter Beschlüsse von Vereinen des BGB im Allgemeinen und von Sportvereinen und Sportverbänden im Besonderen sowie die prozessuale Geltendmachung solcher Beschlussmängelfolgen waren in der Vergangenheit mehr-

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fach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen1 und sind nach wie vor im Blickpunkt wissenschaftlicher Diskussionen.2 Besonders aktuell sind dabei die Schwierigkeiten des TSV München von 1860 e.V., der nunmehr seit dem Jahr 2013 mehr oder minder erfolgreich versucht, durch Beschluss bzw. Wahl seiner Delegierten- bzw. Mitgliederversammlung ein Präsidium zu bestellen. Hierbei wurde der Verein durch das mittlerweile ausgeschlossene Vereinsmitglied Helmut Kirmaier3 mehrfach mit Klagen überzogen. Die Presse hat wiederholt darüber berichtet.4 Der vorliegende Beitrag soll aus diesem gegenwärtigen Anlass heraus nach einer einleitenden Klärung der für die Problematik maßgeblichen Begrifflichkeiten (I.2.) die materiell-rechtliche Rechtsfolge fehlerhafter Vereinsbeschlüsse anhand der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung aufzeigen (II.). Anschließend werden die Möglichkeiten zur prozessualen Geltendmachung solch mangelhafter Beschlüsse dargestellt, wobei in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen, meistverbreiteten Organisationsmodelle von Sportvereinen (einfacher kommunaler Sportverein, Spartenverein als Gesamtverein sowie Vereinsverband) einzugehen sein wird (III.). Endlich soll das Urteil des Landgerichts München I vom 25. Juli 2014 – 22 O 25649/13, das sich mit der Wirksamkeit der Wahl des Herrn Gerhard Mayrhofer zum Präsidenten der Münchner Löwen zu befassen hatte, anhand der zuvor aufgezeigten Grundsätze einer kritischen Würdigung unterzogen werden (IV.).

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Zuletzt BGH NJW 2008, 69 ff.; siehe auch BGHZ 59, 369 ff.; BGH NJW 1987, 1811 f. Vgl. etwa Arnold, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 1, 7. Aufl., München 2015, § 32 Rdnr. 52 ff.; Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, Köln/Berlin/Bonn/München 1987, S. 269 ff.; dies., ZIP 1989, 562 (567); K. Schmidt, AG 1977, 243 (251); ders., Die Beschlussanfechtungsklage bei Vereinen und Personengesellschaften, in: Lutter/Mertens/Ulmer (Hrsg.), Festschrift für Walter Stimpel zum 68. Geburtstag am 29. November 1985, Berlin/New York 1985, S. 217 (241 f.); ders., AG 2009, 248 (252 f.); ders., Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen in gegliederten Vereinen, in: Martinek/Rawert/Weitemeyer (Hrsg.), Festschrift für Dieter Reuter zum 70. Geburtstag am 16. Oktober 2010, Berlin/New York 2010, S. 345 (351); Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, Berlin 2002, S. 238; umfassend: Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, Köln/Berlin/Bonn/München 1989; Prior, Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, Bonn 1972. 3 Name aus der Presse bekannt. 4 Vgl. Abendzeitung online, TSV 1860: Präsident Mayrhofer zu Unrecht im Amt, 25. 07. 2014, abrufbar unter http://www.abendzeitung-muenchen.de/ (alle Internetseiten zuletzt abgerufen am 10. 08. 2015); SZ-Online, Kirmaier will zum Bundesgerichtshof, 09. 06. 2015, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/; siehe auch die Vereinsmitteilungen der Münchner Löwen, abrufbar unter http://www.tsv1860.org/verein/neuigkeiten. 2

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2. Begriffsklärung und rechtliche Einordnung von Beschlüssen und Beschlussmängeln Die Beschlussfassung in einem Verein bezeichnet den Vorgang der obersten Willensbildung des Vereins, der – wie bei allen Körperschaften – in der Regel mittels Mehrheitsentscheidung durch die Mitglieder oder Mitgliedervertreter stattfindet.5 Der Beschluss der juristischen Person ist mithin das, was bei der natürlichen Person eine Entscheidung oder einen Entschluss darstellt. Bei Vereinen findet die Beschlussfassung, wie regelmäßig bei juristischen Personen (vgl. § 48 Abs. 1 GmbHG, § 118 Abs. 1 AktG), üblicherweise im Rahmen von Versammlungen statt (vgl. § 32 Abs. 1 S. 1 BGB).6 Handelt es sich bei der GmbH um die Gesellschafterversammlung, bei der AG um die Haupt- oder Aktionärsversammlung, wird diese Versammlung in den Vereinen des BGB als Mitgliederversammlung bezeichnet. Der Beschluss der Mitgliederversammlung ist rechtlich als Rechtsgeschäft in Form eines Gesamtaktes körperschaftlicher Willensbildung einzuordnen.7 Daraus folgt, dass die gesetzlichen Vorschriften (und allgemeinen Grundsätze) für Rechtsgeschäfte auf den Vereinsbeschluss anwendbar sind. Die Stimmabgabe selbst stellt eine Willenserklärung dar. Ein Beschlussmangel liegt vor bei einer Verletzung des Gesetzes und der Satzung im Zusammenhang mit dem Beschluss (vgl. § 243 Abs. 1 AktG). Anders als bei den Kapitalgesellschaften8 ist darüber hinaus auch ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung oder Verfahrensordnung9 für die Mitgliederversammlung bei der Beschlussfassung als Beschlussmangel anzusehen, da sich diese Vereinsordnung an alle Mitglieder richtet und die Vorbereitung und/oder den Ablauf der Versammlung regelmäßig mit Bindungswirkung für die Gesamtheit regeln soll. Ist indessen lediglich die Stimmabgabe selbst mangelhaft, etwa weil sie anfechtbar ist oder gar angefochten wurde, hat dies nicht unmittelbar einen Beschlussmangel zur Folge.10 Die mangelhafte Stimmabgabe wirkt sich allenfalls auf das Beschlussergebnis aus. 5

Vgl. aber § 33 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB. Zu den Ausnahmen siehe § 48 Abs. 2 GmbHG, § 32 Abs. 2 BGB. 7 Vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 74. Aufl., München 2015, § 32 Rdnr. 8; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Erster Band, Zweiter Teil, Die juristische Person, Berlin/Heidelberg/New York/Tokyo, 1983, § 7 VII 1 (S. 249); Hadding, in: Soergel, BGB, Bd. 1, Allgemeiner Teil 1, 13. Aufl., Stuttgart u. a. 2000, § 32 Rdnr. 21a; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., München 2014, § 241 Rdnr. 2; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl., München 2004, § 10 Rdnr. 66. 8 Hüffer, in: Münchener Kommentar zum AktG, Bd. 4, 3. Aufl., München 2011, § 243 Rdnr. 22; Würthwein, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, Bd. 2, 3. Aufl., München 2015, § 243 Rdnr. 71. 9 Vgl. BGH NJW-RR 2001, 995; nach KG, Urteil v. 07. 02. 2011 – 24 U 156/10 (juris) stellt die Verletzung der Versammlungs- und Wahlordnung einen Verstoß gegen das Recht der Mitglieder auf gleichberechtigte Teilhabe an der vereinsinternen Willensbildung dar. 10 Da bei Vereinsbeschlüssen anders als bei der AG der Beschlussfeststellung nach h. M. keine Verbindlichkeit zukommt, sondern stets das materiell richtige Beschlussergebnis gilt, ist 6

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Beschlussmängel können als Verfahrensmängel oder Inhaltsmängel auftreten. Verfahrensmängel sind Mängel, die aus Verstößen gegen Vorgaben resultieren, die das Zustandekommen des Beschlusses betreffen, also Vorschriften zur Einberufung oder zur Durchführung der Versammlung verletzen. Einberufungsmängel sind beispielsweise die Nichtladung einzelner oder aller Mitglieder,11 eine inhaltlich nicht hinreichend bestimmte Ladung,12 die Nichteinhaltung der Ladungsfrist,13 Verstöße gegen satzungsmäßige Vorgaben zur Form der Ladung14 sowie die Ladung durch nicht legitimierte Personen oder den Vorstand in falscher Zusammensetzung.15 Durchführungsmängel sind etwa die unbillige Nichtgewährung des Rederechts, die Abhaltung der Versammlung an einem unzumutbaren Ort oder zur Unzeit16 oder die Durchführung einer Mitgliederversammlung, wenn diese satzungsmäßig durch eine Delegiertenversammlung ersetzt wurde.17 Inhaltsmängel beziehen sich ausschließlich auf den Inhalt des Beschlusses. Sie ergeben sich aus einer isolierten Betrachtung des Beschlussinhalts unter Außerachtlassung seines Zustandekommens. Beschlüsse mit Inhaltsmängeln sind daher vornehmlich Beschlüsse, die inhaltlich gegen die guten Sitten,18 gegen gesetzliche Verbote oder gegen satzungsmäßige Vorgaben zu Beschlussinhalten verstoßen.19

II. Rechtsfolge fehlerhafter Vereinsbeschlüsse 1. Ausgangsproblematik: Gesetzeslücke im Vereinsrecht Wirft man einen Blick auf das Vereinsrecht, so fällt auf, dass § 32 Abs. 1 S. 2 BGB die einzige gesetzliche Bestimmung ist, die sich mit der Rechtsfolge fehlerhafter Beschlüsse der Mitgliederversammlungen von Vereinen befasst. somit die fehlerhafte Feststellung des Beschlussergebnisses isoliert zu betrachten und nicht als Beschlussmangel einzuordnen. 11 Vgl. BGHZ 59, 369 ff. 12 BGH NJW 2008, 69 ff. 13 Vgl. OLG München, Beschluss v. 11. 05. 2015 – 31 Wx 123/15, BeckRS 2015, 09187. 14 Vgl. OLG Hamm NJW-RR 2014, 472. 15 Vgl. LG München I, Urteil v. 25. 07. 2014 – 22 O 25649/13, siehe hierzu unten IV. 16 Z. B. zur Sommerferienzeit in Bayern, hierzu BayObLG, Beschluss v. 16. 07. 2004 – 3Z BR 100/04, Rdnr. 34 (juris), wobei das BayObLG diesen Beschlussmangel als Einberufungsmangel wertet. 17 Insofern unerkannt von LG München I, Urteil v. 25. 07. 2014 – 22 O 25649/13. 18 Z. B. ein Beschluss der Mitgliederversammlung eines Landesfußballverbands, durch den eine Satzungsregelung eingeführt werden soll, nach der für die Verpflichtung eines Amateurfußballspielers als sog. Vertragsamateur eine Ausbildungsentschädigung in Höhe von ca. 12.500 Euro zu zahlen ist, vgl. hierzu BGH DStR 1999, 1781. 19 Z. B. das Überschreiten eines satzungsmäßig bestimmten Höchstbetrags zum Mitgliederbeitrag.

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Gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 BGB ist zur Gültigkeit eines Beschlusses erforderlich, dass der Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird. Hieraus ergeben sich drei Informationen: @ das Erfordernis einer Ladung („Berufung“) zur Mitgliederversammlung an alle Mitglieder, @ das Erfordernis der Bekanntgabe der Tagesordnung („Gegenstand“) und @ die Rechtsfolge im Umkehrschluss, nämlich die Ungültigkeit des Beschlusses, falls zumindest eine der beiden vorgenannten Anforderungen nicht erfüllt wird. Die Einladung zur Versammlung und die Mitteilung der Tagesordnung für die Beschlussfassung werden damit zur Voraussetzung für eine wirksame Beschlussfassung erhoben.20 Beschlüsse, die gegen die Vorgaben des § 32 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen, sind mithin nichtig.21 Dabei genügen für die Mitteilung der Tagesordnung nicht bereits lediglich pauschale Angaben.22 Da es der Zweck des § 32 Abs. 1 S. 2 BGB ist, den Mitgliedern die Möglichkeit zu bieten, über das Erfordernis ihrer Teilnahme an der Mitgliederversammlung zu entscheiden und sich ordnungsgemäß auf die Versammlung vorzubereiten, um etwa durch Diskussionsbeiträge an der Beschlussfassung mitzuwirken,23 ist es erforderlich, dass den Mitgliedern die Tagesordnungspunkte inhaltlich derart bestimmt mitgeteilt werden, dass dieses Ziel erreicht wird. Daher muss der Beschlussgegenstand in der Ladung so weit wie möglich präzisiert werden, um den Normzweck zu erfüllen.24 2. Eingeschränkte Nichtigkeit fehlerhafter Vereinsbeschlüsse Problematisch ist indessen die Rechtsfolge mangelhafter Beschlüsse der Mitgliederversammlung, soweit diese nicht gegen die explizit gesetzlich geregelten Vorgaben des § 32 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen. 20 BGHZ 59, 369 (375); OLG Frankfurt, Urteil v. 19. 12. 1984 – 9 U 107/83, Rdnr. 76 (juris); Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 1. Band, Einführungsgesetz und Allgemeiner Theil, Berlin 1899, S. 411; Säcker, Probleme der Repräsentation von Großvereinen, Überlegungen zum Urteil des OLG Frankfurt vom 19. Dezember 1984 zu gewerkschaftlichen Delegiertenversammlungen, München 1986, S. 77. 21 Vgl. BGH NJW 2008, 69 (Rdnr. 38); OLG Köln OLGZ 1984, 401; OLG Brandenburg, Urteil v. 03. 07. 2012 – 11 U 174/07, Rdnr. 68 (juris); Hadding, in: Soergel (Fn. 7), § 32 Rdnr. 14; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, Beck’scher Online Kommentar, BGB, Edition 36, München, Stand: 01. 08. 2015, § 32 Rdnr. 33. 22 Ungenügend daher: TOP Verkauf Clubhaus (BGH NJW 2008, 69); TOP Satzungsänderungen (BayObLG, Beschluss v. 09. 03. 1979 – 2 Z 47/78 [juris]). 23 Vgl. BGH NJW 1987, 1811; NJW-RR 1989, 376, 377; NJW 2008, 69; BayObLG, Beschluss v. 09. 03. 1979 – 2 Z 47/78 (juris); KG, Urteil v. 07. 02. 2011 – 24 U 156/10, Rdnr. 12 (juris); OLG Celle, FGPrax 2012, 34. 24 Vgl. BGH NJW 2008, 69.

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a) Grundsätzlich: Nichtigkeit Der Bundesgerichtshof und ihm folgend die Instanzengerichte und die herrschende Meinung gehen davon aus, dass fehlerhafte Beschlüsse in (Sport-) Vereinen (und -verbänden) grundsätzlich nichtig sind.25 Die Nichtigkeit wird vom BGH damit begründet, dass „Verstöße gegen das Gesetz, die guten Sitten oder zwingende Satzungsvorschriften […] nach den allgemeinen Regeln (§§ 134, 138 BGB) oder mit Rücksicht darauf, daß ein Mitglied nur im Rahmen der Satzung an Mehrheitsentscheidungen gebunden ist, grundsätzlich zur Nichtigkeit eines Vereinsbeschlusses“26 führen.27 b) Relevanz bzw. Kausalität bei Verfahrensfehlern Indes werden bei der Behandlung von Verfahrensmängeln insbesondere zum Schutz des Vereins im Hinblick auf die Nichtigkeitsfolge an verschiedener Stelle Einschränkungen vorgenommen. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH muss ein Verfahrensfehler für den fehlerhaften Beschluss relevant werden.28 25 BGHZ 49, 209 (211); 59, 369 (372); OLG Zweibrücken, Beschluss v. 04. 03. 2013 – 3 W 149/12, Rdnr. 7 (juris); OLG Hamm NJW-RR 2014, 472 f.; Ellenberger, in: Palandt (Fn. 7), § 32 Rdnr. 9; Hadding, in: Soergel (Fn. 7), § 32 Rdnr. 15; Prior (Fn. 2), S. 82 f., 87; Schöpflin, in: Bamberger/Roth (Fn. 21), § 32 Rdnr. 30; differenzierend Weick, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 1, Allgemeiner Teil 2, Berlin 2005, § 32 Rdnr. 26, der darauf abstellt, ob bei Verstößen gegen das Gesetz oder Satzungsbestimmung aus dem Telos der jeweiligen Vorschrift die Nichtigkeitsfolge zu entnehmen ist; kritisch: Arnold, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Fn. 2), § 32 Rdnr. 52 ff.; Grunewald (Fn. 2), S. 269 ff.; dies., ZIP 1989, 562 (567); K. Schmidt, AG 1977, 243 (251); ders., Die Beschlussanfechtungsklage bei Vereinen und Personengesellschaften (Fn. 2), S. 217 (241 f.); ders., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., Köln/Berlin/Bonn/München 2002, § 15 II 1 b aa (S. 442), dd (S. 443), § 24 III 3 e (S. 697); ders., AG 2009, 248 (252 f.); ders., Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen in gegliederten Vereinen (Fn. 2), S. 345 (351); Großkommentar AktG/ders., Bd. 7, Teil 2, 4. Aufl., Berlin 2013, § 241 Rdnr. 40; vgl. auch Segna, NZG 2002, 1048 (1053); ders. (Fn. 2), S. 238. 26 BGHZ 59, 369 (372) – eigene Hervorhebungen. 27 Das ist zweifelhaft, denn die Nichtigkeitsfolge ist jenseits von Verstößen gegen §§ 134, 138 BGB, insbesondere bei bloßen Satzungsverstößen, nicht zu begründen. Die Behandlung dieser Problematik würde indessen den hier vorgegebenen Rahmen sprengen und bleibt daher anderer Stelle vorbehalten (ausführlich dazu in meiner wohl im Jahr 2016 erscheinenden Dissertation: „Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse – Beschlussmängelfolgen und deren Geltendmachung“). 28 BGH NJW 2008, 69 (Rdnr. 44); siehe auch OLG Brandenburg, Urteil v. 03. 07. 2012 – 11 U 174/07, Rdnr. 70 (juris); OLG Brandenburg, Urteil v. 11. 09. 2012 – 11 U 80/09, BeckRS 2012, 21726; die jüngere Rechtsprechung in den Obergerichten hierzu ist noch nicht einheitlich. Dort wird zum Teil noch die Kausalität geprüft: OLG Zweibrücken, NJW-RR 2014, 1128 (1129) (versehentliche Nichtladung eines Mitglieds); OLG München, Beschluss v. 11. 05. 2015 – 31 Wx 123/15, BeckRS 2015, 09187, Rdnr. 10 (Nichteinhaltung der Ladungsfrist); vgl. auch OLG Celle, FGPrax 2012, 34 f., zum Teil die Relevanz: OLG Brandenburg, Urteil v. 11. 09. 2012 – 11 U 80/09, BeckRS 2012, 21726, zum Teil beides: OLG Brandenburg, Urteil v.

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Die Relevanz liegt vor, wenn (in wertender Betrachtung) ein objektiv urteilendes Vereinsmitglied durch den Verfahrensfehler in seinen Mitwirkungsrechten beeinträchtigt wird.29 Beispielsweise wird die Relevanz bei Nichtladung einzelner Mitglieder im Regelfall gegeben sein, da die Entscheidung des Mitglieds, an der Versammlung teilzunehmen, stets davon abhängt, dass das Mitglied überhaupt vom Stattfinden der Versammlung Kenntnis erlangt.30 Auch die Bekanntgabe einer inhaltlich nicht hinreichend bestimmten Tagesordnung ist regelmäßig relevant, da die Entscheidung der Mitglieder über die Teilnahme an der Versammlung maßgeblich von den in der Versammlung zu entscheidenden Punkten und mithin von der Kenntnis des Mitglieds abhängt.31 Zweifelhaft ist hingegen das Vorliegen der Relevanz, wenn satzungsmäßige Ladungsfristen unwesentlich unterschritten werden32 oder wenn eine andere als die satzungsmäßig bestimmte Form für die Einladung gewählt wird, die alternative Form aber keine geringere Kenntnisnahmemöglichkeit bezüglich der Einladung bietet als die satzungsmäßig vorgesehene Ladungsform.33 Die Prüfung der Relevanz kommt gleichwohl nur in Betracht, sofern möglicherweise Partizipationsinteressen der Mitglieder beeinträchtigt sind. Das ergibt sich daraus, dass im Rahmen dieser Prüfung untersucht werden muss, ob Mitglieder durch den Verfahrensfehler in ihren Mitwirkungsrechten beeinträchtigt werden. Scheidet eine Beeinträchtigung der Mitwirkungsrechte bereits von vorneherein aufgrund des Charakters des Verfahrensmangels aus, ist eine solche Prüfung nicht sinnvoll. Bei derartigen Verfahrensfehlern muss es mithin bei der Frage nach der Kausalität verbleiben. Konkret ist also zu untersuchen, ob der Verfahrensfehler für das Beschlussergebnis kausal wurde. Ein solcher Fall der von vorneherein fehlenden Beeinträchtigung von Partizipationsinteressen liegt beispielsweise vor, wenn eine Mitgliederversammlung durchgeführt wird, obwohl diese satzungsmäßig durch eine Delegiertenversammlung ersetzt worden ist, wenn also, streng genommen, eine Delegiertenversammlung durchzuführen gewesen wäre. Eine Beeinträchtigung der Partizipationsinteressen der Mitglieder durch das Abhalten einer Mitgliederversammlung kommt nicht in Frage, da die Mitglieder im Rahmen einer Mitgliederversammlung eine höhere Partizipationsmöglichkeit haben als bei einer Delegiertenversammlung. Die Kausalität fehlt indessen dann, wenn an der Mitgliederversammlung alle oder die Mehrheit der Delegierten teilgenommen und für den Beschluss gestimmt haben. 03. 07. 2012 – 11 U 174/07, Rdnr. 70 ff. (juris), zum Teil nichts von beidem: OLG Zweibrücken, Beschluss v. 04. 03. 2013 – 3 W 149/12 (juris). 29 Vgl. BGH NJW 2008, 69 (Rdnr. 44). 30 OLG Brandenburg, Urteil v. 03. 07. 2012 – 11 U 174/07, Rdnr. 72 (juris); siehe aber OLG Zweibrücken, NJW-RR 2014, 1128 (1129). 31 BGH NJW 2008, 69 (Rdnr. 44). 32 OLG Brandenburg, Urteil v. 11. 09. 2012 – 11 U 80/09, BeckRS 2012, 21726; im Ergebnis auch das OLG München, Beschluss v. 11. 05. 2015 – 31 Wx 123/15, BeckRS 2015, 09187, Rdnr. 10, das indes die Kausalität prüft. 33 Vgl. OLG Hamm NJW-RR 2014, 472.

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c) Heilungsmöglichkeit bei Einberufungsfehlern Neben der Frage nach der Relevanz besteht bei Einberufungsmängeln34 ferner die Möglichkeit, dass der Mangel geheilt wird, bevor es überhaupt zur Beschlussfassung kommt. Beachtlich ist, dass es sich hierbei nicht um eine Heilung des mangelhaften Beschlusses, sondern um eine Heilung des Beschlussmangels handelt. Die Heilung tritt dann ein, wenn die durch den Mangel betroffenen Personen, z. B. bei der Ladung vergessene Mitglieder, gleichwohl zur Versammlung erscheinen und sich, ohne den Mangel geltend zu machen (rügelos), auf die Diskussion und Beschlussfassung einlassen.35 d) Widerspruchserfordernis Rechtsprechung und herrschende Meinung verlangen zum Teil bei Vorschriften, die lediglich dem Schutz einzelner Mitglieder dienen, einen Widerspruch des betroffenen Mitglieds bzw. der betroffenen Mitglieder.36 Der Widerspruch muss bei Anwesenheit des jeweiligen Mitglieds auf der Versammlung gegenüber dem Versammlungsleiter, im Übrigen gegenüber dem Vorstand erklärt werden. Als individualschützende Vorschriften werden vor allem die satzungsmäßigen Vorgaben zu Ort und Zeit der Mitgliederversammlung, zur Frist der Ladung und zur Ladungsform bezeichnet.37 Die Abgrenzung zwischen individualschützenden und sonstigen Vorschriften ist vor allem deshalb kritisch zu sehen, weil sie nicht trennscharf möglich ist.38 Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb wertungsmäßig ein Unterschied zwischen den Fällen bestehen soll, in denen überhaupt keine Ladung erfolgt, und solchen, in denen die Ladungsfrist derart stark verkürzt wird, dass Dispositionen hinsichtlich der Mitgliederversammlung nicht mehr getroffen werden können, wenn etwa die Einladung zur Versammlung einen Tag vor der Versammlung zugeht. Gleichwohl ist aus Sicht des vorsichtigen Rechtsanwenders und -beraters bei Beschlussmängeln, die in die Nähe 34

Zum Begriff siehe oben I.2. BGHZ 59, 369 (373); OLG Frankfurt, Urteil v. 19. 12. 1984 – 9 U 107/83, Rdnr. 87 (juris); Hadding, in: Soergel (Fn. 7), § 32 Rdnr. 16; Weick, in: Staudinger (Fn. 25), § 32 Rdnr. 27; vgl. auch § 121 Abs. 6 AktG. 36 BGHZ 49, 209 (2012); 59, 369 (373); OLG Frankfurt, Urteil v. 19. 12. 1984 – 9 U 107/83, Rdnr. 86 (juris); FG Brandenburg, Urteil v. 15. 11. 2000 – 2 K 2247/09, BeckRS 2000, 21011234; Flume (Fn. 2), § 7 VII 4 (S. 253, 255); Weick, in: Staudinger (Fn. 25), § 32 Rdnr. 27. 37 Hadding, in: Soergel (Fn. 7), § 32 Rdnr. 18; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Köln 2010, Rdnr. 1995; Waldner, in: Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 19. Aufl., München 2010, Rdnr. 213 f.; das OLG München, Beschluss v. 11. 5. 2015 – 31 Wx 123/15, BeckRS 2015, 09187, Rdnr. 10 hält die Anforderungen an eine fristgerechte Ladung hingegen für Vorgaben, die dem Schutz des Interesses sämtlicher Mitglieder an einer rechts- und ordnungsgemäßen Willensbildung dienen. 38 Arnold, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Fn. 2), § 32 Rdnr. 64; Grunewald (Fn. 2), S. 269; kritisch Prior (Fn. 2), S. 85. 35

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des Verstoßes gegen individualschützende Vorschriften rücken, stets an das Widerspruchserfordernis zu denken, um die Möglichkeit zur Mangelgeltendmachung nicht zu verwirken. e) Legitimation zur Einberufung Hinsichtlich der personellen Legitimation zur Einberufung der Versammlung gilt, dass zunächst die tatsächlich gewählten und vertretungsberechtigten Personen (Vorstand) zur Einberufung der Mitgliederversammlung berechtigt sind (vgl. § 26 Abs. 2 BGB). Es handelt sich hierbei um eine Vertretung des Vereins nach innen („Binnenrepräsentation“).39 Neben den tatsächlich legitimierten Personen gelten aber auch diejenigen Personen als zur Einberufung der Versammlung legitimiert, die im Vereinsregister als vertretungsberechtigt eingetragen sind. Die aus der Registereintragung folgende unwiderlegliche Vermutung resultiert aus § 121 Abs. 2 S. 2 AktG, der als Ausprägung eines allgemeinen Grundsatzes des Körperschaftsrechts bis zur Grenze des offensichtlichen Missbrauchs40 auch im Vereinsrecht gilt.41

III. Prozessuales Vorgehen 1. Allgemeine Feststellungsklage Die Nichtigkeit mangelhafter Beschlüsse ist im Wege der allgemeinen Feststellungsklage geltend zu machen.42 Der Prozessantrag ist daher auf Feststellung zu richten, dass der genau bezeichnete Beschluss der Mitgliederversammlung des Sportvereins/-verbands XY e.V. vom … nichtig ist. Dabei wird das Feststellungsinteresse im Rahmen der Zulässigkeit der Klage durch die Rechtsprechung bereits von vorneherein pauschal beschränkt auf Vereinsmitglieder und Organe des Vereins.43 Vereinsfremden Dritten steht demnach grundsätzlich keine Möglichkeit zu, sich gegen

39 Reichert (Fn. 37), Rdnr. 1234; Schöpflin, in: Bamberger/Roth (Fn. 21), § 32 Rdnr. 9; Waldner, in: Sauter/Schweyer/Waldner (Fn. 37), Rdnr. 157. 40 Vgl. OLG Brandenburg, Urteil v. 27. 03. 2007 – 6 W 35/07, Rdnr. 28 (juris); OLG Brandenburg, Urteil v. 03. 07. 2012 – 11 U 174/07, Rdnr. 42 (juris); OLG Brandenburg, Urteil v. 11. 09. 2012 – 11 U 80/09, BeckRS 2012, 21726. 41 BayObLGZ 1972, 329 (330); BayObLGZ 1985, 24 (26 f.); KG OLGZ 1971, 480 (481); Arnold, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Fn. 2), § 70 Rdnr. 3; Noack (Fn. 2), S. 37; Schöpflin, in: Bamberger/Roth (Fn. 21), § 32 Rdnr. 7; Weick, in: Staudinger (Fn. 25), § 32 Rdnr. 8; kritisch: Prior (Fn. 2), S. 134. 42 BGH NJW 2008, 69 (Rdnr. 35); KG, Urteil v. 07. 02. 2011 – 24 U 156/10, Rdnr. 6 (juris). 43 BGH NJW 1987, 1811 („Klagebefugnis“); NJW 2008, 69 (Rdnr. 60); vgl. hierzu auch K. Schmidt, Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen in gegliederten Vereinen (Fn. 2), S. 345 (353 f.).

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die Wirksamkeit von Vereinsbeschlüssen zu wenden.44 Eine subjektive Betroffenheit des jeweiligen Mitglieds ist hingegen nicht erforderlich. Im Falle der Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses erstrecken sich die Urteilswirkungen über die Parteien hinaus umfassend auf alle Personen und Organe des Vereins.45 Dies ist nicht als Gestaltungswirkung anzusehen, sondern als Erweiterung der Rechtskraft des § 325 ZPO.46 Dieses Vorgehen hat praktisch zur Folge, dass die Feststellungsklage eines anderen Mitglieds desselben Vereins gegen den Beschluss als unzulässig abzuweisen ist, wenn sich ein Vereinsmitglied bereits erfolgreich gerichtlich gegen einen mangelhaften Beschluss gewandt hat. Die allgemeine Feststellungsklage zur Geltendmachung von Beschlussmängeln ist nicht fristgebunden.47 Die §§ 241 ff. AktG und insbesondere § 246 Abs. 1 AktG finden im Vereinsrecht nach h. M. keine Anwendung.48 Gleichwohl werden im Rahmen der Verwirkung durch die Rechtsprechung relativ strenge zeitliche Grenzen für die gerichtliche Geltendmachung von Beschlussmängeln vorgegeben.49 2. Anwendung auf Sportvereine und -verbände Insbesondere die restriktive Handhabung des Feststellungsinteresses, namentlich die Beschränkung auf Vereinsmitglieder und -organe, wird in besonderer Weise relevant bei der Frage, wer sich im Wege der Feststellungsklage gegen Beschlüsse der Mitgliederversammlungen von Sportvereinen und -verbänden wenden kann. Um dies zu veranschaulichen, sollen im Folgenden die gängigsten Organisationsmodelle 44 Weniger streng Hadding, in: Soergel (Fn. 7), § 32 Rdnr. 40; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 10. Aufl., Köln 2012, Rdnr. 874; Waldner, in: Sauter/Schweyer/Waldner (Fn. 37), Rdnr. 215a. 45 BGH NJW-RR 1992, 1209; Hadding, in: Soergel (Fn. 7), § 32 Rdnr. 40; Schöpflin, in: Bamberger/Roth (Fn. 21), § 32 Rdnr. 42; Waldner, in: Sauter/Schweyer/Waldner (Fn. 37), Rdnr. 215a; Weick, in: Staudinger (Fn. 25), § 32 Rdnr. 28; weitergehend Ellenberger, in: Palandt (Fn. 7), § 32 Rdnr. 11: für und gegen alle. 46 BGH NJW-RR 1992, 1209. 47 OLG Hamm NJW-RR 1997, 989; OLG Saarbrücken NZG 2008, 677 (679); OLG Brandenburg, Urteil v. 03. 07. 2012 – 11 U 174/07, Rdnr. 57 (juris). 48 BGH NJW 1971, 879 ff.; BGHZ 59, 369 (371 f.); BGH NJW 2008, 69 (Rdnr. 36); OLG Hamm NJW-RR 1997, 989; OLG Brandenburg, Urteil v. 03. 07. 2012 – 11 U 174/07, Rdnr. 57 (juris). 49 Vgl. OLG Hamm NJW-RR 1997, 989: Verwirkung vier Monate nach Beschlussfassung eines Verbandsehrengerichts; OLG Brandenburg, Urteil v. 03. 07. 2012 – 11 U 174/07, Rdnr. 58 (juris): keine Verwirkung bei sieben Wochen zwischen Beschlussfassung und Klageerhebung; OLG Brandenburg, Urteil v. 11. 09. 2012 – 11 U 80/09, BeckRS 2012, 21726: keine Verwirkung bei Klageerhebung von mehr als vier Monaten nach dem Vereinsbeschluss, aber nur einen Monat nach Kenntnis vom Vereinsbeschluss; das OLG Saarbrücken geht in NZG 2008, 677 (679) in einem obiter dictum bzgl. der Wahl von Vereinsorganen von einer Frist von einem Monat aus; anders noch OLG Schleswig NJW 1960, 1862, das eine Zeit zwischen Beschlussfassung und Klagezustellung von mehr als 9,5 Monaten als „keineswegs unangemessen spät“ erachtet hat.

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von Sportvereinen dargestellt werden, beginnend beim klassischen kommunalen Sportverein für nur eine Sportart über den Spartenverein, der die Ausübung vieler verschiedener Sportarten unter seinem Dach zusammenfasst, bis hin zum bundesweit tätigen Dachverband. Diese Darstellung erhebt freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da aufgrund der kautelarjuristischen Gestaltungsfreiheit, die bei Vereinen weitgehend gilt (vgl. § 40 BGB), unzählige Möglichkeiten zur vereinsinternen Organisation existieren, die in Form von Mischformen der hier vorgestellten Modelle Gestalt annehmen können. a) Klassischer Sportverein Keine wesentlichen Probleme hinsichtlich des Feststellungsinteresses bestehen beim klassischen (kommunalen) Sportverein. Die natürlichen Personen sind unmittelbar Mitglieder des Vereins und daher nach der Rechtsprechung – neben dem Vorstand – berechtigt, eine zulässige Feststellungsklage zu erheben (Abb. 1).

Abbildung 1: Klassischer Sportverein

b) Spartenverein Häufig sind kommunale Sportvereine als Gesamtvereine organisiert. Diese Form der Gestaltung einer vereinsinternen Organisation wird im Sportbereich als Spartenverein bezeichnet. Der übergeordnete Spartenverein ist dabei regelmäßig untergliedert in die einzelnen Abteilungen wie Tennisabteilung, Judoabteilung, Fußballabteilung etc. (Abb. 2). Unter diesen Abteilungen sind die jeweiligen Mitglieder zusammengefasst. Die Mitglieder sind beim Gesamtverein regelmäßig Mitglieder des übergeordneten Vereins selbst. Ob sie auch Mitglieder der einzelnen Abteilungen sind, hängt von der Satzung und der Frage ab, ob die einzelnen Abteilungen selbst (als eingetragene oder nicht-eingetragene Vereine) rechtsfähig sind.

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Abbildung 2: Spartenverein

Beim Spartenverein sind mithin neben dem Vorstand stets auch die in den einzelnen Abteilungen organisatorisch zusammengefassten Mitglieder klageberechtigt, da sie Mitglieder des übergeordneten Gesamtvereins sind. Ob auch die einzelnen Abteilungen eine Klagemöglichkeit gegen Beschlüsse der Mitgliederversammlungen des übergeordneten Vereins haben, hängt von zwei Voraussetzungen ab: Sie müssen zunächst selbst Mitglied des Gesamtvereins sein. Dies gibt bereits die restriktive Handhabung des Feststellungsinteresses durch die Rechtsprechung vor.50 Sodann ist erforderlich, dass sie rechtsfähig sind. Das wiederum ist aus prozessrechtlichen Gesichtspunkten unerlässlich (vgl. §§ 50 ff. ZPO). Die Rechtsfähigkeit der Abteilungen ist dabei unproblematisch gegeben, wenn die jeweilige Abteilung selbst als Verein im Vereinsregister eingetragen ist. Ist dies nicht der Fall, ist die Frage der Rechtsfähigkeit im Wege einer Gesamtabwägung zu beurteilen, wobei es insbesondere auf die Frage ankommt, ob die jeweilige Untergliederung die Merkmale eines nicht-rechtsfähigen Vereins erfüllt, sie also körperschaftlich organisiert ist, eigene Mitglieder hat und dauerhaft eigene Aufgaben nach außen und gegenüber dem Gesamtverein wahrnimmt.51 Das Vorhandensein einer eigenen Satzung bei der Untergliederung ist indes für die Rechtsfähigkeit nicht erforderlich.52 Es genügt, dass der Gesamtverein in seine Satzung Regeln für die Untergliederung aufge50 Vgl. BGH NJW 2008, 69 (Rdnr. 60); kritisch: K. Schmidt, Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen in gegliederten Vereinen (Fn. 2), S. 345 (362 f.). 51 BGH NJW 1987, 2223; NJW 2008, 69 (Rdnr. 50); Reichert (Fn. 37), Rdnr. 5681; Steinbeck, in: Beuthien/Gummert (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, Verein, Stiftung, 3. Aufl., München 2009, § 5a Rdnr. 2, 16 ff.; Stöber/Otto (Fn. 44), Rdnr. 1190, 1200. 52 BGH NJW 1987, 2223.

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nommen hat. Fehlt es der Untergliederung an der Rechtsfähigkeit, ist sie lediglich eine unselbstständige Verwaltungsstelle des Spartenvereins. Spiegelbildlich zur vorangestellten Frage beurteilt sich das Klagerecht der natürlichen Personen als Mitglieder gegen Beschlüsse der einzelnen Abteilungen. Auch hierzu muss zunächst ein mitgliedschaftliches, nicht bloß ein organisatorisches Verhältnis zur einzelnen Abteilung bestehen, was sich aus den entsprechenden Satzungsregelungen ergibt. Sodann muss die Untergliederung selbst rechtlich selbstständig sein, also als Verein auftreten.53 Andernfalls sind Beschlüsse der Untergliederungen dem Gesamtverein zuzurechnen und ihm gegenüber geltend zu machen.54 c) Sportverband Der Sportverband ist anders als der Spartenverein nicht in horizontaler, sondern in vertikaler Hinsicht untergliedert (Abb. 3). Häufig handelt es sich um eine geografische Untergliederung. Ein Bundesverband gliedert sich dann auf in Regionalverbände, diese wiederum in Landesverbände, diese in Kreisverbände. Deren Mitglieder sind die kommunalen Sportvereine und deren Mitglieder die einzelnen Spieler. Der Sportverband zeichnet sich dadurch aus, dass – abgesehen von der untersten Stufe – die Mitglieder der jeweils übergeordneten Ebene in der Regel lediglich Vereine der Ebene darunter, mithin juristische Personen, sind. Die Mitgliedschaft besteht regelmäßig stets nur zu einer Ebene darüber. Es handelt sich dabei um eine inverse Konzernstruktur.55 Die Mitgliedschaft besteht nicht nach unten, sondern nach oben. Entsprechend haben die natürlichen Personen bzw. Vereine stets nur ein Feststellungsinteresse bezüglich Beschlüssen der Mitgliederversammlung desjenigen Vereins/Verbands, dessen Mitglieder sie sind, also der jeweils übergeordneten Ebene. Häufig werden in solchen Verbänden die Mitgliederversammlungen satzungsmäßig durch Delegiertenversammlungen ersetzt. Ob bei Bestehen einer Delegiertenversammlung die übrigen Mitglieder sich gegen die Beschlüsse der Delegiertenversammlungen wenden können, ist umstritten.56 Richtigerweise ist allen Mitgliedern auch das Recht zuzuerkennen, sich gegen Beschlüsse der Delegiertenversammlung zu wenden, da das Vereinsrecht die Möglichkeit, Versammlungsbeschlüsse gerichtlich anzufechten, nicht von der Anwesenheit des jeweiligen Mitglieds in der Ver-

53

Vgl. BGH NJW 2008, 69 (Rdnr. 60). KG NJW 1988, 3159. 55 Vgl. K. Schmidt, Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen in gegliederten Vereinen (Fn. 2), S. 345 (358). 56 Ablehnend: Hadding, in: Soergel (Fn. 7), § 32 Rdnr. 3; Reichert (Fn. 37), Rdnr. 5774; Schöpflin, in: Bamberger/Roth (Fn. 21), § 32 Rdnr. 46; Waldner/Wörle-Himmel, in: Sauter/ Schweyer/Waldner (Fn. 37), Rdnr. 222, wobei sich die Vertreter dieser Auffassung weitgehend auf Rechtsprechung zur Genossenschaft stützen. 54

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Abbildung 3: Sportverband

sammlung abhängig macht.57 Hierin liegt der entscheidende Unterschied zum Genossenschaftsrecht und zum Aktienrecht (vgl. § 51 Abs. 2 S. 1 GenG, § 245 Nr. 1 AktG).

IV. Urteil des LG München I vom 25. Juli 2014 – 22 O 25649/13 Die Schwierigkeiten der Münchner Löwen bei der Wahl ihres Präsidiums um Herrn Gerhard Mayrhofer waren in jüngster Vergangenheit vermehrt Gegenstand von Berichterstattungen in der Presse und stehen in besonderem Zusammenhang mit dem hier besprochenen Thema. Das in diesem Kontext ergangene erstinstanzliche Urteil des Landgerichts München I hatte sich mit der Wirksamkeit der entsprechenden Präsidiumswahl (= Beschlussfassung) im Rahmen der Mitgliederversammlung der Löwen vom 14. 07. 2013 zu befassen. Zur Zeit der Erstellung dieses Beitrags ist der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz beim OLG München anhängig (Az.: 13 U 3141/14). Sowohl Sachverhalt als auch Entscheidungsgründe weisen einiges an Brisanz auf und sollen daher zunächst dargestellt (1.) und anschließend besprochen (2.) werden.58 57

So im Ergebnis auch: Reichert (Fn. 37), Rdnr. 5762; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 25), § 24 III 3 g (S. 699). 58 Namen werden dabei weitgehend durch Platzhalter ersetzt, da von der Entscheidung nur eine geschwärzte Version vorliegt.

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1. Der Fall a) Tatbestand Im Rechtsstreit ging es – wie erwähnt – um die Wirksamkeit der Wahl des Herrn Gerhard Mayrhofer nebst drei weiteren Personen zum Präsidium (so bezeichnet der Verein seinen Vorstand) des TSV München von 1860 e.V. Hierzu hielt der Verein am 13. 03. 2013 eine Aufsichtsratssitzung ab. Im Protokoll dazu wurde unter TOP 3a vermerkt: „Der Aufsichtsrat bestellt einstimmig Herrn A zum neuen Präsidenten (…) und wird ihn der Delegiertenversammlung zur Bestätigung vorschlagen“ (eigene Hervorhebung). Unter TOP 6 im Protokoll zur selben Aufsichtsratssitzung heißt es: „Der Aufsichtsrat nominiert einstimmig Herrn A zum Präsidentschaftskandidaten. Dieser wiederum ernennt zwei Vizepräsidenten und wird am 01. 04. 2013 sein neues Team vorstellen“ (eigene Hervorhebung). Hierzu bestimmte Nr. 15.2.1. der zu diesem Zeitpunkt geltenden Vereinssatzung, dass die Präsidiumsmitglieder für drei Jahre vom Aufsichtsrat bestellt und von der jeweils nächsten Delegiertenversammlung bestätigt werden. Am 02. 04. 2013 erfolgte eine weitere Aufsichtsratssitzung. In deren Protokoll ist unter TOP 4 vermerkt: „Abstimmung und Bestellung der Vizepräsidenten durch den Aufsichtsrat: Herr B und Herr C werden jeweils einstimmig zu Vizepräsidenten des (…) bestellt.“ Am 08. 04. 2013 luden die Herren A als Präsident und B und C als Vizepräsidenten zur außerordentlichen Delegiertenversammlung am 25. 04. 2013 ein. Zu diesem Zeitpunkt war nach wie vor das bisherige Präsidium D als „gewählt: Vorstand“ im Vereinsregister eingetragen. In der Delegiertenversammlung vom 25. 04. 2013 beschlossen die Delegierten zunächst eine neue Satzung, in der die Delegiertenversammlung abgeschafft und durch eine Mitgliederversammlung ersetzt wurde. Die anschließende Abstimmung zur Bestätigung des Präsidiums der Herren A, B und C führte indessen zu einem ablehnenden Beschluss. Hierzu wurde gleichwohl im Protokoll notiert: „Damit sind sowohl der Präsident als auch die Vizepräsidenten nicht in ihrem Amt bestätigt, bleibt (sic!) aber im Amt (sic!) bis ein neues Präsidium gewählt ist.“ Am 07. 05. 2013 wurde das Ausscheiden des Präsidiums D in das Vereinsregister eingetragen. Zudem erfolgte die Eintragung des Präsidiums A, B und C als „bestellt: Vorstand“. Die neue Satzung wurde am 01. 07. 2013 im Vereinsregister vermerkt. Die Einladung zur Mitgliederversammlung am 14. 07. 2013 erfolgte durch die Herren A und B im Vereinsmagazin der Löwen Ausgabe 2/13, und zwar nach ausdrücklichem Wunsch der Mitglieder entweder per Zusendung postalisch oder via Email, abgesendet jeweils am 27. 06. 2013. Nach Nr. 13.4. der alten Satzung hatte die Einladung zur Mitgliederversammlung schriftlich mit einer Frist von 14 Tagen zu erfolgen, wobei für die Rechtzeitigkeit die

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Aufgabe zur Post (Datum des Poststempels) entscheidend und der Tag der Aufgabe zur Post und der Tag der Versammlung bei der Fristberechnung nicht mitzuzählen waren. Auf der ordentlichen Mitgliederversammlung vom 14. 07. 2013 wurden nach der neuen Satzung Herr Gerhard Mayrhofer zum Präsidenten und drei weitere Personen zu Vizepräsidenten der Löwen gewählt. Hiergegen und gegen alle auf dieser Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse wandte sich das Vereinsmitglied Helmut Kirmaier im Klagewege. b) Entscheidung Das Landgericht München I stellte in seiner Entscheidung fest, dass alle in der Mitgliederversammlung vom 14. 07. 2013 gefassten Beschlüsse und Wahlen nichtig seien. Die Voraussetzungen der Präsidentenwahl in der Mitgliederversammlung richteten sich – nach Ansicht des Gerichts – nach der Altsatzung, da die Neusatzung in der Delegiertenversammlung vom 25. 04. 2013 nicht wirksam beschlossen worden sei. Auf dieser Delegiertenversammlung konnten deswegen keine wirksamen Beschlüsse gefasst werden, weil das einladende Präsidium bestehend aus A, B und C nicht die zur Einladung legitimierten Personen gewesen seien. Zum einen seien sie nicht im Vereinsregister eingetragen gewesen, so dass eine Anwendung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG ausscheide. Zum anderen seien sie auch nicht durch Wahl legitimiert gewesen, denn die Satzungsregelung der Nr. 15.2.1. der Altsatzung sehe einen zweistufigen Bestellungsakt des Vereinsvorstands vor, namentlich einen Vorschlagsakt des Aufsichtsrats und einen Bestätigungsakt der Delegiertenversammlung, wobei die Bestätigung der Delegiertenversammlung fehle. Die letztendliche Entscheidungsbefugnis der Delegiertenversammlung ergebe sich aus dem Wortlaut der Satzungsbestimmung und dem Gewicht und dem Einfluss, welche die Satzung der Delegiertenversammlung als dem obersten beschließenden Vereinsorgan beimesse. Die demnach nach der Altsatzung zu beurteilende Beschlussfassung der Mitgliederversammlung vom 14. 07. 2013 sei als nichtig zu bewerten, da im Hinblick auf diese Versammlung zwei Einberufungsfehler vorlägen. Zum einen seien die Herren A und B, die im Rahmen der Vereinszeitung zur Mitgliederversammlung einluden, hierzu nicht legitimiert gewesen, denn zunächst seien sie nach wie vor nicht wirksam zum Vorstand gewählt worden, da der Vorschlag des Aufsichtsrats nicht durch die Delegiertenversammlung bestätigt worden war (siehe oben). Sodann gelte die unwiderlegliche Vermutung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG im vorliegenden Fall nicht. Dadurch, dass der nunmehrige Vorstand als „bestellt“ und nicht mehr wie zuvor als „gewählt“ im Vereinsregister eingetragen sei, ergebe sich nämlich schon aus dem Register selbst, dass eine Wahl des Vorstands noch

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gar nicht stattgefunden habe. Diese aus dem Register offen zu Tage tretende Beschränkung der Vorstandsstellung stehe dem Schutz der Verkehrssicherheit entgegen und rechtfertige mithin, dass § 121 Abs. 2 S. 2 AktG nicht anzuwenden sei. Zum anderen entspreche die Ladung per Email nicht den satzungsmäßigen Formvoraussetzungen zur Einladung (Nr. 13.4 der Altsatzung), denn das Erfordernis eines Poststempels setze bereits denklogisch voraus, dass die Einladung postalisch erfolge. Daher genüge die Einladung per Email nicht. Das Gericht ließ offen, ob die Einladung in der postalisch zugesandten Vereinszeitung ausreichend war, denn jedenfalls aufgrund der beiden erwähnten Einberufungsmängel seien die Beschlüsse und Wahlen der Mitgliederversammlung vom 14. 07. 2013 nichtig. 2. Anmerkung Interessant ist zunächst die Auslegung der Nr. 15.2.1. der alten Satzung, wonach die Präsidiumsmitglieder vom Aufsichtsrat bestellt und von der Delegiertenversammlung bestätigt werden. Da sich die Vereinssatzung nach dem Gründungsakt verselbstständigt, ist sie objektiv aus sich heraus unter Berücksichtigung des Vereinszwecks und der berechtigten Interessen der Mitglieder auszulegen.59 Auch die tatsächlich ausgeübte Vereinspraxis kann zur Auslegung der Satzung herangezogen werden. Die Interessen und Intentionen der Gründungsmitglieder bzw. satzungsändernden Mitglieder spielen indes keine Rolle. Das Landgericht geht davon aus, dass zwei Akte erforderlich sind, bis der Vorstand wirksam im Amt ist, nämlich der Vorschlag des Aufsichtsrats und die Bestätigung durch die Delegiertenversammlung. Dabei stützt sich das Gericht maßgeblich auf den Wortlaut der Satzungsregelung und die vereinsinterne generelle Aufgabenzuweisung an die Delegiertenversammlung als oberstem beschließenden Organ. Diese Auslegung ist zweifelhaft. Der Wortlaut der Satzungsklausel selbst ist nicht eindeutig. Aus der Formulierung „bestellt“ lässt sich eher ableiten, dass bereits der Aufsichtsrat die endgültige Übertragung der Amtsstellung vornimmt. Das Gesetz geht von dieser Bedeutung des Begriffs der Bestellung aus (vgl. nur §§ 27 Abs. 1, 29 BGB, § 84 Abs. 1 S. 1 AktG). Damit ist jedoch unklar, welche Wirkung der Bestätigung durch die Delegiertenversammlung zukommen soll. Hierfür sind zwei Auslegungsvarianten denkbar. Die Bestätigung kann einerseits konstitutiv sein, wie das Gericht meint, so dass das Präsidium ohne diese Bestätigung gar nicht erst die Organstellung erhält. Sie kann aber auch die Bedeutung haben, dass bei Versagung dieser Bestätigung das allein durch den Aufsichtsrat bestellte Präsidium alsbald neu zu wählen ist, aber gleichwohl die Amtsstellung bis zu dieser Neuwahl innehat. Für die erste Auslegungsvariante spricht die grundsätzlich primäre Kompetenzzuweisung für Grundlagenbeschlüsse an die Mitglieder- bzw. Delegiertenversamm59

Ellenberger, in: Palandt (Fn. 7), § 25 Rdnr. 4.

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lung (so auch das Gericht). Der Wortlaut der Satzungsregelung spricht indes mehr für die zweite Auslegungsmöglichkeit, der zufolge alleine der Aufsichtsrat das Präsidium „bestellt“. Hierbei ist zudem zu beachten, dass eine primäre Kompetenzzuweisung zur Mitglieder- bzw. Delegiertenversammlung im Verein zwar den Regelfall darstellt. Es steht jedoch gleichwohl zur Disposition des jeweiligen Vereins, Abweichungen vorzunehmen. § 32 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, dass die Angelegenheiten des Vereins, soweit sie nicht von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet werden. Die Norm zeigt, dass die oberste Stellung der Mitgliederversammlung bzw. hier der Delegiertenversammlung abdingbar ist. Eine solche Abbedingung haben die Löwen vorgenommen, indem sie einen Aufsichtsrat installiert und ihm gewisse Aufgaben zugewiesen haben, namentlich die Bestellung des Präsidiums. Diese Sichtweise steht im Einklang mit verbandsrechtlichen Vorgaben. Anhang III zur Lizenzierungsordnung des DFB-Ligaverbandes enthält Empfehlungen für eine einheitliche Gestaltung der Satzungen aller Bundesligavereine. Darin ist vorgesehen, dass der Aufsichtsrat den Vorstand bestellt und überwacht. Hinzu kommt, dass auch in der Aktiengesellschaft der Vorstand durch den Aufsichtsrat bestellt wird (vgl. § 84 Abs. 1 S. 1 AktG). Dieses Organisationsmodell haben sich die Löwen augenscheinlich zum Vorbild genommen. In der Vergangenheit war es bei den Löwen gängig, dass das noch nicht von der Delegiertenversammlung bestätigte Präsidium zur Delegiertenversammlung eingeladen und die Geschäfte aufgenommen hat und im Vereinsregister eingetragen war. Daher ist es naheliegender, in der Bestätigung durch die Delegiertenversammlung lediglich eine Kompetenz zur Forderung einer Neuwahl des durch den Aufsichtsrat bestellten Präsidiums zu sehen. Doch selbst wenn man die Auslegung des Landgerichts zugrunde legt, der zufolge zur Bestellung des Präsidiums zwei Akte erforderlich sind, lässt sich mit der Argumentation des Gerichts jedenfalls nicht die Nichtigkeit der Wahl des Präsidiums Mayrhofer begründen. Das Präsidium A, B und C mag dann zwar mangels der insofern erforderlichen Bestätigung durch die Delegiertenversammlung bei der Einladung zur Mitgliederversammlung vom 14. 07. 2013 noch nicht wirksam im Amt gewesen sein. Indes war es im Vereinsregister eingetragen. Dann gilt die unwiderlegliche Vermutung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG, wonach die im Vereinsregister eingetragenen Personen als zur Ladung legitimiert gelten. Diese Vorschrift ist, anders als das Landgericht meint, im vorliegenden Fall nicht deswegen unanwendbar, weil sich aus der Eintragung „bestellt: Vorstand“ ein Legitimationsdefizit bereits unmittelbar aus dem Vereinsregister ergebe, welches dessen Rechtsschein zerstöre. Diese Auffassung ist nicht nachzuvollziehen, denn die „Bestellung“ ist, wie bereits erwähnt, der gesetzlich verwendete Begriff für die wirksame Übertragung der Organstellung (§§ 27 Abs. 1, 29 BGB, § 84 Abs. 1 S. 1 AktG). Er kann mitnichten ein offensichtliches Legitimationsdefizit begründen.

Beschlussmängel in Sportvereinen und -verbänden

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Ferner war die Einladung im Rahmen der Vereinszeitschrift, die den Mitgliedern per Email oder postalisch zuging, nicht formwidrig. Wie sich bereits aus dem Tatbestand der Entscheidung ergibt, erfolgte der Versand per Email nur an diejenigen Mitglieder, die damit ausdrücklich einverstanden waren. Es liegt insofern also ein Dispens hinsichtlich der satzungsmäßigen Formvorschrift vor, der einem Formmangel der Ladung entgegensteht. Selbst einen Formmangel unterstellt, hätte das Gericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH die Relevanz des Verfahrensmangels prüfen müssen (siehe oben). Bei einer Zusendung der Einladung zur Mitgliederversammlung per Email statt postalisch bestehen erhebliche Zweifel am Vorliegen der Relevanz. Das Gericht hat im Übrigen offen gelassen, ob das Zusenden der Vereinszeitschrift den satzungsmäßigen Formvorgaben an die Einladung zur Mitgliederversammlung genügt. Das ist der Fall. Die Vereinszeitschrift wurde postalisch versandt. Im Übrigen wahrt sie auch das satzungsmäßige Schriftformerfordernis. Da es sich dabei nämlich um eine rechtsgeschäftlich bestimmte Form handelt, ist § 127 Abs. 2 BGB anwendbar, so dass es einer eigenhändigen Unterschrift durch das Präsidium nicht bedarf.60 Schließlich folgt aus der Ladung im Rahmen der Zeitschrift anstelle eines Briefs kein Defizit hinsichtlich der Kenntnisnahmemöglichkeit,61 denn die Vereinszeitschrift enthielt bereits auf dem Deckblatt einen deutlichen Hinweis auf die in der Zeitschrift enthaltene Einladung zur Mitgliederversammlung.62 Das Landgericht hätte jedoch in Konsequenz seiner Auslegung der Nr. 15.2.1 der alten Satzung einen Satzungsverstoß feststellen müssen, weil nach der alten Satzung eine Delegiertenversammlung durchzuführen war, gleichwohl eine Mitgliederversammlung durchgeführt wurde. Dieser Satzungsverstoß führt indes nur dann zur Nichtigkeit des Beschlusses, wenn er kausal ist, d. h. sich auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat. Eine Prüfung der Relevanz kommt mangels Beeinträchtigung der Partizipationsinteressen der Mitglieder nicht in Betracht (siehe oben). Das Abhalten der Mitgliederversammlung anstatt der Delegiertenversammlung war nur dann kausal, wenn nicht die Mehrheit der Delegierten an ihr teilgenommen und für den Beschluss gestimmt hat. Dies ist eine Sachverhaltsfrage, die hier nicht beantwortet werden kann.

V. Schlussbemerkung und Ausblick Die vorstehenden Ausführungen, insbesondere der anschauliche Fall betreffend die Münchner Löwen, haben gezeigt, dass im Bereich der Beschlussmängel von Vereinen zwar eine relativ stringente Rechtsprechung durch den BGH vorliegt, die in der Literatur weitgehend auf Zustimmung stößt, diese indessen von den Instanzengerich60 BGH NJW-RR 1996, 866; OLG Zweibrücken, Beschluss v. 04. 03. 2013 – 3 W 149/12, Rdnr. 7 (juris). 61 Vgl. OLG Zweibrücken, NJW-RR 2014, 1128. 62 Das Vereinsheft ist abrufbar unter http://www.tsv1860.org.

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ten nicht immer konsequent umgesetzt wird. Hiervon betroffen ist insbesondere die Frage nach der Relevanz bzw. Kausalität der Beschlussmängel. Auch im Hinblick auf das Widerspruchserfordernis bei individualschützenden Verfahrensvorschriften bestehen weitere Unklarheiten. Die spärlichen gesetzlichen Regelungen bezüglich der Beschlussfassung im Vereinsrecht tragen nicht unerheblich zu einer gewissen Rechtsunsicherheit bei. Dabei hat die Beschlussfassung als die oberste Willensbildung des Vereins maßgebliche Bedeutung für die Geschicke der Vereinigung. Nicht zuletzt veranschaulicht der Fall der Löwen par excellence, welchen erheblichen organisatorischen und finanziellen Aufwand ein Rechtsstreit um die Wirksamkeit von Beschlüssen mit sich bringen kann, insbesondere wenn die Wahl des Vorstands oder grundlegende Satzungsänderungen betroffen sind. Der vorliegende Beitrag hat sich zum Ziel gesetzt, die aktuelle Rechtslage hinsichtlich der Rechtsfolge und Behandlung fehlerhafter Beschlüsse von Sportvereinen und -verbänden anschaulich darzustellen. Ausgeblendet wurden daher die hierbei weiter auftretenden Probleme und größeren Fragestellungen, insbesondere dogmatische Unklarheiten hinsichtlich der Begründung der umfassenden Nichtigkeitsfolge, der pauschalen Beschränkung des Feststellungsinteresses, der engen zeitlichen Grenze für die klageweise Geltendmachung von Beschlussmängeln und des Widerspruchserfordernisses trotz grundsätzlich angenommener Nichtigkeit. Die Behandlung dieser Fragen soll anderer Stelle vorbehalten bleiben.63

63 Vertiefend daher meine wohl im Jahr 2016 erscheinende Dissertation mit dem Arbeitstitel: „Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse – Beschlussmängelfolgen und deren Geltendmachung“.

Meca-Medina Europäisches Kartellrecht und Sport Stefan Horn I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meca-Medina: Paradebeispiel für den Grundkonflikt zwischen der Reglementierung des Sports und dem freien Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sportverbände als Normadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Relativer Unternehmensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verband oder Mitglieder als Normadressaten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sportregeln als Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Selbstständigkeitsposulat als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Drittwettbewerbskonstellationen im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Behandlung des Drittwettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtfertigung von Wettbewerbsbeschränkungen durch legitime Ziele des Sports 1. Rule of Reason und Immanenztheorie (teleologische Reduktionen des Kartellverbots) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigung von Kartellverstößen (Übertragung der Dogmatik der Grundfreiheiten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kartellrechtliche Bewertung von Sportverbandsregeln nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die besonderen Merkmale des Sports nach Art. 165 AEUV . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verbandsautonomie nach Art. 12 GrCH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Bedeutung der Meca-Medina-Rechtsprechung für die Anwendung des nationalen Kartellrechts auf den Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Das Meca-Medina-Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 20061 stellt das Leiturteil für die Anwendung des europäischen Kartellrechts auf die Organisation des Sports durch dessen Verbände dar. In Deutschland ist die Bedeutung des Kartellrechts für den Sportsektor zuletzt wieder in den Fokus geraten, nachdem das Oberlandesgericht München im Pechstein-Verfahren die Schiedsvereinbarung des Internationalen Eisschnelllaufverbands (ISL) für kartellrechtswidrig erklärt hat.2 1 2

EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991 ff. – Meca-Medina. OLG München, 15. 1. 2015, NZKart 2015, 198 ff. – Pechstein.

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Sollte der Bundesgerichtshof das Zwischenurteil des Münchener Oberlandesgerichts bestätigen, kann dies zu einer erheblichen Zunahme kartellrechtlicher Verfahren vor ordentlichen Gerichten in Deutschland führen. Das Kartellrecht bietet dabei für Athleten und Klubs, aber auch für Investoren, Spielervermittler und weitere Akteure des Sportsektors ein scharfes Schwert gegen sportverbandliche Reglementierung und Ausnutzung von Marktmacht. Das Meca-Medina-Urteil stellt hierbei den Leitfaden für die Lösung des Konflikts zwischen Sportorganisation und freiem Wettbewerb dar und soll daher im Folgenden näher beleuchtet werden. Zunächst wird der Grundkonflikt zwischen der Organisation des Sports und den Wettbewerbsregeln skizziert, der sich im Sachverhalt des Meca-Medina-Verfahrens widerspiegelt (unter II.). Sodann wird auf einen ersten Problempunkt bei der Anwendung des Kartellrechts auf den Sport eingegangen, nämlich die Frage, ob Sportverbände bei Erlass und Durchsetzung ihrer Regelwerke überhaupt Adressaten der europäischen Wettbewerbsregeln sind (unter III.). Hieran schließt sich die Frage an, in welcher Weise sportverbandliche Regelwerke den Wettbewerb beschränken können (hierzu unter IV.) und ob legitime Ziele von Regelwerken hierbei zu berücksichtigen sind (unter V.). Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf die Bedeutung der MecaMedina-Rechtsprechung für die Anwendung des nationalen Kartellrechts auf den Sport (unter VI.) sowie einer Zusammenfassung der Ergebnisse (unter VII.).

II. Meca-Medina: Paradebeispiel für den Grundkonflikt zwischen der Reglementierung des Sports und dem freien Wettbewerb Zwischen der Organisation des Sports und dem freien Wettbewerb, wie ihn die nationalen und europäischen Wettbewerbsvorschriften schützen, besteht ein permanenter Konflikt und der Sachverhalt des Meca-Medina-Verfahrens bildet diesen Konflikt par excellence ab: Auf der einen Seite steht ein Sportverband, die Fédération Internationale de Natation (FINA), der Anti-Doping-Bestimmungen anwendet, nach denen bei Überschreitung eines bestimmten Schwellenwerts von Nandrolon im Urin ein Athlet für vier Jahre gesperrt wird. Ihm gegenüber stehen die beiden Langstrecken-Schwimmer David Meca-Medina und Igor Majcen, die im Jahr 1999 vom Schwimmverband aufgrund einer positiven Dopingprobe für vier Jahre gesperrt wurden, sodass sie ihren Beruf nicht weiter ausüben konnten und daher in der Folge auch für Sponsoren nicht mehr interessant waren. Die beiden Athleten wehrten sich gegen diese Sperre vor dem Court of Arbitration for Sport (CAS) und erreichten eine Reduktion der Sperre auf zwei Jahre. Mittlerweile hatten wissenschaftliche Tests gezeigt, dass der Verzehr unkastrierter Keiler zu endogen erzeugten Werten oberhalb des in den Anti-Doping-Bestimmungen festgelegten Schwellenwerts führen kann.3 Trotz der 3

EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 11 – Meca-Medina.

Meca-Medina

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Herabsetzung der Sperre legten die Athleten 2001 bei der Kommission Beschwerde gegen die Anti-Doping-Bestimmungen und deren Anwendung ein, indem sie einen Verstoß der Bestimmungen gegen Art. 101 AEUV und Art. 102 AEUV rügten. Die Kommission wies die Beschwerde zurück, weil die FINA im Hinblick auf den Erlass und die Durchsetzung der Anti-Doping-Bestimmungen bereits kein Unternehmen im Sinne des Art. 101 AEUV sei.4 Gegen die Entscheidung der Kommission legten die Athleten sodann Klage vor dem Gericht erster Instanz ein, das die Klage abwies. Es kam zu dem Ergebnis, dass Anti-Doping-Bestimmungen nicht einmal in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fielen, da diese „als rein sportliches Regelwerk“ nicht Teil des Wirtschaftslebens i.S.v. Art. 2 EGV seien.5 Die gegen dieses Urteil gerichtete Klage führte sodann zum im Folgenden näher beleuchteten Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Der Sachverhalt im Fall Meca-Medina weist zunächst einmal auf die Eigenheiten des Sports hin. Dort gilt: Kein Spiel ohne Regel. Ein Leistungsvergleich kommt nicht ohne einen Konsens über den Gegenstand des Vergleichs aus. Athleten müssen sich einigen, nach welchen Regeln gespielt wird, welche Techniken erlaubt und welche leistungsfördernden Substanzen verboten sind. Das dem Sport immanente Bedürfnis nach globalem Leistungsvergleich, das durch Olympische Sommer- und Winterspiele sowie internationale Meisterschaften befriedigt wird, führt darüber hinaus zur Notwendigkeit einer globalen Regelsetzung durch die Verbände. Hierbei lässt sich in den vergangenen Jahren eine zunehmende Regelungsbreite und -tiefe beobachten.6 Beispielhaft genannt seien das Financial Fair Play der UEFA7, die 50+1-Regel der DFL8 oder das Spielervermittler-Reglement der FIFA.9 Gleichzeitig gehen diese Regeln von Sportverbänden aus, denen aufgrund des Ein-Verbands-Prinzips10 eine Monopolstellung zukommen kann. Die Regeln sind damit für ihre Adressaten unausweichlich, wenn sie sich im Sportsektor betätigen wollen. Auf der anderen Seite sind da die Regeln zum Schutz des Wettbewerbs nach Art. 101 und Art. 102 AEUV. Das Kartellverbot des Art. 101 AEUV hat das sog. Selbstständigkeitspostulat zum Grundsatz. Danach hat jeder Marktteilnehmer sein Marktverhalten autonom zu be4

Kommission, 1. 8. 2002, COMP/38158, Rn. 38 – Meca-Medina. EuG, 30. 9. 2004, Rs. T-313/02, Slg. 2004, II-3291, Rn. 44 ff. – Meca-Medina. 6 Gardiner, Sports Law, 4. Aufl. 2012, S. 65 ff. 7 Siehe hierzu die Art. 53 ff. der UEFA Club Licensing and Financial Fair Play Regulations 2015, abrufbar unter: http://www.uefa.org/ (alle Internetseiten zuletzt abgerufen am 24. 11. 2015). 8 Siehe § 8 Ziff. 2 der Satzung des Ligaverbands 2015, abrufbar unter: http://www.bundesli ga.de. 9 Siehe das FIFA-Reglement zur Arbeit mit Vermittlern 2015, abrufbar unter: http://de.fifa. com/. 10 Ausführlich hierzu Vieweg, Normsetzung und -anwendung, 1990, S. 61 ff. 5

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stimmen.11 Daran fehlt es, wenn Wettbewerber ihre Preise absprechen; daran fehlt es aber auch – und dies sind die im Sportsektor regelmäßig relevanten Konstellationen –, wenn Marktakteure ihr Marktverhalten Regeln anpassen (müssen). Um bei den bereits genannten Beispielen zu bleiben: Athleten können bei einer Sperre nicht mehr an Wettkämpfen teilnehmen, ein Fußballklub wird durch die Breakeven-Vorschrift des Financial Fair Play gehindert, einen Spieler für seine Mannschaft zu verpflichten,12 ein Mäzen unterlässt ein Investment in einen Fußballklub, weil ihm die 50+1-Regel die Sicherheit nimmt, den Klub nach seinen Vorstellungen führen zu können, und das Spielervermittler-Reglement der FIFA beeinflusst die Einnahmen der Agenten, weil sich die Provision faktisch an einem bestimmten Prozentsatz des Marktwerts des transferierten Athleten orientiert.13 In all diesen Fällen führen die Regeln zu einem veränderten Marktverhalten und sind daher kartellrechtlich bedenklich. Hinzu kommt die Bedeutung des Missbrauchsverbots nach Art. 102 AEUV für den Sportsektor. Dieses schützt Marktteilnehmer vor der Ausnutzung der Marktmacht durch das marktbeherrschende Unternehmen. Marktbeherrscher trifft insoweit eine besondere Verantwortung für den bestehenden (Rest-)Wettbewerb auf dem beherrschten Markt.14 Marktverhalten, das einem Unternehmen ohne Marktmacht erlaubt wäre, ist dem Marktbeherrscher versagt.15 Das bereits angesprochene Ein-Verbands-Prinzip darf in diesem Zusammenhang allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung stets eine Abgrenzung des sachlich und räumlich relevanten Marktes vorauszugehen hat.16 Zwar kann bei den häufig relevanten Veranstaltungsmärkten durchaus eine Marktabgrenzung angezeigt sein, bei der dem Verband als Veranstalter am Ende eine Monopolstellung zukommt, weil der sportliche Wettkampf aus Sicht der Athleten eine solch herausragende Bedeutung hat, dass er nicht mit anderen Sportwettkämpfen austauschbar ist 11 EuGH, 16. 12. 1975, Rs. 40/73 u. a., Slg. 1975, 1663 Rn. 173 f. – Suiker Unie; EuGH, 14. 7. 1981, Rs. 172/80, Slg. 1981, 2021, Rn. 13 f. – Züchner/Bayerische Vereinsbank; EuGH, 31. 3. 1993, Rs. C-89/85 u. a., Slg. 1993, I-1307, Rn. 63 – Ahlström; siehe hierzu auch Langen/ Bunte-Hengst, Europäisches Kartellrecht, Bd. 2, 12. Aufl. 2014, Art. 101 AEUV, Rn. 175 ff. 12 Nach Art. 61 der Financial-Fair-Play-Regeln der UEFA dürfen im Grundsatz die Ausgaben während einer bestimmten Periode die Einnahme eines Klubs um nicht mehr als 5 Millionen Euro übersteigen. 13 Vgl. zur Umsetzung des Reglements durch den DFB und deren Kartellrechtswidrigkeit die Entscheidung des LG Frankfurt, 29. 4. 2015, BeckRS 2015, 11044 ff. 14 EuGH, 9. 11. 1983, Rs. 322/81, Slg. 1983, 3461, Rn. 57 – Michelin; EuGH, 2. 4. 2009, Rs. C-202/07 P, Slg. 2009, I-2369, Rn. 105 – France Télécom; EuGH, 27. 3.2012, Rs. C-209/ 10, Rn. 23 – Post Danmark; siehe hierzu auch Langen/Bunte-Bulst (Fn. 11), Art. 102 AEUV, Rn. 85. 15 EuG, 30. 1. 2007, Rs. T-340/03, Slg. 2007, II-107, Rn. 186 – France Télécom; Langen/ Bunte-Bulst (Fn. 11), Art. 102 AEUV, Rn. 85. 16 EuGH, 14. 2. 1978, Rs. C-27/76, Slg. 1978, 207, Rn. 44 – United Brands; EuGH, 13. 2. 1979, Rs. C-85/76, Slg. 1979, 461, Rn. 21 – Hoffmann-La Roche; EuGH, 11. 12. 1980, Rs. C-31/80, Slg. 1980, 3775, Rn. 25 – L’Oréal; siehe hierzu auch Grabitz/Hilf/Nettesheim-Jung, Das Recht der Europäischen Union, Stand: April 2015, Art. 102 AEUV, Rn. 34.

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(zu denken ist hier an die Olympischen Sommer- und Winterspiele, Welt- und Europameisterschaften).17 Denkt man dagegen z. B. an das Hamburger Tennis Turnier am Rothenbaum – dessen Degradierung von einem Turnier der 1000er Serie auf die 500er Serie durch die International Tennis Federation (ITF) vor einigen Jahren zu einer in den USA verhandelten Kartellrechtsklage des Deutschen Tennisbunds gegen die ITF führte18 –, lässt sich ein erheblicher internationaler Wettbewerbsdruck für die Turnierveranstalter durch parallel oder versetzt stattfindende Turniere feststellen. Hinzu kommt beim Tennissport der sog. Superstar-Effekt,19 sodass den Topspielern (und Zuschauermagneten) wie Rafael Nadal und Co. hohe Antrittsgelder gezahlt werden müssen. Ganz offensichtlich haben hier also die Athleten Marktmacht und nicht der Veranstalter. Dieses Beispiel zeigt also, dass gerade bei der Marktabgrenzung und der damit verfolgten Feststellung von Marktmacht stets eine Einzelfallprüfung der tatsächlichen Marktverhältnisse vorgenommen werden muss. Liegt indes eine marktbeherrschende Stellung vor, stellt sich die Frage ihres Missbrauchs durch den Verband. Im Pechstein-Verfahren hat das Oberlandesgericht München einen solchen (Konditionen-)Missbrauch bezüglich der Schiedsvereinbarung bejaht, weil die Pflicht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung, nach der es den Verbänden möglich ist, die Mehrzahl der Schiedsrichter zu bestimmen, in einem wettbewerblich geprägten Markt gegenüber Athleten nicht durchsetzbar sei.20 Es wird also ein Vergleich gezogen zwischen der tatsächlichen Marktsituation und einem Markt, auf dem wirksamer Wettbewerb herrscht.21 Hierdurch wird erreicht, dass auch auf Märkten, auf denen kein wirksamer Wettbewerb herrscht, jedenfalls die Marktergebnisse (z. B. Preise, Konditionen) denen eines wettbewerblichen Marktes entsprechen. Die Thematik eines Ausbeutungsmissbrauchs könnte sich auch bei den (neuen) Anti-Doping-Bestimmungen der WADA stellen.22 Die Frage lautete dann, ob eine vierjährige Sperre23 auch bei (gedachtem) Wettbewerb zwischen Sportverbänden durchsetzbar wäre.

17

Vgl. Schroeder, WRP 2006, 1327, 1330. Deutscher Tennis Bund v. ATP Tour, Inc., 610 F. 3d 820 (2010); zum Urteil Rodenberg/ Wertheim, WSLR 2011, Vol. 9, No. 1, 14 ff. 19 Siehe hierzu Lucifora/Simmons, J. Sports Econ. 2003(4), 35, 51 f.; Rosen, 71(5) American Economic Review, 1981, 845, 846 f. 20 OLG München, 15. 1. 2015, NZKart 2015, 200 – Pechstein. 21 Dieser Prüfungsmaßstab überzeugt und entspricht demjenigen bei der Feststellung eines Preismissbrauchs; dagegen nimmt die Rechtspraxis bei Art. 102 AEUV i. d. R. eine Interessenabwägung vor, um Konditionenmissbräuche festzustellen; siehe hierzu Langen/BunteBulst (Fn. 11), Art. 102 AEUV, Rn. 177; Bechtold, GWB, 7. Aufl. 2013, § 19 GWB, Rn. 55. 22 Der World Anti Doping Code 2015 (WADC 2015) ist abrufbar unter: https://www.wadaama.org/. 23 Art. 10.2.1. WADC 2015. 18

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III. Sportverbände als Normadressaten Eine zentrale Frage bei der Anwendung des europäischen Kartellrechts auf die Organisation des Sports ist, ob die Sportverbände überhaupt Adressaten der Wettbewerbsregeln sind. Wie bereits erwähnt, hatte die Kommission im Meca-Medina-Verfahren diese Frage verneint und die Beschwerde der beiden Athleten aus diesem Grund abgewiesen.24 Beschränkungen des Wettbewerbs können nämlich nur von Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen nach Art. 101 AEUV und der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV kann nur von einem Unternehmen ausgehen.

1. Relativer Unternehmensbegriff Unternehmen sind eine Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung.25 Dabei gehen Rechtsprechung, Kommission und Lehre davon aus, dass ein und derselbe Rechtsträger sowohl ein Unternehmen als auch kein Unternehmen sein kann (relativer Unternehmensbegriff).26 Beim relativen Unternehmensbegriff wird die Adressatenstellung des Rechtsträgers durch eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit begründet. Eine wirtschaftliche Tätigkeit wird definiert als Anbieten und Nachfragen von Gütern oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt.27 Wesentliches Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit ist somit der Marktbezug.28 Die kommerzielle Veranstaltung von Sportwettkämpfen,29 die Vermarktung von Übertragungsrechten,30 der Abschluss von Werbe24

Kommission, 1. 8. 2002, COMP/38158, Rn. 38 – Meca-Medina. EuGH, 10. 9. 2009, C-97/08 P, Slg. 2009, I-8237, Rn. 54 – Akzo Nobel; EuGH, 11. 7. 2006, Rs. C-205/03 P, Slg. 2006-I, 6295, Rn. 25 – FENIN; EuGH, 23. 4. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, Rn. 21 – Höfner und Elser; EuG, 12. 12. 2006, Rs. T-155/04, Slg. 2006, II-4797, Rn. 50 – SELEX; Kommission, 11. 7. 2007, KOM(2007) 391 final „Weißbuch Sport“ Anhang I: Sport und EU-Wettbewerbsvorschriften S. 74. 26 EuGH, 1. 7. 2008, Rs. C-49/07, Slg. 2008, I-4863, Rn. 25 f. – MOTOE; EuGH, 16. 3. 2004, Rs. C-264/01, Slg. 2004, I-2593, Rn. 58 – AOK; vgl. EuGH, 11. 10. 1983, Rs. C-210/81, Slg. 1983, 3045, Rn. 3 – Demo-Studio Schmidt; Kommission, 1. 8. 1990, ABl. 1990 L 233/19, Rn. 6 – Eilkurierdienst spanische Post; Werner, Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit im europäischen Kartellrecht, 2012, S. 25; Weiß, Der Unternehmensbegriff im europäischen und deutschen Kartellrecht, 2012, S. 95 f.; Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit im Unternehmensbegriff des Europäischen Kartellrechts, 2011, S. 42 f.; FK-Roth/Ackermann, in:Frankfurter Kommentar Kartellrecht, Stand: Oktober 2011, Art. 81 Abs.1 EG Grundfragen, Rn. 33 ff.; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, S. 178; Rittner/Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 7. Aufl. 2008, § 6, Rn. 9 ff. 27 EuGH, 19. 2. 2002, Rs. C-309/99, Slg. 2002, I-1577, Rn. 47 – Wouters; EuGH, 18. 6. 1998, Rs. C-35/96, Slg. 1998, I-3886, Rn. 36 – Zollspediteure; EuGH, 16. 6. 1987, Rs. C-118/ 85, Rn. 7 – Kommission/Italien. 28 Werner (Fn. 26), S. 34. 29 EuGH, 1. 7. 2008, Rs. C-49/07, Slg. 2008, I-4863, Rn. 25 f. – MOTOE. 25

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verträgen,31 Merchandising,32 oder die Verpflichtung von Sportlern für Mannschaften33 sind einige wichtige Beispiele, die unstreitig wirtschaftliche Tätigkeiten darstellen und die daran beteiligten Verbände bzw. Klubs zu Unternehmen machen. Auch die Verleihung hoheitlicher Befugnisse lässt die Unternehmensstellung eines Sportverbands nicht entfallen, wie der EuGH in der Rechtssache MOTOE bestätigte.34 Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass es sich bei den genannten Tätigkeiten nicht um die – in diesem Beitrag im Vordergrund stehende – Organisation des Sports selbst handelt. Eine nachgelagerte Frage ist, ob die bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit, die die Unternehmenseigenschaft begründet, auch diejenige wirtschaftliche Tätigkeit ist, deren wettbewerbsrechtliche Konformität überprüft werden soll. Damit würde bereits im Rahmen des Unternehmensbegriffs das wettbewerbsrechtlich zu beurteilende Verhalten determiniert.35 Hierfür spricht, dass andernfalls ein Verhalten wettbewerbsrechtlich überprüft werden könnte, bei dem nicht feststeht, dass diesbezüglich die Unternehmenseigenschaft vorliegt. Zudem sind die Tatbestandsmerkmale der Wettbewerbsbeschränkung und des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie sich auf ein marktrelevantes Verhalten und damit auf eine wirtschaftliche Tätigkeit beziehen.36 Daher ist bei der Bestimmung der Unternehmenseigenschaft stets auf diejenige Tätigkeit abzustellen, deren Konformität mit den Wettbewerbsregeln überprüft werden soll.37 Somit wäre es verfehlt, die Unternehmenseigenschaft eines Verbands mit seiner Tätigkeit als Vermarkter von Sportveranstaltungen zu begründen und dann die Anti-DopingRegeln des Verbands auf ihre Vereinbarkeit mit den Art. 101, 102 AEUV zu beurteilen. Auch der bloße Hinweis auf die Art der Finanzierung oder die Organisation als (ggf. sogar börsennotierte) Kapitalgesellschaft führt nicht weiter.38

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Kommission, 22. 3. 2006, COMP/38173, Rn. 32 ff. – FA Premier League; Kommission, 23. 7. 2003, ABl. 2003 L 291/25, Rn. 136 ff. – UEFA Champions League. 31 Kommission, 11. 7. 2007, KOM(2007) 391 final „Weißbuch Sport“ Anhang I: Sport und EU-Wettbewerbsvorschriften, S. 75. 32 Vgl. hierzu U.S. Supreme Court, 24. 5. 2010, „American Needle/NFL“, WuW 2010, 855, 857. 33 Generalanwalt Lenz, Schlussanträge vom 20. 9. 1995, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Rn. 262 – Bosman. 34 Vgl. hierzu EuGH, 19. 2. 2002, Rs. C-309/99, Slg. 2002, I-1577, Rn. 65 ff. – Wouters; Gilliams, in: European competition law annual 2004, S. 295, 302 ff. 35 Vgl. FK-Roth/Ackermann (Fn. 26), Art. 81 Abs.1 EG Grundfragen, Rn. 35: „[…] immer beschränkt sich die so begründete Adressatenstellung […] auf die die Unternehmereigenschaft konstituierende Tätigkeit.“ 36 Weiß (Fn. 26), S. 97. 37 Subiotto, ECLR 2010, 31(8), 323, 327. 38 So z. B. Schwarze/Hetzel, EuR 2005, 581, 589; Stix-Hackl/Egger, ECLR 2002, 23(2), 81, 84.

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2. Wirtschaftliche Tätigkeit Die Beachtung des relativen Unternehmensbegriffs erhöht den Begründungsaufwand dafür, dass es sich bei der betroffenen Organisationsregel eines Verbands um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, denn unter die Definition von wirtschaftlicher Tätigkeit als das Anbieten oder Nachfragen von Gütern oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt können z. B. Anti-Doping- oder Spielervermittler-Regelungen jedenfalls prima facie schwerer subsumiert werden. Ein anderer Ansatz wird in der Literatur verfolgt, nach dem es für die Begründung der Unternehmenseigenschaft genügen soll, wenn die betroffene Verbandsregelung geeignet ist, einen Markt für Dritte mittelbar zu beeinflussen.39 So stellen nach dieser Ansicht Anti-Doping-Regeln deshalb eine wirtschaftliche Betätigung von Verbänden dar, weil sie die unternehmerische Betätigung von Dritten (i. d. R. Athleten) beeinflussen, etwa indem sie aufgrund von Verstößen gegen die Anti-Doping-Regelung nicht an Wettkämpfen teilnehmen oder Sponsorenverträge nicht eingehen können.40 Folgt man dieser Ansicht, reicht es, wenn die betroffene Verbandsregelung die wirtschaftliche Betätigung Dritter beeinflusst, damit ihr Urheber als Unternehmen anzusehen ist. Sie orientiert sich an der wettbewerblichen Bedenklichkeit von Sportverbandsregelungen, die regelmäßig weniger im Hinblick auf die wettbewerbliche Situation der sie beschließenden Parteien liegt, sondern vielmehr im Ausschluss der Marktgegenseite, z. B. von Athleten, die wegen Dopings nicht an Turnieren teilnehmen dürfen. Nun muss man sich jedoch vergegenwärtigen, dass die Ausgangsdefinition nach einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens selbst fragt. Es fände somit ein Wechsel im Bezugssubjekt statt: Nicht der Verband müsste wirtschaftlich tätig sein, sondern ein Dritter. Gegen eine solche Auslegung spricht jedoch der Wortlaut von Art. 101 und Art. 102 AEUV, aus denen hervorgeht, dass die Beschränkung des Wettbewerbs bzw. der Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung von Unternehmen ausgehen muss. Daher lässt sich die Normadressateneigenschaft nicht über die wirtschaftliche Tätigkeit der von Kartellen und Missbräuchen Geschädigten begründen, sondern nur über die Tätigkeit derjenigen Rechtssubjekte, deren Verhalten auf Wettbewerbskonformität überprüft werden soll.41 Verkürzt: Das Verhalten des Kartellanten bzw. des Marktbeherrschers muss einen wirtschaftlichen Bezug aufweisen, nicht das des vom Kartell oder dem Marktbeherrscher Geschädigten. Vor diesem Hintergrund stellt sich bei der kartellrechtlichen Prüfung sportverbandlicher Regelwerke immer wieder die Frage, ob bereits die Regelsetzung und die Ahndung von Regelverstößen eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen.

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Adolphsen (Fn. 26), S. 176. So auch Schürnbrand, ZweR 2005, 396, 401. 41 Generalanwältin Kokott, Schlussanträge vom 6. 3. 2008, Rs. C-49/07, Slg. 2008, I-4863, Rn. 39 – MOTOE. 40

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Im Verfahren Meca-Medina hatte die Kommission die Unternehmenseigenschaft der FINA verneint, weil die Anti-Doping-Bestimmungen nicht Teil ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit seien.42 Auf dieser Linie liegt auch eine neuere Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, nach der die Implementierung von Anti-Doping-Regeln keine Marktteilnahme sein soll.43 Dass Regelsetzung als solche noch keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, ergibt sich auch aus einer Entscheidung des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache Selex, nach der die Tätigkeit der Ausarbeitung von Normen durch eine Organisation nicht als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen ist, wenn die Organisation diese Leistung nicht auf einem bestimmten Markt anbietet.44 Zutreffend muss die fragliche Verbandsregel Auswirkungen auf das Marktverhalten des Verbands haben, es im Hinblick auf bestimmte Wettbewerbsparameter determinieren. Nicht die Aufstellung und Durchführung der Anti-Doping-Regeln selbst ist demnach eine wirtschaftliche Tätigkeit; es genügt aber, wenn sie in Bezug zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit desjenigen steht, der die Regelung schafft oder sich daran hält, um diesen als Unternehmen zu qualifizieren. Dies ist auch für den Fall der Anti-Doping-Regelungen anzunehmen. Wenn z. B. der an Position Nr. 1 der Tennis-Weltrangliste stehende Athlet wegen Dopings an einem Turnier nicht teilnehmen darf, sinkt somit die Attraktivität des Turniers bei seiner Vermarktung (Eintrittskarten, Fernsehübertragungen etc.).45 Die Veranstalter von Turnieren legen damit gemeinsame Standards für ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten, nämlich die Nachfrage nach Athleten bzw. die Veranstaltung von Tennisturnieren fest. In einem solchen Fall hat eine Anti-Doping-Regelung einen Bezug zur Nachfrage bzw. zum Angebot eines Produkts bzw. einer Dienstleistung auf bestimmten Märkten. Zudem ergibt sich der erforderliche Marktbezug daraus, dass die Implementierung und Durchsetzung von Anti-Doping-Regelungen für die Vermarktung von Sportveranstaltungen notwendig ist, weil die Nachfrage nach einem bestimmten Sportereignis davon abhängt, ob dieses fair, d. h. unter Beachtung der Anti-Doping-Regeln ausgetragen wird. In diese Richtung lässt sich etwa die Kommissionsentscheidung bezüglich der Anti-Doping-Regeln der Association of Tennis Professionals (ATP) verstehen. Zu deren Unternehmenseigenschaft wird ausgeführt, dass die ATP Tennisturniere organisiere und vermarkte, was eine wirtschaftliche Tätigkeit i. S. d. Wettbewerbsvorschriften darstelle. Die Anti-Doping-Regeln seien mit diesen wirtschaftlichen Tätigkeiten eng verbunden bzw. würden für diese aufgestellt und angewendet, sodass die ATP als Unternehmen anzusehen sei.46 42

Kommission, 1. 8. 2002, COMP/38158, Rn. 38 – Meca-Medina. OLG Düsseldorf, 23. 7. 2014, VI-U (Kart) 40/13, Rn. 50, zitiert nach juris. 44 EuG, 12. 12. 2006, WuW 2007, 670, Rn. 61 ff. – Selex. 45 Vgl. Schürnbrand, ZWeR 2005, 396, 401. 46 Kommission, 12. 10. 2009, COMP/39471, Rn. 24 f. – Certain joueur de tennis professionel; diese Entscheidung stellt damit eine Kehrtwende in der Praxis der Kommission dar, die in der Entscheidung Meca-Medina die Aufstellung und Durchsetzung von Anti-Doping-Regeln gerade nicht als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen hatte, siehe Kommission, 1. 8. 2002, COMP/38158, Rn. 38 – Meca Medina. 43

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3. Verband oder Mitglieder als Normadressaten? Eine weitere Frage, die sich im Zusammenhang mit der Unternehmenseigenschaft von Verbänden und ihren Mitgliedern stellt, ist, welcher Rechtsträger bei der kartellrechtlichen Beurteilung von Verbandsregeln als Unternehmen i. S. d. Art. 101 und Art. 102 AEUV anzusehen ist. Sie wird bei der Anwendung des Missbrauchsverbots virulent, denn dieses erfasst nach seinem Wortlaut lediglich Unternehmen, sodass eine Unternehmensvereinigung – die von Art. 101 AEUV erfasst ist – nicht in den Anwendungsbereich der Norm fällt. Prüfte man, wie das Gericht erster Instanz in der Rechtssache Piau, die das (ehemalige) Reglement der FIFA zu den Spielervermittlern zum Gegenstand hatte,47 somit eine Verbandsregelung, könnte der Verband FIFA nur dann eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzen, wenn das Spielervermittler-Reglement eine wirtschaftliche Tätigkeit der FIFA selbst beeinflusste, da der Verband nur dann selbst Unternehmen und nicht lediglich Unternehmensvereinigung seiner Mitglieder wäre.48 Dies wäre nach dem dargestellten Verständnis der wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. d. Unternehmensbegriffs jedoch zu verneinen, da die wirtschaftliche Tätigkeit, die durch das Spielervermittler-Reglement betroffen ist, die Vermittlung von Athleten an Klubs (und umgekehrt) durch Spielervermittler ist. Zutreffend hat die Kommission in ihrer Entscheidung in dem Verfahren Piau festgestellt, dass die FIFA auf dem relevanten Markt nicht aktiv sei.49 Dies hat auch das Gericht erster Instanz in seinem Urteil nicht infrage gestellt.50 Da diese Dienstleistung somit von der FIFA weder angeboten noch nachgefragt wird, kann nach dem relativen Unternehmensbegriff, der einen Marktbezug der Regelung für das Unternehmen verlangt, auch keine Unternehmenseigenschaft für die FIFA begründet werden.51 Indes finden sich in der Rechtsprechung der Unionsgerichte Beispiele, die für eine Loslösung des Unternehmensbegriffs vom Marktbezug der Verhaltenskoordination sprechen könnten. In der Literatur wird unter Bezugnahme auf diese Urteile vertreten, dass eine Unternehmensvereinigung bereits dann Unternehmen sei, wenn sie in bindender Weise Einfluss auf die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder nehme.52 Damit könnte gerade das Verhalten der Verbände als Regelungsgeber als wirtschaftliche Tätigkeit eingeordnet werden, beeinflussen die Verbände mit ihren Regelwerken doch unzweifelhaft das Marktverhalten ihrer Mitglieder.

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EuG, 26. 1. 2005, Rs. T-193/02, Slg. 2005, II-217 – Piau. Vgl. Krispenz (Fn. 26), S. 53. 49 Kommission, 16. 4. 2002, COMP/37.124, Rn. 31 – Piau; vgl. Battis/Ingold/Kuhnert, EuR 2010, 3, 26 zur sog. 6+5-Regelung der FIFA. 50 EuG, 26. 1. 2005, Rs. T-193/02, Slg. 2005, II-217, Rn. 116 – Piau. 51 Subiotto, ECLR 2010, 31(8), 323, 329. 52 Herrmann, in: Münchener Kommentar Europäisches Wettbewerbsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2015, Einl., Rn. 1027; FK-Roth/Ackermann (Fn. 26), Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen, Rn. 38. 48

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In den Gerichtsentscheidungen ging es zum einen um die Unternehmenseigenschaft einer Stiftung, die Kontrollbeteiligungen an Banken hielt. Der EuGH führte dazu aus: „Meistens ist die wirtschaftliche Tätigkeit eine Tätigkeit, die unmittelbar auf dem Markt erbracht wird. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sie auf einen unmittelbar auf dem Markt operierenden Wirtschaftsteilnehmer und mittelbar auf eine andere Einheit zurückzuführen ist, die diesen Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen einer von ihnen gebildeten wirtschaftlichen Einheit kontrolliert. Der bloße Besitz von Beteiligungen, auch von Kontrollbeteiligungen, stellt nicht schon eine wirtschaftliche Tätigkeit der Einheit dar, die diese Beteiligungen hält, wenn mit ihm nur die Ausübung der Rechte, die mit der Eigenschaft eines Aktionärs oder Mitglieds verbunden sind, und gegebenenfalls der Bezug von Dividenden einhergeht, die bloß die Früchte des Eigentums an einem Gut sind. Übt dagegen eine Einheit, die Kontrollbeteiligungen an einer Gesellschaft hält, diese Kontrolle tatsächlich durch unmittelbare oder mittelbare Einflussnahme auf die Verwaltung der Gesellschaft aus, ist sie als an der wirtschaftlichen Tätigkeit des kontrollierten Unternehmens beteiligt anzusehen.“53

Der EuGH ließ also die mittelbare Einflussnahme auf die wirtschaftliche Tätigkeit eines kontrollierten Unternehmens genügen, um die Stiftung als Unternehmen einzustufen, obwohl dieses selbst nicht wirtschaftlich tätig war. Er begründete dies mit einer andernfalls bestehenden Regelungslücke bei wettbewerbsverfälschenden Beihilfen nach Art. 107 AEUV: „Anderenfalls würde die bloße Teilung eines Unternehmens in zwei getrennte Gebilde, von denen das erste die frühere wirtschaftliche Tätigkeit unmittelbar fortführt und das zweite das erste durch die Einflussnahme auf dessen Verwaltung kontrolliert, genügen, um den gemeinschaftlichen Vorschriften über staatliche Beihilfen jede praktische Wirksamkeit zu nehmen. Dies würde dem zweiten Gebilde erlauben, Subventionen oder andere Vergünstigungen des Staates oder aus staatlichen Mitteln zu beziehen und sie ganz oder teilweise zugunsten des ersten Gebildes auch im Interesse der aus den beiden Gebilden bestehenden wirtschaftlichen Einheit zu verwenden.“54

Der Grund für die Einstufung als Unternehmen lag also darin, dass der Empfänger der Subvention diese weiterleitete und somit die Wettbewerbsverfälschung bewirkte. Bei näherer Betrachtung dürfte das Urteil allerdings weniger die hier interessierende Frage der Loslösung des Marktbezugs von der Unternehmenseigenschaft betreffen. Vielmehr spricht die Verwendung des Begriffs der wirtschaftlichen Einheit zwischen den beiden Gesellschaften dafür, dass es sich hier um ein einzelnes Unternehmen i. S. d. Art. 107 AEUV handelte. Gerade bei einer Kontrollbeteiligung, wie sie auch dem Sachverhalt des Urteils zugrunde lag, ist nämlich in der Rechtsprechungsund Kommissionspraxis anerkannt, dass Mutter- und Tochtergesellschaft als ein Un-

53

mia. 54

EuGH, 10. 1. 2006, Rs. C-222/04, Slg. 2006, I-289, Rn. 109 ff. – Ministero dell’EconoEuGH, 10. 1. 2006, Rs. C-222/04, Slg. 2006, I-289 Rn. 114 – Ministero dell’Economia.

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ternehmen zu bewerten sind.55 Insofern stellte sich die Frage des fehlenden Marktbezugs der Muttergesellschaft erst gar nicht, da jedenfalls die Tochtergesellschaft und damit auch das Unternehmen insgesamt am Markt tätig waren. Die zweite Entscheidung betraf ein Beratungsunternehmen, dessen Aufgabe es war, die organisatorische Struktur für ein Kartell zu schaffen, mithin dessen Funktionieren sicherzustellen. Auf dem von dem Kartell betroffenen Markt war es nicht tätig. Das Gericht erster Instanz führte aus: „[Es wird] nicht verlangt, dass sich der relevante Markt, auf dem das Unternehmen tätig ist, das ,Täter‘ der Wettbewerbsbeschränkung ist, und derjenige Markt, auf dem sich diese Beschränkung mutmaßlich verwirklicht, vollständig decken. Daraus folgt, dass jede Wettbewerbsbeschränkung innerhalb des Gemeinsamen Marktes auf eine ,Vereinbarung zwischen Unternehmen‘ im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG zurückzuführen sein kann. Dieser Schluss wird bestätigt durch das Tatbestandsmerkmal der Existenz einer Vereinbarung, mit der eine Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt bezweckt wird. Dieses Tatbestandsmerkmal impliziert, dass ein Unternehmen gegen das in Art. 81 Abs. 1 EG aufgestellte Verbot verstoßen kann, wenn sein mit dem anderen Unternehmen koordiniertes Verhalten die Einschränkung des Wettbewerbs auf einem relevanten speziellen Markt innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt, ohne dass dies unbedingt voraussetzen würde, dass es selbst auf diesem relevanten Markt tätig ist.“56

Nach Ansicht des Gerichts erster Instanz muss das Unternehmen also nicht auf dem Markt wirtschaftlich tätig sein, auf dem die Wettbewerbsbeschränkung stattfindet, um dennoch als Unternehmen i. S. d. Wettbewerbsvorschriften zu gelten.57 Es genügt, dass das Verhalten des Unternehmens überhaupt eine wirtschaftliche Tätigkeit in wettbewerbserheblicher Weise beeinflussen kann. Dieser Sichtweise ist jedoch zu widersprechen: Ein Unternehmen ist deshalb Adressat des Art. 101 AEUV, weil diese Vorschrift nur den Wettbewerb vor Beschränkungen schützen will, die sich daraus ergeben, dass Unternehmen durch die privatautonome Koordinierung ihres Marktverhaltens unmittelbar auf das Marktgeschehen Einfluss nehmen.58 Struktur sowie Sinn und Zweck der Kartellvorschriften geben vor, dass nicht das Vorhandensein wettbewerbspolitisch ungünstiger Marktsituationen verboten sein soll.59 Dafür, dass die Tätigkeit einen Marktbezug haben muss, spricht auch der Wortlaut der wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft als Zielbestimmung in Art. 3 Abs. 2 EUV.60 Entscheidend ist daher, dass sich die zwischen den 55 EuGH, 24. 10. 1996, Rs. C-73/95 P, Slg. 1996, I-5482, Rn. 17 – Viho; EuGH, 11. 4. 1989, Rs. C-66/86, Slg. 1989, 803, Rn. 35 – Ahmed Saeed Flugreisen; EuGH, 25. 10. 1983, Rs. C107/82, Slg. 1983, 3151, Rn. 50 – AEG; EuG, 12. 1. 1995, Rs. T-102/92, Slg. 1995, II-17, Rn. 47 ff. – Viho; Kommission, 20. 10. 2004, COMP/C.38.238/B.2, Rn. 372 – Rohtabak Spanien. 56 EuG, 8. 7. 2008, T-99/04, Slg. 2008, II-1501, Rn. 122 – AC-Treuhand. 57 So auch FK-Roth/Ackermann (Fn. 26), Art. 81 Abs.1 EG Grundfragen, Rn. 38. 58 Koch, ZWeR 2009, 370, 384. 59 Weiß (Fn. 26), S. 97. 60 Krispenz (Fn. 26), S. 34.

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Parteien getroffene Vereinbarung auf einen Markt bezieht, auf dem zumindest eine Partei auch tätig ist.61 Andernfalls bedürfte es auch nicht der Einschränkung des Anwendungsbereichs der Art. 101, Art. 102 AEUV auf Unternehmen bzw. deren Vereinigungen.62 Auf dieser Argumentationslinie liegt auch das Urteil des EuGH in der Rechtssache Wouters. Dort stufte der EuGH die niederländische Rechtsanwaltskammer als Unternehmensvereinigung ein, obwohl er ihrer Regelungssetzung angesichts deren Einflusses auf das Marktverhalten ihrer Mitglieder wirtschaftlichen Bezug beimaß.63 Im Ergebnis ist daher zu konstatieren, dass Verbände dann nicht Unternehmen sind, wenn – wie z. B. beim Spielervermittler-Reglement – das fragliche Regelwerk nicht die eigene wirtschaftliche Tätigkeit des Verbands betrifft.

IV. Sportregeln als Wettbewerbsbeschränkung 1. Das Selbstständigkeitsposulat als Ausgangspunkt Bei der Überprüfung sportverbandlicher Regelwerke stellt sich nach der Feststellung der Unternehmenseigenschaft des Verbands im Rahmen des Kartellverbots nach Art. 101 AEUV die Frage des Vorliegens einer Wettbewerbsbeschränkung, die durch das Regelwerk bezweckt oder bewirkt wird. Ungeachtet aller Uneinigkeit über das Verständnis vom Tatbestandsmerkmal Wettbewerbsbeschränkung gehen EuGH, EuG und Kommission in einer Vielzahl ihrer Urteile bzw. Entscheidungen als Ausgangspunkt ihrer Prüfung von dem Verständnis aus, dass Wettbewerb eine Auseinandersetzung rivalisierender Unternehmen um die Gunst der Abnehmer ist.64 Dieser Wettbewerb wird beschränkt, wenn die Unternehmen den Grad an Rivalität senken, indem sie auf den Einsatz eines Wettbewerbsparameters verzichten. Der EuGH formuliert diesbezüglich folgendermaßen: „Den Wettbewerbsvorschriften des Vertrages liegt […] der Gedanke zugrunde, dass jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt.“65

Dieses sog. Selbstständigkeitspostulat ist der (oftmals nur gedankliche) Ausgangspunkt in einer Vielzahl von Entscheidungen des EuGH und des Gerichts erster Instanz bei der Prüfung, ob ein bestimmtes Verhalten den Wettbewerb beschränkt. Aus dem Selbstständigkeitspostulat folgt, dass nicht autonomes Marktverhalten 61

Koch, ZWeR 2009, 370, 384. Koch, ZWeR 2009, 370, 384. 63 EuGH, 19. 2. 2002, Rs. C-309/99, Slg. 2002, I-1577, Rn. 47 – Wouters. 64 Vgl. Eilmansberger, ZWeR 2009, 437, 439 ff. 65 EuGH, 4. 6. 2009, Rs. C-8/08, Slg. 2009, I-4529, Rn. 32 – T-Mobile Netherlands; EuGH, 23. 11. 2006, Rs. C-238/05, Slg. 2006, I-11125, Rn. 52 – Asnef-Equifax; EuGH, 28. 5. 1998, Rs. C-7/95 P, Slg. 1998, I-3111, Rn. 86 – John Deere. 62

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den Wettbewerb beschränken kann. Marktverhalten ist nicht autonom, wenn die Teilnehmer des Marktes den Einsatz bestimmter Wettbewerbsparameter nicht eigenständig, sondern in Abhängigkeit vom Marktverhalten anderer Marktteilnehmer vornehmen. Der Verzicht auf den eigenständigen Einsatz von Wettbewerbsparametern ist dementsprechend auch der zweite Schritt bei der Prüfung der wettbewerblichen Wirkung einer Verhaltenskoordination.66 Verkürzt kann man hierbei von Einschränkung der wettbewerblichen Handlungsfreiheit sprechen.67 Die Beschränkung der Handlungsfreiheit als Kriterium für die Beschränkung des Wettbewerbs findet sich im Meca-Medina-Urteil an zwei Stellen wieder: „[…] selbst unterstellt, dass die streitige Anti-Doping-Regelung eine die Handlungsfreiheit der Kläger einschränkende Entscheidung von Unternehmensverbänden wäre […].“68 „Sicherlich können der Strafcharakter der streitigen Anti-Doping-Regelung und das Ausmaß der im Fall eines Verstoßes gegen die Regelung anwendbaren Sanktionen negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben, denn sollten sich diese Sanktionen letztlich als unbegründet erweisen, könnten sie zum ungerechtfertigten Ausschluss eines Sportlers von Wettkämpfen führen und somit die Bedingungen für die Ausübung der fraglichen Tätigkeit verfälschen.“69

Abgestellt wird auf die wettbewerbliche Handlungsfreiheit der Sportler. Die AntiDoping-Regeln führen dazu, dass Athleten ihren Beruf bei einem Verstoß gegen das Dopingverbot nicht mehr ausüben können. Hinzu kommt, dass – worauf der EuGH allerdings nicht einzugehen brauchte – Dopingsperren häufig auch die SponsoringMöglichkeit von Athleten beeinträchtigen. Insofern kommt in solchen Fällen also auch stets eine Beschränkung bzw. Verfälschung des Wettbewerbs auf den Sponsoring-Märkten in Betracht.70 In diesem Zusammenhang ist auf eine Besonderheit bei der kartellrechtlichen Würdigung sportverbandlicher Regelwerke einzugehen: Ausgangspunkt ist dabei die Marktabgrenzung, die der Entscheidung Meca-Medina zugrunde liegt. Direkt betroffen von der Anti-Doping-Regelung sind nämlich die Märkte für die Teilnahme an Sportwettkämpfen für Schwimmer. Marktteilnehmer sind die jeweiligen Verbände als Anbieter der Veranstaltungen und die Athleten als Nachfrager.71 Wenn nun 66 EuGH, 27. 9. 2006, Slg. 2006, II-2969, 3029, Rn. 170 ff. – GlaxoSmithKline; EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 45 ff. – Meca-Medina; Kommission, 8. 9. 1999, ABl. 1999 L 271/28, Rn. 48 – GSA Vereinbarung; Kommission, 9. 12. 1998, ABl. 1999 L 109/24, Rn. 142 – Griechische Fährschiffe. 67 EuGH, 27. 9. 2006, Slg. 2006, II-2969, 3029, Rn. 170 ff. – GlaxoSmithKline; EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 45 ff. – Meca-Medina; EuG, 8. 7. 2008, T-99/04, Slg. 2008, II-1501, Rn. 126 f. – AC-Treuhand. 68 EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 45 – Meca-Medina. 69 EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 47 – Meca-Medina. 70 Siehe zur Marktabgrenzung auf den Sponsoring-Märkten Hartmann-Rüppel, in: Preuß/ Huber/Schunk/Könecke, Marken und Sport, 2014, S. 352 ff. 71 Vgl. zur Marktabgrenzung Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung, 2009, S. 175; Mentzel, Solidarität im professionellen Fußballsport versus europäisches Wettbe-

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also der EuGH auf die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Sportler abstellt, so findet die Beschränkung des Wettbewerbs nicht auf der Marktseite statt, auf der die Verhaltenskoordination gegeben ist (nämlich auf der Seite der Veranstalter). Vielmehr ist nach dem Urteil allein die Marktgegenseite betroffen. Genau hierin liegt nun die Besonderheit des Urteils Meca-Medina. Weder wird auf das Wettbewerbsverhältnis der an der Verhaltenskoordination beteiligten Unternehmen (also der Verbände als Veranstalter) abgestellt, noch liegt eine vertikale Vereinbarung vor, der zufolge zumindest eines der beteiligten Unternehmen auf seiner Marktstufe den Wettbewerbsdruck mindert. Nach Sinn und Zweck des Art. 101 AEUV kann eine Beschränkung des Wettbewerbs nämlich nur zwischen Wettbewerbern erfolgen. Bei horizontalen Vereinbarungen, also bei Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, ist dies offenkundig. Doch auch bei vertikalen Vereinbarungen, also bei Vereinbarungen zwischen Unternehmen verschiedener Marktstufen, die in keinem (potenziellen) Wettbewerbsverhältnis stehen, wird der Wettbewerb zwischen Wettbewerbern beschränkt. Wird aber der Wettbewerbsdruck nicht für mindestens ein an der Verhaltenskoordination beteiligtes Unternehmen gemindert, so handelt es sich um die Konstellation des Drittwettbewerbs. Diese Rechtsfigur soll im Folgenden näher erläutert werden. 2. Drittwettbewerbskonstellationen im Sport Die Beschränkung von Drittwettbewerb betrifft solche Fälle, in denen es an einer Beschränkung der wettbewerblichen Handlungsfreiheit der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen fehlt, sodass das Element der Wettbewerbsbeschränkung allein in der Außenwirkung, also der Wettbewerbsbeeinträchtigung Dritter, besteht.72 Wie das Urteil Meca-Medina suggeriert, könnten die Sachverhalte des Sportsektors diese Drittwettbewerbsproblematik typischerweise in sich tragen, weil das Marktverhalten Dritter durch eine einzelne Instanz, den Sportverband als Normgeber, bestimmt wird. Die hierarchische Verbandsstruktur führt dazu, dass Marktteilnehmer selbst nicht mehr unmittelbar an der Regelsetzung mitwirken, die ihr Marktverhalten bestimmt. In extremen Fällen wie denen der Spielervermittler, in denen die Verbände die Tätigkeit Dritter regulieren, ist dies sogar von vornherein ausgeschlossen. Ein weiteres Beispiel hierfür sind die Anti-Doping-Regeln. Diese werden von den jeweiligen (inter-)nationalen Dachverbänden übernommen und sollen von den Athleten eingehalten werden. Dies beeinflusst ihre Leistungsfähigkeit und bestimmt damit, ob Athleten an bestimmten Wettbewerben teilnehmen können und, wenn sie daran teilnehmen können, wie erfolgreich sie sind. Im Extremfall wird ein Athlet wegen Dopings gesperrt und somit von der Teilnahme an diesen Märkten ausgeschlossen.

werbsrecht, 2007, S. 198; Heermann, in: Arter/Baddeley, Sport und Recht, 2007, S. 263, 285 f.; Hufschmid, ISLR 2005, 95, 98 f. 72 Schrey, Drittwettbewerb im europäischen und deutschen Kartellrecht, 2005, S. 5.

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Die Frage der rechtlichen Behandlung des Drittwettbewerbs entfällt, wenn man die Regelwerke der Sportverbände nicht nur als Beschluss eines Verbands einstuft, sondern vielmehr auf die tatsächliche Umsetzung bzw. die Einhaltung der Regelwerke abstellt und darin eine dann horizontale Vereinbarung zwischen den jeweils betroffenen Akteuren des Sportsektors sieht. Allerdings ist dies nicht die Position des EuGH im Meca-Medina-Urteil, da dieser allein auf die Handlungsfreiheit der Athleten abstellt und nicht auf die der Veranstalter. Dies ist im Hinblick auf die wettbewerbliche Bedenklichkeit der jeweiligen Regelungen auch der zutreffende Ansatz. Wenn es um die Frage geht, ob eine Beschränkung des Wettbewerbs vorliegt, muss auf die bei der wettbewerblichen Analyse festzustellende schwerwiegendere Beschränkung wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit abgestellt werden. Diese trifft in den genannten Beispielen jedoch kaum die Veranstalter, deren Marktverhalten vergleichsweise geringfügigen Beschränkungen unterliegt, sondern die Athleten, die wegen Dopingsperren ihre Karriere nicht fortsetzen können bzw. von den Sponsoring-Märkten ausgeschlossen werden (auf denen die Veranstalter je nach Marktabgrenzung nicht einmal tätig sein könnten). Wäre dieser Wettbewerb zwischen Dritten nicht geschützt, entfiele auch der Schwerpunkt der kartellrechtlichen Bedenklichkeit sportverbandlicher Normgebung. 3. Rechtliche Behandlung des Drittwettbewerbs Zum Teil wird in der Literatur auch vertreten, dass sich die Beeinträchtigung der Wettbewerbsfreiheit Dritter auf eine Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit mindestens eines der an der Vereinbarung oder dem Beschluss Beteiligten zurückführen lassen muss.73 Nach dieser Ansicht wären Regelwerke von Sportverbänden, bei denen allein die Handlungsfreiheit Dritter beschränkt würde und nicht diejenige der an der Regelsetzung selbst Beteiligten, keine Beschränkung des Wettbewerbs. Argument dieser Auffassung ist zum einen das bereits geschilderte Selbstständigkeitspostulat, wonach jeder Teilnehmer sein Marktverhalten autonom zu bestimmen hat. Hiergegen spricht jedoch, dass auch in den Drittwettbewerbsfällen das Marktverhalten dem Selbstständigkeitspostulat nicht entspricht. Nur sind es eben Dritte, die ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmen. Das zweite Argument, das für eine Verhaltensbindung mindestens eines Beteiligten vorgetragen wird, ist der Wortlaut der Beispiele des Art. 101 AEUV, die allesamt Fälle betreffen, bei denen die Handlungsfreiheit mindestens eines an der Vereinbarung oder dem Beschluss Beteiligten beschränkt wird.74 Hiergegen wird jedoch zu Recht angeführt, dass die Beispiele eben lediglich 73 Lübbig, in: Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl. 2008, § 7, Rn. 21; Grabitz/Hilf/ Nettesheim-Stockenhuber (Fn. 16), Art. 101 AEUV, Rn. 122; Gleiss/Hirsch, Kommentar zum EG-Kartellrecht, 4. Aufl. 1993, Art. 85, Rn. 132 ff.; Immenga/Fuchs, NJW 1988, 3052, 3053; so auch noch Immenga/Mestmäcker-Emmerich, Wettbewerbsrecht, Bd. 1, 4. Aufl. 2007, Art. 81 Abs. 1 EGV, Rn. 148. 74 Emmerich, in: Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Loseblatt, Stand: Oktober 2014, H.I. § 2, Rn. 45; Immenga/Mestmäcker-Emmerich (Fn. 73), Art. 81 Abs. 1 EGV, Rn. 148.

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Beispiele seien und aus ihnen keine dogmatische Grundentscheidung für das Konzept der Wettbewerbsbeschränkung zu entnehmen sei.75 Die andere Auffassung in der Literatur sieht hingegen auch den Wettbewerb zwischen Dritten geschützt, sodass es auf eine Einschränkung der Handlungsfreiheit im Innenverhältnis nicht ankomme.76 Aus der Sicht der an der Vereinbarung unbeteiligten Marktteilnehmer komme es nicht darauf an, ob ihre beschränkte Handlungsfreiheit durch eine Beschränkung der Handlungsfreiheit der an der Vereinbarung Beteiligten hervorgerufen werde.77 Auch für die Mehrheit der Wettbewerbstheorien sei die Frage der Handlungsbeschränkung im Innenverhältnis kein konstitutives Element für wettbewerbswidriges Marktverhalten.78 In der Rechtsprechung der Unionsgerichte und der Kommission im Bereich des Sports ist die Figur des Drittwettbewerbs nicht ausdrücklich angesprochen worden. Allein bezüglich des Missbrauchsverbots hat sich die Kommission mit der verwandten Problematik der Drittmarktbetroffenheit auseinandergesetzt, bei der es um Sachverhalte geht, in denen sich das missbräuchliche Verhalten auf Märkten auswirkt, auf denen das marktbeherrschende Unternehmen nicht tätig ist.79 Dies war auch im Verfahren bezüglich der Gütesiegelvergabe der FIFA der Fall. Die FIFA hatte Qualitätsstandards für Fußbälle vorgeschrieben, die erforderlich waren, wenn ein Fußball als offizielles Wettkampfgerät zugelassen werden sollte (Homologation).80 Die Gütesiegel wurden von einem unabhängigen Unternehmen vergeben. Die Kommission verneinte einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der FIFA, weil diese nicht auf dem Markt für die Vergabe tätig sei.81 Auch in anderen Wirtschaftsbereichen haben Rechtsprechung und Kommission lange keine eindeutige Position zur Schutzwürdigkeit des Drittwettbewerbs bezogen. Oft stützte die Kommission ihre wettbewerbsrechtliche Analyse zwar vorwiegend auf die Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit Dritter, ging indes auf die Problematik selbst nicht ein.82 In einer Stellungnahme in der Rechtssache Kali und Salz sowie in der Entscheidung EATE vertrat sie jedoch ausdrücklich die Auffassung, dass auch 75

Schrey (Fn. 72), S. 62 f. FK-Roth/Ackermann (Fn. 26), Art. 81 Abs. 1 EG Grundfragen, Rn. 305; Langen/BunteHengst (Fn. 11), Art. 101, Rn. 181; Faull/Nikpay-Nikpay/Faull, The EC Law of Competition, 2. Aufl. 2007, Rn. 3.289; Schrey (Fn. 72), S. 68 ff.; Ackermann, Art. 85 Abs. 1 EGV und die rule of reason, 1997, S. 89 ff.; Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007, S. 80, Rn. 69. 77 Ackermann (Fn. 76), S. 90. 78 Ackermann (Fn. 76), S. 91 f. 79 Schrey (Fn. 72), S. 7. 80 Siehe hierzu Grätz (Fn. 71), S. 36 ff. 81 Kommission, 1. 3. 2000, COMP 35266,S. 2 – FIFA. 82 Kommission, 15. 12. 1986, ABl. 1987 L 35/36, Rn. 34 – X/Open Group; Kommission, 26. 11. 1986, ABl. 1987 L 348/50, Rn. 61 ff. – MELDOC; Kommission, 7. 12. 1979, ABl. 1980 L 39/64, Rn. 20 f. – Rohrzuckerlieferungen; Kommission, 14. 7. 1975, ABl. 1975 L 212/23, Rn. 7 – INTERGROUP; Kommission, 13. 12. 1974, ABl. 1975 L 29/1, Rn. 13 – BMW; Kommission, 17. 7. 1968, ABl. 1968 L 201/4, 6 – SOCEMAS. 76

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eine reine Handlungsbeschränkung Dritter eine Wettbewerbsbeschränkung darstelle.83 Auch in der Judikatur des EuGH finden sich einige Urteile, die den Drittwettbewerbsschutz in den Vordergrund der wettbewerblichen Analyse stellten.84 Eine eindeutige Positionsbekundung, ob eine Einschränkung im Innenverhältnis überhaupt erforderlich ist, kann daraus jedoch nicht entnommen werden.85 Für eine Erfassung des Drittwettbewerbs spricht zunächst der Wortlaut des Art. 101 AEUV. Der Begriff des Wettbewerbs lässt – auch in anderen Sprachfassungen –86 nicht erkennen, dass nur bestimmte Orte eines Marktes durch ihn geschützt sein sollen.87 Vielmehr indiziert er, dass der Wettbewerb insgesamt geschützt sein soll. Vor allem aber ergibt sich aus dem Schutzzweck des Kartellverbots, dass auch der Wettbewerb zwischen Dritten schutzwürdig ist. Es ist nicht erforderlich, dass gleichzeitig auch eine Beschränkung der Handlungsfreiheit eines an der Vereinbarung oder dem Beschluss Beteiligten vorliegt. Geschützt wird von den Wettbewerbsregeln der Wettbewerb als Institution, also losgelöst von der wettbewerblichen Situation einzelner Marktteilnehmer.88 Ist der Wettbewerb als solcher Schutzzweck, kann es nicht darauf ankommen, an welcher Stelle in Märkten Wettbewerb beschränkt wird. Sämtliche von Art. 101 AEUV verbotenen Verhaltensweisen, die sich auf irgendeinem Markt des Sportsektors auswirken und dort Marktverhalten beeinflussen bzw. Zutrittsschranken zu Märkten schaffen, sind daher Beschränkungen des Wettbewerbs. Für die Anwendung des Kartellverbots auf den Sport bedeutet dies, dass die wettbewerbliche Bedenklichkeit sportverbandlicher Regelungen unabhängig von ihrem Auswirkungsort von Art. 101 AEUVerfasst wird. Die Feststellung der Wettbewerbsbeschränkung hat dort anzusetzen, wo der wettbewerbliche Schwerpunkt der Bedenklichkeit liegt, was häufig der Wettbewerb zwischen Dritten sein wird, und bedarf keines Seitenpfads, um die kartellrechtliche Schutzbedürftigkeit von Akteuren des Sportsektors zu begründen.

83 EuGH, 14. 5. 1975, Rs. C-19 und 20/74, Slg. 1975, 499, 510 – Kali und Salz; Kommission, 10. 7. 1985, ABl. 1985 L 219/35, Rn. 47 – EATE. 84 EuGH, 21. 2. 1984, Rs. 86/82, Slg. 1984, 883, Rn. 50 ff. – Hasselblad; EuGH, 12. 12. 1967, Rs. 23/67, Slg. 1967, 525, 555 f. – Brasserie de Haecht; EuGH, 13. 7. 1966, Rs. 56/64 und 58/64, Slg. 1966, 321, 392 – Consten Grundig; siehe Schrey (Fn. 72), S. 59 m. w. N. 85 Schrey (Fn. 72), S. 60; Ackermann (Fn. 76), S. 166. 86 Z. B. im Englischen „competition“, im Französischen „concurrence“, im Spanischen „competencia“, im Italienischen „concorrenza“. Zur unionsrechtlichen Mehrsprachenauthentizität Weiß (Fn. 26), S. 37 m. w. N. Zur Schwierigkeit ihrer Umsetzung in der Rechtspraxis angesichts der Vielzahl von Sprachfassungen siehe Ahmling, Analogiebildung durch den EuGH im Europäischen Privatrecht, 2012, S. 155 f. 87 Ackermann (Fn. 76), S. 92. 88 EuGH, 6. 10. 2009, Rs. C-501/06 P u. a., Slg. 2009, I-9291, Rn. 63 – GlaxoSmithKline; EuGH, 4. 6. 2009, Rs. C-8/08, Slg. 2009, I-4529, Rn. 38 – T-Mobile Netherlands.

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V. Rechtfertigung von Wettbewerbsbeschränkungen durch legitime Ziele des Sports Nach dem Vorgesagten sind sportverbandlichen Regelwerken wettbewerbsbeschränkende Wirkungen für Dritte regelmäßig beizumessen. Damit ist allerdings nach der Rechtsprechung des EuGH im Verfahren Meca-Medina noch nicht abschließend über die kartellrechtliche Wirksamkeit von Sportverbandsregeln entschieden. Der EuGH formuliert in seinem Urteil vielmehr wie folgt: „Außerdem kann die Vereinbarkeit eines Regelwerks mit den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln nicht abstrakt beurteilt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-250/92, DLG, Slg. 1994, I-5641, Randnr. 31). Nicht jede Vereinbarung zwischen Unternehmen oder jeder Beschluss einer Unternehmensvereinigung, durch die die Handlungsfreiheit der Parteien oder einer der Parteien beschränkt wird, fällt zwangsläufig unter das Verbot des Artikels 81 Absatz 1 EG. Bei der Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall sind nämlich der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zustande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere seine Zielsetzung zu würdigen. Weiter ist dann zu prüfen, ob die mit dem Beschluss verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Verfolgung der genannten Ziele zusammenhängen (Urteil Wouters u. a., Randnr. 97) und ob sie im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig sind.“89

Diese Wendung ist das Kernstück der Meca-Medina-Entscheidung und führt den eingangs beschriebenen permanenten Konflikt zwischen der – teils notwenigen – Reglementierung des Sports durch seine Verbände auf der einen Seite und die kartellrechtlich geschützte Freiheit der Akteure des Sports auf der anderen Seite zu einer Lösung. Auf welchem dogmatischen Fundament diese Lösung fußt,90 soll im Folgenden untersucht werden. 1. Rule of Reason und Immanenztheorie (teleologische Reduktionen des Kartellverbots) Zum Teil wird das Meca-Medina-Urteil als Anwendungsfall einer Rule of Reason bewertet.91 Hierzu wird konkretisierend ausgeführt, dass einzelne der Freistellungsvoraussetzungen i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV vom EuGH in das Tatbestandsmerk89

EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 42 – Meca-Medina. Vgl. hierzu auch die Entscheidung des LG Frankfurt, 29. 4. 2015, BeckRS 2015, 11044, Rn. 50 ff. 91 Brinker, in: EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 101 Rn. 50; Van Bael/Bellis, Competition Law of The European Community, 2005, S. 68; Immenga/Mestmäcker-Emmerich, Wettbewerbsrecht, Bd. 1, 5. Aufl. 2012, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 134; Bellamy/ChildRose/Roth, European Union Law of Competition, 7. Aufl. 2013, Rn. 2092; Heermann, WuW 2009, 394, 404 und Klees, EuZW 2008, 391, 393, der allerdings von einer „rule of reason im weitesten Sinne“ spricht und damit wohl bereits eine Berücksichtigung nicht wettbewerblicher Ziele meint; offengelassen von Goyder/Goyder/Albors-Llorens, Goyder’s EC Competition Law, 5. Aufl. 2009, S. 116. 90

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mal der Wettbewerbsbeschränkung hineingelesen würden.92 Der Begriff Rule of Reason entstammt dem amerikanischen Kartellrecht93 und meint eine Gesamtbetrachtung sowohl wettbewerbsbeeinträchtigender als auch wettbewerbsfördernder Auswirkungen einer Vereinbarung.94 Dafür, dass im Meca-Medina-Urteil tatsächlich ein Anwendungsfall der Rule of Reason gesehen werden kann, spricht, dass der EuGH bei der kartellrechtlichen Würdigung des Gesamtzusammenhangs der Anti-Doping-Bestimmungen auf das DLGUrteil verweist.95 In diesem Urteil, das die Satzung einer landwirtschaftlichen Genossenschaft zum Gegenstand hatte, die es den Mitgliedern der Genossenschaft untersagte, sich in konkurrierenden Genossenschaften zu betätigen,96 führte der EuGH aus, dass eine solche Regelung nachteilige Wirkungen auf den Wettbewerb haben könne, weil sie verhindere, dass Mitglieder auf andere Weise Produkte von den Erzeugern beziehen könnten. Um nicht gegen Art. 101 AEUV zu verstoßen, dürften den Mitgliedern aber solche Beschränkungen auferlegt werden, die für das ordnungsgemäße Funktionieren der Genossenschaft und die Erhaltung der Vertragsgestaltungsmacht der Genossenschaft gegenüber den Erzeugern notwendig seien.97 Das Abstellen auf die Stärkung der Gegenmacht der Abnehmer beinhaltet eine damit verbundene Senkung der Bezugspreise, was einen wettbewerblich positiven Effekt darstellt. Da der EuGH diesen bereits im Rahmen des Art. 101 AEUV berücksichtigte, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass in diesem Urteil die Anwendung einer Rule of Reason erblickt werden kann.98 Für eine Deutung des Meca-Medina-Urteils als Anwendungsfall der Rule of Reason ist trotz der Bezugnahme auf das DLG-Urteil wenig Raum: Die Rule of Reason meint nämlich, dass wettbewerbliche Wirkungen einer Vereinbarung in ihrer Gesamtheit zu betrachten sind. Als legitime Ziele der Anti-Doping-Bestimmungen nannte der EuGH aber den fairen Ablauf der Sportwettkämpfe, die Chancengleichheit der Athleten, deren Gesundheit, die Ehrlichkeit und Objektivität des Wettkampfs sowie die ethischen Werte des Sports.99 Dies sind allesamt Aspekte, die im Kern nicht wettbewerblicher Natur sind. Zwar kann mit ihnen jedenfalls teilweise – beispielsweise mit der Chancengleichheit eines Sportwettkampfs – durchaus auch ein Qualitätsmerkmal des Produkts Sportwettkampf und damit ein Effizienzgewinn verbunden sein, der dann der marktausschließenden und damit wett92

Heermann, WuW 2009, 394, 404. Supreme Court, „Standard Oil Co. Of New Jersey v. US“, 221 U.S. 1 (1911). 94 Schwarze-Brinker (Fn. 91), Art. 101 Rn. 50; Fuchs, ZweR 2007, 369, 379; Bellamy/ Child-Rose/Roth (Fn. 91), Rn. 2091; Ackermann, Art. 85 Abs. 1 und die rule of reason, S. 264 f. 95 EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 47 – Meca-Medina. 96 EuGH, 15. 12. 1994, Rs. C-250/92, Slg. 1994, I-5641, Rn. 28 – DLG. 97 EuGH, 15. 12. 1994, Rs. C-250/92, Slg. 1994, I-5641, Rn. 35 – DLG. 98 So Ackermann (Fn. 76), S. 199 f. 99 EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 43 – Meca-Medina. 93

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bewerbsbeeinträchtigenden Wirkung der Anti-Doping-Regeln (insbesondere der Dopingsperre) gegenübergestellt werden könnte. Allerdings sind die Ausführungen des EuGH auf diese rein wettbewerbliche Dimension dieser Aspekte eben nicht beschränkt bzw. ist bei manchen Zielen, wie der Gesundheit der Athleten, eine wettbewerbliche Dimension kaum erkennbar. Sollen aber auch nicht wettbewerbliche Ziele einer Beschränkung der Handlungsfreiheit entgegengesetzt werden können, wäre es inkonsistent im Rahmen der vom EuGH vorgenommenen Prüfung, ob die Beschränkungen der Handlungsfreiheit der Athleten durch die Anti-Doping-Regeln im Hinblick auf die genannten Ziele verhältnismäßig sind,100 allein die wettbewerbliche Dimension der genannten Ziele zu betrachten. Das Meca-Medina-Urteil enthält somit keine Rule of Reason. Teilweise wird im Meca-Medina-Urteil auch ein Anwendungsfall der Immanenztheorie, die methodisch ebenfalls als teleologische Reduktion des Kartellverbots einzuordnen ist,101 gesehen.102 Der Hauptanwendungsbereich der Immanenztheorie sind Wettbewerbsverbote (in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht), die bei Unternehmenskaufverträgen zwischen den Parteien abgeschlossen werden, um dem Käufer den wirtschaftlichen Wert des Unternehmens als Gegenleistung des Kaufpreises zu sichern, der gefährdet wäre, würde der Verkäufer nach der Veräußerung dem Käufer Konkurrenz machen.103 Die dahinter liegende Überlegung ist, dass ohne das Wettbewerbsverbot der Unternehmenskauf unterbliebe und dass damit bei einer Betrachtung der wettbewerblichen Situation mit und ohne das Wettbewerbsverbot bilanziell keine Beschränkung des Wettbewerbs vorliegt. Gemünzt auf die Anti-Doping-Bestimmungen im Verfahren Meca-Medina könnten diese ebenfalls als notwendige Voraussetzung für die Veranstaltung der Sportwettkämpfe betrachtet werden. Für einen Anwendungsfall der Immanenztheorie könnte sprechen, dass der EuGH bei seiner Urteilsbegründung auf das Wouters-Urteils rekurriert.104 Dieses Urteil wird als Anwendungsfall der Nebenabrede-Doktrin diskutiert, wenngleich die dogmatische Einordnung auch hier streitig ist.105 Allerdings würde dies voraussetzen, dass ungeachtet formaler Handlungsbeschränkungen durch die Anti-Doping-Regeln schon eine rein wettbewerbliche Gesamtbetrachtung der Auswirkungen zu dem Er100

EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 42 – Meca-Medina. Rittner, in: Festschrift für Ulrich Huber, 2006, S. 1095, 1103 ff. 102 Eilmansberger, ZweR 2009, 437, 447 f. 103 Kommission, Bekanntmachung über Einschränkungen des Wettbewerbs, die mit der Durchführung von Unternehmenszusammenschlüssen unmittelbar verbunden und für diese notwendig sind, ABl. 2005 C 56/03, Rn. 18; vgl. auch EuGH, 11. 7. 1985, „Remia“, Rs. 42/84, Slg. 1985, 2545, Rn. 18 f. 104 EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 42 – Meca-Medina; vgl. Breuer, Das EU-Kartellrecht im Kraftfeld der Unionsziele, 2013, S. 551 f. 105 Whish, Competition Law, 7. Aufl. 2012, S. 130 ff.; Roth, in: Recht und spontane Ordnung: Festschrift für Ernst-Joachim Mestmäcker, S. 411, 422 ff.; Fuchs, ZweR 2007, 369, 381 ff.; Gilliams (Fn. 34), S. 295, 318; Breuer (Fn. 104), S. 551 f. 101

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gebnis führen würde, dass keine Wettbewerbsbeschränkung mit ihnen verbunden ist.106 Eine solche rein wettbewerbliche Betrachtungsweise ist dem Urteil jedoch gerade nicht zu entnehmen, wie im Rahmen der Einordnung des Urteils als Anwendungsfall einer Rule of Reason deutlich geworden ist. Das Meca-Medina-Urteil ist daher auch kein Fall der Nebenabrededoktrin. 2. Rechtfertigung von Kartellverstößen (Übertragung der Dogmatik der Grundfreiheiten) Schließlich wird im Meca-Medina-Urteil eine Übertragung der Dogmatik der Grundfreiheiten auf das Kartellverbot gesehen.107 Für die Grundfreiheiten hat der EuGH anerkannt, dass Eingriffe in die Schutzbereiche der Grundfreiheiten aus zwingenden Erfordernissen legitim sein können (sog. Cassis-Formel).108 Der Grund hierfür liegt in der Kollision der Ausübung von Grundfreiheiten mit anderen Rechtspositionen.109 Für eine Übertragung der Dogmatik der Grundfreiheiten auf das Kartellverbot im Meca-Medina-Urteil spricht zunächst, dass sich diese in der vom EuGH vorgenommenen Prüfungsstruktur wiederfindet. Wenn der EuGH ausführt, dass eine Beschränkung der Handlungsfreiheit der Athleten nicht zwingend eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 AEUV sei, da sie durch einen legitimen Zweck gerechtfertigt sein könne,110 so kann darin eine Übertragung der in der Cassis-Rechtsprechung etablierten Berücksichtigung kollidierender Rechtsgüter auf das Kartellverbot gesehen werden. Dass es sich bei den genannten Rechtsgütern, wie z. B. der Gesundheit der Athleten, nicht um Effizienzsteigerungen handelt, ist offenkundig. Die mehrfache Verwendung des Begriffs der Rechtfertigung111 deutet zudem darauf hin, dass es nicht um eine Tatbestandsreduktion des Kartellverbots geht, sondern um eine Rechtfertigungsprüfung. Hierfür spricht auch, dass der EuGH im Folgenden auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt sehen will, wenn er ausführt, dass die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen mit der Verfolgung der legitimen Ziele not106

Eilmansberger, ZweR 2009, 437, 447; Fuchs, ZweR 2007, 369, 379. Schweitzer, EUI Working Papers Law 2007/30, S. 3; Breuer (Fn. 104), S. 568. 108 EuGH, 20. 2. 1979, Rs. 120/87, Slg. 1979, 649, Rn. 8 – Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein; EuGH, 23. 5. 1996, Rs. C-237/94, Slg. 1996, I-2617, Rn. 19 – O’Flynn; EuGH, 11. 5. 1999, Rs. C-255/97, Slg. 1999, I-2835, Rn. 19 – Pfeiffer; EuGH, 18. 1. 1979, Rs. 110 u. 111/78, Slg. 1979, 35 Rn. 35 – Ministère Public und Asbl/van Wesemael; EuGH, 4. 6. 2002, Rs. C-367/98, Slg. 2002, I-4731, Rn. 49 – Kommission/Portugal; Calliess/RuffertKingreen, EUV/AEUV Kommentar, 4. Aufl. 2011, Art. 34 – 36 AEUV, Rn. 80. 109 Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 149 f.; vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, Europäische Grundfreiheiten, 2004, Rn. 481. 110 EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 45 – Meca-Medina. 111 EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 45, 47, 50, 52 – Meca-Medina. 107

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wendig zusammenhängen und im Hinblick auf diese verhältnismäßig sein müssen.112 Im Begriff des notwendigen Zusammenhangs enthalten sind nämlich sowohl die Geeignetheit als auch die Erforderlichkeit der Beschränkung: Wäre das Dopingverbot für die Fairness des Wettkampfs kein geeignetes Mittel, läge auch kein Zusammenhang zwischen diesen vor. Und wäre das Dopingverbot nicht erforderlich für die Fairness des Wettkampfs, dann wäre es auch nicht notwendig, weil es dann mildere Mittel gäbe. Im Begriff der Verhältnismäßigkeit der Beschränkung im Hinblick auf die legitimen Ziele ist schließlich die Angemessenheit als letztes Teilgebot der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu sehen. Damit ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im MecaMedina-Urteil vollständig abgebildet. Dieses Verständnis überzeugt auch vor dem Hintergrund, dass das Meca-MedinaUrteil die Behandlung eines Zielkonflikts darstellt. Für Konflikte mit dem Wettbewerbsschutz wird vertreten, das Prinzip der praktischen Konkordanz anzuwenden.113 Dieses Prinzip besagt, dass verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter in der Problemlösung einander so zugeordnet werden müssen, dass jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt.114 Beiden Gütern müssen Grenzen gezogen werden, damit beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen können.115 Dieses Prinzip findet sich auch in der Rechtspraxis der Unionsorgane wieder. So vertrat Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Albany die Auffassung, dass von zwei gleichrangigen primärrechtlichen Regeln der einen nicht der Vorrang über die andere zukommen dürfe und auch keine der beiden ihres Inhalts beraubt werden dürfe.116 Der EuGH folgte dem und urteilte, dass die ernsthafte Gefährdung anderer Vertragsziele zur Unanwendbarkeit der Wettbewerbsregeln führen könne.117 In dem Verfahren ging es um die Frage, ob der den Wettbewerb beschränkende Beschluss von Tarifvertragsparteien, eine Pflichtmitgliedschaft von Gewerkschaftsmitgliedern in einem Rentenfonds einzuführen, durch sozialpolitische Erwägungen gerechtfertigt werden könne. Unter Verweis auf die Art. 2 EGV (hohes Maß an sozialem Schutz und hohes Beschäftigungsniveau), Art. 3 lit. j) und Art. 136 ff. EGV (Sozialpolitik und Dialog der Sozialpartner) wandte der EuGH das Kartellverbot nicht an, weil sich bei einer sachgerechten und zusammenhängenden Auslegung der Bestimmungen des Vertrags in ihrer Gesamtheit ergebe, dass die im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern im Hinblick auf diese Ziele geschlossenen Verträge

112

EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 42 – Meca-Medina. FK-Pohlmann (Fn. 26), Grundfragen Art. 81 Abs. 3 EG Rn. 44; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2014, § 4, Rn. 135; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 559. 114 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1999, Rn. 72. 115 Hesse (Fn. 114), Rn. 72. 116 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge vom 28. 1. 1999, Rs. C-67/96 u. a., Slg. 1999, I-5751, Rn. 179 – Albany. 117 EuGH, 21. 9. 1999, Rs. C-67/96, Slg. 1999, I-5751, Rn. 59 – Albany. 113

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nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fielen.118 Damit zeigt sich, dass dem Ziel des Wettbewerbsschutzes im Konflikt mit anderen Zielen der Union Grenzen zu ziehen sind. Eine allein an wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten ausgelegte Rechtsfindung würde der Pluralität der Unionsziele und deren Einfluss auf den Wettbewerbsschutz nicht gerecht.119 Und schließlich liegt diese dogmatische Einordnung auch vor dem Hintergrund einer stringenten europarechtlichen Behandlung von Sachverhalten aus dem Sportsektor nahe. Die Entscheidungen des EuGH und des EuG im Bereich des Sports dürfen nämlich ohnehin nicht isoliert in ihrer wettbewerbsrechtlichen Dimension betrachtet werden. Die Rechtsprechung der Unionsgerichte im Bereich des Sports erfolgte in den ersten drei Jahrzehnten fast ausschließlich im Bereich der Grundfreiheiten, wenngleich in vielen der bisher ergangenen Entscheidungen und Urteile sowohl ein Verstoß gegen die Vorschriften des Wettbewerbsrechts als auch gegen die Grundfreiheiten zur Debatte stand. Stets hatte der EuGH dabei für Eingriffe in Grundfreiheiten durch Regelungen von Sportverbänden die Möglichkeit einer Rechtfertigung anerkannt: Im Urteil Bosman hatte der EuGH die Vereinbarkeit von Transferregeln und sog. Ausländerklauseln der FIFA, der UEFA und des belgischen Fußballverbands mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 45 AEUV zu prüfen.120 Die Transferregeln sahen vor, dass ein Berufsfußballspieler auch nach Ablauf des Vertrags bei seinem bisherigen Klub bei einem anderen Klub nur gegen Zahlung einer Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung des neuen Klubs an den bisherigen Klub weiterspielen durfte. Bezüglich der Transferregelung nahm der EuGH eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer an, da ein Spieler seine Tätigkeit nicht bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen neuen Klub ausüben könne, wenn dieser Klub dem bisherigen Klub keine Entschädigung zahle.121 Sodann fragte der EuGH, ob ausnahmsweise die Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer gerechtfertigt sei. Als von der Transferregelung verfolgten legitimen Zweck erkannte der EuGH die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen den Klubs unter Wahrung einer bestimmten Chancengleichheit und der Ungewissheit des Ergebnisses sowie die Förderung der Einstellung und Ausbildung junger Spieler.122 Die Transferregelungen seien jedoch kein geeignetes Mittel zur Erreichung dieser Zwecke, da sie nicht verhinderten, dass die reichsten Klubs sich die Dienste der besten Spieler 118 EuGH, 21. 9. 1999, Rs. C-67/96, Slg. 1999, I-5751, Rn. 60 f. – Albany; siehe auch EuGH, 21. 9. 2000, Rs. C-222/98, Slg. 2000, I-7111, Rn. 23 ff. – Van der Woude. 119 Vgl. Schweitzer (Fn. 107), S. 13; im Ergebnis auch FK-Pohlmann (Fn. 26), Art. 81 Abs. 3 EG Grundfragen, Rn. 70, 75; Roth (Fn. 105), S. 411, 428; Odudu, ECLR 2002, 23(1), 17, 21 f. 120 EuGH, 15. 12. 1995, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I- 4921, Rn. 69 ff. – Bosman, siehe zum Urteil etwa Hilf/Pache, NJW 1996, 1169 ff. 121 EuGH, 15. 12. 1995, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Rn. 100 – Bosman. 122 EuGH, 15. 12. 1995, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Rn. 106 – Bosman.

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sichern könnten und die finanziellen Mittel entscheidender Faktor des sportlichen Erfolgs seien.123 Auch die Einstellung und Ausbildung junger Spieler werde nicht durch die Aussicht auf spätere Entschädigungen hierfür gefördert, da die Entschädigung durch einen Eventualitäts- und Zufallscharakter gekennzeichnet und daher für die Klubs kein ausschlaggebender Faktor für die Ausbildung sei.124 Im Urteil Deliège verneinte der EuGH eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch Auswahlregelungen eines Sportverbands, weil diese notwendig mit der Durchführung eines internationalen Wettkampfs verbunden sei. Daher könne eine solche Regelung nicht als Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs angesehen werden.125 Auch wenn der EuGH damit bereits die Dienstleistungsfreiheit nicht beeinträchtigt sah, so zeigt das Urteil dennoch, dass das Ziel der beschränkenden Auswahlregeln – die Durchführung des Wettkampfs – als legitimierendes Ziel anerkannt wurde. Im Urteil Lehtonen rechtfertigte das Ziel der Sicherstellung eines geordneten Ablaufs sportlicher Wettkämpfe die Transferfristen. Andernfalls könnten Transfers den sportlichen Wert einer Mannschaft im Verlauf der Meisterschaft erheblich verändern und damit die Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Mannschaften und so den Ablauf der Meisterschaft beeinträchtigen.126 Und schließlich sind in diesem Sinne auch die Urteile Walrave und Donà so zu verstehen, dass das Ziel der Begegnung von Nationalmannschaften und der damit verbundene Ausschluss von Athleten anderer Nationen Beschränkungen der Grundfreiheiten zulässt.127 3. Kartellrechtliche Bewertung von Sportverbandsregeln nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon a) Die besonderen Merkmale des Sports nach Art. 165 AEUV Das beschriebene Verständnis der Lösung des Konflikts zwischen Sportorganisation und Kartellrecht ist durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im AEUV nunmehr auch normativ abgebildet. Der Sport hat mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 erstmals normativ Eingang ins Unionsrecht gefunden. Nach Art. 165 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV trägt die Union zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion. Die Tätigkeit der Union hat dabei nach Art. 165 Abs. 2 Spiegelstr. 7 AEUV das Ziel der Entwicklung einer europäischen Dimension 123

EuGH, 15. 12. 1995, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Rn. 107 – Bosman. EuGH, 15. 12. 1995, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Rn. 109 – Bosman. 125 EuGH, 11. 4. 2000, Rs. C-51/96 und 191/97, Slg. 2000, I-2549, Rn. 64 – Deliège. 126 EuGH, 13. 4. 2000, Rs. C-176/96, Slg. 2000, I-2681, Rn. 53 f. – Lehtonen; siehe auch Kommission, 11. 7. 2007, KOM(2007) 391 final „Weißbuch Sport“ Anhang I: Sport und EUWettbewerbsvorschriften S. 77. 127 EuGH, 14. 7. 1976, Rs. 13/76, Slg. 1976, 1333, Rn. 14/16 – Donà; EuGH, 12. 12. 1974, Rs. 36/74, Slg. 1974, 1405, Rn. 4 ff. – Walrave. 124

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des Sports durch Förderung der Fairness und Offenheit von Sportwettkämpfen und der Zusammenarbeit zwischen den für den Sport verantwortlichen Organisationen sowie durch den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere der jüngeren Sportler. Bei Art. 165 AEUV handelt es sich allerdings nicht um eine Querschnittsklausel.128 Daher wird vertreten, dass die Norm bei der Anwendung des Kartellrechts auf den Sport nicht berücksichtigungsfähig sei.129 Aus dem Kohärenzgebot nach Art. 7 AEUV folgt indes, dass kollidierende Interessen miteinander in Einklang zu bringen sind.130 Die Union hat damit die Unionsziele des Art. 3 EUV, die Querschnittsziele, aber auch die weiteren Ziele des AEUV, wie die Förderung der europäischen Dimension des Sports unter Achtung seiner besonderen Merkmale, zu berücksichtigen.131 Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des Art. 7 AEUV, nach dem die Union den „Zielen in ihrer Gesamtheit“ Rechnung zu tragen hat.132 Das Kohärenzgebot des Art. 7 AEUV bezieht sich dabei konkret auf die Politik der Union und ihre Maßnahmen „in den verschiedenen Bereichen“.133 Mit dieser Formulierung wird jedenfalls auf den dritten Teil des AEUV Bezug genommen.134 Dieser Teil trägt die Überschrift „Die internen Politiken und Maßnahmen der Union“ und enthält die speziellen Ziele und Kompetenzgrundlagen in den Sachbereichen, zu denen nun auch der Sport gehört.135 Wie aus Art. 165 Abs. 2 AEUV zudem hervorgeht, ist die Entwicklung der europäischen Dimension des Sports ein Ziel der Tätigkeit der Union.136 Dieses Ziel wird nach Art. 165 Abs. 2 Spiegelstr. 7 AEUV durch die Förderung der dort genannten Aspekte erreicht. Die dort genannten Aspekte, wie z. B. die Fairness und Offenheit von Sportwettkämpfen, sind daher ebenso als Ziele des Art. 165 AEUV anzusehen.137 128 Weatherill, in: EU Law after Lisbon, 2012, S. 403, 416; Streinz-Niedobitek, Beck’sche Kurzkommentare EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 165 AEUV, Rn. 47; kritisch Wiesner, Unionsziele im Europäischen Verfassungsrecht, 2008, S. 152 f.; vgl. Parrish/García/Miettinen/ Sieckmann, Der Vertrag von Lissabon und die Sportpolitik der Europäischen Union, 2010, S. 22. 129 Vgl. hierzu Breuer (Fn. 104), S. 89 f., 311; vgl. Müller-Graff, in: Jopp/Matl, S. 87, 104. 130 Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim-Schorkopf (Fn. 16), Art. 7 AEUV, Rn. 6; Streinz-Streinz (Fn. 128), Art. 7 AEUV, Rn. 4; Lippert, EuR 2012, 90. 131 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Schorkopf (Fn. 16), Art. 7 AEUV, Rn. 6; Vedder/Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, 2012, Art. 7 AEUV, Rn. 5. 132 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Schorkopf (Fn. 16), Art. 7 AEUV, Rn. 6; Breuer (Fn. 104), S. 90. 133 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Schorkopf (Fn. 16), Art. 7 AEUV, Rn. 16. 134 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Schorkopf (Fn. 16), Art. 7 AEUV, Rn. 16. 135 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Schorkopf (Fn. 16), Art. 7 AEUV, Rn. 16. 136 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Schorkopf (Fn. 16), Art. 7 AEUV, Rn. 16 f.; Streinz-Niedobitek (Fn. 128), Art. 165 AEUV, Rn. 55; Vedder/Heintschel von Heinegg (Fn. 131), Art. 165 AEUV, Rn. 7; Schwarze-Simm (Fn. 91), Art. 165 AEUV, Rn. 19; Calliess/Ruffert-Ruffert (Fn. 108), Art. 165 AEUV, Rn. 17; Wiesner (Fn. 128), S. 27 f. 137 Vgl. Andrée, Zielverpflichtende Gemeinwohlklauseln im AEU-Vertrag, 2014, S. 140.

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Kommission und Unionsgerichte müssen daher bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln auf den Sportsektor die besonderen Merkmale des Sports beachten.138 Die in Art. 165 AEUVAbs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 2 Spiegelstr. 7 AEUV genannten Aspekte des Sports sind zudem als legitime Ziele anzusehen. Kommt es also zu einem Zielkonflikt zwischen dem Schutz des Wettbewerbs auf der einen Seite und einem legitimen Ziel i. S. d. Art. 165 AEUV auf der anderen Seite, können legitime Ziele des Sports eine Beschränkung der Wettbewerbsregeln rechtfertigen, wenn sie verhältnismäßig sind.139 b) Die Verbandsautonomie nach Art. 12 GrCH Die Rechtfertigung wettbewerbswidrigen Marktverhaltens durch Akteure des Sports kann sich zudem aus Gründen des Schutzes der Verbandsautonomie ergeben, die in Art. 12 Abs. 1 GrCH geregelt ist.140 Dabei lässt sich in der Rechtspraxis eine gewisse Zurückhaltung bei der normativen Verankerung der Rechtfertigungsprüfung bei der Verbandsautonomie feststellen.141 In der Rechtssache Meca-Medina stützte der EuGH die Rechtfertigung der Anti-Doping-Regeln allein auf ihren legitimen Zweck, ohne hierfür die Verbandsautonomie fruchtbar zu machen.142 Gleiches gilt für die Entscheidung der Kommission zu den Anti-Doping-Regeln der ATP, in der diese strikt dem Meca-Medina-Ansatz folgte.143 Auch im Urteil Piau ging das Gericht nicht darauf ein, dass die Verbandsautonomie der FIFA das Spielervermittler-Reglement rechtfertigen könne, sondern wählte den Weg über Art. 101 Abs. 3 AEUV.144 Gleiches gilt auch in Hinblick auf die Urteile zu den Grundfreiheiten.145 Für die Verbandsautonomie als potenziellen Rechtfertigungsgrund sprechen indes – jedenfalls nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon – gewichtige Gründe. Mit dem Vertrag von Lissabon erlangte die Charta der Grundrechte gemäß Art. 6 Abs. 1

138 Im Ergebnis wie hier Weatherill (Fn. 128), S. 403, 416. Eine ähnliche Formulierung findet sich bereits in Art. 91 AEUV bezüglich des Verkehrs, dessen Besonderheiten ebenfalls zu berücksichtigen sind, was zur Rechtfertigung von Wettbewerbsbeschränkungen regelmäßig herangezogen wird; Basedow, in: Festschrift für Ulrich Everling, Bd. 1, 1995, S. 49, 54 m. w. N. 139 Verse, causa sport 2010, 28, 35; vgl. Lenz/Borchardt-Coen, EU-Verträge, 6. Aufl. 2013, Art. 7 AEUV, Rn. 2; Wiesner (Fn. 128), S. 121 f. 140 Zu Art. 12 GrCH siehe Calliess/Ruffert-Calliess (Fn. 108), Art. 12 GrCH, Rn. 12 f. 141 Vgl. hierzu bereits die Kritik von Heermann, WRP 2003, 724, 727 und Scholz/Aulehner, SpuRt 1996, 44, 45. 142 EuGH, 18. 7. 2006, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rn. 43 – Meca-Medina. 143 Kommission, 12. 10. 2009, COMP/39471, Rn. 29 – Certain joueur de tennis professionel. 144 EuG, 26. 1. 2005, Slg. 2005, II, 209 Rn. 101 – Piau. 145 Hierzu Trennt, Die Vergabe internationaler Sportveranstaltungen, 2012, S. 229 ff.

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EUV Rechtsverbindlichkeit146 und ist mit den Verträgen gleichrangig. Gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV ist sie Teil des Unionsrechts und nach Art. 51 Abs. 1 S. 2 GrCH haben die Organe der Union die Rechte der Charta zu achten. Dies spricht dafür, Art. 12 GrCH auch bei der Anwendung des Kartellrechts auf den Sport zu beachten, wenn sein Schutzbereich betroffen ist, und die Verbandsautonomie als Rechtfertigungsgrund anzuerkennen.147 Umgekehrt bedeutete die Untersagung sportverbandlicher Regelungen aufgrund ihrer kartellrechtlichen Nichtigkeit einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GrCH.148 Daher können nur solche Eingriffe in den Schutzbereich der Verbandsautonomie gerechtfertigt sein, die den Vorgaben der Schranke des Art. 12 GrCH entsprechen.149 Gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 GrCH sind die Vorgaben des Art. 11 Abs. 2 EMRK zu den Einschränkungszielen zu beachten. Deshalb müssen die Eingriffe „für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“ erforderlich und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein.150 Die Wettbewerbsregeln dienen dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, sodass ein Eingriff wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens durch Sportverbände stets dem Schrankenvorbehalt des Art. 12 GrCH genügt.151

VI. Bedeutung der Meca-Medina-Rechtsprechung für die Anwendung des nationalen Kartellrechts auf den Sport Die Prüfungsmethode des EuGH in der Rechtssache Meca-Medina ist mittlerweile „Common Sense“ bei der kartellrechtlichen Bewertung von Sportverbandsregeln durch die Unionsorgane. Die Kommission hat im Rahmen des Weissbuchs Sport der Thematik bereits 2007 ein eigenes Kapitel gewidmet und ist darin auf verschiedene typische Regelwerke eingegangen, die anhand des „Meca-Medina-Tests“, d. h. legitimes Ziel, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Regel, zu überprüfen sind.152 Auch in einem Verfahren betreffend die Anti-Doping-Bestimmungen der ATP hat sie eine Rechtfertigungsprüfung vorgenommen.153

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Trennt (Fn. 145), S. 223. Jarass, EuR 2013, 29, 30. 148 Grätz (Fn. 71), S. 255. 149 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 422. 150 Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, Art. 12 GrCH, Rn. 13. 151 Vgl. EuGH, 12. 6. 2003, Rs. C-112/00, Slg. 2003, I-5659, Rn. 79 – Schmidberger. 152 Kommission, 11. 7. 2007, KOM(2007) 391 final „Weissbuch Sport“, Anhang I: Sport und EU-Wettbewerbsvorschriften, S. 72 ff. 153 Kommission, 12. 10. 2009, COMP/39471, Rn. 28 ff. – Certain joueur de tennis professionel. 147

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Nicht endgültig geklärt ist dagegen, ob die beschriebene Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Meca-Medina auch für das nationale Kartellrecht maßgeblich ist. Insoweit ist zunächst einmal zu differenzieren: Wenden nationale Gerichte oder das Bundeskartellamt europäisches Recht an, weil die relevante Regelung, also z. B. die Anti-Doping-Bestimmungen eines nationalen Verbands, einen (spürbaren) zwischenstaatlichen Bezug hat,154 so haben sie auch die Vorgaben des europäischen Gerichtshofs zur kartellrechtlichen Bewertung sportverbandlicher Regelwerke zu beachten. Dies folgt daraus, dass sowohl die europäische Kartellverfahrensordnung155 als auch das GWB selbst einen weitgehenden Gleichlauf beider Kartellrechtsordnungen vorsehen. So bestimmen Art. 3 Abs. 1 VO 1/2003 und § 22 Abs. 1 S. 2 GWB, dass nationale Kartellbehörden und Gerichte bei der Anwendung des nationalen Kartellverbots in § 1 GWB auch Art. 101 AEUV anzuwenden haben, wenn durch die Vereinbarung, den Beschluss oder die abgestimmte Verhaltensweise der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden kann. Nach Art. 3 Abs. 2 S. 1 VO 1/2003 und § 22 Abs. 2 GWB darf also bei Erreichen der sog. Zwischenstaatlichkeitsklausel die Anwendung des § 1 GWB nicht zum Verbot einer Verhaltensweise führen, die nicht nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verboten oder nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt ist. Ein strengeres deutsches Kartellverbot bleibt außer Acht.156 Ist das europäische Kartellrecht indes nicht anwendbar, etwa weil in einem zivilrechtlichen Verfahren lediglich die kartellrechtliche Überprüfung einer einzelnen Verbandssanktion eines nationalen Verbands Verfahrensgegenstand ist, verbleibt im Grundsatz ein eigenständiger, autonomer Anwendungsbereich des GWB.157 Blickt man nun auf die kartellrechtliche Lehre, zeigt sich, dass die Berücksichtigung nicht wettbewerblicher Ziele im Rahmen des GWB mehrheitlich abgelehnt und allenfalls der ökonomische Teil eines legitimen Ziels als berücksichtigungsfähig angesehen wird.158 Dies steht im Einklang mit den Kommentatoren, die eine Öffnung 154 Vgl. zur sog. Zwischenstaatlichkeitsklausel Kommission, 11. 7. 2007, KOM(2007) 391 final „Weissbuch Sport“, Anhang I: Sport und EU-Wettbewerbsvorschriften, S. 76, Fn. 178. 155 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003 L 1/1 (im Folgenden VO 1/2003). 156 Aus diesem Grund wurde auch § 31 GWB a.F., der § 1 GWB auf die zentrale Vermarktung von Fernsehrechten durch Sportveranstalter für nicht anwendbar erklärte, im Zuge der 7. GWB Novelle 2005 wieder aufgehoben; vgl. Begr., BT-Drcks. 15/3640, S. 50; Schwarze/Hetzel, EuR 2005, 581, 585 f.; Kahlenberg/Haellmigk, BB 2004, 389, 392 f.; Deselaers, WuW 1998, 946. 157 Immenga/Mestmäcker-Fuchs, Wettbewerbsrecht, Bd. 2, 5. Aufl. 2014, § 2 GWB Rn. 36; Immenga/Mestmäcker-Rehbinder (Fn. 91), Art. 3 VO 1/2003, Rn. 24; Langen/BunteBraun, Deutsches Kartellrecht, Bd. 1, 12. Aufl. 2014, Nachbemerkung zu § 2 Fallgruppen, Rn. 21 ff.; a. A. Säcker, in: Münchener Kommentar GWB, Bd. 2, 2. Aufl. 2015, § 1 GWB, Rn. 2. 158 Langen/Bunte-Krauß (Fn. 157), § 1 GWB Rn. 149 f.; Immenga/Mestmäcker-Zimmer (Fn. 157), § 1 GWB, Rn. 166 ff.; MüKo-Säcker (Fn. 157), § 1 GWB, Rn. 55; offener dagegen

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des europäischen Kartellverbots für nicht wettbewerbliche Zwecke – wie bei MecaMedina – für unzulässig erachten.159 Auch der Bundesgerichtshof hat sich in der Entscheidung Europapokalheimspiele mit der Berücksichtigungsfähigkeit nicht wettbewerblicher Ziele im Rahmen des GWB speziell bei der Anwendung auf den Sportsektor auseinandersetzen müssen und diese verneint. Er führte hierzu Folgendes aus: „Der Senat verkennt nicht, daß der DFB als nach § 4 seiner Satzung gemeinnütziger Verein die zentrale Vermarktung der hier zu beurteilenden Europapokalheimspiele nicht aus eigenem Gewinninteresse vornimmt, sondern auf diese Weise Mittel für die Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben – hier der Erhaltung einer hinreichend großen Zahl von nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich leistungsfähigen Vereinen der Bundesliga und der Zweiten Bundesliga – erzielen will. Dieses vornehmlich sportpolitische Ziel rechtfertigt indessen nach dem nationalen Recht – anders als dies etwa in den USA für den Ligasport gilt (vgl. Stopper, S. 66 ff., 129 ff.) – keine Freistellung vom Kartellverbot. Soweit der DFB und seine Mitglieder als Unternehmen am Markt teilnehmen und die berufsmäßig durchgeführten Fußballspiele auch durch die gegen ein hohes Entgelt gewährte Gestattung von Fernsehübertragungen vermarkten, haben sie ungeachtet der damit verfolgten weitergehenden sportpolitischen und vom Kartellverbot an sich nicht berührten Zielsetzungen die von dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gezogenen Grenzen zu beachten. Anderenfalls würde das Ziel des Gesetzes weitgehend verfehlt werden, das darin besteht zu verhindern, daß die Marktverhältnisse durch Wettbewerbsbeschränkungen beeinflußt werden. Wenn es also in erster Linie um den Schutz des Wettbewerbs als Institution geht und mittelbar darum, die Handlungsfreiheit anderer Marktteilnehmer zu sichern (vgl. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 Rdnr. 11), kann die Verletzung dieser Ziele nicht dadurch gerechtfertigt werden, daß mit den auf diese Weise auf Kosten von Marktteilnehmern erzielten höheren Gewinnen sozial erwünschte Verhaltensweisen finanziert werden.“160

Ob damit bei der Frage der Übernahme der Rechtfertigungs- und Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Meca-Medina schon das letzte Wort gesprochen ist, darf allerdings bezweifelt werden. Zunächst betraf das Urteil des Bundesgerichthofs die Zentralvermarktung von Übertragungsrechten161 und damit eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, die jedenfalls prima facie wettbewerblich bedenklicher sein dürfte als die Organisation des Sports, sodass eine Rechtfertigungsprüfung aus Sicht des BGH nicht angezeigt war. Auch die Kommission differenziert zwischen der Organisation des Sports, bei der der „Meca-Medina-Test“ Anwendung finden soll, und den „Einkommen erzeugenden Tätigkeiten“ von Sportverbänden, bei Bechtold (Fn. 21), § 1 GWB, Rn. 38. Siehe zu dieser Thematik auch Hackl, Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und nichtwettbewerbliche Interessen, 2010, S. 69 ff. 159 Schweitzer (Fn. 107), S. 13 f.; Fuchs, ZWeR 2007, 383 f.; Basaran, ECLR 2006, 27(9), 479 ff.; ders. ZWeR 2005, 1, 17 f.; Schürnbrand, ZWeR 2005, 396, 407; Koch, ZWeR 2005, 380, 387; Kjølbye, ECLR 2004 25(9), 566, 670 f.; Quellmalz, WRP 2004, 461, 466 f.; Stumpf, Aufgabe und Befugnis, 1999, S. 433 f.; Müller-Graff, EuR 1992, 1, 23. Zu weiteren Nachweisen zum Schrifttum siehe FK-Pohlmann (Fn. 26), Grundfragen Art. 81 Abs. 3 EG, Rn. 60 ff. Diese meint, dass eine Berücksichtigung anderer Vertragsziele nur dann zulässig ist, wenn deren ernsthafte Gefährdung droht (Rn. 75). 160 BGH, 11. 12. 1997, WuW 1998, 163, 169 – Europapokalheimspiele. 161 BGH, 11. 12. 1997, WuW 1998, 163 – Europapokalheimspiele.

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denen dies nicht gilt.162 Entscheidend dürfte insoweit sein, dass – in Abgrenzung zu normalem Marktverhalten eines Verbands, das sich nicht von dem anderer Marktteilnehmer unterscheidet163 – bei der Anwendung des GWB auf sportverbandliche Regelwerke, wie insbesondere Anti-Doping-Bestimmungen, die Vereinsautonomie zu berücksichtigen ist. Insoweit ist auch für das GWB entsprechend dem Vorgehen auf europäischer Ebene eine Rechtfertigungsprüfung durch legitime Verbandsziele angezeigt.

VII. Ergebnisse Die Reglementierung des Sports durch seine Verbände steht in einem permanenten Konflikt mit dem freien Wettbewerb, denn Regelsetzung durch Verbände führt unweigerlich zu Beschränkungen der Regeladressaten, deren Marktverhalten beeinflusst und gesteuert wird. Systematisches Problem der Anwendung des Kartellrechts auf den Sport ist dabei die fehlende Marktpräsenz von Sportverbänden. Diese erlassen zwar Regeln, die unmittelbare wettbewerbliche Auswirkungen haben, jedoch treffen diese Wirkungen meist Klubs oder Dritte, die die eigentlichen Marktteilnehmer sind. Die Sportverbände sind daher bei der Schaffung und Anwendung ihrer Regelwerke nur dann Unternehmen i. S. d. Art. 101 und Art. 102 AEUV, wenn sie durch diese Regelwerke ihr eigenes Marktverhalten beeinflussen. Betreffen die Wirkungen eines Reglements ausschließlich das Marktverhalten Dritter, liegt insoweit keine wirtschaftliche Tätigkeit des Verbands vor und damit auch keine Unternehmenseigenschaft. In solchen Fällen kann es aber angezeigt sein, auf die das Regelwerk umsetzenden Akteure des Sports, z. B. die einzelnen Klubs, als Unternehmen abzustellen. Teil dieses systematischen Problems ist auch die Frage der Wettbewerbsbeschränkung in Drittwettbewerbskonstellationen. Dieser ist nach Sinn und Zweck des Art. 101 AEUV auch geschützt, sodass es für eine Beschränkung des Wettbewerbs unerheblich ist, ob der Wettbewerb für mindestens einen an der Vereinbarung, der Verhaltensweise oder dem Beschluss Beteiligten beschränkt wird. Daher bewirken Verbandsregelungen regelmäßig Beschränkungen des Wettbewerbs i. S. d. Art. 101 AEUV. Das Meca-Medina-Urteil ist das Leiturteil bei der Anwendung des europäischen Kartellrechts auf den Sport. Es schafft die Möglichkeit eines interessengerechten Ausgleichs zwischen den Belangen der Sportverbände, die den Sport reglementieren 162

Kommission, 11. 7. 2007, KOM(2007) 391 final „Weissbuch Sport“, Anhang I: Sport und EU-Wettbewerbsvorschriften, S. 72 ff. 163 BVerfGE 70, 1, 25: Nach der Rechtsprechung des BVerfG soll für eine Vereinigung, die wie jedermann im Rechtsverkehr tätig wird, nicht der Grundrechtsschutz des Art. 9 Abs. 1 GG für die Tätigkeit maßgebend sein, da es andernfalls zu einer Privilegierung von Verbänden im Vergleich zu Einzelpersonen käme; siehe hierzu Maunz/Dürig-Scholz, Grundgesetz Kommentar, Loseblatt, Stand: Mai 2015, Art. 9 GG, Rn. 87; Trennt (Fn. 145), S. 233 f.; Beisenherz, Der professionelle Sport, 2011, S. 46; a. A. Steiner, Die Autonomie des Sports, 2003, S. 33.

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dürfen und sich hierbei sowohl auf die Verbandsautonomie nach Art. 12 GrCH als auch auf die besonderen Merkmale des Sport nach Art. 165 AEUV berufen dürfen, und den einzelnen Akteuren des Sports, d. h. den Athleten, den Klubs, aber auch Mäzenen, Investoren und Spieleragenten, die ihrerseits durch die Regeln der Art. 101 und Art. 102 AEUV geschützt werden. Dogmatisch stellt das Urteil keine teleologische Reduktion des Kartellverbots dar, sondern – dem Prinzip der praktischen Konkordanz folgend – eine Rechtfertigungsprüfung durch legitime Ziele des Sports. Dieser Ansatz ist auch für die Anwendung des GWB auf den Sport zu übernehmen.

Third-party Ownership of Players’ Economic Rights und Kartellrecht Sebastian Egger I. II. III. IV.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtstatsächliche Betrachtung der TPO-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Relevante Verbotsnormen der FIFA-RSTP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilung des Totalverbots aus kartellrechtlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit auf Regelungen von Sportverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstoß gegen Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Adressaten des Kartellverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschluss bzw. abgestimmtes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bezwecken oder Bewirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Spürbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sachlich und räumlich relevante Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Marktmacht auf den relevanten Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Betroffenheit des zwischenstaatlichen Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ausnahmetatbestand des Art. 101 Abs. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Legitimation des TPO-Verbots aufgrund des „Drei-Stufen-Tests“ . . . . . . . . . . aa) Legitime Ziele des TPO-Verbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sicherstellung der Wettbewerbsintegrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unterbindung der Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sicherstellung der Wettbewerbsstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sicherstellung der Wettbewerbsintegrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unterbindung der Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sicherstellung der Wettbewerbsstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausdehnung auf Sicherungsabtretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sicherstellung der Wettbewerbsintegrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Unterbindung der Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Sicherstellung der Wettbewerbsstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verhältnismäßigkeit/Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verstoß gegen Art. 102 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Adressaten des Missbrauchsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Marktbeherrschung der kollektiven Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Missbräuchliche Ausnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Betroffenheit des zwischenstaatlichen Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung Während in einigen Ländern Drittbeteiligungen an Transferrechten von Fußballspielern (sog. Third-party ownerships – im Folgenden: TPOs) weit verbreitet sind,1 untersagen die Statuten anderer Fußballverbände2 diese Investorenmodelle. Zu einer gewissen Bekanntheit in fußballinteressierten Kreisen gelangten TPOs und die damit einhergehenden Probleme im Zuge des Transfers des argentinischen Nationalspielers Carlos Teves von Corinthians Sao Paulo zu West Ham United im Jahr 2006: Die Agentur „Media Sports Investments“, die zu 100 % an den Transferrechten beteiligt war, behielt sich in dem zugrundeliegenden Vertrag mit dem aufnehmenden Klub neben sämtlichen Transferrechten auch die Entscheidungsbefugnis über einen Weitertransfer sowie die Festsetzung der aufzurufenden Ablösesumme vor. Dieses Vorgehen stieß nicht nur auf erhebliche Kritik in den Medien und der Öffentlichkeit, die sich primär auf die (vermeintlich zunehmende) Macht von Investoren im Fußballsport bezog. Vielmehr endete der Fall für West Ham United mit einer Strafzahlungsverpflichtung wegen der Gewährung unzulässiger Einflussnahme.3 Um künftig der Gefahr entsprechender Vereinbarungen zu begegnen, wurden in England ab der Saison 2008/2009 umfassende TPO-Verbote erlassen.4 Im deutschen Profifußball kam TPOs lange Zeit kaum praktische Relevanz zu. In den Fokus rückten sie erst im Jahr 2010, als der Unternehmer Klaus-Michael Kühne dem Hamburger Sport-Verein e.V. die Verpflichtung von sechs Spielern ermöglichte und sich im Gegenzug 33 % der Transferrechte abtreten ließ.5 Als Reaktion auf Einflussnahmeversuche von Drittinvestoren implementierte die FIFA im Jahr 2008 in ihren „Regulations on the Status and Transfer of Players“ (RSTP) ein Beeinflussungsverbot (Art. 18bis RSTP). Da dieses als unzureichend kritisiert wurde, folgte das FIFA-Exekutivkomitee den Vorschlägen einer zuvor einge1 Eine dominierende Stellung nehmen die südamerikanischen Länder, insbesondere Brasilien und Argentinien ein. Gleichwohl ist dieses Finanzierungsmodell auch in Europa, namentlich in Portugal, Spanien, Slowenien und Kroatien weit verbreitet, vgl. Wackerbeck, SpuRt 2015, 56 (57). 2 So in England, Frankreich und Polen; eingehend Bahners/Konermann, KSzW 2013, 224 (225 f.). 3 Eine solche war nach den „material influence regulations“ untersagt. Die TPO-Vereinbarung an sich war demgegenüber zum damaligen Zeitpunkt zulässig, vgl. Geey, Third Party Investment from a UK Perspective, 04.2015, abrufbar unter http://www.danielgeey.com/thirdparty-investment-from-a-uk-perspective/ (alle Internetseiten zuletzt abgerufen am 27. 08. 2015). 4 Vgl. die „Premier League Rules U 39 – 40“ (Premier League) sowie die „Third Party Interest In Players Regulations“ (Football Association), abrufbar unter http://m.premierleague. com/content/dam/premierleague/site-content/News/publications/handbooks/premier-leaguehandbook-2014 – 15.pdf und http://www.thefa.com/~/media/files/thefaportal/governance-docs/ rules-of-the-association/2015 - 16/029_third-party-interest-in-players-regulations.ashx. 5 Vgl. Hamburger Abendblatt, 2010 fing mit dem Kauf von Transferrechten alles an, 24. 06. 2015, abrufbar unter http://www.abendblatt.de/sport/article205409975/2010-fing-mitdem-Kauf-von-Transferrechten-alles-an.html.

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setzten Arbeitsgruppe6 und beschloss am 18./19. 12. 2014 die Aufnahme eines Totalverbots in Art. 18ter RSTP, das am 01. 05. 2015 in Kraft trat.7 Innerhalb der Verbände stieß dieses Verbot teils auf erheblichen Widerstand, der in eine Beschwerde des spanischen und des portugiesischen Verbands zur Europäischen Kommission mündete, die (unter anderem) auf Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht gestützt wurde.8 Bevor eine eingehende Auseinandersetzung mit der kartellrechtlichen Relevanz des TPO-Verbots erfolgt (IV.), wird zunächst eine rechtstatsächliche Betrachtung der TPO-Modelle vorangestellt (II.), gefolgt von einer näheren Untersuchung des Regelungsgehalts der maßgeblichen Verbotsnormen (III.).

II. Rechtstatsächliche Betrachtung der TPO-Modelle Innerhalb der TPO-Gestaltungen kommt den Finanzierungs- und Investment-TPOs die größte Praxisrelevanz zu.9 Finanzierungs-TPOs dienen primär der allgemeinen Finanzierung von Fußballklubs: Diese treten ihre Transferrechte an Kreditgeber (zumeist Banken) zur Sicherung der Darlehensrückzahlung ab. Im Rahmen dieser Gestaltung werden die Transferrechte häufig mit einer Mindestsumme bewertet, damit den Sicherungsnehmern die Verwertung unabhängig von der tatsächlichen Situation auf dem Transfermarkt möglich ist.10 Zweck der Investment-TPOs ist demgegenüber die Realisierung einzelner Spielertransfers, hinsichtlich derer der aufnehmende Fußballklub nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt: Er sucht sich gezielt Investoren, welche die Transfersumme (teilweise oder vollständig) aufbringen und sich im Gegenzug Beteiligungen an den Transferrechten einräumen lassen. Aus rechtlicher Perspektive ist im Hinblick auf die vorgenannten Transferrechte zwischen dem „Freigaberecht“ (federative right)11 und dem „Entschädigungsrecht“ (economic right) zu unterscheiden. Allein das Letztgenannte ist als „wirtschaftliche[s] 6

Mitteilung der FIFA vom 02. 09. 2014, abrufbar unter http://de.fifa.com/governance/news/ y=2014/m=9/news=erste-sitzung-der-arbeitsgruppe-zu-dritteigentum-an-spielern-2435568. html. 7 Mitteilung der FIFA vom 19. 12. 2014, abrufbar unter http://de.fifa.com/governance/news/ y=2014/m=12/news=ethik-exekutivkomitee-stellt-sich-einstimmig-hinter-die-empfehlungzur-2494726.html. 8 Vgl. Reinholz, Dritteigentum im Fußball – wem gehören die Spieler?, 13. 07. 2015, abrufbar unter http://sportsandlaw.de/dritteigentum-im-fussball-wem-gehoeren-die-spieler/. 9 Zu den verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten siehe Bahners/Konermann, KSzW 2013, 224 (226 f.), und Del Fabro, CaS 2015, 219 (219 ff.). 10 Hierzu Dworak, Finanzierung für Fußballunternehmen – Erfolgreiche Wege der Kapitalbeschaffung, 2010, S. 228. 11 Es handelt sich hierbei um den originären, nicht übertragbaren Teil des Transferrechts, aufgrund dessen der Transfer von einer Freigabeerklärung des abgebenden Klubs abhängt. Unterbleibt sie, erhält der betreffende Spieler (u. a.) keine Spielerlaubnis für den aufnehmenden Klub, Holzhäuser/Körner, CaS 2009, 193 (194).

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Spielerrecht[…]“12 tauglicher Gegenstand der Übertragung auf Drittinvestoren. Dieses „Recht“ liegt darin begründet, dass Arbeitsverträge von Fußballspielern befristet ausgestaltet sind und deshalb eine ordentliche Kündigung ausscheidet (§ 15 Abs. 3 TzBfG). Eine vorzeitige Vertragsbeendigung bedarf somit stets der Zustimmung des abgebenden Klubs, der diese in der Regel an die Zahlung einer Ablösesumme knüpft. Dieser (zukünftige) Zahlungsanspruch kann auf einen Drittinvestor übertragen werden (§§ 398 ff. BGB).13 Daraus ergibt sich zugleich das Risikopotential für Drittinvestoren: Erfolgt der Wechsel zu einer geringeren als der investierten Ablösesumme, erzielt der Investor eine negative Rendite. Wegen der Möglichkeit eines ablösefreien Wechsels nach Ablauf der Vertragslaufzeit14 droht sogar ein Totalverlust.15

III. Relevante Verbotsnormen der FIFA-RSTP Die TPOs betreffenden Regelungen der RSTP, die auf nationaler Ebene verbindlich und in die jeweiligen Verbandsreglements zu integrieren sind,16 haben folgenden Wortlaut: „Art. 18bis Beeinflussung von Vereinen durch Drittparteien 1. Ein Verein darf keine Verträge eingehen, die dem anderen Verein/den anderen Vereinen und umgekehrt oder einer Drittpartei die Möglichkeit einräumen, in Arbeitsverhältnissen oder Transfersachen seine Unabhängigkeit, seine Politik oder die Leistung seiner Teams zu beeinflussen. 2. […] Art. 18ter Dritteigentum an wirtschaftlichen Spielerrechten 1. Weder Vereine noch Spieler dürfen mit einer Drittpartei einen Vertrag abschließen, der einer Drittpartei einen gänzlichen oder partiellen Anspruch auf eine Entschädigung, die bei einem künftigen Transfer eines Spielers von einem Verein zu einem anderen fällig wird, oder beliebige Rechte im Zusammenhang mit einem künftigen Transfer oder einer Transferentschädigung gewährt. 2.-6. […].“17

12

Dazu Holzhäuser/Körner, CaS 2009, 193 (194 f.). Zutreffend wäre somit die Bezeichnung als „Entschädigungsanspruch“, vgl. auch Bahners/ Konermann, KSzW 2013, 224 (225); Menke, SpuRt 2013, 67 (68) – Anm. zu öOGH, Beschl. v. 29. 11. 2012 – 2 Ob 157/12w; ungenau hingegen Holzhäuser/Körner, CaS 2009, 193 (194). 14 Mit Beendigung des Arbeitsvertrags erlöschen Zustimmungspflicht und Entschädigungsrecht, EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-04921 Rz. 99 ff. = NJW 1996, 505 (510) – Bosman. 15 Dem versuchten Investoren in der Vergangenheit mittels vertraglich zugesicherter Entschädigungszahlungen bei ablösefreien Transfers sowie vorbehaltener Einwirkungsmöglichkeiten zu begegnen. 16 FIFA-Zirkular Nr. 1464 v. 22. 12. 2014, abrufbar unter http://de.fifa.com/mm/document/ affederation/administration/02/49/57/42/tpocircular1464_de_german.pdf. 17 Die Absätze 2 bis 6 regeln das Inkrafttreten, die Anwendbarkeit auf Altverträge sowie Sanktionsmöglichkeiten. 13

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Unabhängig von der kartellrechtlichen Bewertung sieht sich Art. 18ter RSTP dem Vorwurf fehlender Bestimmtheit ausgesetzt, die darauf beruhe, dass die Regelung mit „heiße[r] Nadel“18 gestrickt sei.19 Diese Kritik verfängt jedoch im Ergebnis nicht, da eine klare Abgrenzung des Regelungsbereichs möglich ist: So kann im Ergebnis dahinstehen, ob das Verbot der Gewährung eines „gänzlichen oder partiellen Anspruch[s]“ nur prozentuale Beteiligungen am Transfererlös oder auch festgeschriebene Summen erfasst,20 denn festgeschriebene Summen können unter „beliebige Rechte im Zusammenhang mit einem künftigen Transfer oder einer Transferentschädigung“ subsumiert werden. Zudem stünde deren Ausnahme aus dem Geltungsbereich in deutlichem Widerspruch zum Bestreben der FIFA, Drittinvestitionen nachhaltig zu unterbinden,21 da in diesem Fall Umgehungsgestaltungen vorprogrammiert wären. Somit sprechen auch teleologische Aspekte für deren Einbeziehung. Überdies ist nicht zweifelhaft, ob aufgrund des Art. 18ter RSTP Sicherungsabtretungen von Entschädigungsrechten an Banken und andere Kreditgeber – mithin Finanzierungs-TPOs – verboten sind:22 Der Regelungswortlaut umfasst ohne Weiteres kreditsichernde Gestaltungen als Gewährung „beliebige[r] Rechte im Zusammenhang mit einem künftigen Transfer oder einer Transferentschädigung“. Hinweise auf Ausnahmetatbestände haben demgegenüber weder im Reglement noch im erläuternden FIFA-Zirkular Nr. 146423 Niederschlag gefunden. Die Annahme eines Totalverbots wird zudem durch eine Vergleichsbetrachtung zwischen Art. 18ter RSTP und den „Third Party Interest In Players Regulations“ der Football Association (FA)24 gestützt. Abschnitt A. 2. des FA-Regelwerks enthält ein dem Art. 18ter Abs. 1 RSTP inhaltlich entsprechendes Totalverbot. Allerdings sind unter B. 1.7-1.11 „Financing Agreements secured against Fees or other receivables“ ausdrücklich vom Verbot ausgenommen. Diese Ausnahme ist nur unter der Prämisse verständlich, dass auch die Finanzierungs-TPOs dem Verbot im Grundsatz unterfallen.25

18

Wackerbeck, SpuRt 2015, 56 (60). Zum Bestimmtheitsgrundsatz bei Sportregelwerken vgl. die Nachweise bei Holzhäuser/ Körner, CaS 2009, 193 (195 Fn. 9). 20 Wackerbeck, SpuRt 2015, 56 (60) stuft dies als „unklar“ ein. 21 Zur Intention, möglichst jede denkbare Konstellation zu erfassen: Jens/Wessel, CaS 2015, 10 (11). 22 So aber Jens/Wessel, CaS 2015, 10 (11), sowie Wackerbeck, SpuRt 2015, 56 (60). 23 Fn. 16. 24 Dazu Fn. 4. 25 Anders hingegen Del Fabro, CaS 2015, 219 (223 Fn. 27) unter Verweis auf eine telefonische Auskunft des FIFA-Rechtsdienstes. Del Fabro räumt aber ein, dass sich die Ausnahme nicht unmittelbar aus dem Regelungstext ergibt. 19

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IV. Beurteilung des Totalverbots aus kartellrechtlicher Sicht Während vereinzelt allein Verstöße von Regelungen mit TPO-Bezug gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) erwogen wurden,26 hinterfragt die Mehrzahl der jüngeren (rechts-)wissenschaftlichen Beiträge darüber hinaus deren Vereinbarkeit mit dem europäischen Wettbewerbsrecht.27 Wegen dieser zunehmenden Fokussierung wird im Folgenden die kartellrechtliche Dimension des Art. 18ter RSTP näher beleuchtet. 1. Anwendbarkeit auf Regelungen von Sportverbänden Der vormals vertretenen Auffassung, der Sport an sich falle nicht unter das europäische Wettbewerbsrecht,28 hat der EuGH selbst für „rein sportbezogene Regeln“ eine klare Absage erteilt („Meca-Medina“).29 Entscheidend sei allein, ob die Regelungen unter den Anwendungsbereich der Verträge fielen, mithin inwieweit der Sport zum Wirtschaftsleben gehöre.30 Insofern kommt es maßgeblich darauf an, ob die Tätigkeit der von der Regelung betroffenen Akteure des Sportsektors einen Marktbezug aufweist.31 Dies ist für Art. 18ter RSTP, der (unter anderem) das Marktverhalten von Profiklubs tangiert, zu bejahen. 2. Verstoß gegen Art. 101 AEUV Der Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV erklärt alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, für mit dem europäischen Binnenmarkt unvereinbar und verboten. 26 Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 07. 02. 2013, IP/13/95; krit. Heermann, CaS 2013, 21 (26). 27 Bspw. Heermann, CaS 2013, 21 (27 ff.); Jens/Wessel, CaS 2015, 10 (12 ff.); Wackerbeck, SpuRt 2015, 56 (60); zum englischen TPO-Verbot: Geey, Entertainment and Sports Law Journal Vol. 7 Nr. 2, Third Party Player Ownership: the Regulations for Premier League and Football League Clubs for the 2009/10 Season, Rn. 54 ff., abrufbar unter http://www2.war wick.ac.uk/fac/soc/law/elj/eslj/issues/volume7/number2/geey; vgl. auch den Gegenstand der Beschwerde des spanischen und portugiesischen Verbands (Fn. 8). 28 Nachweise bei Heermann, CaS 2006, 345 (345 Fn. 3). 29 EuGH, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rz. 27 = SpuRt 2006, 195 (196) – MecaMedina; dazu Heermann, CaS 2006, 345. 30 EuGH, Rs. C-325/08, Slg. 2010, I-2177, Rz. 27 – Olympique Lyonnais; Rs. C-36/74, Slg. 1974, 1405, Rz. 4, 10 – Walrave. 31 H.M., vgl. nur Horn, Die Anwendung des Kartellrechts auf den Sport (im Erscheinen), S. 78 f. m.w.N.

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a) Adressaten des Kartellverbots Adressaten des Kartellverbots sind Unternehmen und Unternehmensvereinigungen. Nach dem relativen, funktionalen Unternehmensbegriff des europäischen Wettbewerbsrechts ist eine Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und Finanzierung dann ein Unternehmen, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, mithin als Anbieter oder Nachfrager auf einem bestimmten Markt auftritt.32 Umstritten ist, ob die Tätigkeit, deren Vereinbarkeit mit kartellrechtlichen Vorgaben zu prüfen ist, zugleich diejenige sein muss, welche die Unternehmenseigenschaft begründet.33 Im Hinblick auf das Kartellverbot kann dieser Streit indes offenbleiben, da die FIFA (zumindest) eine Unternehmensvereinigung zweiten Grades34 darstellt:35 Ihre Mitglieder sind nationale Verbände, in denen Fußballklubs zusammengeschlossen sind, die ihrerseits Drittbeteiligungen anbieten und Spieler mithilfe von Investoren anwerben, also in Bezug auf den Regelungsgegenstand des TPO-Verbots als Unternehmen i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV agieren. b) Beschluss bzw. abgestimmtes Verhalten Als Beschluss werden sämtliche Rechtsakte qualifiziert, durch die eine Unternehmensvereinigung ihren Willen bildet.36 Das TPO-Verbot des Art. 18ter RSTP erfüllt diese Anforderungen: Die Regelung ist für nationale Verbände, die entsprechende Verbote erlassen müssen, sowie für Vereine, Spieler und Drittinvestoren verbindlich.37 Zudem kommt darin der Wille der FIFA zum Ausdruck, das Verhalten ihrer Mitglieder im Hinblick auf die Tätigkeit der Drittinvestoren zu koordinieren.38 Darüber hinaus wird in Betracht gezogen, dass in der Regelbefolgung durch die Fußballklubs eine abgestimmte Verhaltensweise vorliege.39

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EuGH, Rs. C-309/99, Slg. 2002, I-1577, Rz. 47 – Wouters; Rs. C-35/96, Slg. 1998, I-3886, Rz. 36 – Zollspediteure; allg. zum Unternehmensbegriff Emmerich, in: Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.), EU-Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 7 m.w.N. 33 Im Einzelnen Horn (Fn. 31), S. 163 ff. 34 EuG, Rs. T-193/02, Slg. 2005, II-209, Rz. 112 – Piau. 35 Bedeutung erlangt der Streit für den unternehmensbezogenen Missbrauchstatbestand (Art. 102 AEUV). Er wird deshalb unter IV.3.a) behandelt. 36 Emmerich (Fn. 32), Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 76 m.w.N. 37 FIFA-Zirkular Nr. 1464 (Fn. 16). 38 Vgl. EuG, Rs. T-193/02, Slg. 2005, II-209, Rz. 75 – Piau; allg. zu diesem Erfordernis: Emmerich (Fn. 32), Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 76. 39 Horn (Fn. 31), S. 317 f.

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c) Wettbewerbsbeschränkung Der maßgebliche Beschluss muss eine Beschränkung – als Oberbegriff der Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung –40 des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. aa) Beschränkung Zunächst stellt sich die Frage, welcher Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Wettbewerbsbeschränkung zu wählen ist. Diesbezüglich haben sich zwei Ansätze herausgebildet. Während zum Teil allein eine Beschränkung der Handlungsfreiheit der in der Unternehmensvereinigung zusammengeschlossenen Akteure gefordert wird,41 soll nach anderer Auffassung darüber hinaus eine Beeinträchtigung der Wahl- oder Betätigungsalternativen Dritter notwendig sein.42 Das EuG stellte in der Rechtssache „Piau“ (Beurteilung des Spielervermittlerreglements der FIFA) sogar allein auf die Beeinträchtigung der Spielervermittler als Dritte ab. Darin kommt eine Sichtweise zum Ausdruck, die den Schwerpunkt der Beschränkung als maßgeblich identifiziert.43 Im Hinblick auf das TPO-Verbot spricht vieles dafür, auf die Beschränkung der Fußballklubs als „zusammengeschlossene Akteure“ abzustellen: Diese sind – im Unterschied zum Spielervermittlerreglement – ebenso betroffen wie (potentielle) Drittinvestoren und Spieler, sodass zumindest auch deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit in den Blick zu nehmen ist.44 Die erforderliche Beschränkung manifestiert sich darin, dass ihnen das Anbieten von Transferrechten verboten wird (es liegt ein Ausschluss des Anbieterwettbewerbs vor).45 Aber auch soweit es (daneben) auf die Beeinträchtigung Dritter ankommen soll, liegt eine Wettbewerbsbeschränkung vor. So ist (potentiellen) Drittinvestoren die Beteiligung an Transferrechten gänzlich untersagt (jede Form des Nachfragewettbewerbs wird verhindert). Zudem kann die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Fußballspielern tangiert sein, da den Fußballklubs eine Finanzierungsmöglichkeit zur Realisierung von Transfers entzogen und in der Folge ein Arbeitgeberwechsel 40

Vgl. statt vieler Emmerich (Fn. 32), Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 106. Diese Ansicht basiert auf dem sog. Selbstständigkeitspostulat, dem zufolge das Kartellverbot der Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von Unternehmen entgegen wirken soll; Nachweise bei Emmerich (Fn. 32), Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 107. 42 Diesem Verständnis liegt die Annahme zugrunde, das Kartellrecht bezwecke auch den Schutz der Marktgegenseite. Vgl. nur Verse, CaS 2010, 28 (31), der hinsichtlich der „50+1“Regel auf eine Beschränkungen sowohl der Fußballklubs als auch der Drittinvestoren abstellt; weitere Nachweise bei Emmerich (Fn. 32), Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 107. 43 EuG, Rs. T-193/02, Slg. 2005, II-209, Rz. 101 – Piau; zust. Horn (Fn. 31), S. 255. 44 Jens/Wessel, CaS 2015, 10 (12) stellen sogar ausschließlich auf die Fußballklubs ab, denen eine Finanzierungsmöglichkeit entzogen werde; vgl. auch Verse, CaS 2010, 28 (30 f.), der hinsichtlich der „50+1“-Regel „vor allem“ eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entfaltung der Fußballkapitalgesellschaften erkennt. 45 Vgl. auch das Regelbeispiel des Art. 101 Abs. 1 lit. b) AEUV. 41

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erschwert wird.46 Dieser „Drittwettbewerb“ ist überdies in den Schutzbereich des Kartellverbots einbezogen.47 Zwar wird hierfür teilweise einschränkend gefordert, dass die Beeinträchtigung Dritter auf eine Beschränkung der an dem Beschluss Beteiligten zurückzuführen sein müsse.48 Dies kann im Hinblick auf das TPO-Verbot jedoch ohne Weiteres bejaht werden, da die dargestellten Beeinträchtigungen der (potentiellen) Drittinvestoren und der Spieler auf der limitierten Betätigungsfreiheit der Fußballklubs beruhen. bb) Bezwecken oder Bewirken Eine Beschränkung ist bezweckt, wenn dem Beschluss eine objektiv wettbewerbsbeschränkende Tendenz innewohnt. Der subjektiven Willensrichtung der Beteiligten kommt demgegenüber nur eine ganz untergeordnete Bedeutung zu.49 Im Hinblick auf das Anbieten und Nachfragen von Transfererlösbeteiligungen weist das TPO-Verbot eine solche objektive Tendenz auf, da entsprechende Betätigungen vollständig ausgeschlossen werden. Daneben ist das Bewirken einer Wettbewerbsbeschränkung in Bezug auf Spielertransfers in Betracht zu ziehen, da den Fußballklubs eine Finanzierungsmöglichkeit entzogen wird. cc) Spürbarkeit Das ungeschriebene Spürbarkeitskriterium entspricht einer De-minimis-Regel, mittels derer Bagatellfälle ausgeschieden werden sollen. Maßgeblich ist eine Gesamtbetrachtung der Marktverhältnisse, die sich insbesondere an den Marktanteilen orientiert.50 Spürbarkeit wird regelmäßig ab einem Marktanteil von 10 %, teils schon ab 5 %51 angenommen. Vor diesem Hintergrund sind zunächst die betroffenen Märkte abzugrenzen.52

46 Vgl. KEA European Affairs/Centre de Droit et d’Economie du Sport (Université de Limoges), The Economic and Legal Aspects of Transfers of Players, 2013, S. 91, abrufbar unter http://ec.europa.eu/sport/library/documents/cons-study-transfers-final-rpt.pdf. 47 Vgl. Horn (Fn. 31), S. 255 f. 48 Immenga/Fuchs, NJW 1988, 3052 (3053), weitere Nachweise bei Horn (Fn. 31), S. 255 f. 49 Emmerich (Fn. 32), Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 174. 50 Emmerich (Fn. 32), Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 145 f. 51 Vgl. EuGH, Rs. 19/77, Slg. 1978, 131, Rz. 8 – Miller International Schallplatten; Rs. C-107/82, Slg. 1983, 3151, Rz. 58 = NJW 1984, 1281 (1284) – AEG. 52 Deshalb greift die Begründung von Jens/Wessel, CaS 2015, 10 (12) zu kurz, die die Spürbarkeit bereits deshalb bejahen, weil „TPO […] eine ganz erhebliche Marktrelevanz besitzen“ und wegen ihrer Verbreitung in Spanien und Portugal „weite Teile der Ligen betroffen“ seien.

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(1) Sachlich und räumlich relevante Märkte Das Verbot richtet sich unmittelbar gegen Drittinvestitionen in Transferrechte an Fußballspielern, sodass der insoweit betroffene Markt sachlich abzugrenzen ist. Auf diesem agieren die Fußballklubs, die in FIFA-Mitgliedsverbänden zusammengeschlossen sind, als Anbieter von Transferrechten und die Drittinvestoren als Nachfrager.53 Maßgeblich ist folglich der sachliche Angebotsmarkt. Dieser bestimmt sich nach dem – mit einzelnen Modifikationen – anerkannten Bedarfsmarktkonzept. Hiernach sind alle Produkte und Dienstleistungen umfasst, welche aus Sicht der Marktgegenseite in Anbetracht ihrer Eigenschaften, ihres Preises und ihres Verwendungszwecks austauschbar sind (sog. Substituierbarkeit).54 Im Hinblick auf Drittinvestitionen in Transferrechte ist somit zu prüfen, ob (potentielle) Drittinvestoren als Marktgegenseite andere Investments als Substitute ansehen. Dies ist im Ergebnis abzulehnen und der sachliche Angebotsmarkt auf Transferrechte an Fußballspielern zu begrenzen: Dieses Marktsegment ist nicht nur durch sehr hohe Gewinnmargen und erhebliche Verlustrisiken gekennzeichnet.55 Vielmehr setzt das Tätigwerden auf Nachfrageseite einen tiefgreifenden Fußballsachverstand voraus, da nicht nur eine konkrete Einschätzung des Marktwerts bei Erwerb, sondern auch eine Prognose hinsichtlich der Marktwertentwicklung und der Wahrscheinlichkeit eines gewinnbringenden Wechsels vor Vertragsende anzustellen ist. Schon wegen dieser Spezialisierungserfordernisse auf Investorenseite sind Investments in Transferrechte an Fußballspielern aus deren Sicht nicht austauschbar.56 Wie angedeutet ist auch der Spieler(transfer)markt57 tangiert. Auf diesem agieren die Fußballspieler als Anbieter ihrer Arbeitskraft und die Klubs als Nachfrager. Abzugrenzen ist somit der sachlich relevante Nachfragemarkt unter Heranziehung eines modifizierten Bedarfsmarktkonzepts. Hiernach ist maßgeblich, auf welche Nachfrager oder Produkte der Anbietende ohne Schwierigkeiten ausweichen kann.58 Als Nachfrager der Arbeitskraft von Fußballspielern kommen allein Fußballklubs in Betracht, mithin ist der sachlich relevante Nachfragemarkt entsprechend eng abzugren-

53 Vgl CAS 98/200, Rz 102 – AEK Athen und Slavia Prag/UEFA, der hinsichtlich des Markts für Kapitalinvestitionen in Fußballklubs feststellt: „The Panel considers that the relevant market, as defined, would include on the supply side – that is the potential sellers of ownership interests – all owners of European football clubs“. 54 Emmerich (Fn.32), Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 159. 55 Der Fußballfonds „FRT 1“ – als Sonderfall einer TPO-Gestaltung – strebte innerhalb von vier Jahren einen Erlös i.H.v. 138 – 321 % des eingesetzten Kapitals an, Bahners/Konermann, KSzW 2013, 224 (227); zu den Risiken eines Totalverlustes erneut II. 56 Vgl. auch die entsprechend enge Abgrenzung durch den CAS hinsichtlich der Investitionen in Fußballklubs (CAS 98/200, Rz. 102 – AEK Athen und Slavia Prag/UEFA): „because of the peculiarities of the football sector, investment in football clubs does not appear to be interchangeable with investments in other businesses, or even in other leisure businesses.“ 57 Zu diesem „Beschaffungsmarkt“ Heermann, WuW 2009, 491 (492 f.). 58 Emmerich (Fn. 32), Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 165.

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zen. Daneben bestehende mittelbare Auswirkungen auf sog. Nebenmärkte bleiben als subsidiäre Begleiterscheinungen außer Betracht.59 In räumlicher Hinsicht sind sowohl die Grenzen des Markts der Beteiligung an Transferrechten als auch die des Spieler(transfer)markts international zu ziehen. (2) Marktmacht auf den relevanten Märkten Problematisch erscheint, auf wen hinsichtlich der Marktmacht auf den relevanten Märkten abzustellen ist: auf die FIFA selbst oder auf die Fußballklubs? Im Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV überzeugt allein Letzteres: Die Aufnahme von Unternehmensvereinigungen als Adressaten des Kartellverbots erfolgte mit dem Ziel, Umgehungen durch Zusammenschlüsse oder ähnliche kollektive Organisationen zu unterbinden.60 Folglich ist die Unternehmensvereinigung – gedanklich – so zu behandeln, als hätten die Unternehmen selbst im Rahmen einer abgestimmten Verhaltensweise agiert.61 Die in FIFA-Mitgliedsverbänden organisierten Fußballklubs verfügen über einen (originären) Marktanteil von 100 % der weltweiten Transferrechte an Fußballspielern, sodass die für die Spürbarkeit erforderliche Marktmacht auf dem Angebotsmarkt für Drittbeteiligungen an Transferrechten von Fußballspielern gegeben ist. Hinsichtlich des Spieler(transfer)markts kommt ihnen ein entsprechender Marktanteil auf dem Nachfragemarkt zu, da den Spielern keine Ausweichmöglichkeit auf nicht an das TPO-Verbot gebundene Fußballklubs offen steht. Die erforderliche Spürbarkeit ist somit auch insoweit gegeben. d) Betroffenheit des zwischenstaatlichen Handels Wegen der länderübergreifenden Ausdehnung des Markts für Drittbeteiligungen an Transferrechten von Fußballspielern und des Spieler(transfer)markts ist auch die Zwischenstaatlichkeit gegeben.62

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Vgl. erneut CAS 98/200, Rz. 101 – AEK Athen und Slavia Prag/UEFA: „the Contested Rule appears to be only indirectly related, if at all, to the various other markets […], such as the market for players, the sponsorship market, the merchandising market, the media rights market and the market for gate revenues. Therefore, the effects on these markets will be considered only on a subsidiary basis to the said principal relevant market, concerning ownership interests in European professional football clubs.“ 60 Emmerich (Fn. 32), Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 38. 61 Soweit eine abgestimmte Verhaltensweise der Fußballklubs angenommen wird, ist dieses Ergebnis ohnehin evident. 62 Europäische Kommission, KOM(2007) 391 final „Weissbuch Sport“, Anhang I: Sport und EU-Wettbewerbsvorschriften, S. 76, Fn. 178.

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e) Ausnahmetatbestand des Art. 101 Abs. 3 AEUV Die Legalausnahme des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfordert kumulativ das Erzielen eines Effizienzgewinns in Form der Verbesserung der Warenerzeugung bzw. -distribution63 und eine angemessene Verbraucherbeteiligung.64 Als negative Voraussetzungen stehen Beschränkungen, die nicht unerlässlich sind, sowie die Eröffnung der Möglichkeit, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten, der Freistellung entgegen. Es lässt sich zwar in Betracht ziehen, dass das TPO-Verbot Effizienzgewinne in Gestalt des Anbietens eines „besseren Produktes“ zeitigt – unter angemessener Beteiligung der Verbraucher.65 Indem jedoch der Wettbewerb im Hinblick auf Drittinvestitionen in Transferrechte an Fußballspielern vollständig ausgeschaltet wird, steht die negative Voraussetzung des Art. 101 Abs. 3 lit. b) AEUV einer Freistellung entgegen.66 f) Legitimation des TPO-Verbots aufgrund des „Drei-Stufen-Tests“ Es kommt jedoch eine Legitimation des TPO-Verbots aufgrund des „Drei-StufenTests“ in Betracht: In der Entscheidung „Meca-Medina“ hat der EuGH ausgeführt, dass nicht jeder die Handlungsfreiheit beschränkende Beschluss eines Verbands zwangsläufig unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV falle. Bei der Anwendung der Vorschrift im Einzelfall seien vielmehr der Gesamtzusammenhang des Beschlusses und insbesondere seine Zielsetzung zu würdigen. Weiter müsse geprüft werden, ob die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Zielsetzung zusammenhingen und ob sie im Hinblick auf die Ziele verhältnismäßig seien.67 Während die Durchführung des „Drei-Stufen-Tests“ sowohl im Schrifttum als auch durch die Kommission Anerkennung gefunden hat, ist dessen dogmatische Ein63 Dem technischen Fortschritt kommt im Hinblick auf das TPO-Verbot demgegenüber keine Bedeutung zu. 64 Zur Anwendung im Bereich des Sports: Heermann, WuW 2009, 394 (406 f.). 65 Dies ist insofern zweifelhaft, als eine rein wettbewerbliche Betrachtungsweise anzustellen, mithin ausschließlich diese Dimension der mit dem TPO-Verbot verfolgten Zielsetzungen zu beleuchten ist, vgl. Horn (Fn. 31), S. 158. Die zur Legitimierung des Verbots angeführten Gründe der Förderung der Wettbewerbsintegrität, der Unabhängigkeit der Fußballklubs sowie der Wettbewerbsstabilität (vgl. die KEA/CDES-Studie [Fn. 46], S. 64 ff.) wären somit dahingehend zu prüfen, ob sie zu einem – aus ökonomischer Perspektive – besseren „Produkt“ führen, bspw. durch Steigerung des Zuschauerzuspruchs, dazu Horn (Fn. 31), S. 353; zu Effizienzgewinnen im Rahmen der Spielervermittlungs-Reglements: EuG, Rs. T-193/02, Slg. 2005, II-209, Rz. 102 – Piau; zur Freistellung im Zusammenhang mit der „50+1“-Regel: Schaefer, Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit dem Europarecht, in: Vieweg (Hrsg.), Impulse des Sportrechts, 2014, S. 135 (143). 66 Zur maßgeblichen Marktabgrenzung Ellger, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EUWettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 282. 67 Vgl. EuGH, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rz. 42 – Meca-Medina.

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ordnung nach wie vor umstritten: Teils wird für eine Qualifizierung als „rule of reason“ plädiert.68 Diese Tatbestandsrestriktion entspricht weitgehend der im GWB anerkannten Immanenztheorie und setzt voraus, dass aufgrund einer Gesamtbetrachtung wettbewerbsfördernder und wettbewerbsbeeinträchtigender Auswirkungen von einer Unbedenklichkeit auszugehen ist.69 Gegen diese dogmatische Würdigung wird zu Recht eingewandt, dass der EuGH Umstände in den Fokus gerückt hat, die keine wettbewerbliche Dimension aufweisen, wie die Ehrlichkeit des Wettkampfs, die Gesundheit der Athleten und die ethischen Werte des Sports.70 Andere sehen in den Ausführungen einen Rekurs auf die Nebenabrededoktrin, die ihrerseits als teleologische Reduktion des Art. 101 Abs. 1 AEUV behandelt wird.71 Allerdings ist auch für die Nebenabrededoktrin eine rein wettbewerbliche Betrachtung anzustellen, sodass sie in den Ausführungen des EuGH keine Stütze findet.72 Schließlich wird vertreten, es erfolge eine Übertragung der Dogmatik der Grundfreiheiten, sodass ein Anwendungsfall der Cassis-Formel vorliege.73 Zu überzeugen vermag allein die letztgenannte Auffassung: Der EuGH verfolgte in der Entscheidung „Meca-Medina“ das Ziel, die Interessen des Sports bei der Anwendung des europäischen Kartellrechts zu berücksichtigen. Dies kann aufgrund des abschließenden Wortlauts des Art. 101 AEUV weder über eine Tatbestandsrestriktion des Abs. 1 noch über eine Ausdehnung der Freistellung nach Abs. 3 erfolgen. Vielmehr bedarf es eines Rückgriffs auf die Dogmatik der Grundfreiheiten, sodass im Rahmen der praktischen Konkordanz die kollidierenden Interessen (die Verbandsfreiheit [Art. 12 GRCh und Art. 11 EMRK] sowie der Schutz des Sports [Art. 165 AEUV] auf der einen und der Wettbewerbsschutz auf der anderen Seite) zu berücksichtigen und auszugleichen sind.74 aa) Legitime Ziele des TPO-Verbots Die Befürworter eines TPO-Verbots benennen verschiedene Zielsetzungen, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung in drei Obergruppen zusammengefasst werden:75 die Sicherstellung der Wettbewerbsintegrität, die Unterbindung der 68 Emmerich (Fn. 32), Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 134; Heermann, WuW 2009, 394 (404); Klees, EuZW 2008, 391 (393). 69 Vgl. Díaz, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampf, Kartellrecht, 2. Aufl. 2009, Art. 81 EGV, Rn. 135. 70 Horn (Fn. 31), S. 100 unter Bezugnahme auf EuGH, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rz. 43 – Meca-Medina. 71 Eilmansberger, ZWeR 2009, 437 (447 f). 72 Horn (Fn. 31), S. 101 f. 73 Bspw. Breuer, Das EU-Kartellrecht im Kraftfeld der Unionsziele, 2013, S. 568. 74 Im Einzelnen Horn (Fn. 31), S. 102 ff. sowie Schaefer (Fn. 65), S. 135 (143 f.). 75 Diese werden in der KEA/CDES-Studie (Fn. 46), S. 64 ff. angeführt, aber nicht bewertet; eine kritische Darstellung findet sich bei Heermann, CaS 2013, 21 (22 f., 25 f). Demgegenüber erfolgt hier keine nähere Auseinandersetzung mit der Argumentation, TPOs seien als ethisch und moralisch verwerflich einzustufen, da die Spieler zu einer „Ware“ degradiert würden, so bspw. Chaplin, Call for ban on third-party ownership of players’ economic rights,

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Fremdbestimmung der Fußballklubs und die Sicherstellung der Wettbewerbsstabilität. (1) Sicherstellung der Wettbewerbsintegrität Eine von den Befürwortern des TPO-Verbots stets genannte Zielsetzung ist die Sicherstellung der Integrität des Wettbewerbs.76 Diese erfordere zum einen den Ausschluss manipulativer Einflussnahmen Dritter auf den Ausgang des sportlichen Wettstreits sowie eines dahingehenden Verdachts in der Öffentlichkeit.77 Zum anderen bedürfe es der Unterbindung undurchsichtiger Geldströme, denen stets der Schein der Illegalität anhafte.78 Diese Zielsetzung ist im Grundsatz legitim. Die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit des Wettbewerbs sind essentielle Voraussetzungen für die Vermarktbarkeit von Sportereignissen und letztlich für den Bestand des Sports.79 Dies hat die Kommission in der Entscheidung „ENIC/UEFA“ anerkannt.80 (2) Unterbindung der Fremdbestimmung Als weitere Zielsetzung wird die Bewahrung der Freiheit und Unabhängigkeit der Fußballklubs angeführt.81 Zu vermeiden seien Beteiligungsformen, die Drittinvestoren in erheblichem Umfang die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Fußballklubs eröffneten, da das kommerziell geprägte Investoreninteresse häufig konträr zu den sportlichen Interessen der Fußballklubs verlaufe, sodass der nachhaltige sportliche Erfolg gefährdet sei.

11. 12. 2012, abrufbar unter www.uefa.org/about-uefa/executive-committee/news/newsid= 1906435.html: Es ist bereits im Ansatz nicht nachvollziehbar, weshalb TPO-Gestaltungen größeren ethisch-moralischen Bedenken ausgesetzt sein sollen als die Transferrechtinhaberschaft durch Fußballklubs. In beiden Fällen können die Interessen des Transferrechteinhabers mit denen des Spielers kollidieren – insbesondere wenn der Inhaber aus ökonomischen Gründen einen Wechsel forciert. Gleichwohl hat es der Spieler aus rechtlicher Perspektive stets selbst in der Hand, dem Vollzug eines Transfers zuzustimmen oder diesen abzulehnen. Dass der Spieler faktisch gewissen Zwängen durch den Transferrechteinhaber unterliegt, ist zwar nicht von der Hand zu weisen, allerdings keinesfalls ein Spezifikum der TPO-Gestaltungen, vgl. auch Jens/Wessel, CaS 2015, 10 (13 f.). 76 Duve, Why FIFA’s TPO ban is justified, 30. 04. 2015, abrufbar unter http://www.asser.nl/ SportsLaw/Blog/post/blog-symposium-the-justification-of-fifa-s-tpo-ban-by-prof-dr-christianduve; KEA/CDES-Studie (Fn. 46), S. 64. 77 Chaplin (Fn. 75); Duve (Fn. 76); vgl. auch Heermann, CaS 2013, 21 (22). 78 Vgl. auch die KEA/CDES-Studie (Fn. 46), S. 66: „supporting irresponsible financial behaviours as money flow would be more difficult to track“. 79 Hovemann/Wieschemann, SpuRt 2009, 187 (188). 80 Europäische Kommission COMP/37806, Rz. 32 – ENIC/UEFA; ebenso Schaefer (Fn. 65), S. 135 (146). 81 Duve (Fn. 76).

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Auch die stärkere Absicherung sportlicher Belange gegenüber rein kommerziellen Interessen stellt eine legitime Zielsetzung dar.82 Dies manifestiert sich in der primärrechtlichen Anerkennung des Sports als schutzwürdiges Gut, die in Art. 165 AEUV zum Ausdruck kommt. Auch die Vereins- und Verbandsautonomie streitet für die Legitimität dieser Zielsetzung.83 (3) Sicherstellung der Wettbewerbsstabilität Ein weiterer Zweck, der mit dem TPO-Verbot verfolgt wird, ist die Sicherstellung der Stabilität der Wettbewerbsverhältnisse. Diese sei dann gefährdet, wenn durch Drittbeteiligungsformen dem Sportsektor insgesamt finanzielle Mittel entzogen würden, da dieser Kapitalabfluss bestehende wettbewerbliche Ungleichgewichte zementiere oder gar verschärfe.84 Des Weiteren stelle die Einflussnahme ökonomisch orientierter Drittinvestoren auf die (Transfer-)Politik von Fußballklubs einen gefährdenden Faktor dar: Diese führe tendenziell zu einer erhöhten Transferfrequenz und damit zu einer Instabilität im Mannschaftsgefüge, die Diskrepanzen im Hinblick auf die sportliche Leistungsfähigkeit zwischen (zumeist kleineren) Fußballklubs, die auf Drittinvestoren zurückgreifen (müssen), und Spitzenklubs befördere.85 Auch eine inflationäre Zunahme der Transfersummen, hervorgerufen durch die Beteiligungen externer Investoren, sei der Wettbewerbsstabilität abträglich.86 Schließlich führten uneinheitliche nationale Regelungen – betreffend die Zulässigkeit von TPO-Gestaltungen – zu Vorteilen der Fußballklubs auf dem Transfermarkt, die auf InvestmentTPOs zurückgreifen können. Diese Zielsetzung hat der EuGH in der Rechtssache „Bosman“ mit Blick auf Regelungen anerkannt, die auf die Schaffung bzw. Beibehaltung des finanziellen und sportlichen Gleichgewichts zwischen Fußballklubs abzielen.87 Da die Stabilität der Wettbewerbsverhältnisse Grundvoraussetzung für den Bestand des Sports an sich ist, kann auch hinsichtlich der Legitimität dieser Zielsetzung auf Art. 165 AEUV und Art. 12 GRCh bzw. Art. 11 EMRK rekurriert werden.88

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In Bezug auf die „50+1“-Regel: Schaefer (Fn. 65), S. 135 (145) sowie Verse, CaS 2010, 28 (34); allg. zur Gefährdung der Autonomie des Sports durch private Geldgeber: Steiner, Die Autonomie des Sports, in: Tettinger/Vieweg (Hrsg.), Gegenwartsfragen des Sportrechts, 2004, S. 222 (248 ff.). 83 Schaefer (Fn. 65), S. 135 (145). 84 Zur Befürchtung, TPOs „lead[…] to money being taken out of the game“, Chaplin (Fn. 75). 85 Vgl. Duve (Fn. 76); zur Anerkennung einer gewissen wirtschaftlichen und sportlichen Ausgewogenheit als legitime Zielsetzung: Heermann, CaS 2013, 21 (28). 86 KEA/CDES-Studie (Fn. 46), S. 66. 87 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Rz. 105 – Bosman. 88 Vgl. Schaefer (Fn. 65), S. 135 (146).

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bb) Geeignetheit Geeignet sind brauchbare Mittel zur Erreichung der als legitim identifizierten Ziele, wobei deren Förderung ausreicht.89 Voraussetzung für die Geeignetheit des Totalverbots ist somit die Gefährdung der dargestellten Zielsetzungen durch TPO-Gestaltungen. Insofern ist streitig, ob der FIFA aufgrund der Verbandsautonomie (Art. 12 Abs. 1 GRCh und Art. 11 EMRK) sowie der Verankerung der Ziele des Sports in Art. 165 AEUVeine Einschätzungsprärogative in Form eines Ermessensspielraums zugestanden werden kann.90 Die besseren Gründe sprechen dagegen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass eine Einschätzungsprärogative im Grundsatz die staatliche Legitimation des Normgebers voraussetzt, über welche die FIFA nicht verfügt. Zum anderen besteht kein Bedarf für eine entsprechende Restriktion des Prüfungsumfangs der Kartellbehörden und Gerichte: Die Verbände verfügen über einen weitreichenden Entscheidungsspielraum dahingehend, ob sie eine Thematik überhaupt regeln wollen, sowie über ein Auswahlermessen zwischen gleich milden Mitteln. Zudem kann der unionsrechtlich verbürgten Verbandsautonomie und den Zielen des Sports im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsabwägung hinreichend Rechnung getragen werden.91 (1) Sicherstellung der Wettbewerbsintegrität Die Geeignetheit des TPO-Verbots zur Wahrung der Wettbewerbsintegrität sieht sich Bedenken ausgesetzt.92 Diese überzeugen, soweit sie die Eignung des Totalverbots zur Vermeidung manipulativer Einwirkungen oder entsprechender Verdachtslagen in Zweifel ziehen. Eine gesteigerte Manipulationsgefahr durch TPO-Gestaltungen ist auch in Fällen, in denen ein Drittinvestor Rechte an mehreren Spielern aufeinandertreffender Mannschaften oder an einem Spieler und dem gegnerischen Fußballklub hält,93 nicht erkennbar.94 Aus rechtstatsächlicher Perspektive ist zu berücksichtigen, dass Drittinvestoren und Spieler zumeist keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen unterhalten. In rechtlicher Hinsicht stehen die Erstgenannten den Spielern somit nicht näher als 89

Schaefer (Fn. 65), S. 135 (147 Fn. 48). In diese Richtung Heermann, CaS 2013, 21 (28); bejahend: Verse, CaS 2010, 28 (35 f.) mwNw; DFL Schiedsgericht, SpuRt 2011, 259 (263), das es als ausreichend ansieht, wenn die Regelung nicht „von vornherein ungeeignet ist“; abl. hingegen Horn (Fn. 31), S. 142 ff. m.w.N. 91 So auch Horn (Fn. 31), S. 143 f. 92 Vgl. Jens/Wessel, CaS 2015, 10 (13), die dem Art. 18ter RSTP insofern bereits deshalb die Eignung absprechen, weil die Befürworter eine Gefährdungslage auch nicht im Ansatz substantiiert dargelegt hätten; zust. Del Fabro, CaS 2015, 219 (225). 93 Diese Konstellationen haben die Verbotsbefürworter wohl vor Augen, vgl. die KEA/ CDES-Studie (Fn. 46), S. 91. 94 Krit. auch Heermann, CaS 2013, 21 (25). 90

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sonstige Dritte, sodass insoweit ein Anknüpfungspunkt für gesteigerte Manipulationsmöglichkeiten fehlt.95 Auch tatsächliche Aspekte lassen die Manipulationsgefahr gering erscheinen. Ein Spieler, der infolge manipulativer Absprachen eine schlechte Performance abliefert, schädigt unmittelbar seinen Arbeitgeber und muss von dessen Seite sportliche (Nichtberücksichtigung bei der Mannschaftsaufstellung) und finanzielle (schlechtere Ausgangslage für künftige Vertragsverhandlungen) „Sanktionen“ befürchten. Die Anreizwirkung, Manipulationsaufforderungen nachzukommen, ist somit nicht mit derjenigen vergleichbar, die bei Mehrheitsbeteiligungen an aufeinandertreffenden Fußballklubs besteht und zur Anerkennung einer entsprechenden Gefährdungslage geführt hat:96 Wegen der Einflussmöglichkeiten des Mehrheitsbeteiligten auf den Fußballklub drohen Spielern, die sich Manipulationsbegehren beugen, gerade keine Nachteile von Seiten ihres Arbeitsgebers.97 Im Hinblick auf die Unterbindung undurchsichtiger Geldströme ist die Geeignetheit des TPO-Verbots demgegenüber zu bejahen, da Investment-TPOs wegen ihrer grenzüberschreitenden Bezüge und der Intransparenz der Beteiligungsstrukturen zumindest der Verdacht der Illegalität anhaften kann und das Totalverbot diese Gefahr vollständig beseitigt. (2) Unterbindung der Fremdbestimmung Überdies ist die Eignung zur Unterbindung einer Fremdbestimmung von Fußballklubs zu bejahen: Drittinvestoren haben bei Investment-TPO-Gestaltungen ein wirtschaftliches Interesse an Wechseln vor Ablauf der Vertragslaufzeit, sodass die Gefahr einer Einflussnahme auf die (Transfer-)Politik des betreffenden Fußballklubs besteht.98 Dieser Gefahr wird durch das Verbot wirksam begegnet. Im Hinblick auf die Eignung ist es zudem unschädlich, dass auch eine (zulässige) Mehrheitsbeteiligung an Fußballkapitalgesellschaften den Investoren die Möglichkeit eröffnet, auf die (Transfer-)Politik von Fußballklubs einzuwirken, sodass deren Unabhängigkeit gefährdet ist:99 Art. 18ter RSTP ist allein auf die Verhinderung einer Einflussnahme gerichtet, die durch TPO-Gestaltungen droht. Folglich müssen andere Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen der Eignungsprüfung außer Betracht 95 Eine unmittelbare rechtliche Beziehung besteht demgegenüber zwischen Spielerberatern und Spielern. Trotz der (ebenfalls) kommerziellen Interessen der Berater, sehen die Verbotsbefürworter (wohl) keine Manipulationsgefahr bei einem Aufeinandertreffen mehrerer Spieler, die vertragliche Beziehungen zu einem Spielerberater unterhalten. 96 Vgl. Europäische Kommission COMP/37806, Rz. 35 – ENIC/UEFA. 97 Diesen Gesichtspunkt lassen die Verbotsbefürworter außer Acht, indem sie unreflektiert die Argumentationslinie hinsichtlich der Mehrheitsbeteiligungen an Fußballklubs übernehmen. 98 Neben der rechtlich abgesicherten Einflussnahme (vgl. den Fall Teves) kommt auch eine ökonomisch basierte in Betracht, da Drittinvestoren auf die Fußballklubs Druck ausüben können, indem sie künftige Transferfinanzierungen an die „Kooperationsbereitschaft“ in der Vergangenheit knüpfen. 99 Anders (wohl) Heermann, CaS 2013, 21 (25).

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bleiben. Aber auch bei deren Einbeziehung könnte dem Verbot die – ausreichende – Förderungswirkung nicht abgesprochen werden. (3) Sicherstellung der Wettbewerbsstabilität Auch im Hinblick auf die Sicherstellung der Wettbewerbsstabilität ist das TPOVerbot ein geeignetes Mittel. So kann durch die Schaffung eines „level playing fields“ verhindert werden, dass auf dem Transfermarkt Vorteile für Fußballklubs entstehen, die auf TPO-Gestaltungen zurückgreifen können.100 Überdies ist unerheblich, dass unterschiedliche Ausgangslagen auf dem Transfermarkt primär durch die großen ökonomischen Divergenzen zwischen Fußballklubs unterschiedlicher Verbände bedingt sind, die ihrerseits hauptursächlich auf andere Faktoren, wie bspw. Fernsehgeldausschüttungen, Werbeeinnahmen etc., zurückzuführen sind. Die Zielsetzung ist nämlich nicht auf eine verbandsübergreifende Angleichung der wirtschaftlichen Faktoren gerichtet. Demgegenüber ist die Eignung sehr zweifelhaft, soweit das TPO-Verbot auf eine Verhinderung des Geldabflusses aus dem Fußballsektor und der Zunahme von Leistungsdivergenzen zwischen Vereinen, die auf Investment-TPOs zurückgreifen (müssen), und Spitzenklubs abzielt. So fehlt es bereits an belastbaren Daten, inwieweit Investment-TPOs – entsprechend der apodiktischen Behauptung – in der Summe zu einem Geldabfluss führen. Es ist im Gegenteil nicht ausgeschlossen, dass aufgrund der Möglichkeit von (Total-)Verlusten der Drittinvestoren dem Fußballsektor im Ergebnis ein finanzieller Überschuss verbleibt.101 Überdies bedingen Transferabwicklungen oftmals externe Geldzuflüsse, die in eine „gesamtbilanzielle“ Betrachtung einzustellen wären. Auch kann ein Kausalzusammenhang zwischen der Zunahme der Transferfrequenz und Investment-TPOs nicht ohne Weiteres hergestellt werden. Eine Betrachtung der Transferzahlen für die englische Premier League scheint diesen vielmehr zu widerlegen.102 Schließlich ist nicht ersichtlich, inwiefern TPOs ursächlich für die Zunahme der Transfersummen sind. Dagegen streitet bereits, dass Drittinvestoren im Rahmen des Erwerbs eines Transferrechts aus Renditeinteresse nicht bereit sind, höhere als marktgerechte Summen zu investieren. Aber auch hinsichtlich des nachfolgenden Weitertransfers ist das Aufrufen überhöhter Preise nicht naheliegend, da anderenfalls die „Unverkäuflichkeit“ des Spielers, mithin ein Totalverlust droht.103 100 Abl. Del Fabro, CaS 2015, 219 (225) mit dem wenig überzeugenden Argument, die Chancenungleichheit folge aus den nationalen Einschränkungen und nicht den TPO-Gestaltungen selbst. 101 So auch Del Fabro, CaS 2015, 219 (225). 102 So waren zwischen der Saison 2006/2007 und 2009/2010 (Eingreifen des TPO-Verbots) durchschnittlich 227,5 Abgänge und 174,5 Zugänge, zwischen der Saison 2010/2011 und 2013/2014 durchschnittlich 230 Abgänge und 161 Zugänge zu verzeichnen – Zahlen abrufbar unter http://www.transfermarkt.de/premier-league/transfers/wettbewerb/GB1/plus/?saison_id= 2006&s_w=&leihe=0&intern=0. 103 Vgl. Heermann, CaS 2013, 21 (25).

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cc) Erforderlichkeit Das TPO-Verbot ist nur dann erforderlich, wenn die angestrebten Ziele nicht ebenso wirksam durch mildere Maßnahmen erreicht werden können.104 Auch insofern ist das Bestehen einer Einschätzungsprärogative umstritten, im Ergebnis aber abzulehnen.105 (1) Ausdehnung auf Sicherungsabtretungen Das TPO-Verbot in Art. 18ter RSTP ist schon deshalb nicht erforderlich, weil es auch Sicherungsabtretungen an Kreditinstitute im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (und sonstige Finanzierungs-TPOs) erfasst.106 Insoweit drohen indes weder Integritätsgefährdungen noch eine Fremdbestimmung oder eine Gefährdung der Wettbewerbsstabilität.107 Als milderes und zugleich ebenso effektives Mittel kommt somit eine Beschränkung des Verbots auf Investment-TPOs in Betracht.108 (2) Sicherstellung der Wettbewerbsintegrität Im Hinblick auf die Zielsetzung des Schutzes der Wettbewerbsintegrität ist die Erforderlichkeit zumindest zweifelhaft. So können Manipulationen sowie nicht nachvollziehbare Geldströme – bzw. dahingehende Wahrnehmungen in der Öffentlichkeit – ebenso effektiv mittels Implementierung von Transparenzvorschriften ausgeschlossen werden (in Betracht käme die Pflicht zur Veröffentlichung der Drittinvestitionen in einem Register).109 In der Folge wäre es für Drittinvestoren nicht länger möglich, wie „Wettpaten“ im Dunkeln zu agieren, sodass auch dem Restrisiko einer manipulativen Einflussnahme wirksam begegnet werden könnte. Überdies wären die Geldströme aufgrund der Publizitätspflichten nachvollziehbar.110 Diese Transparenzregelungen stellen gegenüber einem Totalverbot ein weniger einschneidendes Mittel dar. (3) Unterbindung der Fremdbestimmung Für die Unterbindung einer Fremdbestimmung der Fußballklubs ist das TPO-Verbot hingegen erforderlich. 104

EuGH, Rs. 261/81, Slg. 1982, 3961, Rz. 17 – Rau. Zu diesem Problemkreis erneut IV.2.f)bb). 106 Vgl. erneut III. 107 Auch die Argumentationslinie der Verbotsbefürworter beschränkt sich auf die Gefährdungslage durch Investment-TPOs, ohne Finanzierungs-TPOs auch nur in den Blick zu nehmen, vgl. die KEA/CDES-Studie (Fn. 46), S. 64 ff., 91. 108 Umgesetzt in den „Third Party Interest In Players Regulations“ (Football Association) (Fn. 4). 109 Dazu Jens/Wessel, CaS 2015, 10 (15). 110 Heermann, CaS 2013, 21 (26). 105

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Zwar besteht mit Art. 18bis RSTP eine Regelung, die jegliche Einflussnahme von Drittinvestoren auf die (Transfer-)Politik von Fußballklubs untersagt.111 Die Eignung dieses Beeinflussungsverbots kann überdies nicht mit der Argumentation in Abrede gestellt werden, dass es zu häufig umgangen werde,112 denn dieser Einwand betrifft nicht die prinzipielle Eignung, sondern die konkrete Durchsetzung. Gleichwohl ist das Beeinflussungsverbot nicht als ebenso effektiv zu bewerten wie das Totalverbot: Art. 18bis RSTP vermag faktische Einflussnahmen nicht zuverlässig zu verhindern, da Investment-TPOs stets die Gefahr in sich bergen, dass die Fußballklubs im Rahmen eines „vorauseilenden Gehorsams“ Transfers durchführen, die ihren sportlichen Interessen entgegenlaufen, um sich das Wohlwollen der Drittinvestoren im Hinblick auf künftige Transfers zu sichern. Dieser ökonomisch-faktischen Einflussmöglichkeit kann auch durch die vorgeschlagenen Transparenzregeln sowie durch quantitative Beteiligungsbeschränkungen nicht ebenso wirksam begegnet werden. (4) Sicherstellung der Wettbewerbsstabilität Soweit das TPO-Verbot als geeignet zur Sicherstellung der Wettbewerbsstabilität eingestuft wurde, da es die Chancengleichheit der Vereine fördert, die nicht auf TPOs zurückgreifen können, ist auch kein milderes und ebenso effektives Mittel erkennbar, sodass die Erforderlichkeit zu bejahen ist. dd) Verhältnismäßigkeit/Angemessenheit Ob die mit dem TPO-Verbot zusammenhängenden wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen im Hinblick auf die identifizierten legitimen Ziele verhältnismäßig sind, ist mittels Einzelfallabwägung zu entscheiden.113 In deren Rahmen kommt zwar der Verbandsautonomie sowie den anerkannten Zielen des Sports besonderes Gewicht zu.114 Dies darf jedoch nicht dazu verleiten, ihnen stets Vorrang vor wettbewerblichen Prämissen zuzusprechen. Vielmehr müssen diese Ziele im Einzelfall umso gewichtiger sein, je tiefgreifender der wettbewerbliche Eingriff ist.115 Das Gewicht der Vorteile, die das TPO-Verbot für den Sport zeitigt, ist nicht bezogen auf die abstrakten Zielsetzungen, sondern unter Berücksichtigung der konkreten Gefährdungslage zu bestimmen. Als Vorteil wurde zum einen die Unterbindung einer Fremdbestimmung der Fußballklubs identifiziert, da Drittinvestoren versucht sein können, auf die (Transfer-)Politik der Fußballklubs Einfluss zu nehmen. Die dahingehende Gefährdungslage ist jedoch als gering einzustufen, da Art. 18bis RSTP ein umfassendes Beeinflussungsverbot vorsieht und Umgehungsgefahren durch 111

Dazu erneut III. So aber Duve (Fn. 76). 113 EuGH, Rs. 147/81, Slg. 1982, 1389, Rz. 12; Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Direktive und Schranke der EG-Rechtsetzung, 2000, S. 213 ff. 114 Vgl. Heermann, WuW 2009, 394 (404) m.w.N. 115 Vgl. zur maßgeblichen Zielbetroffenheit im konkreten Fall, Horn (Fn. 31), S. 355. 112

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Transparenzvorschriften effektiv begegnet werden kann. Somit beschränkt sich die Gefahr der Fremdbestimmung auf eine rein ökonomisch-faktische Zwangslage der Fußballklubs, die im Grundsatz jeder Form der Beteiligung kommerziell orientierter Drittinvestoren inhärent ist.116 Zum anderen wurde die Schaffung eines „level playing fields“ als Vorteil für den Sport identifiziert. Durch das TPO-Verbot kann verhindert werden, dass Fußballklubs auf dem Transfermarkt Vorteile gegenüber anderen Klubs haben, die nicht auf Investment-TPOs zurückgreifen können. Allerdings kann auch insofern den Investment-TPOs kein erhebliches Gefahrenpotential zugeschrieben werden: Das Ungleichgewicht zwischen Fußballklubs verschiedener Verbände im Hinblick auf Transfermöglichkeiten sind primär auf Faktoren wie die mediale Liga-Vermarktung, ökonomische Rahmenbedingungen oder auch nationale Beschränkungen von Mehrheitsbeteiligungen an Fußballklubs (bspw. durch die „50+1-Regel“) zurückzuführen. Der Vorteil, auf Investment-TPOs zurückgreifen zu können, stellt sich demgegenüber als sehr gering dar. Hinsichtlich der Nachteile, die das TPO-Verbot zeitigt, ist eine Differenzierung angezeigt: Soweit die Untersuchung allein die Auswirkungen auf den Spieler(transfer)markt in den Blick nimmt, streitet vieles für die Verhältnismäßigkeit des Art. 18ter RSTP: Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung auf diesem Markt ist begrenzt, da das TPOVerbot nur ein Finanzierungsinstrument betrifft und nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Transfermöglichkeiten – gerade kleinerer Vereine – in erheblichem Maße beschränkt werden.117 Im Gegenteil kann die Entwicklung der Transfertätigkeit der Premier-League-Klubs als Indiz gegen einen nachhaltigen Einfluss des TPO-Verbots auf die Transferfrequenz angeführt werden.118 Insofern ist von einem Überwiegen der Vorteile für den Sport auszugehen. Konträr ist die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die beschränkende Wirkung des TPO-Verbots auf dem Markt der Drittinvestitionen in Transferrechte an Fußballspielern zu beurteilen:119 Insoweit wird ein gesamter wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich ausgeschaltet, mithin liegt die schärfste Form der Wettbewerbsbeschränkung vor. Eine derart umfangreiche Beeinträchtigung kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn den Vorteilen für den Sport erhebliches Gewicht zukommt. Dies ist aufgrund der geringen Gefährdungslage durch Investment-TPOs jedoch zu verneinen. Folglich überwiegen die Nachteile und Art. 18ter RSTP ist als unverhältnismäßig zu bewerten.

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Vgl. Heermann, CaS 2013, 21 (25). Dies hebt auch Duve (Fn. 76) hervor. 118 Vgl. erneut Fn. 102. 119 Diesen Markt lassen die Befürworter zum Teil gänzlich unberücksichtigt, vgl. statt vieler Duve (Fn. 76). 117

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3. Verstoß gegen Art. 102 AEUV Art. 102 AEUV verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, die zu einer Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels führen kann. a) Adressaten des Missbrauchsverbots Adressaten des Missbrauchsverbots sind allein Unternehmen. Da die FIFA auf den betroffenen Märkten der Drittbeteiligung an Transferrechten bzw. der Spielertransfers nicht selbst agiert, ist die Frage zu entscheiden, ob die Unternehmenseigenschaft auf eine Tätigkeit gestützt werden muss, deren Kompatibilität mit dem Wettbewerbsrecht zu prüfen ist.120 Grundsätzlich ist dies zu bejahen.121 Ausnahmsweise kommt jedoch eine Zurechnung der Handlungen anderer bzw. ein Handeln durch andere Unternehmen in Betracht, die ihrerseits auf dem betreffenden Markt tätig sind.122 Im vorliegenden Zusammenhang könnte insoweit auf die Fußballklubs abgestellt werden, die in den Mitgliedsverbänden zusammengeschlossen sind und auf den betroffenen Märkten agieren.123 Dies ist aufgrund folgender Erwägung überzeugend:124 Die FIFA stellt eine durch ihre Mitgliedsverbände und die Fußballklubs geschaffene Struktur dar, die aufgrund ihrer Leitungsmacht im Fußballsport und hinsichtlich der damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Tätigkeiten „durch ihre Mitglieder“ handeln kann, sodass es als „realitätsfern“ erscheint, der FIFA allein deshalb die marktbeherrschende Stellung abzusprechen, weil sie sich selbst nicht auf den betroffenen Märkten betätigt.125 b) Marktbeherrschung der kollektiven Einheit Die Fußballklubs sind überdies als kollektive Einheit auf den betroffenen Märkten marktbeherrschend. 120

Siehe erneut IV.2.a). Horn (Fn. 31), S. 159 ff. 122 Nicht näher beleuchtet wird der Ansatz, einen Machttransfer auf benachbarte Märkte zuzulassen, da er einerseits bei konsequenter Anwendung der kollektiven Marktbeherrschung (dazu sogleich) entbehrlich ist und es andererseits an einer Tätigkeit der FIFA auf dem betroffenen Zweitmarkt fehlt, vgl. Heermann, WuW 2009, 489 (495). 123 Siehe erneut IV.2.a). 124 So EuG, Rs. T-193/02, Slg. 2005, II-209, Rz. 115 f. – Piau; zust. Beisenherz, Der professionelle Sport und das europäische Kartellrecht, 2011, S. 164; Fröhlich/Strauf, SpuRt 2011, 102 (104); Gack, Das Konzept der US-amerikanischen Single-Entity-Theorie im europäischen Kartellrecht, in: Vieweg (Hrsg.), Akzente des Sportrechts, 2011, S. 144 (151); Heermann, WuW 2009, 489 (494 f.); Stopper in: Lentze/Stopper, Handbuch Fußball-Recht, 2011, S. 311, 325 f. 125 EuG, Rs. T-193/02, Slg. 2005, II-209, Rz. 115 f. – Piau. 121

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Eine kollektiv beherrschende Stellung ist an drei Voraussetzungen geknüpft: Es muss die Möglichkeit bestehen, das Verhalten des jeweils anderen in Erfahrung zu bringen, der Zustand der Koordinierung muss mittels struktureller Anreizsetzung ein dauerhafter sein und die voraussichtliche Reaktion von Konkurrenten und Verbrauchern darf nicht die erwarteten Ergebnisse eines gemeinsamen Vorgehens in Frage stellen.126 Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf das TPO-Verbot erfüllt: Es ist für die nationalen FIFA-Mitgliedsverbände und die darin zusammengeschlossenen Fußballklubs verbindlich und setzt über Sanktionsmechanismen genügende Anreize für ein regelkonformes Verhalten. Überdies können sich die anderen Teilnehmer der betroffenen Märkte (Drittinvestoren auf dem Markt der Beteiligung an Transferrechten und Spieler auf dem Spieler[transfer]markt) dieser Regelung nicht widersetzen, da keine Ausweichmöglichkeiten bestehen. Somit treten die Fußballklubs gegenüber der Marktgegenseite als kollektive Einheit ohne wirksamen Binnen- und Außenwettbewerb127 auf.128 Die Fußballklubs verfügen auf den betroffenen Märkten über Anteile von 100 % und sind somit marktbeherrschend.129 Diese Marktbeherrschung weist überdies die erforderliche Binnenmarktdimension auf, da sich die betroffenen Märkte räumlich über die Mitgliedstaaten erstrecken.130 c) Missbräuchliche Ausnutzung Missbräuchlich sind Verhaltensweisen, die die Struktur eines Markts beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit dieses bzw. dieser Unternehmen(s) bereits geschwächt ist, und die den noch bestehenden Wettbewerb durch Maßnahmen behindern, die von den Mitteln eines normalen Produkt- und Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Unternehmen abweichen.131

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EuG, Rs. T-193/02, Slg. 2005, II-209, Rz. 110 f. m.w.N. – Piau. Hierzu Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EU-Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, Art. 102 AEUV, Rn. 115 ff. 128 Vgl. zu den entsprechenden Erwägungen hinsichtlich der FIFA-Spielervermittlerreglements, EuG, Rs. T-193/02, Slg. 2005, II-209, Rz. 113 f. – Piau; zust. Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, 2009, S. 180 ff., 187 ff., 243 ff.; Heermann, WuW 2009, 489 (494 f.); zweifelnd hingegen Horn (Fn. 31), S. 310 ff., unter anderem mit der Begründung, das Anreizsystem müsse marktintern sein, die Sanktionsmechanismen der FIFA stellten demgegenüber marktexogene Faktoren dar. Gleichwohl sieht er eine kollektive Marktbeherrschung aufgrund der Verhaltenskoordination als nicht ausgeschlossen an, vgl. S. 315 ff. 129 Siehe erneut IV.2.c)cc)(2). 130 Vgl. Horn (Fn. 31), S. 332 m.w.N. 131 EuGH, Rs. C-322/81, Slg. 1983, 3461, Rz. 70 – Michelin; Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, Rz. 91 – Hoffmann-La Roche. 127

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Das zentrale Kriterium des Missbrauchstatbestands ist die Marktverschließung. Eine solche ist zumindest im Hinblick auf den Markt der Drittbeteiligung an Transferrechten infolge des Totalverbots gegeben. Insofern liegt ein Unterfall des sog. Ausbeutungsmissbrauchs im Vertikalverhältnis vor, da die Marktgegenseite ([potentielle] Drittinvestoren) geschädigt wird, indem die Fußballklubs als Unternehmen das Angebot auf null zurückfahren. Derartige Marktzutrittsschranken sind nach Art. 102 S. 2 lit. b) AEUV grds. missbräuchlich.132 Allerdings wird auch i. R. d. Art. 102 AEUV eine objektive Rechtfertigungsmöglichkeit anerkannt.133 Für den Sportsektor sind insbesondere die anerkannten Zielsetzungen und Besonderheiten des Sports als Rechtfertigungsgrundlage in den Blick zu nehmen. Ob insofern dogmatisch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Abwägung der betroffenen Interessen,134 eine Übertragung des Drei-Stufen-Tests135 oder ein an Art. 101 Abs. 3 AEUV angelehnter Effizienzeinwand136 den tauglichen Anknüpfungspunkt bilden, kann vorliegend dahinstehen: Aufgrund der fehlenden Erforderlichkeit und der Unverhältnismäßigkeit des TPO-Verbots kann auch i. R. d. Art. 102 AEUV nicht von einer Rechtfertigung ausgegangen werden, sodass ein missbräuchliches Ausnutzen anzunehmen ist.137 d) Betroffenheit des zwischenstaatlichen Handels Auch eine Betroffenheit des zwischenstaatlichen Handels ist gegeben.138

V. Fazit Das Totalverbot von TPO-Gestaltungen durch Art. 18ter RSTP ist nicht mit den Vorgaben des europäischen Wettbewerbsrechts vereinbar und verstößt sowohl gegen Art. 101 AEUV als auch gegen Art. 102 AEUV. Insbesondere scheidet eine Legitimation aufgrund des „Drei-Stufen-Tests“ aus: Das Verbot ist zwar zur Verfolgung einiger legitimer Ziele geeignet. Allerdings scheitert dessen Erforderlichkeit an der umfassenden Formulierung, die auch Finanzierungs-TPOs umfasst. Überdies stellt es sich im Rahmen der Abwägung als unverhältnismäßig dar, da den belegten Vorteilen für den Sport lediglich geringes, den Nachteilen hingegen erhebliches Ge132

Vgl. Horn (Fn. 31), S. 333. Vgl. die Nachweise aus der Rspr. bei Fuchs/Möschel (Fn. 127), Art. 102 AEUV, Rn. 152 ff. 134 Vgl. Heermann, WuW 2009, 489 (497 f.). 135 In diese Richtung wohl die Europäische Kommission (Fn. 62), S. 68; ebenso Horn (Fn. 31), S. 142, 156, 335, der hinsichtlich der „Rechtfertigungs- und Verhältnismäßigkeitsprüfung“ eine Unterscheidung zwischen Art. 101 und 102 AEUV ablehnt. 136 Krit. hierzu Heermann, WuW 2009, 489 (499 f.). 137 Zur Ausstrahlungswirkung auf Art. 102 AEUV: Heermann, CaS 2013, 21 (29). 138 Siehe IV.2.d). 133

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wicht zukommt. Eine abweichende Bewertung würde voraussetzen, dass die weiteren – bis dato lediglich behaupteten – Gefährdungen durch TPO-Gestaltungen mit überprüfbaren Daten unterlegt werden.139

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Anders jüngst das Tribunal de première instance de Bruxelles, v. 27. 07. 2015, n 15/67/C (Doyen Sports Investments Limited vs. FIFA, UEFA und den belgischen Verband): Dieses hat die Anordnung vorläufiger Maßnahmen mit der Begründung abgelehnt, es sei nicht im erforderlichen Maße wahrscheinlich, dass das Verbot als nicht erforderlich oder unverhältnismäßig zu bewerten ist, vgl. die Besprechung von Duval, EU Law is not enough: Why FIFA’s TPO ban survived its first challenge before the Brussels Court, 25. 08. 2015, abrufbar unter http://www.asser.nl/SportsLaw/Blog/post/eu-law-is-not-enough-why-fifa-s-tpo-ban-survived-be fore-the-brussels-court1#continue.