Impulse des Sportrechts [1 ed.] 9783428546152, 9783428146154

Die Querschnittsmaterie Sportrecht ist seit 2000 Gegenstand der Interuniversitären Tagungen Sportrecht. In diesem – sieb

138 51 4MB

German Pages 320 Year 2015

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Impulse des Sportrechts [1 ed.]
 9783428546152, 9783428146154

Citation preview

Beiträge zum Sportrecht Band 43

Impulse des Sportrechts

Herausgegeben von Klaus Vieweg

Duncker & Humblot · Berlin

KLAUS VIEWEG (Hrsg.)

Impulse des Sportrechts

Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Udo Steiner und Klaus Vieweg

Band 43

Impulse des Sportrechts

Herausgegeben von Klaus Vieweg

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 978-3-428-14615-4 (Print) ISBN 978-3-428-54615-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84615-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Am 8./9. Juni 2012 fand an der Deutschen Sporthochschule in Köln die 13. Interuniversitäre Tagung Sportrecht statt. Ihr folgte am 21./22. Juni 2013 die 14. Interuniversitäre Tagung Sportrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Teilnehmer waren Professoren, Doktoranden, wissenschaftliche Mitarbeiter und Studenten aus 11 Universitäten sowie namhafte Sportrechtsexperten aus der Praxis. Dieser Band enthält die für die Veröffentlichung durchgesehenen und teilweise ergänzten Vorträge. Die intradisziplinäre Vielfalt der Themen spiegelt – wie schon in den vorherigen Tagungsbänden – das unterschiedliche fachliche Interesse und Problemgespür der „jungen Sportrechtler“ wider. Der Titel „Impulse des Sportrechts“ greift diese individuellen Akzentsetzungen auf und bringt zugleich zum Ausdruck, dass die Querschnittsmaterie Sportrecht auch Impulsgeber für andere Rechtsgebiete ist. Bei der redaktionellen Bearbeitung und Druckvorbereitung haben mich Paul Staschik und Sabine Trippmacher tatkräftig unterstützt. Ihnen gebührt mein herzlicher Dank. Erlangen, im Oktober 2014

Klaus Vieweg

Inhaltsverzeichnis Robert W. Kessler Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Martin John Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen im Sportsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

Jan-Frederik Kolbe Wege zur Wiederbelebung „toten Rechts“. Ausgewählte Problemkreise und Lösungsansätze in Strafverfahren mit Dopinghintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

Magdalena Ke˛dzior Handel mit Dopingsubstanzen in der Europäischen Union. Neuentwicklungen im Bereich der Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

Florian Knerr Privilegien für Ausrichter internationaler Sportgroßveranstaltungen. Dargestellt am Beispiel der Körperschaftsteuerbefreiung der FIFA anlässlich der FußballWeltmeisterschaft 2006 in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

Wolfgang Kreuzer Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Philipp Schaefer Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Philipp Winter Veranstalterverkehrspflichten im Sport. Konkretisierungsbedürfnis und Orientierungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Péter Rippel-Szabó Sport-Sponsoring im ungarischen Recht. Rechtsvergleichende Einblicke in das deutsche Recht anhand der Vorschriften des ungarischen Sportgesetzes . . . . . . . 183 Michael Blos Der Single-Entity-Gedanke. Eine Möglichkeit für europäische Sportligen, dem Kartellrecht zu entkommen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

8

Inhaltsverzeichnis

Jacob Kornbeck Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes: Vom zweiten zum vierten EU-Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Adrian Fiedler Minderjährigendoping. Strafrechtliche Verantwortlichkeiten und die Sanktionierung nach dem WADA-Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Axel Steiner Steuerrecht und Compliance im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Isabel Kainer Sportveranstalterrecht. Ein neues Immaterialgüterrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Sigrid Lorz Die vorsätzliche Verletzung des Gegners bei kampfbetonten Sportarten: Beweislast, Beweisnot und Beweiserleichterungen im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . 309

Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring* Robert W. Kessler I. Problematik der Kommunikationsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Feststellung von Kommunikationsstörung durch Kommunikationsmessung . . . . . . . . 1. Möglichkeiten des Nachweises einer Kommunikationsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Messung der Beschädigung des Images des Sponsoringnehmers . . . . . . . . . . . . . . a) Kontrollgrößen der Kommunikationsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswahl der Methode zur Imagemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen von Kommunikationsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interessen des Sponsors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ist eine Kommunikationsstörung ein wichtiger Grund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten beim Institutional- und Veranstaltungssponsoring . . . . . . . . . . . c) Ist ein Dopingverdacht ein wichtiger Grund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausschluss der Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung für Sachmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ist eine Beschädigung des Images des Sponsoringnehmers ein Mangel der Werberechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen der Mangelhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage? . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 11 11 12 12 13 14 14 15 16 17 19 22 22 23 24 26 27

I. Problematik der Kommunikationsstörungen Sponsoren zielen mit ihrem Sponsoringengagement auf einen Kommunikationserfolg ab. Praktisch alle Sponsoren beabsichtigen dabei einen Imagetransfer vom Sponsoringnehmer auf ihr Unternehmen, ihre Marken oder Produkte. Werden die kommunikativen Ziele nicht oder nicht in dem Maße, wie dem Sponsoringvertrag zugrunde gelegt, erreicht, liegt eine Kommunikationsstörung als besondere Form der Vertragsstörung vor. Im Problemkreis der Kommunikationsstörungen stellen sich vorwiegend zwei Fragen, auf die dieser Beitrag eingeht. Zunächst drängt sich die Frage auf, welche Rechtsfolgen Kommunikationsstörungen haben und ob diese vertraglich geregelt werden können. Die Frage, wie Kommunikationsstörungen aus juristischer Sicht * Der Beitrag behandelt Aspekte der Dissertation des Verfassers, siehe Verf., Vertrags- und Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring – Rechtsfolgen und Ermittlung durch Kommunikationsmessung, 2013.

10

Robert W. Kessler

zu behandeln sind, ist unzureichend geklärt. Ein Hauptgrund hierfür ist, dass die Ermittlung und der Beweis des Vorliegens einer Kommunikationsstörung problematisch sind. Bevor man die Frage nach den Rechtsfolgen von Kommunikationsstörungen stellen kann, muss daher jene beantwortet werden, ob und wie Kommunikation gemessen werden kann. Im Schnittpunktbereich von Rechts- und Betriebswirtschaft soll mithin untersucht werden, ob Kommunikationsmessmethoden aus dem Marketingbereich der Betriebswirtschaftslehre für die Rechtsfolgenbegründung nutzbar gemacht werden können. Bei den Kommunikationsstörungen geht es vorwiegend um die Verfehlung von Imagezielen. Andere kommunikative Ziele spielen hier eine untergeordnete Rolle. Das gilt insbesondere für das bedeutende Sponsoringziel der Kontaktpflege zu wichtigen Personengruppen. Das Verfehlen von Kontaktpflegezielen liegt nämlich im Wesentlichen im Risikobereich des Sponsors, sodass ihm hieraus keine Rechte oder Ansprüche erwachsen. Eine dem Sponsoringnehmer zurechenbare Störung kann dennoch, insbesondere durch eine klassische Leistungsstörung, verursacht werden, beispielsweise wenn der Sponsoringnehmer Stadionlounges für den Empfang von Gästen durch den Sponsor nicht im vereinbarten Umfang zur Verfügung stellt. Dies kann zwar auch als Kommunikationsstörung bezeichnet werden, da das kommunikative Ziel der Kontaktpflege nicht im beabsichtigten Umfang erreicht wird. Die Fälle werfen aber keine besonderen rechtlichen Probleme auf, da sie über das klassische Leistungsstörungsprogramm erfasst werden. Im Folgenden stehen daher die Fälle der Verfehlung der Imageziele im Vordergrund. Die Beispiele hierfür sind vielfältig. Im Personensponsoring können öffentliche Beleidigungen durch den Sponsoringnehmer sowie die Beteiligung eines gesponserten Athleten an einem Wettbetrug eine Kommunikationsstörung zur Folge haben. Für das Institutionalsponsoring ist der Konflikt zwischen dem Deutschen Schwimmverband (DSV) und dem Ausrüster Adidas beispielhaft. Hier äußerten sich einige Schwimmer, die nicht Vertragspartner von Adidas waren, negativ über die bereitgestellten Schwimmanzüge. Dies führte schließlich zur Kündigung des Vereinssponsoringvertrages durch Adidas. Auch im Veranstaltungssponsoring können Kommunikationsstörungen auftreten. So führte die Tour de France 2007, die als „SkandalTour“ wahrgenommen wurde,1 nicht zu dem beabsichtigten positiven Imagetransfer. 1 Dies macht die Reaktion der Sponsoren deutlich. Audi überprüfte das Engagement z. B. kritisch, siehe http://www.stern.de/sport/sportwelt/tour-de-france-sponsoren-drohen-mit-rueck zug-593554.html (zuletzt abgerufen am 05. 05. 2014; Stand 20. 07. 2007). Ein negativer Imagetransfer kann auch in die entgegengesetzte Richtung – vom Sponsor auf den Sponsoringnehmer – erfolgen. So haben negative Berichte über die Marke Hamburg-Mannheimer (Ergo Versicherungsgruppe) zur vorzeitigen Beendigung des Sponsoringvertrages mit dem Trainer des BVB Dortmund, Jürgen Klopp, geführt, da dieser einen negativen Imagetransfer befürchtete. Zwar werden durch den negativen Imagetransfer vom Sponsor auf den Sponsoringnehmer nicht die Sponsoringziele des Sponsoringnehmers vereitelt, da diese vornehmlich in der finanziellen Unterstützung liegen. Dennoch hat der Sponsoringnehmer ein Interesse an der Wahrung seines positiven Images. Neben dem persönlichen Interesse hieran ist ein positives Image für die spätere Vermarktung seiner Werberechte notwendig. Da es bei diesen

Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring

11

Die Beispiele machen deutlich, dass Kommunikationsstörungen in allen Bereichen des Sponsorings auftreten können und vielfältige Ursachen haben. Insbesondere können sie auch ohne ein Fehlverhalten des Vertragspartners auftreten. Dies hat besondere rechtliche Probleme zur Folge. Schließlich zeigen die Beispiele, dass Kommunikationsstörungen das gesamte Sponsoringengagement in Frage stellen können und daher eine erhebliche Bedeutung für sponsernde Unternehmen aufweisen.

II. Feststellung von Kommunikationsstörung durch Kommunikationsmessung 1. Möglichkeiten des Nachweises einer Kommunikationsstörung Um Rechtsfolgen an Kommunikationsstörungen knüpfen zu können, müssen diese zunächst nachgewiesen werden. Die Bedeutung des Nachweises unterstreicht ein Urteil des OLG München, das die Wirksamkeit einer Kündigung durch den Sponsor aufgrund imageschädlichen Verhaltens des Sponsoringnehmers mangels Nachweises der Imagebeschädigung verneinte.2 Häufig ist eine Kommunikationsstörung so erheblich, dass sie offensichtlich ist. Dies wäre beim Doping der Fall. Wird das Doping eines gesponserten Athleten publik, nimmt sein Image Schaden. Oft verkehrt es sich in sein Gegenteil. Genoss der Sportler bislang das Image besonderer Leistungsfähigkeit, kann es sich in Folge eines Dopingskandals in das eines Betrügers wandeln. Dies hat zur Folge, dass ein positiver Imagetransfer auf den Sponsor nicht mehr stattfinden kann. Ist das Vorliegen einer Kommunikationsstörung nicht offensichtlich, zeigt sich die Bedeutung der Frage, ob Kommunikationsmessmethoden aus dem Marketingbereich herangezogen werden können, um diese zu erfassen. Dabei ist zu beachten, dass die Auswirkungen des die Kommunikationsstörung auslösenden Umstandes auf das Image des Sponsors kaum zu ermitteln sind. Zu viele Einflussfaktoren wirken auf das Image des Sponsors ein, um herausfiltern zu können, worauf eine Veränderung des Images des Sponsors zurückzuführen ist. Dieses sog. Problem der Wirkungsinterdependenzen und der Wirkungszuordnung führt im gegenteiligen Fall der Bemessung des Kommunikationserfolges dazu, dass der Kausalitätsnachweis eines Kommunikationserfolges infolge des Sponsorings nur in Einzelfällen möglich ist.3

Fällen aber gerade nicht um die Verfehlung von Sponsoringzielen geht, handelt es sich nicht um den hier im Vordergrund stehenden Problemkreis der Kommunikationsstörungen. 2 OLG München NJW-RR 2009, 57 (58). Zudem war der Imageschaden hier zweifelhaft und wurde vom Sponsor bei Vertragsschluss bewusst in Kauf genommen. 3 Siehe hierzu ausführlich die Dissertation des Verf., Vertrags- und Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring – Rechtsfolgen und Ermittlung durch Kommunikationsmessung, 2013, S. 164 ff.

12

Robert W. Kessler

Dennoch ist die Feststellung von Kommunikationsstörungen möglich. In den Fällen, in denen das Vorliegen einer Kommunikationsstörung nicht offensichtlich ist, kann an das Image des Sponsoringnehmers angeknüpft werden, um eine Kommunikationsstörung zu ermitteln. Auf einen Kausalitätsnachweis zwischen dem Ereignis, das die Störung begründet, und der negativen Beeinflussung des Images des Sponsors kann verzichtet werden. Allein die Feststellung eines Imageschadens auf Seiten des Sponsoringnehmers genügt nämlich zur Verneinung eines positiven Imagetransfers und zur Bestätigung eines Kommunikationsschadens, da in diesem Fall die Bedingung für einen positiven Imagetransfer fehlt. Das für den Nachweis eines Kommunikationserfolges wesentliche und nicht zufriedenstellend gelöste Problem der Wirkungsinterdependenzen und der Wirkungszuordnung stellt sich hier nicht im gleichen Maße wie bei der Messung des Kommunikationserfolges. Beispielsweise kann die Feststellung einer Kommunikationsstörung bei privaten Verfehlungen des Sponsoringnehmers, die zwar sein Image als Person negativ beeinflussen, aber jenes als Sportler unberührt lassen, problematisch sein. Zu denken ist an die öffentlich gemachten außerehelichen Beziehungen des Golfspielers Tiger Woods. Das Vorliegen einer Kommunikationsstörung ist in diesem Fall nicht offensichtlich. Dass die Ermittlung der Auswirkungen auf die Sponsoringziele problematisch ist, zeigen die unterschiedlichen Reaktionen der Sponsoren. Während sich die Unternehmensberatung Accenture von Tiger Woods distanzierte, entschloss sich der Sportartikelhersteller Nike zur Fortführung des Ausrüstervertrages. Das Unternehmen spekulierte auf weitere sportliche Erfolge und konnte seine Loyalität unter Beweis stellen. Rückblickend wird die Strategie von Accenture als umsichtig, jene von Nike aber als gewinnbringend für das Unternehmen gewertet.4 Noch schwieriger ist die Ermittlung von Kommunikationsstörungen, wenn dem Sponsoringnehmer kein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann, sondern sein Image durch andere Umstände Schaden nimmt. Als Beispiel dient die Steueraffäre des Vaters von Stefanie Graf, die möglicherweise Einfluss auf das Image der Tennisspielerin hatte.5 In diesen Fällen muss überprüft werden, ob das Image des Sponsoringnehmers tatsächlich Schaden genommen hat. 2. Messung der Beschädigung des Images des Sponsoringnehmers a) Kontrollgrößen der Kommunikationsmessung Wenn der Imageschaden nicht offensichtlich ist, kann zur Messung einer Veränderung des Images des Sponsoringnehmers auf Methoden der Imagemessung aus dem Marketing zurückgegriffen werden. Die Kontrollgrößen leiten sich aus den übergeordneten Zielen des Sponsors ab und können in die Bereiche Grundvorausset4

So Cunningham, Journal of Sponsorship 2010, 51 (56). Laut Wegner, Der Sportsponsoringvertrag – Vertragliche Aspekte des Einzelpersonen-, Institutional- und Eventsponsoring, 2002, S. 232, führte die Steueraffäre zu einem Imageschaden, der die Beendigung des Sponsoringvertrages durch die Opel AG zur Folge hatte. 5

Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring

13

zungen, kommunikative Ziele und ökonomische Ziele unterteilt werden. Die Kontrollgrößen müssen als solche aussagekräftig im Hinblick auf das Erreichen der verfolgten Ziele sein, die Messmethoden müssen ihrerseits valide, reliabel und praktikabel sein. Die einzelnen Kontrollgrößen und Messmethoden sollen hier nicht ausführlich diskutiert werden. Hervorzuheben ist die Messung der Zielgröße Imagetransfer, da praktisch alle Sponsoren den Imagetransfer bezwecken und es sich bei Kommunikationsstörungen in aller Regel um das Verfehlen von Imagezielen handelt. Zu den übrigen Kontrollgrößen sei nur so viel gesagt: Kontaktpflegeziele sind als Kontrollgröße ungeeignet, da ihr Erreichen abhängig vom Sponsor ist, sodass es nicht gerechtfertigt ist, an sie für den Sponsoringnehmer nachteilige Rechtsfolgen zu knüpfen. Außerdem ist die Zielerreichung kaum zu messen. Die Expositionsmessung etwa durch Erhebung von Einschaltquoten ist ungeeignet, da Exposition nur Kontaktchancen zur Folge hat. Für die Zielgrößen Wahrnehmung und Bekanntheit existieren keine geeigneten Messmethoden. Die vorhandenen vernachlässigen oftmals, dass Sponsoringbotschaften vor allem implizit wahrgenommen werden. Schließlich ist die Auswirkung auf ökonomische Zielgrößen aufgrund der Problematik der Wirkungszuordnung nicht messbar.6 b) Auswahl der Methode zur Imagemessung Bei der Auswahl der Methode zur Imagemessung ist zu berücksichtigen, dass die Methoden zur impliziten Einstellungsmessung – mit diesen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es eine implizite Einstellung gibt, die einen unbewussten Charakter besitzt und daher nicht durch eine direkte Befragung erfasst werden kann – Validitätsprobleme aufweisen. Weiter ist mit dem Assoziationsverfahren, bei denen Probanden spontan ihre Assoziation zu einem Objekt äußern sollen, eine aufwendige Auswertung der Testergebnisse verbunden.7 Daher sind Ratingskalen hier vorzuziehen. Bei diesen soll die Testperson ein Objekt beurteilen, indem sie auf einer Skala zwischen zwei gegensätzlichen Eigenschaftspolen einen Wert ankreuzt. Innerhalb der Ratingskalen haben sich insbesondere das Semantische Differenzial und das Likert-Verfahren durchgesetzt.8 Beiden Methoden ist gemeinsam, dass die Probanden ein Objekt beurteilen, indem sie Werte auf einer Liste von Eigenschaftspaaren ankreuzen. Das Fishbein-Modell9 und das Imagedifferenzial nach Tromms-

6

Siehe hierzu ausführlich die Dissertation des Verf. (Fn. 3), S. 124 ff. Darstellung bei Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein, Konsumentenverhalten, 9. Aufl. 2009, S. 243. 8 Likert, A Technique for the Measurement of Attitudes, 1932, S. 44 ff. 9 Fishbein/Ajzen, Belief, Attitude, Intention and Behavior: An Introduction to Theory and Research, Reading (Mass.) u. a., 1975, S. 53 ff. Der Ansatz geht in Teilen zurück auf Rosenberg, Journal of Abnormal Social Psychology, 1956, 367 ff.; ausführlich dazu Kroeber-Riel/ Weinberg/Gröppel-Klein (Fn. 7), S. 246. 7

14

Robert W. Kessler

dorff10, die Weiterentwicklungen des Semantischen Differenzials darstellen und die Bedeutung der Eigenschaft für die Testperson beziehungsweise deren Idealausprägung erheben, eignen sich demgegenüber weniger für die Feststellung einer Imageveränderung im Zeitverlauf. Denn die Imagemessung für die hier verfolgten Zwecke soll eine Veränderung der Wahrnehmung des Sponsors, seiner Marken und Produkte feststellen, nicht aber eine Veränderung der Bedeutung der Eigenschaften für die Probanden. Schließlich ist das Semantische Differenzial dem Likert-Verfahren hier vorzuziehen. Das Likert-Verfahren legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Auswahl der Aussagen über das Einstellungsobjekt (sog. Item-Analyse). Zwar ist auch das Semantische Differenzial nur aussagekräftig, wenn die einstellungsrelevanten Eigenschaften herausgefunden werden. Jedoch hat der Sponsor in der Regel eine klare Vorstellung darüber, welche Eigenschaften vom Sponsoringnehmer auf ihn, sein Produkt oder seine Marke transferiert werden können und sollen. Aufgrund der gegenüber dem Likert-Verfahren vereinfachten Instrumentenentwicklung des Semantischen Differenzials ist dessen Anwendung hier vorzugswürdig. Bei der Durchführung des Verfahrens sollte dem unbewussten Charakter der Einstellung Rechnung getragen werden, indem Zeitdruck erzeugt wird, um spontane Antworten zu erhalten. Freilich ist auch hier eine Feststellung, in welchem Ausmaß der positive Imagetransfer unterblieben ist oder es sogar zu einem negativen Imagetransfer gekommen ist, und damit eine Quantifizierung der Kommunikationsstörung ausgeschlossen. Daraus folgt, dass die Orientierung der Sponsoring-Fee am positiven oder negativen Imagetransfer auf der Primärebene der Leistungspflichten nicht empfehlenswert ist. Abschließend ist zu beachten, dass ein Pre-Test bei Vertragsbeginn unverzichtbar ist, um im Laufe des Vertrages eine Beschädigung des Images des Sponsoringnehmers und somit eine Kommunikationsstörung feststellen zu können.

III. Rechtsfolgen von Kommunikationsstörungen 1. Interessen des Sponsors Im folgenden Teil wird diskutiert, welche Rechtsfolgen Kommunikationsstörungen haben können. Ausgangspunkt sind dabei die Interessen des Sponsors. Die Rechtsfolgen richten sich danach, welche Rechte und Ansprüche der Sponsor im Falle von Kommunikationsstörungen durchsetzen möchte. In Betracht kommt zunächst die Vertragsbeendigung durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB. Durch eine Vertragsauflösung in Verbindung mit einer öffentlichen Distanzierung von dem schädigenden Ereignis und dem Sponsoringnehmer kann der Sponsor versuchen, einen negativen Imagetransfer zu vermeiden. Die10 Trommsdorff, Die Messung von Produktimages für das Marketing – Grundlagen und Operationalisierung, 1975, S. 81 ff.

Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring

15

sen Weg ist die Telekom infolge des Dopingskandals um die Tour de France 2007 gegangen.11 Die sofortige Vertragsbeendigung liegt aber nur bei erheblichen Kommunikationsstörungen im Interesse des Sponsors, da sie ansonsten in der öffentlichen Wahrnehmung als übertrieben erscheinen kann. Daraus kann ebenfalls ein negatives Image resultieren. Dem Image des Sponsors könnten infolgedessen die Attribute illoyal und opportunistisch anhaften. Der Sponsor muss die Vor- und Nachteile der Kündigung folglich sorgfältig abwägen. Entscheidend ist dabei zum einen, ob eine Vertragsauflösung ebenfalls negative kommunikative Folgen herbeiführt. Zum anderen kommt es auf die Nachhaltigkeit des kommunikativen Schadens bei Vertragsfortführung an. Die Schwierigkeit dieser Abwägung machen die soeben dargestellten unterschiedlichen Reaktionen von Tiger Woods‘ Sponsoren auf dessen außereheliche Beziehungen deutlich. Eine sofortige Vertragsbeendigung ist in der Regel einem Schadensersatzverlangen unter Fortführung des Vertrages vorzuziehen. Das Hauptziel im Falle einer Kommunikationsstörung, nämlich die Vermeidung eines negativen Imagetransfers, kann der Sponsor nur durch eine Vertragsbeendigung erreichen. Ein Schadensersatzverlangen hilft hier nicht weiter, zumal die Ermittlung der Schadenshöhe, die durch die Kommunikationsstörung verursacht wurde, kaum möglich ist. Hier kommt nur eine Schätzung der durch die Kommunikationsstörungen verursachten wirtschaftlichen Einbußen in Betracht. Möglich wären der Beweis und die Bezifferung frustrierter Aufwendungen, sodass ein hierauf gerichtetes Schadensersatzverlangen zielführend sein kann. Dieses kann gemäß § 314 Abs. 4 BGB auch neben der Kündigung geltend gemacht werden. Ist es aus Gründen der Marktkommunikation sinnvoll, den Sponsoringvertrag fortzuführen, hat der Sponsor ein Interesse daran, die Sponsoring-Fee herabzusetzen. Auch daneben kommt ein Schadensersatzverlangen in Betracht. In einigen Fällen ist es außerdem denkbar, den Vertrag durch andere Maßnahmen den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Der Sponsoringnehmer könnte etwa verpflichtet werden, durch ergänzende Aktivitäten sein eigenes Image zu verbessern. 2. Vertragsbeendigung Besondere Bedeutung hat bei Kommunikationsstörungen die Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB, da die sofortige Vertragsbeendigung bei schwerwiegenden Kommunikationsstörungen im vorrangigen Interesse des Sponsors liegt. Zudem ist die Norm die zentrale Vorschrift für die außerordentliche Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses. 11 So der Telekom-Kommunikationschef Frommert, http://www.sueddeutsche.de/sport/ tour-de-france-die-sponsoren-halten-abstand-1.597239 (zuletzt abgerufen am 05. 05. 2014; Stand 23. 07. 2008).

16

Robert W. Kessler

a) Ist eine Kommunikationsstörung ein wichtiger Grund? Fraglich ist aber, ob Kommunikationsstörungen einen wichtigen Grund im Sinne des § 314 Abs. 2 BGB darstellen. Hierfür müssten Kommunikationsstörungen unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages für den Sponsor zur Folge haben. Besondere Bedeutung hat dabei die Konkretisierung, dass das Nichterreichen des Vertragszwecks, aber auch dessen Gefährdung, wichtige Gründe sein können.12 Der Vertragszweck des Sponsoringvertrages lässt sich in der Regel ohne Schwierigkeiten ermitteln. Ausdrücklich kann er zum Beispiel in der Präambel erwähnt werden.13 Fast immer besteht er beim Sportsponsoring in einem positiven Imagetransfer, da dieser ein wesentliches Ziel des Sponsors ist. Das ist auch dem Sponsoringnehmer bewusst.14 Eine andere Beurteilung wäre vorzunehmen, wenn ein anderes kommunikatives Ziel, etwa die Bekanntheitssteigerung, im Vordergrund steht. Dass der Vertragszweck des positiven Imagetransfers infolge einer schwerwiegenden Kommunikationsstörung nicht mehr erreicht werden kann, folgt aus der Wirkungsweise des Imagetransfers. Die Imagebeeinflussung ist ein Lernprozess in Form des assoziativen Lernens. Dabei kommt es als Folge der gleichzeitigen und korrelierenden Wahrnehmung des Sponsoringnehmers und seiner Eigenschaften auf der einen Seite und der Sponsoringbotschaft auf der anderen Seite zu einer Verknüpfung der Eigenschaften des Sponsoringnehmers mit denen des Sponsors, seiner Marken oder Produkte. Verändert sich das Image des Sponsoringnehmers in negativer Hinsicht, existieren die zu übertragenden Eigenschaften des Sponsoringnehmers nicht mehr oder nur noch in vermindertem Maße. Die Wirkungsweise der Imagebeeinflussung wird gestört, sodass der positive Imagetransfer nicht oder nur noch eingeschränkt stattfinden kann. Folglich kann der Hauptzweck des Vertrages nicht oder nicht vollständig erreicht werden. Demnach kann eine Kommunikationsstörung einen wichtigen Grund im Sinne des § 314 BGB darstellen.15 12

BGH NJW 1981, 1666 (1667); Bamberger/Roth-Unberath, BGB, 3. Aufl. 2012, § 314 Rn. 11. 13 Auch die Präambel des Vertragsmusters von Poser/Backes, Sponsoringvertrag, 2010, S. 67, bestimmt den Imagetransfer als Vertragszweck. Bartenbach, Patentlizenz- und Knowhow-Vertrag, 2007, Rz. 1563, schlägt ebenfalls eine Erwähnung in der Präambel vor. 14 Vgl. etwa Humberg, JR 2005, 271 (273), der den Imagetransfer als vertraglichen Hauptzweck des Sponsoring tituliert. So auch Kratz/Quantius, Zur außerordentlichen Kündigung von Sportsponsoringverträgen in Dopingfällen, in: Bepler (Hrsg.), Sportler, Arbeit und Statuten – Herbert Fenn zum 65. Geburtstag, 2000, S. 177 (187). 15 So auch OLG München NJW-RR 2009, 57 (58). Im Ergebnis verneinte das Gericht das Vorliegen eines wichtigen Grundes unter dem Gesichtspunkt der Imagebeschädigung, da die Klägerin einen Imageschaden nicht nachweisen konnte und dieser auch zweifelhaft war, da die möglicherweise imageschädigenden Umstände bei Vertragsschluss nicht unbekannt waren, sondern nur wiederholt veröffentlicht wurden. Zuvor verneinte das Gericht eine Vertragsverletzung wegen Verstoßes gegen die Wohlverhaltensklausel. Entgegen Stopper/Lentze, Handbuch Fußball-Recht, Rechte – Vermarktung – Organisation, 2012, Kap. 2 Rn. 40, S. 87, ist der

Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring

17

Ob ein wichtiger Grund im Einzelfall tatsächlich vorliegt, hängt von einer umfassenden Interessenabwägung ab. Besondere Bedeutung hat dabei die Intensität der Kommunikationsstörung. Verkehrt sich das Image des Sponsoringnehmers, beispielsweise infolge Dopings, in sein Gegenteil, ist der Vertragszweck gänzlich verfehlt. Eine Vertragsfortsetzung ist gegenüber dem Sponsor unzumutbar, sodass ein wichtiger Grund vorliegt. Darüber hinaus sind ein Verschulden und der Verschuldensgrad des Sponsoringnehmers als Abwägungskriterien hervorzuheben.16 Hat der Sponsoringnehmer den Imageschaden durch eigenes Fehlverhalten vorsätzlich verursacht, spricht bei der Abwägung wenig gegen die Vertragsauflösung.17 Schließlich spielt das werbliche Interesse des Sponsoringnehmers bei der Abwägung eine wichtige Rolle.18 Dementsprechend wird das Vorliegen eines wichtigen Grundes regelmäßig abzulehnen sein, wenn sich der Sponsor das Image des Sponsoringnehmers als herausragender Athlet zu Nutze machen will und die Kommunikationsstörung aus einer privaten Verfehlung resultiert. Da die Eigenschaften des Sponsoringnehmers als Sportler, insbesondere seine besondere Leistungsfähigkeit, weiterhin auf den Sponsor übertragen werden können, kann der Hauptzweck des Vertrages weiterhin erreicht werden. Die Vertragsfortsetzung ist dem Sponsor dann in der Regel zumutbar. Gegenteiliges gilt, wenn es dem Sponsor auf den Lebensstil des Sponsoringnehmers ankommt. Auch die beworbenen Produkte und Marken des Sponsors sind hier zu berücksichtigen. Folgt die Kommunikationsstörung zum Beispiel aus einem Medikamentenmissbrauch, macht es einen großen Unterschied, ob der Sponsor Hersteller von Gesundheitsprodukten oder sportfernen Artikeln ist.19 b) Besonderheiten beim Institutional- und Veranstaltungssponsoring Im Gegensatz zum Personensponsoring wird beim Institutional- und Veranstaltungssponsoring das Image des Sponsoringnehmers nicht maßgeblich durch diesen selbst, sondern durch Dritte gebildet. Daraus folgt, dass Kommunikationsstörungen in diesen Fällen in der Regel nicht durch den Vertragspartner verschuldet werEntscheidung nicht zu entnehmen, dass ein Kündigungsrecht generell nur bei einem produktbezogenen Verhalten besteht. 16 Siehe Holzer/Fritzweiler, Auswirkungen von Dopingverstößen auf Arbeits-, Lizenz- und Sponsorenverträge, in: Fritzweiler (Hrsg.), Doping-Sanktionen, Beweise, Ansprüche, 2000, S. 77. So für § 314 BGB im Allgemeinen auch BGH NJW 1992, 2690 (2691). 17 Daher sind die Voraussetzungen des § 314 BGB im Falle des Dopings grundsätzlich gegeben. So Humberg, JR 2005, 271 (272); Pluschke, Kunstsponsoring – Vertragsrechtliche Aspekte, 2005, S. 261 f. (Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz); Friedrich, SpuRt 1995, 8 (10); Fritzweiler/Pfister, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, 2007, 3. Teil Rn. 115 Fn. 390, S. 301; Schimke, Sportrecht, 1996, S. 208; Turner, NJW 1992, 720 (723); ders., Doping und Zivilrecht, in: Hadding (Hrsg.), Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, 1999, S. 669 (680). 18 So auch Schaub, Sponsoring und Doping – Beendigung von Sponsoringverträgen wegen Verfehlungen des Gesponserten, insbesondere in Dopingfällen, 2008, S. 14 für den Fall des Dopings. 19 Darauf weisen Holzer/Fritzweiler (Fn. 16), S. 78 hin.

18

Robert W. Kessler

den. Beim Institutionalsponsoring wird das Bild des Sponsoringnehmers in der Öffentlichkeit in erster Linie durch die Athleten geprägt. Das wird besonders deutlich beim Vereinssponsoring, da der Verein in der Öffentlichkeit hauptsächlich durch seine Athleten wahrgenommen wird. Zwar kann sich auch ein besonderes Vereinsimage herausbilden. Jedoch ist auch dieses letztlich vom Image der Athleten abhängig, denn sie sind es, die das Vereinsimage aufrechterhalten.20 Ähnlich ist es beim Veranstaltungssponsoring. Das Image einer Veranstaltung wird zwar nicht durch einzelne Athleten gebildet. Jedoch ist es auch hier von den verschiedenen Teilnehmern und deren Zusammentreffen und weniger vom Veranstalter abhängig. Da die Institution beziehungsweise der Veranstalter das Image häufig nicht maßgeblich prägen, beruhen auch Kommunikationsstörungen meist nicht auf ihrem Fehlverhalten. Dies machen auch die eingangs angeführten Beispielsfälle der negativen Äußerungen der Schwimmer des DSV über die Schwimmanzüge von Adidas sowie die Dopingfälle bei der Tour de France 2007 deutlich. Dass auch Fans das Vereinsimage maßgeblich beeinflussen können, haben die Ausschreitungen der Fans des F.C. Hansa Rostock gezeigt. Aufgrund der daraus resultierenden Kommunikationsstörungen entschloss sich der Trikotsponsor Veolia Umweltservice gegen eine Vertragsfortführung.21 Eine wesentliche Änderung der rechtlichen Beurteilung ergibt sich in diesen Fällen aber nicht. Insbesondere setzt die Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB gerade kein Verschulden voraus. Daher ist auch eine Zurechnung des Verschuldens der Athleten gemäß § 31 BGB oder § 278 BGB nicht erforderlich.22 Maßgebliches Kriterium bei der Beurteilung, ob eine Kommunikationsstörung einen wichtigen Grund im Sinne des § 314 BGB darstellt, ist die Schwere der Störung, da von ihr abhängt, ob der Vertragszweck erreicht werden kann. Die Schwere der Kommunikationsstörung ist aber nicht notwendigerweise von einem Verschulden abhängig. Das Verschulden stellt nur ein zusätzliches Abwägungskriterium dar, sodass es vor allem dann zu berücksichtigen ist, wenn ungewiss ist, ob die Intensität der Kommunikationsstörung ausreichend für die Begründung eines wichtigen Grundes ist. Beispielsweise wird die besonders schwere Kommunikationsstörung des Dopings durch die Athleten verschuldet. Ihr Fehlverhalten kann dazu führen, dass das Image der Mannschaft, des Vereins oder der Veranstaltung Schaden nimmt. Dafür muss allerdings der Dopingverstoß ein besonderes Ausmaß annehmen. Erst wenn das Do20

Ebenso Kratz/Quantius (Fn. 14), S. 177 (190). So die Pressemitteilung von Veolia Umweltservice, http://www.veolia-umweltservice.de/ veolia-umweltservice-zieht-konsequenzen (zuletzt abgerufen am 05. 05. 2014; Stand 24. 11. 2011). 22 So auch Kratz/Quantius (Fn. 14), S. 177 (191 Fn. 69); Humberg, JR 1995, 271 (273); nicht eindeutig aber Friedrich, SpuRt 1995, 8 (10); Turner, NJW 1992, 720 (723); Pluschke (Fn. 17), S. 262. 21

Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring

19

ping ersichtlich durch mehrere oder besonders prominente Athleten praktiziert wurde, ist die Beschädigung des Images der Institution oder der Veranstaltung wahrscheinlich.23 Dies war bei der skandalbehafteten Tour de France 2007 der Fall. Nur wenn im Einzelfall fraglich ist, ob eine Kommunikationsstörung so schwerwiegend ist, dass sie einen wichtigen Grund darstellt, kann es auf ein Verschulden und dessen Zurechnung ankommen.24 So würde die Mitwisserschaft des Vereins vom Doping eines Athleten im besonderen Maße für die Kündigung des Vereinssponsoringvertrages sprechen. c) Ist ein Dopingverdacht ein wichtiger Grund? Praktisch relevant ist die Frage, ob der Sponsor den Sponsoringvertrag außerordentlich kündigen kann, wenn dem gesponserten Sportler ein Fehlverhalten zur Last gelegt wird, dieses aber nicht oder noch nicht bewiesen wurde. Im Vordergrund der Diskussion steht auch hier das Doping. Oftmals wird ein Sportler des Dopings verdächtigt, ohne dass dieses bewiesen werden kann. Dies ist auf die zunehmende Schwierigkeit des Beweises eines Dopingvergehens zurückzuführen. Das macht der Fall der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein deutlich. Da ihre Blutprobe erhöhte Retikulozytenwerte aufwies, wurde sie im Februar 2009 von der Internationalen Eislaufunion des Blutdopings verdächtigt und für zwei Jahre gesperrt. Die Sperre hatte vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) Bestand, da erhöhte Retikulozytenwerte ein hartes Indiz für Doping seien, selbst wenn Hämatokrit- und Hämoglobinwerte nicht auffällig stiegen.25 Im März 2010 bescheinigten Mediziner der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) Claudia Pechstein eine vererbte Blut-Anomalie, die für die veränderten Blutwerte verantwortlich sei, sodass die Sperre aus medizinischer Sicht unbegründet sei.26 Der Verdacht der Internationalen Eislaufunion erhärtete sich mithin bisher nicht. Verdachtsfälle können sich weiter bei der Durchführung eines Urintests ergeben. Da sich der Urintest aus einer A- und einer B-Probe zusammensetzt, kann zwischen der positiven A-Probe und der bestätigenden B-Probe eine Zeitspanne liegen, in der zunächst nur ein Dopingverdacht besteht. Ein weiterer Umstand, der einen Dopingverdacht begründet, aber noch keinen Beweis darstellt, ist das Auffinden verbotener Substanzen in Räumlichkeiten des Athleten. Neben dem Dopingverdacht können 23 So auch Kratz/Quantius (Fn. 14), S. 177 (192 f.), die auf die skandalbehaftete Tour de France 1998 verweisen. 24 Vorrangig wird dabei auf § 278 S. 1 BGB oder dessen Rechtsgedanken abgestellt, siehe Friedrich, SpuRt 1995, 8 (10); Turner, NJW 1992, 720 (723); Kratz/Quantius (Fn. 14), S. 177 (191 Fn. 69); Humberg, JR 1995, 271 (273 Fn. 33). 25 CAS, Urteil v. 29. 11. 2009, CAS 2009/A/1912 – 1913, Rn. 117, abrufbar unter http://juris prudence.tas-cas.org/sites/CaseLaw/Shared%20Documents/1912,%201913.pdf (zuletzt abgerufen am 05. 05. 2014). 26 Siehe Ahrens, http://www.spiegel.de/sport/wintersport/fall-pechstein-aerzte-schliessen-do ping-aus-a-683599.html (zuletzt abgerufen am 05. 05. 2014; Stand 15. 03. 2010).

20

Robert W. Kessler

aber auch andere unbewiesene Umstände, beispielsweise ein Strafbarkeitsverdacht, die Frage der Kündigungsberechtigung aufwerfen.27 Anhand der aufgestellten Abwägungskriterien kann auch die Frage nach einer Kündigungsmöglichkeit beim bloßen Verdacht eines Fehlverhaltens beantwortet werden. Besteht ein Dopingverdacht, wird das Image des Sponsoringnehmers in der Regel geschädigt. Sobald sich das Image des Sportlers negativ verändert, kann der positive Imagetransfer nicht oder nur noch eingeschränkt stattfinden. Der Hauptzweck des Vertrages kann nicht oder nicht wie beabsichtigt erreicht werden, sodass ein wichtiger Grund vorliegt. Auch hier kommt es entscheidend auf die Schwere der Kommunikationsstörung und damit auf die Imagebeeinträchtigung infolge des Verdachts an. Dabei kann auch die Beurteilung durch die Medien beachtet werden, da sie das öffentliche Meinungsbild beeinflussen oder widerspiegeln können. Welche Anforderungen an den Verdacht zu stellen sind, ist demgegenüber nachrangig.28 Bezogen auf den Dopingverdacht ist das Image des Sportlers in der Regel bereits durch belastbare Indizien, etwa eine positive A-Probe, so stark geschädigt, dass ein positiver Imagetransfer nicht mehr stattfinden kann. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 314 BGB besteht in diesem Fall folglich.29 Die von einigen Autoren befürwortete Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf qualifizierte Verdachtsfälle beruht letztlich auf dem Gedanken, dass der Sponsoringnehmer nicht ohne Verschulden die weitreichenden Konsequenzen einer außerordentlichen Kündigung tragen soll.30 Dagegen ist einzuwenden, dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 314 BGB gerade kein Verschulden voraussetzt. Gegen die strengen Anforderungen spricht überdies, dass der Sportler letztlich seinen Ruf vermarktet. Ist dieser beeinträchtigt, ist der unmittelbare Gegenstand des Sponsoringvertrages betroffen. Das geschieht unabhängig davon, ob die Rufbeeinträchtigung zu Recht oder zu Unrecht erfolgte. Ein Kündigungsrecht im Falle der Rufbeeinträchtigung liegt somit in der Eigenart des Sponsoringvertrages.31 Das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund kann insbesondere als ungerecht empfunden werden, wenn der Dopingverdacht nicht auf belastbaren Tatsachen, sondern vielmehr auf Behauptungen beruht. So könnten Denunziationen die Vertragsbeendigung zur Folge haben. Hier ist die Intensität der Kommunikationsstörungen von der Glaubwürdigkeit des Denunzianten abhängig. Der Dopingverdacht gegen den 27 Dazu Roth, Vertragsrechtliche und ökonomische Analyse von Sportsponsoringverträgen, 2002, S. 85. 28 A. A. Kratz/Quantius (Fn. 14), S. 177 (188), die an den Verdacht hohe Anforderungen stellen und denen zufolge eine negative Presse kein außerordentliches Kündigungsrecht begründet. Auch Engel, Sponsoring im Sport – Vertragsrechtliche Aspekte, 2009, S. 248, stellt hohe Anforderungen an den Verdacht. Wie hier allein auf die Imagebeeinträchtigung abstellend Roth (Fn. 27), S. 85; wohl auch Humberg, JR 2005, 271 (273). 29 Auch Poser/Backes (Fn. 13), S. 203 (236), halten die positive A-Probe für einen Kündigungsgrund. 30 So ausdrücklich Kratz/Quantius (Fn. 14), S. 177 (188). 31 Poser/Backes (Fn. 13), S. 203 (236).

Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring

21

Radsportler Lance Armstrong, der ursprünglich vor allem auf den Aussagen seiner Teamkollegen beruhte, erfuhr eine stärkere Medienaufmerksamkeit als die nicht belegten Zweifel am Verzicht des Leichtathleten Usain Bolt auf Doping.32 Dementsprechend war der Imageschaden für die beteiligten Sponsoren wahrscheinlich sehr unterschiedlich. In der Regel haben nur sehr glaubwürdige Denunziationen einen erheblichen Imageschaden zur Folge, sodass schlichte Behauptungen nicht geeignet sind, eine wesentliche Kommunikationsstörung zu verursachen. Führen Denunziationen zu einer erheblichen Beschädigung des Images des Sponsoringnehmers, können auch diese einen wichtigen Grund im Sinne von § 314 BGB darstellen.33 Aufgrund der Pflicht des Sponsors zu Wohlverhalten und Loyalität ist aber eine besondere Intensität der Kommunikationsstörung erforderlich. Die Kündigung des Sponsors wäre in diesem Fall dadurch gerechtfertigt, dass die Werberechte, die Vertragsgegenstand sind, für ihn wertlos geworden sind. Die Tatsache, dass eine außerordentliche Kündigung ohne Verschulden und sogar bei Verdächtigungen möglich ist, unterstreicht die Bedeutung einer vertraglichen Regelung.34 Sind die weitgehenden Rechtsfolgen von den Vertragsparteien nicht beabsichtigt, können sie im Sponsoringvertrag bestimmte Anforderungen an den Verdacht, der eine außerordentliche Kündigung zur Folge haben soll, stellen. Erweist sich der Verdacht letztlich als unbegründet, könnte dies in Anlehnung an die Folgen einer ungerechtfertigten Verdachtskündigung im Arbeitsrecht dazu führen, dass der Sponsoringnehmer ein Recht auf Vertragsfortsetzung hat.35 Auch ein Schadensersatzanspruch kommt in Betracht. Gegen die Heranziehung arbeitsrechtlicher Grundsätze spricht indes, dass der Sponsoringnehmer gegenüber seinem Vertragspartner nicht in gleichem Maße wie ein Arbeitnehmer schutzwürdig ist.36 Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Kündigung auch nicht ungerechtfertigt war, wenn sich später die Unschuld des Sportlers herausstellt. Denn die Kündigung wurde nicht auf das Fehlverhalten des Sponsoringnehmers, sondern auf die objektiv belegte und für die Vergangenheit nicht beseitigte Beschädigung des Images des Sponsoringnehmers gestützt. Ein Anspruch auf Vertragsfortsetzung oder Schadensersatz seitens des Sponsoringnehmers besteht folglich nicht. 32 Geäußert wurden diese Zweifel von Conte, http://www.zeit.de/sport/2011 – 08/bolt-do pingvorwurf (zuletzt abgerufen am 25. 06. 2014; Stand 26. 08. 2011); Conte, der in der Vergangenheit über sein Unternehmen BALCO Steroide illegal an Sportler verkaufte, stützte die Behauptung auf Bolts Leistungssteigerung. 33 Es ist denkbar, dass Denunziationen jeglicher Grundlage entbehren und dennoch einen erheblichen Imageschaden verursachen. Der Sponsoringnehmer könnte z. B. ein „Opfer der Medien“ sein. Auch in diesem Fall kann ein Kündigungsgrund vorliegen. A. A. Schaub (Fn. 18), S. 17 f., 28 f. 34 Auf die Bedeutung der vertraglichen Regelung weist auch Schaub (Fn. 18), S. 17 hin. 35 Dafür Engel (Fn. 28), S. 248. Siehe zur Verdachtskündigung im Arbeitsrecht BAG, Urteil v. 4. 6. 1964 – 2 AZR 310/63, AP NR. 13 zu § 626; BAG, Urteil v. 20. 8. 1997 – 2 AZR 620/ 96, AP Nr. 27 zu § 626; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, Ein Studienbuch, 2008, § 23 III. 1. c), S. 270 f. 36 So auch Kratz/Quantius (Fn. 14), S. 177 (189).

22

Robert W. Kessler

d) Ausschluss der Kündigung aus wichtigem Grund Zunächst kann die vertragliche Risikoverteilung die Kündigung aus wichtigem Grund ausschließen.37 Hier ist zu berücksichtigen, dass dem Sponsoringvertrag einige unkalkulierbare, aber typische Risiken innewohnen, für deren Eintritt der Sponsor das Risiko übernimmt. Zu diesen sportimmanenten Risiken gehören sportlicher Misserfolg sowie eine vorübergehende Krankheit. Resultieren Kommunikationsstörungen aus der Verwirklichung derartiger Risiken, kann der Sponsor nicht gemäß § 314 BGB kündigen. Dagegen kann nicht angenommen werden, der Sponsor übernehme aufgrund des gewagten38 Charakters des Sponsoringvertrages das Risiko eines negativen Imagetransfers vollständig. Allein offenkundige Risiken, die der Sponsor bei Vertragsschluss unbeanstandet lässt, fallen in seine Risikosphäre. Der Annahme einer gänzlichen Risikoübernahme steht überdies entgegen, dass der Sponsoringnehmer sein Image vermarktet und daher am Risiko der Kommunikationsstörung beteiligt werden sollte. Störungen in diesem Bereich sind somit grundsätzlich der Risikosphäre des Sponsoringnehmers zuzuordnen. Freilich kommt auch der Ausschluss des Kündigungsrechts aufgrund eines unzulässigen venire contra factum proprium (§ 242 BGB) in Betracht. Das Verhalten des Sponsors wäre widersprüchlich und die Kündigung daher ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss von der bevorstehenden Kommunikationsstörung wusste oder sogar zu ihrer Verwirklichung beigetragen hat. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Sponsor das Doping des Sponsoringnehmers bewusst geduldet oder ihn sogar hierzu animiert hat.39 Eine Abmilderung erfährt die Härte der Kündigungsmöglichkeit, insbesondere im Falle der Rufbeeinträchtigung, durch die Pflicht zu Wohlverhalten und Loyalität.40 3. Haftung für Sachmängel Die Möglichkeit der Vertragsanpassung bietet das Leistungsstörungsrecht. Wenn der Sponsor den Sponsoringvertrag trotz einer Kommunikationsstörung fortsetzen will, kann die Minderung der Sponsoring-Fee interessengerecht sein. Im Gegensatz zu den Anforderungen des § 314 BGB muss dafür keine schwerwiegende Veränderung der Umstände vorliegen, die eine unangepasste Vertragsfortführung unzumutbar macht. Rechtsgrundlage der Minderung sind die §§ 536, 581 Abs. 2 BGB, da auf das hier betroffene lizenzvertragliche Element des Sponsoringvertrages Pachtrecht analog 37

BGH NJW 1991, 1828 (1829); Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 314 Rn. 9; MüKo-Gaier, BGB, 6. Aufl. 2012, § 314 Rn. 10. 38 Netzle, Sponsoring von Sportverbänden – Vertrags-, persönlichkeits- und vereinsrechtliche Aspekte des Sport-Sponsorings, 1987, S. 139, spricht vom spekulativen Charakter. 39 So Kratz/Quantius (Fn. 14), S. 177 (189 f.). 40 Poser/Backes (Fn. 13), S. 236.

Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring

23

angewendet wird.41 Wesentliche Voraussetzung der Minderung ist demnach das Vorliegen eines Mangels zur Zeit der Überlassung, der eine nicht nur unerhebliche Minderung der Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch zur Folge hat. Ein Verschulden setzt die Minderung nicht voraus. a) Ist eine Beschädigung des Images des Sponsoringnehmers ein Mangel der Werberechte? Daher muss geklärt werden, ob eine Beschädigung des Images des Sponsoringnehmers einen Mangel der überlassenen Werberechte begründet. Bei der analogen Anwendung der pachtrechtlichen Normen auf den Lizenz- und Rechtspachtvertrag liegt ein Beschaffenheitsmangel des Immaterialgutes vor, wenn dessen Gebrauchsund Nutzungstauglichkeit für den Lizenznehmer beziehungsweise Verpächter beeinträchtigt oder ausgeschlossen ist.42 Demnach genügt es nicht, dass die überlassenen Rechte existieren. Vielmehr müssen sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, damit die Benutzungsmöglichkeit zu dem nach dem Vertrag bestimmten Gebrauch gegeben ist. Auch ohne ausdrückliche Zusicherung hat der Lizenzgeber somit für die Brauchbarkeit des Lizenzgegenstandes einzustehen.43 Dies erfordert, dass mit dem Vertragsprodukt der von den Vertragspartnern erstrebte Verwendungszweck erreicht werden kann.44 Weiter kommt es darauf an, welcher Zweck vertraglich vorausgesetzt wurde.45 Ist der Verwendungszweck nicht ausdrücklich geregelt, muss er im Wege der Vertragsauslegung ermittelt werden. Die Brauchbarkeit ist allerdings streng von der gewerblichen Verwertbarkeit zu unterscheiden, die im Risikobereich des Lizenznehmers liegt.46 Der Vertragszweck des Sponsoringvertrages besteht sehr häufig in einem positiven Imagetransfer. Die Werberechte dienen also dazu, einen Kommunikationserfolg 41 Siehe zur Rechtsanwendung im Sponsoring ausführlich die Dissertation des Verf. (Fn. 3), S. 67 ff. 42 So für den Lizenzvertrag z. B. Pahlow, Lizenz und Lizenzvertrag im Recht des Geistigen Eigentums, 2006, S. 300. Zur Definition des Sachmangels im Pachtrecht Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts BT 1, 1986, §§ 48 III, 49 I, S. 233, 280. 43 So für die Lizenzierung eines Geheimverfahrens BGH GRUR 1955, 338 – Beschlagfreie Brillengläser; GRUR 1965, 298 (301) – Reaktions-Meßgerät; Henn, Patent- und Know-howLizenzvertrag, Handbuch für die Praxis, 2003, Rn. 310; Pagenberg/Beier-Pagenberg, Lizenzverträge – Patente, Gebrauchsmuster, Know-how, Computer Software, 2008, S. 1 Rn. 60, S. 198. 44 Siehe BGH GRUR 1955, 338 (340) – Beschlagfreie Brillengläser; GRUR 1979, 768 – Mineralwolle; OLG Hamm NJW-RR 1993, 1270; Henn (Fn. 43), Rn. 310; Pahlow (Fn. 42), S. 300. 45 BGH GRUR 1979, 768 (769) – Mineralwolle, für die Lizenzierung eines Herstellungsverfahrens; Heidelberger Kommentar-Pahlow, Markenrecht, 2. Aufl. 2009, § 30 MarkenG Rn. 20, für die Markenlizenz. 46 Siehe BGH GRUR 1955, 338 (340) – Beschlagfreie Brillengläser; GRUR 1965, 298 (301) – Reaktions-Meßgerät; GRUR 1985, 338 (340 f.); Henn (Fn. 43), Rn. 314; Pagenberg/ Beier-Pagenberg (Fn. 41), S. 1 Rn. 60, S. 198; Pahlow (Fn. 42), S. 302.

24

Robert W. Kessler

herbeizuführen, sodass hierin ihr Verwendungszweck liegt. Das setzen sowohl Sponsor als auch Sponsoringnehmer bei Vertragsschluss voraus. Denn der Kommunikationserfolg ist das wesentliche Ziel des Sponsors. Dies ist dem Sponsoringnehmer bei der Vermarktung seiner Persönlichkeit bewusst. Die Werberechte sind mithin nur brauchbar und daher mangelfrei, wenn sie geeignet sind, den Kommunikationserfolg herbeizuführen. Verändert sich das Image des Sponsoringnehmers in negativer Hinsicht, kann der positive Imagetransfer jedoch nicht oder nur noch eingeschränkt stattfinden. Demnach sind die überlassenen Werberechte mangelhaft. Für die Mangelfreiheit genügt es schließlich auch nicht, dass die Persönlichkeitsrechte des Sponsoringnehmers weiterhin genutzt werden können. Der Verwendungszweck ist nämlich das Erreichen des weitergehenden Erfolges, auf den der Vertrag abzielt.47 Dieser ist beim Sponsoring nicht die bloße Nutzung der Werberechte, sondern vielfach der positive Imagetransfer.48 Die Werberechte müssen demzufolge geeignet sein, diesen herbeizuführen. Dabei handelt es sich auch nicht um das Risiko der gewerblichen Verwertbarkeit, das der Sponsor zu tragen hat. Denn auf das Verfehlen der ökonomischen Sponsoringziele, das demnach kein Mangel der Werberechte ist, wird hier nicht abgestellt. Da der positive Imagetransfer infolge einer negativen Veränderung des Images des Sponsoringnehmers nicht mehr erreicht werden kann, genügen die Werberechte dem Verwendungszweck nicht. Folglich ist die Nutzungstauglichkeit der Werberechte beeinträchtigt, sodass ein Mangel vorliegt.49 b) Rechtsfolgen der Mangelhaftigkeit Aus der analogen Anwendung der §§ 536 Abs. 1 S. 1, 581 Abs. 2 BGB folgt die Befreiung von der Zahlungspflicht, wenn die Tauglichkeit der Werberechte aufgehoben ist. Das ist nur bei schwerwiegenden Kommunikationsstörungen der Fall. Da dann die Vertragsauflösung dem Interesse des Sponsors näher kommt, haben die §§ 536 Abs. 1 S. 2, 581 Abs. 2 BGB eine größere Bedeutung. Hiernach muss der Sponsor nur eine angemessen herabgesetzte Sponsoring-Fee zahlen, wenn die Tauglichkeit der Werberechte gemindert ist.50 Die Herabsetzung erfolgt dabei proportional zur Tauglichkeitsminderung durch Schätzung eines prozentualen Abschlags.51 Ein Verschulden setzt die Minderung nicht voraus. 47 Siehe Groß, Der Lizenzvertrag, 2011, Rn. 302, für die Lizenz im Allgemeinen; Krausse/ Katluhn/Lindenmaier, Das Patentgesetz, 1973, § 9 PatG Rn. 31, für Erfindungen. 48 Humberg, JR 2005, 271 (273), der den Imagetransfer als vertraglichen Hauptzweck des Sponsorings bezeichnet. 49 Dagegen halten es Fritzweiler/Pfister (Fn. 17), 3. Teil Rn. 91 Fn. 340, S. 294, für sehr zweifelhaft, dass Dopingvergehen oder eine Sperre Mängel der Werberechte sind. Jedenfalls stelle das Doping eine sonstige Vertragsverletzung dar, sodass der Sponsoringnehmer auf Schadensersatz hafte. Für eine Minderung infolge Dopings sprechen sich dagegen Holzer/ Fritzweiler (Fn. 16), S. 72 ff. aus. 50 So für den Lizenzvertrag Groß (Fn. 47), Rn. 317. 51 So für die Miete BGH NJW 2010, 1745; Palandt-Weidenkaff (Fn. 37), § 536 Rn. 33.

Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring

25

Neben der Minderung, die kraft Gesetzes eintritt,52 kann dem Sponsor bei Mangelhaftigkeit der Werberechte ein Schadensersatzanspruch nach §§ 536a Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB zustehen. Weder die Mangelhaftigkeit bei Vertragsschluss (Var. 1) noch der Verzug des Sponsoringnehmers mit der Mangelbeseitigung (Var. 3) sind aber praxisrelevant, da es kaum denkbar ist, dass dem Sponsor bestehende Beschädigungen des Images des Sponsoringnehmers bei Vertragsschluss verborgen bleiben oder der Sponsor seinen Vertragspartner bei einem nachträglichen Mangel zur Beseitigung der Imagebeeinträchtigung auffordert. Demgemäß ist nur § 536a Abs. 1 Var. 2 BGB, der einen verschuldensabhängigen Anspruch bei einem nachträglichen Mangel bestimmt, in Betracht zu ziehen.53 Als ersatzfähige Schadensposten kommen die getätigten Aufwendungen, der entgangene Gewinn des Sponsors sowie Mangelfolgeschäden in Betracht. Frustrierte Aufwendungen sind zunächst unproblematisch ersatzfähig.54 Dies folgt daraus, dass § 284 BGB auch im Rahmen von § 536a Abs. 1 BGB Anwendung findet.55 Hierbei ist zu beachten, dass der Anspruch von vornherein nur in der Höhe entsteht, in der der Zweck der Aufwendungen verfehlt wurde.56 Daraus folgt, dass der Sponsor eine anteilige Kürzung des Aufwendungsersatzanspruchs hinzunehmen hat, wenn er die Persönlichkeitsrechte zeitweise für einen positiven Imagetransfer nutzen konnte. Fraglich ist aber, ob der Sponsoringnehmer unter Anwendung des § 252 BGB auch Ersatz für den entgangenen Gewinn schuldet. Hier sind die Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich daraus ergeben, dass ein lizenzvertragliches Element vorliegt. Denn der Lizenzgeber soll gerade nicht für die gewerbliche Verwertbarkeit haften. Demzufolge können der Lizenznehmer und somit auch der Sponsor nicht den Gewinn verlangen, den sie bei Mangelfreiheit hätten erzielen können.57 Allerdings liegt im Falle einer verschuldeten Kommunikationsstörung nicht nur ein Mangel der Werberechte vor. Im Rahmen seiner aktiven Leistungspflicht ist der Sponsoringnehmer verpflichtet, keine imageschädigenden Handlungen vorzunehmen, sondern sich vielmehr vorbildhaft zu verhalten. Verletzt er diese Nebenpflicht, ergibt sich ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB, der auch den entgangenen Gewinn 52

BGH NJW-RR 1991, 779; Palandt-Weidenkaff (Fn. 37), § 536 Rn. 31 (allg. Meinung). Groß (Fn. 47), Rn. 324, spricht sich gegen das Verschuldenserfordernis aus. Dem wird mit BGH GRUR 1979, 768 (769) – Mineralwolle; Henn (Fn. 43), Rn. 312, für den Lizenzvertrag und mit Turner, NJW 1992, 720 (723), speziell für das Sponsoring nicht gefolgt, da eine „pachtrechtliche Garantie“ nur für anfängliche Mängel besteht. 54 Für den Lizenzvertrag BGH GRUR 1979, 768 (769) – Mineralwolle; Henn (Fn. 43), Rn. 314; Groß (Fn. 47), Rn. 326 f. 55 Siehe nur MüKo-Häublein (Fn. 37), § 536a Rn. 17; Palandt-Weidenkaff (Fn. 37), § 536a Rn. 14. 56 Siehe nur BeckOK-Unberath, BGB, Stand 01. 08. 2012, § 284 Rn. 17. 57 Benkard-Ullmann, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl. 2006, § 15 Rn. 183; Henn (Fn. 43), Rn. 314; Groß (Fn. 47), Rn. 327; Rasch, Der Lizenzvertrag in rechtsvergleichender Darstellung, 1933, S. 26. Offengelassen von BGH GRUR 1979, 768 (769) – Mineralwolle. 53

26

Robert W. Kessler

erfasst.58 Wiederum sind der Nachweis des Kausalverlaufs sowie die Bezifferung des Schadens problematisch. Mangelfolgeschäden erfassen hier die wirtschaftlichen Einbußen des Sponsors infolge eines negativen Imagetransfers. Der Kausalverlauf wird diesbezüglich aber kaum nachweisbar sein und auch für eine Schadensermittlung im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO fehlen konkrete Anhaltspunkte.59 Diesem Problem kann teilweise durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe im Sinne der §§ 339 ff. BGB für Fehlverhalten des Sponsoringnehmers begegnet werden. Möglich ist dies beispielsweise für den Fall eines Dopingverstoßes unter Bezugnahme auf die Verbotsliste des NADA-Codes.60 Hinsichtlich der Höhe der Vertragsstrafe kommt die Rückzahlung der Geldleistungen des Sponsors in Betracht. Dabei ist die Rückzahlung aller Geld- und Sachleistungen, die ein gesponserter Sportler erhalten hat, unangemessen.61 Zu beachten ist schließlich, dass eine derartige Vertragsstrafe nicht den Ausgleich der wirtschaftlichen Einbußen des Sponsors sicherstellt. c) Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage? Die Möglichkeit einer Vertragsanpassung stellt das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB bereit. Ist eine Anpassung nach Abs. 1 nicht möglich oder nicht zumutbar, folgt aus Abs. 3 S. 2 die Möglichkeit der Kündigung des Sponsoringvertrages. Für die Anwendung des § 313 BGB müsste im Falle von Kommunikationsstörungen die sponsoringvertragliche Geschäftsgrundlage betroffen sein. Diese Einordnung liegt nahe, da Sponsor und Sponsoringnehmer bei Vertragsschluss davon ausgehen, dass keine Kommunikationsstörung eintritt – insbesondere, dass das positive Image des Sponsoringnehmers fortbesteht – und da sie auf Grundlage dieser Vorstellung den konkreten Sponsoringvertrag abschließen.62 Über58 Für einen Schadensersatzanspruch aufgrund einer Nebenpflichtverletzung auch Fritzweiler/Pfister (Fn. 17), 3. Teil Rn. 91 Fn. 340, S. 294; Holzer/Fritzweiler (Fn. 16), S. 75; Turner, NJW 1992, 720 (723); ders. (Fn. 17), S. 669 (681). 59 Auf die Schwierigkeiten der Schadensermittlung weisen auch Holzer/Fritzweiler (Fn. 16), S. 76 f. und Pluschke (Fn. 17), S. 248 hin. 60 Dies sieht § 7 Abs. 2 des Mustervertrages von Poser/Backes (Fn. 13), S. 218 ff. vor. Siehe zu der Frage, ob eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe vereinbart werden kann, Nesemann, NJW 2007, 2083 (2085). Zur Vertragsstrafe im Sponsoring auch Pluschke (Fn. 17), S. 247 f. 61 So das LAG Köln NZA-RR 1999, 350 (351), für den Fall des Dopings durch einen Eishockeyspieler. Nesemann, NJW 2007, 2083 (2086), schlägt die Rückzahlung der Leistung der letzten zwei Jahre vor. 62 Dementsprechend ziehen Holzer/Fritzweiler (Fn. 16), S. 73, die Störung der Geschäftsgrundlage bei Imagebeschädigungen in Betracht. Ein makelloses Image des Sponsoringnehmers gehöre zu den typischen Voraussetzungen des Vertragsschlusses und sei nicht nur der Wunsch puristischer Sportmoralisten. Ähnlich Wegner (Fn. 5), S. 232, demzufolge „all diejenigen Umstände, die geeignet sind, das vertraglich zu verwertende Image des Sponsoringnehmers oder eines von ihm verantworteten Aufgabenbereichs nachhaltig zu verändern, zur sponsoringvertraglichen Geschäftsgrundlage [gehören].“

Kommunikationsstörungen im Sportsponsoring

27

dies machen es Kommunikationsstörungen für den Sponsor regelmäßig unzumutbar, den Vertrag unangepasst fortzuführen. Insbesondere fallen Kommunikationsstörungen nicht allein in seinen Risikobereich. Dennoch ist eine Vertragsanpassung im Wege der Anwendung des § 313 BGB aufgrund einer Kommunikationsstörung ausgeschlossen. Es wurde nämlich bereits festgestellt, dass Kommunikationsstörungen, insbesondere die negative Veränderung des Images des Sponsoringnehmers, einen Mangel der überlassenen Werberechte begründen. Im Anwendungsbereich der Mängelhaftung ist § 313 BGB aber unanwendbar.63 Folglich kann eine Vertragsanpassung nur im Wege der Anwendung der §§ 536 ff., 581 Abs. 2 BGB erfolgen. Als Geschäftsgrundlage kann demgegenüber die Nichtausübung der gesponserten Tätigkeit, etwa die Beendigung der sportlichen Tätigkeit beim Einzelpersonensponsoring, eingeordnet werden.64

IV. Ergebnisse Die Problematik der Kommunikationsstörungen betrifft insbesondere Störungen des Imagetransfers und spaltet sich in zwei Teilfragen auf. Zunächst müssen Kommunikationsstörungen festgestellt und nachgewiesen werden, indem eine Beschädigung des Images des Sponsoringnehmers ermittelt wird. Sind ihre Existenz und/oder ihre Intensität nicht offensichtlich, kann auf die Kommunikationsmessmethoden zurückgegriffen werden. Dabei ist das Semantische Differenzial als Ratingskala vorzugswürdig. Die zweite Teilfrage betrifft die Rechtsfolgen von Kommunikationsstörungen. Bei schwerwiegenden Kommunikationsstörungen hat der Sponsor ein Interesse an der Kündigung gemäß § 314 BGB. Vorbehaltlich einer Interessenabwägung im Einzelfall sind schwerwiegende Beschädigungen des Images des Sponsoringnehmers ein wichtiger Grund im Sinne von § 314 Abs. 2 BGB, da der Vertragszweck des Imagetransfers nicht oder nur eingeschränkt erreicht werden kann. Das gilt ebenfalls beim Veranstaltungs- und Institutionalsponsoring, obwohl die Kommunikationsstörung häufig nicht vom Vertragspartner verschuldet wird. Zudem stellt ein Dopingverdacht einen wichtigen Grund dar, wenn hierdurch das Image des Sponsoringnehmers erheblich geschädigt wird. Neben oder anstelle der Vertragsbeendigung hat der Sponsor ein Interesse an der Durchsetzung von Gewährleistungsrechten. Da der po63

BGHZ 60, 319 (321); WM 2003, 1964 (st. Rspr.); speziell für das hier direkt oder, bei Vorliegen eines lizenzvertraglichen Elements, analog anwendbare Pachtrecht BGH NJW-RR 1992, 267 (267 f.); Erman-Hohloch, BGB, 13. Aufl. 2011, § 313 Rn. 39; MüKo-Finkenauer (Fn. 37), § 313 Rn. 166. Im Übrigen ist auch eine Kondiktion der Sponsoring-Fee im Wege der Anwendung der condictio ob rem gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB ausgeschlossen. Denn diese dient gerade dazu, dem Leistenden einen Anspruch zu gewähren, wenn er die Gegenleistung nicht erzwingen kann und auch keine Sekundäransprüche hat. Siehe nur BGHZ 44, 321 (323); MüKo-Schwab, BGB, 5. Aufl. 2009, § 812 Rn. 374; Bamberger/Roth-Wendehorst (Fn. 12), § 812 Rn. 94. Freilich sind diesbezüglich auch das Vorliegen der Voraussetzungen und die Interessengemäßheit fraglich. 64 Siehe zu dieser Einordnung die Dissertation des Verf. (Fn. 3), S. 39 ff.

28

Robert W. Kessler

sitive Imagetransfer infolge einer negativen Veränderung des Images des Sponsoringnehmers nicht mehr erreicht werden kann, genügen die Werberechte dem Verwendungszweck nicht. Folglich ist die Nutzungstauglichkeit der Werberechte beeinträchtigt, sodass ein Mangel vorliegt. Kommunikationsstörungen führen daher zu einer Minderung der Sponsoring-Fee gemäß §§ 536 Abs. 1 S. 2, 581 Abs. 2 BGB und verschaffen dem Sponsor einen Schadensersatzanspruch nach §§ 536a Abs. 1 Var. 2, 581 Abs. 2 BGB. Ersatzfähig sind getätigte Aufwendungen, nicht aber der entgangene Gewinn. Letzterer kann im Rahmen von § 280 Abs. 1 BGB bei einer Nebenpflichtverletzung verlangt werden. Problematisch ist die Ermittlung des kausalen Schadens.

Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen im Sportsektor Martin John

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ökonomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sponsoring als Kommunikationsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Allgemeine lauterkeitsrechtliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich: Geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Nr. 1 UWG 2. Lauterkeitsrechtliches Konfliktpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Maßgeblicher Bewertungshorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Lauterkeitsrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit, § 4 Nr. 1, 2 UWG . . . . . . . . . . . . . . a) § 4 Nr. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 4 Nr. 2 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Irreführung, §§ 5, 5a UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Irreführung gem. § 5 I 2 Nr. 4 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Besondere tatbestandliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Irreführungspotential im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Irreführung gem. § 5a UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschleierung des Werbecharakters, § 4 Nr. 3 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsbruch, § 4 Nr. 11 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Lauterkeitsrechtliche Sanktionierbarkeit von Verstößen gegen Verhaltenskodizes VI. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 31 31 31 32 33 33 34 35 36 36 36 38 40 40 40 42 44 45 47 48 49 50

I. Einleitung Die werbliche Kommunikation eines Sponsoringengagements im Sport ist heute allgegenwärtig: Sponsoren werben auf LED-Spielfeldbanden, Spielflächen, Ausrüstungsgegenständen, „camcarpets“ und Sportlerbekleidung, sie „präsentieren“ mittels eingespielter Audio- oder Videosequenzen die Besucherzahl einer Sportveranstaltung, sie stellen „Kinder-Fußballeskorten“ zum Einlauf der Mannschaften in ein Stadion zur Verfügung und sie binden die gesponserten Sportler in ihre Produktwerbe-

30

Martin John

maßnahmen ein.1 Mit anderen Worten: Auf den Besucher und Zuschauer einer Sportveranstaltung prasselt eine Vielzahl von Werbebotschaften ein und es wird versucht, ihn in einem nicht-kommerziellen, emotionalen Umfeld zu aktivieren. Wann immer auf die Nachfrageseite eingewirkt wird, stellt sich die Frage, ob die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Das Lauterkeitsrecht (geregelt im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, UWG) dient dazu, Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen zu schützen. Im Schrifttum wird zumeist nur kurz darauf verwiesen, dass das Sponsoring per se lauterkeitsrechtlich unbedenklich sei und den allgemeinen Anforderungen an Werbemaßnahmen entsprechen müsse.2 Zum Teil wird aber auch pauschal auf lauterkeitsrechtliche Bedenken hingewiesen, ohne dass dabei eine genauere Betrachtung der lauterkeitsrechtlichen Problemfelder angestellt wird.3 Vereinzelt hatte sich auch die Rechtsprechung mit den lauterkeitsrechtlichen Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen zu befassen; so etwa der BGH in den Fällen zum Krombacher Regenwaldprojekt, in denen es vor allem um Fragen der Irreführung und der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit durch die Werbung mit einem Sponsoringengagement ging.4 Aufgrund geänderter lauterkeitsrechtlicher Rahmenbedingungen durch Einführung der Richtlinie 2005/29/EG gegen unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) stellt sich nunmehr die Frage, ob und inwieweit kommunikativen Sponsoringmaßnahmen im Sport lauterkeitsrechtliche Bedenken entgegenstehen. Gerade unter Geltung der UGP-Richtlinie ist eine Untersuchung lauterkeitsrechtlicher Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen angezeigt.5 In Umsetzung des Art. 6 I lit. c) UGP-Richtlinie fand mit § 5 I 2 Nr. 4 UWG das Sponsoring erstmals expressis 1 Zu den zahlreichen Möglichkeiten kommunikativer Sponsoringmaßnahmen im Sport siehe stellvertretend für viele die Beispiele bei Bruhn, Sponsoring – Systematische Planung und integrativer Einsatz, 5. Aufl. 2010, S. 82 ff.; Kloss, Werbung – Lehr-, Studien- und Nachschlagewerk, 4. Aufl. 2007, S. 492 ff. 2 Siehe nur Harte/Henning/Weidert, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Kommentar, 2. Aufl. 2009, § 5 f. Rn. 4; Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 30. Aufl. 2012, § 4 Rn. 3.47b f.; Piper/Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 5. Aufl. 2010, § 4.1 Rn. 1/124; Bruhn/Mehlinger Rechtliche Gestaltung des Sponsorings – Vertragsrecht, Steuerrecht, Medienrecht, Wettbewerbsrecht, Bd. I: Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1995, S. 194 ff.; Weiand, Kultur- und Sportsponsoring im deutschen Recht unter besonderer Berücksichtigung urheber-, medien- und wettbewerbsrechtlicher Aspekte, 1993, S. 229 ff. Siehe aber in jüngster Vergangenheit umfassend dazu John, Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen im Sport, 2013. 3 So beispielsweise für den Fall einer Irreführung durch Unterlassen bei fehlender Angabe von Informationen über die Ausgestaltung des Sponsoringengagements, vgl. nur jurisPKUWG/Link, juris Praxiskommentar UWG, 2. Aufl. 2009, § 5 Rn. 609; Ernst WRP 2010, 1304 (1313); Heil/Klümper, PharmR 2008, 226 (229); Schaub, GRUR 2008, 955 (958); Seichter, WRP 2007, 230 (235). 4 BGH, GRUR 2007, 247 ff. – Regenwaldprojekt I; GRUR 2007, 251 ff. – Regenwaldprojekt II. 5 Siehe umfassend dazu John (Fn. 2), S. 81 ff.

Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen

31

verbis Erwähnung im UWG. Schließlich bringt die UGP-Richtlinie aufgrund ihres Anspruchs, unlautere Geschäftspraktiken im Verhältnis „B2C“ vollumfassend zu harmonisieren, neue Bewertungskriterien mit sich, die bei der bisherigen Auslegung der für kommunikative Sponsoringmaßnahmen bedeutsamen Tatbestände des UWG noch keine oder keine hinreichende Beachtung fanden.

II. Gang der Darstellung Ausgehend von einigen Ausführungen zu den Grundlagen und zur wirtschaftlichen Bedeutung des Sponsorings als Kommunikationsinstrument (dazu III. und IV.) werden die lauterkeitsrechtlichen Grenzen kommunikativer Botschaften der Sponsoren aus dem Sport anhand verschiedener Tatbestände des UWG beleuchtet. Es soll aufgezeigt werden, ob und inwieweit kommunikative Sponsoringmaßnahmen de lege lata gegen richtlinienkonform am Maßstab der UGP-Richtlinie ausgelegte Tatbestände des UWG verstoßen können (dazu V.). Den Abschluss des Beitrags bildet sodann ein Blick auf mögliche Rechtsfolgen, die sowohl die Sponsoren als auch die gesponserten Akteure im Falle etwaiger Verstöße gegen das UWG treffen könnten (dazu VI.). Vom Untersuchungsgegenstand nicht umfasst wird hingegen das sog. Ambush Marketing, bei dem Nicht-Sponsoren mit Bezug zu einer Sportveranstaltung werben.

III. Ökonomische Grundlagen 1. Sponsoring als Kommunikationsinstrument Das Sponsoring stellt ein wichtiges Kommunikationsinstrument im Kommunikationsmix eines Unternehmens dar. Unter Sponsoring wird sowohl im wirtschaftswissenschaftlichen als auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ein auf Gegenseitigkeit beruhendes synallagmatisches Rechtsgeschäft verstanden, bei dem der Sponsor gegenüber dem Gesponserten eine Sach-, Dienst- oder ähnlich geartete Leistung erbringt. Im Gegenzug verpflichtet sich der Gesponserte zu Leistungen, die dem Sponsor die Erreichung seiner kommunikativen Ziele ermöglichen oder ihn bei der Erreichung unterstützen.6 Als kommunikative Sponsoringmaßnahmen können Werbemaßnahmen im weiteren Sinne bezeichnet werden, mit denen der Sponsor sein Sponsoringengagement 6

Verschiedene Definitionsansätze, die mit unterschiedlicher Akzentuierung die genannten Merkmale enthalten, finden sich im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum beispielsweise bei Bruhn, Sponsoring – Unternehmen als Mäzene und Sponsoren, 1987, S. 16; Drees, Sportsponsoring, 2. Aufl. 1990, S. 16; Simkins, Sponsorship 1980/81, The Economist Intelligence Unit Special Report No. 86, 1980, S. 5. Für das rechtswissenschaftliche Schrifttum siehe Bruhn/Mehlinger (Fn. 2), S. 4; Mehlinger, SpuRt 1996, 54 (55); Schaub, Sponsoring und andere Verträge zur Förderung überindividueller Zwecke, 2008, S. 18; Weiand (Fn. 2), S. 95; ders., NJW 1994, 227 (230); ders. DStR 1996, 1897 (1897 f.).

32

Martin John

kommunikativ nutzbar macht.7 Häufig kombinieren die Unternehmen das Sponsoring mit anderen Kommunikationsinstrumenten, wie beispielsweise mit der klassischen Produktwerbung.8 Kommunikative Sponsoringmaßnahmen können den Umworbenen mit einem über den bloßen Grundnutzen des beworbenen Produkts oder Unternehmens hinausgehenden Zusatznutzen versorgen.9 Mit der werblichen Kommunikation des Sponsoringengagements verfolgt der Sponsor eine Reihe psychologischer Ziele, wozu vor allem die Herbeiführung eines Imagetransfers, die Steigerung des Bekanntheitsgrads des Sponsors, Kontaktpflege sowie die Motivation der eigenen Mitarbeiter zählen.10 Gerade über die gesellschaftlich anerkannten und für erstrebenswert empfundenen Imagedimensionen des Sports – wie beispielsweise „Spaß“, „Exklusivität“, „Dynamik“ und „Leistungsfähigkeit“11 – lassen sich derartige psychologische Ziele erreichen. Als übergeordnetes Ziel verfolgen die Sponsoren mittelbar über die psychologischen Ziele regelmäßig eine Steigerung ihres Produktabsatzes.12 Die Vorteile des Sponsorings bestehen vor allem darin, die Reaktanz der Adressaten durch deren Ansprache in einem emotionalen, attraktiven und nicht-kommerziellen Umfeld zu überwinden.13 Darüber hinaus führt der Einsatz des Multiplikatoreffekts der Massenmedien gerade bei Übertragungen von Sportveranstaltungen dazu, dass die werblichen Botschaften des Sponsors ein breites Publikum erreichen.14

2. Wirtschaftliche Bedeutung Diese kommunikativen Vorteile schlagen sich auch in der wirtschaftlichen Bedeutung des Sponsorings nieder. So nutzen 70,9 % aller deutschen Unternehmen das Kommunikationsinstrument Sponsoring, wobei 81,1 % dieser Unternehmen auf 7 Bruhn (Fn. 1), S. 59; Drees (Fn. 6), S. 142; Kloss (Fn. 1), S. 492. Weiand (Fn. 2), S. 38, spricht in diesem Zusammenhang von kommunikativen Nutzungsmöglichkeiten des Sponsorings. 8 Kloss (Fn. 1), S. 469; so speziell für die Sponsoringwerbung im Bereich des Sozialsponsorings Nauß, Die Social-Sponsoringwerbung von Unternehmen im System des neuen Lauterkeitsrechts: Liberalisierung und wettbewerbsrechtliche Grenzen, 2006, S. 41. 9 Hermanns/Marwitz, Sponsoring – Grundlagen, Wirkungen, Management, Markenführung, 3. Aufl. 2008, S. 251. 10 Zu den psychologischen Zielen siehe Bruhn (Fn. 1), S. 115 f.; Drees (Fn. 6), S. 110. 11 Engel, Sponsoring im Sport – Vertragsrechtliche Aspekte, 2009, S. 12; Fehrmann, Der Schutz exklusiver Sponsoringrechte bei Sportgroßveranstaltungen gegen Ambush Marketing, 2009, S. 21. 12 Bruhn (Fn. 1), S. 114; Jakobs, Sportsponsoring als innovatives Instrument in der Markenkommunikation, 2009, S. 48. 13 Drees (Fn. 6), S. 84; Marwitz, Kontrolle des Sponsorings – State of the Art und methodischer Evaluationsansatz, 2006, S. 31; Weiand, NJW 1994, 227 (229); ders. DStR 1996, 1897 (1899). 14 Drees (Fn. 6), S. 71; Kloss (Fn. 1), S. 483; Marwitz (Fn. 13), S. 31; Weiand, NJW 1994, 227 (230).

Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen

33

das Sportsponsoring zurückgreifen.15 Das vorhandene Sponsoringbudget wird dabei zu 44,5 % auf das Sportsponsoring verteilt.16 Das gesamte eingesetzte Sportsponsoringvolumen belief sich im Jahr 2011 auf 2,6 Milliarden Euro.17 Für das Jahr 2012 wird mit einem Sponsoringvolumen von 2,7 Milliarden Euro im Bereich des Sports in Deutschland gerechnet.18 Weltweit wird im Jahr 2012 mit einem Sponsoringvolumen im Sport von 39,17 Milliarden US-Dollar gerechnet.19 Diese Summen lassen darauf schließen, dass sich die sponsernden Unternehmen durchaus kommunikative Vorteile und Erfolge durch den Einsatz des Sponsorings versprechen.

IV. Allgemeine lauterkeitsrechtliche Erwägungen 1. Sachlicher Anwendungsbereich: Geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Nr. 1 UWG Damit das Lauterkeitsrecht überhaupt auf kommunikative Sponsoringmaßnahmen Anwendung finden kann, müsste es sich bei der werblichen Kommunikation des Sponsorings um eine geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Nr. 1 UWG handeln. Als geschäftliche Handlung ist gem. § 2 I Nr. 1 UWG jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss anzusehen, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Unzweifelhaft stellen kommunikative Sponsoringmaßnahmen jeglicher Art ein Verhalten einer Person dar: entweder ein Verhalten des Sponsors oder ein Verhalten des Gesponserten, zu dem er vertraglich verpflichtet ist, um seine kommunikativen Gegenleistungen aus dem Sponsoringvertrag zu erfüllen. Sofern der Sponsor selbst kommunikative Sponsoringmaßnahmen durchführt, handelt er zugunsten des eigenen Unternehmens, sofern der Gesponserte aufgrund vertraglicher Verpflichtungen kommunikative Sponsoringmaßnahmen erbringt, beispielsweise indem er als Testimonial in der Sponsoringwerbung des Sponsors mitwirkt oder indem er dem Sponsor Werbeflächen zur Verfügung stellt,20 handelt der Gesponserte insoweit zugunsten eines fremden Unternehmens. Insbesondere müsste es sich bei den kommunikativen Maßnahmen aber um solche handeln, die mit der Förderung des Absatzes von Produkten objektiv zusammenhän15 BBDO Live GmbH, Corporate Social Responsibility und Sponsoring im Fokus – Sponsoring Trends 2010, S. 10, 14. 16 BBDO Live GmbH (Fn. 15) S. 11, 13. 17 O.V., SPONSORs 08/2010, 32. 18 O.V., SPONSORs 08/2010, 32. 19 Stelmaszyk, SPONSORS 01/2012, 33 (36). 20 So am Beispiel der Bandenwerbung OLG Hamburg, Urt. v. 8. 4. 2009, 5 U 169/07, Rn. 38 – Bandenwerbung (zitiert nach juris).

34

Martin John

gen. Bereits an dieser Stelle tut sich ein erster Konflikt mit der UGP-Richtlinie auf, die in der Parallelnorm Art. 2 lit. d) von einem „unmittelbaren Zusammenhang“ spricht. Würde man das Merkmal des „unmittelbaren Zusammenhangs“ dahingehend verstehen, dass ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen der Handlung und der Absatzförderung oder gar der Verbraucherentscheidung bestehen muss,21 hätte dies für das Sponsoring weitreichende Folgen. Zahlreiche kommunikative Sponsoringmaßnahmen würden bei diesem engen Verständnis keine geschäftliche Handlung darstellen, da sie nicht unmittelbar zum Kauf von Produkten animieren, sondern regelmäßig nur mittelbar über die Wirkungspfade Bekanntheitssteigerung und Imagetransfer. Da die UGP-Richtlinie in Art. 6 I lit. c) aber Aussagen im Zusammenhang mit Sponsoring als mögliche Bezugspunkte einer Irreführung ansieht, widerspricht eine solch enge Auslegung dem Telos der Richtlinie. Das Erfordernis des objektiven bzw. unmittelbaren Zusammenhangs ist daher nicht im Sinne eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen der Handlung und der Absatzförderung oder gar der Verbraucherentscheidung zu verstehen. Das Merkmal ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass das Verhalten in einem weiten Verständnis objektiv zum Ziel haben muss, den Absatz zu fördern.22 Damit stellen aber sämtliche kommunikativen Sponsoringmaßnahmen geschäftliche Handlungen i. S. d. § 2 I Nr. 1 UWG dar.23 2. Lauterkeitsrechtliches Konfliktpotential Wie gesehen, sind kommunikative Sponsoringmaßnahmen darauf gerichtet, mittels psychologischer Wirkungen, wie beispielsweise der Herbeiführung eines Imagetransfers, die geschäftliche Entscheidung der umworbenen Rezipienten zu beeinflussen. Aus lauterkeitsrechtlicher Sicht erlangen daher die Vorschriften des UWG, die den Schutz der Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer bezwecken, besondere Bedeutung. So wurden in Schrifttum und Rechtsprechung kommunikative Sponsoringmaßnahmen vor allem am Maßstab des § 4 Nr. 1 UWG gemessen.24 Lauterkeits21

So aber Vural, die Imagewerbung nur dann als geschäftliche Handlung ansieht, wenn sie unmittelbar an den Warenabsatz gekoppelt wird, vgl. Vural, Unlautere Werbung gegenüber Kindern und Jugendlichen, 2009, S. 182. Andere Autoren deuteten nach Bekanntmachung des Richtlinienentwurfs den Begriff der Geschäftspraktik ebenfalls in dieser Weise, übten gleichwohl Kritik an dieser Regelung, vgl. Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 183 (189); Köhler/Lettl, WRP 2003, 1019 (1034 f.). 22 Köhler, WRP 2007, 1393 (1394). 23 Fezer, Lauterkeitsrecht – Kommentar zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2. Aufl. 2010, § 2 Nr. 1 Rn. 142; Harte/Henning/Keller (Fn. 2), § 2 Rn. 64; Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 2 Rn. 50; Piper/Ohly/Sosnitza (Fn. 2), § 2 Rn. 40; Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311 (1326); John (Fn. 2), S. 77 ff.; Schaub, GRUR 2008, 955 (958); dies. (Fn. 6), S. 321; Spindler, Sportsponsoring unter staatlicher Verantwortung, 2011, S. 44; a. A. HenningBodewig, GRUR Int. 2005, 629 (630); Vural (Fn. 21), S. 182. 24 Vgl. nur Harte/Henning/Weidert (Fn. 2), § 5 f. Rn. 4; Schaub (Fn. 6), S. 321 f.; dies., GRUR 2008, 955 (956); Spindler (Fn. 23), S. 45 f.; ausführlich dazu für den Bereich des Sozialsponsorings unter Geltung des UWG-2004 Nauß (Fn. 8), S. 147 ff.

Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen

35

rechtliches Konfliktpotential stellt auch die Eigenschaft kommunikativer Sponsoringmaßnahmen dar, die Rezipienten in einem nicht-kommerziellen Umfeld anzusprechen. Insoweit kommt eine Verschleierung des Werbecharakters der geschäftlichen Handlung gem. § 4 Nr. 3 UWG in Betracht. Da gesponserte Sportveranstaltungen regelmäßig im Fernsehen übertragen werden, erlangen die speziellen medienrechtlichen Vorschriften im Hinblick auf die Verschleierung des Werbecharakters ebenfalls Bedeutung. Des Weiteren wird kommunikativen Sponsoringmaßnahmen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum entgegengehalten, dass sie die Umworbenen durch unwahre oder unvollständige Angaben zum Sponsoring in die Irre führen könnten.25 Den Schutz der Entscheidungsgrundlage der Marktteilnehmer bezwecken die §§ 5, 5a UWG, wobei § 5 I 2 Nr. 4 UWG erstmals expressis verbis eine Irreführung im Zusammenhang mit Sponsoring erwähnt. Des Weiteren erlangen auch spezielle außerwettbewerbliche Werbeverbote und -einschränkungen Bedeutung, die über den Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG in das Lauterkeitsrecht hineinwirken können. Schließlich stellt sich noch die Frage, ob Verstöße gegen außergesetzliche private Verhaltenskodizes (beispielsweise Werberegelungen von Sportverbänden) lauterkeitsrechtlich sanktioniert werden können. 3. Maßgeblicher Bewertungshorizont Vor der Betrachtung einzelner lauterkeitsrechtlicher Tatbestände ist zu klären, welcher Bewertungsmaßstab der Beurteilung zugrunde zu legen ist. Sofern Verbraucher umworben werden, geht es um die Frage, welches Verbraucherleitbild gelten soll; sofern es sich bei den umworbenen Adressaten um sonstige Marktteilnehmer handelt, ist entsprechend nach dem Marktteilnehmerleitbild zu fragen. Das lauterkeitsrechtliche Verbraucherleitbild wurde im Laufe der Jahre einem entscheidenden Wandel unterzogen. In Abkehr vom Leitbild eines flüchtigen und unkritischen Verbrauchers26 wird nunmehr auf das deutlich liberalere Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers rekurriert27. Seit der UWG-Novelle von 2008 ist dieses Leitbild vom Durchschnittsver25 Vgl. jurisPK-UWG/Seichter (Fn. 3), § 4 Nr. 1 Rn. 163; MüKo-UWG/Heermann, Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2006, § 4 Nr. 1 Rn. 534 ff.; Ernst, WRP 2010, 1304 (1311); Nauß (Fn. 8), S. 183; Schaub, GRUR 2008, 955 (957); Spindler (Fn. 23), S. 49. 26 Vgl. nur BGH GRUR 1959, 365 (366) – Englisch Lavendel; GRUR 1960, 567 (569 f.) – Kunstglas; GRUR 1982, 564 (566) – Elsässer Nudeln; GRUR 1984, 741 (742) – PATENTED; GRUR 1990, 604 (605) – Dr. S.-Arzneimittel; GRUR 1992, 450 (452 f.) – Beitragsrechnung; GRUR 1995, 60 (61) – Napoleon IV. 27 Vgl. nur BGH GRUR 2000, 619 (621) – Orient-Teppichmuster; GRUR 2001, 1061 (1063) – Mitwohnzentrale.de; GRUR 2002, 81 (83) – Anwalts- und Steuerkanzlei; GRUR 2002, 182 (183) – Das Beste jeden Morgen; GRUR 2002, 550 (552) – Elternbriefe; GRUR 2002, 976 (978) – Kopplungsangebot I; GRUR 2002, 979 (981) – Kopplungsangebot II. Der Wandel der Rechtsprechung wurde maßgeblich durch die Rechtsprechung des EuGH herbeigeführt, vgl. nur EuGH Slg. 1990, I-667, 683 (Rn. 12) – GB-Inno; Slg. 1995, I-1923, 1936

36

Martin John

braucher in § 3 II 2 UWG verankert, in dem normiert wird, dass auf den durchschnittlichen Verbraucher abzustellen ist. Bei der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung geschäftlicher Handlungen kommt es daher auf die Perspektive des Durchschnittsverbrauchers an. Im Hinblick auf das Merkmal der Durchschnittlichkeit ist stets auf das durchschnittliche Mitglied der Verkehrskreise abzustellen, die durch eine konkrete geschäftliche Handlung angesprochen werden.28 Als Zielgruppe kommunikativer Sponsoringmaßnahmen kommen grundsätzlich sämtliche Verbraucherkreise in Betracht, wenngleich im Einzelfall auch besonders schützenswerte Verbrauchergruppen als primäre Zielgruppe in den Fokus rücken können, was wiederum Auswirkungen auf das maßgebliche Verbraucherleitbild hätte. Sofern sich eine kommunikative Sponsoringmaßnahme an sonstige Marktteilnehmer als Adressaten wendet, ist in Anlehnung an das Leitbild vom Durchschnittsverbraucher auf die Perspektive eines angemessen gut unterrichteten und angemessen aufmerksamen und kritischen, mithin durchschnittlichen sonstigen Marktteilnehmers zu rekurrieren.29

V. Lauterkeitsrechtliche Grenzen 1. Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit, § 4 Nr. 1, 2 UWG a) § 4 Nr. 1 UWG Durch visuelle, akustische oder wörtliche Bezugnahme zu den Sponsoringobjekten aktivieren die Sponsoren mit ihren werblichen Botschaften Emotionen der Umworbenen, um diese mittelbar zum Kauf ihrer Produkte zu bewegen. Das Lauterkeitsrecht trat derartigen emotionalisierenden Werbemaßnahmen mit der Fallgruppe gefühlsbetonter Werbung30 entgegen, die nach der UWG-Reform 2004 als Fallgruppe des sonstigen unangemessenen unsachlichen Einflusses gem. § 4 Nr. 1 UWG angesehen wird31. Nach § 4 Nr. 1 UWG handelt insbesondere unlauter, wer geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Ausfluss des Leitbilds vom Leistungswettbewerb war nach herrschender Auffassung der Sachlichkeitsgrundsatz, wonach die Ansprache von Emotionen als lauter(Rn. 24) – Mars; Slg. 1999, I-4657, 4681 (Rn. 31, 37) – Gut Springenheide; Slg. 2000, I-117, 135 (Rn. 27 f.) – Estée Lauder. 28 Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 1 Rn. 32. 29 Ebenso Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 1 Rn. 30; Piper/Ohly/Sosnitza (Fn. 2), § 1 Rn. 29. 30 Der Begriff der „gefühlsbetonten Werbung“ trat erstmals in einer Entscheidung des LG München I auf, vgl. LG München I GRUR 1954, 212 (212). 31 BGH GRUR 2006, 75 (Rn. 17 ff.) – Artenschutz; Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 4 Rn. 1.224; MüKo-UWG/Heermann (Fn. 25), § 4 Nr. 1 Rn. 11, 512.

Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen

37

keitsrechtlich unzulässig angesehen wurde, wenn zwischen den angesprochenen Emotionen und den beworbenen Waren oder Dienstleistungen kein sachlicher Zusammenhang bestand.32 Wegen Verstoßes gegen das Sachlichkeitsprinzip wurden lange Zeit Werbemaßnahmen aus dem Bereich des Umwelt- und Sozialsponsorings untersagt.33 Inkonsequenterweise wurden jedoch – soweit ersichtlich – werbliche Botschaften aus dem Sportsponsoring nicht wegen Verstoßes gegen das Sachlichkeitsprinzip als unlauter gebrandmarkt, obwohl auch im Bereich des Sports die beworbenen Produkte häufig in keinem Zusammenhang mit den angesprochenen Emotionen stehen.34 In den Entscheidungen Artenschutz und Regenwaldprojekt I und II gab der BGH unter dem Druck des BVerfG35 schließlich seine Rechtsprechung zur „gefühlsbetonten Werbung“ auf und stellte nicht länger auf einen sachlichen Zusammenhang zwischen angesprochenen Gefühlen und den beworbenen Produkten ab.36 Es sei vielmehr der Entscheidungsfreiheit des modernen Verbrauchers überlassen, aufgrund welcher Motive er seine Entscheidungen träfe und ob er die Förderung sozialer, kultureller, sportlicher oder ökologischer Belange in seine Kaufentscheidung einfließen lasse.37 Die Schwelle zur Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit sei nunmehr erst dann überschritten, wenn die gefühlsbetonte Werbemaßnahme die Rationalität der Nachfrageentscheidung der Verbraucher ausschalte.38 In Rechtsprechung und Schrifttum wird allerdings bislang zumeist außer Acht gelassen, dass die Tatbestände des UWG am Maßstab der UGP-Richtlinie auszulegen sind. Für § 4 Nr. 1 UWG sind die aggressiven Geschäftspraktiken nach Art. 8, 9 UGP-Richtlinie maßgeblich.39 Den Art. 8, 9 UGP-Richtlinie ist das Merkmal des Ausschaltens der Rationalität der Nachfrageentscheidung jedoch fremd. Es kommt allein darauf an, ob kommunikative Sponsoringmaßnahmen eine „Nötigung“, „Belästigung“ oder „unzulässige Beeinflussung“ i. S. d. Art. 8 UGP-Richtlinie darstellen, durch die die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher beeinträchtigt wird.

32

Vgl. nur BGH GRUR 1965, 485 (488) – Versehrten-Betrieb; GRUR 1976, 308 (309) – Unicef-Grußkarten; GRUR 1987, 534 (535) – McHappy-Tag; GRUR 1991, 545 (545) – Tageseinnahme für Mitarbeiter; WRP 1995, 487 (488) – Arbeitsplätze bei uns. 33 Siehe dazu die Beispiele in Fn. 32. 34 Siehe dazu m. w. Nw. John (Fn. 2), S. 89 ff. 35 Siehe nur BVerfG GRUR 2001, 170 (174) – Benetton I; GRUR 2001, 1058 (1059) – Therapeutische Äquivalenz; GRUR 2002, 455 (456 f.) – Tier- und Artenschutz. 36 BGH GRUR 2006, 75 (Rn. 19) – Artenschutz; GRUR 2007, 247 (Rn. 21) – Regenwaldprojekt I; GRUR 2007, 251 (Rn. 18) – Regenwaldprojekt II. 37 BGH GRUR 2007, 247 (Rn. 21) – Regenwaldprojekt I; GRUR 2007, 251 (Rn. 18) – Regenwaldprojekt II. 38 BGH GRUR 2007, 247 (Rn. 21) – Regenwaldprojekt I; GRUR 2007, 251 (Rn. 18) – Regenwaldprojekt II. 39 BGH GRUR 2010, 455 (Rn. 17) – Stumme Verkäufer II; GRUR 2010, 1022 (Rn. 16) – Ohne 19 % Mehrwertsteuer; GRUR 2011, 747 (Rn. 26) – Kreditkartenübersendung; Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 4 Rn. 1.7; Steinbeck, WRP 2008, 865 (866 f.).

38

Martin John

Unabhängig vom Vorliegen einer „Nötigung“, „Belästigung“ oder „unzulässigen Beeinflussung“ – deren Voraussetzungen bei kommunikativen Sponsoringmaßnahmen regelmäßig nicht erfüllt sein dürften40 – kommt es nach Art. 8 UGP-Richtlinie allein darauf an, dass die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt wird. Da der Durchschnittsverbraucher gefühlsansprechende Werbemaßnahmen im Umfeld und mit Bezug zu Sportveranstaltungen gewöhnt ist, wird seine Entscheidungsfreiheit durch kommunikative Sponsoringmaßnahmen jedoch nicht beeinträchtigt.41 Zwar mag eine aufgrund emotionaler Werbung getroffene Entscheidung irrational erscheinen – so beispielsweise wenn ein hartgesottener Fan einer bestimmten Mannschaft alle Produkte des Sponsors seiner Lieblingsmannschaft erwirbt oder aber Produkte nur deshalb erwirbt, weil sie von seinem Lieblingssportler beworben werden. Schutzgegenstand des richtlinienkonform ausgelegten § 4 Nr. 1 UWG ist allerdings gerade nur die Freiheit der Entscheidung, die in derartigen Fällen aber regelmäßig nicht betroffen sein wird. b) § 4 Nr. 2 UWG Lauterkeitsrechtlich problematisch sind Werbemaßnahmen unter Einbindung des gesponserten Sportlers aber dann, wenn sie sich gezielt an Minderjährige wenden. Ganz allgemein gehören Werbemaßnahmen mit Prominenten gegenüber Minderjährigen zu den wirkungsvollsten Werbeformen. Den umworbenen Minderjährigen soll letztlich ermöglicht werden, durch den Konsum der vom prominenten Sportler beworbenen Produkte ihrem Idol, gleichsam ihrem Ich-Ideal, näher zu kommen.42 Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird diesbezüglich von Werbung mit Idolen oder Starwerbung gesprochen.43 Diese Fallgruppe lässt sich wiederum unterteilen in einfache Imagewerbung ohne Produktbezug und in Imagewerbung mit Bezug zu bestimmten Produkten. Als Beispiel für eine reine Imagewerbung ohne Produktbezug gegenüber Minderjährigen sind die Fußballeskorten von McDonald’s und Coca Cola im Zusammenhang mit Fußballwelt- oder -europameisterschaften zu nennen.44 Eine produktbezogene Imagewerbung unter Einsatz eines Idols würde hingegen vorliegen, wenn in der Werbemaßnahme ein bekannter Sportler das Produkt selbst bewirbt, wodurch dann wiederum ein Imagetransfer stattfinden kann. Sofern derartige Werbemaßnahmen gezielt an Minderjährige gerichtet werden, stellt sich die Frage, ob der Sponsor die geschäftliche Unerfahrenheit der Minderjährigen i. S. d. § 4 Nr. 2 UWG für seine geschäftlichen Zwecke ausnutzt. Wann 40

Siehe dazu John (Fn. 2), S. 95 ff. Siehe dazu m. w. Nw. John (Fn. 2), S. 99 ff. 42 Benz, WRP 2003, 1160 (1170); Henning-Bodewig, BB 1983, 605 (606). 43 Fezer/Scherer (Fn. 23), § 4 – 2 Rn. 194; Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 4 Rn. 1.61; die Werbung mit Idolen wird im Schrifttum als Unterfall des Autoritätsmissbrauchs im Zusammenhang mit § 4 Nr. 2 UWG diskutiert, vgl. MüKo-UWG/Heermann (Fn. 25), § 4 Nr. 2 Rn. 48 ff.; Benz, WRP 2003, 1160 (1167 ff.). 44 Siehe dazu John (Fn. 2), S. 111. 41

Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen

39

ein solches „Ausnutzen“ der geschäftlichen Unerfahrenheit Minderjähriger vorliegt, ist im Hinblick auf Werbemaßnahmen unter Einsatz Prominenter umstritten und erfährt im Schrifttum keine klaren Konturen.45 Nach Umsetzung der UGPRichtlinie sind für die Auslegung des § 4 Nr. 2 UWG ebenfalls die Art. 8, 9 UGP-Richtlinie maßgeblich.46 Eine Analyse der UGP-Richtlinie zeigt, dass der Richtlinie das Merkmal des „Ausnutzens“ zwar nicht fremd ist, es wird jedoch an weitere Voraussetzungen geknüpft: Nach Art. 8 UGP-Richtlinie liegt eine unzulässige Beeinflussung vor, wenn der Werbende eine Machtposition zur Ausübung von Druck ausnutzt. Im Interesse richtlinienkonformer Auslegung ist § 4 Nr. 2 UWG daher im Hinblick auf das Ausnutzen der geschäftlichen Unerfahrenheit derart zu interpretieren, dass gegenüber den Minderjährigen eine Machtposition zur Ausübung von Druck ausgenutzt werden muss.47 Auf das bloße Ausnutzen geschäftlicher Unerfahrenheit durch kommunikative Sponsoringmaßnahmen kann es also nicht länger ankommen. Wann kommunikative Sponsoringmaßnahmen gegenüber Minderjährigen eine Machtposition zur Ausübung von Druck ausnutzen, ist wiederum interpretationsbedürftig. Es bietet sich an, zur Bestimmung des Vorliegens einer Machtposition an den konkreten Produktbezug der kommunikativen Sponsoringmaßnahme anzuknüpfen.48 Sofern Produkte beworben werden, die den Minderjährigen eher fremd sind, ist eine intellektuelle Überlegenheit des werbenden Unternehmens anzunehmen. Daneben kommt eine autoritäre Machtposition durch den Einsatz des bei Minderjährigen beliebten Sportlers in Betracht.49 Diese Machtposition nutzt das werbende Unternehmen dann zur Ausübung von autoritärem Druck aus, wenn den Minderjährigen suggeriert wird, sie müssten bestimmte Produkte erwerben, um ihrem Idol nacheifern zu können, um genauso sportlich erfolgreich oder beliebt zu sein. Damit ist zugleich klar, dass kommunikative Sponsoringmaßnahmen ohne Produktbezug nicht das Stigma der Unlauterkeit nach § 4 Nr. 2 UWG tragen können. Denn insoweit gibt die allgemeine Imagewerbung keine Anknüpfungspunkte für das Vorliegen einer Machtposition oder die Ausübung von Druck. Derartige Werbemaßnahmen ohne Produktbezug sind also grundsätzlich als lauterkeitsrechtlich unbedenklich einzustufen.

45

Siehe m. w. Nw. John (Fn. 2), S. 126 ff. Ebenso Heermann, GRUR 2011, 781 (784). 47 John (Fn. 2), S. 129. 48 John (Fn. 2), S. 129 f. 49 John (Fn. 2), S. 130 f.

46

40

Martin John

2. Irreführung, §§ 5, 5a UWG a) Irreführung gem. § 5 I 2 Nr. 4 UWG Bei der lauterkeitsrechtlichen Bewertung kommunikativer Sponsoringmaßnahmen fokussieren sich Rechtsprechung und Schrifttum vor allem auf den Bereich der Irreführung.50 Die explizite Erwähnung des Sponsorings in den Irreführungstatbeständen der UGP-Richtlinie legt eine umfassende Betrachtung dieser Thematik nahe. Nach Art. 6 I lit. c) UGP-Richtlinie, der in § 5 I 2 Nr. 4 UWG umgesetzt wurde, ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält über Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen. Allerdings wird nicht jedwede Irreführung untersagt, sondern nur eine solche, die den Umworbenen in geschäftlich relevanter Weise in die Irre führt.51 Produkte des täglichen Bedarfs sind physisch oder technisch häufig nicht von Konkurrenzprodukten zu unterscheiden. Insoweit kann ein kommunizierter Zusatznutzen in Gestalt der werblichen Kommunikation eines Sponsoringengagements durchaus geeignet sein, die geschäftliche Entscheidung zugunsten des Sponsors ausfallen zu lassen, mithin in geschäftlich relevanter Weise auf den Umworbenen einzuwirken.52 aa) Besondere tatbestandliche Voraussetzungen Schwierigkeiten bereitet allerdings der Umgang mit dem neu geschaffenen Tatbestand § 5 I 2 Nr. 4 UWG. Insbesondere fehlt sowohl in der UGP-Richtlinie als auch im UWG eine Erläuterung des Begriffpaares „direktes oder indirektes Sponsoring“. Da der Begriff „Sponsoring“ lauterkeitsrechtlich nicht definiert wird, stellt sich die Frage, ob auch andere Formen der Unterstützung als das Sponsoring im klassischen Verständnis erfasst werden sollen.53 Im Schrifttum finden sich zahlreiche Ansätze zur Klärung des Begriffs „Sponsoring“ anhand verschiedener außerwettbewerbsrechtlicher Vorschriften.54 Daneben schlagen einige Autoren eigene Definitio50

Siehe nur OLG Köln WRP 1993, 346 ff. – Werbung mit Hinweis auf Umweltengagement; NJWE-WettbR 2000, 1 ff. – Werbeaussagen im Rahmen des Sportsponsoring; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 216 ff. – Kindernothilfe; jurisPK-UWG/Seichter (Fn. 3), § 4 Nr. 1 Rn. 163; MüKo-UWG/Heermann (Fn. 25), § 4 Nr. 1 Rn. 534 ff.; Ernst, WRP 2010, 1304 (1311); Nauß (Fn. 8), S. 183; Schaub, GRUR 2008, 955 (957). 51 BGH GRUR 2009, 788 (Rn. 23) – 20 % auf alles; GRUR 2012, 208 (Rn. 31) – 10 % Geburtstags-Rabatt; Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 5 Rn. 2.20, 2.169; Piper/Ohly/Sosnitza (Fn. 2), § 5 Rn. 219; Harte/Henning/Dreyer (Fn. 2), § 5 B Rn. 153; 109 (112); a. A. Götting/ Nordemann/Nordemann, UWG Handkommentar, 2010, § 5 Rn. 0.125. 52 John (Fn. 2), S. 149 f. 53 Diese Frage aufwerfend, aber offenlassend Schaub, GRUR 2008, 955 (960). 54 So rekurrieren Link und Fezer auf die Definition des Sponsorings im Rundfunkstaatsvertrag (RStV), vgl. jurisPK-UWG/Link (Fn. 3), § 5 Rn. 593; ebenso Fezer/Peifer (Fn. 23), § 5 Rn. 407. Andere Autoren verweisen auf die entsprechende Definition der Fernsehrichtlinie, vgl. Fezer/Peifer (Fn. 23), § 5 Rn. 407; Götting/Nordemann/Nordemann (Fn. 51), § 5 Rn. 4.4;

Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen

41

nen des „Sponsorings“ vor.55 Andere wiederum sehen entweder mittels eigener Definition56 oder ohne ausdrückliche Definition57 den Begriff „Sponsoring“ als allgemein anerkannt an und nehmen nicht auf andere Normen Bezug. Bei der Auslegung des Begriffs „Sponsoring“ im Rahmen des § 5 I 2 Nr. 4 UWG ist zu beachten, dass es sich um einen europarechtlich determinierten Begriff handelt, da § 5 I 2 Nr. 4 UWG fast wortlautgetreu Art. 6 I lit. c) UGP-Richtlinie umsetzt. Ein wichtiges Instrument zur Auslegung europarechtlich determinierter Begriffe stellen die verschiedenen Sprachfassungen der jeweiligen Richtlinie dar. Im Zusammenhang mit Art. 6 I lit. c) UGP-Richtlinie bringt ein derartiger Rückgriff auf andere Sprachfassungen jedoch keine Interpretationshilfen mit sich, da auch in anderen Sprachfassungen entweder der Wortstamm „Sponsor-“ unter Anpassung an die jeweilige Landessprache verwendet wird,58 oder aber ein der Landessprache entstammender entsprechender Begriff59. Die UGP-Richtlinie kann mit ihren verschiedenen Sprachfassungen mithin nicht zur Klärung des Begriffs „Sponsoring“ beitragen. Gleichwohl bedarf es aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs des § 5 I 2 Nr. 4 UWG zur Klärung der Bedeutung des Begriffs „Sponsoring“ einer europarechtskonformen Auslegung. Anhand einer Gesamtschau der vorhandenen gemeinschaftsrechtlichen Definitionen der Tabakrichtlinie sowie der Fernsehrichtlinie muss eine allgemeingültige Definition des „Sponsorings“ abgeleitet werden, die Gloy/Loschelder/Erdmann/Helm, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl. 2005, § 59 Rn. 475. Schließlich wird auch ein Rückgriff auf die Sponsoringdefinition der Tabakrichtlinie vorgeschlagen, vgl. Götting/Nordemann/Nordemann (Fn. 51), § 5 Rn. 4.4; Harte/Henning/ Weidert (Fn. 2), § 5 f. Rn. 3. Bezug auf die Sponsoringdefinition der Verhaltensrichtlinien der International Chamber of Commerce (ICC) nehmen Peifer und Weidert, vgl. Fezer/Peifer (Fn. 23), § 5 Rn. 407; Harte/Henning/Weidert (Fn. 2), § 5 f. Rn. 3. 55 So definiert Helm das „Sponsoring“ im Rahmen des § 5 I 2 Nr. 4 UWG als eine Art Imagewerbung, die zu Gunsten des Unternehmens oder seiner Produkte erfolgen könne, vgl. Gloy/Loschelder/Erdmann/Helm (Fn. 54), § 59 Rn. 475. Problematisch an dieser Definition ist jedoch, dass das Sponsoring per se zunächst nur ein Rechtsgeschäft ist, das in der Folge zur Erbringung kommunikativer Leistungen führen kann. Sicherlich stellen verschiedene kommunikative Sponsoringmaßnahmen eine Art Imagewerbung dar, der Begriff des „Sponsorings“ im Rahmen des § 5 I 2 Nr. 4 UWG geht jedoch weiter und ist nicht nur auf Imagewerbung beschränkt. 56 So beispielsweise Piper/Ohly/Sosnitza (Fn. 2), § 5 Rn. 690; Berlit, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl. 2009, S. 187. 57 So Boesche, Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2009, Rn. 267; Matutis, UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – Praxiskommentar, 2. Aufl. 2009, § 5 Rn. 71. 58 Siehe die englischsprachige Version: „… in relation to direct or indirect sponsorship …“; die niederländische Version: „… in verband met directe of indirecte sponsoring …“; die italienische Version: „… relativi alla sponsorizzazione …“; sowie die polnische Version: „… dotyczace bezposredniego lub posredniego sponsorowania …“ (Hervorhebungen durch Verfasser). 59 Siehe die französische Version: „… le produit bénéficie d’un parrainage …“; sowie die spanische Version: „… o el producto son objeto de un patrocinio …“ (Hervorhebungen durch Verfasser).

42

Martin John

nicht nur auf den Bereich der Werbung für Tabakprodukte oder des Sendungssponsorings beschränkt ist. Dies ergibt eine Definition des Sponsorings derart, dass unter „Sponsoring“ i. S. d. § 5 I 2 Nr. 4 UWG jede Art von Beitrag eines privaten oder öffentlichen Unternehmens zur Förderung eines bestimmten Zwecks mit dem Ziel der Eigenwerbung und Förderung des eigenen Produktabsatzes zu verstehen ist.60 Unerheblich ist dabei, ob es sich um die Förderung kultureller, sozialer, religiöser, sportlicher oder sonstiger gesellschaftlicher Belange handelt.61 Des Weiteren wird nicht deutlich, was mit der Unterscheidung in „direktes“ und „indirektes“ Sponsoring gemeint sein soll. Aus den Materialien zur UGP-Richtlinie lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, was mit der begrifflichen Unterscheidung gemeint sein könnte. Als Auslegungshilfe stehen allenfalls die unterschiedlichen Sprachfassungen der UGP-Richtlinie zur Verfügung. In anderen Sprachfassungen der UGP-Richtlinie bezieht sich dieses Gegensatzpaar allerdings gar nicht auf das Sponsoring, sondern auf die ebenfalls im Kontext mit Art. 6 I lit. c) UGP-Richtlinie geregelte Zulassung eines Unternehmers.62 Wie bereits von Schaub vorgeschlagen, sollte die Unterscheidung in direktes und indirektes Sponsoring daher keine Rolle spielen.63 Im Ergebnis bringt die Einführung des § 5 I 2 Nr. 4 UWG letztlich keine bedeutsamen Änderungen für die lauterkeitsrechtliche Bewertung kommunikativer Sponsoringmaßnahmen im Vergleich zur Rechtslage unter dem UWG-2004 mit sich. bb) Irreführungspotential im Einzelnen Es stellt sich nunmehr die Frage, inwieweit die Kommunikation eines Sponsoringengagements im Sport die Voraussetzungen einer Irreführung erfüllen kann. Von einer Irreführung ist regelmäßig dann auszugehen, wenn die Sponsoren explizit unwahre Aussagen über den Zeitpunkt, das Sponsoringobjekt oder Umfang und Inhalt des Sponsoringengagements treffen. So ist beispielsweise die Aussage eines Unternehmens, Sponsor der deutschen Fußballnationalmannschaft zu sein, geeignet in die Irre zu führen, wenn das werbende Unternehmen tatsächlich nur ganz allgemein den Deutschen Fußball-Bund unterstützt.64 Die geschäftliche Relevanz einer derartigen Irreführung besteht darin, dass Sportmannschaften Träger ganz anderer Imagedimensionen als Sportverbände sein können.65 Auch unwahre Angaben über Inhalt 60 Ähnlich, stellvertretend für viele Piper/Ohly/Sosnitza (Fn. 2), § 5 Rn. 690. Damit deckt sich diese Definition inhaltlich mit der dieser Arbeit zugrunde gelegten Definition des Sponsorings. 61 Ebenso Harte/Henning/Weidert (Fn. 2), § 5 f. Rn. 7; Piper/Ohly/Sosnitza (Fn. 2), § 5 Rn. 690; Berlit (Fn. 56), S. 187. 62 Siehe m. w. Nw. John (Fn. 2), S. 153 ff. 63 Schaub, GRUR 2008, 955 (960). 64 OLG Hamburg WRP 1985, 649 ff. – Werbung für Sportartikel mit „vom DFB empfohlen“; ausführlich dazu John (Fn. 2), S. 167 ff. 65 John (Fn. 2), S. 168 f.

Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen

43

und Umfang des Sponsoringengagements sind geeignet, den Umworbenen in geschäftlich relevanter Weise in die Irre zu führen.66 Die Aussage „Wir sind Ausstatter des deutschen Karateverbandes“ impliziert, dass eine längerfristige Sponsoringbeziehung besteht und das werbende Unternehmen nicht bloß einmaliger Lieferant für ein Wettkampfereignis war.67 Trifft der werbende Sponsor hingegen nicht ausdrücklich unwahre Angaben in Bezug auf sein Sponsoringengagement, so wird in den meisten Fällen eine Irreführung abzulehnen sein. Der Durchschnittsverbraucher verfügt nämlich gerade im Bereich des Sports über einiges Wissen im Hinblick auf Sponsoringengagements.68 Außerdem dürfte sich der durchschnittliche Besucher einer Sportveranstaltung über die exakte Ausgestaltung beispielsweise des hinter einer Bandenwerbung stehenden Sponsoringengagements regelmäßig keinerlei Gedanken machen.69 Des Weiteren besteht aufgrund der sprachlichen und inhaltlichen Kürze kommunikativer Sponsoringmaßnahmen im Umfeld von Sportveranstaltungen ohnehin kaum Raum für relevante Fehlvorstellungen der Umworbenen.70 Die Umworbenen werden hingegen regelmäßig nur erwarten, dass tatsächlich eine nennenswerte Sponsoringleistung erbracht wird. Über den genauen Umfang werden sie sich jedoch kaum Gedanken machen, so dass eine Irreführung diesbezüglich eher ausscheidet. Irreführungspotential birgt aber auch der werbliche Einsatz des gesponserten Sportlers. Insoweit werden im Schrifttum Bedenken angemeldet, es bestehe die Gefahr, dass der Umworbene über einen vermeintlichen Expertenrat des Gesponserten, die tatsächliche Benutzung der beworbenen Produkte durch den Gesponserten oder die Tatsache, dass der Gesponserte für die Werbung bezahlt wird, in die Irre geführt werden könne.71 Mit Verweis auf den angemessen unterrichteten und informierten Durchschnittsverbraucher lassen sich eine Irreführung über die Bezahlung des gesponserten Sportlers sowie über eine tatsächliche Benutzung der beworbenen Produkte durch den Gesponserten regelmäßig ablehnen.72 Der Durchschnittsverbraucher kennt nämlich die Mechanismen der Werbepraxis, so dass ihm bewusst ist, dass die Werbeaussagen des Gesponserten im Rahmen von dessen eigener Vermarktungsaktivität erfolgen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der gesponserte Sportler für Produkte aus seinem sportlichen Tätigkeitsbereich wirbt. Insoweit spricht ihm der Durchschnittsverbraucher nämlich eine Expertenstellung zu und darf daher durchaus 66

Umfassend dazu John (Fn. 2), S. 169 ff. OLG Hamburg NJWE-WettbR 2000, 1 (2) – Werbeaussagen im Rahmen des Sportsponsoring. 68 John (Fn. 2), S. 167 ff. 69 John (Fn. 2), S. 171. 70 Ebenso für das Sozial- und Umweltsponsoring Ernst, WRP 2010, 1304 (1311). 71 Umfassend dazu m. w. Nw. John (Fn. 2), S. 176 ff. 72 Harte/Henning/Weidert (Fn. 2), § 5 E Rn. 191; Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 5 Rn. 2.164; MüKo-UWG/Heermann (Fn. 25), § 4 Nr. 2 Rn. 56; Henning-Bodewig, BB 1983, 605 (607); John (Fn. 2), S. 177 ff. 67

44

Martin John

von einer tatsächlichen Benutzung der Produkte durch den gesponserten Sportler ausgehen.73 Mitunter war im älteren lauterkeitsrechtlichen Schrifttum die Ansicht vertreten, dass kommunikative Sponsoringmaßnahmen irreführen könnten, wenn der Gesponserte mit Produkten in Verbindung gebracht werde, die mit seinem Image kollidierten.74 So wurden Werbemaßnahmen als unlauter angesehen, in denen Sportler für Tabakerzeugnisse oder Alkohol warben.75 Im Kontext mit einer etwaigen Irreführung über derartige Imagedimensionen ist darauf hinzuweisen, dass es auch insoweit auf einen Irrtum über nachprüfbare Tatsachen ankommt. Reine Imagewerte und -dimensionen (wie beispielsweise Attraktivität, Erfolg etc.) stellen hingegen keine objektiv nachprüfbaren Parameter dar, da es sich um subjektive Einstellungen und Empfindungen handelt.76 Da Imagedimensionen nicht objektiv nachprüfbar sind, könnte letztlich derartigen Werbemaßnahmen allenfalls die Aussage entnommen werden, dass die Sportler die betreffonen Produkte selbst benutzen, ohne dass dies ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit schadet. Gingen die angesprochenen Adressaten davon aus, dass die Sportler derartige Produkte konsumieren, ohne dass ihre sportliche Leistungsfähigkeit darunter leidet, so wäre die Werbemaßnahme aufgrund der allgemein bekannten schädlichen Wirkungen der beworbenen Produkte als irreführend einzustufen. Der Durchschnittsverbraucher kennt jedoch die Mechanismen der Werbung und ist daher in der Lage, die Wirklichkeit von der werblichen Kommunikation zu unterscheiden.77 Der Durchschnittsverbraucher wird folglich im Angesicht eines rauchenden oder Alkohol trinkenden Leistungssportlers nicht davon ausgehen, dass Rauchen oder der Konsum von Alkohol der sportlichen Betätigungskraft nicht schade. b) Irreführung gem. § 5a UWG Neben der Problematik einer Irreführung i. S. d. § 5 I 2 Nr. 4 UWG stellt sich die Frage, ob den Sponsor im Rahmen der werblichen Kommunikation seines Sponsoringengagements Informations- und Aufklärungspflichten treffen. Im Schrifttum wird mitunter darauf hingewiesen, dass werbende Sponsoren den Anwendungsbereich der Irreführungsverbote durch allgemein gehaltene Aussagen einengen könn-

73

John (Fn. 2), S. 179. Schaub (Fn. 6), S. 324. 75 Sittenwidrigkeit gem. § 1 UWG-1909 annehmend Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht – Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Zugabeverordnung, Rabattgesetz und Nebengesetze, 22. Aufl. 2001, § 1 Rn. 192; ebenso und mit Bezügen zur Irreführung Röhrborn, Der Sponsoringvertrag als Innengesellschaft – Abschluss, Vollzug und Leistungsstörungen, 1997, S. 174. 76 John (Fn. 2), S. 182. 77 Ebenso Schaub (Fn. 6), S. 324. 74

Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen

45

ten.78 Es bestehe daher eine Notwendigkeit, die im Hinblick auf kommunikative Sponsoringmaßnahmen bestehenden Aufklärungspflichten zu präzisieren.79 Der Tatbestand der Irreführung durch Unterlassen ist im neu geschaffenen § 5a UWG in Umsetzung von Art. 7 UGP-Richtlinie nunmehr umfassend geregelt. Von Bedeutung ist insbesondere § 5a II UWG, der die Pflicht normiert, dem Verbraucher unabhängig von der Gefahr einer Irreführung wesentliche Informationen zur Verfügung zu stellen. Wesentlich sind Informationen für die Verbraucherentscheidung vor allem dann, wenn sie den Grundnutzen des beworbenen Produkts betreffen.80 Informationen über die konkrete Ausgestaltung des kommunizierten Sponsoringengagements sind hingegen sog. „zusatznutzenintensive“ Informationen, die über bloße objektive Parameter der Werbeobjekte hinaus (Qualität und Preis der beworbenen Waren) noch einen Zusatznutzen mit sich bringen (beispielsweise einen Imagetransfer). Diesbezüglich erwartet der Durchschnittsverbraucher aber keine weitergehenden Informationen.81 Darüber hinaus ist die räumliche und zeitliche Beschränkung kommunikativer Sponsoringmaßnahmen zu berücksichtigen, die es dem werbenden Sponsor regelmäßig nur ermöglicht, kurz und knapp auf sein Sponsoringengagement hinzuweisen. Entgegen einiger Stimmen im Schrifttum treffen den Sponsor nach § 5a UWG daher keine Aufklärungspflichten im Hinblick auf sein Sponsoringengagement. 3. Verschleierung des Werbecharakters, § 4 Nr. 3 UWG Da kommunikative Sponsoringmaßnahmen die Umworbenen regelmäßig in einem nicht-kommerziellen Umfeld ansprechen, erlangt des Weiteren das in § 4 Nr. 3 UWG normierte Verbot der Verschleierung des Werbecharakters geschäftlicher Handlungen Bedeutung. In richtlinienkonformer Auslegung am Maßstab des Art. 7 II UGP-Richtlinie ist § 4 Nr. 3 UWG über die Fälle der Verschleierung des Werbecharakters hinaus auf die Verschleierung sämtlicher kommerziellen Zwecke auszudehnen.82 Darüber hinaus normiert Art. 7 II UGP-Richtlinie die irreführungsunabhängige Pflicht zum Kenntlichmachen des kommerziellen Zwecks einer geschäftlichen Handlung.83 Den werbenden Unternehmer trifft aber jedenfalls dann keine Pflicht zum Kenntlichmachen des kommerziellen Zwecks seiner geschäftlichen Handlung, wenn der

78 jurisPK-UWG/Link (Fn. 3), § 5 Rn. 609; Ernst, WRP 2010, 1304 (1313); Heil/Klümper, PharmR 2008, 226 (229); Schaub, GRUR 2008, 955 (958); Seichter, WRP 2007, 230 (235); dem widersprechend Harte/Henning/Weidert (Fn. 2), § 5 F Rn. 8. 79 Schaub, GRUR 2008, 955 (958). 80 John (Fn. 2), S. 202 ff. 81 Ebenso Hartwig, WRP 2002, 1371 (1375). 82 OLG Karlsruhe WRP 2011, 1335 (1337); Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 4 Rn. 3.10; John, WRP 2011, 1357 (1360). 83 John (Fn. 2), S. 214.

46

Martin John

Durchschnittsverbraucher den kommerziellen Zweck erkennt.84 Der Durchschnittsverbraucher erkennt den kommerziellen Zweck der kommunikativen Sponsoringmaßnahmen am Ort einer Sportveranstaltung (Bandenwerbung, camcarpets, Audiojingles etc.) regelmäßig, da er solche Werbemaßnahmen gewöhnt ist.85 Damit scheidet eine Pflicht zur Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks der kommunikativen Sponsoringmaßnahmen am Ort einer Sportveranstaltung aber aus. Besondere Bedeutung erlangt § 4 Nr. 3 UWG jedoch in Konstellationen, in denen die werblichen Botschaften durch Übertragung der Sportveranstaltung medial verbreitet werden. Zwar richten sich die Werbevorschriften des Rundfunkrechts nur an die Sendeveranstalter, jedoch können die Sponsoren über den Umweg des § 4 Nr. 3 UWG als Teilnehmer einer unlauteren Handlung der Sendeveranstalter ebenfalls lauterkeitsrechtlich passivlegitimiert sein.86 Sofern der speziell geregelte Bereich der Werbung im Rundfunk betroffen ist, muss § 4 Nr. 3 UWG im Lichte der jeweiligen Werbevorschriften der Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) ausgelegt werden, soweit die Vorschriften der AVMDRichtlinie von den Vorgaben der UGP-Richtlinie abweichen.87 Die Übertragung der werblichen Botschaften im Zusammenhang mit der Übertragung einer Sportveranstaltung könnte unerlaubte Schleichwerbung nach § 2 II Nr. 8 RStV darstellen. Dazu wäre allerdings erforderlich, dass die werblichen Botschaften vom Sendeveranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen sind und mangels Kennzeichnung die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen können. Die Zuschauer sind jedoch an werbliche Kommunikation gewöhnt und erkennen den kommerziellen Zweck der kommunikativen Maßnahmen der Sponsoren.88 Aus lauterkeitsrechtlicher Perspektive kommt es aber allein auf die Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks an. Mitunter nimmt die Rechtsprechung auch bei eindeutig erkennbarer Werbung rundfunkrechtliche Schleichwerbung mit der Argumentation an, dass die Grenzen zwischen Werbung und Programm verwischt werden – so etwa im Falle der von Stefan Raab veranstalteten Wok-WM.89 Aus lauterkeitsrechtlicher Sicht ist eine solche Argumentation jedoch nicht zu halten, da es unter Geltung der UGP-Richtlinie nur darauf ankommt, ob der Durchschnittsverbraucher den kommerziellen Zweck der 84 Siehe zu diesem Merkmal bei § 4 Nr. 3 UWG den Wortlaut des Art. 7 II UGPRichtlinie: „… sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, …“ 85 Bork, Werbung im Programm – Zur wettbewerbsrechtlichen Haftung der Fernsehanbieter für unzulässige Werbung im Fernsehprogramm, München 1988, S. 68 (Fn. 38); John (Fn. 2), S. 215 f.; Schaub, GRUR 2008, 955 (957); Weiand (Fn. 2), S. 231. 86 BGH GRUR 1990, 611 (615 f.) – Werbung im Programm; Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 4 Nr. 3 Rn. 3.47; MüKo-UWG/Heermann (Fn. 25), § 4 Nr. 3 Rn. 152 f.; Sack, AfP 1991, 704 (706); Schaub (Fn. 6), S. 327. 87 John, WRP 2011, 1357 (1361); im Ergebnis ebenso Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 4 Rn. 3.5 ff. 88 Umfassend dazu John (Fn. 2), S. 226 ff. 89 VG Berlin ZUM-RD 2009, 292 (300).

Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen

47

Maßnahmen erkennen kann.90 Etwaige Verstöße gegen das rundfunkrechtliche Verbot der Einflussnahme werbender Unternehmen auf die Programmgestaltung spielen lauterkeitsrechtlich hingegen keine Rolle. Es kommt daher entgegen der bislang herrschenden Meinung auch keine Sanktionierung über § 4 Nr. 11 UWG in Betracht, da auch insoweit der Vollharmonisierungsanspruch der UGP-Richtlinie entgegensteht.91 4. Rechtsbruch, § 4 Nr. 11 UWG Der bereits angesprochene Rechtsbruchtatbestand spielt jedoch hinsichtlich anderer außerwettbewerbsrechtlicher Regelungen für das Sportsponsoring eine Rolle. Unter Geltung der UGP-Richtlinie können weiterhin Verstöße gegen spezialgesetzliche Werbeverbote und -beschränkungen, die für das Sportsponsoring bedeutsam sind, über § 4 Nr. 11 UWG sanktioniert werden.92 Dies betrifft vor allem Werbebeschränkungen für Glücksspiele nach dem GlüStV, für Tabakprodukte nach dem VTabakG, für Heilmittel nach dem HWG sowie die vereinzelten Vorschriften zur Regulierung von Werbung für alkoholhaltige Getränke.93 Im Gegensatz zu anderen Tatbeständen des UWG stellt § 4 Nr. 11 UWG letztlich die bedeutsamste Grenze für kommunikative Sponsoringmaßnahmen aus dem Bereich des Sports dar. Sofern ein Verstoß gegen das spezialgesetzliche Werbeverbot vorliegt, handelt der werbende Sponsor nämlich zugleich unlauter nach § 4 Nr. 11 UWG. Beispielhaft herausgegriffen sei der Bereich der Glücksspielwerbung. In jüngster Vergangenheit sorgen vermehrt auftretende werbliche Botschaften von Glücksspiel- insbesondere Sportwettanbietern im Zusammenhang mit ihrem Sponsoringengagement im Sport für Aufsehen.94 Aufgrund der derzeit unklaren Rechtslage rund um den GlüStV 2012 scheint sich die Ansicht verbreitet zu haben, dass jegliche Werbung für Glücks90

John (Fn. 2), S. 230 f. John, WRP 2011, 1357 (1362); ders. (Fn. 2), S. 240. 92 Allgemein dazu Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 4 Rn. 11.6a ff. 93 Umfassend dazu John (Fn. 2), S. 252 ff. 94 Beispielhaft zwei Werbespots des Sportwettanbieters bwin: Im ersten Werbespot sitzen die FC Bayern München-Profis Manuel Neuer, Arjen Robben, Thomas Müller, Mario Gomez, Holger Badstuber, Toni Kroos und Daniel van Buyten an einem Pokertisch und werben mit doppeldeutigen Sprüchen wie „Der perfekte Spieler spielt mit Herz und Leidenschaft“ oder „Der perfekte Spieler sucht immer seine Chance“ für die Teilnahme an Sportwetten. Der Spot ist abrufbar unter http://www.wettnetzwerk.com/video/bwin-werbung-bayern-spieler-neuerrobben-muller-gomez-badstuber-v (zuletzt abgerufen am 05. 05. 2014). Dieser Werbemaßnahme wohnt jedenfalls eine Anreizwirkung inne, die über die bloße Information hinausgeht, weswegen erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit § 5 I, II GlüStV 2008 bestehen. Auch hinsichtlich des zweiten Werbespots bestehen erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit § 5 I, II GlüStV 2008. Im zweiten Spot stehen die Funktionäre des FC Bayern München Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Karl Hopfner in dunklen Anzügen aufgereiht. Einer der Protagonisten lässt die Finger knacken, während eine Stimme aus dem Off verkündet: „Fußball ist unser Spiel! Zeigen Sie uns, was sie drauf haben!“ Der Spot ist abrufbar unter http:// www.wuv.de/marketing/uli_hoeness_hilft_bwin_beim_comeback_im_tv (zuletzt abgerufen am 05. 05. 2014). 91

48

Martin John

spielangebote zulässig ist; die zuständigen Ordnungsbehörden scheinen auch nicht gegen derartige Werbung vorzugehen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass auch nach dem neuen GlüStV 2012 entsprechend den Vorgaben des EuGH Werbung für Glücksspiele geeignet sein muss, zur Bekämpfung von Glücksspielsucht in kohärenter und systematischer Weise beizutragen.95 Durch aufreizende und emotionalisierende Werbung wie in den dargestellten Beispielsfällen96 dürfte dieses Ziel aber kaum erreicht werden.97 Daher darf die glücksspiel- und damit lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit derartiger Werbemaßnahmen durchaus bezweifelt werden. Möglicherweise stellen aber die im GlüStV 2012 vorgeschlagenen Richtlinien zur Konkretisierung der Werbeverbote ein geeignetes Instrument dar, anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse der Werbewirkungsforschung interessengerechte Regelungen zu normieren. 5. Lauterkeitsrechtliche Sanktionierbarkeit von Verstößen gegen Verhaltenskodizes Dem werblichen Auftreten der Sponsoren werden aber nicht nur durch das UWG rechtliche Grenzen gesetzt. Es existiert eine Vielzahl außergesetzlicher Verhaltensregeln von Verbänden oder Unternehmen, in denen Regelungen über die werbliche Kommunikation statuiert werden. Zum Teil betreffen diese auch den speziellen Fall der werblichen Kommunikation im Zusammenhang mit einem Sponsoringengagement. So findet sich beispielsweise in den Verhaltensregeln des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) die Vorgabe, dass kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke keine trinkenden oder zum Trinken auffordernde Leistungssportler darstellen soll.98 Nach Ziffer 1 des Leitfadens für ein verantwortungsvolles Sponsoring des Deutscher Brauer-Bund e.V. soll durch kommunikative Sponsoringmaßnahmen kein direkter oder indirekter Zusammenhang zwischen dem Konsum alkoholhaltiger Getränke und sportlichem Erfolg hergestellt werden.99 Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit Verstöße gegen derartige Verhaltenskodizes in das Lauterkeitsrecht hineinwirken können. Da Verhaltenskodizes keine gesetzlichen Bestimmungen darstellen, scheidet eine Sanktionierung über § 4 Nr. 11 UWG aus.100 Im Rahmen der Irreführungstatbestände findet sich mit § 5 I 2 Nr. 6 95

John (Fn. 2), S. 268 ff. Siehe Fn. 94. 97 John (Fn. 2), S. 271. 98 Vgl. Ziffer 3 der Verhaltensregeln über die kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke, abrufbar unter http://www.werberat.de/alkoholhaltige-getraenke (zuletzt abgerufen am 05. 05. 2014). 99 Der Leitfaden ist abrufbar unter http://www.brauer-bund.de/aktuell/alkoholpolitik-imfokus/sponsoring.html (zuletzt abgerufen am 05. 05. 2014). 100 BGH GRUR 2006, 773 (Rn. 20) – Probeabonnement; WRP 2011, 444 (Rn. 11) – FSA-Kodex; Fezer/Götting (Fn. 23) § 4 – 11 Rn. 57; Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 4 Rn. 11.30; MüKo-UWG/Schaffert (Fn. 25), § 4 Nr. 11 Rn. 49; Piper/Ohly/Sosnitza 96

Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen

49

UWG zwar eine Vorschrift, in der eine Irreführung in Bezug auf die Einhaltung eines Verhaltenskodexes als unlauter inkriminiert wird. Allerdings erfordert § 5 I 2 Nr. 6 UWG eine unwahre Behauptung, der Sponsor halte einen Verhaltenskodex ein, was für kommunikative Sponsoringmaßnahmen aber untypisch ist. Weder das UWG noch die UGP-Richtlinie kennen mithin einen Unlauterkeitstatbestand, der per se einen Verstoß gegen außergesetzliche Verhaltenskodizes sanktioniert. Unter Geltung der UGP-Richtlinie können Verstöße gegen Verhaltenskodizes mithin allenfalls mittelbar als Indizien zur Bestimmung der Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung über die Generalklauseln des § 3 I UWG oder des § 3 II 1 UWG herangezogen werden.101 Erforderlich wäre aber stets, dass die Werbemaßnahmen, die gegen die Verhaltenskodizes verstoßen, geeignet sind, die Interessen der Marktteilnehmer gem. § 3 I UWG oder aber die Fähigkeit der Verbraucher, eine informierte Entscheidung zu treffen gem. § 3 II 1 UWG, spürbar zu beeinträchtigen. Daran fehlt es jedoch regelmäßig, da Verhaltenskodizes in Bezug auf kommunikative Sponsoringmaßnahmen vielfach Regelungen normieren, die nicht die spezifisch lauterkeitsrechtlich geschützten Interessen der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer tangieren.102 So schützt das Verbot, trinkende Leistungssportler abzubilden, weniger die marktbezogenen Interessen der Verbraucher hinsichtlich ihrer Entscheidungsfreiheit und -grundlage. Vielmehr wird bezweckt, die Umworbenen vor übermäßigem Alkoholkonsum zu schützen.

VI. Rechtsfolgen Abschließend sei angemerkt, dass die Frage der lauterkeitsrechtlichen Zulässigkeit kommunikativer Sponsoringmaßnahmen nicht nur für die Sponsoren, sondern auch für die Gesponserten von erheblicher Bedeutung ist. Im Falle eines Verstoßes gegen Vorschriften des UWG kann der Sponsor nach § 8 I 1 UWG auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung der unlauteren kommunikativen Sponsoringmaßnahmen in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus kommt noch eine Haftung auf Schadensersatz und Herausgabe des erlangten Gewinns an den Bundeshaushalt in Betracht. Die Rechtsfolgen können aber nicht nur den Sponsor, sondern auch den Gesponserten treffen. Hat der Gesponserte Werbeflächen für die unlauteren kommunikativen Sponsoringmaßnahmen zur Verfügung gestellt, so (Fn. 2), § 4 Rn. 11/13; Birk, GRUR 2011, 196 (197 f.); Köhler, GRUR 2004, 381 (383); Schmidhuber, WRP 2010, 593 (595). 101 BGH GRUR 1999, 748 (749) – Steuerberaterwerbung auf Fachmessen; GRUR 2002, 548 (550) – Mietwagenkostenersatz; GRUR 2006, 773 (Rn. 19) – Probeabonnement; in jüngster Vergangenheit BGH WRP 2011, 444 (Rn. 13, 15) – FSA-Kodex; Fezer/ Götting (Fn. 23), § 4 – 11 Rn. 57; Harte/Henning/Keller (Fn. 2), § 2 Rn. 152; Köhler/ Bornkamm (Fn. 2), § 4 Rn. 11.30; Gloy/Loschelder/Erdmann/Erdmann (Fn. 54), § 37 Rn. 8; Schmidhuber, WRP 2010, 593 (596). 102 John (Fn. 2), S. 314 f.

50

Martin John

eröffnet er nämlich in einer ihm zurechenbaren Weise die Gefahr, dass der Sponsor Interessen von Marktteilnehmern verletzt, die durch das Lauterkeitsrecht geschützt werden.103 Nach jüngerer Rechtsprechung des BGH haftet der Gesponserte in derartigen Fällen gem. §§ 8 – 10 UWG, sofern die Unlauterkeit der kommunikativen Sponsoringmaßnahmen des Sponsors erkennbar ist.104 Häufig wirkt der gesponserte Sportler in Werbemaßnahmen des Sponsors auch mit. In derartigen Fällen geht der kommunikative Inhalt der Maßnahme zwar regelmäßig auf den Sponsor zurück. Durch seinen Auftritt in der Werbung des Sponsors begründet der Gesponserte aber die Gefahr, dass der Sponsor mit unlauteren kommunikativen Inhalten die Interessen der Verbraucher beeinträchtigt.105 Dies gilt vor allem in Fällen, in denen der Gesponserte als Experte für bestimmte Produkte auftritt. Darüber hinaus sind Sponsoringverträge, die zur Begehung unlauterer geschäftlicher Handlungen verpflichten, gem. § 139 BGB entweder teilweise oder gem. § 134 BGB vollständig nichtig.106

VII. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich attestieren, dass kommunikativen Sponsoringmaßnahmen nur geringes lauterkeitsrechtliches Konfliktpotential innewohnt. Derartige werbliche Botschaften sind nicht geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher zu beeinträchtigen. Ebenso scheidet ein Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks aus. Eine Irreführung kommt regelmäßig nur im Falle explizit unwahrer Angaben über das Sponsoringengagement in Betracht, was in der werblichen Praxis kaum vorkommen dürfte. Unter Geltung der UGP-Richtlinie werden dem Sponsor auch keine Informationspflichten im Hinblick auf die Ausgestaltung seines Sponsoringengagements auferlegt. Lauterkeitsrechtlich bedenklich können kommunikative Sponsoringmaßnahmen vor allem sein, wenn der gesponserte Sportler eingebunden wird. Gegenüber Minderjährigen besteht die Gefahr, dass autoritärer Druck ausgeübt wird. Darüber hinaus besteht die Gefahr einer Irreführung, wenn der Gesponserte für Produkte aus seinem Tätigkeitsbereich wirbt, obwohl er sie selbst gar nicht benutzt. Die bedeutsamsten 103

John (Fn. 2), S. 330 ff.; siehe dazu beispielhaft – wenngleich eine lauterkeitsrechtliche Haftung im Ergebnis ablehnend – OLG Hamburg, Urt. v. 8. 4. 2009, 5 U 169/07, Rn. 60 – Bandenwerbung (zitiert nach juris). 104 BGH GRUR 2007, 890 (Rn. 38 f.) – Jugendgefährdende Medien bei eBay; GRUR 2007, 708 (Rn. 45 f.) – Internet-Versteigerung II; GRUR 2008, 702 (Rn. 50 f.) – InternetVersteigerung III. 105 John (Fn. 2), S. 333. 106 Vgl. nur BGH GRUR 1990, 522 (528) – HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz; GRUR 1998, 945 (947) – Co-Verlagsvereinbarung; WRP 2009, 611 (Rn. 13) – Buchgeschenk vom Standesamt; Köhler/Bornkamm (Fn. 2), § 3 Rn. 158; MüKo-UWG/Sosnitza (Fn. 25), § 3 Rn. 15.

Lauterkeitsrechtliche Grenzen kommunikativer Sponsoringmaßnahmen

51

lauterkeitsrechtlichen Grenzen normiert jedoch § 4 Nr. 11 UWG, demzufolge Verstöße gegen zahlreiche außerwettbewerbsrechtliche Marktverhaltensnormen sanktioniert werden können. Verstöße gegen außergesetzliche Verhaltenskodizes können mit den Mitteln des Lauterkeitsrechts hingegen nicht unmittelbar sanktioniert werden. Allenfalls können derartige Verhaltenskodizes mittelbar zur Ausfüllung der Generalklauseln § 3 I, II 1 UWG herangezogen werden. Im Falle eines Verstoßes gegen Vorschriften des UWG können sowohl der Sponsor als auch der Gesponserte, der Werbeflächen zur Verfügung stellt oder in den kommunikativen Sponsoringmaßnahmen mitwirkt, lauterkeitsrechtlich in Anspruch genommen werden. Sponsoringverträge, die zur Begehung unlauterer geschäftlicher Handlungen verpflichten, sind darüber hinaus gem. §§ 134, 139 BGB ganz oder teilweise nichtig.

Wege zur Wiederbelebung „toten Rechts“ Ausgewählte Problemkreise und Lösungsansätze in Strafverfahren mit Dopinghintergrund* Jan-Frederik Kolbe I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einleitung des Ermittlungsverfahrens – Fehlen von Strafanzeigen und -anträgen sowie Möglichkeiten der anderweitigen Verfahrenseinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende Strafanzeigen durch den Sportler selbst bzw. dessen Umfeld – die „Schicksalsgemeinschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anzeigeverhalten und -verpflichtungen der Sportverbände und der NADA . . . . . . 3. Verfahrenseinleitung durch Andere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Krankenkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Arzneimittelüberwachungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) „whistleblower“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kommunikationsverbesserung durch die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verwendung von Aussagen aus dem Verbandsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Prinzip der strict liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gemeinschuldnerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . 3. Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Aussageanreize durch die Kronzeugenregelung und die verfahrensbeendende Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Kronzeugenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die verfahrensbeendende Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Kurzfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53 56 56 58 59 59 60 60 61 61 62 64 65 65 66 67 67 68 69

I. Einführung Dass Doping ein allgegenwärtiges Thema ist, muss wohl nicht weiter erläutert werden – um die Ausmaße zu erkennen, reicht mittlerweile bereits der alltägliche Blick in die Zeitung. Die Frage, die hingegen bislang offensichtlich noch nicht hin* Der Beitrag befasst sich mit einzelnen Problemkreisen, die im Rahmen der Dissertation des Verfassers „Strafprozessuale Aspekte der strafrechtlichen Dopingverfolgung“ (erschienen in der Schriftenreihe „Beiträge zum Sportrecht“ – Bd. 40 – bei Duncker & Humblot) untersucht wurden.

54

Jan-Frederik Kolbe

länglich beantwortet werden konnte, ist vielmehr, wie dem Doping im Sport am aussichtsreichsten entgegen getreten werden kann. In erster Linie muss bereits aufgrund der Sachnähe natürlich der Sport selbst – also die Sportverbände und die NADA – gegen das Doping vorgehen. Eine nachhaltige Bekämpfung des Dopings alleine von Seiten des Sports wird aber im Endeffekt nur begrenzt erfolgsversprechend sein. Die Ermittlungsmöglichkeiten der Sportverbände und der NADA beschränken sich zuvorderst auf die Durchführung von Dopingtests. Im Gegensatz zu den Strafverfolgungsbehörden haben sie nicht die Befugnisse, Häuser und Autos zu durchsuchen oder Telefone abzuhören.1 Speziell eine Verfolgung der Hintermänner des Dopings ist demgemäß nahezu unmöglich, so dass es vor diesem Hintergrund nicht verwundert, dass auch führende Persönlichkeiten des Sports eine staatliche Dopingverfolgung befürworten: „Wenn wir nicht die Hilfe der Polizei haben, können wir keine Räume und kein Gepäck durchsuchen und auch keine Handys überprüfen, was besonders nützlich wäre. Wir wollen, dass die Polizei uns hilft, Dopingnetzwerke aufzudecken.“ (Jacques Rogge)2

In Deutschland gibt es dieses Nebeneinander der Dopingverfolgung durch den Sport und den Staat nunmehr schon seit 19983, als in §§ 6a I, 95 I Nr. 2a AMG das strafbewehrte Verbot aufgenommen wurde, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden. Im Jahr 20074 wurde die Norm um das Verbot, Dopingmittel in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport zu besitzen, erweitert (§ 6a IIa AMG). Damit einher ging eine Etikettierungspflicht der betroffenen Arzneimittel (§ 6a II 2 AMG), eine Strafschärfung für banden- und gewerbsmäßige Dopingstraftaten (§ 95 III Nr. 2b AMG), die Möglichkeit der Anordnung des erweiterten Verfalls (§ 98a AMG) und die Übertragung von Ermittlungsbefugnissen für Fälle international organisierten ungesetzlichen Handels mit Arzneimitteln auf das Bundeskriminalamt (§ 4 I 1 Nr. 1 BKAG). Zuletzt wurde durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG5 für Dopingdelikte die Möglichkeit geschaffen, bei Verdacht gewerbs- oder bandenmäßigen Handelns eine Telefonüberwachung durchzuführen (§ 100a II Nr. 3 StPO). Vor dem Hintergrund dieser umfänglichen Anti-Doping-Normierung sollte man theoretisch davon ausgehen können, dass die strafrechtliche Dopingverfolgung eine effektive zweite Front im Kampf gegen das Doping im Sport darstellt. Dass dem nicht 1 Vgl. hierzu Dury, Lösung des Doping-Problems durch den Staatsanwalt?, in: Crezelius/ Hirte/Vieweg (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung, Sportrecht. Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag, 2005, S. 1097 (1099). 2 Diese Forderung stellte IOC-Präsident Jacques Rogge zum Abschluss des 13. Olympischen Kongresses im Oktober 2009 (zitiert in: NADA Jahrbuch 2009, S. 38). 3 BGBl. 1998, 2649, neu bekannt gemacht am 15. Dezember 2006 (BGBl. 2005, 3395). 4 BGBl. 2007, 2510. 5 BGBl. 2007, 3198.

Wege zur Wiederbelebung „toten Rechts“

55

so ist, wurde in den letzten Jahren regelmäßig in der Literatur beschrieben. Häufig wurden die strafrechtlichen Anti-Doping-Normen des AMG als „totes Recht“6 oder „zahnloser Tiger“7 bezeichnet. Dass dies in der Praxis zutrifft, konnte durch eine im Rahmen der Dissertation des Verfassers durchgeführte Untersuchung unterstrichen werden.8 Für diese Untersuchung wurden im Januar 2009 an alle Generalstaatsanwaltschaften Deutschlands sowie sämtliche Justizministerien der Bundesländer Fragebögen bezüglich der Anwendung der Anti-Doping-Normen des AMG verschickt. In den Antworten bestätigte sich, dass die strafrechtliche Dopingverfolgung in der Praxis praktisch keine Rolle spielt. Es stellte sich heraus, dass kaum Strafverfahren mit Dopinghintergrund geführt werden und dass es bis auf die Staatsanwaltschaft München I (und jüngst die Staatsanwaltschaft Freiburg) keine Schwerpunktstaatsanwaltschaften gibt, sondern dass Dopingdelikte regelmäßig von allgemeinen Abteilungen oder Abteilungen zur Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität bearbeitet werden. Weiter konnte gezeigt werden, dass bei den meisten Staatsanwaltschaften keine gesonderte Erfassung von Dopingdelinquenz erfolgt, dass nahezu keine Strafanzeigen gestellt werden und dass Strafverfahren mit Dopinghintergrund regelmäßig eingestellt werden. Bei der Frage, wieso dem so ist und wie dies geändert werden kann, wird – wie zuletzt aus Bayern9 und Baden-Württemberg10 – schnell der aktionistische Ruf nach immer neuen Strafgesetzen laut. Bevor jedoch ein solcher – auch immer mit extremen Grundrechtseingriffen einhergehender – Weg eingeschlagen wird, sollte man sich zuerst die Zeit nehmen, zu prüfen, warum die strafrechtliche Dopingverfolgung als „totes Recht“ bezeichnet wird. Denn wenn ein Strafgesetz in der Praxis nicht angewendet wird, muss das nicht zwangsläufig an der fehlenden Eignung des Gesetzes liegen, vielmehr können sich im Vollzug des Gesetzes deliktsspezifische Probleme stellen, die bislang noch nicht ausreichend beleuchtet wurden und denen somit auch noch nicht angemessen entgegen getreten werden konnte.11 6 So Dury, SpuRt 2005, 137 (139); ders. (Fn. 1), S. 1097 (1105); König, JA 2007, 573 (574 f.); Prokop, SpuRt 2006, 192 (192). 7 Heger, SpuRt 2007, 153 (153). 8 Kolbe, Strafprozessuale Aspekte der strafrechtlichen Dopingverfolgung, 2012, S. 25 ff. 9 „Gesetz zur Bekämpfung des Dopings und der Korruption im Sport“ aus dem Jahr 2009. Zu finden unter http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/ministerium/mi nisterium/gesetzgebung/entwurf_sportschutzgesetz_30112009.pdf (zuletzt abgerufen am 05. 05. 2014). 10 „Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Dopingbekämpfung“ aus dem Jahr 2013. Zu finden unter http://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Entwurfeines-Gesetzes-zur-Verbesserung-der-strafrechtlichen-Dopingbek%C3 %A4mpfung-9 – 4 – 2013.pdf (zuletzt abgerufen am 05. 05. 2014). 11 So auch der ehemalige Geschäftsführer der NADA Göttrik Wewer: „Jedes Gesetz ist nur so gut wie sein Vollzug! Was auf dem Papier steht und nicht beachtet wird, ist praktisch wertlos.“ (zitiert in: NADA Jahrbuch 2009, S. 39).

56

Jan-Frederik Kolbe

Betrachtet man die Probleme, die sich der strafrechtlichen Dopingverfolgung im Strafprozess stellen, wird man schnell feststellen, dass eines der Hauptprobleme und ein Hauptgrund für die Bezeichnung als „totes Recht“ in der fehlenden Kooperationsbereitschaft des Sportlers, seines Umfelds sowie der Sportverbände zu sehen ist. Auch die NADA kooperierte anfangs nicht in ausreichendem Maße mit den Strafverfolgungsbehörden, jedoch hat sich hier – wie gezeigt werden wird12 – auch durch erste Änderungen der Strafverfolgungspraxis die Ausgangslage grundlegend geändert. Die fehlende Kooperationsbereitschaft der genannten Personen und Institutionen führt zum einen dazu, dass es kaum Strafanzeigen oder -anträge gibt und somit nur sehr wenige Strafverfahren mit Dopinghintergrund eingeleitet werden. Zum anderen führt die fehlende Kooperationsbereitschaft auch im Strafprozess zu erheblichen Beweisproblemen. Dementsprechend werden im Folgenden zunächst die Kooperationsprobleme beschrieben, bevor prozessuale Reaktionsmöglichkeiten aufgezeigt und untersucht werden.

II. Einleitung des Ermittlungsverfahrens – Fehlen von Strafanzeigen und -anträgen sowie Möglichkeiten der anderweitigen Verfahrenseinleitung 1. Fehlende Strafanzeigen durch den Sportler selbst bzw. dessen Umfeld – die „Schicksalsgemeinschaft“ Um zu verstehen, wieso von dem Sportler und seinem unmittelbaren Umfeld so gut wie nie Strafanzeigen gestellt werden, muss zunächst verdeutlicht werden, dass sich um den Sportler eine sogenannte Schicksalsgemeinschaft13 bildet. Diese lässt sich am besten in drei Schritten erklären: Erstens ist es dem Sportler nahezu unmöglich, den Prozess des Dopings ohne fremde Hilfe zu bewerkstelligen. Er braucht vielmehr eine ganze Schar an Helfern, um sich bestmöglich erkennungsresistent zu dopen. Hier kommen vor allem Ärzte mit ihrem Wissen um die Dopingmittel und die Möglichkeiten der Verschleierung,14 „Dealer“ zur Erlangung der Dopingmittel,15 Funktionäre zur Warnung vor Kontrol-

12

Siehe hierzu unten, unter III. Körner, KR 2003, 49 (49, 51); ders., KR 2003, 101 (101), wo er den Terminus der „verschworenen Gemeinschaft“ benutzt und der anführt, dass das Bestreiten einer derartigen verschworenen Gemeinschaft rund um den Sportler dem Wunsch entspringt, von der Realität des weltweiten Dopingmissbrauchs nur so viel zur Kenntnis zu nehmen wie unvermeidlich. 14 Körner, KR 2003, 101 (101). 15 Körner, KR 2003, 49 (49) beschreibt, dass Dopingmittel nicht nur von Drogenhändlern beschafft werden, sondern auch Trainer, Manager, Sportärzte, Sponsoren und Apotheker als Lieferanten in Betracht kommen. 13

Wege zur Wiederbelebung „toten Rechts“

57

len16 und Trainer zur Sicherstellung der Verschwiegenheit innerhalb eines Trainingskollektivs in Betracht17. Diese Gruppe lässt sich, wie im Fall des Radsportteams T-Mobile, bis hin zum Busfahrer ausdehnen,18 was verdeutlicht, welchen Umfang eine solche Schicksalsgemeinschaft schnell annehmen kann. Zweitens haben sämtliche am Doping eines Sportlers Beteiligte eigene Interessen an dessen Doping. Der Sportler selbst ist neben dem Interesse, gewinnen zu wollen, dem – sicherlich zum Teil auch als Schutzbehauptung19 verwendeten – Druck ausgesetzt, sich gegen vermeintlich gedopte Konkurrenten durchsetzen zu müssen.20 Trainern, Betreuern, aber auch Ärzten garantieren gute Leistungen des betreuten Sportlers eine Jobsicherheit. Zusätzlich steigern sie durch dessen Erfolge ihre Reputation und, sofern sie mit leistungsbezogenen Verträgen ausgestattet sind, auch ihr Einkommen.21 Finanzielle Interessen an dem anhaltenden Doping des Sportlers stehen selbstverständlich auch bei dessen „Dealer“ im Vordergrund. Drittens haben die genannten Personen darüber hinaus ein Interesse an der Geheimhaltung des Dopings. Dieses liegt in erster Linie natürlich in der Angst vor straf- und verbandsrechtlichen Sanktionen. Sportler haben darüber hinaus sogar ein Interesse, das Doping vor den eigenen Teamkollegen geheim zu halten, da diese de facto Konkurrenten sind und die Informationen gegen den Sportler verwenden könnten. Funktionäre wollen die „Legende des sauberen Sports“ aufrechterhalten und die Glaubwürdigkeit ihres jeweiligen Sports schützen.22 Hierbei geht es jedoch nicht nur um das ideelle Einstehen für den Sport an sich, vielmehr stehen auch massive finanzielle Einbußen auf dem Spiel.23 16 Körner, KR 2003, 49 (51) zitiert aus einem Bericht der FAZ vom 6. 7. 2000 über den australischen Diskuswerfer Werner Reiterer, dass dieser regelmäßig von Funktionären und Betreuern rechtzeitig vor Dopingkontrollen gewarnt wurde. 17 Körner, KR 2003, 101 (101). 18 Im Abschlussbericht der Expertenkommission Freiburg wird berichtet, dass der Fahrer des Teambusses des Teams T-Mobile dem damaligen Vorstandschef der T-Mobile International AG René Obermann hartnäckig den Zutritt zu dem Teambus verwehrt hat. In diesem Bus ist mutmaßlich das Doping der Athleten erfolgt. (Abschlussbericht Expertenkommission Freiburg, S. 58). 19 Jahn, Eigenverantwortliches Doping und Strafrecht – Materiell-strafrechtliche, strafprozessuale und verfassungsrechtliche Aspekte eines „Anti-Doping-Gesetzes“, in: Vieweg (Hrsg.), Prisma des Sportrechts – Referate der sechsten und siebten interuniversitären Tagung Sportrecht, 2006, S. 33 (35); Salib, CaS 2006, 585 (588). 20 Die österreichische Triathletin und Kronzeugin Lisa Hütthaler führt in einem Interview mit dem Spiegel aus, dass sie bei Siegerehrungen kein schlechtes Gewissen hatte, sondern dass es für sie eine Frage der Gleichberechtigung ist, da man schon weiß, dass die anderen auch dopen und man die gleichen Erfolgschancen haben will (Der Spiegel 18/2009 v. 27. 4. 2009, S. 128). 21 Vieweg, NJW 1991, 1511 (1512). 22 Körner, KR 2003, 49 (52 f.). 23 Gleiches gilt nach Körner, KR 2003, 49 (51) auch für Verbände und Sponsoren, die in die Förderung von Spitzensportlern immense Geldsummen investiert haben.

58

Jan-Frederik Kolbe

Mit dieser sogenannten Schicksalsgemeinschaft bildet sich somit schnell eine große Gruppe um den Sportler, die sich durch Interessenkonvergenz und gleichzeitige Abschottung nach außen auszeichnet. Da zumeist niemand einen Grund sieht, aus dieser Gruppe auszubrechen, kommt es fast nie zu Strafanzeigen durch Mitglieder der Schicksalsgemeinschaft und aufgrund der Abschottung nach außen auch nicht zu solchen durch Dritte. Diese Situation kann sich sogar noch verschärfen, wenn die Dopingdelikte – wie so häufig24 – im Wege der organisierten Kriminalität begangen werden. Gerade in kriminellen Organisationen wird die Treue der Mitglieder als eines der höchsten Güter angesehen und eine Aussage bei Strafverfolgungsbehörden als Treuebruch aufgefasst, der mit internen Repressalien zu belegen ist. Mitglieder derartiger Organisationen wollen deswegen häufig nicht nur nicht mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren, sondern haben schlichtweg Angst davor. 2. Anzeigeverhalten und -verpflichtungen der Sportverbände und der NADA Umso wichtiger ist es somit, dass Strafanzeigen von anderen Personen bzw. Institutionen gestellt werden oder dass Verfahren „auf andere Weise“ i. S. d. § 160 I StPO eingeleitet werden. In erster Linie kommen hier aufgrund der Sachnähe die NADA und die Sportverbände in Betracht. Jedoch wurde von den befragten Staatsanwaltschaften in der eigenen empirischen Untersuchung konsensual angegeben, dass in dem untersuchten Zeitraum bis Januar 2009 keine einzige Strafanzeige von diesen Institutionen zu verzeichnen war.25 Dies muss verwundern, da es sowohl für die NADA als auch für die Verbände verschiedene Anzeigeverpflichtungen gibt. Gemäß Artikel 14.2 NADC26 bestehen für die für das Ergebnismanagement zuständige Anti-Doping-Organisation sowie für die NADA Verpflichtungen zur Meldung bei den staatlichen Ermittlungsbehörden. Zu der Anzeigeverpflichtung des NADC kommt für Verbände und Ausrichter von Großveranstaltungen, die durch das Bundesministerium des Innern finanziell gefördert werden, sogar noch eine zusätzliche, vertragliche Anzeigeverpflichtung. Diese verpflichten sich durch die Unterzeichnung der Förderverträge27, die Anti-DopingRegelwerke der NADA anzunehmen und die ihnen obliegenden Aufgaben wahrzunehmen. Sie sind darüber hinaus verpflichtet, nach Bekanntwerden eines positiven Analyseergebnisses eines Athleten die ihnen möglichen Ermittlungen zur Aufklä24 Siehe hierzu die Begründung des Gesetzentwurfs zum Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport, BT-Drucks. 16/5526, S. 9. 25 Kolbe (Fn. 8), S. 27. 26 Nationaler Anti-Doping-Code der Nationalen Anti-Doping-Agentur Deutschland 2009 in der 2010 überarbeiteten Version 2.0. 27 Ein Überblick über die Anti-Doping-Zuwendungsklauseln des Bundesministeriums des Innern findet sich bei Kolbe (Fn. 8), S. 49 und 248 ff.

Wege zur Wiederbelebung „toten Rechts“

59

rung durchzuführen und eine Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft einzureichen. Verstöße gegen Pflichten zur Dopingbekämpfung können zur Kürzung oder Einstellung der Bundesförderung führen. Dass es somit trotz der zum Teil mehrfachen Anzeigeverpflichtungen für Verbände und die NADA nicht zu Anzeigen durch diese Institutionen kommt, ist schwer verständlich. Um diese Situation zu ändern, muss die Zusammenarbeit der Verbände und der NADA mit den Strafverfolgungsbehörden verbessert werden. Neben den hierfür dringend erforderlichen Schwerpunktstaatsanwaltschaften – auf die weiter unten noch näher eingegangen wird28 –, wäre die Organisation schulungsähnlicher Veranstaltungen durch die Strafverfolgungsbehörden ein denkbarer Weg. Im Rahmen dieser Schulungen könnten vor allem Delegierten der Verbände die Strafnormen des AMG und des BtMG näher gebracht, Konsequenzen einer Nichtanzeige29 erläutert und Fragen rund um den Anfangsverdacht eruiert werden. Unterstützend könnten auch Musterformulare zur Anzeigeerstattung verteilt werden.30 3. Verfahrenseinleitung durch Andere Da somit ersichtlich ist, dass sich mit dem Sportler, seinem Umfeld, den Sportverbänden sowie anfänglich auch der NADA die dem Doping am nächsten stehenden Personen bzw. Institutionen bislang nicht an der Verfahrenseinleitung beteiligten, muss untersucht werden, welche anderen Personen und Institutionen möglicherweise ein Strafverfahren mit Dopinghintergrund initiieren können. Hier kommen vor allem die fünf Folgenden in Betracht. a) Krankenkassen Krankenkassen können eine Rolle bei der Verfahrenseinleitung spielen,31 wenn ihnen bei der Abrechnung eines Rezepts Anomalien auffallen, die auf eine Verwendung des verschriebenen Arzneimittels zu Dopingzwecken hindeuten. Erlangt eine Krankenkasse auf diese Weise einen Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung, so hat sie die Staatsanwaltschaft gemäß § 197a IV SGB V grundsätzlich unverzüglich zu unterrichten.

28

Siehe hierzu unten, unter III. Siehe hierzu Jahn, SpuRt 2005, 141 (145). 30 So die frühere Praxis des DSB, siehe hierzu Mayer, SpuRt 2002, 97 (99). 31 Als Ausgangspunkt dieser Untersuchung diente eine Aussage aus der medizinischen Fachliteratur (Richter-Kuhlmann, Ärzteblatt, Februar 2009, 64 [65]), derzufolge teilweise die entscheidenden Hinweise zur Aufdeckung von Fällen illegalen Handels mit Dopingmitteln von Krankenkassen kommen. 29

60

Jan-Frederik Kolbe

Diese Anzeigepflicht muss jedoch vor dem Hintergrund des im Sozialrecht allgegenwärtigen besonderen Schutzes der Sozialdaten32 gesehen werden, aufgrund dessen die hier in Frage stehende Initiativübermittlung durch die Krankenkassen im Endeffekt33 nur in den Fällen des § 69 I Nr. 1 Alt. 2 SGB X möglich ist, also nur, wenn dies zur Verfolgung einer Straftat, die gegenüber der Krankenkasse begangen wurde, erforderlich ist. Da das Ausstellen eines medizinisch nicht indizierten Rezepts, das sodann zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet wird, eine Untreue darstellt,34 ist eine Übermittlung in derartigen Fällen jedoch regelmäßig möglich. b) Banken Banken können insoweit eine Rolle bei der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit Dopinghintergrund spielen, als sie bei auffälligen Überweisungen ins Ausland ihrer aus § 11 I GwG erwachsenden Verpflichtung zur Strafanzeige wegen des Verdachts einer Geldwäsche nachkommen. Wenn sich in der Folge bei den Ermittlungen herausstellt, dass das Geld zur Bezahlung von Dopingmitteln verwendet wurde, kann die Anzeige und der auf diese Weise erlangte Verdacht auf eine Dopingstraftat nach dem AMG aufgrund der Restriktionen des § 11 VI GwG jedoch nur dann zur Einleitung eines Strafverfahrens verwendet werden, wenn es sich um einen Verdacht bezüglich eines besonders schweren Falls gemäß §§ 6a, 95 III AMG handelt.35 c) Zoll Eine gewichtige Rolle bei der Verfahrenseinleitung kann der Zoll spielen, da diesem bei der Überwachung des Arzneimittelverkehrs eine Mitwirkungspflicht zukommt. Werden Dopingmittel nach Deutschland importiert, kann bei den Grenzkontrollen durch den Zoll leicht ein Anfangsverdacht für eine Besitzstrafbarkeit gemäß § 6a IIa AMG entstehen. Da die Einfuhr durch eine Privatperson zusätzlich in der Regel gegen ein Einfuhrverbot verstößt,36 können die Ware und der dazugehörige Verwaltungsvorgang gemäß § 12 ZollVG an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden.37 32 Der Datenschutz wird allgemein durch das Bundesdatenschutzgesetz und durch die Datenschutzgesetze der Länder gewährleistet. Für den Bereich des Sozialdatenrechts gehen aber die besonderen Reglungen des SGB I und des SGB X dem BDSG und den Datenschutzgesetzen der Länder vor (siehe hierzu Waltermann, Sozialrecht, 8. Aufl. 2009, § 19 Fn. 3 m. w. N.). 33 Vgl. hierzu ausführlich Kolbe (Fn. 8), S. 52 ff. 34 BGH NStZ 2004, 568 (569); hierzu auch Herffs, wistra 2006, 63 ff. 35 Vgl. hierzu ausführlich Kolbe (Fn. 8), S. 64 ff. 36 Gemäß Absatz 7 der Dienstanweisung des Bundesministers der Finanzen zum Arzneimittelgesetz dürfen Fertigarzneimittel von Privatpersonen nur in den nach § 73 II AMG in Betracht kommenden Fällen in den Geltungsbereich des Gesetzes verbracht werden. In der Regel wird der Import nicht unter diese Ausnahmetatbestände fallen. 37 Vgl. hierzu ausführlich Kolbe (Fn. 8), S. 77 ff.

Wege zur Wiederbelebung „toten Rechts“

61

d) Arzneimittelüberwachungsbehörden Auch die Arzneimittelüberwachungsbehörden können im Rahmen der kontinuierlichen Regelüberwachung gemäß § 64 III 2 AMG, in der sie nahezu lückenlos alle Bereiche der Entwicklung, Herstellung und des Vertriebs von Arzneimitteln beaufsichtigen, leicht Verdachtsmomente bezüglich einer Dopingstraftat erlangen.38 Ob auch Fitnessstudios und Wettkampfstätten von der Regelüberwachung erfasst werden, ist bislang nicht hinlänglich geklärt. Bei Wettkampfstätten scheitert eine Erfassung wohl bereits an der Grundvoraussetzung, dass der Betrieb nicht nur vorübergehend eingerichtet sein darf.39 Für Fitnessstudios bestehen zwar gesicherte empirische Erkenntnisse, dass sowohl hinsichtlich der Verbreitung als auch der Zahl Dopingmittel einnehmender Besucher ein immens großes Dunkelfeld besteht,40 weswegen ein gegebenenfalls sogar gewerbliches Lagern, Inverkehrbringen oder Handeltreiben bei einzelnen Fitnessstudios sicherlich leicht bejaht werden kann.41 Diese Erkenntnisse über das Dunkelfeld können jedoch nicht ohne Weiteres auf alle Fitnessstudios übertragen werden und so als stichhaltige, tatsächliche Anhaltspunkte dienen, die zur Begründung eines überwachungspflichtigen Sachverhalts zu fordern sind.42 e) „whistleblower“ Zuletzt könnten bei der Verfahrenseinleitung auch sogenannte „whistleblower“ hilfreich sein.43 Hierbei handelt es sich um Personen, die aus ethischen, moralischen oder persönlichen Gründen strafrechtlich relevante Sachverhalte aus internen Quellen bekannt machen, die intern aufgrund fehlender Kontrolle und möglicherweise wegen der Beteiligung von Vorgesetzten an der kriminellen Handlung nicht aufgedeckt werden.44 Wie in der Korruptionsbekämpfung, aus der das „whistleblowing“ ursprünglich stammt,45 fehlen auch bei der Dopingdelinquenz typische TäterOpfer-Konstellationen. Strafanzeigen bleiben aus, da sich zum einen niemand als 38

Vgl. hierzu ausführlich Kolbe (Fn. 8), S. 83 ff. So auch die Rechtskommission des Sports gegen Doping in ihrem Abschlussbericht, Hauptmann, SpuRt 2005, 239 (240). 40 Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping, Hauptmann, SpuRt 2005, 239 (240). 41 Auf der Grundlage dieser Überlegungen basiert wahrscheinlich auch Nr. 5.1.1 der niedersächsischen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Verwaltungsaufgaben auf pharmazeutischem Gebiet, aufgrund derer Fitness- und Bodybuilding-Zentren als Betriebe, die Arzneimittel an Endverbraucher abgeben, in diesem Bundesland der Überwachung unterliegen. 42 Diese Frage offen lassend: Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping, Hauptmann, SpuRt 2005, 239 (240 f.). 43 Vgl. hierzu ausführlich Kolbe (Fn. 8), S. 67 ff. 44 Bannenberg, Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle – Eine kriminologisch-strafrechtliche Analyse, 2002, S. 375. 45 Siehe hierzu Bannenberg (Fn. 44), S. 59. 39

62

Jan-Frederik Kolbe

Opfer fühlt und zum anderen regelmäßig alle Beteiligten befürchten, sich selbst einem Strafvorwurf auszusetzen. Die Überlegung, das „whistleblowing“ auch für die Dopingverfolgung dienstbar zu machen, um so in die beschriebene Schicksalsgemeinschaft um den dopenden Sportler eindringen zu können, ist mithin nicht fernliegend.46 Da sich jedoch „whistleblower“ regelmäßig erheblichen Repressionen wie interne Schikanierung, Versetzung oder Entlassung ausgesetzt sehen,47 bedarf es der Installierung gewisser Schutzmechanismen48 – wohl am ehesten in das Verbandsrecht49 –, die geeignet sind, den „whistleblower“ vor negativen Folgen seiner Aussagen zu schützen. Obwohl negative Folgen auch mit solchen Schutzmechanismen nie komplett ausgeschlossen werden können,50 wäre die Einführung derartiger Regelungen wünschenswert, allein um die Wahrscheinlichkeit einer Aussage potentieller „whistleblower“ zu steigern.

III. Kommunikationsverbesserung durch die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften Dass die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften zu der Behebung der Probleme im Zusammenhang mit dem Anzeigeverhalten der NADA und der Sportverbände beitragen kann, zeigte sich bereits im Jahr 2009 im Fall der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein. Kurz nach der Einrichtung der Schwerpunktstaatsanwaltschaft München I trafen sich Vertreter der NADA und des BKA in Bonn mit Vertretern der Schwerpunktstaatsanwaltschaft, um gemeinsam Arbeitsfelder abzustimmen, in denen eine intensivere Zusammenarbeit erfolgen kann. Zudem wurden regelmäßige weitere Treffen und die Einbeziehung weiterer nationaler und internationaler Organisationen beschlossen. Die NADA gab in der Folge bekannt, dass sie nunmehr bei der Dopingbekämpfung nicht nur mit dem BKA, sondern auch mit der Schwerpunktstaatsanwaltschaft München I zusammenarbeiten will.51 Es darf mit Berechtigung vermutet werden, dass es dieser intensiven Zusammenarbeit geschuldet ist, dass die NADA noch im selben Jahr im Fall Pechstein Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft München I erstattet und in der Folge zum Januar

46 Die Figur des whistleblowers für den Bereich der strafrechtlichen Dopingverfolgung befürwortet Rössner, Doping aus kriminologischer Sicht – Brauchen wir ein Anti-Dopinggesetz?, in: Digel/Dickhuth (Hrsg.), Doping im Sport, 2002, S. 118 (132 f.). 47 Bannenberg (Fn. 44), S. 376 ff. 48 Bannenberg (Fn. 44), S. 382. 49 Mit einem diesbezüglichen, konkreten Vorschlag Rössner (Fn. 46), S. 118 (132). 50 Man denke hier beispielshalber an einen Fußballspieler, der als „whistleblower“ leicht auf die Auswechselbank gesetzt werden kann, wenn das „whistleblowing“ vom Trainer missbilligt wird. Der Trainer kann eine solche Handlung offiziell immer mit schlechten Trainingsleistungen oder taktischen Zwängen begründen. 51 http://www.nada.de/fileadmin/user_upload/nada/Presse/NADA-Newsletter_03_09.pdf (zuletzt abgerufen am 05. 05. 2014).

Wege zur Wiederbelebung „toten Rechts“

63

2011 sogar ihre Anzeigepraxis gänzlich geändert hat.52 Offiziell wurde die Strafanzeige im Fall Pechstein von der NADA mit ihrer Anzeigepflicht aus dem NADC begründet. Sowohl die Tatsache, dass – wie in der empirischen Untersuchung des Verfassers gezeigt werden konnte – zuvor nie Strafanzeigen gestellt wurden, als auch die Tatsache, dass der NADA nunmehr bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft konkrete Ansprechpartner mit fundiertem Fachwissen auf dem Gebiet der Dopingmitteldelinquenz zur Verfügung stehen, können jedoch als Beleg dafür gewertet werden, dass ausschließlich die engere Zusammenarbeit für die Anzeige verantwortlich war. Für die bundesweite, einheitliche Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die für eine erfolgversprechende strafrechtliche Dopingverfolgung den ersten, unerlässlichen Schritt darstellt, sprechen noch weitere Gründe: Das größte Gewicht hat hierbei selbstverständlich die Effektivierung der Arbeit der Staatsanwaltschaft. Wenn Staatsanwälte mit Vorkenntnissen oder bestenfalls sogar speziell auf diesem Gebiet geschulte Staatsanwälte mit derartigen Fällen betraut werden, verkürzt sich notwendigerweise die Arbeitszeit.53 Sie können Tatbestände nach dem AMG besser überblicken, schneller erkennen, ob der Tatvorwurf haltbar ist und eine Anklage souveräner verfassen. Weiter können täterschaftliche Strukturen von den Schwerpunktstaatsanwaltschaften besser erfasst werden,54 was bei der häufig in Form der Organisierten Kriminalität begangenen Dopingdelinquenz55 von erheblicher Bedeutung sein kann. Ebenso spricht die in der Organisierten Kriminalität häufig anzutreffende überregionale Tatbegehung56 für die Einführung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften mit ihrem erweiterten Zuständigkeitsbereich57, der sich auf die Bezirke mehrerer Landgerichte oder Oberlandesgerichte erstrecken kann58. 52

Im NADA Jahresbericht 2011 (S. 15) heißt es hierzu, dass die NADA seit Anfang des Jahres 2011 die in Art. 14.2 NADC festgeschriebene Meldung an die staatlichen Ermittlungsbehörden „forciert“. 53 Zu den Problemen der Einarbeitung der Staatsanwälte bei Dopingprozessen siehe Seitz, NJW 2002, 2838 (2839). 54 So betont Beitlich, wistra 1987, 279 (281), dass Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die sich ausschließlich mit der Bearbeitung eines Kriminalitätsbereichs befassen, effizienter an der Erkennung und Erforschung der Strukturen jenseits der Einzeltat hin zum Tatkomplex arbeiten können. 55 Dass die Dopingdelinquenz häufig im Wege der Organisierten Kriminalität begangen wird, wurde auch vom Gesetzgeber erkannt, BT-Drucks. 16/5526, S. 9. 56 Vor allem bei überregionalen Netzwerkstrukturen, die sogar über die Grenzen Deutschlands reichen. Vgl. zum Trend der Internationalisierung: Droste, Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Organisierte Kriminalität – Versuch einer Bestandsaufnahme mit Blick auf das Ausland, 2002, S. 14 f. 57 Liebl, wistra 1987, 324 (325), der – zwar kritisch – anführt, dass der übergebietliche Bezug vieler Delikte zur Begründung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften herangezogen wurde. 58 Schmidt/Schoreit, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung mit GVG, EGGVG und EMRK, 6. Aufl. 2008, § 143 GVG Rn. 6.

64

Jan-Frederik Kolbe

Zuletzt spricht für die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, dass es die einzige Möglichkeit für den Staat ist, systematisch gegen Doping im Sport vorzugehen. Auf Bundesebene käme lediglich die Schaffung einer Zentralstelle in Betracht, die aber nicht der Strafverfolgung dienen würde, sondern lediglich der Dokumentation.59 Eine Strafverfolgung durch die Generalstaatsanwaltschaft wäre rechtlich nicht darstellbar, da sich deren Zuständigkeit wegen des Vorrangs der Hoheitsrechte der Länder nicht beliebig ausweiten lässt.60 Die auf Länderebene einzuführenden Schwerpunktstaatsanwaltschaften müssen von korrespondierenden polizeilichen Sonderermittlungsgruppen unterstützt werden61 und ihnen müssen – ähnlich dem Einsatz von Buchführern, Buchprüfern und sonstigen wirtschaftswissenschaftlich ausgebildeten Kaufleuten durch Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität62 – ärztliche Berater zur Seite stehen, um etwaig auftretende medizinische Fragen richtig einschätzen zu können. Wie eingangs erwähnt,63 müssen die einzelnen Schwerpunktstaatsanwaltschaften Kontakt zu der NADA und den jeweiligen Sportverbänden aufnehmen, ihnen feste Ansprechpartner nennen und idealerweise Schulungen für Delegierte der Verbände anbieten.64

IV. Verwendung von Aussagen aus dem Verbandsverfahren Um das Manko, dass es aufgrund der fehlenden Kooperationsbereitschaft des Sportlers im Strafverfahren regelmäßig keine Aussagen von ihm geben wird, zu relativieren, stellt sich die Frage, ob seine Aussagen aus einem zumeist zuvor geführten Verbandsverfahren im Strafprozess verwendet werden können.65 Da das im Ver59

Siehe hierzu Jahn (Fn. 19), S. 33 (47). Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping, S. 38; siehe hierzu auch Hauptmann, SpuRt 2005, 239 (243); Jahn, SpuRt 2005, 141 (145); ders. (Fn. 19), S. 33 (47). 61 So auch Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping S. 38; Körner, Betäubungsmittelgesetz, Arzneimittelgesetz – Kurzkommentar, 6. Aufl. 2007, Anhang D II zum AMG Rn. 161; Jahn (Fn. 19), S. 33 (48). 62 Liebl, wistra 1987, 13 (15). 63 Siehe hierzu oben, unter II. 2. 64 Bei derartigen Schulungen könnten Delegierten von Verbänden und der NADA strafrechtliche und strafprozessuale Aspekte der staatlichen Dopingbekämpfung nahegebracht werden. In materiell-strafrechtlicher Hinsicht wäre es sinnvoll, den Teilnehmern die dopingbezogenen Normen des AMG und des BtMG für Laien verständlich nahezubringen. Weiterhin sollten auch die möglichen strafrechtlichen Konsequenzen einer Nichtanzeige dargestellt werden (siehe hierzu Jahn, SpuRt 2005, 141 [145]). Im Rahmen der strafprozessualen Schulung sollten zum einen Fragen rund um den Anfangsverdacht und die Einleitung eines Strafverfahrens besprochen werden. Zum anderen wäre es von Vorteil, den Teilnehmern Musterschreiben zu überreichen, die – entsprechend der früheren Praxis des DSB (siehe hierzu Mayer, SpuRt 2002, 97 [99]) – als Hilfestellung für die Anzeigeerstattung dienen können. 65 Siehe hierzu ausführlich Kolbe (Fn. 8), S. 110 ff. 60

Wege zur Wiederbelebung „toten Rechts“

65

bandsverfahren geltende Prinzip der strict liability grundsätzlich im offensichtlichen Gegensatz zu dem strafprozessualen Schweigerecht steht,66 ist zu überprüfen, ob die vom Bundesverfassungsgericht für eine ähnliche Kollisionslage im Insolvenzrecht entwickelten Grundsätze der sogenannten Gemeinschuldnerentscheidung67 auch hier anzuwenden sind und somit ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist. 1. Das Prinzip der strict liability Das Prinzip der strict liability findet seine Anwendung im NADC bei positiven Dopingproben. Da es die Pflicht eines jeden Athleten ist, dafür Sorge zu tragen, dass keine verbotenen Substanzen in seinen Körper gelangen und er folglich für jeden Fund verantwortlich ist, ist es nicht mehr erforderlich, dass ihm Vorsatz, Verschulden, Fahrlässigkeit oder bewusster Gebrauch nachgewiesen wird.68 Eine positive Dopingprobe führt in der Folge automatisch zur Annullierung der Wettkampfergebnisse.69 Bezüglich weiterer Sanktionen hat der Athlet die Möglichkeit, diese durch seine aktive Mitwirkung zu verhindern oder eine Herabsetzung zu erreichen.70 Dieses Prinzip der Verschuldensvermutung sorgt somit für eine Beweislastumkehr im sportverbandsrechtlichen Verfahren.71 Dem Sportler erwächst eine Art faktische Aussagepflicht.72 2. Die Gemeinschuldnerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts Auch bei der Gemeinschuldnerentscheidung stand eine Aussagepflicht im Mittelpunkt der Überlegungen. Diese war jedoch in der damaligen Konkursordnung gesetzlich verankert und konnte mit hoheitlichen Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Aufgrund der Konfliktlage, sich entweder selbst einer strafbaren Handlung bezichtigen zu müssen oder zum eigenen Schutz vor Gericht die Unwahrheit zu sagen, erkannte das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung ein strafrechtliches Verwertungsverbot für etwaige Selbstbezichtigungen an.73

66

Jahn, SpuRt 2005, 141 (146). BVerfGE 56, 37 ff. 68 Art. 2.1.1 NADC. 69 Art. 9 NADC. 70 Siehe hierzu Art. 10.4, 10.5 NADC sowie NADC 2009, S. 91, Kommentar zu Artikel 2.1.1. 71 Kudlich, JA 2007, 90 (95). 72 Jahn, SpuRt 2005, 141 (146); Hauptmann/Rübenstahl, HRRS 2007, 143 (150) sprechen von einem „faktischen Druck“. 73 BVerfGE 56, 37 (41). 67

66

Jan-Frederik Kolbe

3. Vergleichbarkeit Eine Übertragung der Grundsätze der Gemeinschuldnerentscheidung auf den hier vorliegenden Sachverhalt kann jedoch nicht erfolgen, da die jeweiligen Kollisionslagen nicht miteinander vergleichbar sind. Sie unterscheiden sich bereits in zwei wesentlichen Punkten voneinander: Zunächst bestand bei der Gemeinschuldnerentscheidung eine gesetzliche Mitwirkungspflicht, wohingegen im sportverbandsrechtlichen Verfahren für den Athleten grundsätzlich nicht einmal eine Pflicht besteht, eine Aussage zu tätigen. Aber selbst wenn man den rein faktischen Zwang als eine solche tatsächliche Pflicht ansehen sollte, ist diese nicht mit der gesetzlichen Aussagepflicht aus dem Konkursverfahren vergleichbar, da sich der Athlet den verbandsrechtlichen Regelungen aufgrund eines freien Willensentschlusses selbst unterworfen hat.74 Das entscheidende Argument gegen eine Vergleichbarkeit der Kollisionslagen ist jedoch in der fehlenden Möglichkeit der Erzwingung der sportrechtlichen Mitwirkungspflichten durch hoheitliche, staatliche Gewalt zu erkennen.75 Besonders dieser Punkt steht allerdings bei der Gemeinschuldnerentscheidung erkennbar im Vordergrund.76 Die von Seiten der Sportverbände drohenden Sanktionen sind ausschließlich verbandsrechtlicher – also privatrechtlicher – Natur.77 Eine Erzwingung der Aussage durch hoheitliche, staatliche Gewalt ist nicht möglich. Eine Vergleichbarkeit muss mithin ausscheiden. Dieses Ergebnis wird zusätzlich von der Rechtsprechung des BGH zum Asylrecht gestützt.78 Dort gibt es – anders als im Sportverbandsrecht – sogar eine gesetzliche Mitwirkungspflicht, die jedoch in keiner Weise erzwingbar ist.79 Aber auch hier lehnte der BGH eine Vergleichbarkeit mit der Kollisionslage der Gemeinschuldnerentscheidung ab, da er die Mitwirkungspflicht wegen der fehlenden Zwangsmöglichkeiten als bloße Obliegenheit ansah.80 Somit ist zu erkennen, dass nicht einmal bei einer gesetzlichen Mitwirkungspflicht, die lediglich nicht durch Zwangsmittel durchgesetzt werden kann, ein Verwertungsverbot angenommen wird. Daraus ist zu schließen, dass es ein solches erst recht nicht bei einer freiwilligen Unterwerfung unter ein zivilrechtliches Regelwerk, das nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann und auch nur auf einem internen Interessenkonflikt beruht, vorliegen kann. 74 Hauptmann/Rübenstahl, HRRS 2007, 143 (150); König, JA 2007, 573 (576). Etwas Anderes könnte sich möglicherweise ergeben, wenn es sich bei den Sportlern um Bundespolizisten oder Bundeswehrsoldaten handelt. Auf diese Fragestellung soll hier nicht näher eingegangen werden. 75 So auch Hauptmann/Rübenstahl, HRRS 2007, 143 (150). 76 BVerfGE 56, 37 (50 f.); Hauptmann/Rübenstahl, HRRS 2007, 143 (150). 77 Hauptmann/Rübenstahl, HRRS 2007, 143 (150). 78 BGHSt 36, 328 ff. 79 Siehe hierzu BGHSt 36, 328 (333); Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825 (1827). 80 BGHSt 36, 328 (332 ff.).

Wege zur Wiederbelebung „toten Rechts“

67

V. Aussageanreize durch die Kronzeugenregelung und die verfahrensbeendende Verständigung Um trotz der fehlenden Kooperationsbereitschaft des Sportlers und der ihn umgebenden Schicksalsgemeinschaft an weitere Aussagen zu kommen, kann es mitunter von Nöten sein, in geeigneten Fällen durch die Anwendung der sogenannten Kronzeugenregelung oder im Wege der verfahrensbeendenden Verständigung Aussageanreize zu schaffen. 1. Die Kronzeugenregelung Für die Dopingdelinquenz wird seit Jahren in der Literatur über die Möglichkeit der Einführung einer sogenannten „kleinen“, dopingspezifischen Kronzeugenregelung diskutiert.81 Zuletzt hat auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport eine solche Regelung als befürwortenswert erachtet.82 Diese Diskussion hat sich jedoch seit der Einführung der sogenannten großen Kronzeugenregelung83 des § 46b StGB ein wenig entschärft. Dass sie jedoch noch nicht komplett hinfällig ist, liegt daran, dass von der neuen Kronzeugenregelung nur ein kleiner Bruchteil der Straftäter der Dopingdelinquenz erfasst wird. Zum einen werden nur Täter eines besonders schweren Falls einer Dopingstraftat erfasst, da der Normalfall nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist. Zum anderen können diese Täter nur in den Genuss der Kronzeugenregelung kommen, wenn sie Kenntnisse über eine weitere, als besonders schwerer Fall einzustufende Dopingstraftat preisgeben, da nur eine solche von dem Straftatenkatalog des § 100a II Nr. 3 StPO erfasst wird.84 Fast zwangsläufig stellt sich somit die Frage, ob trotz dieser deliktsübergreifenden Neuregelung noch eine weitere, dopingspezifische Kronzeugenregelung nach dem 81 Dury (Fn. 1), S. 1097 (1108); Jahn (Fn. 19), S. 33 (49); Körner, SpuRt 2002, 226 ff.; ders., KR 2003, 101 (101); Kudlich, JA 2007, 90 (95); Vieweg, SpuRt 2004, 194 (195, 197); Wüterich/Breucker, SpuRt 2002, 133 ff. 82 Der Bundesrat schlug die Aufnahme der folgenden Regelung in den 5. Absatz des § 95 AMG vor: „(5) Das Gericht kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2a, auch in Verbindung mit Absatz 3 Nr. 1 oder 2, und des Absatzes 2b die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2 des Strafgesetzbuches) oder von einer Bestrafung nach Absatz 2a oder 2b absehen, wenn der Täter 1. durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte oder 2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass Straftaten nach Absatz 2a, auch in Verbindung mit Absatz 3 Nr. 1 oder 2, oder des Absatzes 2b, von deren Planung er weiß, noch verhindert werden können“ (BT-Drucks. 16/5526, S. 11). 83 Der Begriff des Kronzeugen soll hier verwendet werden, auch wenn er sich in der gesetzlichen Regelung nicht findet. 84 Siehe zu den Voraussetzungen einer Erfassung Kolbe (Fn. 8), S. 127.

68

Jan-Frederik Kolbe

Vorbild des § 31 BtMG einzuführen ist. Das ist jedoch – zumindest solange der Strafrahmen der §§ 6a, 95 I AMG Bestand hat – abzulehnen.85 Neben den Argumenten, die allgemein gegen eine Kronzeugenregelung angeführt werden,86 spricht vor allem die mangelnde Kooperationsbereitschaft aufgrund der geringen Straferwartung des Grundfalls der §§ 6a, 95 I AMG gegen eine derartige Regelung.87 Darüber hinaus ist eine Erweiterung des Anwendungsbereichs – wie auch schon von der Bundesregierung angeführt88 – bereits nicht geboten. Die Anwendung der Kronzeugenregelung ist – auch im Hinblick auf das Gebot der Schuldangemessenheit der Strafe – nur dann gerechtfertigt, wenn die aufzuklärende bzw. zu verhindernde Straftat ein ganz erhebliches Gewicht aufweist und im Hinblick auf ihre Aufklärung ein tendenzielles Ermittlungsdefizit zu beklagen ist. Die Voraussetzungen werden einzig von den besonders schweren Fällen des § 95 III AMG erfüllt. Erstens sind dies besonders schwere Taten, die mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bedroht sind. Zweitens handelt es sich um Fälle der banden- und gewerbsmäßigen Kriminalität, die häufig von einer nach außen abgeschlossenen, abgeschotteten und daher schwer zugänglichen Gruppe begangen werden. Bei sonstigen Delikten im Zusammenhang mit Doping sind die Voraussetzungen nicht in vergleichbarer Weise erfüllt.89 2. Die verfahrensbeendende Verständigung Da ein Aussageanreiz in Strafverfahren mit Dopinghintergrund mithin nur selten durch den Einsatz der Kronzeugenregelung geschaffen werden kann, kommt der Schaffung eines solchen durch die verfahrensbeendende Verständigung eine umso größere Bedeutung zu.90 Auch sie geht von der Grundprämisse aus, dass ein Entgegenkommen des Beschuldigten durch eine mildere Strafe honoriert wird. Erkennt das Gericht in diesem Sinne in der Hauptverhandlung, dass Beweisprobleme eine Verurteilung nicht ohne weiteres zulassen, so kann es dem Beschuldigten eine Verständigung anbieten. Bei dieser ist in Strafverfahren mit Dopinghintergrund jedoch besonders darauf zu achten, dass das – gesetzlich nicht zwingend vorgesehene – Geständnis des Angeklagten zur Voraussetzung der Einigung gemacht wird, da durch

85

So auch Jahn (Fn. 19), S. 33 (49). Jahn (Fn. 19), S. 33 (49); Wüterich/Breucker, SpuRt 2002, 133 (135 f.); Kolbe (Fn. 8), S. 123 f. 87 Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping, S. 22; so auch Jahn (Fn. 19), S. 33 (49); Körner, KR 2003, 101 (102). 88 In ihrer Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf zum Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport, BT-Drucks. 16/5526, S. 12. 89 BT-Drucks. 16/5526, S. 12. 90 Dass dies bei den strukturell vergleichbaren Betäubungsmittelstrafverfahren bereits der Fall ist, führt Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, 3. Aufl. 2008, Kap. VII Rn. 266 aus: „Große praktische Bedeutung haben Absprachen daher gerade auch im Betäubungsmittelstrafrecht, was häufig mit besonderen Beweisschwierigkeiten in diesen Verfahren zu tun hat.“ 86

Wege zur Wiederbelebung „toten Rechts“

69

das Geständnis im Idealfall weitere Ermittlungsansätze erlangt werden können.91 In diesem Sinne sollte das Gericht sogar darauf hinwirken, dass das Geständnis auch die Beteiligung Dritter an der verfahrensgegenständlichen Tat umfasst.92 Nicht möglich ist hingegen, dass Aussagen über andere als in der Anklage aufgeführte Taten Dritter zum Gegenstand gemacht werden.93 Aufgrund der geringen Strafrahmen vor allem des Grundfalls der §§ 6a I, IIa, 95 I Nr. 2a, 2b AMG ist jedoch zu befürchten, dass der Anreiz einer Straferleichterung nicht sonderlich groß ist.94 Bei Sportlern kann allerdings ein zusätzliches Interesse daran bestehen, das Verfahren abzukürzen, um hierdurch nicht essentielle Trainingseinheiten oder Wettkämpfe zu verpassen.

VI. Kurzfazit Zusammenfassend muss erkannt werden, dass der sich dopende Sportler und die ihn umgebende Schicksalsgemeinschaft mitunter sogar noch weit weniger an einer Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden interessiert sind als Beschuldigte in anderen Deliktsbereichen. Umso mehr müssen die Strafverfolgungsbehörden – zur Wiederbelebung dieses „toten Rechts“ – versuchen, dieses Manko auszugleichen, indem sie, neben der berechtigten Hoffnung auf eine Verfahrenseinleitung durch andere Institutionen, die Aussagen des Beschuldigten aus einem zuvor geführten Verbandsverfahren für das Strafverfahren verwenden sowie durch den Einsatz der Kronzeugenregelung und der verfahrensbeendenden Verständigung in geeigneten Fällen Aussageanreize schaffen. Wie bereits in der verbesserten Kooperation der NADA mit den Strafverfolgungsbehörden zu erkennen ist, wird infolge einer – ohnehin zwingend erforderlichen – bundeseinheitlichen Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften auch die Kooperation der Verbände optimiert werden.

91

Siolek, Zur Fehlentwicklung strafprozessualer Absprachen, in: Hanack/Hilger/Mehle/ Widmaier (Hrsg.), Festschrift für Peter Rieß zum 70. Geburtstag am 4. Juni 2002, 2002, S. 563 (571); Kolbe (Fn. 8), S. 209 ff. 92 Siolek (Fn. 91), S. 563 (571) und Wieder, StV 2003, 266 (266), berichten aus der Praxis, dass derartige Aussagen – zumindest vor der Normierung der verfahrensbeendenden Verständigung – in zunehmendem Maße von den Gerichten angestrebt wurden. 93 Siehe hierzu ausführlich Kolbe (Fn. 8), S. 210 ff. 94 So in Bezug auf die Kronzeugenregelung: Abschlussbericht der Rechtskommission des Sports gegen Doping, S. 22; Jahn (Fn. 19), S. 33 (49); Körner, KR 2003, 101 (102).

Handel mit Dopingsubstanzen in der Europäischen Union Neuentwicklungen im Bereich der Strafbarkeit* Magdalena Ke˛dzior I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gründe für das Unionsinteresse am Handel mit Dopingsubstanzen . . . . . . . . . . . . . . 1. Gefahr für die öffentliche Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bekämpfung organisierter Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der freie Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahmen der EU-Institutionen zum Handel mit Dopingsubstanzen . . . . . . . . . 1. Weißbuch Sport (2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäischer Gipfel in Athen (2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitteilung der EU-Kommission an das Europäische Parlament (2011) . . . . . . . . . 4. Erklärung des Rates und der Mitgliedstaaten der EU zur Dopingbekämpfung im Freizeitsport (2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Problem des Handels mit Dopingsubstanzen in ausgewählten nationalen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nordische Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Italien, Frankreich und Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Anwendung der Bestimmungen des Lissabonner Vertrages auf den Handel mit Dopingsubstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 165 AEUV (ex Art. 149 EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 168 AEUV (ex Art. 152 EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Art. 88 AEUV (ex Art. 30 EUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Art. 83 AEUV (ex Art. 31 EUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Art. 114 AEUV (ex Art. 95 EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 73 73 74 75 75 75 77 78 79 79 79 80 81 81 83 83 85 85 86 87 88

I. Einleitung Obwohl die Antwort auf die Frage nach einer straf- oder verwaltungsrechtlichen Sanktionierung im Fall des Handels mit Dopingsubstanzen, insbesondere für den * Der Beitrag stellt eine überarbeitete und aktualisierte Version des englischsprachigen Aufsatzes der Autorin (Kedzior, Criminalization of trade and trafficking in doping substances in the European Union, ISLJ 2012/1 – 2, 20 ff.) dar.

72

Magdalena Ke˛dzior

persönlichen Gebrauch, von der persönlichen bzw. politischen Einstellung1 abhängt, wurden auf europäischer Ebene deutliche Schritte in Richtung Kriminalisierung unternommen.2 Im Weißbuch Sport (veröffentlicht 2007) hat die EU-Kommission die Mitgliedstaaten aufgerufen, den Verkehr mit Dopingsubstanzen genauso wie den Handel mit illegalen Drogen als rechtswidrig zu betrachten.3 Während der slowenischen Ratspräsidentschaft hat der dortige Sportminister sehr deutlich angekündigt: „Wir müssen eine Regel für die ganze EU entwickeln, damit jedes Land die Sache auf die gleiche Art und Weise betrachtet. Es kann nicht in einem Land erlaubt und in einem anderen verboten sein, weil die Verbrecher schlau sind und dies ausnutzen.“ Auf dem Ratsgipfel in Athen im Mai 2009 hat die EU-Kommission erneut die sich im Verzug befindenden Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, den Handel und den Verkehr mit Dopingsubstanzen zu kriminalisieren. Die Mitgliedstaaten wurden dazu angehalten, den Besitz von Dopingmitteln mit der Absicht, diese in Verkehr zu bringen, unter Strafe zu stellen.4 In der Mitteilung der EU-Kommission vom 18. 01. 2011 wurde etwas vorsichtiger betont, dass die EU-Kommission die Tendenz zur Einführung der strafrechtlichen Normen unterstütze und sich für die Verschärfung von Strafen einsetze.5 Es stellt sich daher die grundsätzliche Frage nach der Kompetenz der EU im Bereich der Harmonisierung und der Kriminalisierung des Handels mit Dopingmitteln sowie nach möglichen Rechtsgrundlagen hierfür. Ziel dieses Beitrages ist es zu erläutern, ob die angestrebte Kriminalisierung des Verkehrs mit Dopingsubstanzen auf europäischer Ebene rechtlich durchführbar ist und wenn ja, in welchem Umfang. Hierfür werden zunächst Gründe für das Engage1 Zur rechtlichen Einordung der Problematik der Dopingbekämpfung McKenzie, The use of criminal justice mechanisms to combat doping in sport, Sports Law eJournal, August 2007, 2 ff., abrufbar unter http://epublications.bond.edu.au/slej/4 (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014); eingehend zur strafrechtlichen Herangehensweise an die Durchsetzung des Anti-Dopingrechts und der Anti-Dopingpolitik Ammos, Anti-Doping Policy: Rationale or Rationalization? The development of Anti-Doping Policy since the 1920 s, 2009, S. 124 ff. 2 Zu der bis dahin jahrelang vertretenen Auffassung der EU, im Bereich des Dopings keine Kompetenzen zu besitzen, vgl. etwa An Vermeersch, The European Union and the fight against doping in sport: on the field or on the sidelines?, Entertainment and Sports Law Journal 04/ 2006, Rn. 9 ff. abrufbar unter http://go.warwick.ac.uk/eslj/issues/volume4/number1/vermeer sch/ (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 3 Der Europäische Pakt über den internationalen Drogenhandel, angenommen durch den Rat am 03. 06. 2010, sowie der Europäische Pakt über synthetische Drogen, initiiert durch die polnische Ratspräsidentschaft, bilden im Bereich des allgemeinen Drogenmissbrauchs letzte Initiativen, die auf die Beschränkung des Drogenhandels abzielen, so die Europäische Kommission, COM (2011) 689/2, Communication from the Commission to the European Parliament and the Council, Towards a stronger European response to drugs, abrufbar unter http://ec. europa.eu/justice/anti-drugs/files/com2011 – 6892_en.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 4 Die Schlussfolgerungen der EU-Anti-Doping-Konferenz, veranstaltet von der EU-Kommission in Athen, Griechenland vom 13.–15. Mai 2009, abrufbar unter http://ec.europa.eu/ sport/news/doc/athens_conf_conclusions_final_version_en.pdf (zuletzt abgerufen am 11. 10. 2011). 5 Abrufbar unter http://new.eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:52011 DC0012 (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014).

Handel mit Dopingsubstanzen in der Europäischen Union

73

ment der EU in Bezug auf die angesprochene Problematik (unter II.) sowie die Haltung der EU-Institutionen dazu aufgeführt (unter III.). Im Anschluss folgt eine Darstellung der relevanten Rechtslage in ausgewählten Mitgliedstaaten der EU, insbesondere in Deutschland und Polen (unter IV.). Abschließend werden die in Frage kommenden Vorschriften des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) erörtert (unter V.).

II. Gründe für das Unionsinteresse am Handel mit Dopingsubstanzen Da sich bereits einige internationale Organisationen wie der Europarat oder die UNESCO mit dem Problem des Verkehrs von Dopingsubstanzen befassen, scheint das Interesse der EU an der Problematik zunächst möglicherweise erstaunlich. Jedoch gibt es in diesem Zusammenhang zahlreiche Schnittstellen zwischen Doping und verschiedenen EU-Politiken. 1. Gefahr für die öffentliche Gesundheit Der weitverbreitete Konsum und der Zugang zu leistungssteigernden Drogen im Breitensport stellen insbesondere im Fall der jüngeren Sportler eine ernste Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar (die gem. Art. 168 AEUV Gegenstand der Unionspolitik ist). Anabolika und andere Dopingsubstanzen sind relativ kostengünstig und leicht erhältlich. Folgende Zahlen sind in diesem Zusammenhang mehr als aussagekräftig: 51 % der polnischen 17-Jährigen behaupten, es sei einfach, Anabolika (die meistbenutzte Dopingsubstanz) zu erwerben; 39 % glauben, sie könnten diese erwerben, wenn sie es wünschten. In Frankreich wird das Gleiche von 10 % und in Italien von 16 % der Jugendlichen behauptet.6 Die leistungssteigernden Substanzen werden sowohl im Leistungs- als auch im Freizeitsport verwendet, sobald sie auf dem Markt erscheinen.7 Laut des Eurobarometers von 2011 sind die Jugendlichen sogar imstande, die gefährlichsten Drogen innerhalb von 24 Stunden zu erwerben.8 Die Gefahr, welche durch die Möglichkeit zu dopen für die öffentliche Gesundheit entsteht,

6

European Commission, Flash Eurobarometer Nr. 330, Youth Attitudes on Drugs, S. 5, abrufbar unter http://ec.europa.eu/public_opinion/flash/fl_330_en.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 7 So etwa der Konferenzbericht The EU and Sport – Matching expectations, Konferenz der EU-Kommission mit der Europäischen Sportbewegung, Workshop Reports, Brussels 14./ 15. Juni 2005, abrufbar unter http://ec.europa.eu/sport/library/doc/c5/doc322_en.pdf (zuletzt abgerufen am 05. 10. 2011). 8 European Commission, Flash Eurobarometer Nr. 330, Youth Attitudes on Drugs, S. 5, abrufbar unter http://ec.europa.eu/public_opinion/flash/fl_330_en.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014).

74

Magdalena Ke˛dzior

wurde in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 12. 10. 2011 ausdrücklich als Grund für das Unionsinteresse erwähnt.9 2. Bekämpfung organisierter Kriminalität Ferner stellen der Handel mit illegalen Dopingsubstanzen sowie deren Herstellung und Verkehr (zumindest in einigen Ländern) eine Form organisierter Kriminalität (gem. Art. 67 ff. AEUV auch Gegenstand der EU-Politik) dar, über welche die internationale Gemeinschaft wenig Kontrolle zu haben scheint. Die letzten Jahre haben dabei wesentliche Änderungen gebracht: das rapide Auftauchen neuer Drogen sowie innovativer Distributionswege. Nach Angaben von Interpol ist der Verkehr mit leistungssteigernden Dopingsubstanzen wie Anabolika größer als der mit Marihuana, Heroin und Kokain zusammen.10 Insgesamt stammt die Mehrzahl der Dopingprodukte auf dem europäischen Markt aus Diebstählen aus Krankenhäusern bzw. aus ungesetzlichem Erwerb in kontrolliertem Umlauf (z. B. aus dem Erwerb von Dopingprodukten mittels gefälschter Rezepte) oder auch aus Einfuhren aus Drittländern. Interessanterweise decken sich die Importwege von Dopingsubstanzen mit jenen von „normalen Drogen“.11 Bereits in ihrem Hardop Forschungsprojekt (Harmonization of Methods and Measurements in the Fight against Doping) hat die EU-Kommission 1999 die Herausforderungen der Dopingbekämpfung erkannt. Eine davon war die fehlende Kooperation zwischen der medizinischen/laboratorischen und der staatsanwaltschaftlichen Seite.12 Solch ein Kooperationsbedarf wurde inzwischen in der Mitteilung der EU-Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (2011) bestätigt.13

9 Stellungnahme des Ausschusses der Regionen: Entwicklung der europäischen Dimension des Sports (2012/C 9/14), Amtsblatt der Europäischen Union vom 11. 01. 2012, C 9/74, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2012:009:0074: 0079:DE:PDF (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 10 Dazu Goodbody, Drugs in sport: War against doping to be boosted by Interpol, The Times vom 04. 10. 2006, abrufbar unter http://www.thetimes.co.uk/tto/sport/article2373960.ece (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 11 Eingehend zur Problematik des weltweiten Handels mit Dopingsubstanzen Donati, World traffic in doping substances, abrufbar unter http://www.wada-ama.org/rtecontent/docu ment/Donati_Report_Trafficking_2007 – 03_06.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014), S. 98 ff. 12 Vgl. dazu De Merode/Schamasch, European Commission Directorate General XII, Harmonization of Methods and Measurements in the Fight against Doping, (Hardop) – Final Report, Project SME4 – 1998 – 65 – 30, abrufbar unter http://ec.europa.eu/research/smt/hardopen.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 13 Siehe http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0012:FIN:DE :PDF (zuletzt abgerufen am 16. 07. 2014).

Handel mit Dopingsubstanzen in der Europäischen Union

75

3. Der freie Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt Schließlich wird auch der EU-Binnenmarkt, für den die Prinzipien der Freizügigkeit von Waren und Dienstleistungen gelten, durch den Handel mit Dopingsubstanzen beeinträchtigt. Sobald die Waren auf dem EU-Markt erscheinen, können sie frei in den 28 Mitgliedstaaten zirkulieren. Und obwohl die EU – global gesehen – mehr als Importeur und Verbraucher denn als Exporteur von Dopingsubstanzen gesehen werden muss, hat sie bisher noch keine gemeinsame Strategie der Einfuhrbegrenzung leistungssteigernder Mittel im Sport entwickelt. Auf weitere Überschneidungen der EU-Anti-Doping-Politik mit dem Unionsrecht, wie z. B. dem Verstoß gegen das Fairnessprinzip im Sport durch Doping, wird an dieser Stelle nicht eingegangen, da sie den Rahmen dieses Beitrages sprengen würden.

III. Stellungnahmen der EU-Institutionen zum Handel mit Dopingsubstanzen 1. Weißbuch Sport (2007) Als Reaktion auf die angesprochenen Entwicklungen hat die EU-Kommission, aufgerufen durch das Europäische Parlament, am 11. 07. 2007 das Weißbuch Sport14 und das begleitende Dokument Pierre de Coubertin Action Plan15 veröffentlicht und im Zuge dessen konkretere Ziele in der EU-Anti-Doping-Politik gesetzt.16 Die EU-Kommission schlägt unter Punkt 2.2 vor, die Kräfte im Kampf gegen Doping zu vereinen. Präzisiert werden sowohl die Rolle der EU in diesem Prozess als auch die Maßnahmen, die auf EU-Ebene unternommen werden sollen. Vor allem muss darauf hingewiesen werden, dass die EU-Kommission nicht darauf abzielt, den Dopinggebrauch durch Sportler selbst zu kriminalisieren. Auch der Besitz der Dopingsubstanz für den eigenen Gebrauch ist nicht von Interesse für die EU-Kommission. Der Schwerpunkt des Kommissionsinteresses liegt vielmehr auf der Kriminalisierung der dem Dopinggebrauch vorhergehenden Handlungen wie der Herstellung, der Verteilung und dem (weit zu verstehenden) Verkehr von Doping14 Europäische Kommission, 11. 07. 2007, COM (2007) 391 final, White Paper on Sport, online abrufbar unter http://new.eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1389190214 279&uri=CELEX:52007DC0391 (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 15 Europäische Kommission, 11. 07. 2007, COM (2007) 934 Commission Staff Working Document, Action Plan „Pierre de Coubertin” Accompanying document to the White Paper on Sport SEC (2007) 934, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do? uri=CELEX:52007SC0934:EN:NOT (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 16 Zur Einstellung europäischer Institutionen zum Problembereich Doping Kornbeck, The Fight against Doping, between Efficiency and Proportionality: a role for action taken at EU level?, in: Theeboom/Westerbeek/de Knop (eds.), EU-Involvement in Sport, Between inspiration and regulation, 2013, S. 15 ff.

76

Magdalena Ke˛dzior

substanzen. Darüber hinaus setzt die EU-Kommission voraus, dass das Problem des Dopings im Sport in einer ähnlichen Art und Weise wie der „normale“ Drogenmissbrauch betrachtet werden soll.17 Eine Begrenzung des Angebots an verbotenen Substanzen kann nach Ansicht der EU-Kommission durch verschiedene Maßnahmen erreicht werden. Beispielsweise kommt eine systematische Kontrolle innerstaatlich relevanter Einrichtungen wie Fitnessstudios in Frage. Erwünscht sei nach den Bestimmungen des Weißbuches eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Ermittlungsbehörden: dem Grenzschutz, den Zollbeamten, der nationalen und lokalen Polizei etc. Dies soll sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene geschehen und vor allem auf einem Informationsaustausch beruhen.18 Eine solche Zusammenarbeit ist nur in einigen Staaten wie Spanien, Italien und Frankreich rechtlich verankert. Auf internationalem Niveau fehlt es jedoch nach wie vor an einer entsprechenden Regelung. Auch die Nachfrage nach leistungssteigernden Mitteln im Sport kann nach Ansicht der EU-Kommission auf EU-Ebene mit Hilfe verschiedener Maßnahmen verringert werden. Dazu zählen die entsprechende Ausbildung der Sportler und der Informationsfluss in Form von besonderen Vorbeugungsprogrammen zur Aufklärung über Gesundheitsrisiken bei der Dopinganwendung (Punkt 2.2 des begleitenden Dokuments zum Weißbuch Sport).19 Es gibt nach Einschätzungen der EU-Kommission Bedarf, die Verfügbarkeit und Effektivität solcher Präventionskampagnen zu erhöhen. Insbesondere sollte man die jungen Athleten im Auge behalten, die dem größten Risiko ausgesetzt sind. Auch die Trainer und Ärzte sollen mit der Problematik des Dopings besser bekannt gemacht werden, damit sie dessen Auswirkungen auf den menschlichen Körper nachvollziehen können. Zu anderen Maßnahmen, welche die EU-Kommission im Weißbuch Sport für erwünscht erklärt, zählt die Unterstützung der Zusammenarbeit von Nationalen AntiDoping-Agenturen (NADOs). Solche Unterstützung kann in Form organisatorischer oder finanzieller Hilfe erfolgen. Die NADOs entstanden in der EU nach dem Jahr 2000, als klar wurde, dass eine erfolgreiche Dopingbekämpfung innerhalb des Ver17 Die neue Einstellung der EU-Kommission zur Anti-Doping-Strategie ist u. a. den Pressemeldungen zu entnehmen, abrufbar unter http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?re ference=IP/11/1236&type=HTML (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 18 Die WADA verweist auf die Australische Anti-Doping-Agentur (ASADA) als ein Beispiel eines seit 2006 gut funktionierenden Anti-Doping-Netzwerkes. Die ASADA sei bspw. befugt von anderen Ermittlungsbehörden Informationen über entsprechende Schmuggelfälle der verbotenen Substanzen zu sammeln. Mit relevanten Informationen bezüglich des beabsichtigten Empfängers kann die Agentur einen wegen Dopings verdächtigen Athleten identifizieren und kontrollieren (sog. targeted testing). Ausführlich zum australischen Modell der Anti-Doping-Bekämpfung im Regierungsbericht der WADA abrufbar unter http://www.wadaama.org/en/World-Anti-Doping-Program/Governments/Investigation–Trafficking/Investigati ons/Australian-Model/ (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 19 Europäische Kommission, 11. 07. 2007, COM (2007) 935 Commission Staff Working Document, The EU and Sport: Background and context, Accompanying document to the White Paper on Sport SEC (2007) 935, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/ EN/TXT/?uri=CELEX:52007SC0935 (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014).

Handel mit Dopingsubstanzen in der Europäischen Union

77

bandssystems unmöglich war.20 Ziel des Netzwerkes ist es, insbesondere einen besseren Informationsfluss und eine bessere Koordination der NADO-Aktivitäten hinsichtlich EU-bezogener Angelegenheiten zu gewährleisten. Koordinierungsmaßnahmen sollen sich u. a. auf Aktivitäten wie Forschung oder EU-weite Kampagnen im Bereich des Anti-Dopings sowie auf andere vorbeugende Maßnahmen, wie z. B. Aufklärungskampagnen in den Mitgliedstaaten beziehen. Der vorgeschlagene Informationsaustausch soll nach Vorstellung der EU-Kommission nach folgendem Muster ablaufen: Die nationalen Anti-Doping-Organisationen sollen im jeweiligen Mitgliedstaat der EU innerstaatlich mit den Zoll- und Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten. In Deutschland kooperiert die NADA beispielsweise bereits mit der Schwerpunktstaatsanwaltschaft München.21 Auf internationaler Ebene soll die Kooperation sowohl zwischen den nationalen Anti-Doping-Organisationen als auch zwischen den entsprechenden Ermittlungsbehörden stattfinden. Schließlich sollte das Netzwerk der NADOs dazu beitragen, eine gemeinsame Herangehensweise an die EU-Anti-Doping-Politik auf EU-Ebene zu entwickeln. Dadurch sollte die Rolle der EU innerhalb der WADA-Strukturen gestärkt werden. Im gleichen Sinne hat sich die EU-Kommission in der Mitteilung vom 18. 01. 2011 geäußert.22 Zu den neueren Vorschlägen gehört der Beitritt der EU zur Anti-Doping-Konvention des Europarates. 2. Europäischer Gipfel in Athen (2009) Auf dem Ratsgipfel in Athen im Mai 2009 hat die EU-Kommission die Mitgliedstaaten, die bislang untätig geblieben sind, dazu aufgerufen, den Handel mit Dopingmitteln strafrechtlich zu sanktionieren.23 Die Mitgliedstaaten wurden auch ermutigt, den Besitz von Dopingmitteln mit der Absicht, diese in den Handel zu bringen, zu kriminalisieren. 20 Die NADA in Deutschland wurde 2002 gegründet; die spanische AEA (Agencia Estatal de Antidopaje) im Jahr 2006. Nationale Anti-Doping-Agenturen sind in der Regel unabhängig und zuständig für allgemeine Anti-Doping-Präventionspolitik sowie Anti-Doping-Kontrollen (out of competition). Sie vertreten auch den jeweiligen Staat auf internationaler Ebene. In einigen Ländern, wie bspw. in Polen, werden die Aufgaben der NADA von einer der Regierung untergeordneten Organisation – Kommission für die Dopingbekämpfung im Sport – wahrgenommen. Zur Zusammensetzung und zum Aufgabenbereich der Kommission für die Dopingbekämpfung im Sport vgl. Art. 44 Sportgesetz vom 26. 06. 2010, Gesetzblatt Nr. 127, Pos. 857 von 2010 mit späteren Änderungen. Dazu Badura/Banasin´ski/Kałuz˙ny/Wojcieszak, Ustawa o sporcie, Komentarz, 2011, S. 467 ff. 21 Vgl. hierzu http://www.dosb.de/de/leistungssport/anti-doping/news/detail/news/bka_ staatsanwaltschaft_muenchen_und_nada_arbeiten_zusammen/ (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 22 Siehe http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0012:FIN:DE :PDF (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 23 EU-Anti-Doping-Konferenz in Athen, veranstaltet von der EU-Kommission 13.–15. Mai 2009, abrufbar unter http://ec.europa.eu/sport/news/doc/athens_conf_conclusions_final_versi on_en.pdf (zuletzt abgerufen am 03. 11. 2011).

78

Magdalena Ke˛dzior

3. Mitteilung der EU-Kommission an das Europäische Parlament (2011) In ihrer Mitteilung, veröffentlicht am 25. 10. 2011, hat die EU-Kommission betont, der Verkehr mit illegalen Drogen stelle eine der größten Herausforderungen für den grenzüberschreitenden Rechtsvollzug in der EU dar.24 Um diese Lücke zu beseitigen, hat die EU-Kommission vorgeschlagen, Interpol in grenzüberschreitende Dopingfälle einzubinden. Dieses Engagement soll vor allem auf der Erfassung und Auswertung vorhandener Informationen über den Missbrauch und Handel mit Dopingmitteln beruhen. Interpol, die älteste internationale Polizeibehörde, hat am 02. 02. 2009 einen Kooperationsvertrag mit der WADA (Welt-Anti-Doping-Agentur) diesbezüglich geschlossen.25 Es besteht auch ein entsprechender Vertrag zwischen Europol und Interpol vom 05. 11. 2001. Das Europäische Parlament hat in seinem Beschluss vom 14. 04. 2008 über das Weißbuch Sport in Erwägung gezogen, Europol im Kampf gegen den Verkehr mit illegalen Dopingmitteln einzubinden. Es wurde zu Recht betont, dass, bevor neue Partnerschaften (zwischen Interpol und der EU) gebildet werden, die bereits vorhandenen gestärkt werden sollen.26 Rechtliche Möglichkeiten einer etwaigen Einbindung Europols werden in Teil V. des vorliegenden Beitrages aufgezeigt. Zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission zählt auch das Vorhaben, die Anzahl der Dopingkontrollen in den EU-Mitgliedstaaten auf ein gleiches Niveau zu bringen. Angesichts finanzieller Schwierigkeiten vieler nationaler Anti-DopingAgenturen wird dies jedoch in absehbarer Zeit mit Sicherheit nicht einfach umzusetzen sein.

24 Europäische Kommission, COM (2011) 689/2, Communication from the Commission to the European Parliament and the Council, Towards a stronger European response to drugs, abrufbar unter http://ec.europa.eu/justice/anti-drugs/files/com2011 – 6892_en.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014); vgl. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-11 – 1236_de.htm (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 25 Andersen, WADA and Interpol join forces to combat doping, abrufbar unter http://play thegame.org/News/Up_To_Date/WADA_and_Interpol_join_forces_to_com bat_doping.aspx (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 26 Europäisches Parlament, Bericht zum Weißbuch Sport vom 14. 04. 2008, 2007/ 2261 (INI), abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP// TEXT+REPORT+A6 – 2008 – 0149+0+DOC+XML+V0//EN (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014); nach einem Bericht über die Aktivitäten von Europol im Jahre 2010 betrafen etwa ein Drittel aller Einsätze in der Unterstützung der Ermittlungsstellen der Mitgliedstaaten den ungesetzlichen Drogenhandel. Vgl. dazu Allgemeiner Bericht zu Europols Aktivitäten 2010, abrufbar unter https://www.europol.europa.eu/sites/default/files/publications/europolreview 2011.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014).

Handel mit Dopingsubstanzen in der Europäischen Union

79

4. Erklärung des Rates und der Mitgliedstaaten der EU zur Dopingbekämpfung im Freizeitsport (2012) Von den aktuellen Entwicklungen ist an dieser Stelle die Erklärung des Rates der EU und der Mitgliedstaaten vom 17. 04. 201227 bezüglich der Dopingbekämpfung im Freizeitsport hervorzuheben. Auch diesem Dokument lässt sich entnehmen, dass die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen wurden, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen und die Zusammenarbeit aller in die Dopingbekämpfung involvierten (öffentlichen und sportlichen) Institutionen zu stärken. Die EU-Kommission wurde interessanterweise vom Rat aufgerufen, Maßnahmen wie die Etikettierung von Nahrungsergänzungsmitteln oder Dopingtests im Freizeitsport künftig zu unterstützen. Jeder Mitgliedstaat soll entsprechende rechtliche Lösungen finden, um die Verfügbarkeit und den Gebrauch von Dopingsubstanzen zu begrenzen. Dazu zählen insbesondere Rechtsmittel wie Kontrollen, welche die Ermittlung und Bestrafung der ungesetzlichen Herstellung, des Handels, des Inverkehrbringens sowie des Besitzes dieser Substanzen in Einrichtungen wie Fitnessstudios ermöglichen.

IV. Das Problem des Handels mit Dopingsubstanzen in ausgewählten nationalen Rechtsordnungen Über die letzten zwei Dekaden haben zahlreiche europäische Länder den Handel mit Dopingsubstanzen kriminalisiert und pönalisiert. Es wurden auch, abgesehen vom Arznei- und Betäubungsmittelrecht, spezielle Rechtsakte, welche die Besonderheit des Dopings im Sport berücksichtigen, erlassen. Bereits eine oberflächliche Auswertung der nationalen Gesetze zeigt, dass sich die Kriminalisierungstendenzen auf solche Handlungen wie die illegale Herstellung und den Vertrieb von Dopingsubstanzen (Schweden, Dänemark), die Verabreichung von Dopingsubstanzen an den Sportler durch das Vereinspersonal (Spanien) und den Besitz größerer Mengen von Dopingsubstanzen (Deutschland, Spanien) beziehen. 1. Nordische Länder Traditionell strikte und detaillierte gesetzliche Regelungen bezüglich des Verkehrs von Dopingsubstanzen finden sich in den Gesetzen der nordischen Länder.28 27 Schlussfolgerungen des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Doping im Freizeitsport vom 19. 04. 2012, 8838/12, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/12/st08/st08838.en12.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 28 Eingehend zur Problematik der Rechtsharmonisierung im Bereich des Dopings sowie zur Rechtslage in verschiedenen europäischen Rechtsordnungen Vieweg/Siekmann (eds.), Legal Comparison and Harmonization of Doping Rules, 2007, S. 108 ff.

80

Magdalena Ke˛dzior

Zu den gesetzlich verbotenen Handlungen gehören u. a. die Herstellung (Dänemark und Finnland), die Ein- und Ausfuhr (Dänemark), die Lagerung (Norwegen), das Angebot (Schweden), der Vertrieb, der Erwerb und sogar der einfache Besitz von Dopingsubstanzen (Dänemark und Schweden). In diesem Aspekt sind schwedische und dänische Anti-Doping-Gesetze seit den 1990er Jahren mit dem Betäubungsmittelrecht vergleichbar. 2. Italien, Frankreich und Spanien Rigorose strafrechtliche Bestimmungen gelten auch in Italien und in Frankreich. In beiden Systemen sind Freiheits- oder Geldstrafen für den illegalen Verkehr von Dopingprodukten vorgesehen (Italien: 3 Monate bis zu 3 Jahre; Frankreich: bis zu 5 Jahre). Bei erschwerenden Umständen, wie z. B. der Teilnahme an einer organisierten, kriminellen Gruppe zwecks Dopingverkehrs, kommen sogar härtere Sanktionen zur Geltung. Die Tendenz, den Verkehr mit Dopingsubstanzen strafrechtlich zu regulieren, wurde auch durch Änderungen in spanischen und deutschen Gesetzen bestätigt. Spanisches Recht von 200629 verbietet z. B. den Besitz von Dopingsubstanzen zwecks Inverkehrbringens. Im Jahr 2006 führte Artikel 361 des spanischen Strafgesetzbuches eine strafrechtliche Verantwortung der Personen aus der Umgebung des Athleten für die Verbrauchserleichterung, das Angebot und die Verabreichung von Dopingsubstanzen an den Athleten ein. Die Freiheitsstrafe reicht von sechs Monaten bis zu zwei Jahren.30 Vergleichbar mit den französischen und italienischen Regelungen wurden auch ins spanische Recht neue Bestimmungen bezüglich der Zusammenarbeit von verschiedenen Ermittlungsbehörden in Dopingfällen aufgenommen.

29 Das spanische Gesetz vom 21. 11. 2006 über den Gesundheitsschutz und die Dopingbekämpfung im Sport, abrufbar unter http://www.boe.es/boe/dias/2006/11/22/pdfs/A40859 – 40879.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014), sieht eine strafrechtliche Verantwortung für die Gefährdung der öffentlichen Gesundheit durch die auf Doping bezogenen Aktivitäten im Sport vor. Ein neuer Abschnitt 361 BIS wurde also ins spanische Strafgesetzbuch (Ley Orgánica 10/1995) vom 23. 11. 1995, abrufbar unter http://noticias.juridicas.com/base_datos/ Penal/lo10 – 1995.l2 t17.html (zuletzt abgerufen 13. 03. 2014), eingeführt. Das Ziel der Novellierung war die Ermöglichung der Bestrafung der des Dopings schuldigen Personen aus dem Umfeld des Athleten sowie der Schutz der öffentlichen Gesundheit, die durch den unkontrollierten Handel mit gesundheitsschädigenden Produkten gefährdet wird. 30 Höhere Strafen wurden im spanischen Recht für die Verabreichung des Dopings an Minderjährige oder an die Sportler, welche unbewusst Doping anwenden, verankert. Außer strafrechtlichen Sanktionen wurden hier auch Berufsverbote für die im öffentlichen Sektor angestellten Personen vorgesehen, die wegen der Dopinganwendung im Sport verurteilt wurden.

Handel mit Dopingsubstanzen in der Europäischen Union

81

3. Bundesrepublik Deutschland Deutsche Regelungen müssen derzeit im europäischen Vergleich als umfangreich bewertet werden, wobei der deutsche Gesetzgeber die Problematik der Strafbarkeit des Handels mit Dopingmitteln bekanntlich nicht im StGB, sondern im Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt hat.31 Im deutschen Recht gilt seit 1998 das in § 6a AMG verankerte strafbare Verbot, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder an anderen anzuwenden. § 6a IIa AMG verbietet seit 2007 Arzneimittel in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken beim Menschen im Sport zu besitzen. Was unter nicht geringer Menge im Einzelfall zu verstehen ist, ist dabei der Dopingmittel-Mengen-Verordnung (DmMV) zu entnehmen.32 § 6a II 2 AMG führte die Etikettierungspflicht für die betroffenen Arzneimittel bezüglich deren möglicher Dopingeffekte im Sport ein. Verstöße gegen § 6a AMG werden mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet. In besonders schweren Fällen, wenn z. B. Dopingmittel an Minderjährige abgegeben werden oder beim gewerbsmäßigen Handel, ist eine Freiheitsstrafe nach § 95 III AMG von einem bis zu zehn Jahren vorgesehen. Gem. § 98 AMG können Gegenstände, auf die sich eine Straftat aus § 95 AMG bezieht, eingezogen oder beschlagnahmt werden. Nach § 4 I Bundeskriminalamtgesetz hat das Bundeskriminalamt die Ermittlungsbefugnis im international organisierten verbotenen Handel mit Arzneimitteln. Nach § 100a II Nr. 3 StPO kann bei Dopingdelikten mit Verdacht auf gewerbs- oder bandenmäßigen Handel eine Telefonüberwachung durchgeführt werden. 4. Polen In der Praxis findet in Polen auf den allgemeinen Handel mit Dopingmitteln das Gesetz über Pharmazeutika (polAMG) Anwendung.33 Das wird inoffiziell damit begründet, dass 90 % der angewandten Dopingmittel Arzneimittel sind. Nach Art. 124 des Gesetzes über Pharmazeutika sind das verbotene Inverkehrbringen und die Aufbewahrung mit dem Ziel des Inverkehrbringens von Arzneimitteln mit Geldstrafe oder Freiheitsbegrenzung oder -entzug bis zu zwei Jahren bedroht. Gleiches gilt nach Art. 125 polAMG im Fall der gesetzeswidrigen Herstellung von Arzneimitteln. Nach Art. 133 polAMG kann das Gericht den Verfall des Straftatgegenstandes auch dann anordnen, wenn dieser nicht im Eigentum des Straftäters stand. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen der Aufbewahrung und dem Inverkehrbringen von Do31

Zur aktuellen Rechtslage in Deutschland Jahn, SpuRt 2013, 90 ff. Die aktuelle Dopingmittel-Mengen-Verordnung vom 24. 06. 2013 (BGBl. I S. 1687), abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/dmmv_2013/BJNR168710013.html (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 33 Das Gesetz über pharmazeutische Mittel, medizinische Stoffe, Apotheken, Großhandel sowie über die pharmazeutische Aufsicht vom 10. 10. 1991, Gesetzblatt Nr. 105, Pos. 452 von 1991. 32

82

Magdalena Ke˛dzior

pingsubstanzen in geringer oder in nicht geringer Menge, was im Einzelfall zur Bestrafung sogar bezüglich kleinerer Mengen führen kann. Eine Telefonüberwachung ist nach Art. 237 Par. 3 Nr. 13 polStPO34 nur bei Verdacht des Handels mit Betäubungsmitteln und deren Ausgangsstoffen allgemein möglich bzw. nach Art. 237 Par. 3 Nr. 13 polStPO bei Verdacht einer Straftat im Rahmen einer organisierten kriminellen Gruppe. Das polnische Hauptkriminalamt (CBS) kann nach Art. 19 I Nr. 5 des Polizeigesetzes35 nur in Fällen des internationalen Handels mit Betäubungsmitteln eingebunden werden. Somit fehlt es an dessen Kompetenzen bezüglich des gesetzeswidrigen Handels mit anderen Arzneimitteln. Das Gesetz über die Entgegenwirkung der Drogensucht36 wird nur auf den Handel mit den Dopingmitteln angewendet, die zur Gruppe der Betäubungsmittel gehören. Im 7. Abschnitt des Gesetzes (Art. 53 ff.) werden insbesondere ausführlich die Herstellung, die Ein- und Ausfuhr, das Inverkehrbringen und die gesetzeswidrige Abgabe von relevanten Mitteln an Dritte strafrechtlich sanktioniert.37 Die einzigen strafrechtlichen Sanktionen des polnischen Sportrechts, die derzeit explizit auf Dopingdelikte Anwendung finden können, sind in Art. 50 Sportgesetz verankert.38 Wenn Doping im Zusammenhang mit sportlichem Wettbewerb oder im Prozess der Vorbereitung dazu an Minderjährigen (Art. 50 Abs. 1) oder an Personen, die sich dessen nicht bewusst sind (Art. 50 Abs. 2), angewendet wird, reichen die zu verhängenden Sanktionen von Geldstrafen bis zu Freiheitsbegrenzung und -entzug bis zu zwei Jahren. Der Gesetzgeber präzisiert dabei nicht, wann von sportlichem Wettbewerb oder vom Prozess der Vorbereitung dazu im Einzelfall auszugehen ist. Insgesamt sind die Anti-Doping-Bestimmungen des Sportgesetzes auf die Bekämpfung des Dopings im Profisport zugeschnitten. Nach Art. 43 des Sportgesetzes werden allgemein der Besitz einer Dopingsubstanz (Art. 43 Abs. 3) und die Abgabe einer solchen an den Athleten in Zusammenhang mit einem Sportwettbewerb oder mit der Vorbereitung dazu (Art. 43 Abs. 4), genauso wie das Inverkehrbringen eines Dopingproduktes und die Teilnahme am Handel mit Dopingsubstanzen (Art. 43 Abs. 6) als Dopingvergehen betrachtet, für welche ausschließlich Sport34 Die Strafprozessordnung vom 06. 06. 1997, Gesetzblatt Nr. 89, Pos. 555 von 1997 mit späteren Änderungen. 35 Das Polizeigesetz vom 06. 04. 1990, Gesetzblatt Nr. 30, Pos. 179 von 1990. Kotowski, Ustawa o policji: Komentarz, 2012, S. 389 ff. 36 Das Gesetz über die Entgegenwirkung der Drogensucht vom 29. 07. 2005, Gesetzblatt Nr. 179, Pos. 1485 von 2005. Eingehend dazu Waz˙ny, Ustawa o przeciwdziałaniu narkomanii: Komentarz, 2013, S. 338 ff. 37 Man muss dabei im Auge behalten, dass Dopingmittel existieren, die in Polen weder unter das Gesetz über Pharmazeutika noch unter das Gesetz über die Drogensuchtvorbeugung fallen. Dazu gehört beispielsweise das sog. Epitestosteron, das als Verschleierungssubstanz produziert wird. 38 Ke˛dzior/Gałe˛ski, in: Gniatkowski (Hrsg.), Ustawa o sporcie. Komentarz, 2011, S. 284 ff. Vgl. Cajsel, Ustawa o sporcie. Komentarz, 2011, S. 391.

Handel mit Dopingsubstanzen in der Europäischen Union

83

sanktionen (sprich: Suspendierung) drohen. Daraus folgt, dass die o. g. Vorschriften des Sportgesetzes nur auf sportliche Bestrafung der Personen aus dem Umfeld des Athleten ausgerichtet sind. Gegebenenfalls kann es aber zu erheblichen Beweisproblemen führen, wenn seitens der Ermittlungsorgane – in diesem Fall wären dies Disziplinarorgane des Vereins – nachgewiesen werden muss, dass der Besitz einer Dopingsubstanz im Zusammenhang mit einem Sportwettbewerb oder mit der Vorbereitung dazu steht. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass der Handel mit Dopingmitteln in polnischen Gesetzen derzeit nur fragmentarisch geregelt wird. Dies trägt nicht zur Rechtsklarheit und -sicherheit bei. In der Praxis kommt in den meisten Fällen das Gesetz über Pharmazeutika zur Anwendung, wobei dessen Regelungen, verglichen mit anderen Rechtsordnungen, alles andere als flächendeckend und ausreichend sind.

V. Die Anwendung der Bestimmungen des Lissaboner Vertrages auf den Handel mit Dopingsubstanzen Die Rechtsgrundlage für eine Unionsaktion im Bereich des Anti-Dopings, reguliert durch das Weißbuch Sport, kann in verschiedenen Rechtsgebieten des Unionsrechts gefunden werden. Um die mögliche Anwendung des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) auf den Handel mit Dopingmitteln darzustellen, wird im Folgenden auf Art. 165 AEUV (Sportpolitik der EU), Art. 168 AEUV (Schutz der öffentlichen Gesundheit), Art. 83 AEUV (gerichtliche und polizeiliche Zusammenarbeit in Strafsachen), Art. 88 AEUV (Kompetenzen von Europol) sowie auf Art. 114 AEUV eingegangen. 1. Art. 165 AEUV (ex Art. 149 EGV) In Art. 165 AEUV (ex Art.149 EGV) wurde die Rolle der EU im Sport konkretisiert.39 In Art. 165 Abs. 2 AEUV wird als Ziel der EU im Hinblick auf den Sport die „Entwicklung der europäischen Dimension des Sports durch Förderung der Fairness und der Offenheit von Sportwettkämpfen und der Zusammenarbeit zwischen den für den Sport verantwortlichen Organisationen sowie durch den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere der jüngeren Sportler“ festgelegt.40 Trotz der generellen Anerkennung der EU-Kompetenz im Hinblick auf die 39 Der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) wurde durch den am 13. 12. 2007 unterschriebenen Lissaboner Vertrag in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) umbenannt (und inhaltlich verändert). Der Vertrag über die Europäische Union (EUV) blieb als zweite Rechtsgrundlage für die Funktionsweise der EU in Kraft. 40 Allgemein zur EU-Sportpolitik Theeboom/Westerbeek/de Knop, EU-Involvement in Sport, Between inspiration and regulation, 2013, S. 11.

84

Magdalena Ke˛dzior

EU-Anti-Doping-Politik, stellt der AEUV der EU kein Mandat zur Verfügung, den Mitgliedstaaten gegenüber rechtsverbindliche Instrumente zu erlassen. Mit anderen Worten darf die EU weiterhin nur unterstützend, koordinierend und ergänzend zu den auf nationaler Ebene unternommenen Maßnahmen agieren. Vielmehr bleibt nach Art. 165 Abs. 4 AEUV jede Harmonisierung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten ausdrücklich ausgeschlossen. Zu den einzigen Rechtsakten der EU, die in Art. 165 Abs. 4 AEUV erwähnt werden, gehören die Empfehlungen, die der Rat auf Vorschlag der EU-Kommission erlassen kann. Somit kommt Art. 165 AEUVals mögliche Rechtsgrundlage für die künftige Kriminalisierung des Verkehrs von Dopingsubstanzen nicht in Frage. Wie in der Studie des Europäischen Parlaments zur europäischen Sportpolitik nach dem Lissaboner Vertrag betont wurde, schließt eine solche Formulierung des Art. 165 Abs. 4 AEUV (Verbot harmonisierender Maßnahmen im Bereich der Sportpolitik der EU) nicht aus, dass in der Tat harmonisierende Maßnahmen auf EU-Ebene verabschiedet werden, solange sie auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden.41 Art. 165 AEUV kann dabei einige praktische Auswirkungen für die Entwicklung der EU-Anti-Doping-Politik haben.42 Er schafft, wie erwähnt, eine Grundlage für die subsidiäre Rolle der EU in diesem Bereich. Dementsprechend können beispielsweise die auf dieser Grundlage erlassenen Empfehlungen die in den Mitgliedstaaten agierenden Ermittlungsstellen auf die gewünschte Vorgehensweise in der EU-Anti-Doping-Politik hinweisen. Eine Koordinierung der auf nationalen Ebenen unternommenen Maßnahmen kommt insbesondere bei Netzwerkbildungsprogrammen, Trainingskursen für die Funktionäre der Rechtsvollzugsstellen und EU-weiten Anti-Doping-Vorbeugungsprogrammen in Frage. Es scheint, dass der Austausch von Informationen, Ressourcen und besten Praktiken zwischen verschiedenen in Anti-Doping involvierten Stellen anhand rechtlich unverbindlicher Akte wie Empfehlungen oder Resolutionen erreicht werden kann. Beispielsweise im Bereich der allgemeinen Drogenmissbrauchsbekämpfung wurde die Zusammenarbeit zwischen Zoll- und Polizeibehörden in der Resolution vom 29. 11. 1996 reguliert.43 41

Beispielsweise wurden im Bereich der Sozialpolitik der EU, trotz Geltung des allgemeinen Harmonisierungsverbotes des Art. 151 AEUV (ex Art. 136 EGV), harmonisierende Rechtsakte auf der Grundlage des Art. 352 AEUV (ex Art. 308 EGV) verabschiedet. Danach kann der Rat der EU einstimmig handeln, wenn die Verabschiedung eines Rechtsaktes zur Erreichung eines Ziels der EU nötig ist; gleichzeitig fehlt es aber an einer entspechenden Stütze im Vertrag (sog. subsidiäre Kompetenzen des Rates). Auf Art. 308 EGV wurde beispielsweise nahezu die gesamte Gesetzgebung der EG zur Nichtdiskriminierung der Geschlechter gestützt. So beispielsweise Parrish/Garcia/Miettinen/Siekmann, The Lisbon Treaty and the EU Sports Policy, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/ documents/cult/dv/esstudyeusportspolicy/esstudyeusportspolicyen.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 42 Vgl. dazu Kornbeck, The Fight against Doping, between Efficiency and Proportionality: a role for action taken at EU level?, in: Theeboom/Westerbeek/de Knop (Hrsg.), EU-Involvement in Sport, Between inspiration and regulation, 2013, S. 33 ff. 43 Amtsblatt der EG vom 12. 12. 1996, C 375.

Handel mit Dopingsubstanzen in der Europäischen Union

85

2. Art. 168 AEUV (ex Art. 152 EGV) Nach Art. 168 AEUV (ex Art. 152 EGV) ist die Tätigkeit der Union auf die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit und die Verhinderung von Gesundheitsrisiken gerichtet. Gem. Art. 168 AEUV soll ein hohes Niveau an Gesundheitsschutz bei der Definierung und Implementierung von allen Unionspolitiken und Aktionen gewährleistet bleiben. Die Union ergänzt staatliche Maßnahmen, die auf die Reduzierung der drogenbezogenen Gesundheitsschäden gerichtet sind, einschließlich Informationen und andere vorbeugende Maßnahmen etwa durch die Anregung von Maßnahmen für eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Dennoch sollte in diesem Zusammenhang betont werden, dass die Gesetzgebungsbefugnis der EU, festgelegt in Art. 168 Abs. 4c AEUV, dem Art. 165 AEUV ähnelt und heutzutage jede Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten ausschließt. Zu den Rechtsmitteln, die auf dieser Rechtsgrundlage angenommen wurden, gehören insbesondere Entscheidungen, die Programme für Gesundheitsschutz und -verbesserung begründen.44 Die Festlegung einer Verantwortung für Handlungen wie den Besitz von Dopingsubstanzen oder die Verabreichung einer solchen Substanz an Athleten in einer Unionsentscheidung, erlassen auf der Grundlage des Art. 168 AEUV, kann zwar nicht ganz ausgeschlossen werden, bleibt aber dennoch zweifelhaft. Darüber hinaus kann der Rat im Bereich der öffentlichen Gesundheit Empfehlungen erlassen, die auf einen Informationsaustausch bezüglich Dopings zwischen den relevanten Ermittlungsbehörden und Sporteinrichtungen abzielen. Da Doping eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt, können spezielle Programme auch in die Gesundheitspolitik der Union integriert werden.

3. Art. 88 AEUV (ex Art. 30 EUV) Wie die EU-Kommission fordert, sollte Europol europaweit in die Bekämpfung des Handels mit Dopingmitteln eingeschaltet werden.45 Ohne Zweifel würde dies die Zusammenarbeit und den Austausch von Informationen der Polizei und anderer Verfolgungsorgane vereinfachen. Derzeit fehlt es dennoch an ausdrücklichen Kompetenzen von Europol im Bereich der Dopingmittel. In das Aufgabengebiet von Europol fällt heutzutage die Bekämpfung der auf Drogen und Betäubungsmittel bezogenen Kriminalität („illicit drug trafficking“). Sollte der Kompetenzbereich von Europol ausdrücklich auf Dopingmittel, die keine Drogen und Betäubungsmittel sind, erstreckt werden, so müssten Änderungen im Anhang der Entscheidung des Rates 2009/371/JHA vorgenommen werden. Nach Art. 88 AEUV beruht die Aufgabe 44

Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Vertrages über die Arbeitsweise der EU Saganek, Ochrona zdrowia, in: Barcz (Hrsg.), Prawo Unii Europejskiej. Zagadnienia systemowe, prawo materialne i polityki, 2005, S. 292 ff.; Kondrat, Zdrowie Publiczne, in: Kowalik-Ban´czyk/ Szwarc-Kuczer (Hrsg.), Traktat ustanawiaja˛cy Wspólnoty Europejskie, 2009, S. 1130 ff. 45 Zum Kompetenzbereich von Europol Galster, Podstawy prawa Unii Europejskiej zuwzgle˛dnieniem Traktatu z Lizbony, 2010, S. 380 ff.

86

Magdalena Ke˛dzior

von Europol bei der Bekämpfung besonders schwerer Kriminalität auf der Erleichterung der Kooperation zwischen den Polizeikräften aus verschiedenen Mitgliedstaaten. Die Erstreckung des Kompetenzbereiches von Europol auf die Dopingmittel scheint dabei relativ unkompliziert zu sein. Nach Art. 88 AEUV geschieht dies durch die Annahme einer entsprechenden Verordnung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, d. h. durch den Rat und das Europäische Parlament auf Vorschlag der EU-Kommission. 4. Art. 83 AEUV (ex Art. 31 EUV) Der Lissaboner Vertrag erklärt den Drogenhandel zu einem der besonders schwerwiegenden Verbrechen mit grenzüberschreitender Dimension, welches die Verabschiedung von Richtlinien zur Festlegung von Mindestregeln rechtfertigt. Nach Art. 83 AEUV können der Rat und das Europäische Parlament Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen in Bereichen besonders schwerer Kriminalität erlassen, die (aufgrund der Art oder der Auswirkungen der Straftaten oder aufgrund einer besonderen Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen) eine grenzüberschreitende Dimension haben. Unter derartigen Kriminalitätsbereichen wird im Art. 83 AEUV zwar allgemein organisierte Kriminalität erwähnt, explizit aber nicht die Bekämpfung des Handels mit Dopingsubstanzen. Findet dabei der Handel mit Dopingsubstanzen im Rahmen organisierter Kriminalität statt, ist Art. 83 AEUV bereits anzuwenden. Es scheint aber durchaus möglich, dass künftig Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen im Bereich des Dopingmittelhandels erlassen werden. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 83 S. 3 AEUV, demzufolge „je nach Entwicklung der Kriminalität der Rat einen Beschluss erlassen kann, in dem andere Kriminalitätsbereiche bestimmt werden.“ Um den Handel mit Dopingsubstanzen in den Geltungsbereich des Vertrages über die Arbeitsweise der EU zu stellen, müsste der Rat dementsprechend einen Beschluss fassen, in dem er die im Zusammenhang mit Dopingmitteln stehenden Handlungen als Straftaten mit grenzüberschreitender Dimension ansehen würde. Der Rat sollte nach Art. 83 AEUV einstimmig handeln, nachdem er die Zustimmung des Europaparlaments erhalten hat. In einem solchen Fall kann auf der europäischen Ebene der Handel mit Dopingsubstanzen durch die Verabschiedung rechtsverbindlicher Akte (Richtlinien) rechtlich angeglichen werden. Den heutzutage in diesem Bereich bezüglich des illegalen Drogenhandels anzuwendenden Rechtsakt bildet der Rahmenbeschluss des Rates 2004/757/JA vom 25. 10. 2004.46 Ziel dieses Rahmenbeschlusses war es, den Drogenhandel zu bekämpfen sowie das Angebot und den Gebrauch von Drogenmitteln zu beschränken. Er 46

Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates vom 25. 10. 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels, Amtsblatt der EU 335/8 L vom 11. 11. 2004, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2004:335:0008:0011:de: PDF (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014).

Handel mit Dopingsubstanzen in der Europäischen Union

87

legte die von den Mitgliedstaaten zu befolgenden Mindestvorschriften fest. Sein Text beginnt mit einer Liste von strafbaren Handlungen bezüglich des Drogenhandels. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen gegen natürliche Personen, die in einen solchen Handel involviert sind, vorzunehmen. Schließlich legt er Mindeststrafen für Handlungen bezogen auf den Drogenhandel, wie die Herstellung, die Extraktion, den Verkauf, den Transport, die Einfuhr sowie die Ausfuhr fest. Als Straftaten im Zusammenhang mit dem illegalen Dopinghandel werden dabei auch der Besitz und der Ankauf von Drogen in der Absicht, sich an Handlungen bezogen auf den Drogenmittelhandel zu beteiligen, betrachtet. In Bezug auf den Gegenstand dieses Beitrages sollte betont werden, dass in der Mitteilung der EU-Kommission, welche den Rahmenbeschluss 2004/757/JAI vorschlug, ein klarer Unterschied zwischen dem Drogentransfer zum Zwecke der Gewinnerzielung, welcher den Drogenverkehr ausmachen würde, und dem Drogentransfer für andere Ziele wie dem eigenen Gebrauch, gemacht wurde.47 Die Bewertung der EU-Kommission zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses hat dabei gezeigt, dass dieses Instrument kaum zu einer Annäherung der nationalen Maßnahmen im Kampf gegen den Drogenhandel geführt hat. Nicht zuletzt weil für die Nichtumsetzung des Rahmenbeschlusses keine rechtlichen Konsequenzen vorgesehen waren.48 5. Art. 114 AEUV (ex Art. 95 EGV) Als nächstes sollen Vorschriften, die das Funktionieren des Binnenmarktes in der EU regulieren, im Hinblick auf eine künftige Rechtsgrundlage für die Regulierung des Verkehrs mit Doping erläutert werden. Nach Art. 114 AEUV (ex Art. 95 EGV) beschließt der Rat Maßnahmen zur Rechtsangleichung der Vorschriften der Mitgliedstaaten, welche zum Ziel die Gründung und das Funktionieren des Binnenmarktes haben.49 Wie im Bereich der Betäubungsmittel betrifft der Verkehr von Dopingprodukten den gemeinsamen Markt. Auf dieser Rechtsgrundlage könnten zum einen Grundsätze des Imports von Dopingmitteln in die EU (durch Kennzeichnung und Lizenzierungspflichten) und zum anderen die Prinzipien innergemeinschaftlichen Handels (bspw. durch Genehmigungen für die Herstellung und Distribution) festgelegt werden. Für die Nichtbeachtung dieser Grundsätze, also für den Handel ohne erforderliche Genehmigung und außerhalb der erlaubten Distributionswege, könnten strafrechtliche Sanktionen drohen, genauso wie es im Fall der üblichen Drogen in den Verord47 Vorschlag der EU-Kommission für den Rahmenbeschluss 2004/757/JAI Com/2001/0259 final – CNS2001/0114, Amtsblatt der EU C 304E vom 30. 10. 2001, S. 0172 – 0175. 48 Nach den Bestimmungen des Vertrages von Lissabon sollen dennoch ab dem 01. 01. 2014 im Bereich des sog. Raumes der Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit verbindliche sekundäre Akte des Unionsrechts wie Verordnungen und Richtlinien verabschiedet werden, Kus´, Prawo Unii Europejskiej z uwzgle˛dnieniem Traktatu z Lizbony, 2008, S. 193 ff. 49 Dazu beispielsweise Kus´, Prawo Unii Europejskiej z uwzgle˛dnieniem Traktatu z Lizbony, 2008, S. 332 ff.

88

Magdalena Ke˛dzior

nungen des Rates 273/2004 vom 11. 02. 200450 und 111/2005 vom 22. 12. 200451 geregelt wurde. Analoge Regelungen für Dopingmittel erscheinen bereits nach der geltenden Rechtslage möglich und erwünscht. Die Harmonisierung von Maßnahmen zur Kontrolle der Herstellung und des Inverkehrbringens bestimmter chemischer Produkte, die oft zur Produktion von illegalen Dopingsubstanzen verwendet werden, ist daher auf der Grundlage des Art. 114 AEUV denkbar.

VI. Zusammenfassende Bemerkungen Die durchgeführte Auswertung hat gezeigt, dass zwischen den gesetzlichen Regelungen der EU-Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede bezüglich des Umfangs der Kriminalisierung von dopingbezogenen Handlungen, sowie der dafür vorgesehenen Sanktionen bestehen. Es wurde insbesondere am Beispiel der deutschen und polnischen Rechtslage dargestellt, dass sich die Regelungen der Bekämpfung des Handels mit Dopingsubstanzen wesentlich voneinander unterscheiden können. Im Gegensatz zu den deutschen Regelungen sehen die polnischen Vorschriften beispielsweise keine Strafschärfung für banden- oder gewerbsmäßigen Handel mit Arzneimitteln, keine Etikettierungspflicht der betroffenen Arzneimittel52 und keine Ermittlungsbefugnis der Hauptverfolgungsorgane im international organisierten Handel mit Dopingmitteln vor. Solche Divergenzen tragen nicht zur Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei der Bekämpfung des Handels mit Dopingsubstanzen, insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext, bei. Wie dargestellt, hat das wachsende Problem der Verfügbarkeit der Dopingsubstanzen Tendenzen zur Kriminalisierung in einigen Mitgliedstaaten der EU ausgelöst 50 Die Verordnung Nr. 273/2004 regelt Grundsätze der Lizenzierung, der Kennzeichnung sowie der Kundenerklärung über den Verbrauch erworbener Substanzen, die im Anhang aufgelistet sind. Amtsblatt der EU L 074 vom 18. 02. 2004. 51 In der Verordnung (EG) Nr. 111/2005 des Rates vom 22. 12. 2004 zur Festlegung von Vorschriften für die Überwachung des Handels mit Drogenausgangsstoffen zwischen der Gemeinschaft und Drittländern wurden externe Aspekte von Einfuhren der Drogenausgangsstoffe festgelegt. Dazu gehören insbesondere die Grundsätze der Handelsüberwachung zwischen der Gemeinschaft und Drittländern. Nach der Verordnung müssen alle Importeure von Drogenausgangsstoffen lizenziert werden. Sie wurden auch zur ordentlichen Kennzeichnung und Dokumentierung von importierten Substanzen verpflichtet. Den Mitgliedstaaten wurde auferlegt, gegen alle, die gegen die in der Verordnung niedergelegten Grundsätze verstoßen, gerichtlich vorzugehen. Abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do? uri=CELEX:32005R0111:DE:NOT (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 52 In der Verordnung des Gesundheitsministers vom 20. 02. 2009 über die Etikettierungsanforderungen der medizinischen Produkte und über den Inhalt der Packungsbeilage werden keine Etikettierungspflichten bezüglich der möglichen Dopingeffekte der Arzneimittel aufgeführt. Gesetzblatt Dz.U.09.39.321 vom 13. 03. 2009, abrufbar unter http://www.mz.gov.pl/ wwwmz/index?mr=m1&ms=904&ml=pl&mi=904&mx=0&mt=&my=9&ma=012313 (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014).

Handel mit Dopingsubstanzen in der Europäischen Union

89

und zum politischen Willen geführt, es auf der gemeinsamen Basis innerhalb der EU zu lösen. Die im Weißbuch Sport von der Europäischen Kommission festgeschriebenen Erklärungen scheinen für die EU richtungsweisend zu sein. Dennoch müsste, um eine entsprechende EU-weite Harmonisierung der Strafbarkeitsvoraussetzungen zu erreichen, wie der bereits zitierte slowenische Sportminister darlegte, „viel mehr Arbeit getan werden“. Aufgrund der geltenden Rechtslage kann zurzeit eine Rechtsangleichung der für den gemeinsamen europäischen Markt relevanten Aspekte in Frage kommen. Hier geht es besonders um die Genehmigungsproblematik bei der Herstellung von Dopingmitteln sowie um die Aspekte des Handels mit Dopingsubstanzen wie zum Beispiel um die Etikettierung relevanter Arzneimittel. Die Nichtbeachtung bestimmter Normen kann dabei, wie bei der allgemeinen Drogenproblematik, mit einer europäischen Mindeststrafe bedroht sein. Dargelegt wurde, dass rechtliche Möglichkeiten bestehen, Europol in die Bekämpfung des Dopingmittelhandels einzuschalten. Denkbar ist auch eine Förderung der Zusammenarbeit der Verfolgungs- und Ermittlungsbehörden hinsichtlich des international organisierten Handels mit Dopingmitteln. Als rechtlich unproblematisch erweist sich auch die Förderung der Zusammenarbeit aller für die Dopingbekämpfung zuständigen Stellen, etwa bezüglich der Vorbeugungsprogramme. Es fehlt dennoch an Harmonisierungskompetenzen der EU bezüglich solcher Fragen, die den einfachen Besitz des Dopingmittels für den eigenen Gebrauch oder die Verabreichung eines solchen Mittels an den Athleten betreffen. Man kann daher vermuten, dass in diesen Bereichen Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten auch künftig bestehen bleiben. Beim Thema Strafbarkeit des Handels mit Dopingmitteln sollte aber berücksichtigt werden, dass der dargestellte mögliche Einfluss des EU-Rechts konkrete Formen annehmen kann. Ob es dazu in der Tat kommen wird, hängt zum Großteil vom politischen Willen in den Mitgliedstaaten der EU und in den europäischen Institutionen ab.

Privilegien für Ausrichter internationaler Sportgroßveranstaltungen Dargestellt am Beispiel der Körperschaftsteuerbefreiung der FIFA anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland Florian Knerr I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Internationale Sportgroßveranstaltungen (Mega-Events) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ökonomische und politische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Forderungen der FIFA für die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 . . . . . . . 1. Bewerbungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätzliche Steuerpflichtigkeit der FIFA in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Steuerbefreiung durch Beschluss gem. § 50 Abs. 7 a. F. EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahren und Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik an der Steuerbefreiung für die FIFA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Heranziehung des § 50 Abs. 7 a. F. EStG als Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . aa) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gleichheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Steuergerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Neuregelung des § 50 EStG durch das JStG 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 92 92 94 95 95 96 97 97 97 97 97 99 99 99 100 100 101 101 102

I. Einleitung Das Ringen um Ruhm, Ehre und Geld in großen Wettkämpfen ist so alt wie der Sport selbst.1 Mit ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit und ihrer stetig wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung versorgen Sportgroßveranstaltungen den Sport und damit

1 Siehe hierzu Hilpert, Die Geschichte des Sportrechts, 2011. Hilpert zitiert bereits im Vorwort den Apostel Paulus mit den Worten: „Wer an einem Wettkampf teilnimmt, erhält den Siegerkranz nur, wenn er nach den Regeln kämpft.“ (Brief an Timotheus, Kap. 2, Vers 18)

92

Florian Knerr

auch das Sportrecht mit immer neuen interessanten Fragestellungen.2 Eine allgemeine Tendenz, die bei allen Sportgroßveranstaltungen zu beobachten ist, ist die Forderung der die Spiele vergebenden internationalen Verbände nach immer weiter gehenden staatlichen Ausnahmeregelungen.3 Dabei darf diese Entwicklung keineswegs verwundern. Selbst wohlhabende und demokratisch verfasste Industriestaaten sind offensichtlich zu immer neuen Zugeständnissen bereit, um ihre nationalen Sportverbände im Wettbewerb um die Ausrichtung prestigeträchtiger Veranstaltungen zu unterstützen. Dass die internationalen Verbände diese Wettbewerbssituation ausnutzen, erscheint da nur folgerichtig. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass eine Optimierung der Gewinne letztlich auch wieder dem Sport zugute kommt. Nichtsdestotrotz gelten auch für die internationalen Sportverbände die Gesetze des gastgebenden Staates. Daher sind auch alle Garantien und Privilegierungen stets auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. In diesem Beitrag soll nun ein besonders anschauliches Beispiel für eine staatliche Privilegierung überblicksartig untersucht werden, namentlich die Körperschaftsteuerbefreiung der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) im Zuge der Bewerbung des Deutschen Fußballbundes (DFB) um die Ausrichtung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006.

II. Internationale Sportgroßveranstaltungen (Mega-Events) 1. Begriffsbestimmung Anlass der zu untersuchenden staatlichen Maßnahme war die Bewerbung des DFB um die Ausrichtung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006.4 Diese stellt ein sogenanntes sportliches Mega-Event dar.5 Während es in der Sportökonomie ver-

2 Als Beispiele aus den letzten Jahren seien hier nur die Frage der geschlechtlichen Identität von Athleten, Nominierungsansprüche gegen Verbände, kommerzielle Bannmeilen und Schadensersatzansprüche von Heimatvereinen für Verletzungen ihrer Athleten bei internationalen Turnieren genannt. 3 Diese Forderungen sind keineswegs immer rein wirtschaftlich motiviert. Ein aktuelles Beispiel stellt die Kontroverse um eine mögliche Aussetzung des russischen „Gesetzes zum Verbot von Homosexuellen-Propaganda“ anlässlich der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi dar. So begrüßenswert die Aussetzung dieses Gesetzes aus menschenrechtlichen Gründen auch sein mag, so bereitet die temporäre Außerkraftsetzung eines Parlamentsgesetzes durch die Regierung anlässlich eines Sportereignisses auf Druck des Verbandes unter rechtsstaatlichen und demokratischen Gesichtspunkten doch erhebliche Bedenken. 4 In den Medien war vielfach von einer „Bewerbung Deutschlands“ bzw. der „deutschen Bewerbung“ die Rede. So erscheint die Klarstellung angebracht, dass sich formell der nationale Verband bei der FIFA bewirbt, dabei allerdings notwendigerweise von staatlicher Seite unterstützt wird. 5 Nach dem hier zu Grunde gelegten Verständnis stellen sportliche Mega-Events die oberste Kategorie der Sport(groß)veranstaltungen dar.

Privilegien für Ausrichter internationaler Sportgroßveranstaltungen

93

schiedene Abgrenzungskriterien zur Bestimmung von Mega-Events gibt, haben sich drei wesentliche Charakteristika als grundlegend herausgestellt.6 Zunächst muss es sich um ein singuläres Ereignis für das Gastgeberland handeln. Regelmäßig stattfindende nationale Sportwettkämpfe sind somit ausgeschlossen.7 Für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft ist dieses Kriterium mit Sicherheit gegeben. In der Tat hatten bisher nur 16 von aktuell 209 Mitgliedsverbänden der FIFA überhaupt jemals die Ehre der Austragung einer FIFA Fußball-Weltmeisterschaft. Nur fünf Verbände trugen bisher die Weltmeisterschaft mehr als einmal aus.8 Prägend für Mega-Events ist darüber hinaus, dass die Vorbereitung ein Vielfaches mehr an Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt als die eigentliche Durchführung. Auch dies kann im Hinblick auf die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft eindeutig festgestellt werden. So nimmt die Organisation einer Weltmeisterschaft inklusive Bewerbung mehrere Jahre in Anspruch. Die vom gastgebenden Verband organisierte Endrunde dauert dagegen nur ca. einen Monat. Schließlich werden Mega-Events durch ihre Nichtwiederholbarkeit charakterisiert. Der Erfolg jahrelanger Planungs- und Organisationsarbeit und damit die teils massiven ökonomischen und politischen Folgen hängen damit von einem nur einige Wochen andauernden Event ab. Die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft stellt hier, neben den Olympischen Spielen, geradezu das Paradebeispiel dar. Über diese drei Kriterien hinaus ist für die sportlichen Mega-Events mittlerweile auch ein internationaler Wettbewerb prägend geworden, in dem die nationalen Verbände mit Unterstützung ihrer Regierungen um die Ausrichtung konkurrieren.9 Gerade dieser Wettbewerb stellt letztlich auch den Grund für die hier zu untersuchenden Privilegierungen dar, die die Staaten den internationalen Verbänden gewähren. Schließlich wird vielfach auch auf die mediale Rezeption zur Bestimmung von Mega-Events zurückgegriffen.10 Letztlich stellt die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft zusammen mit den Olympischen Spielen und, mit Abstrichen, der UEFA Fußball-Europameisterschaft das klassische Beispiel für ein sportliches Mega-Event dar. Veranstaltungsturnus, Aufwand, Nichtwiederholbarkeit sind zweifelsfrei gegeben, der Wettbewerb um die Ausrichtung und die mediale Rezeption suchen ihresgleichen. Das bedeutet natürlich 6 Kriterien nach Kaiser, Ökonomische, ökologische und soziale Wirkungen der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, 2007, S. 8 f. 7 Dieses Kriterium kann durchaus kritisch hinterfragt werden. Immerhin existieren nationale Wettbewerbe, deren Wirkung diejenige der meisten internationalen Wettbewerbe deutlich übersteigt. Offensichtlichstes Beispiel ist das Finalspiel der US-amerikanischen FootballLiga, der sogenannte Super Bowl. 8 Italien, Frankreich, Mexiko, Deutschland und Brasilien. 9 So bewarben sich neben dem DFB auch die Verbände Brasiliens, Marokkos, Englands und Südafrikas um die Ausrichtung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006. 10 Maennig/Zimbalist, What is a mega sporting event, in: Maennig/Zimbalist (eds.), International Handbook on the Economics of Mega Sporting Events, 2012, Kap. 2 S. 9.

94

Florian Knerr

auch, dass die Entscheidungen von Legislative und Exekutive in Bezug auf solche Mega-Events stets Einzelfallentscheidungen bleiben. Es kann sich praktisch keine Weltmeisterschafts- oder Olympia-Verwaltungspraxis entwickeln, weil sich solche Veranstaltungen innerhalb einer Generation kaum einmal wiederholen. 2. Ökonomische und politische Bedeutung Im Rahmen der Bewerbung und Ausrichtung eines sportlichen Mega-Events wie der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft werden häufig die erwarteten positiven ökonomischen Folgen angeführt.11 Unabhängig von der Frage der Legitimität dieser rein wirtschaftlichen Argumentationsweise bereitet hierbei aber schon die verlässliche Schätzung der ökonomischen Kosten und Gewinne erhebliche Schwierigkeiten. So muss mit einem Blick auf die Geschichte festgestellt werden, dass die direkten finanziellen Folgen sportlicher Mega-Events stark variieren. Beispielsweise verursachten die Olympischen Spiele von Montreal 1976 einen Verlust von ca. 1,2 Mrd. US-Dollar, den der Steuerzahler letztlich tragen musste. Zwölf Jahre später schrieben die Spiele von Seoul 1988 einen Gewinn in Höhe von ca. 500 Mio. US-Dollar.12 Aufgrund der zunehmenden Professionalisierung sind die direkten Folgen heute meist positiv.13 Schwerer zu bestimmen sind nach wie vor die indirekten wirtschaftlichen Folgen der Veranstaltungen.14 Hier können insbesondere die Präsentation des Standorts als Tourismusziel, die weitere Nutzung der Sportanlagen und der langfristige Ausbau der Infrastruktur positive Effekte erzielen. Als Musterbeispiel gilt bis heute die bayerische Landeshauptstadt München, wo im Zuge der olympischen Spiele 1972 und der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 1974 ein U-Bahn-Netz geplant und realisiert wurde, das bis heute zu einem der besten Nahverkehrssysteme Europas gehört.15 Darüber hinaus konnte München auch bezüglich der weiteren effektiven Nutzung der Sportinfrastruktur Maßstäbe setzen. Gerade in den letzten Jahren sind die Weltverbände in diesem Bereich in die Kritik geraten, weil bei Mega-Events in Schwellenländern zunehmend Prachtbauten errichtet wurden, deren weitere sinnvolle Nutzung zumindest fraglich erscheint.16 Hier 11 Baade, The economic impact of mega-sporting events, in: Andreff/Szymanski (eds.), Handbook on the Economics of Sport, 2009, Kap. 16 S. 177. 12 Zahlen nach Kaiser (Fn. 6), S. 12. 13 Raupach, SpuRt 2008, 241, bezeichnet Welt- und Europameisterschaften sowie Olympische Spiele zutreffend als „Höhepunkte der Kommerzialisierung“ des Sports. 14 Kesenne, The economic impact, costs and benefits of the FIFA World Cup and the Olympic Games: who wins, who loses?, in: Maennig/Zimbalist (eds.) (Fn. 10), Kap. 16 S. 270. 15 Kaiser (Fn. 6), S. 13. 16 So ist die Auslastung der meisten im Zuge der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika und der UEFA Fußball-Europameisterschaft 2012 in der Ukraine und in Polen neugebauten Stadien sehr fraglich. Erste Stadien werden bereits rückgebaut.

Privilegien für Ausrichter internationaler Sportgroßveranstaltungen

95

zeigt sich das Dilemma, dass eine aktive Förderung aufstrebender Wirtschafts- und damit auch Sportnationen leichter zu Fehlplanungen führt als die Ausrichtung in einer etablierten Industrienation, die bereits über eine solide Sportinfrastruktur verfügt. So lassen sich trotz aller Begeisterung für ein Turnier eben keine Fußball-Strukturen erzwingen, die eine langfristige Auslastung von Stadien in WM-Größe garantieren. Die öffentliche Wut, die sich in diesen Fällen offensichtlicher Fehlplanungen mittlerweile entlädt, könnte die Bewerbungs- und Vergabeentscheidungen der nationalen und internationalen Verbände in Zukunft deutlich beeinflussen. Zuletzt haben die Proteste in Brasilien anlässlich des FIFA Konföderationen-Pokals 2013 und der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 dieses Potential angedeutet. Vielfach mit der Frage der Wirtschaftlichkeit verbunden ist die Frage nach den politischen Folgen einer Sportgroßveranstaltung. Auch hier ist eine genaue Taxierung schwerlich möglich. Als sicher kann aber gelten, dass die politischen und gesellschaftlichen Folgen die wirtschaftlichen bei weitem überwiegen können. So konnte man bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona ein weitaus gesteigertes spanisches Nationalbewusstsein der Katalanen feststellen. In Deutschland hat die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zu einer deutlichen Wertsteigerung der „Marke Deutschland“ geführt. Und 2010 wurde der positive Effekt der ersten Fußball-Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden über die Grenzen des Landes hinaus auf dem ganzen Kontinent festgestellt. Auch innenpolitisch kann ein gelungenes Turnier der jeweiligen Regierung aber durchaus spürbar nutzen.

III. Forderungen der FIFA für die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 1. Bewerbungsverfahren Das Bewerbungsverfahren der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft kann hier nicht in allem Umfang dargestellt werden.17 Bedeutsam ist jedoch, dass die FIFA von den um die Ausrichtung konkurrierenden Verbänden im Laufe des Bewerbungsverfahrens die Einreichung eines sogenannten Bid Book verlangt. Dieses Bid Book enthält unter anderem vielfältige Garantieerklärungen privater Dienstleister und staatlicher Stellen, die die Durchführbarkeit der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft gegenüber der FIFA belegen sollen. Dabei ist die Beibringung dieser Garantien im von der FIFA festgelegten Ausmaß eine notwendige Voraussetzung für die weitere Berücksichtigung der Bewerbung.18 Die Unterstützung der Bewerbung durch den Staat ist somit existentiell für eine erfolgreiche Bewerbung des nationalen Verbands. 17

Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Lentze, Organisation von Großveranstaltungen, in: Stopper/Lentze (Hrsg.), Handbuch Fußball-Recht, 2012, Kap. 15 Rn. 10 ff. 18 So musste der Deutsche Eishockeybund (DEB) seine Bewerbung um die Ausrichtung der Eishockey-Weltmeisterschaft 2009 zum wiederholten Male zurückziehen, weil er auf-

96

Florian Knerr

Die von der FIFA im Rahmen des Bewerbungsverfahrens für die FIFA FußballWeltmeisterschaft 2006 begehrten Garantien betrafen unter anderem Einreisebewilligungen, Arbeitsbewilligungen, zoll- und steuerrechtliche Regelungen, die Sicherheit, den Bank- und Devisenverkehr, die Telekommunikation, ein internationales Radio- und Fernsehzentrum, das Medienzentrum, das Verkehrswesen, die Preispolitik, staatliche Abgaben und Steuern, eine Kommission auf Eintrittskarten, Hymnen und Fahnen sowie die medizinische Versorgung.19 Für die Bundesrepublik Deutschland hat die Bundesregierung diese Garantien mit Schreiben vom 6. Juli 1999 abgegeben.20 Der Wortlaut des Briefes an den Präsidenten der FIFA lautet: Sehr geehrter, lieber Herr Blatter, die Regierung der Bundesrepublik Deutschland heißt den FIFA-Weltpokal 2006 sehr herzlich willkommen. Für die Bundesrepublik Deutschland erkläre ich, daß die im Pflichtenheft geforderten staatlichen Garantien für die erfolgreiche Austragung des FIFA-Weltpokals 2006 eingehalten werden. Für die Regierung der Bundesrepublik Deutschland Gerhard Schröder

2. Grundsätzliche Steuerpflichtigkeit der FIFA in Deutschland Grundsätzlich unterliegen nur Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Die FIFA ist allerdings ein eingetragener gemeinnütziger Verein des schweizerischen Rechts gemäß Artt. 60 ff. ZGB mit Sitz in Zürich. Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland sind aber dann (beschränkt) steuerpflichtig, wenn sie bestimmte inländische Einkünfte gemäß § 49 EStG erzielen.21 Einkünfte aus im Inland erzielten sportlichen Darbietungen und Veranstaltungen inklusive der Übertragungs- und Marketingrechte stellen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 d) EStG solche inländischen Einkünfte dar.22 Diese Einnahmen, die bei der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft auf ca. 2 Mrd. Euro geschätzt wurden, unterliegen gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 a. F. EStG grund der ablehnenden Haltung des Freistaats Bayern keine staatliche Garantie zur Körperschaftsteuerbefreiung beibringen konnte. 19 Eine allgemeine Auflistung findet sich im Abschlussbericht der Bundesregierung zur FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006, abrufbar unter http://www.bmi.bund.de/cae/servlet/con tentblob/139756/publicationFile/15274/WM2006_Abschlussbericht_der_Bundesregierung.pdf (zuletzt abgerufen am 25. 04. 2014). 20 Der Brief ist abgedruckt im Abschlussbericht der Bundesregierung zur FIFA FußballWeltmeisterschaft 2006 (Fn. 19). 21 Balzerkiewicz/Voigt, BB 2005, 302. 22 Balzerkiewicz/Voigt, BB 2005, 302 m. w. N.

Privilegien für Ausrichter internationaler Sportgroßveranstaltungen

97

i. V. m. § 31 KStG einem Steuerabzug von 20 %. Diesen wollte die FIFA durch die begehrte staatliche Garantie einer Steuerbefreiung vermeiden.

IV. Steuerbefreiung durch Beschluss gem. § 50 Abs. 7 a. F. EStG 1. Verfahren und Rechtsgrundlage Die Garantie bezüglich der Einkommensteuerbefreiung verwirklichte die Bundesrepublik Deutschland durch einen Beschluss der obersten Finanzbehörden der Länder mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen gem. § 50 Abs. 7 a. F. EStG.23 § 50 Abs. 7 a. F. EStG Die obersten Finanzbehörden der Länder oder die von ihnen beauftragten Finanzbehörden können mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder die gesonderte Berechnung der Einkünfte besonders schwierig ist.

2. Kritik an der Steuerbefreiung für die FIFA Die Steuerbefreiung hat in der Literatur erhebliche Kritik erfahren.24 Insbesondere wurden die Heranziehung des § 50 Abs. 7 a. F. EStG als Rechtsgrundlage und die Verletzung allgemeiner Verfassungsprinzipien gerügt. a) Heranziehung des § 50 Abs. 7 a. F. EStG als Rechtsgrundlage Der konkreteste Vorwurf betraf die angeführte Rechtsgrundlage des § 50 Abs. 7 a. F. EStG. Die Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage für die bewusste Nichtanwendung eines Gesetzes ist unumstritten.25 Im Fall der Steuerbefreiung der FIFA wurden sowohl die allgemeine systematische Eignung von § 50 Abs. 7 a. F. EStG als Rechtsgrundlage als auch die fehlende Bestimmtheit der Norm gerügt. aa) Systematik Fraglich erscheint bereits, ob sich § 50 Abs. 7 a. F. EStG systematisch überhaupt als Rechtsgrundlage für eine solche Steuerbefreiung eignet. Steuergeschenke als Anreiz für Veranstalter sportlicher Mega-Events waren in der Tat von der ursprüngli23 Auch dieser Beschluss ist im Abschlussbericht der Bundesregierung zur FIFA FußballWeltmeisterschaft 2006 abgedruckt (Fn. 19). 24 Anzinger, FR 2006, 857 m. w. N. 25 Anzinger, FR 2006, 857 (860 ff.).

98

Florian Knerr

chen Regelung nicht umfasst. Historisch und systematisch gehört § 50 Abs. 7 a. F. EStG zum Außenwirtschaftsrecht.26 Er sollte eine Billigkeitslösung in solchen Fällen ermöglichen, die von bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen oder Anrechnungsverfahren nicht erfasst wurden. Hier sollte die Möglichkeit der Pauschalierung bzw. Befreiung langfristige Investitionen ermöglichen. Dieses Verständnis der Norm wurde durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der Parallelnorm des § 34c Abs. 5 EStG scheinbar bestätigt.27 Der Wortlaut der Norm lässt dagegen eine Anwendung auf den Fall der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft fraglos zu. Durch die offene Formulierung mit Bezugnahme auf die „volkswirtschaftlichen Gründe“ kann ein solches Mega-Event durchaus als tatbestandlich erfasst angesehen werden.28 So hat auch die Finanzverwaltung eine weite Auslegung der Norm befürwortet.29 In der Tat erscheint auch der Schluss von § 34c Abs. 5 EStG auf § 50 Abs. 7 a. F. EStG nach genauer Betrachtung als nicht gerechtfertigt. Während erstere Norm nämlich ausländische Einkünfte inländischer Steuerpflichtiger behandelt, soll letztere gerade den umgekehrten Fall regeln. § 34c Abs. 5 EStG soll deutsche Steuerpflichtige vor doppelter Besteuerung schützen, ist also außenwirtschaftlicher Natur.30 § 50 Abs. 7 a. F. EStG soll hingegen Investitionen in Deutschland ermöglichen und hat damit auch eine wirtschaftsfördernde Komponente.31 Daher ist es durchaus nachvollziehbar, das Kriterium der „volkswirtschaftlichen Gründe“ hier nicht rein außenwirtschaftlich, sondern vielmehr gesamtwirtschaftlich zu bestimmen.32 Dann wäre die Norm einer Anwendung auf den Fall der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft systematisch durchaus zugänglich. Ein bisher kaum diskutiertes Argument gegen die Anwendung ist aber die Ausgestaltung des konkreten Verfahrens. Die Ermächtigung der Exekutive in § 50 Abs. 7 a. F. EStG soll der Möglichkeit einer schnellen und an den jeweiligen Gegebenheiten orientierten Entscheidung im Einzelfall dienen. Das damit verbundene Minus an demokratischer Legitimation wird durch ein Plus an Effektivität und Einzelfallgerechtigkeit ausgeglichen. Gerade dieser Gedanke kommt aber im Fall der Bewerbung um ein sportliches Mega-Event nicht zum Tragen. Hier passt der Sachverhalt also ersichtlich nicht zum Verfahren, das die vermeintliche Rechtsgrundlage vorgibt. Mag die Auslegung des Begriffs der „volkswirtschaftlichen Gründe“ eine Anwendung auf die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft auch zulassen, so verlangt die außer26

Balzerkiewicz/Voigt, BB 2005, 302 (303). Balzerkiewicz/Voigt, BB 2005, 302 (303); BVerfG, 19. 4. 1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II, 548 ff. 28 So diente die Norm vor der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft beispielsweise auch als Rechtsgrundlage für eine Körperschaftsteuerbefreiung im Rahmen der Expo 2000 in Hannover. 29 Balzerkiewicz/Voigt, BB 2005, 302 (303); BMF, 23. 1. 1996 – IV B 4 – S 2303 – 14/96, BStBl. I 1996, 91, Tz. 1.4. 30 Anzinger, FR 2006, 857 (866 f.). 31 Anzinger, FR 2006, 857 (866 f.). 32 So im Ergebnis auch Balzerkiewicz/Voigt, BB 2005, 302; Anzinger, FR 2006, 857. 27

Privilegien für Ausrichter internationaler Sportgroßveranstaltungen

99

gewöhnliche Situation einer Fußball-Weltmeisterschaft doch danach, dass hier nicht lediglich die Finanzverwaltung per Beschluss entscheidet. Dieses Verfahren ist als notwendiges erleichtertes Schnellverfahren für alltägliche Fälle konzipiert. Eine Anwendung auf die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft ist daher systematisch nicht möglich. bb) Bestimmtheit Darüber hinaus ist die Bestimmtheit von § 50 Abs. 7 a. F. EStG fraglich. Der Bestimmtheitsgrundsatz stellt eine Fortsetzung und Verfeinerung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dar.33 Damit gilt er aber auch uneingeschränkt im Falle von Steuerbefreiungsermächtigungen. Schließlich bringen Ermächtigungen zum Nichtvollzug von Gesetzen die Verwaltung in eine vergleichbare Machtposition wie die Ermächtigung zum Erlass von Normen.34 Damit müssen auch hier Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein.35 Die Diskussion um die Auslegung der Tatbestandsmerkmale von § 50 Abs. 7 a. F. EStG zeigt deutlich, dass von Bestimmtheit hier keine Rede sein kann. Im Ergebnis muss § 50 Abs. 7 a. F. EStG daher die Eignung als Rechtsgrundlage für die fragliche Steuerbefreiung auch wegen fehlender Bestimmtheit abgesprochen werden. b) Verfassungsrechtliche Probleme Darüber hinaus stößt die Körperschaftsteuerbefreiung der FIFA aber auch auf einige allgemeine verfassungsrechtliche Probleme. aa) Demokratieprinzip36 Es ist in Deutschland unumstritten, dass eine Steuerbefreiung als bewusster und gewollter Nichtvollzug des Gesetzes ebenso einer gesetzlichen Grundlage bedarf wie der ursprüngliche Eingriff, von dem er dispensiert.37 Wie bereits angesprochen, sieht § 50 Abs. 7 a. F. EStG eine Entscheidung durch die Exekutive vor. Diese müsste sich also auf eine gesetzliche Grundlage stützen können, wollte sie das Demokratieprinzip nicht verletzen. Dabei müssen die wesentlichen Entscheidungen durch die legislative Ermächtigung bereits getroffen sein. Gerade dies ist aber bei der Steuerbefreiung der FIFA nicht gegeben. Die Nutzung von § 50 Abs. 7 a. F. EStG war, selbst wenn man die generelle Eignung der Norm als Rechtsgrundlage bejaht, bis zur konkreten Verwaltungsentscheidung nicht absehbar. 33

Anzinger, FR 2006, 857 (861). Anzinger, FR 2006, 857 (861 f.). 35 Anzinger, FR 2006, 857 (861 f.). 36 Nach der hier vertretenen Auffassung ist das Demokratieprinzip bereits durch das Heranziehen einer ungeeigneten Rechtsgrundlage verletzt. 37 Anzinger, FR 2006, 857 (860) m. w. N. 34

100

Florian Knerr

Der Umfang der Steuerbefreiung von geschätzt ca. 400 Mio. Euro und das öffentliche Interesse verlangen daher nach einer Befassung des Parlaments mit der Frage. Da dies hier unterblieben ist, muss eine Verletzung des Demokratieprinzips festgestellt werden. bb) Rechtssicherheit Auch der im Rechtsstaatsgebot verankerte Grundsatz der Rechtssicherheit muss von der Steuerverwaltung berücksichtigt werden, wobei Billigkeitsentscheidungen aber keineswegs ausgeschlossen sind. Vielmehr muss stets ein schonender Ausgleich zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit gesucht werden. § 50 Abs. 7 a. F. EStG vermittelt keinen Anspruch auf eine Steuerbefreiung, er stellt eine Billigkeitsmaßnahme dar.38 Ein Anspruch kann, wenn überhaupt, nur über eine Selbstbindung der Verwaltung entstehen. Dies ist aber im vorliegenden Fall aufgrund der Seltenheit und der Unterschiedlichkeit der einzelnen Anwendungsfälle nahezu ausgeschlossen. Überdies verhindert auch die restriktive Informationspolitik der Exekutive eine verlässliche Verwaltungspraxis.39 Bewerberverbände hängen so stets aufs Neue vom Wohlwollen der Finanzverwaltung ab. Im Ergebnis führt das zu einer Situation, in der die Entscheidung nicht von rechtlichen, sondern vielmehr von sportpolitischen Erwägungen gesteuert wird. Somit erscheint die Einhaltung des Erfordernisses der Rechtssicherheit in diesem Fall zumindest fraglich. cc) Gleichheitsgrundsatz Mega-Events sind per Definition einzigartige Veranstaltungen, für die sich nur schwerlich eine Vergleichsgruppe finden lässt. Dies macht eine Bewertung anhand des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes besonders schwierig. Der Sport genießt in Deutschland wie in den meisten anderen Staaten aufgrund seiner volksgesundheitlichen und sozialen Wirkungen zu Recht den Status der Gemeinnützigkeit.40 Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass die Ungleichbehandlung der FIFA mit gewöhnlichen ausländischen Unternehmen schon aufgrund der generellen Förderungswürdigkeit des Sports gerechtfertigt werden kann. Allerdings wäre auch hier eine Entscheidung des Gesetzgebers notwendig gewesen, um eine Förderung in der fraglichen Ausgestaltung und Höhe zu rechtfertigen. Davon abgesehen liefern weder die herangezogene Rechtsgrundlage noch die spärliche Verwaltungspraxis trennscharfe Kriterien, nach denen eine den Gleichheitsgrundsatz wahrende Handhabung der Steuerbefreiung bestimmt werden könnte. Ob die Privilegierung der FIFA allerdings in concreto einen Verstoß gegen den 38

Gosch, DStZ 1988, 136 (137). So wurde eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Partei „Die Linke“ zur Höhe der Steuerausfälle durch die Steuerbefreiung der FIFA mit Verweis auf das Steuergeheimnis durch das BMF unbeantwortet gelassen. 40 Jachmann, SpuRt 2004, 190 (192 f.). 39

Privilegien für Ausrichter internationaler Sportgroßveranstaltungen

101

Gleichheitsgrundsatz darstellt, muss aufgrund der Einzigartigkeit der Situation bezweifelt werden. Aus demselben Grund erscheint es fraglich, hier einen Gleichbehandlungsanspruch anderer Verbände konstruieren zu wollen.41 dd) Steuergerechtigkeit Der Grundsatz der Steuergerechtigkeit ist als Rechtsbegriff nur schwer zu fassen.42 Das Vorliegen ungerechter Einzelfälle oder ein Einbeziehen volkswirtschaftlicher Positionen in die Entscheidungsfindung der Verwaltung führt jedenfalls nicht ohne Weiteres dazu, dass ein Fehlen von Steuergerechtigkeit festgestellt werden muss. Im Ergebnis ist die Frage der Steuergerechtigkeit im Fall der Körperschaftssteuerbefreiung der FIFA bei der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wohl nur über eine Gesamtschau der bereits untersuchten Kriterien zu beantworten. Insbesondere die mangelhafte Rechtsgrundlage und das damit einhergehende Demokratiedefizit der Entscheidung lassen den Schluss zu, dass auch der Grundsatz der Steuergerechtigkeit vorliegend verletzt ist.

V. Neuregelung des § 50 EStG durch das JStG 2009 Obwohl eine öffentliche Debatte über die Steuerprivilegien der FIFA in Deutschland weitgehend ausblieb, reagierte der Gesetzgeber auf die Kritik an der Heranziehung von § 50 Abs. 7 a. F. EStG als Rechtsgrundlage für die Befreiung. So wurde § 50 EStG im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2009 angepasst. § 50 Abs. 7 a. F. EStG wurde durch § 50 Abs. 4 n. F. EStG ersetzt, der nun expressis verbis Steuerbefreiungen für sportliche Mega-Events ermöglicht. § 50 Abs. 4 EStG Die obersten Finanzbehörden der Länder oder die von ihnen beauftragten Finanzbehörden können mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pausbetrag festsetzen, wenn dies im besonderen öffentlichen Interesse liegt; ein besonderes öffentliches Interesse besteht insbesondere 1. an der inländischen Veranstaltung international bedeutsamer kultureller und sportlicher Ereignisse, um deren Ausrichtung ein internationaler Wettbewerb stattfindet, oder 2. (…)

Mit § 50 Abs. 4 EStG hat der Gesetzgeber der Finanzverwaltung nun eine Rechtsgrundlage zur Verfügung gestellt, die Steuerbefreiungen zugunsten der Veranstalter von Sport- und Kulturveranstaltungen eindeutig abdeckt. Damit hat er den greifbars41 42

So aber Balzerkiewicz/Voigt, BB 2005, 302 (304 ff.). Ausführlich hierzu Di Fabio, JZ 2007, 749 ff.

102

Florian Knerr

ten Kritikpunkt an der Durchführung der Körperschaftsteuerbefreiung der FIFA im Jahr 2006 für die Zukunft beseitigt. Als formelles Gesetz beseitigt § 50 Abs. 4 EStG auch das Problem der demokratischen Legitimation der Steuerbefreiung. Die Entscheidung, die Veranstalter sportlicher Großveranstaltungen von der Körperschaftsteuer zu befreien, ist nun bereits eindeutig in der Rechtsgrundlage angelegt und wird nicht erst von der Exekutive getroffen. Auf die Steuerbefreiung besteht auch nach § 50 Abs. 4 EStG kein direkter Anspruch, es bleibt eine Billigkeitsmaßnahme. Damit ist insbesondere die Gleichbehandlung verschiedener Sportarten nach wie vor nicht gesichert. Ob sich jemals eine gefestigte Verwaltungspraxis herausbildet, ist anhand der seltenen Fälle in der Praxis höchst fraglich.43 Es wird also nach wie vor von Fall zu Fall frei nach den jeweiligen Umständen entschieden werden, nun aber mit einer geeigneten Rechtsgrundlage, die eine Förderung von Sportverbänden zumindest grundsätzlich vorsieht.

VI. Ausblick In Deutschland sind die kritischen Stimmen zur FIFA Fußball-Weltmeisterschaft spätestens mit dem vielzitierten „Sommermärchen“ größtenteils verstummt. Niemand wollte mehr den Spielverderber geben, zumal die erhofften politischen Folgen größtenteils eingetreten sind. Die Bundesrepublik konnte sich als modernes und gastfreundliches Land im Herzen Europas präsentieren. So gesehen waren die ca. 400 Mio. Euro Steuerverzicht zugunsten der FIFA also gut angelegtes Geld. Es könnte allerdings sein, dass die Verhandlungsmacht von FIFA, UEFA und IOC und die damit einhergehende Selbstbedienungsmentalität ihren Höhepunkt bereits überschritten haben. Aufgrund der allgegenwärtigen Folgen der Finanzkrise sind gerade die Bürger von aufstrebenden Schwellenländern, aber auch die Bürger der darbenden Industrienationen nicht mehr bereit, den schönen Schein großer Sportwettkämpfe mit Geld zu finanzieren, das dann in Bereichen wie Bildung und Gesundheit sowie für Sozialprogramme fehlt. Die jüngsten Ausschreitungen in Brasilien anlässlich des FIFA Konföderationen-Pokals 2013 und der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 illustrieren dies eindrücklich. Nicht zuletzt haben die internationalen Verbände selbst ein Interesse daran, den Eindruck exzessiver Selbstbedienung auf Kosten der Staaten zu vermeiden. Einen großen Teil ihrer Einnahmen erwirtschaften sie durch Exklusivpartnerschaften mit multinationalen Unternehmen. Und es spricht vieles dafür, dass diese Unternehmen ihr Logo nicht in Verbindung mit Veranstaltungen sehen wollen, die den Zorn der Bevölkerung auf sich ziehen. So haben zwei der großen Sponsoren der Olympischen 43 Es ist allerdings durchaus denkbar, dass das neue Tatbestandsmerkmal des „öffentlichen Interesses“ zu einer Ausweitung der Anwendungsfälle im Vergleich zu den „volkswirtschaftlichen Gründen“ des § 50 Abs. 7 a. F. EStG führt.

Privilegien für Ausrichter internationaler Sportgroßveranstaltungen

103

Spiele 2012 in London, McDonald’s und Coca-Cola, als Reaktion auf die öffentliche Kritik auf die für sie ebenfalls gewährten Steuerbefreiungen freiwillig verzichtet.44 Dies illustriert, dass der öffentliche Druck vermehrt auch in wirtschaftlichen Druck umschlägt. Vielleicht ist das ja genau die Art von Druck, dem die Verbände am ehesten nachgeben.

44

Tetlak, ISLJ 2013, 97 (102).

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht* Wolfgang Kreuzer I. Stadionfinanzierung und europäische Beihilfekontrolle: ein wachsendes Konfliktfeld in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorliegen einer verbotenen Beihilfe gem. Art. 107 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich der EU-Beihilfenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorliegen einer Begünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Direktzuschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begünstigung des kreditnehmenden Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorteile für das kreditnehmende Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Angemessene Gegenleistung des kreditnehmenden Unternehmens . . . bb) Begünstigung der kreditgebenden Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Darlehensgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Infrastrukturmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begünstigung der Nutzer der Stadioninfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unmittelbare Vorteilserlangung aus der Nutzung des Stadions selbst . . (2) Mittelbare Vorteilserlangung durch Bereitstellung bzw. Modernisierung stadionbezogener Erschließungsinfrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Spezifität der Maßnahme als entscheidendes Abgrenzungskriterium . . bb) Begünstigung auf Betreiber- und Errichterebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vermarktungsvorteile durch verbesserte Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . (2) Erteilung des Betriebs- bzw. Errichtungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Betriebskostenzuschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vertragliche Vergünstigungen beim Kauf bzw. Verkauf des Stadiongrundstücks f) Vertragliche Vergünstigungen bei der Stadionvermietung bzw. -verpachtung . . g) Berücksichtigungsfähigkeit von Fördervorteilen als Ausgleich für die Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen durch den Bau, den Betrieb und die Nutzung von Stadioninfrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Selektivität der Begünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staatliche Einzelmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemein gefasste Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Transfer staatlicher Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfälschung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausnahmen und Genehmigungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Relevanz der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . .

106 108 109 110 111 111 112 112 112 114 114 115 115 116 117 118 119 119 120 121 122 123

124 125 125 126 127 128 128 129

* Überarbeitete und zum Teil aktualisierte Fassung des Vortrages vom 9. Juni 2012. Ausführlich zu der Problematik Kreuzer, Die öffentliche Förderung von Fußballstadien – eine Untersuchung im Lichte des EU-Beihilfenrechts, 2011, sowie im Überblick ders., CaS 2010, 218 ff.

106

Wolfgang Kreuzer

2. Möglichkeit einer Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 2 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . 3. Möglichkeit einer Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . 4. Relevanz der Bereichsausnahme des Art. 106 Abs. 2 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Résumé und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

131 131 133 133

I. Stadionfinanzierung und europäische Beihilfekontrolle: Ein wachsendes Konfliktfeld in der Praxis Der Bereich des Sports spielte in der Beihilfeaufsicht der EU-Kommission lange Zeit eine untergeordnete Rolle. Entsprechend gering ausgeprägt war daher auch die Problemsensibilisierung der in der Praxis beteiligten Akteure, insbesondere der Kommunen. Zunehmend rückt jedoch in letzter Zeit neben den „klassischen“ EU-wettbewerbsrechtlichen Problemkreisen im Zusammenhang mit Art. 101, 102 AEUV – wie z. B. Zentralvermarktung von Übertragungsrechten, Transferregeln von Berufssportlern oder Sponsoring bei sportlichen Großveranstaltungen – auch die öffentliche Förderung des Sportsektors und damit das Beihilfenregime der Art. 107 ff. AEUV ins Blickfeld der EU-Kommission. Sie befasste sich beispielsweise schon mit staatlichen Fördermaßnahmen zugunsten französischer Profisportvereine,1 ermittelte gegen die Stadt Madrid im Zusammenhang mit deren Kauf des vereinseigenen Trainingsgeländes vom ortsansässigen Spitzenklub Real Madrid2 und untersuchte die beihilfenrechtliche Zulässigkeit bestimmter Steuer- und Bilanzvorschriften zugunsten der italienischen Profiklubs3. Einen Schwerpunkt ihrer Kontrolltätigkeit legte die Kommission in der jüngeren Vergangenheit auf die öffentliche Förderung im Zusammenhang mit Stadionprojekten: So waren unter anderem die WM-Stadien in Köln, München, Leipzig, Berlin und Hannover,4 die Finanzierung des Stadionneubaus in London5 sowie unlängst verschiedene Stadionprojekte in den Niederlanden6 Gegenstand von Kommissionsuntersuchungen. Die Beteiligungsformen der öffentlichen Hand bei der Errichtung und Modernisierung von Fußballstadien sind vielfältig. Während in der Vergangenheit sowohl die Errichtung als auch der anschließende Betrieb von Fußballstadien im Regelfall durch 1

Vgl. hierzu die Pressemitteilung der Kommission, IP/01/599 vom 25. 04. 2001. Vgl. hierzu schriftliche Anfrage Esteve (ELDR), ABl. 2003 C 137 E, S. 86 f. sowie Monti, ABl. 2003 C 137 E, S. 87; zum Ganzen ausführlich auch Gröteke, finanzreform 2004, 146 ff. 3 Vgl. hierzu Kommission, IP/03/1529 vom 11. 11. 2003 sowie IP/04/854 vom 01. 07. 2004; siehe auch mit weiteren Beispielen Fritzweiler, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, S. 637 f., Rn. 211 u. 213. 4 Süßmilch/Elter, FC Euro AG – Fußball und Finanzen, 4. Aufl. 2004, S. 143. 5 Koenig/Kühling/Scholz, in: Koenig/Kühling/Theobald (Hrsg.), Recht der Infrastrukturförderung, 2004, S. 22, Rn. 23 (dort Fn. 73). 6 Hagelüken, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/muenchen/artikel/149/16133/ (zuletzt abgerufen am 25. 04. 2014); dazu auch Olfers, ISLJ 2003/1, 2 u. 7. 2

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

107

die öffentliche Hand erfolgte, trifft dies auf die meisten Projekte heute nicht mehr zu.7 Angesichts leerer Kassen der öffentlichen Hand wird zunehmend auf neuartige Finanzierungsarten und -modelle zurückgegriffen, bei denen nicht mehr die öffentliche Hand allein die Finanzierung stemmt. Sie wird vielmehr in eine Finanzierungsstruktur eingebunden, bei der verschiedene Investoren am Stadionprojekt beteiligt sind, die jeweils ein wirtschaftliches Interesse an dem Bau und Betrieb des Stadions haben.8 Der Förderbeitrag der öffentlichen Hand erschöpft sich in der Praxis auch nicht mehr allein in der direkten Subventionierung der Stadionprojekte durch Zahlung von Zuschüssen, sondern kann in Form unterschiedlichster Ausprägung auftreten.9 Dabei können aufgrund der zunehmend komplexeren Finanzierungsstrukturen im Bereich des Stadionbaus und -betriebs bei einem Projekt auch mehrere Elemente staatlicher Beihilfen zusammenspielen.10 Angesichts leerer öffentlicher Kassen und des Trends zu immer aufwendigeren und teureren Multifunktionsarenen gewinnt bei Stadionprojekten die Fremdfinanzierung durch Banken zunehmend an Bedeutung.11 Bei der Absicherung der Bankkredite ist vor allem die öffentliche Hand durch Stellung von Sicherheiten gefragt, da die Gebietskörperschaften aufgrund ihrer hoheitlichen Absicherung über eine hohe Bonität verfügen und so die Banken eine adäquate Sicherheit für die mit Risiken und Unsicherheiten behaftete Einnahmenentwicklung der Vereine erhalten.12 So kamen z. B. beim Bau der Arena AufSchalke in Gelsenkirchen, beim Umbau des Niedersachsenstadions (heute AWD-Arena) in Hannover und beim Umbau des Olympiastadions in Berlin Ausfallbürgschaften der Länder bzw. der Kommunen zum Einsatz. Ein weiteres Instrument der unmittelbaren finanziellen Unterstützung besteht darin, dass die öffentliche Hand selbst als Darlehensgeberin auftritt. Bedingt durch die Entwicklung hin zu immer aufwändigeren Stadien und Arenen, finden sich in der Praxis zunehmend Finanzierungsstrukturen, die eine Bündelung des Know-hows aller an der Planung und am Bau Beteiligten anstreben. Zu diesem Zweck erfolgt mittlerweile in der Mehrzahl der Fälle die Gründung einer Besitzbzw. Betriebsgesellschaft, an der sich die verschiedenen Interessengruppen beteiligen können. Auch die öffentliche Hand kommt dabei als möglicher Eigenkapitalgeber in Betracht.13

7

Süßmilch/Elter (Fn. 4), S. 142. Vornholz/Janus, Die Finanzierung von Fußballstadien, 2001, S. 64. 9 Vornholz/Janus (Fn. 8), S. 55. 10 Lübbig/Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, 2. Aufl. 2009, Rn. 307. 11 So sahen Hovemann/Pfeiffer bereits im Jahre 2004 einen Großteil der Investitionssumme bei Stadionprojekten „in der Regel“ über Bankdarlehen finanziert, vgl. Hovemann/Pfeiffer, Bälle, Tore und Finanzen II, 2005, S. 41. 12 Vornholz/Janus (Fn. 8), S. 61. 13 Vornholz/Janus (Fn. 8), S. 55; Süßmilch/Elter (Fn. 4), S. 142; Hovemann/Pfeiffer (Fn. 11), S. 41 (Schaubild). 8

108

Wolfgang Kreuzer

Eine große Rolle in der Praxis spielt die Unterstützung durch öffentliche Mittel bei stadionbezogenen Infrastrukturmaßnahmen, wie z. B. der Anschluss an die öffentlichen Verkehrsmittel sowie die Errichtung von Parkplätzen und Straßen- bzw. Autobahnanbindungen. Diese sind daher bei den Investitionskosten mit zu berücksichtigen. So wurde z. B. in Dortmund für das umgebaute Westfalenstadion und in München für die neue Allianz-Arena die infrastrukturelle Anbindung des Stadions mit Mitteln der öffentlichen Hand finanziert.14 Ebenfalls hohe Relevanz hat die staatliche Beteiligung an stadionbezogenen Grundstücksgeschäften, wobei ein Auftreten der öffentlichen Hand nicht nur als Verkäufer der betreffenden Immobilien an die Vereine bzw. Besitzgesellschaften15, sondern angesichts des gestiegenen Finanzbedarfs vieler Profivereine zunehmend auch als Käufer von Stadiongrundstücken in Betracht kommt. Die beihilfenrechtliche Relevanz dieser Fälle besteht darin, dass die Immobilien oftmals unentgeltlich oder vergünstigt übertragen werden.16 Die am weitesten gehende Form des öffentlichen Engagements liegt bei einer rein öffentlichen Investition vor, d. h. die Kommune ist für die Errichtung und Finanzierung des Stadions allein verantwortlich und stellt es dem Verein bzw. der Betreibergesellschaft im Rahmen von Miete oder Pacht zur Verfügung.17 In diesen Fällen bergen die Konditionen der Stadionüberlassung ein Konfliktpotenzial, wenn der Verdacht besteht, dass der vereinbarte Miet- bzw. Pachtzins nicht dem marktüblichen Niveau entspricht.

II. Vorliegen einer verbotenen Beihilfe gem. Art. 107 Abs. 1 AEUV Notifizierungspflichtig sind nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV grundsätzlich nur solche Fördermaßnahmen, die dem Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV unterfallen.18 Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die Maßnahme vom Anwendungsbereich der europäischen Beihilfenkontrolle erfasst wird (unten 1.). Zentrales Tatbestandsmerkmal ist sodann das Vorliegen einer Begünstigung (unten 2.). Diese muss einem bestimmten Unternehmen oder Produktionszweig zuteil werden, d. h. die Maßnahme muss selektiven Charakter haben (unten 3.). Sie muss des Weiteren auf einem Transfer staatlicher Mittel beruhen (unten 4.) und schließlich den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (unten 5.).

14

Hansen-Kohlmorgen, Staatliche Förderung von Sportinfrastruktur, 2007, S. 45. So auch Vornholz/Janus (Fn. 8), S. 55. 16 Lübbig/Martín-Ehlers (Fn. 10), Rn. 307. 17 Vornholz/Janus (Fn. 8), S. 53. 18 Sie unterliegen zudem gem. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV dem Durchführungsverbot, d. h. sie dürfen erst nach einer Positiventscheidung der Kommission gewährt werden. 15

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

109

1. Anwendungsbereich der EU-Beihilfenkontrolle Nur in Ausnahmefällen dürfte angesichts des regelmäßig hohen Fördervolumens bei Stadionprojekten eine Befreiung von der Notifizierungspflicht als sog. De-minimis-Beihilfe19, d. h. geringfügige Beihilfe unterhalb eines bestimmten Schwellenwertes, in Betracht kommen.20 Dieser beträgt für Zuschüsse in Form von Barzuwendungen aktuell 200.000 Euro.21 Auch Darlehen können anmeldefrei gewährt werden, wenn die Summe aller bis zur vollständigen Tilgung eingesparten und auf ihren Wert zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung abgezinsten Zinsen diesen Wert nicht überschreitet.22 Für Bürgschaftsbeihilfen gelten 1.500.000 Euro als bürgschaftsspezifische Obergrenze, d. h. diesen Betrag darf der verbürgte Teil des Darlehens, für das die Bürgschaft gewährt werden soll, nicht übersteigen, wenn die Bürgschaft anmeldefrei bleiben soll.23 Des Weiteren unterliegt eine Fördermaßnahme der EU-Beihilfenkontrolle nach der sog. Zwischenstaatlichkeitsklausel des Art. 107 Abs. 1 a. E. AEUV nur dann, wenn das begünstigte Unternehmen wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet, „die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“. Ausreichend hierfür ist nach ständiger Rechtsprechung24 jedoch bereits eine entsprechende Eignung der Maßnah19 Rechtsgrundlage ist die seit 01. 01. 2014 und bis 31. 12. 2020 geltende De-minimis-Verordnung 1407/2013, ABl. 2013 L 352/1. 20 Zu beachten ist, dass die Befreiung nicht automatisch eingreift, sondern an die Einhaltung bestimmter Verfahrensvorgaben gebunden ist: So muss der Mitgliedstaat das jeweilige Unternehmen ausdrücklich unter Verweis auf die De-minimis-Verordnung darauf hinweisen, dass es sich bei der gewährten Beihilfe um eine De-minimis-Beihilfe handelt, vgl. Art. 6 Abs. 1 der VO (Fn. 19). Umgekehrt haben die Unternehmen dem gewährenden Mitgliedstaat vor Gewährung der Beihilfe jede im laufenden sowie den beiden vorangegangenen Steuerjahren erhaltene De-minimis-Beihilfe mitzuteilen. Stellt sich danach heraus, dass das Unternehmen im betreffenden Zeitraum bereits eine De-minimis-Beihilfe erhalten hat, so darf der Mitgliedstaat eine neue erst dann zuteilen, wenn er geprüft hat, dass der gesamte Betrag der innerhalb von drei Jahren erhaltenen Beihilfen den Schwellenwert nicht überschreitet, vgl. Art. 6 Abs. 1 der VO (Fn. 19). 21 Voraussetzung ist, dass die Gesamtsumme der einem Unternehmen gewährten Mittel auf einen Zeitraum von drei Jahren diesen Betrag nicht überschreitet, vgl. Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 der VO (Fn. 19). 22 Voraussetzung ist, dass die Berechnung des sog. Bruttosubventionsäquivalents, d. h. der Differenz zwischen den tatsächlich gezahlten Zinsen und den gemäß dem Referenzzinssatz geschuldeten, auf Grundlage der zum Bewilligungszeitpunkt geltenden marktüblichen Zinssätze erfolgt, vgl. Art. 4 Abs. 3 lit. c der VO (Fn. 19). Von dieser Berechnung sind nach der neuen sog. „Safe-Harbour-Regelung“ nur die Empfänger von Kleindarlehen dann befreit, wenn der Darlehensbetrag bei einer Laufzeit von fünf Jahren max. 1 Mio. Euro (bei einer Laufzeit von höchstens 10 Jahren max. EUR 500.000) beträgt und durch Sicherheiten hinterlegt ist, die sich auf mindestens 50 % des Darlehensbetrages belaufen, vgl. Art. 4 Abs. 3 lit. b der VO (Fn. 19). 23 Dies gilt jedoch nur dann, wenn außerdem der Verbürgungsanteil nicht mehr als 80 % des zugrunde liegenden Darlehens beträgt, vgl. Art. 4 Abs. 6 lit. b der VO (Fn. 19). 24 Vgl. nur EuGH, Rs. C-126/01, Slg. 2003, I-13769 (13818, Rn. 40) – GEMO; Rs. C-372/ 97, Slg. 2004, I-3679 (3722 f., Rn. 44) – Italien/Kommission; Rs. C-66/02 (Rn. 111) – Italien/

110

Wolfgang Kreuzer

me, sodass bereits potenzielle Auswirkungen auf die Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalströme innerhalb der EU den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV eröffnen. Ausgenommen sind damit nur solche Sachverhalte, bei denen aufgrund rein lokaler Wirtschaftstätigkeit ein Einstieg in den grenzüberschreitenden Handelsverkehr gar nicht möglich erscheint. Dies dürfte jedoch angesichts der mit der zunehmenden Kommerzialisierung der Sportbranche einhergehenden verstärkt internationalen Ausrichtung der beteiligten Wirtschaftsakteure und mit Blick auf die durchweg geringen Anforderungen in der Entscheidungs- und Rechtsprechungspraxis25 kaum mehr in Betracht kommen.26 2. Vorliegen einer Begünstigung Das Vorliegen einer Begünstigung ist zentrales Tatbestandsmerkmal des Beihilfenverbots in Art. 107 Abs. 1 AEUV. Nach dem extensiv auszulegenden27 und rein wirkungsbezogenen28 Begünstigungsbegriff liegt eine Begünstigung immer dann vor, wenn die staatliche Maßnahme zur Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils führt, also von Seiten des profitierenden Unternehmens keine angemessene, d. h. marktübliche Gegenleistung (Kompensation) gegenübersteht. Die Marktüblichkeit wird unter Zugrundelegung des sog. Private-Investor-Tests danach beurteilt, ob ein nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen vorgehender Privatinvestor die in Rede stehende Zuwendung bzw. Investition ebenfalls getätigt hätte.29 Das Vorliegen einer Begünstigung setzt also zunächst voraus, dass an das Unternehmen eine Leistung erfolgt, die sehr weit als die „Gewährung eines wie auch Kommission; Rs. C-148/04, EuZW 2006, 209 (211, Rn. 54) – Unicredito; Rs. C-222/04, EuZW 2006, 306 (312, Rn. 140) – Cassa di Risparmio di Firenze; Rs. C-393/04 u. 41/05, EWS 2006, 327 (329, Rn. 34) – Air Liquide. 25 Hierauf hinweisend Heidenhain, in: Heidenhain (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Beihilfenrechts, 2003, § 4 Rn. 69. 26 Zur exakten Erfassung sämtlicher (potenzieller) handelsrelevanter Auswirkungen einer Stadioninvestition empfiehlt sich eine Unterscheidung nach der Ebene der Stadionnutzer, der Stadionbetreiber und der Stadionersteller (vgl. hierzu Koenig/Kühling, SpuRt 2002, 53 [55]). Hiervon ausgehend wird man beispielsweise zu einer Bejahung der Zwischenstaatlichkeitsklausel auch bei kleinen und von derzeit noch unterklassig spielenden Vereinen genutzten Stadien im Hinblick auf die zumindest potenziell grenzüberschreitende Besuchernachfrage in der Zukunft gelangen (vgl. hierzu auch die Entscheidung der Kommission vom 12. 01. 2001, Beihilfe N 258/00, SG [2001] D/285046 – Freizeitbad Dorsten zur grenzüberschreitenden Besuchernachfrage bei einem Spaßbad). 27 Unerheblich ist daher die gewählte Form bzw. konkrete Ausgestaltung einer Fördermaßnahme, vgl. die Formulierung „gleich welcher Art“ in Art. 107 Abs. 1 AEUV. 28 Ziele und Gründe einer Fördermaßnahme bleiben daher ebenso außer Betracht wie eine „ausdrückliche Zweckbestimmung“. 29 EuGH, Rs. C-39/94, Slg. 1996, I-3547 (Rn. 60) – SFEI; Rs. C-342/96, Slg. 1999, I-2459 (Rn. 41) – Spanien/Kommission („Tubacex“); Rs. C-256/97, Slg. 1999, I-3913 (Rn. 22) – DMT; Rs. T-613/97, Slg. 2000, II-4055 (Rn. 69 ff.) – Ufex/Kommission; EuG, Rs. T-296/97, Slg. 2000, II-3871 (Rn. 81) – Alitalia.

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

111

immer gearteten geldwerten Vorteils“ zu verstehen ist.30 Ein Vorteil wirtschaftlicher Art, und damit eine Begünstigung, kann jedoch nur dann bejaht werden, wenn der Leistungserlangung keine ausreichende Kompensation in Form einer angemessenen, d. h. marktüblichen Gegenleistung gegenübersteht.31 Dieser zweistufigen Vorgehensweise folgend ist die jeweilige Fördermaßnahme unter Anwendung der allgemeinen Prüfkriterien auf etwaige Begünstigungselemente hin zu untersuchen. a) Direktzuschüsse Bei der direkten Subventionierung eines Stadionprojekts durch die öffentliche Hand erlangt der Zuschussempfänger, meist die Besitz- bzw. Betreibergesellschaft oder der Verein, einen geldwerten Vorteil in Höhe der Zahlung.32 Es handelt sich regelmäßig um Subventionszahlungen, die einseitig durch den Staat erbracht werden und – soweit es sich nicht um ausnahmsweise berücksichtigungsfähige (!) Kompensationszahlungen für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Gemeinwohlverpflichtungen handelt33 – in keinem Austauschverhältnis stehen, also ohne Gegenleistung erbracht werden. Derartige Zuschusszahlungen sind demnach typischerweise als Begünstigung einzustufen. b) Stellung von Sicherheiten Bei einem Stadionprojekt kann der Beitrag der öffentlichen Hand auch in der Übernahme einer Ausfallbürgschaft, z. B. zugunsten der für die Baufinanzierung verantwortlichen Besitzgesellschaft oder des Vereins, bestehen. In diesen Fällen ist aus beihilfenrechtlicher Sicht zu beachten, dass Begünstigungselemente nicht nur im sog. Grund- oder Valutaverhältnis auftreten können, d. h. zwischen Staat und begünstigtem Unternehmen, in dem der Staat dem Unternehmen gegenüber die Bürgschaftszusage gibt. Begünstigungselemente können darüber hinaus auch im sog. Deckungsverhältnis zwischen Staat und Bank, in dem der Staat mit der Bank einen Bürgschaftsvertrag abschließt und ihr einen Kreditauftrag erteilt (§ 778 BGB), auftreten.

30

Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065 (1066). Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, 2. Aufl. 2005, Rn. 67. 32 Quigley, European State Aid Law, 2nd ed., 2009, S. 3. 33 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 3 – Beihilfe- und Vergaberecht, 2007, Rn. 187.

31

112

Wolfgang Kreuzer

aa) Begünstigung des kreditnehmenden Unternehmens (1) Vorteile für das kreditnehmende Unternehmen Einen geldwerten Vorteil erlangt der Kreditnehmer jedenfalls dann, wenn der Staat von der Bank auf die Bürgschaftssumme in Anspruch genommen wird. Die staatliche Auszahlung an die Bank ist beihilfenrechtlich dann wie ein Direktzuschuss an das Unternehmen in der entsprechenden Höhe anzusehen.34 Begünstigungselemente können sich jedoch auch bereits aus der Übernahme der Bürgschaft selbst bzw. aus ihren Konditionen ergeben. Zunächst kann sich die Gewährung der Bürgschaft als solche als Vorteil für das kreditnehmende Unternehmen darstellen, wenn dieses eine Bürgschaft von Privaten unter normalen Bedingungen nicht erhalten hätte, z. B. weil es sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet oder keine ausreichenden Sicherheiten vorweisen kann.35 Beispielsweise kann die staatliche Bürgschaftsübernahme für einen in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Fußballverein dazu führen, dass dieser durch das Vorliegen einer (zusätzlichen) Sicherheit erst wieder Kreditwürdigkeit erlangt und so überhaupt erst ein kreditwilliges Finanzinstitut findet. In diesem Fall liegt der Vorteil des Unternehmens im Gesamtbetrag des Darlehens bzw. bei nur teilweiser Absicherung durch den Staat im davon abgedeckten Teil der Darlehenssumme.36 Auch in anderen Fällen wirkt sich die Staatsbürgschaft für das Unternehmen vorteilhaft bei der Kreditvergabe aus: Die staatliche Garantie ermöglicht eine Kreditaufnahme zu günstigeren finanziellen Konditionen als normalerweise auf den Finanzmärkten verfügbar, da üblicherweise geringere Zinssätze gewährt oder weniger Sicherheiten verlangt werden.37 Zu einem Vorteil für das Unternehmen können aber auch die Bedingungen der gewährten Staatsbürgschaft führen. Weichen diese von den marktüblichen ab, verschafft dies dem Unternehmen zusätzliche wirtschaftliche Handlungsfreiheit und führt damit zur Erlangung eines geldwerten Vorteils.38 (2) Angemessene Gegenleistung des kreditnehmenden Unternehmens Im Hinblick auf die Vorteilserlangung durch die Bürgschaftsgewährung als solcher bzw. durch deren nähere Bedingungen ist die Angemessenheit der Gegenleistung unter Heranziehung des Private-Investor-Tests danach zu beurteilen, ob ein privater Investor in der Situation der öffentlichen Hand zu denselben Bedingungen tätig 34

Frenz (Fn. 33), Rn. 219. Frenz (Fn. 33), Rn. 225. 36 KOME 94/696/EG, ABl. 1994 L 273, S. 22 (31) – Olympic Airways; KOME 96/563/EG, ABl. 1996 L 246, S. 43 (47) – Jadekost; EuGH, Rs. C-288/96, Slg. 2000, I-8237 (8296, Rn. 31) – Jadekost. 37 Vgl. hierzu auch Frenz (Fn. 33), Rn. 230. 38 Frenz (Fn. 33), Rn. 227. 35

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

113

geworden wäre, d. h. dem Unternehmen in vergleichbarer Lage zu parallelen Konditionen eine Bürgschaft gewährt hätte.39 Damit ist eine Begünstigung jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Unternehmen unter Marktbedingungen eine Bürgschaft überhaupt nicht erhalten hätte.40 Bei Abweichung der Bürgschaftsbedingungen von denen einer marktüblichen Bürgschaft liegt eine angemessene Gegenleistung dann vor, wenn die Risikoträgerfunktion des Staates durch eine angemessene Prämie, d. h. Bezahlung der Bürgschaft durch den Begünstigten, vergütet wird.41 Als Vergleichsmaßstab sind hierfür unter Anwendung des Private-Investor-Tests die Konditionen einer marktüblichen Bürgschaftsgewährung in vergleichbarer Situation heranzuziehen. Die für die Bestimmung der Marktüblichkeit einer Bürgschaft maßgeblichen Kriterien sind unter anderem der Betrag, die Laufzeit, die gestellten Sicherheiten sowie die Finanzlage und sonstige Situation des Kreditnehmers.42 Unterschreitet die Gegenleistung für die gewährte Staatsbürgschaft die sich aus diesen Faktoren ergebende übliche Risikoprämie für die Gewährung einer Bürgschaft, dann ist eine Begünstigung anzunehmen.43 Besteht der erlangte Vorteil des Unternehmens in den günstigeren Refinanzierungsmöglichkeiten, ist wiederum zu untersuchen, ob diese auch zu Marktbedingungen, d. h. ohne die Risikoträgerfunktion des Staates, erlangt worden wären. Wäre dem Unternehmen die Aufnahme eines Kredites ohne die staatliche Absicherung mangels anderweitiger Sicherheiten überhaupt nicht möglich, liegt nach Ansicht der Kommission ein gewichtiges Indiz für eine Begünstigung vor.44 Für die Annahme einer Begünstigung als zwingende Folge in diesen Konstellationen spricht jedoch in Deutschland das in den Bürgschaftsrichtlinien des Bundes und der Länder festgeschriebene Subsidiaritätsprinzip. Demnach darf eine staatliche Bürgschaft nur dann gewährt werden, wenn das Unternehmen auf dem privaten Markt keine Kredite mehr erhalten hätte.45 Damit ist – zumindest im Geltungsbereich dieses Grundsatzes – stets eine Situation gegeben, in der die Gewährung einer Staatsbürgschaft eine Begünstigung darstellt.46 Außerhalb des Geltungsbereiches bedarf es zur Bejahung einer Begünstigung weiterhin einer Einzelfallbetrachtung hinsichtlich 39

Frenz (Fn. 33), Rn. 219; Harings, Praxis des Europäischen Beihilferechts, 2001, Rn. 67. Harings (Fn. 39), Rn. 225. 41 Bürgschaftsmitteilung der Kommission vom 20. 06. 2008, ABl. 2008 C 155, S. 10 ff. (unter Ziff. 2.1). 42 Bürgschaftsmitteilung der Kommission vom 20. 06. 2008, ABl. 2008 C 155, S. 10 ff. (unter Ziff. 3.2. lit. d). 43 Frenz (Fn. 33), Rn. 227. 44 Bürgschaftsmitteilung der Kommission vom 20. 06. 2008, ABl. 2008 C 155, S. 10 ff. (unter Ziff. 3.2. lit. d). 45 Frenz (Fn. 33), Rn. 225; Koenig/Kühling/Ritter (Fn. 31), Rn. 137 (dort Fn. 224); zum beihilfenrechtlichen Subsidiaritätsprinzip siehe auch Montag/Leibenath, in: Heidenhain (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Beihilfenrechts, 2003, § 7 Rn. 15. 46 Palombini, Staatsbürgschaften und Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 33. 40

114

Wolfgang Kreuzer

der Angemessenheit einer etwaigen Gegenleistung. Da einem ohne entsprechende Sicherheiten ausgestatteten Unternehmen unter Marktbedingungen weitere Mittel nur durch Kontoüberziehung zur Verfügung stehen würden, liegt eine Begünstigung in diesen Fällen dann vor, wenn die tatsächlich bei der Bank anfallenden Kreditzinsen geringer sind als die im Falle einer Überziehung anfallenden Zinsen.47 Die Vorteilserlangung durch die näheren Bedingungen einer Staatsbürgschaft spielt somit im Ergebnis nur außerhalb des Geltungsbereichs des Subsidiaritätsgrundsatzes eine Rolle, da innerhalb dessen Geltungsbereichs die Gewährung einer Staatsbürgschaft – ohne Rücksicht auf eine etwaige Gegenleistung – ex lege stets als Begünstigung zu qualifizieren ist. Das kreditnehmende Unternehmen erhält aufgrund der staatlichen Absicherung bei der Aufnahme des Bankkredits regelmäßig einen besseren Zinssatz, als es unter Marktbedingungen der Fall wäre. Damit liegt in diesen Fällen eine Begünstigung immer dann vor, wenn dieser Zinsvorteil nicht durch eine entsprechende Gegenleistung des Unternehmens ausgeglichen wird. bb) Begünstigung der kreditgebenden Bank Die Einstufung der Bank als möglichen Beihilfeempfänger wurde im Schrifttum lange Zeit kontrovers diskutiert48, ist jedoch mittlerweile – nicht zuletzt aufgrund der insofern eindeutigen Stellungnahme der Kommission – anerkannt.49 Anknüpfungspunkt für einen geldwerten Vorteil und damit eine mögliche Begünstigung der Bank ist die Verringerung des Ausfallrisikos der Bank hinsichtlich der Zahlung der Kreditzinsen und -gebühren, die eine staatliche Darlehensabsicherung angesichts der hervorragenden Bonität des Staates mit sich bringt.50 Wird diese Risikoverminderung nicht durch eine entsprechende Anpassung der Kreditkonditionen an den Kreditnehmer weitergegeben, erlangt die Bank einen Vorteil in Form der beibehaltenen höheren Zinsen bzw. sonstigen vorteilhaften Bedingungen. In diesem Fall liegt eine Begünstigung vor, da dann der Gewinn der Bank im Verhältnis zu den eingeräumten Sicherheiten aufgrund der zusätzlichen staatlichen Garantie zu hoch ausfällt.51 c) Darlehensgewährung Ausgehend vom Private-Investor-Test ist für die Beurteilung des Begünstigungscharakters eines Staatsdarlehens ausschlaggebend, ob sich das Unternehmen die be-

47

Frenz (Fn. 33), Rn. 230. Vgl. dazu Koenig/Kühling/Ritter (Fn. 31), Rn. 142 (dort Fn. 233) m. w. Nw. 49 Frenz (Fn. 33), Rn. 230 f.; Koenig/Kühling/Ritter (Fn. 31), Rn. 142. 50 Koenig/Kühling/Ritter (Fn. 31), Rn. 142. 51 Frenz (Fn. 33), Rn. 232 m. w. Nw.

48

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

115

treffenden Beträge auf den privaten Kapitalmärkten in gleichem Umfang und zu den gleichen Konditionen hätte beschaffen können.52 Eine Begünstigung ist daher immer dann anzunehmen, wenn das staatliche Darlehen in Bezug auf Zinssatz und Sicherheitsleistungen nicht den auf dem Markt üblichen Konditionen entspricht. Aber auch die Erlangung des Darlehens als solche kann einen beihilferechtlich relevanten Vorteil darstellen, wenn die finanzielle Situation des Unternehmens derart schlecht ist, dass ihm ein Privater ein Darlehen überhaupt nicht bzw. nur in geringerem Umfang gewährt hätte. d) Infrastrukturmaßnahmen Die beihilfenrechtliche Beurteilung von Infrastrukturmaßnahmen hängt entscheidend vom Merkmal der Selektivität ab, d. h. ob sich der konkrete Nutzen einer bestimmten Maßnahme der Allgemeinheit oder einem bestimmten Unternehmen zuordnen lässt. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Kooperationen der öffentlichen Hand mit der Privatwirtschaft im Bereich des Stadionbaus („Public Private Partnerships“) erschöpft sich das beihilfenrechtliche Konfliktpotenzial dabei – je nach Trägerschaft der konkreten Maßnahme – nicht in einer möglichen Begünstigung der Infrastrukturnutzer, sondern erstreckt sich auf die vorgelagerten Märkte der Errichtung und des Betriebs von Infrastrukturen. Staatliche Fördermaßnahmen können nämlich auch in dieser Hinsicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen und eine Begünstigung der auf diesen Märkten tätigen Unternehmen sowie deren Gesellschafter herbeiführen.53 aa) Begünstigung der Nutzer der Stadioninfrastruktur Die Besonderheit bei Infrastrukturmaßnahmen besteht im Allgemeinen darin, dass sie regelmäßig der gesamten Wirtschaft zugute kommen bzw. die Attraktivität eines bestimmten Wirtschaftsstandortes erhöhen.54 Auch die Erstellung bzw. Modernisierung von Sportinfrastrukturen bezweckt nicht selten, die soziokulturelle Attraktivität eines Gebietes als Wirtschaftsstandort insgesamt durch die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen zu fördern.55 So profitieren beispielsweise die ansäs52

Montag/Leibenath (Fn. 45), § 6 Rn. 59; Zeitz, Der Begriff der Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Abs. 1 EG-Vertrag, 2005, S. 83; EuG, Rs. T-16/96, Slg. 1998, II-757, Rn. 51 – Cityflyer Express/Kommission; EuGH, Rs. 40/85, Slg. 1986, 2321, Rn. 13 – Belgien/Kommission (Boch). 53 Koenig/Kühling/Scholz (Fn. 5), S. 27; vgl. auch Kommission, ABl. 1999 L 260/1 (S. 10, dort unter [3.]) – InfraLeuna. 54 Koenig/Kühling/Scholz (Fn. 5), S. 19 (dort Rn. 21); so auch Harings (Fn. 39), Rn. 82. 55 Koenig/Kühling, SpuRt 2002, 53 (56); zu den verschiedenen mit einem Stadionbau bzw. einer Stadionnmodernisierung einhergehenden Vorteilen für die Fans, Vereine und Kommunen

116

Wolfgang Kreuzer

sigen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen von einem im Zuge einer Stadionerrichtung durchgeführten Ausbau des Straßennetzes. Die Errichtung eines neuen Stadions bringt außerdem der gesamten regionalen Hotel- und Gastronomieindustrie zusätzliche Umsätze. Grundvoraussetzung einer Begünstigung von Nutzern der Stadioninfrastruktur ist somit zunächst, dass diese neben den oben genannten Teilnehmern des Wirtschaftsverkehrs ebenfalls von den staatlich geförderten Investitionen profitieren – und zwar durch die konkrete Nutzung. Zur Bejahung einer begünstigungsrelevanten Vorteilserlangung kommt es auf eine durch die staatliche Maßnahme induzierte Kostensenkungswirkung beim jeweiligen Unternehmen an.56 Zur Annahme einer Begünstigung auf Nutzerebene müssen folglich den Vereinen als Hauptnutzer der Stadioninfrastruktur infolge der staatlichen Finanzierung Kosten erspart bleiben, die sie andernfalls selber hätten tragen müssen.57 Daraus ergibt sich im Hinblick auf die beihilfenrechtliche Prüfung, dass es zunächst der Feststellung bedarf, ob im konkreten Fall eine Kostentragungspflicht des betreffenden Unternehmens hinsichtlich der Infrastrukturmaßnahme bestanden hätte, aus deren Nutzung das Unternehmen Vorteile für sich ableiten kann.58 Nur bei Bejahung dieser Frage erlangt das Unternehmen einen geldwerten Vorteil, der durch eine entsprechende Kompensationszahlung ausgeglichen werden muss.59 Dabei ist angesichts der Ausgestaltung der europäischen Beihilfeaufsicht als präventive Kontrolle gem. Art. 108 Abs. 3 AEUV auf die aus einer möglichen Nutzung erwachsenden Vorteile abzustellen. (1) Unmittelbare Vorteilserlangung aus der Nutzung des Stadions selbst Im Hinblick auf die Nutzung des Stadions ergibt sich eine Vorteilserlangung daraus, dass sich für die Vereine durch das mit staatlicher Unterstützung errichtete bzw. modernisierte Stadion eine Vielzahl neuer Einnahmemöglichkeiten eröffnen, die sich ihnen in diesem Umfang mit einem veralteten Stadion nicht bieten würden.60 Beispielhaft kann dies anhand des Ausbaus der VIP-Bereiche, d. h. der besonders hochpreisigen Zuschauerplätze, verdeutlicht werden. Mit diesen ist für die Vereine die Möglichkeit zur Erschließung des zahlungskräftigen Publikums als neue Zuvgl. ausführlich Frick, Fans, Vereine, Kommunen – wer profitiert von modernisierten und neuen Stadien?, in: Büch/Maennig/Schulke (Hrsg.), Nachhaltigkeit von Sportstätten, 2003, S. 109 ff. 56 Koenig/Kühling/Ritter (Fn. 31), Rn. 69; EuGH, Rs. 730/79, Slg. 1980, III-2671 (S. 2678). 57 Harings (Fn. 39), Rn. 83. 58 So im Hinblick auf Erschließungskosten die Kommission in ABl. 1995 C 283/2 (3) – Kimberly-Clark-Industries. 59 Kommission, ABl. 2003 L 91/23 (S. 32, dort. Ziff. 64) – Freizeitpark Terra Mitica. 60 Hansen-Kohlmorgen (Fn. 14), S. 64.

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

117

schauergruppe und demzufolge eine erhebliche Einnahmesteigerung verbunden. Vielfältige Catering- und Merchandising-Einrichtungen in modernen Stadien bieten den Besuchern Anreize zu einem längeren Verweilen und zu höheren Ausgaben im Stadionbereich.61 Im Rahmen der Untersuchung der Gegenleistung ist zur Überprüfung der Angemessenheit der Kompensationszahlung unter Heranziehung des Private-InvestorTests der (ggf. hypothetische) Marktpreis zu ermitteln, der von einem Privaten in vergleichbarer Situation für die Nutzung des Stadions verlangt worden wäre. Es ist daher im Einzelfall zu untersuchen, ob die zu entrichtenden Stadionnutzungsgebühren in Gestalt des Miet- bzw. Pachtzinses dem marktüblichen Niveau entsprechen. Die Kommission betrachtet hierbei die Weitergabe der tatsächlich entstandenen Kosten für die Annahme einer beihilfenrechtskonformen Gegenleistung als ausreichend.62 Nicht maßgeblich sind somit die (idealen) Kosten einer effizienten Leistungsbereitstellung. Eine Begünstigung kann freilich erst dann ausgeschlossen werden, wenn die tatsächlich anfallenden Kosten auch entsprechend auf alle Nutzer umgelegt und unterschiedslos berechnet werden.63 Letzterem Aspekt dürfte jedoch bei der Vermietung von Fußballstadien eine nur geringe Bedeutung zukommen, da hier regelmäßig der örtliche Fußballverein als alleiniger Nutzer bzw. zumindest als Hauptnutzer des Stadions auftritt. (2) Mittelbare Vorteilserlangung durch Bereitstellung bzw. Modernisierung stadionbezogener Erschließungsinfrastrukturen Im Hinblick auf die stadionbezogenen Erschließungsinfrastrukturen ist zunächst festzustellen, dass diese nicht von den Vereinen, sondern in erster Linie von den Zuschauern bei der An- und Abfahrt genutzt werden. In Betracht kommt angesichts des rein wirkungsbezogenen Begünstigungsbegriffs auch eine mittelbare Vorteilhaftigkeit, z. B. durch eine erleichterte An- und Abfahrt der Zuschauer. Eine optimierte infrastrukturelle Erschließung erleichtert den Zugang zum Stadion und kann daher ein größeres Zuschauerpotenzial aktivieren, woraus sich für die Heimvereine als Hauptnutzer durch die Veranstaltung von Fußballspielen neue Einnahmepotenziale ergeben.64 Erlangen die Vereine als Stadionnutzer hierdurch mittelbar einen geldwerten Vorteil, muss dieser unter konsequenter Anwendung des Private-Investor-Tests in entsprechend angepassten Stadionnutzungsgebühren reflektiert werden. Um eine beihilfenrelevante Begünstigung auszuschließen, ist daher in der Praxis sowohl bei 61

Hansen-Kohlmorgen (Fn. 14), S. 64. Koenig/Kühling/Scholz (Fn. 5), S. 24 Rn. 27 f. unter Bezugnahme auf zwei unveröffentlichte Schreiben der Kommission betreffend die Sportstadien in Hannover und Wembley; vgl. auch Koenig/Scholz, EuZW 2003, 133 (135). 63 Kommission, ABl. 2000 L 137/1 (S. 5, Rn. 29) – Sangalli Manfredonia Vetro. 64 Hansen-Kohlmorgen (Fn. 14), S. 66 f. 62

118

Wolfgang Kreuzer

rein öffentlichem als auch bei unter Beteiligung Privater durchgeführtem Betrieb des Stadions auf eine entsprechende Anpassung der Nutzungsgebühren zu achten. (3) Spezifität der Maßnahme als entscheidendes Abgrenzungskriterium Ob im Einzelfall eine Kostentragungspflicht des Unternehmens gegeben ist, richtet sich unter Heranziehung des – insofern ausnahmsweise inzident zu prüfenden – Merkmals der Spezifität bzw. Selektivität danach, ob die fragliche Maßnahme im Interesse der Allgemeinheit oder ausschließlich im Interesse eines bestimmten Unternehmens realisiert wurde. Die Abgrenzung von Infrastrukturen zum Nutzen der Allgemeinheit zu begünstigungsrelevanten Sonderunterstützungen kann daher allein über die tatsächliche bzw. potenzielle Nutzungsmöglichkeit vorgenommen werden.65 Dienen die von der öffentlichen Hand (mit-)finanzierten Infrastrukturmaßnahmen dem ausschließlichen Nutzen bestimmter Unternehmen, dann bleiben diesen die Investitionskosten hierfür erspart, sodass in diesen Fällen regelmäßig eine Kostenreduzierung vorliegt. Denn während bei allgemeinen Maßnahmen die Kosten grundsätzlich von der Allgemeinheit, z. B. durch (örtliche) Steuern oder Abgaben, getragen werden, ist bei spezifischen Maßnahmen für die Bereitstellung und Nutzung ein marktgerechtes Entgelt zu bezahlen.66 Unproblematisch sind dabei die sog. inneren Erschließungsmaßnahmen, die auf dem Stadiongrundstück selbst durchgeführt werden. Diese nutzen alleine dem Grundstückseigentümer und sind dementsprechend regelmäßig auch von ihm zu finanzieren.67 Bei staatlicher Vornahme derartiger Erschließungsmaßnahmen erlangt er somit einen geldwerten Vorteil, dem eine Kompensation in Form einer angemessenen Gegenleistung gegenüberstehen muss. Die in der Praxis relevanteren Infrastrukturmaßnahmen sind jedoch vielmehr die Maßnahmen zur verkehrsmäßigen Anbindung des Stadiongrundstücks sowie die Errichtung bzw. die Modernisierung des Stadions selbst. Hier werden die entsprechenden Maßnahmen nicht selten an die Anforderungen des Vereins bzw. der Betreibergesellschaft angepasst, die daher die Kosten für diese selbst zu tragen hätten.68 Die staatliche Förderung führt in diesen Fällen daher sehr häufig bei den betroffenen Unternehmen zu einer geldwerten Vorteilserlangung, so dass die Gegenleistung stets einer genauen Überprüfung zu unterziehen ist.

65

Koenig/Scholz, EuZW 2003, 133 (134). Heidenhain (Fn. 25), § 9 Rn. 24. 67 Soltész, EuZW 2001, 107 (109). 68 Im Bereich der Erschließungsmaßnahmen gilt dies selbstverständlich auch für nichtspezifische Maßnahmen, die üblicherweise von der öffentlichen Hand erbracht werden (wie z. B. die straßenmäßige Erschließung von Gewerbegebieten sowie die Verlegung der erforderlichen Leitungen für Wasser- und Energieversorgung). 66

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

119

bb) Begünstigung auf Betreiber- und Errichterebene Eine Begünstigung der Betreiber bzw. Eigentümer, die nicht zugleich Nutzer sind, kommt dann in Betracht, wenn die Errichtung und/oder der Betrieb einer Infrastrukturmaßnahme in Kooperation mit der Privatwirtschaft erfolgen. Eine geldwerte Vorteilserlangung lässt sich in diesen Konstellationen unter Heranziehung verschiedener Gesichtspunkte begründen. (1) Vermarktungsvorteile durch verbesserte Infrastruktur Für die private Betriebsgesellschaft ergeben sich durch eine verbesserte Infrastruktur ähnlich wie für die Vereine auf Nutzerebene Möglichkeiten zur Verbesserung der Einnahmen. Zum einen bietet ein modernisiertes Stadion durch die Erfüllung der neuesten Standards in puncto Sicherheit und Ausstattung, z. B. durch die Installation von Videowürfeln sowie fortschrittlicher Belichtungs- und Beschallungsanlagen, den Stadionbetreibern einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitkonkurrenten bei der Akquise von Veranstaltungen. Darüber hinaus können die Stadionbetreiber ein modernisiertes Stadion für eine größere Bandbreite von Veranstaltungen vermarkten, was ihnen ebenfalls bessere Einnahmemöglichkeiten beschert.69 Bei der Überprüfung der Angemessenheit der Gegenleistung ist danach zu unterscheiden, ob es sich um Maßnahmen der inneren – d. h. auf dem Stadiongrundstück selbst – oder der äußeren Erschließung – d. h. außerhalb des Stadiongrundstücks zu dessen infrastruktureller Erschließung – handelt. Bei Letzteren hängt die Bestimmung der zu erbringenden Kompensationsleistung wiederum von der – inzident zu untersuchenden – Spezifität, d. h. der Unternehmensbezogenheit der konkreten Maßnahmen ab. Im Falle der öffentlichen Erbringung von Erschließungsmaßnahmen werden die Kosten gemäß der erschließungsrechtlichen Vorgaben typischerweise auf die Eigentümer aller erschlossenen Grundstücke umgelegt, so dass als angemessene, d. h. marktmäßige Gegenleistung grundsätzlich der von allen profitierenden Unternehmen zu leistende ortsübliche Erschließungsbeitrag zu erbringen ist.70 Hiervon erfasst sind grundsätzlich alle Maßnahmen, die der Herstellung der Nutzungsmöglichkeiten von Grundstücken dienen, also insbesondere der Anschluss an die allgemeinen Verund Entsorgungsnetze – wie Elektrizität, Gas, öffentliche Wasserversorgung und Kanalisation – sowie der Anschluss an das allgemeine Straßennetz.71 Wird dann ein beitragspflichtiges Unternehmen nicht oder nicht in voller Höhe in Anspruch genom-

69

Hansen-Kohlmorgen (Fn. 14), S. 64 f. Vgl. hierzu näher die §§ 127 ff. BauGB; die Kommune hat dabei mindestens 10 % der Gesamtkosten selber zu tragen, vgl. § 129 I 3 BauGB. 71 Vgl. auch die abschließende Aufzählung in § 127 II BauGB. 70

120

Wolfgang Kreuzer

men, so liegt hierin eine (spezifische) Begünstigung des betreffenden Unternehmens in Höhe des Differenzbetrages.72 Ergibt die Untersuchung des Spezifitätskriteriums jedoch, dass es sich aufgrund ihres tatsächlichen oder faktischen Zuschnitts auf das betreffende Stadiongrundstück um eine unternehmensspezifische Maßnahme mit selektivem Charakter handelt, müsste das hiervon profitierende private (Mit-)Betreiberunternehmen unter Marktbedingungen als Gegenleistung – unabhängig von der Beitragspflichtigkeit der jeweiligen Maßnahme – die vollen, d. h. tatsächlich angefallenen Kosten der Erbringung entrichten. Wird das Unternehmen tatsächlich ganz oder auch nur zum Teil von diesen Kosten befreit, liegt mangels marktüblicher Gegenleistung eine Begünstigung in Höhe des Differenzbetrages vor.73 Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass als Bemessungsgrundlage zur Bestimmung der angemessenen, d. h. marktüblichen Gegenleistung – abhängig vom selektiven Charakter der fraglichen Maßnahme – entweder die vollen, d. h. tatsächlichen Kosten oder „nur“ der ortsübliche Erschließungsbeitrag heranzuziehen sind. Im Hinblick auf die bei Stadionprojekten in den meisten Fällen als unternehmensspezifisch zu qualifizierenden Maßnahmen der äußeren Erschließung, ist das Vorliegen einer entsprechenden Kompensationszahlung in der Praxis eher kritisch zu betrachten. Allein das Tätigwerden der öffentlichen Hand in diesen Fällen lässt vermuten, dass die betreffenden Maßnahmen gerade nicht zu Bedingungen vorgenommen wurden, die denen eines privaten Investors entsprachen. Erfolgt der Betrieb eines Stadions durch Private bzw. in Kooperation mit der Privatwirtschaft, birgt auch die staatliche Finanzierung bzw. Vornahme der auf dem Stadiongrundstück selbst erfolgenden, sog. inneren Erschließungsmaßnahmen die Gefahr einer Begünstigung der Grundstückseigentümer bzw. Betreiber. Bei derartigen Arbeiten handelt es sich schon ihrer Zweckbestimmung nach regelmäßig um unternehmensspezifische Maßnahmen, die durch eine marktübliche Gegenleistung zu kompensieren sind. Für deren Bemessung ist maßgeblich auf die Ortsüblichkeit bzw. auf das Kostendeckungsprinzip abzustellen.74 (2) Erteilung des Betriebs- bzw. Errichtungsauftrags Unabhängig von den für die Errichtung bzw. aus dem Betrieb zu erwartenden Einnahmen wirkt sich die Involvierung in einem oftmals besonders prestigeträchtigen Stadionprojekt auch positiv auf den Bekanntheitsgrad und somit die Marktstellung 72 Mitteilung der Kommission 1994 C 369/6 (7) – Fritz Egger; Kommission, ABl. 2003 L 91/23 (Ziff. 65) – Freizeitpark Terra Mítica; Soltész, EuZW 2001, 107 (109); Koenig/Kühling/ Scholz (Fn. 5), S. 25 Rn. 28; Koenig/Kühling/Ritter (Fn. 31), Rn. 125; Koenig/Kühling, SpuRt 2002, 53 (56); Zeitz (Fn. 52), S. 221. 73 Soltész, EuZW 2001, 107 (109) m. w. Nw.; Quigley (Fn. 32), S. 50. 74 Mitteilung der Kommission, ABl. 1996 C 281/15 (S. 18); Kommission, ABl. 2000 L 137/1 (Rn. 28 f.) – Sangalli Manfredonia Vetro; Koenig/Kühling, SpuRt 2002, 53 (56); Soltész, EuZW 2001, 107 (109); Koenig/Kühling/Ritter (Fn. 31), Rn. 125.

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

121

des betreffenden Unternehmens im Hinblick auf Folgeaufträge aus. Insofern erlangt ein mit dem Betrieb bzw. der Errichtung betrautes Unternehmen schon allein aufgrund seiner Beteiligung am Stadionprojekt einen Vorteil geldwerter Art, der bei Nichtvorliegen einer angemessenen Kompensation zur Annahme einer Begünstigung führt. Eine beihilfenrechtsrelevante Begünstigung kann hierbei nur dann ausgeschlossen werden, wenn das beauftragte Unternehmen eine marktangemessene Gegenleistung erbringt. Dies bedeutet, dass einerseits bei der Errichtung der Sportinfrastruktur durch die öffentliche Hand keine überhöhten Preise für Bauleistungen und andere Maßnahmen gezahlt werden dürfen75 und andererseits die mit dem Betrieb beauftragten Unternehmen keine Vergütung erhalten dürfen, die die marktübliche Vergütung übersteigt.76 Eine Möglichkeit hierfür besteht nach Ansicht der Kommission in der Durchführung eines hinreichend publizierten, allgemeinen und bedingungsfreien Ausschreibungsverfahrens um die Errichtung bzw. den Betrieb der Sportinfrastruktur.77 Da hierbei stets das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhält, garantiert dieses Vorgehen die Angemessenheit des Leistungs-Gegenleistungs-Verhältnisses und verhindert so von vornherein eine Überkompensation des Betreibers bzw. Errichters der Infrastruktur.78 Als alternativer Mechanismus kommt eine Wertermittlung der Gegenleistung durch einen unabhängigen Gutachter in Betracht.79 (3) Betriebskostenzuschuss Erhält der Betreiber des Stadions bzw. der stadionbezogenen Erschließungsinfrastruktur von der öffentlichen Hand einen Zuschuss zu seinen Betriebskosten, so liegt hierin ebenfalls die Erlangung eines geldwerten Vorteils begründet, der bei Nichtvorliegen einer angemessenen Kompensation zu einer Begünstigung des Betreiberunternehmens führt.80 Von einer Begünstigung ist in diesen Fällen dann auszugehen, wenn der nichtspezifische, d. h. allgemeine Charakter der Infrastruktur nicht gesichert ist.81 Insofern 75

Koenig/Kühling/Scholz (Fn. 5), S. 27 Rn. 32. Koenig/Kühling/Scholz (Fn. 5), S. 27 Rn. 33. 77 Entscheidung der Kommission vom 09. 04. 2002, N 610/01 (Punkt 3.4.), ohne Begründung veröffentlicht in ABl. 2002 C 164/3 – Tourismusinfrastrukturprogramm Baden-Württemberg. Vgl. zum Vergabeverfahren beim Sportstättenbau Vieweg/Oschütz, SpuRt 1999, 45 ff. 78 Koenig/Kühling/Scholz (Fn. 5), S. 32 Rn. 41. 79 Koenig/Kühling/Scholz (Fn. 5), S. 42 f. Rn. 56. 80 Koenig/Scholz, EuZW 2003, 133 (136). 81 Koenig/Scholz, EuZW 2003, 133 (136, dort unter 2.) unter Verweis auf die nicht veröffentlichten Entscheidungen vom 01. 08. 2000, Beihilfe N 93/2000 – Fremdenverkehr in der Lombardei, vom 28. 09. 1999, Beihilfe N 248/99 – Fremdenverkehr im Piemont und vom 28. 07. 1999, N 341/99 – Gasversorgung in Andalusien. 76

122

Wolfgang Kreuzer

kommt auch in diesen Konstellationen die inzidente Untersuchung des Spezifitätskriteriums zum Tragen. Zu bedenken ist jedoch ferner die – im Rahmen von Stadionprojekten eher seltene – Möglichkeit, dass es sich bei den Zuschusszahlungen auch um Ausgleichszahlungen für die Erbringung (unrentabler) Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handeln kann, so dass ggf. auch eine Berücksichtigung der Zuschusszahlungen im Rahmen der sog. Altmark-Trans-Kriterien, denen zufolge staatliche Vorteilsgewährungen unter bestimmten Voraussetzungen82 als Ausgleich für die Erbringung bestimmter gemeinwohlorientierter Dienstleistungen in Ansatz gebracht werden können, bzw. des Art. 106 Abs. 2 AEUV in Betracht kommt. e) Vertragliche Vergünstigungen beim Kauf bzw. Verkauf des Stadiongrundstücks Auch hier ist unter Heranziehung der allgemeinen Grundsätze das Vorliegen einer Begünstigung immer dann zu bejahen, wenn der staatlichen Leistung keine wertmäßig entsprechende Gegenleistung gegenübersteht, wobei als Vergleichsmaßstab wiederum derjenige eines Privatinvestors heranzuziehen ist. Eine marktadäquate Gegenleistung ist hiernach dann gegeben, wenn ein Privater im normalen Wirtschaftsverkehr das betreffende Grundstück zu demselben Preis verkaufen bzw. kaufen würde.83 Denn eine Begünstigung kann im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften der öffentlichen Hand nicht nur dann auftreten, wenn diese ein in öffentlichem Eigentum stehendes Stadiongrundstück unter Marktpreis an den Verein bzw. die Besitzgesellschaft veräußert, sondern auch dann, wenn der Verein beim Verkauf des vereinseigenen Stadiongrundstücks einen überhöhten Kaufpreis erhält. Hier ist nach dem Willen der Kommission die Durchführung eines allgemeinen und bedingungsfreien Bietverfahrens zur Sicherstellung einer marktadäquaten Gegenleistung geeignet.84

82 Vgl. die grundlegende Entscheidung EuGH, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747, Rn. 88 – 95 – Altmark; diese Kriterien ebenfalls heranziehend EuG, Urteil vom 12. 02. 2008, Slg. 2008, II81 (Rn. 157 ff.) – BUPA/Kommission. Eine Begünstigung kann demnach im Hinblick auf Ausgleichszahlungen für gemeinwirtschaftliche Tätigkeiten immer dann ausgeschlossen werden (mit der Folge der Befreiung von der Notifizierungspflicht!), wenn die folgenden vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: (1) Tatsächliche Betrauung des Unternehmens mit der Erfüllung klar definierter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen; (2) Berechnung des Ausgleichs nach zuvor objektiv und transparent aufgestellten Parametern; (3) Erforderlichkeit des Ausgleichs unter Berücksichtigung erzielter Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, sog. Nettomehrkosten-Prinzip; (4) Kostenäquivalenz mit einem durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen oder Durchführung eines Vergabeverfahrens. 83 Kommission, ABl. 2002 L 12/1 (Rn. 149) – Scott Paper; vgl. auch Frenz (Fn. 33), Rn. 267 und 278. 84 Zu den näheren Anforderungen vgl. die Grundstücksmitteilung, ABl. 1997 C 209/3 (dort unter Abschnitt II.1.); mit Blick auf die bei Stadionprojekten häufig grenzüberschreitende Nachfrage empfiehlt sich zur Wahrung der hinreichenden Publizität eine internationale Bekanntmachung der Ausschreibung.

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

123

Während ein Verkauf im Wege des Bietverfahrens per se für die Festlegung des Marktwertes sorgt, ist das Prinzip des privaten Investors im Falle des Verkaufs auf der Grundlage einer Sachverständigenbewertung in das Erfordernis eines Wertgutachtens eingekleidet.85 Erfolgt die Veräußerung unter Einhaltung der beschriebenen Verfahren, beurteilt die Kommission diesen Vorgang als beihilfenrechtlich neutral und sieht daher bei Beschwerden, die durch einen Konkurrenten oder übergangenen Bewerber erhoben werden, keinen Anlass zur Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens.86 Insgesamt wird man jedoch sagen können, dass aus Gründen der Rechtssicherheit die Durchführung eines Bietverfahrens empfehlenswert erscheint, da die Wertermittlung durch Sachverständige bei der Bestimmung des Marktpreises einen größeren Spielraum lässt und damit eine höhere Fehlerquote bedingt. Schließlich hat auch die Kommission ihre Präferenz für die Durchführung eines Bietverfahrens zum Ausdruck gebracht.87 f) Vertragliche Vergünstigungen bei der Stadionvermietung bzw. -verpachtung Nicht selten werden im öffentlichen Eigentum stehende Stadien für einen symbolischen Betrag oder gar unentgeltlich dem Verein bzw. der Betreibergesellschaft zur Nutzung überlassen.88 Zur Bemessung der marktadäquaten Gegenleistung, also des für das betreffende Grundstück unter Marktbedingungen üblicherweise zu erbringenden Miet- bzw. Pachtzinses, zieht die Kommission ebenfalls die in der Grundstücksmitteilung niedergelegten Bewertungsgrundsätze entsprechend heran.89 Demnach sieht die Kommission die Vermietung bzw. Verpachtung des Stadiongrundstücks nur bei Durchführung eines den oben beschriebenen Anforderungen entsprechenden Bietverfahrens oder im Fall der Erstellung eines unabhängigen Wertgutachtens als beihilfenrechtskonform an.90 Da sich die jeweilige Höhe der Nutzungsgebühren eines Stadions vor allem auch nach dessen konkreter Ausrichtung – d. h. im Hinblick auf unterschiedliche Nutzungsarten bzw. Nutzergruppen – richtet, kommt der Frage nach dem selektiven Zu85

Lübbig/Martín-Ehlers (Fn. 10), Rn. 293 f. Harings (Fn. 39), Rn. 81. 87 Vgl. den XXIX. Wettbewerbsbericht der Kommission 1999, SEK (2000) 720 endg., Ziff. 235: „[…] beste Möglichkeit […] zu gewährleisten, dass die öffentliche Unterstützung dem Mindestbetrag entspricht.“ 88 Hierauf hinweisend Summerer, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, S. 638 (dort Rn. 211). 89 Vgl. z. B. Kommission, ABl. 1999 C 280/8 (S. 10, Punkt 5.2.) – Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH. 90 Kommission, ABl. 1999 C 280/8 (S. 10, Punkt 5.2.) – Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH. 86

124

Wolfgang Kreuzer

schnitt des Stadions bei der Bestimmung des marktüblichen Vergleichsmaßstabs eine maßgebliche Rolle zu. Schließlich dürften die Miet- bzw. Pachtgebühren bei einem nur auf Sport bzw. gar nur auf Fußball ausgelegten Stadion sicher höher sein als bei einem multifunktionalen Stadion, bei welchem sich die Betriebskosten auf verschiedene Nutzer verteilen lassen. g) Berücksichtigungsfähigkeit von Fördervorteilen als Ausgleich für die Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen durch den Bau, den Betrieb und die Nutzung von Stadioninfrastrukturen Für eine Anwendbarkeit der sog. Altmark-Trans-Kriterien, denen zufolge staatliche Vorteilsgewährungen unter bestimmten Voraussetzungen91 als Ausgleich für die Erbringung bestimmter gemeinwohlorientierter Dienstleistungen in Ansatz gebracht werden können, dürfte es mangels Gemeinwohlrelevanz von Stadionbau, -betrieb und -nutzung in der Regel an einer gemeinwirtschaftlichen Aufgabenerfüllung fehlen. Da Stadien im Gegensatz zu den auf eine Förderung des Breitensports ausgerichteten Freizeitsportanlagen und Vereinssportstätten primär den Partikularinteressen der Vereine als Hauptnutzer zugute kommen, scheidet eine gemeinwirtschaftliche Aufgabenerfüllung unter dem Gesichtspunkt der Förderung der aktiven (!) sportlichen Betätigung aus. Anerkannte Gemeinwohlziele sind daneben auch der Behindertensport sowie der Jugendsport, sodass allenfalls Investitionen in diesen Bereichen für gemeinwohlbezogene Ausgleichszahlungen in Betracht kommen. Denkbar wäre insofern eine entsprechende Berücksichtigung von Behindertensport- bzw. Jugendsportveranstaltungen in der Nutzungsplanung sowie eine hierauf ausgerichtete bauliche Ausgestaltung des Stadions bzw. der stadionbezogenen Verkehrsinfrastrukturen, wie z. B. Wettkampfanlagen für die im Schul- und Amateurvereinssport relevanten Leichtathletikdisziplinen, behindertengerechte Ausstattung der Sportanlagen, der Katakomben, aber auch des Zuschauerbereichs sowie der An-und Abreisewege. Anerkanntes Gemeinwohlziel wäre schließlich noch die (überobligationsmäßige) Förderung des Umweltschutzes. Umsetzbar erscheint dies – wenn auch nur in geringem Rahmen – z. B. durch die Verwendung von Baumaterialien mit besonders geringer, d. h. das gesetzlich geforderte Maß deutlich unterschreitender Umweltbelastung bei der Stadionerrichtung oder durch den Einsatz von im Vergleich zu den gesetzlichen Vorgaben besonders umweltschonenden bzw. emissionsarmen Energieund Entsorgungssystemen im Rahmen des Stadionbetriebs. Angesichts der Tatsache, dass die gemeinwohlbezogenen Tätigkeiten bei der Errichtung und dem Betrieb eines Stadions regelmäßig nur eine Teilmenge der dabei insgesamt erbrachten Leistungen betreffen, ist im Hinblick auf die Bemessung der

91

Vgl. Fn. 82.

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

125

Ausgleichszahlungen einer sauberen Trennung und entsprechend konkreten Formulierung der einzelnen Leistungen besondere Beachtung zu schenken. 3. Selektivität der Begünstigung Verboten sind nur solche Fördermaßnahmen, die ein bestimmtes Unternehmen92 begünstigen. Der auch im Beihilfenrecht geltende funktionale Unternehmensbegriff umfasst dabei jede wirtschaftlich tätig werdende, d. h. auf Einnahmenerzielung ausgerichtete Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform, der Art ihrer Finanzierung sowie dem Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht. Im Hinblick auf die weitreichenden kommerziellen Aktivitäten bei Stadionnutzung und -betrieb werden daher z. B. auch die beteiligten Vereine oder „Public-Private-Partnerships“93 erfasst. Der selektive Charakter einer öffentlich geförderten Stadioninvestition ist immer dann gegeben, wenn diese aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung derart auf die Anforderungen des Vereins bzw. des Betreiberunternehmens zugeschnitten ist, dass dieser bzw. dieses – faktisch oder tatsächlich – deren alleiniger Nutznießer ist. a) Staatliche Einzelmaßnahmen Recht einfach lässt sich die Selektivität einer Begünstigung dann ermitteln, wenn die betreffende Maßnahme an einen ganz bestimmten Kreis von Unternehmen gerichtet ist bzw. wenn Zuwendungsempfänger lediglich ein einziges Unternehmen ist.94 Letzteres trifft auf den Großteil der im Bereich der Stadionfinanzierung typischen Fördermaßnahmen der öffentlichen Hand zu, nämlich auf direkte Zuschüsse, Darlehensgewährungen, Staatsbürgschaften sowie Vorteilsgewährungen bei Grundstücksgeschäften. Derartige Maßnahmen sind regelmäßig ausdrücklich nur an ein bestimmtes Unternehmen auf Ersteller-, Betreiber- bzw. Nutzerebene gerichtet, sodass aufgrund der ausdrücklichen Begrenzung des Adressatenkreises das Vorliegen einer selektiven Begünstigung in diesen Fällen regelmäßig ohne Probleme bejaht werden kann.

92 Der zusätzlich in Art. 107 Abs. 1 AEUV genannten Variante der Begünstigung „bestimmter Produktzweige“ kommt keine eigenständige Bedeutung zu, da in diesen Fällen regelmäßig auch einzelne Unternehmen begünstigt sind; so auch Koenig/Kühling/Scholz (Fn. 5), Rn. 170 sowie Heidenhain (Fn. 25), § 4 Rn. 51. 93 EuGH, Rs. C-222/04, Slg. 2006, I-325 (Rn. 107 f.) – Cassa di Risparmio di Firenze; verb. Rs. C-264/01, C-306/01, C-354/01, C-355/01, Slg. 2004, I-2493 (S. 2542 Rn. 46) – AOK-Bundesverband; Rs. C-309/99, Slg. 2002, I-1577 (Rn. 46 f.) – Wouters; konkret zu Sportvereinen vgl. Commission Staff Working Document, The EU and Sport: Background and Context – Accompanying Document to the White Paper on Sport, SEC (2007) 935, 28 f.; siehe auch Kommission, ABl. 1992 L 326/31 (36) – Fußballweltmeisterschaft 1990; ABl. 2000 L 5/ 55 (64) – Fußball-Weltmeisterschaft 1998; GA Lenz, Schlussanträge in Sachen EuGH, Rs. C415/93, Slg. 1995, I-4921 (S. 5026 f. Rn. 255) – Bosman. 94 Frenz (Fn. 33), Rn. 173.

126

Wolfgang Kreuzer

b) Allgemein gefasste Maßnahmen Diffiziler gestaltet sich die Untersuchung des selektiven Charakters staatlicher Fördermaßnahmen dann, wenn es sich um eine allgemein gefasste Maßnahme ohne ausdrücklich bestimmten Adressatenkreis handelt, wie dies häufig bei Maßnahmen der staatlichen Infrastrukturförderung der Fall ist.95 Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist insoweit die potenzielle Nutzungsmöglichkeit der jeweiligen Infrastruktur für die Allgemeinheit bzw. andere Wirtschaftsbeteiligte. In Bezug auf den öffentlich geförderten Stadionbau spielen hierbei die multifunktionale Nutzbarkeit des Stadions96 sowie die offene und diskriminierungsfreie Nutzungsvergabe97 eine wichtige Rolle. Bei Maßnahmen zur verkehrsmäßigen Erschließung des Stadions, wie z. B. Anschluss an das Straßennetz, Errichtung einer Bahnlinie oder von Parkmöglichkeiten, stellt die Kommission – in zunehmend kritischer Prüfung98 – darauf ab, inwieweit sich der tatsächliche Nutzen der jeweiligen Maßnahme auch anderen Grundstückseigentümern in dem betreffenden Gebiet zuordnen lässt. Abzustellen ist hierbei nicht nur auf die Anzahl – ggf. künftiger99 – po95 Zu den Schwierigkeiten bei der Anwendung des Bestimmtheitskriteriums auf Maßnahmen der Infrastrukturförderung vgl. bereits Modlich, Nationale Infrastrukturmaßnahmen und Art. 92 Abs. 1 EGV, 1996, S. 243 und 174 ff. 96 Maßgeblich ist insofern nicht die tatsächliche Nutzungsvielfalt, sondern inwieweit sich das Stadion aufgrund seiner baulichen Ausgestaltung für die Durchführung „fußballfremder“ Veranstaltungen, wie z. B. Leichtathletik-Wettkämpfe, Konzerte oder Parteiveranstaltungen, eignet. Zur Multifunktionalität von Stadien siehe auch die Ausführungen der Kommission in Commission Staff Working Document, The EU and Sport: Background and Context – Accompanying Document to the White Paper on Sport, SEC (2007) 935, S. 28 (dort Fn. 73). 97 Diese setzt voraus, dass alle Interessenten das Stadion zu gleichen Bedingungen nutzen können, also insbesondere im Hinblick auf die Nutzungsgebühren und -konditionen kein bestimmter Nutzer bzw. keine bestimmte Nutzungsart bevorzugt behandelt wird. Als kritisch dürfte es daher einzustufen sein, dass bei Stadien die bevorzugten Zeiträume an den Wochenenden regelmäßig von vornherein – wenn auch nur im Zwei-Wochen-Rhythmus – den Vereinen zur Verfügung gestellt werden. 98 Beispiele, in denen die Kommission die vermeintlich allgemeine Erschließungsmaßnahme als unternehmensspezifisch qualifiziert hat: Staatliche Finanzierung einer industriellen Abwasserreinigungsanlage, welche überwiegend den Zwecken eines bestimmten Unternehmens diente, da die anderen Mieter des Gewerbeparks das städtische Abwassernetz nutzen konnten, Kommission, ABl. 2000 L 61/4 (5, 8) – Weida Leder; staatliche Errichtung eines Bahnanschlusses innerhalb eines Gewerbeparks, welcher tatsächlich nur durch ein Unternehmen genutzt werden konnte, Kommission, ABl. 1999 C 9/6 (14) und ABl. 1999 C 253/4 (11) und ABl. 2001 L 38/33 (Rn. 18) – Lenzing Lyocell; staatliche Errichtung einer Kläranlage in einem Industriegebiet, von der im betreffenden Ansiedlungsgebiet ausschließlich ein Papier produzierendes Unternehmen profitierte, Kommission, ABl. 1994 C 170/8 sowie ABl. 1995 C 283/2 (3 f.) – Kimberly Clark; Errichtung eines öffentlichen Parkplatzes, der aufgrund des erheblichen Parkraumbedarfs des in der Nähe befindlichen Unternehmens im Wesentlichen nur von diesem verwendet wird, Kommission, ABl. 2002 L 48/20 (23, dort Rn. 20) – Valmont Nederland. 99 Allerdings werden zur Vermeidung von „Scheinplanungen“ hohe Anforderungen an die Konkretisierung der Planungen zu Ansiedlungen weiterer Unternehmen gestellt.

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

127

tenzieller Nutzer der betreffenden Infrastrukturmaßnahme, sondern auch auf die zu erwartende Nutzungsintensität.100 4. Transfer staatlicher Mittel Gemäß der Formulierung „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen“ erfasst der Beihilfentatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht nur Fördermaßnahmen durch unmittelbar staatliche Stellen, d. h. sämtliche Bundes-, Landesund Kommunalbehörden, sondern auch durch mit ihnen verbundene – und gegebenenfalls organisatorisch selbstständige – Einrichtungen.101 Zugerechnet werden können demnach grundsätzlich alle Maßnahmen von privatrechtlich organisierten Einheiten, die derart zum Staat in Verbindung stehen, dass dieser auf die Vergabe der Mittel Einfluss nehmen kann.102 Nicht erforderlich ist eine staatliche Mehrheitsbeteiligung oder eine Mehrheit der staatlichen Vertreter in den Entscheidungsgremien; es reicht vielmehr aus, dass das Unternehmen aufgrund staatlicher Einflussmöglichkeit keine volle Entscheidungsautonomie besitzt.103 Abzustellen ist daher unabhängig von der Herkunft der Mittel allein auf deren staatliche Zurechenbarkeit.104 Eine Umgehung der Beihilfenkontrolle durch die Ausgliederung bzw. Einschaltung einer selbstständigen juristischen Person scheidet somit aus. Ausreichend ist zudem, dass die Fördermaßnahme zu einer potenziellen Belastung des öffentlichen Haushalts führt, womit auch staatliche Haftungszusagen ohne tatsächlichen Mittelabfluss einbezogen werden.105

100 So kann sich beispielsweise für eine in Stadionnähe errichtete und als vermeintlich allgemeine Infrastrukturmaßnahme deklarierte Autobahnauffahrt trotz dichter Besiedlung und Straßennutzung in diesem Gebiet aufgrund der konkreten Straßenführung eine tatsächliche Beschränkung des Nutzerkreises und damit eine faktisch selektive Ausrichtung der Maßnahme ergeben. 101 Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang beispielsweise die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), deren Mittelvergaben bereits aufgrund der gesetzlichen Aufgabenzuweisung dem Staat zugerechnet werden können. 102 Vgl. z. B. Mederer/Triantafyllou, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Bd. 2, 6. Aufl. 2003, Art. 87 Rn. 25; Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV-Kommentar, 3. Aufl. 2007, Art. 87 Rn. 11. 103 Zeitz (Fn. 52), S. 234; Frenz (Fn. 33), Rn. 601. 104 EuGH, Rs. C-379/98, Slg. 2001, I-2099 (Rn. 58) – Preussen Elektra; Rs. C-126/01, Slg. 2003, I-13769 (Rn. 23) – GEMO; Rs. C-345/02, Slg. 2004, I-7139 (Rn. 34) – Pearle BV; Rs. T-136/05, Slg. 2007, II-4063 (Rn. 139) – Salvat père & fils. 105 Keine staatlich zurechenbare Vorteilsverschaffung liegt jedoch mangels Belastung des Staatshaushalts nach Ansicht der Kommission dann vor, wenn die Kommune allein durch die Umschreibung eines Grundstücks dem Verein als Haupteigentümer die umsatzträchtige Nutzung als Stadionareal ermöglicht, vgl. hierzu bereits oben.

128

Wolfgang Kreuzer

5. Verfälschung des Wettbewerbs Wettbewerbsverfälschend ist eine Beihilfe dann, wenn sie die Stellung des begünstigten Unternehmens zulasten seiner aktuellen oder potenziellen Wettbewerber verbessert. Auch wenn das Vorliegen einer selektiven Begünstigung – entgegen der früheren Auffassung der Kommission106 – noch keine Vermutung einer per-se-Wettbewerbsverfälschung begründet107, werden in der Rechtsprechungs- und Entscheidungspraxis durchweg geringe Anforderungen an das Kriterium der Wettbewerbsverfälschung gestellt. Ausreichend ist bereits die drohende Verzerrung eines potenziellen Wettbewerbsverhältnisses, sodass sich angesichts des heutigen Kommerzialisierungsgrades im Fußballsport und mit Blick auf die vielfältigen Vermarktungsaktivitäten der begünstigten Vereine und Stadionbetreiber deren Mehreinnahmen aus öffentlichen Stadioninvestitionen regelmäßig positiv auf ihre Marktstellung auswirken dürften. Ausgehend vom Bedarfsmarktkonzept ist dabei im Hinblick auf die von einer verbesserten Stadioninfrastruktur profitierenden Vereine angesichts der Berücksichtigung auch nur potenzieller Wettbewerbsverhältnisse unabhängig von der bisherigen Ausprägung der Marktaktivitäten an eine verbesserte Marktstellung auf unterschiedlichen Märkten zu denken – z. B. auf dem Nachfragemarkt nach Sportausrüstung und -geräten, dem Nachfragemarkt nach Berufs- bzw. Arbeitsleistungen von Spielern und Trainern, dem Angebotsmarkt für Berufs- bzw. Arbeitsleistungen von Spielern und Trainern sowie auf dem Angebotsmarkt für Merchandising-Artikel. Auf Betreiberebene erlangt demgegenüber das Betreiberunternehmen durch ein mit öffentlicher Unterstützung errichtetes bzw. modernisiertes Stadion einen Marktvorteil bei der Akquise von Veranstaltungen.

III. Ausnahmen und Genehmigungstatbestände Während Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV Fälle regeln, in denen die Kommission die Vereinbarkeit zuvor angemeldeter Beihilfen durch eine sog. Positiventscheidung ausdrücklich feststellen muss, sind Beihilfen im Anwendungsbereich der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)108 stets von der Notifizierungspflicht befreit. 106

Vgl. z. B. XI. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1981), Rn. 176. EuGH, Rs. C-457/00, Slg. 2003, I-6931 (Rn. 103) – Belgien/Kommission; Rs. C-409/00, Slg. 2003, I-1487 (Rn. 74) – Spanien/Kommission; Rs. C-372/97, Slg. 2004, I-3679 (Rn. 71) – Italien/Kommission; bei intensivem Wettbewerb in der betroffenen Branche kann hingegen vom Vorliegen einer selektiven Begünstigung auf eine (drohende) Wettbewerbsverfälschung geschlossen werden, vgl. EuG, Rs. T-214/95, Slg. 1998, II-717 (738, Rn. 46) – Vlaams Gewest/Kommission. 108 Verordnung (EG) Nr. 800/2008, ABl. 2008 L 214/3. Die zum 01. 07. 2014 in Kraft getretenen Änderungen der AGVO, in deren Rahmen unter bestimmten Voraussetzungen im 107

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

129

1. Relevanz der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung Mögliche Ansatzpunkte für eine Anwendung der AGVO im Bereich der Sportförderung bzw. Stadionfinanzierung ergeben sich allenfalls in Bezug auf die dort geregelte Freistellung von Investitionsbeihilfen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)109 sowie von regionalen Investitionsbeihilfen zur Schaffung von Arbeitsplätzen110.111 Gerade im Bereich des Stadionbaus werden die Aufträge jedoch zumeist an Unternehmen vergeben, die die Vorgaben für KMU deutlich überschreiten. Eine Anwendung der Freistellungstatbestände dürfte daher in erster Linie auf Beihilfen zugunsten von Betreiber- bzw. Bauunternehmen bei kleineren Stadionprojekten in Betracht kommen. Anders als bei Stadiongroßprojekten, bei denen oftmals ein internationaler Wettbewerb um die Erteilung des Betriebs- bzw. Errichtungsauftrags besteht, sind hier sowohl auf Betreiber- als auch auf Errichterebene häufig mittelständische Unternehmen aus der Region involviert, die hinsichtlich ihrer Beschäftigungszahl und ihrer Finanzstruktur den Vorgaben der Freistellungsverordnung eher entsprechen dürften. Eine Anwendbarkeit der KMU-bezogenen Freistellungsmöglichkeiten im Bereich des Stadionbetriebs ist zudem immer dann in Betracht zu ziehen, wenn der als Hauptnutzer des Stadions auftretende Verein zugleich für den Betrieb desselben verantwortlich zeichnet.112 Gleichwohl bedarf es auch hier einer genauen Untersuchung, ob die – insbesondere umsatzbezogenen – Voraussetzungen Bereich der Förderung von Sportinfrastrukturen eine Befreiungsmöglichkeit eingeführt wurde, konnten aus redaktionellen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden. 109 Als KMU definiert die AGVO Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern, deren Jahresumsatz 50 Millionen Euro bzw. Jahresbilanzsumme 43 Millionen Euro nicht überschreitet. Freigestellt sind KMU-Beihilfen bis zu einer Obergrenze von 7,5 Millionen Euro pro Unternehmen und Investitionsvorhaben (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. a) AGVO). 110 Der Sport wird im Zusammenhang mit „Tourismustätigkeiten“ ausdrücklich genannt (vgl. Erwägungsgrund 14 i. V. m. Art. 2 Nr. 25 lit. f) AGVO). Freigestellt sind jedoch nur Fördermaßnahmen für Erstinvestitionen, die nachweislich zu einer „kohärenten Regionalentwicklungsstrategie“ beitragen (vgl. Regionalbeihilfeleitlinien 2007 – 2013, ABl. 2006 C 54/13 [14 f. Rn. 10]) und entweder auf Grundlage eines Beihilfenprogramms oder zur Ergänzung einer auf Grundlage eines solchen gewährten Beihilfe gewährt werden (vgl. Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 AGVO). Der räumliche Anwendungsbereich ist zudem auf die in der Fördergebietskarte – abrufbar unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/foerdergebietskarte-ab2007,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2014) – ausgewiesenen strukturschwachen Regionen begrenzt (vgl. Art. 13 Abs. 2 AGVO). Erfasst sind nur Maßnahmen, die dem Ausgleich der Nachteile bestimmter besonders strukturschwacher Regionen dienen. 111 Bei den sonstigen von der AGVO umfassten Bereichen dürften sich kaum Bezugspunkte zum Sportsektor ergeben. Diese sind (vgl. Art. 1 Abs. 1 AGVO): Beihilfen für die Gründung von Frauenunternehmen, Umweltschutzbeihilfen, KMU-Beihilfen für die Inanspruchnahme von Beratungsdiensten und für die Teilnahme an Messen, Risikokapitalbeihilfen, Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen, Ausbildungsbeihilfen und Beihilfen für benachteiligte oder behinderte Menschen. 112 Hierauf hinweisend Olfers, ISLJ 2003/1, 2 (6).

130

Wolfgang Kreuzer

der KMU-Definition erfüllt sind. Mit Blick auf das typischerweise hohe Investitionsvolumen bei Stadionprojekten ist zudem von Bedeutung, dass die Freistellungsmöglichkeit für Investitionsfördermaßnahmen zugunsten von KMU aufgrund des sonst bestehenden Risikos einer Wettbewerbsverfälschung auf Beihilfen bis zu einer Höhe von 7,5 Millionen Euro pro Unternehmen und Investitionsvorhaben beschränkt ist.113 Aufgrund dieser „Deckelung“ sind daher – trotz einer etwaigen Bejahung des KMU-Charakters des begünstigten Unternehmens – Beihilfen für Vorhaben mit einem Investitionsvolumen über diesem Betrag nicht von der Freistellungsverordnung erfasst und weiterhin vor Gewährung bei der Kommission anzumelden.114 Da sich die Gesamtkosten bei der Neuerrichtung von – auch nur kleineren – Stadien zumeist im dreistelligen Millionenbereich bewegen und damit die für eine Anwendbarkeit der Freistellungsverordnung zulässige Höchstgrenze der Gesamtkosten regelmäßig weit überschritten ist, dürfte sich ihr Anwendungsbereich in erster Linie auf Maßnahmen im Zusammenhang mit der Modernisierung bzw. dem Ausbau von Stadien beschränken. Eine bedeutende Einschränkung der Relevanz der Freistellungsmöglichkeiten für regionale Investitionsbeihilfen nach der AGVO im Bereich der Stadionfinanzierung ergibt sich aus der räumlichen Begrenzung des Anwendungsbereichs auf solche Beihilfen, die den in der von der Kommission zu genehmigenden Fördergebietskarte des betreffenden Mitgliedstaates ausgewiesenen Regionen zugute kommen.115 In Deutschland sind dies, abgesehen von einzelnen strukturschwachen ländlichen und altindustriellen Regionen und den ostbayerischen Grenzregionen in den alten Bundesländern, in erster Linie die neuen Bundesländer.116 Eine Freistellung kommt somit nur für in diesen Regionen befindliche Stadien in Betracht. Zudem ist von Bedeutung, dass sich die Freistellungsmöglichkeit auch im Bereich regionaler Investitionsbeihilfen nur auf Investitionen in materielle und immaterielle Anlagewerte beschränkt, wobei im Bereich der Stadionförderung damit allein Investitionen in materielle Anlagen, d. h. in Stadionneubauten infrage kommen.

113

Art. 6 Abs. 1 a) Allgemeine GVO, ABl. 2008 L 214/3. Vgl. Erwägungsgrund 23, Allgemeine GVO, ABl. 2008 L 214/3. 115 Vgl. Art. 13 Abs. 2 Allgemeine GVO, ABl. 2008 L 214/3; vgl. auch die Leitlinien der Kommission für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007 – 2013, ABl. 2006 C 54/ 13 (Rn. 98); vgl. hierzu auch Frenz (Fn. 33), Rn. 907. 116 Vgl. die kartografische Darstellung der Fördergebiete 2007 – 2013 – abrufbar unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/foerdergebietskarte-ab-2007,property=pdf,be reich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf (zuletzt abgerufen am 25. 04. 2014) – sowie die Auflistung der einzelnen Bezirke nach Bundesländern, abrufbar unter http://www.bmwi.de/ BMWi/Redaktion/PDF/F/foerdergebiet-ab-1-januar-2007,property=pdf,bereich=bmwi,spra che=de,rwb=true.pdf (zuletzt abgerufen am 25. 04. 2014); siehe hierzu auch die Pressemitteilung des BMWI vom 08. 11. 2006, abrufbar unter http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/ Presse/pressemitteilungen,did=168924.html (zuletzt abgerufen am 25. 04. 2014). 114

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

131

2. Möglichkeit einer Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 2 AEUV Kaum je relevant dürften im Bereich der Sportförderung die in Art. 107 Abs. 2 AEUV enthaltenen Ausnahmetatbestände für Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher (lit. a), für Beihilfen bei außergewöhnlichen Ereignissen und Naturkatastrophen (lit. b) sowie für Beihilfen zum Ausgleich der durch die Teilung Deutschlands verursachten wirtschaftlichen Nachteile (lit. c)117 werden. 3. Möglichkeit einer Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 3 AEUV Auch in Bezug auf die in Art. 107 Abs. 3 AEUVaufgezählten Ermessenstatbestände ergeben sich nur geringe Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Sportförderung. Nach lit. a kann die Kommission Regionalbeihilfen für stark unterentwickelte Gebiete118 genehmigen, wenn deren wirtschaftliche Entwicklung sektorenübergreifend von der Förderung profitiert und das geförderte Vorhaben nachweislich zu einer kohärenten Entwicklungsstrategie beiträgt119. Nur schwer dürfte ein entsprechender Nachweis bei Stadioninvestitionen aufgrund ihres naturgemäß rein ortsbezogenen und punktuellen Wirkungspotenzials zu erbringen sein. Doch selbst dann wäre Voraussetzung, dass es sich um die Förderung von Erstinvestitionen handelt und zudem das Investitionsvolumen des gesamten Projektes 50 Millionen Euro nicht übersteigt, was jedoch in der Regel schon bei kleineren Stadionprojekten der Fall ist. Für eine Genehmigung in Betracht kommen daher überhaupt nur Fördermaßnahmen im Zusammenhang mit dem Neubau von kleineren Stadien, die zudem ohne öffentliche Unterstützung unter normalen Marktbedingungen nicht realisierbar wären („Anreizeffekt“). Zudem muss der Nachweis erbracht werden, dass die Maßnahme Bestandteil einer kohärenten Entwicklungsstrategie zur Förderung einer der wenigen oben aufgezählten Regionen ist. 117 Anders als der Wortlaut zunächst vermuten lässt, sind nur solche Nachteile erfasst, die unmittelbar auf der Errichtung einer physischen Grenze beruhen, wie z. B. die Unterbrechung von Verkehrswegen, keinesfalls jedoch sämtliche Maßnahmen zum Ausgleich des wirtschaftlichen Rückstandes der neuen Bundesländer, vgl. EuGH, Rs. C-156/98, Slg. 2000, I-6857 (6899, Rn. 55) – Deutschland/Kommission; Rs. C-57 und 61/00 P, Slg. 2003, I-9975 (10054, Rn. 25) – Freistaat Sachsen u. a./Kommission. 118 Welche Gebiete infrage kommen, ergibt sich aus der abschließenden Aufzählung der jeweils aktuellen Fördergebietskarte, die für den Zeitraum Januar 2007 bis Dezember 2013 in Deutschland folgende Gebiete nennt: Brandenburg-Nordost, Mecklenburg-Vorpommern, Chemnitz, Dresden Dessau, Magdeburg, Thüringen sowie – ursprünglich zunächst befristet bis Dezember 2010 – Brandenburg-Südwest, Leipzig, Halle, Lüneburg und die Landkreise Lüchow-Dannenberg, Uelzen, Celle, Cuxhaven und Lüneburg, siehe N 459/06 (Nationale Fördergebietskarte Deutschland), ABl. 2006 C 295/6 (dort unter Punkt 1 und 2). 119 Vgl. Rn. 2, 3 und 10 der Regionalbeihilfe-Leitlinien 2007 – 2013, ABl. 2006 C 54/13.

132

Wolfgang Kreuzer

Damit eine Genehmigung nach Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV erfolgen kann, müssen nach ständiger Kommissionspraxis120 für wichtige europäische Vorhaben oder zur Behebung beträchtlicher Störungen im Wirtschaftsleben vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: Die Beihilfe muss ein Projekt fördern, indem sie einen Beitrag zu dessen Durchführung leistet. Es muss sich um ein konkretes, präzises und exakt festgelegtes Vorhaben handeln. Das Vorhaben muss von gemeinsamem europäischem Interesse sein und als solches der gesamten Union nützen. Das Vorhaben muss sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht wichtig sein. Mit Blick auf das Erfordernis eines gemeinsamen europäischen Interesses kommt eine Anwendung der Ausnahmeregelung im Bereich der Stadionfinanzierung allenfalls in Bezug auf die im Vorfeld eines internationalen Turniers, z. B. einer Fußballeuropameisterschaft, getätigten Investitionen in die Stadioninfrastruktur in Betracht. Das gemeinsame europäische Interesse setzt jedoch zumindest eine „zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmte Unternehmung“121 voraus, woran es im Hinblick auf die bei solchen Turnieren typischerweise vom Austragungsland in Eigenverantwortung erbrachte Organisations- und Planungsarbeit regelmäßig fehlen wird. Ebenfalls nur geringe Relevanz besitzt die Regelung in lit. c, die Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige bzw. Wirtschaftsgebiete für genehmigungsfähig erklärt. Während einer Qualifizierung von Fördermaßnahmen für Stadioninvestitionen als regionale Entwicklungsbeihilfe wie schon im Anwendungsbereich von lit. a enge Grenzen gesetzt sind, kommt eine Genehmigung als sektorale Entwicklungsbeihilfe nur dann in Betracht, wenn der Nachweis eines Entwicklungsbeitrags zugunsten einer konkreten Branchentätigkeit erbracht werden kann und zudem die Handelsbeziehungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändert werden. Zu weit gefasst wäre daher die Fußball- oder sogar die Sportbranche, da angesichts der heutzutage vielfältigen Erscheinungsformen unternehmerischen Handelns im Bereich des Sports und insbesondere der Fußballbranche – wie z. B. in Form der Vermarktung von Fernsehrechten, des Tätigwerdens auf dem Transfermarkt, von Merchandising-Aktivitäten und Sponsoringverträgen etc. – eine pauschale Heranziehung der Sport- bzw. Fußballbranche den Anwendungsbereich dieses Ausnahmetatbestandes aushöhlen würde. Die Frage nach der Anwendbarkeit der sog. Kulturklausel in lit. d, die Beihilfen zur Kulturförderung für genehmigungsfähig erklärt, auf den Bereich des Sports wurde von den Unionsorganen bislang nicht abschließend beantwortet und wird in der Literatur uneinheitlich behandelt. Zwar lässt sich die neue Sportklausel in Art. 165 Abs. 1 AEUV als Indiz für eine getrennte Behandlung der Bereiche Sport 120

Vgl. nur Kommission, ABl. 2001 L 292/58 (S. 60 Rn. 20) – Iveco SpA m. w. Nw. aus der Entscheidungspraxis. 121 EuGH, Rs. 62 und 72/87 u. a., Slg. 1988, 1573 (Rn. 22) – Exécutif régional wallon/ Kommission.

Stadionfinanzierung und EU-Beihilfenrecht

133

und Kultur auf Unionsebene interpretieren,122 doch unterliegt der europarechtliche Kulturbegriff ausweislich des Art. 167 Abs. 1 AEUV stets zumindest einer Rückkoppelung an die mitgliedstaatliche Begriffsbestimmung.123 Eine pauschale Einordnung der Sport- bzw. Fußballbranche erscheint jedenfalls im Hinblick auf die vielfältigen Erscheinungsformen und Kommerzialisierungsgrade sportbezogener Sachverhalte als ungeeignet. Sinnvoller erscheint ein differenzierender Ansatz, nach dem der kulturelle Charakter einzelfallbezogen in Bezug auf die konkrete Investition unter Einbeziehung ihrer wirtschaftlichen Dimension zu ermitteln ist. Für sämtliche Investitionen im Bereich des Profisports wird man daher trotz eines etwaigen kulturellen Einschlags, beispielsweise durch die fußballfremde Nutzung eines Stadions für kulturelle Veranstaltungen, aufgrund der im Vordergrund stehenden wirtschaftlichen Betätigung eine Anwendbarkeit der Kulturklausel in den meisten Fällen ablehnen müssen. 4. Relevanz der Bereichsausnahme des Art. 106 Abs. 2 AEUV Einer Anwendung der bereichsübergreifenden Freistellung für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse in Art. 106 Abs. 2 AEUV auf sportbezogene Sachverhalte sind angesichts des weitgehenden Gleichlaufs der Voraussetzungen mit denen der Altmark-Trans-Rechtsprechung enge Grenzen gesetzt. Denn die Gemeinwohlrelevanz des Sportsektors aktualisiert sich in erster Linie im Bereich der Förderung des Breitensports bzw. des Jugend- und Behindertensports, während bei Stadioninvestitionen die Partikularinteressen der Profivereine bzw. Betreiberunternehmen im Vordergrund stehen.

IV. Résumé und Ausblick Die im Bereich von Stadionprojekten involvierten Akteure bewegen sich angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen und komplexen Finanzierungsmodelle der öffentlichen Förderung zunehmend in einem Spannungsfeld mit der europäischen Beihilfekontrolle. Hiervon betroffen sind neben den an der Bereitstellung von Fördermitteln beteiligten staatlichen Stellen auch die mit dem Bau und Betrieb 122 Dort wird ohne Erwähnung etwaiger kultureller Bezugspunkte des Sports ausdrücklich nur auf dessen „soziale und pädagogische Funktion“ hingewiesen, vgl. Art. 165 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV. 123 So lässt sich beispielsweise aus verschiedenen Landesverfassungen auf die Anerkennung des Sports als kulturellen Teilbereich bzw. von Sportstätten als kulturelle Einrichtungen schließen, vgl. z. B. Art. 9 Abs. 3 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung vom 13. 05. 2008 (GVOBl. Schl.-H. S. 223); Art. 11 Abs. 1 und 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SaGVBl. S. 243); Art. 36 Abs. 1 und 3 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt (GVBl. LSA S. 600), zuletzt geändert durch § 1 ÄndG v. 27. 01. 2005 (GVBl. LSA S. 44).

134

Wolfgang Kreuzer

der Stadien betrauten Unternehmen als Empfänger der Förderung sowie die Vereine als Hauptnutzer der Stadien. Aufgrund der zunehmenden Fokussierung sowohl des Sportsektors als auch des Beihilfenrechts in der Kommissionspraxis muss damit gerechnet werden, dass künftig vermehrt auch öffentliche Fördermaßnahmen im Zusammenhang mit Stadioninvestitionen vom beihilfenrechtlichen Kontrollstrahl der Kommission erfasst werden. Da in diesem Bereich regelmäßig weder eine Befreiung von der Notifizierungspflicht noch die Genehmigung einer angemeldeten Beihilfe nach den Ausnahmetatbeständen des AEUV in Betracht kommen, muss der Fokus der beihilfenrechtlichen „Due Diligence“ bereits im Vorfeld der öffentlichen Mittelgewährung auf den Ausschluss von Begünstigungselementen gerichtet werden, um ein Eingreifen des Beihilfentatbestandes von vornherein zu vermeiden. In dieser Hinsicht wurde aufgezeigt, wie die Kommunen Sportinfrastrukturen in zulässiger Weise unterstützen können. Man kann daher annehmen, dass die Ablehnung einer finanziellen Unterstützung von Stadionprojekten unter Berufung auf „entgegenstehendes Europarecht“ in vielen Fällen zu Unrecht erfolgt. Es bedarf jedoch gerade zur Herstellung der erforderlichen Planungssicherheit für ein derartiges Projekt der möglichst frühzeitigen Einbindung juristischer Fachberatung. Nur so lässt sich gewährleisten, dass das Stadionprojekt auf einem (beihilfen-)rechtssicheren Fundament steht und nicht der Gefahr späterer Rückzahlungspflichten ausgesetzt ist, die bis zu zehn (!) Jahre nach der Gewährung rechtswidriger Beihilfen drohen.124

124 Vgl. Art. 15 Abs. 1 der VO 659/1999 (Verfahrensordnung in Beihilfesachen), ABl. 1999 L 83/1.

Die Vereinbarkeit der „50+ +1“-Regel mit Art. 101 AEUV Philipp Schaefer I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die „50+1“-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der „50+1“-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweck der „50+1“-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stabilität und Integrität des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmetatbestand des Art. 101 Abs. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkung des Art. 101 Abs. 1 AEUV wegen kollidierenden Unionsrechts . . a) Legitimität der Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stabilität und Integrität des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stabilität und Integrität des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen . . . . . . . . . . . . . . bb) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stabilität und Integrität des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen . . . . . . . . . . . . . . cc) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stabilität und Integrität des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135 137 138 139 139 140 141 142 142 143 143 145 145 146 146 147 148 148 150 151 152 152 153 155 155 155 156 157 158

I. Einleitung Bis zur Saison 1999/2000 waren die an den Wettbewerben des deutschen Profiund Amateurfußballs teilnehmenden Fußballclubs ausschließlich in Idealvereinen im Sinne des § 21 BGB organisiert. Diese Beschränkung der gesellschaftsrechtlichen Strukturierungsmöglichkeiten sah die damalige Satzung des Deutschen Fußballbun-

136

Philipp Schaefer

des (DFB) bewusst vor, indem nur eingetragene Vereine gemäß § 21 BGB Mitglieder des DFB und somit zur Teilnahme am Spielbetrieb berechtigt sein konnten.1 Bei dieser Regelung ließ sich der DFB von der Vorstellung leiten, dass allein mit der Rechtsform des Idealvereins sowohl der Profi- als auch der Amateurfußball bestmöglich gefördert und vertreten werden. Mit der wachsenden wirtschaftlichen und finanziellen Bedeutung des Fußballsports, nicht nur in Deutschland, kamen jedoch Zweifel auf, ob der Idealverein das geeignete Vehikel sei, um der immer weitergehenden Professionalisierung des Fußballsports gerecht zu werden. Es wurde die Erschöpfung neuer Kapitalquellen für den Profifußball gefordert, um Liquidität insbesondere für die stetig steigenden Gehalts- und Transferkosten generieren zu können. Folglich kam das Verlangen danach auf, die Übertragung der Lizenzspielerabteilungen von Idealvereinen auf Kapitalgesellschaften zu ermöglichen.2 Die verbandsrechtlichen Grundlagen für die geforderten gesellschaftsrechtlichen Strukturierungsmöglichkeiten schuf der DFB mit Beschluss seines Bundestages am 24. 10. 1998 in Wiesbaden. Ab der Saison 1999/2000 konnten Kapitalgesellschaften außerordentliche Mitglieder des DFB werden und erhielten für die Berechtigung zur Teilnahme am Spielbetrieb der Lizenzligen eine entsprechende Clublizenz. Im Jahre 2001 wurde die Ausrichtung des Spielbetriebs der Lizenzligen aus dem DFB herausgelöst und auf den „Die Liga – Fußballverband e.V.“ (Ligaverband) übertragen. Die Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen wurden zu ordentlichen Mitgliedern des Ligaverbandes, letzterer wiederum zum ordentlichen Mitglied des DFB. Entsprechend den verbandsrechtlichen Vorgaben des DFB gestattet auch der Ligaverband seinen Mitgliedern, ihre Lizenzspielerabteilungen auf Kapitalgesellschaften zu übertragen. In den Satzungen des DFB und des Ligaverbandes wird die Übertragung von Lizenzspielerabteilungen auf Kapitalgesellschaften jedoch nicht bedingungslos erlaubt. Denn die Fußballkapitalgesellschaft erhält nur dann eine Clublizenz, wenn bei der Umstrukturierung die beschränkenden Bedingungen der sog. „50+1“-Regel bedacht worden sind. Die „50+1“-Regel (dazu II.) besteht aus einem Grundsatz, der im Wesentlichen die Vergabe von Stimmrechtsanteilen an vereinsfremde Investoren regelt. Darüber hinaus gibt es eine Ausnahmeregelung für die Übertragung der Lizenzspielerabteilungen auf Tochtergesellschaften in der Rechtsform der KGaA sowie eine Ausnahmeregelung für die Übertragung der Lizenzspielerabteilungen auf Tochtergesellschaften, an denen Förderer des Fußballsports beteiligt sind.3 Letztere Regelung ist besser bekannt als die sog. Lex Leverkusen. Die „50+1“-Regel ermöglicht somit grundsätzlich die Übertragung der Lizenzspielerabteilung auf eine Kapitalgesellschaft, schränkt aber zugleich die gesell1

§ 7 Abs. 3 DFB-Satzung a. F. Siehe Näheres Wagner, NZG 1999, 469 (470). 3 Die beiden Ausnahmen werden im Rahmen des vorliegenden Beitrags nicht weiter behandelt. Siehe ausführlich Schaefer, Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit dem Europarecht, 2012, S. 90 ff. 2

Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV

137

schaftsrechtlichen Umstrukturierungsmöglichkeiten ein.4 Diese Beschränkungen tangieren nicht nur den umstrukturierungswilligen Fußballclub, sondern auch den beteiligungswilligen Investor. Zwar ist anerkannt, dass Fußballverbände auf Grundlage der auf nationaler und europäischer Ebene grundrechtlich geschützten Verbands- und Vereinsautonomie verbindliche Regelwerke für ihre Mitglieder aufstellen können.5 Allerdings werden Sportverbände durch die verfassungsrechtlich geschützte Verbandsautonomie nicht zur uneingeschränkten Normsetzung befugt. Vielmehr legt die materielle Rechtsordnung, von der die Sportverbände ihren grundrechtlich gewährten Schutz auf Autonomie ableiten, die äußersten Grenzen fest.6 Eine Beschränkung erfährt die Vereins- und Verbandsautonomie insbesondere in denjenigen Fällen, in denen das vom Sportverband selbst gesetzte „Recht“ die Rechte anderer, nämlich die der Vereinigungsmitglieder oder Dritter, tangiert. Eine dieser Grenzen, die von der „50+1“-Regel nicht überschritten werden dürfen, bildet das in Art. 101 AEUV kodifizierte, materielle Kartellrecht der Europäischen Union. Die „50+1“-Regel war bereits Gegenstand eines von Martin Kind, Vorstandsvorsitzender und Präsident von Hannover 96, angestrengten Verfahrens vor dem „Ständigen Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen“ des Ligaverbandes (Ständiges Schiedsgericht). Das Ständige Schiedsgericht bestätigte im Wesentlichen die Rechtmäßigkeit der „50+1“-Regel, erklärte jedoch die Lex Leverkusen für teilweise nichtig.7

+1“-Regel II. Die „50+ § 16c Abs. 2 DFB-Satzung und § 8 Abs. 2 Ligaverband-Satzung sehen für den deutschen Fußballsport folgende Regelung vor.8 „Eine Kapitalgesellschaft kann nur eine Lizenz für die Lizenzligen und damit die Mitgliedschaft im Ligaverband erwerben, wenn ein Verein mehrheitlich an ihr beteiligt ist, der über eine eigene Fußballabteilung verfügt, und der im Zeitpunkt, in dem sie sich erstmals für eine Lizenz bewirbt, sportlich für die Teilnahme an einer Lizenzliga qualifiziert ist. Der Verein („Mutterverein“) ist an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt („Tochtergesellschaft“), wenn er über 50 % der Stimmenanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteils in der Versammlung der Anteilseigner verfügt. Bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien muss der Mutterverein oder eine von ihm zu 100 % beherrschte Tochter die Stel4

Siehe hierzu Schaefer (Fn. 3), S. 97 ff. Englisch/Bagger, in: Stopper/Lentze (Hrsg.), Handbuch Fußball-Recht, 2012, Kap. 10 Rn. 3 m. w. Nw. 6 Englisch/Bagger (Fn. 5), Kap. 10 Rn. 4 m. w. Nw. 7 Ständiges Schiedsgericht SpuRt 2011, 259 ff. Siehe einen Überblick über die Entscheidung des Ständigen Schiedsgerichtes bei Heermann, CaS 2011, 339 ff. 8 Diese beiden Vorschriften variieren im Wortlaut, sind jedoch inhaltlich identisch. Der hier wiedergegebene Text ist die Formulierung der Ligaverband-Satzung, abrufbar unter http:// www.bundesliga.de/media/native/dokument/satzung_ligaverband_2010 – 11 – 30_stand.pdf (zuletzt abgerufen am 11. 04. 2014). 5

138

Philipp Schaefer

lung des Komplementärs haben. In diesem Fall genügt ein Stimmenanteil des Muttervereins von weniger als 50 %, wenn auf andere Weise sichergestellt ist, dass er eine vergleichbare Stellung hat, wie ein an der Tochtergesellschaft mehrheitlich beteiligter Gesellschafter. Dies setzt insbesondere voraus, dass dem Komplementär die kraft Gesetzes eingeräumte Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis uneingeschränkt zusteht. Lizenzvereine und Tochtergesellschaften dürfen weder unmittelbar noch mittelbar an anderen Tochtergesellschaften der Lizenzligen oder der Regionalliga beteiligt sein; dies gilt für die Mitglieder von Organen der Tochtergesellschaften bzw. der Lizenzvereine mit Ausnahme des jeweiligen Muttervereins entsprechend. Als mittelbare Beteiligung der Tochtergesellschaft gilt auch die Beteiligung ihres Muttervereins an anderen Tochtergesellschaften. Über Ausnahmen vom Erfordernis einer mehrheitlichen Beteiligung des Muttervereins nur in Fällen, in denen ein Wirtschaftsunternehmen seit mehr als 20 Jahren vor dem 1. 1. 1999 den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat, entscheidet der Vorstand des Ligaverbandes. Dies setzt voraus, dass das Wirtschaftsunternehmen in Zukunft den Amateurfußballsport in bisherigem Ausmaß weiter fördert, sowie die Anteile an der Kapitalgesellschaft nicht weiterveräußert bzw. nur an den Mutterverein kostenlos rückübereignet. Im Falle einer Weiterveräußerung entgegen dem satzungsrechtlichen Verbot bzw. der Weigerung zur kostenlosen Rückübereignung hat dies Lizenzentzug für die Kapitalgesellschaft zur Folge. Mutterverein und Kapitalgesellschaft können nicht gleichzeitig eine Lizenz besitzen.“

Diese Satzungsbestimmung enthält für die Lizenzvereine9 und Fußballkapitalgesellschaften10 zwei elementare Verbote. Zum einen wird das Verbot der Mehrfachbeteiligung in Unterabsatz drei geregelt, demzufolge Lizenzvereine und Tochtergesellschaften weder unmittelbar noch mittelbar an anderen Tochtergesellschaften der Lizenzligen oder der Regionalliga beteiligt sein dürfen. Zum anderen wird in den übrigen Unterabsätzen der vorgenannten Satzungsbestimmung das Verbot der Mehrheitsbeteiligung zum Ausdruck gebracht. Dieses Verbot der Mehrheitsbeteiligung ist besser bekannt als „50+1“-Regel.11 1. Grundsatz der „50+ +1“-Regel Im Grundsatz besagt die „50+1“-Regel, dass im Falle der Übertragung der Lizenzspielerabteilung eines Fußballvereins auf eine Tochtergesellschaft der Mutterverein grundsätzlich mit der Mehrheit der Stimmrechte an der Tochtergesellschaft beteiligt sein muss. Hierunter verstehen die Satzungen des DFB und des Ligaverbandes einen Stimmrechtsanteil des Muttervereins von mehr als 50 % in der Versamm9 Nach der Legaldefinition in § 8 Abs. 2 UAbs. 2 Ligaverband-Satzung „Mutterverein“ genannt. 10 Nach der Legaldefinition in § 8 Abs. 2 UAbs. 2 Ligaverband-Satzung „Tochtergesellschaft“ genannt. 11 Das Verbot der Mehrfachbeteiligung wird im Rahmen dieses Beitrags nicht näher behandelt. Siehe hierzu Schaefer (Fn. 3), S. 87 f. Die „50+1“-Regel gilt aufgrund eines Verweises auf die DFB-Satzung gemäß § 12 DFB-Statut für die 3. Liga und die Regionalliga auch für diese Ligen.

Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV

139

lung der Anteilseigner der Tochtergesellschaft. Folglich müssen die Stimmrechte vereinsfremder Investoren unter 50 % liegen. Zu beachten ist jedoch, dass es nach dem Wortlaut der „50+1“-Regel nur formal auf die Stimmrechtsanteile an der Tochtergesellschaft ankommt, und nicht auf die vom Mutterverein oder von Investoren tatsächlich gestellten Kapitalanteile. Die „50+1“-Regel bewirkt insbesondere, dass der Anreiz für potentielle Investoren, in eine Fußballkapitalgesellschaft zu investieren, geringer sein wird. Denn der wirtschaftlich denkende Investor wird die Höhe des zu investierenden Kapitals in der Regel davon abhängig machen, inwieweit er die Geschäfte der Kapitalgesellschaft kontrollieren und lenken kann. Je mehr Einfluss der Investor auf die Kapitalgesellschaft erhält, desto mehr Kapital wird er bereit sein, zur Verfügung zu stellen. Demnach bedingen sich Kapitalzufuhr und Einfluss auf die Kapitalgesellschaft grundsätzlich gegenseitig. Allerdings beschränkt der klare Wortlaut der „50+1“-Regel nur die Vergabe von Stimmrechtsanteilen an Investoren. Ohne weitere Einschränkungen können Investoren einer Fußballkapitalgesellschaft Kapital in beliebiger Höhe zur Verfügung stellen. Auf die Möglichkeit der faktischen Einflussnahme durch das Bereitstellen von Kapital kommt es nach dem Willen des Satzungsgebers offensichtlich nicht an.12 +1“-Regel 2. Zweck der „50+ Mit der Einführung der „50+1“-Regel verfolgte der DFB bestimmte Ziele und Zwecke, nämlich den Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung, die Stabilität und Integrität des Wettbewerbs sowie die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen. a) Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung Bei Einführung der „50+1“-Regel sah es der DFB als notwendig an, den Mindestanteil des Muttervereins an den Stimmrechten in der Tochtergesellschaft festzulegen, um die Lizenznehmer vor Fremdbestimmung zu schützen. Die Fremdvergabe von mehr als 50 % der Stimmrechte erschien dem DFB als zu risikoreich, da ansonsten eine aktive Gestaltung der Tochtergesellschaft durch den Mutterverein sowie dessen aktiver Einfluss auf die Geschäfte der Tochtergesellschaft nicht abschließend gesichert werden könne. Würde ein vereinsfremder Investor einen beherrschenden Einfluss auf die Tochtergesellschaft ausüben und weitgehend autonom vom Mutterverein agieren, bestünde die Gefahr, dass er seine finanziellen Interessen über die sportlichen Interessen des Muttervereins stellt.13 Umgekehrt ging 12 Demzufolge liegt in der Beteiligung von Dietmar Hopp an der TSG 1899 Hoffenheim Spielbetriebsgesellschaft mbH keine unzulässige Umgehung der „50+1“-Regel. Dietmar Hopp stellt zwar 96 % der Kapitalanteile, hält jedoch regelkonform nur 49 % der Stimmrechtsanteile; so auch Verse, CaS 2010, 28 (30); Lammert, SpuRt 2008, 137 (139). 13 Vgl. Stopper, WRP 2009, 413 (417).

140

Philipp Schaefer

der DFB davon aus, dass ein satzungsmäßig festgelegter Mindestanteil des Muttervereins an den Stimmrechten in der Tochtergesellschaft, der über 50 % plus ein Stimmrecht hinausgeht, die beabsichtigte Kapitalisierung vereiteln würde.14 Denn der Anreiz für Investoren, einer Kapitalgesellschaft finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, liegt in der Regel darin, entsprechend des zur Verfügung gestellten Kapitals Kontrolle über die Kapitalgesellschaft zu erwerben. b) Stabilität und Integrität des Wettbewerbs Mit der Einführung der „50+1“-Regel verfolgte der DFB auch das Ziel, die Übertragung der Lizenzspielerabteilungen auf Kapitalgesellschaften möglichst neutral für die Wettbewerbssituation in den Lizenzligen zu gestalten.15 Mit anderen Worten soll die Stabilität und Integrität des Wettbewerbs in den Lizenzligen hierdurch nicht beeinträchtigt werden. Die Aufrechterhaltung eines stabilen Gleichgewichts zwischen den Ligakonkurrenten ist zwingende Voraussetzung für die Durchführung eines spannenden und ergebnisoffenen Wettbewerbs. Es ließe sich kaum ein größeres Publikum für einen Sportwettbewerb gewinnen, bei dem der Gewinner oder zumindest die Favoriten von vorneherein feststünden. Die Stabilität und Integrität des Wettbewerbs kann insbesondere dadurch erheblich gestört werden, dass zwischen den Wettbewerbern eine unausgeglichene Finanzsituation entsteht, die sich auf die sportliche Leistungsfähigkeit und letztendlich auf die Ergebnisoffenheit auswirkt. Denn die finanzielle Leistungsfähigkeit begünstigt in der Regel den sportlichen Erfolg.16 Der DFB befürchtete, dass eine uneingeschränkte Öffnung der Beteiligungsmöglichkeiten für Investoren an Fußballkapitalgesellschaften zu einer derartigen unausgeglichenen Finanzsituation führt. Dann bestünde nämlich die Gefahr, dass nur einzelne Wettbewerber finanzkräftige Investoren finden, andere dagegen nicht. Indem die „50+1“-Regel zu einer Limitierung der Anreize für potentielle Geldgeber führt, in Fußballkapitalgesellschaften zu investieren, soll eine gewisse finanzielle Ausgewogenheit zwischen den Wettbewerbern sichergestellt werden. In diesem Kontext muss man sich jedoch vor Augen führen, dass finanzielle Ungleichgewichte zwischen den Wettbewerbern nicht ausschließlich durch Fremdinvestitionen entstehen. Ein Wettbewerber kann seine finanzielle Lage gegenüber der Konkurrenz auch allein durch sportlichen Erfolg verbessern, indem er Siegprämien vereinnahmt und im Wege der Sportvermarktung Gewinne erzielt. Diese Mittel wiederum können in die Maximierung der Mannschaftsstärke reinvestiert werden, wodurch die Chancen auf erneuten sportlichen Erfolg erhöht werden. In diesen Fällen ist die stärkere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit allein auf den 14 DFB, Eckwertepapier, S. 2. Das Eckwertepapier spricht an dieser Stelle von „Gesellschaftsanteilen“. Indem sich die „50+1“-Regel ausweislich der DFB-Satzung, der Ligaverband-Satzung und dem Eckwertepapier ausdrücklich auf die Stimmrechtsanteile bezieht, muss an dieser Stelle von einem Redaktionsversehen ausgegangen werden. 15 DFB, Eckwertepapier, S. 1. 16 Hovemann/Wieschemann, SpuRt 2009, 187 (190); Heermann, WRP 2011, 36 (37).

Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV

141

sportlichen Erfolg zurückzuführen. Dass sportlicher Erfolg zusammen mit angepasster wirtschaftlicher Strategie in der Lage ist, die Erfolgswahrscheinlichkeit im weiteren Wettbewerb positiv zu beeinflussen, ist dem Sportgeschehen immanent.17 Die „50+1“-Regel hingegen will verhindern, dass wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und sportlicher Erfolg von der Willensentscheidung eines vereinsfremden Investors abhängen. Ziel ist es, die Erfolgsbeeinflussung durch außerhalb des sportlichen Wettbewerbs erwirtschaftetes Kapital in ausgewogenem Maße zu halten.18 c) Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen Die von der „50+1“-Regel verfolgten Zwecke erschöpfen sich nicht in denjenigen, die im DFB-Eckwertepapier explizit erwähnt werden, also im Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung sowie in der Stabilität und Integrität des Wettbewerbs. Ein weiteres Ziel, welches mit der „50+1“-Regel verfolgt wird, ergibt sich vielmehr noch unmittelbar aus der Präambel der Lizenzierungsordnung des Ligaverbandes (LO).19 Diese erwähnt nämlich explizit die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen.20 Die effektive Vermarktung des Fußballwettbewerbs hängt essentiell davon ab, dass die Öffentlichkeit den Wettbewerb in den Lizenzligen als einen fairen und ehrlichen Wettbewerb wahrnimmt. Andernfalls würde der sportliche Wettbewerb eine erhebliche Entwertung erfahren.21 Daher ist es notwendig, dass Konsumenten und Sponsoren nicht das Vertrauen in den sportlichen Wettbewerb verlieren. Auch wenn Lizenzfußball in Kapitalgesellschaften ausgeübt wird, soll kein Wettkampf zwischen Industriekonzernen, sondern nach wie vor ein sportlicher und ergebnisoffener Wettkampf betrieben werden.22 Die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen wird mittels der Vorgaben der „50+1“-Regel dadurch sichergestellt, dass der beherrschende Einfluss in der Tochtergesellschaft grundsätzlich vom Mutterverein ausgeübt wird. Der Mutterverein als Idealverein genießt gegenüber vereinsfremden Investoren ein größeres Vertrauen in der Öffentlichkeit und vermittelt den Eindruck, kommerzielle Interessen nicht über die sportlichen Belange der Fußballkapitalgesellschaft zu stellen.

17

Hovemann/Wieschemann, SpuRt 2009, 187 (191). Hovemann/Wieschemann, SpuRt 2009, 187 (189). 19 Spindler, in: Adolphsen/Nolte (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2012, Rn. 1898. 20 Summerer, SpuRt 2008, 234 (236); Stopper, WRP 2009, 413 (418); Deutscher, SpuRt 2009, 97 (98). 21 Europäische Kommission, COMP/37806, Rz. 32 – ENIC/UEFA. 22 Summerer, SpuRt 2008, 234 (236); Verse, CaS 2010, 28 (34). 18

142

Philipp Schaefer

III. Vereinbarkeit der „50+ +1“-Regel mit Art. 101 AEUV Das europäische Wettbewerbsrecht verbietet es Unternehmen und Unternehmensvereinigungen gemäß Art. 101 Abs. 1 AEUV, Vereinbarungen zu treffen, Beschlüsse zu fassen oder Verhaltensweisen abzustimmen, die die Beschränkung des innergemeinschaftlichen Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Dieses unionsrechtliche Kartellverbot gilt nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Meca-Medina uneingeschränkt auch für sportbezogene Sachverhalte.23 1. Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV Der Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV erklärt alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes bezwecken oder bewirken, für mit dem europäischen Binnenmarkt unvereinbar und verboten. Der DFB und der Ligaverband sowie die im Ligaverband organisierten Fußballvereine und Fußballkapitalgesellschaften sind Unternehmen im Sinne des im europäischen Wettbewerbsrecht geltenden funktionalen Unternehmensbegriffs.24 Somit sind sie Normadressaten des Kartellverbotes. Die Aufnahme der „50+1“-Regel in die Satzungen des DFB und des Ligaverbandes sowie deren Beibehaltung stellt jedenfalls eine abgestimmte Verhaltensweise dar, die grundsätzlich nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verboten ist. Die abgestimmte Verhaltensweise bezweckt und bewirkt die Beschränkung des Wettbewerbs der deutschen Fußballvereine und Fußballkapitalgesellschaften um finanzkräftige Investoren. Denn Beteiligungen vereinsfremder Investoren an deutschen Fußballkapitalgesellschaften sind nur unter den erschwerenden Voraussetzungen der „50+1“-Regel möglich, die gleichsam für alle am Wettbewerb der Lizenzligen teilnehmenden Fußballclubs gelten. Da auf dem europäischen Binnenmarkt eine aktuelle Nachfrage nach Beteiligungen an Fußballkapitalgesellschaften existiert, ist die abgestimmte Verhaltensweise des Weiteren tatsächlich geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union spürbar zu beeinträchtigen. Somit erfüllt die Aufnahme der „50+1“-Regel in die Satzungen des DFB und des Ligaverbandes sowie deren Beibehaltung sämtliche Voraussetzungen des Verbotstatbestandes und stellt daher einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV dar.25

23

EuGH, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rz. 42 – Meca-Medina. Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2010, Art. 101 AEUV Rn. 9. 25 Siehe ausführlich Schaefer (Fn. 3), S. 124 ff.

24

Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV

143

2. Ausnahmetatbestand des Art. 101 Abs. 3 AEUV Die „50+1“-Regel kann nicht gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV vom Kartellverbotstatbestand freigestellt werden.26 Mit guten Gründen lässt sich zwar argumentieren, dass die „50+1“-Regel wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt und zu einer Verbraucherbeteiligung führt. Indem sie aber jedenfalls den Wettbewerb zwischen den Fußballclubs der Lizenzligen und den Wettbewerb gegenüber dritten Investoren ausschaltet, liegen nicht alle in Art. 101 Abs. 3 AEUV formulierten Voraussetzungen kumulativ vor.27 3. Beschränkung des Art. 101 Abs. 1 AEUV wegen kollidierenden Unionsrechts Die „50+1“-Regel fällt unter den kartellrechtlichen Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV und kann nicht ausnahmsweise gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt werden. Insoweit ist der Wortlaut der Norm eindeutig. Er lässt keine weiteren Einschränkungen oder Ausnahmen zu. Zum Schutz des europäischen Binnenmarktes verbietet das europäische Kartellrecht wettbewerbsverfälschende Eingriffe, wie sie von der „50+1“-Regel ausgehen. Andererseits ist die Aufnahme der „50+1“-Regel in die Regelwerke des DFB und des Ligaverbandes Ausdruck der Ausübung der auch auf Europarechtsebene grundrechtlich geschützten Vereinsund Verbandsautonomie durch die beteiligten Fußballclubs und Fußballverbände. Das primärrechtliche Wettbewerbsrecht kann jedoch nicht losgelöst von den europäischen Grundrechten zur Anwendung kommen und beurteilt werden. Alle Normen des Primärrechts, gleich ob geschrieben oder ungeschrieben, stehen in der Normenhierarchie des Unionsrechts grundsätzlich gleichrangig nebeneinander.28 Diese Gleichrangigkeit gilt somit für das Verhältnis des Art. 101 AEUV als geschriebenes Primärrecht zur Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 12 GRCh bzw. als ungeschriebener allgemeiner Rechtsgrundsatz des Primärrechts. Beide Normen verfolgen den Schutz unterschiedlicher Unionsrechtsgüter, sodass die eine Norm die andere nicht verdrängt. Folglich müssen im konkreten Fall die kollidierenden Interessen im Rahmen der praktischen Konkordanz berücksichtigt und ausgeglichen werden. Insofern sind die Grundrechte geeignet, das europäische Kartellverbot des Art. 101 AEUV zu beschränken.29 Diese Beschränkungsfunktion der Grundrechte hat auch der EuGH anerkannt. Er ist der Ansicht, dass der Schutz der Grundrechte ein berechtigtes Interesse darstelle, das grundsätzlich geeignet sei, eine Beschränkung von Verpflichtun26 Deutscher, SpuRt 2009, 97 (100), hingegen hält es für unmöglich, sportbezogene Sachverhalte unter den Tatbestand des Art. 101 Abs. 3 AEUV zu subsumieren, weil die genannten Voraussetzungen „einfach nicht passen“. Die Möglichkeit der Rechtfertigung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV erwähnt ausdrücklich die Europäische Kommission in ihrem Weißbuch „Sport“ (siehe Europäische Kommission, Weißbuch „Sport“, EU und Recht: Begleitdokument, S. 76). 27 Siehe ausführlich Schaefer (Fn. 3), S. 141 ff. 28 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 1 AEUV Rn. 10. 29 Wiedemann, Kartellrecht, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 16b.

144

Philipp Schaefer

gen zu rechtfertigen, die nach dem Unionsrecht bestehen.30 Im Rahmen der praktischen Konkordanz gelte es, anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob das rechte Gleichgewicht zwischen den widerstreitenden Interessen gewahrt worden ist. Hierfür müssten die Beschränkungen, die durch das Unionsrecht auferlegt werden, in einem angemessenen Verhältnis zu den berechtigten Zielen stehen, die mit der konkreten Maßnahme verfolgt werden.31 Folglich sind nach Ansicht des EuGH im Rahmen der der Herstellung der praktischen Konkordanz die Legitimität der bezweckten Ziele sowie die Verhältnismäßigkeit der konkreten Maßnahme zu prüfen. Einen anderen normativen Ansatz verfolgte der EuGH in der Rechtssache MecaMedina.32 Hier stellte er für die kartellrechtliche Überprüfung der Verbandsregelwerke im Bereich des Sports fest, dass nicht jede Vereinbarung zwischen Unternehmen oder jeder Beschluss von Unternehmensvereinigungen, durch die die Handlungsfreiheit der Parteien oder einer der Parteien beschränkt wird, zwangsläufig unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV falle. Bei der Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall seien nämlich der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zustande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere seine Zielsetzung zu würdigen. Weiter sei dann zu prüfen, ob die mit dem Beschluss verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Verfolgung der genannten Ziele zusammenhängen und ob sie im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig sind.33 Ohne explizit die Vereins- und Verbandsautonomie zu erwähnen, schränkte der EuGH den kartellrechtlichen Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV zugunsten eines Sportverbandsregelwerkes ein. Es ging dem EuGH offensichtlich darum, das unionsrechtliche Kartellverbot unter Berücksichtigung der Interessen des Sports zu bewerten. Allerdings sieht der eindeutige Wortlaut des Art. 101 Abs. 1 AEUV keine über seine Tatbestandsmerkmale hinausgehenden Beschränkungsmöglichkeiten vor. Der vom EuGH formulierte Ansatz kann auch nicht normativ an den Ausnahmetatbestand des Art. 101 Abs. 3 AEUV angeknüpft werden.34 Denn auch hier ist der Tatbestand eindeutig abschließend formuliert. Für weitergehende Ausnahmen vom Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV lässt diese Norm keinen Raum. Vielmehr ist das vom EuGH in der Rechtssache Meca-Medina verfolgte Ziel, die Interessen des Sports bei der Anwendung des europäischen Kartellrechts zu berücksichtigen, allein über eine Begrenzung des Art. 101 AEUV aufgrund kollidierender Grundrechte zu erreichen.

30

EuGH, Rs. C-112/00, Slg. 2003, I-5659, Rz. 74 – Schmidberger. EuGH, Rs. C-112/00, Slg. 2003, I-5659, Rz. 81 f. – Schmidberger. 32 EuGH, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991 – Meca-Medina. 33 EuGH, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Rz. 42 – Meca-Medina. 34 So aber Klees, EuZW 2008, 391 (393); ähnlich Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 1077. 31

Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV

145

a) Legitimität der Ziele Die vorzunehmende praktische Konkordanz setzt zunächst voraus, dass sämtliche mit der „50+1“-Regel verfolgten Zwecke legitim sind. aa) Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung Der Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung stellt ein legitimes Ziel dar, welches die „50+1“-Regel verfolgt. Mit dieser Regelung wird eine stärkere Absicherung sportlicher Belange gegenüber rein kommerziellen Interessen angestrebt.35 Der Schutz des Sports ist im europäischen Primärrecht verankert, woraus sich die Legitimität dieses Ziels ergibt. Die Vereins- und Verbandsautonomie gemäß Art. 12 GRCh als integraler Bestandteil der Vereinigungsfreiheit sowie der neu in die europäischen Vertragswerke eingefügte Art. 165 AEUV36 bringen zum Ausdruck, dass der Sport an sich ein schützenswertes Gut in der Europäischen Union ist. Die legitime Absicherung sportlicher Belange gegenüber rein kommerziellen Interessen manifestiert sich im Grundsatz der „50+1“-Regel dadurch, dass dem Mutterverein als Idealverein ein beherrschender Einfluss auf die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft zugesichert wird. Der satzungsmäßige Zweck eines jeden Muttervereins darf nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sein. Der Mutterverein hat sich nach seinem Vereinszweck der Förderung des Sports verschrieben und nicht der Erzielung oder Maximierung finanziellen Gewinns. Indem nun der Mutterverein den beherrschenden Einfluss auf die Tochtergesellschaft ausübt, wird die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft maßgeblich von dem nichtwirtschaftlichen Vereinszweck des Muttervereins dominiert. Darüber hinaus fließt die demokratische Willensbildung der Mitgliederversammlung des Muttervereins in den Entscheidungsprozess der Tochtergesellschaft mit ein. Es lässt sich daher erwarten, dass sich die Geschäftsleitung der Fußballkapitalgesellschaft nicht ausschließlich von einer Gewinnerzielungsabsicht leiten lassen wird, sondern maßgeblich auch die ideelle Zwecksetzung des Idealvereins, nämlich die Werte des Sports und dessen gesellschaftliche Funktion, mit berücksichtigt.37 Indem der Mutterverein einen beherrschenden Einfluss auf die Tochtergesellschaft ausübt, kann sie nicht von Investoren gelenkt werden, die nur die Rendite im Auge haben und ihr rein kommerzielles Interesse im Konfliktfall zu Lasten sportlicher Belange durchsetzen.38 Würden kommerzielle Investoren Gewinne eher ausschütten, ist zu erwarten, dass der Mutterverein für eine Reinvestition der Gewinne in den Fußballsport sorgen wird.

35

Verse, CaS 2010, 28 (35). Siehe hierzu im Überblick Brost, SpuRt 2010, 178 ff. 37 Verse, CaS 2010, 28 (34). 38 Summerer, SpuRt 2008, 234 (236). 36

146

Philipp Schaefer

bb) Stabilität und Integrität des Wettbewerbs Der von der „50+1“-Regel bezweckte Schutz der Stabilität und Integrität des Wettbewerbs stellt ebenfalls ein legitimes Ziel dar. Letztendlich bezweckt auch dieses Ziel, den Bestand des sportlichen Wettbewerbs im Allgemeinen zu schützen. Die Legitimität wird durch die Verankerung des Sports in Art. 165 AEUV und in der grundrechtlich geschützten Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 12 GRCh als schützenswertes Gut zum Ausdruck gebracht. Die Legitimität dieses Ziels hat der EuGH in seiner Entscheidung zur Rechtssache Bosman ausdrücklich anerkannt, indem er feststellte, dass Regelungen zur Aufrechterhaltung des finanziellen und sportlichen Gleichgewichts zwischen den Fußballvereinen durchaus legitim seien.39 Auch die Europäische Kommission geht in ihrer Entscheidungspraxis davon aus, dass Verbandsregelungen, die dem Schutz der Integrität des Wettbewerbs dienen, legitime Ziele seien.40 cc) Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen Ein weiterer legitimer Zweck, den die „50+1“-Regel verfolgt, ist der Schutz der Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen. Essentiell für die Herstellung und die Vermarktung des Gemeinschaftsproduktes ist, dass die Öffentlichkeit den Wettkampf als fair und redlich wahrnimmt.41 Mit anderen Worten müssen Konsumenten, Sponsoren und Investoren auf die Ergebnisoffenheit des Wettbewerbs in den Lizenzligen vertrauen können. Denn jeder Verdacht der Manipulation der Spielergebnisse macht die Lizenzligen unverlässlich und unglaubwürdig, gefährdet also die Vermarktbarkeit des sportlichen Wettbewerbs.42 Auch wenn Lizenzfußball in Kapitalgesellschaften ausgeübt wird, soll kein Wettkampf zwischen Industriekonzernen, sondern nach wie vor sportlicher Wettkampf betrieben werden.43 Die Legitimität dieses Ziels folgt aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, der als allgemeiner Rechtsgrundsatz primärrechtlich anerkannt ist.44 In seiner Entscheidung zur Rechtssache Bosman hat der EuGH den Zweck, die Ungewissheit der Ergebnisse zu gewährleisten, für legitim befunden.45 Mit anderen Worten hat auch der EuGH die Legitimität des Schutzes der Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit des sportlichen Wettbewerbs anerkannt.

39

EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Rz. 105 – Bosman. Europäische Kommission, COMP/37806, Rz. 28 – ENIC/UEFA; vgl. auch Spindler (Fn. 19), Rn. 1899. 41 Europäische Kommission, COMP/37806, Rz. 32 – ENIC/UEFA. 42 Hovemann/Wieschemann, SpuRt 2009, 187 (188). 43 Summerer, SpuRt 2008, 234 (236); Verse, CaS 2010, 28 (34). 44 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 2 EUV Rn. 26; EuGH, Rs. C-90/95, Slg. 1997, I-1999, Rz. 35 ff. – De Compte. 45 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Rz. 106 – Bosman. 40

Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV

147

b) Verhältnismäßigkeit In den Unionsverträgen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Art. 5 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 EUV verankert. Diese Vorschriften sehen vor, dass alle Maßnahmen der Europäischen Union nicht über das für die Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen dürfen. Darüber hinaus ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts anerkannt.46 In seinem Anwendungsbereich verbietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die Grenzen dessen zu überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Des Weiteren muss die fragliche Regelung angemessen sein.47 Das Gebot der Geeignetheit verlangt, dass die das Unionsrecht beeinträchtigende Maßnahme ein brauchbares Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels ist, wobei die Förderung dieses Ziels bereits ausreicht.48 Der Grundsatz der Erforderlichkeit setzt voraus, dass das angestrebte Ziel nicht ebenso wirksam durch andere Maßnahmen erreicht werden kann, die das zu schützende Gut jedoch weniger beeinträchtigen.49 Letztlich besagt das Gebot der Angemessenheit, dass die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen. Hierbei findet eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme für die Allgemeinheit und der Einschränkung geschützter Rechtspositionen der Unionsbürger statt.50 Damit die „50+1“-Regel vom Kartellverbot des Art 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen werden kann, muss sie verhältnismäßig sein. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zu beachten, dass es sich bei der „50+1“-Regel um eine Regelung eines Sportverbandes handelt. Demnach fließt die gemäß Art. 12 GRCh sowie als allgemeiner Rechtsgrundsatz grundrechtlich geschützte Vereins- und Verbandsautonomie in die normative Abwägung mit ein. Zwar legt die materielle Rechtsordnung der Europäischen Union, wie mit dem Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV, die äußeren Grenzen der Vereins- und Verbandsautonomie fest. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Sport typische Eigenheiten51 aufweist, wie zum Beispiel eine durch das sog. „Ein-Platz-Prinzip“ geprägte kartellähnliche Organisation, die in ihrem Wesen den Vorstellungen und Maßgaben der materiellen Rechtsordnung widersprechen können. Diese mit dem Sport typischerweise verbundenen Eigenheiten sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Dies ergibt 46

EuGH, Urteil vom 08. 06. 2010, Rs. C-58/08, Rz. 52 – Vodafone. Lienbacher, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 5 EUV Rn. 44. 48 EuGH, Rs. 152/78, Slg. 1980, S. 2299, Rz. 15 ff. – Kommission/Frankreich; EuGH, Rs. 40/72, Slg. 1973, S. 125, Rz. 14 – Schröder KG; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 34 – 36 AEUV Rn. 92. 49 EuGH, Rs. 261/81, Slg. 1982, S. 3961, Rz. 17 – Rau. 50 EuGH, Rs. 147/81, Slg. 1982, S. 1389, Rz. 8 ff. – Merkur; Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Direktive und Schranke der EG-Rechtsetzung, 2000, S. 213. 51 Siehe Näheres zu den sporttypischen Eigenheiten Schaefer (Fn. 3), S. 30 ff. 47

148

Philipp Schaefer

sich bereits unmittelbar aus der grundrechtlich geschützten Vereins- und Verbandsautonomie. Darüber hinaus sind die Eigenheiten des Sports primärrechtlich durch Art. 165 AEUV sowie von der Rechtsprechung des EuGH anerkannt.52 Auf der anderen Seite darf die Beschränkung des Unionsrechts nicht weiter gehen, als der Zweck der Sportregel und die Eigenheiten des Sports dies erfordern. Je enger eine vereins- oder verbandsrechtliche Regelung mit den typischen Eigenheiten des Sports zusammenhängt, desto freier und weiter ist die Autonomie des Sportvereins oder Sportverbandes. Je mehr in Rechtspositionen Dritter eingegriffen wird, desto strenger ist jedoch der Prüfungsmaßstab.53 Der Grundsatz der „50+1“-Regel ist daher verhältnismäßig, wenn er nicht die Grenzen dessen überschreitet, was zur Erreichung der mit ihm zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet, erforderlich und angemessen ist. aa) Geeignetheit Der den Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV beeinträchtigende Grundsatz der „50+1“-Regel ist geeignet, wenn er ein brauchbares Mittel zur Erreichung der von ihm angestrebten Ziele ist, wobei die Förderung dieser Ziele bereits ausreicht. (1) Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung Der Grundsatz der „50+1“-Regel ist ein brauchbares Mittel zur Erreichung des Schutzes der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung und erfüllt somit das Gebot der Geeignetheit. Indem der Grundsatz der „50+1“-Regel vorschreibt, dass der Mutterverein die einfache Mehrheit der Stimmrechte in der Versammlung der Anteilseigner an der Tochtergesellschaft innehaben muss, wird die Einflussnahme durch vereinsfremde Investoren wesentlich erschwert. Gegen die Geeignetheit des Grundsatzes der „50+1“-Regel könnte vorgebracht werden, dass das bloß formale Abstellen auf die Stimmenmehrheit keine wirtschaftliche Abhängigkeit der Tochtergesellschaft von einem vereinsfremden Investor verhindern kann. Indem der Grundsatz der „50+1“-Regel weder den Erwerb von Kapitalanteilen noch die Bereitstellung von Kapital beschränkt, können sich Investoren nach Belieben in der Tochtergesellschaft finanziell engagieren. Finanziert sich die Tochtergesellschaft größten Teils über das Kapital eines Investors oder eines Mäzens, kann die Tochtergesellschaft in eine wirtschaftliche Abhängigkeit geraten. In einer solchen Situation könnte sich die Tochtergesellschaft genötigt fühlen, die unternehmerischen Leitungsentscheidungen des Investors trotz Stimmenmehrheit des Muttervereins zu befolgen. Benötigt beispielsweise die Tochtergesellschaft eine wiederholte Kapitalzufuhr oder eine Stundung der Zahlungsverpflichtungen, wird sie, um in der Gunst des Investors oder des Mäzens zu bleiben, dessen unternehmerische Inter52 53

EuGH, Urteil vom 16. 03. 2010, Rs. C-325/08, Rz. 40 – Olympique Lyonnais. Ouart, WRP 2010, 85 (87).

Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV

149

essen befolgen.54 Die Abhängigkeit der Tochtergesellschaft von finanziellen Mitteln eines Investors oder Mäzens hat unmittelbar zur Konsequenz, dass nun auch der sportliche Erfolg der Tochtergesellschaft vom Verhalten des Investors oder Mäzens abhängt.55 Dieser Argumentation ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Gefahr von wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht nur bei Fußballkapitalgesellschaften, sondern auch bei Idealvereinen existiert. Des Weiteren kann und soll der Grundsatz der „50+1“-Regel keinen Rundumschutz vor allen Arten wirtschaftlicher Abhängigkeit bieten. Dennoch ist der Grundsatz der „50+1“-Regel geeignet, die Lizenznehmer vor Fremdbestimmung zu schützen, weil der Mutterverein nicht nur die Stimmenmehrheit in der Tochtergesellschaft innehat, sondern auch einen beherrschenden Einfluss im Kontroll- und Leitungsorgan ausübt. Der Mutterverein hat es somit in der Hand, die Geschäfte der Tochtergesellschaft so zu führen, dass sie sich nicht in die wirtschaftliche Abhängigkeit eines beteiligten Investors oder eines Mäzens begibt.56 Darüber hinaus kann dem Grundsatz der „50+1“-Regel keine Willkür vorgeworfen werden, weil er lediglich formal auf das Kriterium der Stimmrechtsanteile abstellt. Hierbei handelt es sich, im Gegensatz zum Kriterium der tatsächlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit, um ein im Lizenzierungsverfahren leicht abgrenzbares und vor allem feststellbares Merkmal.57 Im Übrigen macht selbst die deutsche materielle Rechtsordnung vom formalen Kriterium der Stimmrechtsanteile Gebrauch. So ist für den Tatbestand der Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 AktG die Möglichkeit der Stimmrechtsausübung maßgeblich.58 Auch der Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB bestimmt sich allein nach der Stimmrechtsbeteiligung ohne Rücksicht auf die Kapitalbeteiligung.59 Letztlich spricht gegen die Geeignetheit des Grundsatzes der „50+1“-Regel, die Lizenznehmer vor Fremdbestimmung zu schützen, auch nicht die Möglichkeit, mit einem potentiellen Investor einen neuen Idealverein zu gründen.60 Indem der Investor bereits Mitglied des Idealvereins ist, kommt die „50+1“-Regel überhaupt nicht zur Anwendung. Offenkundig dienen derartige Neugründungen von Idealvereinen der Umgehung der „50+1“-Regel.61 Der Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung erfolgt in diesen Fällen dadurch, dass die Neugründung eines Idealvereins dessen nichtwirtschaftliche Zweckverfolgung voraussetzt. Schon allein deshalb werden 54

Lammert/Hovemann/Wieschemann/Richter, SuG 2009, 203 (214). Lammert/Hovemann/Wieschemann/Richter, SuG 2009, 203 (210). 56 Verse, CaS 2010, 28 (36). 57 Verse, CaS 2010, 28 (36). 58 So Rechtsprechung und ganz h.M., siehe BGHZ 90, 381 (395 ff.); Vetter, in: Schmidt/ Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010 Bd. I, § 17 Rn. 15. 59 Bechtold, in: Bechtold (Hrsg.), GWB, § 37 Rn. 24. 60 So gründeten im Jahre 2009 die aus dem SSV Markranstädt ausgegliederte Fußballabteilung und der Investor Red Bull den RB Leipzig e.V. 61 Vgl. Verse, CaS 2010, 28 (30). 55

150

Philipp Schaefer

die sportlichen Belange die kommerziellen Interessen überwiegen müssen. Des Weiteren erfolgt die Absicherung sportlicher Belange gegenüber rein kommerziellen Interessen dadurch, dass im Idealverein über die Mitgliederversammlung eine demokratische Willensbildung erfolgt. Letztlich können sämtliche Konstellationen, die den Regelungszweck der „50+1“-Regel zu gefährden drohen, von der DFL im Lizenzierungsverfahren berücksichtigt werden.62 (2) Stabilität und Integrität des Wettbewerbs Der Grundsatz der „50+1“-Regel ist ebenfalls ein brauchbares und somit geeignetes Mittel, die Stabilität und Integrität des Wettbewerbs in den Lizenzligen sicherzustellen. Die Geeignetheit des Grundsatzes der „50+1“-Regel, die Stabilität und Integrität des Wettbewerbs zu schützen, könnte deswegen in Frage gestellt werden, weil der Grundsatz der „50+1“-Regel wegen seines formalen Abstellens auf die Stimmrechtsanteile an der Tochtergesellschaft die uneingeschränkte Bereitstellung von Kapital durch Investoren nicht verhindert. Demnach können Investoren oder Mäzene nur einen dem Grundsatz der „50+1“-Regel entsprechenden Stimmrechtsanteil an der Tochtergesellschaft erwerben, darüber hinaus jedoch nach Belieben Kapital zur Verfügung stellen. Dass derartige Investments die Stabilität und Integrität des Wettbewerbs gefährden, wenn nämlich nur vereinzelte Tochtergesellschaften die Unterstützung eines Investors oder Mäzens erhalten, liegt auf der Hand. Diesem Argument ist allerdings entgegenzuhalten, dass es generell kaum möglich sein wird, Mäzenatentum zu verhindern. Darüber hinaus ist Mäzenatentum kein Phänomen, das ausschließlich bei Beteiligungen an Tochtergesellschaften auftritt. Denn auch einem Idealverein könnten durch einen Mäzen erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Daher müsste Mäzenatentum, wenn überhaupt, generell unterbunden werden, wozu der Grundsatz der „50+1“-Regel wegen seiner Anwendbarkeit allein auf Tochtergesellschaften nicht in der Lage ist. Des Weiteren ließe sich wettbewerbsverzerrendes Mäzenatentum nur durch eine allgemein gültige Verbandsregelung unterbinden, die vorgibt, wie viel Kapital ein Investor einem Mutterverein oder einer Tochtergesellschaft zur Verfügung stellen darf. Eine solche Regelung würde jedoch einen wesentlich weiterreichenden Eingriff in die Rechte der Fußballvereine, Fußballkapitalgesellschaften und Investoren darstellen, als ihn der Grundsatz der „50+1“-Regel ohnehin bedeutet.63

62 So ließ sich die DFL im Januar 2011 den Ablauf des Transfers des Spielers Luiz Gustavo von der TSG 1899 Hoffenheim zum FC Bayern München dokumentieren. Denn es bestand der Verdacht, dass Dietmar Hopp beim Transfer ohne operatives Mandat der Tochtergesellschaft mitgewirkt habe (siehe Handelsblatt, DFL prüft Verkauf von Luiz Gustavo, Online-Artikel vom 04. 01. 2011, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/sport/fussball/nachrichten/dflprueft-verkauf-von-luiz-gustavo/3754478.html [zuletzt abgerufen am 11. 04. 2014]). 63 Vgl. Lammert/Hovemann/Wieschemann/Richter, SuG 2009, 203 (206).

Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV

151

(3) Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen Der Grundsatz der „50+1“-Regel ist ein brauchbares und somit geeignetes Mittel, die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen sicherzustellen bzw. zumindest zu fördern. Indem der beherrschende Einfluss in der Fußballkapitalgesellschaft von einem Idealverein ausgeübt wird, der sich nach seinem Vereinszweck der Förderung des Fußballsports gewidmet hat, können Konsumenten und Sponsoren auf einen ergebnisoffenen Wettkampf in den Lizenzligen vertrauen. Gegen die Geeignetheit des Grundsatzes der „50+1“-Regel, die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen zu schützen, wird in der Literatur vereinzelt vorgetragen, diese stünde lediglich im Falle von Mehrfachbeteiligungen auf dem Spiel. Die mehrheitliche Beteiligung eines Investors an nur einer Tochtergesellschaft, die der Grundsatz der „50+1“-Regel bereits untersagt, könne keine Auswirkungen auf die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen haben. Denn es mache keinen Unterschied, ob ein vereinsfremder Investor 50 % minus eines Stimmenanteils oder 50 % plus eines weiteren Stimmenanteils an der Tochtergesellschaft hält.64 Diese Ansicht übersieht jedoch, dass die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen auch im Falle von Mehrfachbeteiligungen nur dann auf dem Spiel steht, wenn der mehrfach beteiligte Investor einen nennenswerten Einfluss auf die jeweiligen Fußballkapitalgesellschaften ausüben kann. Nur wenn ein Investor eine oder mehrere deutsche Fußballkapitalgesellschaften beherrscht, könnte der Eindruck erweckt werden, dass in den Lizenzligen eben kein sportlicher Wettbewerb, sondern ein Wettkampf zwischen Industriekonzernen stattfindet.65 Dass aber der vereinsfremde Investor einen solchen nennenswerten Einfluss in bereits einer Fußballkapitalgesellschaft erwirbt, wird doch durch den Grundsatz der „50+1“-Regel gerade verhindert. Folglich steht die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen in erster Linie im Falle von Mehrheitsbeteiligungen auf dem Spiel, weil in diesen Fällen die Geschicke einer am sportlichen Wettbewerb teilnehmenden Fußballkapitalgesellschaft von einem gewinnorientiert handelnden Gesellschafter gelenkt werden können. Darüber hinaus macht es einen Unterschied, ob ein vereinsfremder Investor 50 % minus eines Stimmenanteils oder 50 % plus eines weiteren Stimmenanteils an der Tochtergesellschaft hält. Denn dieser eine Stimmrechtsanteil entscheidet darüber, ob der Investor die einfache Stimmenmehrheit in der Fußballkapitalgesellschaft innehat und demnach einen nennenswerten Einfluss auf diese ausüben kann oder nicht. Des Weiteren wird gegen die Geeignetheit des Grundsatzes der „50+1“-Regel argumentiert, dass er dem Mutterverein keinen dauerhaften Einfluss darüber zusichern kann, in wessen Hände die Gesellschaftsanteile der Tochtergesellschaft fallen. Den ersten Investor mag sich der Mutterverein noch aussuchen können. Doch im Falle einer Weiterveräußerung, Erbfolge oder einer Pfändung hat der Mutterverein eben 64 65

Heermann, CaS 2011, 426 (430). Summerer, SpuRt 2008, 234 (236); Verse, CaS 2010, 28 (34).

152

Philipp Schaefer

keinen Einfluss mehr auf dessen Person.66 Diese Auffassung verkennt, dass es hinsichtlich der Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen auf die Person des Investors gar nicht ankommt. Maßgeblich ist allein die mögliche Einflussnahme des Investors. Die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen wird erst dann gefährdet, sobald die Geschicke einer Fußballkapitalgesellschaft nicht mehr von einem Idealverein, sondern von gewinnorientiert handelnden Investoren gelenkt werden. Eben dies wird jedoch durch den Grundsatz der „50+1“-Regel verhindert, was seine Geeignetheit verdeutlicht. bb) Erforderlichkeit Der Grundsatz der „50+1“-Regel ist erforderlich, wenn die von ihm angestrebten Ziele nicht ebenso wirksam durch andere mildere Maßnahmen erreicht werden können. (1) Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung Der vom Grundsatz der „50+1“-Regel anvisierte Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung kann nicht durch mildere und zugleich ebenso effektive Maßnahmen erreicht werden. Somit ist der Grundsatz der „50+1“-Regel erforderlich. Im Schrifttum wird die Erforderlichkeit des Grundsatzes der „50+1“-Regel teilweise mit der Begründung in Abrede gestellt, dass es einer Regelung mit diesem Inhalt auf Verbandsebene überhaupt nicht bedürfe. Mit anderen Worten sei das mildere und schonendere Mittel schlichtweg die Abschaffung der „50+1“-Regel. Vielmehr könne die Entscheidung über die Vergabe von Stimmrechten an Tochtergesellschaften der Eigenverantwortung der Muttervereine überlassen bleiben. Kein Mutterverein sei gezwungen, einem vereinsfremden Investor eine Mehrheitsbeteiligung an seiner Tochtergesellschaft einzuräumen.67 Diese Argumentation leidet aber unter einer gravierenden Widersprüchlichkeit. Es ist legitim, wenn ein Sportverband im Rahmen seiner verfassungsrechtlich geschützten Verbandsautonomie Satzungsbestimmungen erlässt, die den Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung bezwecken. Folglich kann die Abschaffung einer Verbandsregelung, mit der die Verfolgung dieses legitimen Ziels gerade bezweckt wird, niemals ein milderes Mittel und daher erforderlich sein. Dies stünde in einem fulminanten Widerspruch zum Recht eines Sportverbandes, legitime Ziele satzungsmäßig zu fokussieren. Dieses Recht, welches aus der Vereins- und Verbandsautonomie resultiert, wäre andernfalls Makulatur. In der Literatur werden diverse Gestaltungsmöglichkeiten diskutiert, die im Vergleich zum Grundsatz der „50+1“-Regel als ebenso wirksame und zugleich schonen66

Heermann, CaS 2011, 426 (430). Klees, EuZW 2008, 391 (394). Darauf abzielend auch Heermann, CaS 2011, 426 (433), der sich als milderes Mittel für die Zulassung einer Mehrheitsbeteiligung an einer einzigen Fußballkapitalgesellschaft ausspricht. Dieser Ansatz bedeutet aber auch die Abschaffung der „50+1“-Regel für derartige isolierte Mehrheitsbeteiligungen. 67

Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV

153

dere Mittel zur Erreichung des Schutzes der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung vorgeschlagen werden. Als vorzugswürdigere Alternative zum Grundsatz der „50+1“-Regel wird verschiedentlich die Einführung von Gehaltsobergrenzen (salary caps) empfohlen, wie sie im US-amerikanischen Profisport geläufig sind. So setzt beispielsweise das Reglement der US-amerikanischen Fußballliga MLS eine einheitliche Obergrenze für Spielergehaltsausgaben jeder Mannschaft fest, die nicht überschritten werden darf. Die Gehaltsobergrenze orientiert sich an der Wertschöpfung der Liga und wird für jede Saison neu errechnet.68 Gehaltsobergrenzen sind auch dem deutschen und englischen Fußballsport nicht fremd, wurden jedoch schon früh wieder abgeschafft. Anfang der 70er Jahre entschied sich der deutsche Fußballsport dazu, die bis dahin geltenden Gehaltsdeckelungen nicht weiter beizubehalten. Die Statuten des DFB sahen eine Gehaltsobergrenze von 1.200 DM inklusive Prämien für Amateur- und Berufsfußballspieler vor. Mit der Wiedereinführung von Gehaltsobergrenzen sollen Überinvestitionen in Spieler gedämpft und es soll auch finanziell schwächeren Clubs ermöglicht werden, gute Spieler an sich zu binden. Die Einführung von Gehaltsobergrenzen dient jedoch in keiner Weise dem Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung.69 Folglich kann sie auch kein milderes Mittel zum Grundsatz der „50+1“-Regel darstellen. (2) Stabilität und Integrität des Wettbewerbs Auch zum Zwecke der Stabilität und Integrität des Wettbewerbs ist der Grundsatz der „50+1“-Regel erforderlich. Denn dieses von ihm angestrebte Ziel kann nicht ebenso wirksam durch andere Maßnahmen erreicht werden, die zugleich schonendere Mittel darstellen. Als ebenso effektives, aber weniger einschneidendes Mittel kommt nicht die Einführung von Gehaltsobergrenzen in Betracht. Eine solche Maßnahme würde zwar verhindern, dass aufgrund des Wettbewerbs um die fähigsten Spieler die angebotenen Gehälter in Höhen getrieben werden, die nur von den finanzstärksten Clubs gezahlt werden könnten. Mit der Einführung von Gehaltsobergrenzen soll es vielmehr auch den finanzschwächeren Clubs ermöglicht werden, um gute Spieler zu werben. Demnach scheint diese Alternative im Vergleich zum Grundsatz der „50+1“-Regel ein milderes Mittel zum Schutze der Stabilität und Integrität des Wettbewerbs zu sein, weil Investoren Mehrheitsbeteiligungen an Fußballkapitalgesellschaften erwerben könnten. Lediglich die Ausgaben für Spielergehälter wären begrenzt. Problematisch an diesem Alternativmodell ist, dass es massiv die Vertragsfreiheit der Fußballspieler sowie der Fußballclubs beeinträchtigt. Denn das Aushandeln des Spielergehalts stünde nicht mehr zur privatautonomen Disposition der Vertragsparteien.70 Aufgrund dieser Wirkung kann die vorgeschlagene Einführung von Gehaltsobergrenzen 68 Näheres hierzu siehe Blask, Die Anwendbarkeit der Single Entity-Theorie im professionellen Fußball, 2005. 69 Verse, CaS 2010, 28 (37). 70 Ähnlich Verse, CaS 2010, 28 (37).

154

Philipp Schaefer

kein milderes Mittel zum Schutze der Stabilität und Integrität des Wettbewerbs sein. Darüber hinaus wäre die Einführung von Gehaltsobergrenzen kein gleich effektives Mittel. Während der Grundsatz der „50+1“-Regel aufgrund seiner formalistischen Ausgestaltung im Lizenzierungsverfahren leicht zu überprüfende Kriterien aufstellt, wäre die Einführung von Gehaltsobergrenzen anfällig für Umgehungsaktivitäten.71 So könnten Spieler verdeckt mit anderen Vergünstigungen oder Zuschüssen gelockt werden, was Sinn und Zweck der Gehaltsobergrenzen vereiteln und letztendlich die Stabilität und Integrität des Wettbewerbs wieder in Frage stellen würde. Des Weiteren wird als milderes Mittel zum Schutze der Stabilität und Integrität des Wettbewerbs eine vom Ligaverband ausgehende regulierende Einflussnahme vorgeschlagen, der alle Wettbewerber unabhängig von ihrer Rechtsform und den Beteiligungsverhältnissen unterfallen. Die Lizenzierungsordnung sollte so ausgestaltet werden, dass jeder Lizenznehmer Ausgaben für den Lizenzspielerbereich oder für Transfers nur zu einem bestimmten Prozentsatz aus Mitteln bestreiten darf, die ein Investor unmittelbar oder mittelbar zur Verfügung gestellt hat, unabhängig davon, ob ein Beteiligungsverhältnis besteht oder nicht.72 Diese Alternativlösung bietet jedoch keinen effektiveren Schutz der Stabilität und Integrität des Wettbewerbs als der Grundsatz der „50+1“-Regel. Denn zum einen dürfte es enorme Schwierigkeiten bereiten, im Lizenzierungsverfahren mittelbare Kapitalzuflüsse zu identifizieren. Zum anderen ist eine solche Regelung anfällig für Umgehungsversuche. Die Lizenznehmer könnten sich dazu veranlasst fühlen, Fremdkapital zu verschleiern. Letztlich muss bezweifelt werden, ob die hier vorgeschlagene Lösung auch ein milderes Mittel ist. Anders als nach der Alternativlösung darf ein Investor nach dem Grundsatz der „50+1“-Regel einer Fußballkapitalgesellschaft Kapital in beliebiger Höhe bereitstellen, welches auch uneingeschränkt in die Maximierung der Spielstärke investiert werden kann. Die Beschränkung der Investitionsmöglichkeit nach der Alternativlösung ist also nicht milder als die Beschränkung des Stimmrechtserwerbes nach dem Grundsatz der „50+1“-Regel. Mit der eben dargestellten Argumentation kann auch die Einführung einer Regelung ähnlich der Break-Even-Vorschriften des UEFA Financial Fair Play-Konzepts als milderes Mittel in Frage gestellt werden. Im September 2009 hat das Exekutivkomitee der UEFA ein Konzept zum finanziellen Fairplay im europäischen Profifußball gebilligt, welches im Juni 2010 im „UEFA-Reglement zur Klublizenzierung und zum finanziellen Fairplay (Ausgabe 2010)“ veröffentlicht wurde. Dieses Konzept ist die Reaktion der UEFA auf die besorgniserregende finanzielle Situation vieler europäischer Fußballclubs. Um das maßlose Schuldenmachen vieler europäischer Fußballclubs zu unterbinden, werden weitere finanzielle und wirtschaftliche Kriterien im Rahmen des UEFA-Clublizenzierungsverfahrens überwacht. Hierdurch soll die Stabilität und Integrität des Wettbewerbs sowie die Glaubwürdigkeit der Fußball-

71 72

Müller, BFuP 55 (2003), 556 (557). Hovemann/Wieschemann, SpuRt 2009, 187 (191).

Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV

155

clubs verbessert werden.73 Auch eine solche Regelung ist im Vergleich zum Grundsatz der „50+1“-Regel kein milderes Mittel. Denn auch sie bedeutet, dass den Wettbewerbern verbindlich vorgeschrieben wird, wie viel Kapital konkret investiert werden darf. Ein derartiger Eingriff in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Fußballclubs und Investoren stellt keine mildere Maßnahme als der Grundsatz der „50+1“-Regel dar, der lediglich den Erwerb von Stimmrechtsanteilen beschränkt. (3) Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen Der Grundsatz der „50+1“-Regel ist erforderlich, die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen zu schützen, weil mildere und zugleich ebenso effektive Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Sämtliche oben dargestellte Alternativvorschläge laufen letztendlich auf die Abschaffung des Grundsatzes der „50+1“-Regel in seiner jetzigen Form hinaus. Aus diesem Grunde können alle Alternativvorschläge nicht als ebenso effektive Maßnahmen wie der Grundsatz der „50+1“-Regel erachtet werden. Muttervereine müssten nämlich nicht mehr die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft beherrschend beeinflussen können. Somit würde in der Öffentlichkeit der Generalverdacht aufkommen, dass zumindest bei Spielen zwischen manchen Fußballclubs der Wettbewerb zwischen Unternehmen ausgeführt wird.74 Bereits jeder Verdacht der Manipulation der Spielergebnisse macht aber die Lizenzligen unverlässlich und unglaubwürdig und gefährdet die Vermarktbarkeit des sportlichen Wettbewerbs. cc) Angemessenheit Der Grundsatz der „50+1“-Regel ist angemessen, wenn die durch ihn verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen. (1) Schutz der Lizenznehmer vor Fremdbestimmung Der mit dem Grundsatz der „50+1“-Regel verbundene Vorteil für den Sport liegt darin, dass die am Spielbetrieb der Lizenzligen teilnehmenden Fußballkapitalgesellschaften dem beherrschenden Einfluss des Muttervereins unterliegen. Der Mutterverein ist stets ein Idealverein, der sich aufgrund seines satzungsmäßigen Zwecks der Förderung des Fußballsports widmet. Anders als wirtschaftlich handelnden Investoren geht es dem Mutterverein nicht primär um die Erzielung oder Maximierung finanziellen Gewinns, sondern um die nachhaltige Entwicklung des Sports unter Berücksichtigung seiner gesellschaftlichen Funktion. Dadurch, dass der Mutterverein den beherrschenden Einfluss auf die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft ausübt, werden die sportlichen Belange der Tochtergesellschaft gegenüber den rein 73 74

Küting/Strauß, DB 2011, 65 (69). Vgl. Europäische Kommission, COMP/37806, Rz. 36 – ENIC/UEFA.

156

Philipp Schaefer

kommerziellen Interessen der Investoren abgesichert. Denn der Mutterverein wird die Entscheidungen in der Geschäftsführung nicht allein nach kommerziellen Kriterien fällen. Darüber hinaus fließt die demokratische Willensbildung der Mitgliederversammlung des Muttervereins in die Entscheidungsprozesse der Tochtergesellschaft mit ein. Dadurch werden zusätzlich die sportlichen Belange des den Amateurund Breitensport repräsentierenden Muttervereins berücksichtigt. Zwar hat sich der Fußballsport dem Wirtschaftsleben geöffnet, indem der Lizenzfußball auch in Kapitalgesellschaften ausgeübt werden kann, er unterliegt dabei aber nicht ausschließlich den Kräften der Märkte. Denn zum Schutz der sportlichen Belange der Fußballkapitalgesellschaft und des Muttervereins gegenüber den kommerziellen Interessen wirtschaftlich handelnder Investoren werden die Beteiligungsmöglichkeiten an deutschen Fußballkapitalgesellschaften beschränkt. Mit der Begrenzung der Beteiligungsmöglichkeiten an deutschen Fußballkapitalgesellschaften zum Schutz sportlicher Interessen gehen Nachteile für potentielle Investoren einher. Indem Investoren nicht autonom über den Erwerb von Stimmrechtsanteilen entscheiden können, werden sie insbesondere in ihrem Niederlassungsrecht aus Art. 49 AEUV und in ihrem Recht auf freien Kapitalverkehr nach Art. 63 AEUV beschränkt.75 Allerdings stehen die durch den Grundsatz der „50+1“-Regel verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu dem angestrebten Ziel, die Lizenznehmer vor Fremdbestimmung zu schützen. Hier überwiegen die Vorteile für den Sport, sodass der Grundsatz der „50+1“-Regel auf das zum ordnungsgemäßen Funktionieren des sportlichen Wettkampfs Notwendige begrenzt ist. Damit der in Fußballkapitalgesellschaften ausgetragene Wettbewerb auch ein sportlicher bleibt, müssen diese eine enge Bindung zum Idealverein aufweisen. Nur so können die Interessen des Sports gegenüber den kommerziellen Interessen des Wirtschaftslebens berücksichtigt und vor allem abgesichert werden. Im Gegenzug wird in die Rechtspositionen potentieller Investoren nicht mehr als erforderlich eingegriffen. Denn sie dürfen lediglich nicht über den Erwerb von Stimmrechtsanteilen an der Tochtergesellschaft frei entscheiden. Nicht berührt vom Grundsatz der „50+1“-Regel werden die Bereitstellung von Kapital oder sonstige Investitionsentscheidungen. (2) Stabilität und Integrität des Wettbewerbs Der Grundsatz der „50+1“-Regel ist ein angemessenes Mittel, um die Stabilität und Integrität des Wettbewerbs sicherzustellen. Der hier mit dem Grundsatz der „50+1“-Regel verbundene Vorteil für den Sport liegt darin, dass die Anreize von vereinsfremden Investoren limitiert werden, in deutsche Fußballkapitalgesellschaften zu investieren. Denn die Bereitstellung von Kapital korrespondiert in der Regel mit dem Erwerb von Einfluss auf das Investitionsobjekt. Diese Anreizlimitierung bewirkt einen stabileren und integreren Wettbewerb in den Lizenzligen.

75

Näheres hierzu siehe Schaefer (Fn. 3), S. 237 ff.

Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit Art. 101 AEUV

157

Die Begrenzung der Beteiligungsmöglichkeiten an deutschen Fußballkapitalgesellschaften hat für potentielle Investoren den Nachteil, dass sie nicht autonom über den Erwerb von Stimmrechtsanteilen an Fußballkapitalgesellschaften entscheiden können. Dies tangiert insbesondere ihr Niederlassungsrecht aus Art. 49 AEUV und ihr Recht auf freien Kapitalverkehr nach Art. 63 AEUV. Aber auch hier stehen die durch den Grundsatz der „50+1“-Regel verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu dem angestrebten Ziel der Stabilität und Integrität des Wettbewerbs. Die Vorteile für den Sport überwiegen die Nachteile für Fußballkapitalgesellschaften und Investoren. Stabilität und Integrität des Wettbewerbs sind essentielle Voraussetzungen dafür, dass ein vermarktbarer sportlicher Wettbewerb überhaupt hergestellt werden kann. Aus diesem Grund haben alle Wettbewerber ein großes Interesse an einer ausgeglichenen und integeren Konkurrenz. Insofern sind die im Wettbewerb zueinander stehenden Fußballclubs voneinander abhängig. Daher kommt die vom Grundsatz der „50+1“-Regel beschränkende Wirkung allen am Wettbewerb teilnehmenden Fußballclubs gleichermaßen zugute. Hierbei beschränkt sich der Grundsatz der „50+1“-Regel auf das für den Sport Notwendige, indem lediglich die Vergabe von Stimmrechtsanteilen an Tochtergesellschaften reguliert wird. Im Übrigen können potentielle Investoren autonom über die Bereitstellung von Kapital oder über anderweitige Investments entscheiden. (3) Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen Letztlich ist der Grundsatz der „50+1“-Regel auch ein angemessenes Mittel, um die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen sicherzustellen. Der Grundsatz der „50+1“-Regel hat für den Sport den Vorteil, dass Konsumenten und Sponsoren auf einen ergebnisoffenen Wettbewerb vertrauen können. Auch hier hat der Grundsatz der „50+1“-Regel den Nachteil, dass potentielle Investoren insbesondere in ihrem Niederlassungsrecht aus Art. 49 AEUV und in ihrem Recht auf freien Kapitalverkehr nach Art. 63 AEUV betroffen werden. Allerdings überwiegen die Vorteile für den Sport die durch den Grundsatz der „50+1“-Regel verursachten Nachteile für potentielle Investoren. Auch die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Lizenzligen ist eine essentielle Voraussetzung für die Herstellung eines sportlichen Wettbewerbs. Aus diesem Grund kommt der mit dem Grundsatz der „50+1“-Regel verbundene Vorteil für den Sport, dass Konsumenten und Sponsoren auf einen ergebnisoffenen Wettbewerb vertrauen können, sämtlichen am Wettbewerb teilnehmenden Fußballclubs zugute. Denn jeder einzelne Wettbewerber hat ein Interesse daran, dass das gemeinschaftlich herzustellende Produkt des sportlichen Wettbewerbs weitestgehend auf öffentliche Akzeptanz stößt. Im Gegenzug werden zwar Rechtspositionen von Investoren beschränkt, die Beschränkung reduziert sich jedoch auf das für den Sport Notwendige. Denn lediglich beim Erwerb von Stimmrechtsanteilen an Tochtergesellschaften können Investoren nicht autonom agieren.

158

Philipp Schaefer

IV. Fazit Die im deutschen Fußballsport verankerte „50+1“-Regel ist grundsätzlich mit dem europäischen Kartellverbot des Art. 101 AEUV vereinbar. Sie verfolgt legitime Ziele und sorgt für eine verhältnismäßige Ausgestaltung. Insofern können DFB und Ligaverband an dieser Regelung festhalten. Dieses Ergebnis entspricht dem Urteil des Ständigen Schiedsgerichts vom 25. 08. 2011. Handlungsbedarf besteht insofern nicht.

Veranstalterverkehrspflichten im Sport Konkretisierungsbedürfnis und Orientierungsmaßstäbe* Philipp Winter I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Sportveranstaltung als Risikobereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Risikosphäre des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Risikosphäre der Veranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Bedeutung der Verkehrspflichten für die Zivilrechtshaftung des Sportveranstalters 1. Rechtstatsächliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Funktion der Verkehrspflicht im Gefüge der Zivilrechtshaftung . . . . . . . . . . . IV. Grundlagen der inhaltlichen Ausgestaltung der Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das zur Gefahrenabwehr Erforderliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das zur Gefahrenabwehr Zumutbare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Konkretisierung der Veranstalterverkehrspflichten im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichtenkonkretisierung anhand von Präjudizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtenkonkretisierung anhand von technischer Normung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Technische Normung für den Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die haftungsrechtliche Bedeutung technischer Normung . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Wert technischer Normung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Schwächen technischer Normung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtenkonkretisierung anhand von Sportverbandsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zum sport-typischen Gefahrenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkretisierung des Pflichtenprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159 160 160 162 162 162 163 166 166 167 168 169 171 172 174 174 176 177 178 179 179 181

I. Einleitung Körperliche Leistung gepaart mit Wettkampf und sozialer Interaktion auf dem Spielfeld und abseits davon lassen die Veranstaltungen des Sports – eines Kulturund Gesellschaftsguts von stetig wachsender Bedeutung – zu einem Lebensbereich mit deutlich erhöhtem Verletzungsrisiko werden. Soweit die Verletzung nicht ausschließlich durch den Verletzten selbst verursacht wird, stellt sich die Frage der Haftung. Immer wieder ist es der Veranstalter, der hier in den Fokus der haftungsrecht* Der folgende Beitrag behandelt Teilaspekte der beim Fachbereich Rechtswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg eingereichten Dissertation des Verfassers.

160

Philipp Winter

lichen Auseinandersetzung bei Schadensfällen im Rahmen einer Sportveranstaltung gerät, insbesondere im Hinblick auf die mögliche Verletzung einer Verkehrspflicht. In diesem Sinne gilt es, einen Beitrag zur dogmatischen Aufarbeitung der Verkehrspflichtenhaftung des Sportveranstalters zu leisten. Der Fokus ist dabei auf das rechtspraktische Problem der Konkretisierung spezifischer Verhaltensstandards gerichtet, wobei verschiedene Ansatz- und Orientierungspunkte zur Pflichtenbestimmung im Einzelfall untersucht werden.

II. Die Sportveranstaltung als Risikobereich Um zunächst diejenigen Fallgestaltungen kenntlich zu machen, die der Verkehrspflichtenhaftung des Sportveranstalters zugrunde liegen, wird einführend eine kurze Übersicht zur Sportveranstaltung als Risikobereich gewährt. Zu diesem Zweck sei zwischen den Risikosphären des Sports und der Veranstaltung differenziert, die wiederum als Komposition einzelner Risikofaktoren zu würdigen sind. 1. Die Risikosphäre des Sports „Sport ist Mord.“ Diesem, dem verstorbenen britischen Staatsmann Winston Churchill1 zugeschriebenen, Ausspruch lässt sich – wenngleich nicht im wortwörtlichen Sinne – aller Bestrebungen für mehr Sicherheit im Sport zum Trotz2 ein Funke Wahrheit doch nicht absprechen. Denn wohl jeder, der in seinem Leben schon aktiv Sport getrieben – und damit sei an dieser Stelle, ohne das verminte Terrain einer, wenn auch nur typologischen, Definition des Sportbegriffs betreten zu wollen,3 ausschließlich der Körpersport gemeint, dem ein unweigerliches Moment eigenmotori1 Ein unzweifelhafter Beleg dessen steht jedoch aus. Strittig bleibt gar, ob Churchill auf die Frage, warum er selbst ein so stattliches Alter erreicht habe, wirklich mit „First of all, no sports“ geantwortet hat, vgl. hierzu den Artikel „Sportlicher Premier“ der Online-Ausgabe der Zeit v. 16. 6. 2005, http://www.zeit.de/2005/25/Stimmts_25 (zuletzt abgerufen am 22. 4. 2014). 2 Federführend für vielzählige Projekte, Workshops, Informationsleistungen und generelle Maßnahmen auf diversen Gebieten der Sicherheit und Unfallprävention im Sport in Deutschland ist die Arbeitsgemeinschaft Sicherheit im Sport (ASiS), in der Akteure aus unterschiedlichen Fachbereichen der ARAG Sportversicherung, der Deutschen Sporthochschule Köln und der Ruhr-Universität Bochum ihre Erkenntnisse zusammenführen und fruchtbar machen. 3 In Schnabel/Thieß (Hrsg.), Lexikon der Sportwissenschaft, 1993, Stichwort „Sport“, S. 764, heißt es hierzu treffend: „Sportdefinitionen gibt es etwa so viele, wie es Autoren gibt die sich dazu äußerten.“ Steinkamp, Was ist eigentlich Sport?, 1983, S. 6, sieht die Unterschiedlichkeit verschiedener Definitionsansätze darin begründet, dass „offenbar die jeweilige Einstellung des Verfassers dafür sorgte, daß von ihm für wesentlich gehaltene Merkmale nachdrücklich die vorgenommene Wesensbestimmung des Sports beeinflußten“. Mit dem Versuch einer umfassenden Rechtsdefinition des Sportbegriffs Holzke, Der Begriff Sport im deutschen und im europäischen Recht, 2001, abrufbar unter http://kups.ub.uni-koeln.de/989/ (zuletzt abgerufen am 22. 4. 2014).

Veranstalterverkehrspflichten im Sport

161

scher Aktivität innewohnt – und so „seine Knochen hingehalten“ hat, setzt sich unweigerlich dem Risiko einer Sportverletzung aus. Freilich bleiben jene Fallkonstellationen, in denen sich ausschließlich das Verletzungsrisiko des Sports als Form der spielerischen, oftmals in den Wettkampf eingebetteten Körperertüchtigung realisiert – beispielsweise also die übliche Form der Mitspielerverletzung, etwa durch eine hart ausgeführte Grätsche im Fußballsport –, für die Frage nach einer Haftung des Sportveranstalters von lediglich untergeordneter Bedeutung. Relevanter sind demgegenüber jene Sachverhaltsgestaltungen, in welchen das Schadensereignis erst durch ein Hinzutreten weiterer Faktoren der Risikosphäre des Sports bedingt ist. Zu denken sei in diesem Sinne an sportstättenspezifische Risikoaspekte, deren Schadenspotential sich immer dann realisiert, wenn eine Verletzung auf die jeweiligen Begebenheiten der Sportstätte oder Sportanlage zurückgeführt werden kann; so im Falle eines Sportlers, der auf die gemauerte Rasenkante aufschlägt oder über eine Unebenheit des Spielfeldes stolpert.4 Diesen Aspekten vergleichbar ist auch der Risikofaktor des Sportgeräts, der mit dem prominenten Beispiel des Kunstturners Fabian Lotz belegt werden kann. Bei der Hessischen Turnmeisterschaft 2006 stürzte Lotz bei seiner Ringeübung aufgrund des plötzlichen „Absackens“ der Aufhängung des Ringegerüsts, bedingt durch das Durchrutschen eines nicht ordnungsgemäß umgelegten Kettengliedes der Verspannungskette.5 Folge des Sturzes waren erhebliche Verletzungen im Halswirbelbereich des Turners. Ferner kann das Risiko eines Sportunfalls auch aus einer sportorganisatorischen Entscheidung erwachsen. Mit ihrer Direktive, Weitsprung- und Speerwurfwettkämpfe zeitgleich und in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander auszutragen, setzten die Veranstalter des Golden League Meetings 2007 in Rom ein Risiko, welches sich letztendlich in einer Verletzung des korsischen Weitspringers Salim Sdiri realisierte. Dass Sdiri, der sich ordnungsgemäß auf der Weitsprunganlage aufhielt, von einem abirrenden Speer des Finnen Tero Pitkämäki, welcher den Zielsektor der Speerwurfanlage um ca. 10 m verfehlte, in den Rücken getroffen wurde,6 vermag angesichts der organisatorischen Begebenheiten zwar zu schockieren, nicht aber zu überraschen. Bedenkt man schließlich, dass unter anderen Umständen der Speer auch einen Trainer, Wettkampfrichter oder gar einen Wettkampfdritten, etwa einen Zuschauer, 4 Gleichwohl soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass beide Risikofaktoren, derjenige der Sportausübung und derjenige der Sportstätte, regelmäßig in Form einer multikausalen Wirkungskette ineinandergreifen. Denn gerade jene sich im körperlich geführten Wettkampf manifestierenden Aspekte des Kontrollverlusts und der erhöhten Risikobereitschaft führen erst zu einer gesteigerten Gefahr sportstättenspezifischer Verletzungen. 5 Siehe zum Sachverhalt und zur Haftung des Ausrichters sowie des Veranstalters der Meisterschaft die umfassenden Ausführungen in der einschlägigen Entscheidung des LG Gießen SpuRt 2010, 80 (82 f.). 6 Vgl. hierzu den Beitrag von Thomas Hahn in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 14. 3. 2008 mit dem treffenden Titel „Wo Speere und Hämmer fliegen“, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/sport/leichtathletik-wo-speere-und-haemmer-flie gen-1.257694 (zuletzt abgerufen am 22. 4. 2014).

162

Philipp Winter

hätte treffen können, so wird deutlich, dass die Risikosphäre des Sports nicht nur die Athleten selbst, sondern auch sämtliche Beteiligten der Veranstaltung erfasst. 2. Die Risikosphäre der Veranstaltung Über solche Sportunfallgefahren hinaus sind die spezifischen Risikofaktoren der Sportveranstaltung als eines sozialen (Groß-)Ereignisses in die Betrachtung einzubeziehen. „Jeden Samstag um halb vier“ – in heutigen Tagen freilich über das gesamte Wochenende verteilt – „haben wir in Deutschland neun Kriegsschauplätze“, äußerte sich einst der ehemalige Kölner Stadionsprecher Hans Gerd König.7 Und tatsächlich geht von den Zuschauern sportlicher Wettkampfveranstaltungen ein gewisses, durch soziale Interaktion bedingtes und oftmals nur vermittels massenpsychologischer Lehrsätze zu erklärendes Gefahrenpotential für die Rechtsgüter anderer Zuschauer, aber auch der Sportler, Schiedsrichter oder der Sportstätteneigentümer aus,8 welches durch die ebenso aktuelle wie überaus emotional geführte Debatte um das Problem der Fangewalt in deutschen Fußballarenen in jüngster Zeit zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit geraten ist. Auch die Veranstaltungsorganisation und die Veranstaltungsstätte selbst sind als Risikofaktoren zu würdigen, wie sich jeweils mit tragischen Beispielen aus der Fußballhistorie belegen lässt. So wurde die als Katastrophe von Hillsborough bekannt gewordene schwere Massenpanik mit 96 Todesopfern im Rahmen des Pokalspiels zwischen dem FC Liverpool und Nottingham Forrest im Jahr 1989 bedingt durch einen völlig überfüllten Mittelblock und die Fehlentscheidung der zuständigen Sicherheitskräfte, auf eine umgehende Öffnung der Tore zum Spielfeld zu verzichten. Der Einsturz einer im Stade Furiani errichteten Stahlrohrtribüne im Jahr 1992 kostete 18 Menschen das Leben, mehr als 2000 Zuschauer wurden verletzt.

III. Die Bedeutung der Verkehrspflichten für die Zivilrechtshaftung des Sportveranstalters 1. Rechtstatsächliche Ausgangslage Realisiert sich einer der dargestellten Risikofaktoren der Sportveranstaltung, so stellt sich de lege lata die Frage der Haftung des Verantwortlichen in zivilrechtlicher, 7 Zitiert nach Michel, Fußballkrawalle, in: Württembergischer Fußballverband e.V. (Hrsg.), Zuschauerausschreitungen bei Fußballspielen, 1980, S. 7. 8 Eingehender von Ins/Ribaux/Freytag, CaS 2006, 323 ff.; Klebelsberg, Zuschauerausschreitungen aus der Sicht eines Psychologen, in: Württembergischer Fußballverband e.V. (Hrsg.), Zuschauerausschreitungen bei Fußballspielen, 1980, S. 48 ff.; Krahm Polizeiliche Maßnahmen zur Eindämmung von Hooligangewalt, 2008, S. 25 ff.; Löffelholz, Fanverhalten und Hooliganbetreuung aus psychologischer Sicht, in: Württembergischer Fußballverband (Hrsg.), Sicherheit im Stadion, 1992, S. 49 ff.

Veranstalterverkehrspflichten im Sport

163

in strafrechtlicher und – als Charakteristikum des Sporthaftungsrechts – in verbandsrechtlicher Hinsicht.9 Zwar liegt es nahe, in der Auseinandersetzung mit potentiellen zivilrechtlichen Ansprüchen des Geschädigten zunächst die Haftung des unmittelbaren Schädigers in Betracht zu ziehen, doch erweist sich diese in der sporthaftungsrechtlichen Praxis allzu oft als stumpfes Schwert. Mitunter kann ein unmittelbarer Schädiger nicht identifiziert werden, so etwa, wenn der Akt der Schädigung aus der Anonymität einer Menschenmenge heraus verübt wird.10 Kann ein unmittelbarer Schädiger ergriffen werden, ermangelt es diesem in Anbetracht der infrage stehenden Haftungssummen aus Körper- oder Sachschäden oftmals an der erforderlichen Haftungspotenz. Zudem kann die Rechtsgutsverletzung vielfach gar nicht erst auf eine unmittelbare Schädigungshandlung zurückgeführt werden, ein unmittelbarer Schädiger ist – wie im Beispielsfall Lotz – nicht vorhanden. Schon aus diesen Gründen hat der Geschädigte ein valides Interesse daran, sich nach sonstigen Haftungsadressaten umzusehen. Hier ist es nun insbesondere die Verantwortung des Sportveranstalters, nicht für die unmittelbare Verletzung eines geschützten Rechtsguts, aber für ein relevantes Unterlassen beziehungsweise für einen mittelbaren Eingriff in den Gehalt normativer Schutzanordnungen – unter Umständen auch über die Zurechnung eines relevanten Drittverhaltens –, welche in den Fokus der weiteren Betrachtung gerät. Dabei bilden nach hergebrachter Zivilrechtsdogmatik die sogenannten Verkehrspflichten den Nukleus der rechtspraktischen Haftungsbegründung. 2. Die Funktion der Verkehrspflicht im Gefüge der Zivilrechtshaftung Noch in den frühen Tagen des Bürgerlichen Gesetzbuches betraf nach verbreiteter Auffassung das antike Gebot des „neminem laedere“11 als rechtshistorischer Grundlage ausschließlich den aktiv Handelnden, wohingegen „begrifflich einer bloßen Unterlassung niemals eine Kausalität in Ansehung eines entstandenen Schadens zugeschrieben werden könne“.12 Jene an die individualismusbetonte Tradition römischen 9 Strafrechtliche und verbandsrechtliche Haftung sind im Folgenden nicht weiter Gegenstand dieser Ausführungen. Vgl. zur strafrechtlichen Haftung des Sportveranstalters Reinhart, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, S. 660 ff., zur schweizerischen Rechtslage Hasler, Strafrechtliche Haftung für mangelhafte Sportanlagen, insbesondere Skipisten, 1971, sowie zur Haftung nach dem „autonomen“ Recht der Sportverbände Haslinger, Zuschauerausschreitungen und Verbandssanktionen im Fußball, 2011. 10 So Walker, Zivilrechtliche Haftung für Zuschauerausschreitungen, in: Walker (Hrsg.), Hooliganismus – Verantwortlichkeit und Haftung für Zuschauerausschreitungen, 2009, S. 35 (38). 11 „Honeste vivere, neminem laedere, suum cuique tribuere“ – „Ehrlich leben, niemandem schaden, jedem das Seine zukommen lassen“. Wohl zurückgehend auf Ulpian (ca. 170 – 228 n. Chr.), vgl. Schiemann, JuS 1989, 345 f. 12 Zitat aus RGZ 52, 373 (376). Vgl. hierzu Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung bei § 823 Abs. 1 BGB, 1979, S. 52 f.

164

Philipp Winter

Rechts anknüpfende Auffassung der singulären Haftungsrelevanz positiven Tuns geriet jedoch zunehmend in Konflikt mit dem sich wandelnden Bedürfnis der Bürger, deren Werkzeug im Streben nach Ordnung und Würde die Rechtsordnung ist: „Das Lebensgefühl der Menschen, die sich an den Wohlstand gewöhnt haben, strebt nach einer Idealordnung totaler Gefahrlosigkeit und davon kann die Rechtsentwicklung nicht unbeeinflusst bleiben.“13 Das in diesen Worten angelegte Bedürfnis nach einem möglichst effektiven Schutz von Rechtsgütern und Vermögensinteressen steht jedoch in steter Spannung zur verfassungsrechtlich garantierten Handlungsfreiheit des Einzelnen, ein Konflikt, der in seiner Gesamtheit durch die Regeln des Haftungsrechts einem schonenden Ausgleich zugeführt werden soll. Ausdruck dessen ist die Erkenntnis, dass zumindest eine allgemeine Generalpflicht zum Schutz der Rechtsgüter Dritter durch positives Tun kein Bestandteil der hiesigen Ordnung des Zivilhaftungsrechts sein kann.14 Denn im praktischen Leben wäre ein solches Gebot wohl reine Utopie15 und unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Realität dem Einzelnen nicht zumutbar und damit gemeinhin nicht erstrebenswert. Um die widerstreitenden Belange der Handlungsfreiheit und eines umfassenden Integritätsschutzes in praktische Konkordanz zu bringen, muss das bestehende Spannungsfeld zumindest dort zugunsten eines allgemeinen Rechtsgüter- und Interessenschutzes aufgelöst werden, wo dem Verhaltensadressaten ein bestimmtes Handeln durch außerordentliche Pflichtigkeit auferlegt wird.16 Neben den bereits vom historischen Gesetzgeber beschrittenen Wegen der Handlungspflichtbegründung qua gesetzlicher Normierung, vertraglicher Übernahme oder Ingerenz17 tritt hier die Verkehrspflichtendoktrin hinzu. Beschrieben als „judizielle Konzeption“18 deliktischer Haftung und Quelle individueller Schadensvermeidungspflichten, gründet sie auf der Inanspruchnahme eines außerordentlichen Verkehrsvertrauens und lässt sich grob in folgender Formel zusammenfassen: Derjenige, der eine Gefahrenlage gleich welcher Art für Dritte schafft oder andauern lässt – zum Beispiel durch Eröffnung eines Verkehrs, die Errichtung einer Anlage oder die Übernahme einer Tätigkeit, die mit Gefahren für die Rechtsgüter Dritter verbunden ist –, hat Rücksicht auf diese Gefährdung zu nehmen und deshalb die allgemeine Rechtspflicht, diejenigen Vorkehrungen 13 Deutsch/von Bar, MDR 1979, 536. Siehe ferner von Bar, Verkehrspflichten – Richterliche Gefahrsteuerungsgebote im deutschen Deliktsrecht, 1980, S. 39 ff. 14 Vgl. etwa RGZ 97, 11 (12); 102, 38 (42); BGHZ 9, 301 (307); 56, 228 (238); NJW 1987, 2510; VersR 1994, 1486 f.; Hager, in: Staudinger BGB, 2009, § 823 E 25; Krause, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2005, § 823 Anh. II Rn. 2, 19; Spindler, in: Bamberger/Roth BGB, 3. Aufl. 2005, § 823 Rn. 225, 227; Sprau, in: Palandt BGB, 72. Aufl. 2013, § 823 Rn. 46; Wagner, in: Münchener Kommentar BGB, 5. Aufl. 2009, § 823 Rn. 239. 15 Deutsch, Gefahr, Gefährdung, Gefahrerhöhung, in: Paulus (Hrsg.), Festschrift für Karl Larenz zum 70. Geburtstag, 1973, S. 885 (896). Vgl. auch BGH VersR 1975, 812; NJW 2006, 610 (611); VersR 2007, 659 (660); NJW 2008, 3775 (3776). 16 Vgl. Mertens, VersR 1980, 397 (398). 17 von Bar, JZ 1979, 332 (333). 18 Mertens, VersR 1980, 397 (398).

Veranstalterverkehrspflichten im Sport

165

zu treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um die Schädigung Dritter möglichst zu verhindern.19 Wurde die Lehre der Verkehrspflichten folglich originär entwickelt, um die Haftung für ein pflichtwidriges Unterlassen zu begründen, findet sie heute im Sinne eines „janusköpfigen Instruments“20 gleichsam eine Antwort auf das spiegelbildliche Problem der Begrenzung einer Haftpflicht für ein bloß mittelbar eingriffswirkendes Verhalten.21 Denn ein solches steht nicht nur mit der Rechtsgutsverletzung nach den Grundsätzen von Äquivalenz und Adäquanz in kausalem Zusammenhang. Nach der in Rechtsprechung und Literatur auch weiterhin herrschenden Lehre des Erfolgsunrechts indiziert der Verletzungserfolg des deliktisch geschützten Guts zugleich die Rechtswidrigkeit der Handlung. Da jedoch im gesellschaftlichen Miteinander wohl jede Verhaltensform mit einer potentiellen Beeinträchtigung der Integritätsinteressen eines anderen verbunden ist, lässt die Aussicht auf ein deliktisches Verursachungsverbot in Form eines Verbots jeglichen Handelns die Notwendigkeit eines zusätzlichen Haftungsfilters offenkundig werden. Diesen bietet hier das Instrument der Verkehrspflicht: Wo also lediglich eine Gefahrenlage geschaffen wird, der tatbestandsmäßige Erfolg mithin nicht mehr unmittelbar in der Handlung als solcher angelegt ist und mit dieser kein untrennbares Ganzes bildet, sondern erst durch weitere notwendige Zwischenschritte verwirklicht wird, bedarf die Frage der Rechtswidrigkeit einer positiven Prüfung, bei der ein Unrechtsurteil erst über die Verletzung einer Verkehrspflicht gefällt werden kann.22 Die Verkehrspflicht statuiert folglich das Maß der äußeren Sorgfalt im Rechtsverkehr, welches im Zusammenhang mit der Haftung für ein Unterlassen respektive für ein mittelbar wirkendes Verhalten unterschritten wird. Der Verstoß gegen eine Verkehrspflicht ist damit – dies sei als Zwischenfazit festgehalten – typischerweise Voraussetzung für die Haftung des Sportveranstalters im Kontext der eingangs skizzierten Risikosphären.

19

So Sprau (s. oben Fn. 14). Von der Rechtsprechung regelmäßig verkürzt auf die Formel, dass derjenige, der eine Gefahrenlage schaffe, grundsätzlich dazu verpflichtet sei, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern, vgl. BGHZ 103, 338 (340); 121, 367 (375); 136, 69 (77). Siehe ferner BGH VersR 1990, 498 (499); 2002, 247 (248); 2003, 1319; 2006, 233 (234); NJW 2007, 762 (763) – jeweils m.w.N. 20 Steffen, VersR 1980, 409 (410). 21 Grundlegend von Caemmerer, in: von Caemmerer (Hrsg.), Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Bd. 2, 1960. Siehe ferner Hager (s. oben Fn. 14), § 823 E 3; Krause (s. oben Fn. 14), § 823 Anh. II Rn. 2; Spindler (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 23. 22 Herrschende Auffassung, vgl. etwa von Caemmerer (s. oben Fn. 21), S. 74 ff.; Hager, in: Staudinger BGB, 13. Aufl. 1999, § 823 A 9; Krause (s. oben Fn. 14), § 823 Anh. II Rn. 2; Spindler (s. oben Fn. 14), § 823 BGB, Rn. 10; Sprau (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 26.

166

Philipp Winter

IV. Grundlagen der inhaltlichen Ausgestaltung der Verkehrspflichten Ob sich nun im Einzelfall die Verkehrspflicht des Sportveranstalters als Ausprägung der Bereichs- oder der Übernahmeverantwortlichkeit darstellt, sei hier dahingestellt. Dass eine Sicherungspflicht des Veranstalters als Herrn der Veranstaltung zugunsten desjenigen besteht, der sich in den Gefahrenbereich der Sportveranstaltung begibt, lässt sich jedenfalls nicht bestreiten. Relevanter erscheint demgegenüber die nähere Auseinandersetzung mit Inhalt und Umfang des konkreten Pflichtenprogramms und damit die Auseinandersetzung mit den unbestimmten Termini des Erforderlichen und des Zumutbaren. Was jedoch zur Schadensabwendung erforderlich und was zumutbar ist, das lässt sich auf abstrakt-generalisierender Ebene gar nicht feststellen, sondern wird im Prozess der Pflichtenstatuierung den jeweiligen Begebenheiten des Einzelfalls überlassen.23 1. Das zur Gefahrenabwehr Erforderliche Der Schlüssel zum Bereich des zur Gefahrenabwehr Erforderlichen liegt in der legitimen Schutzerwartung des betroffenen Rechtsverkehrs. Gesellschaftliches Zusammenleben und soziale Interaktion sind von dem unbedingten Bedürfnis der einzelnen Verkehrsteilnehmer geprägt, sich bis zu einem gewissen Grad darauf verlassen zu können, vor Gefahren abgeschirmt zu bleiben und nicht durch Dritte in ihren Rechten, Rechtsgütern und Interessen beeinträchtigt zu werden.24 Andererseits erscheinen als Ausdruck praktischer Interessenkonkordanz solche Sicherungsmaßnahmen nicht mehr angebracht, die außerhalb der Grenzen legitimer Schutzerwartungen liegen.25 Zur Abwehr von Gefahren erforderlich ist demzufolge nur, was ex-ante nach dem objektiven Erwartungshorizont des betroffenen Verkehrskreises von einem verständigen, umsichtigen und in vernünftigen Grenzen vorsichtigen Menschen zur Schadensverhütung als notwendig, aber auch als ausreichend erachtet wird.26 Aus dieser Ansammlung weithin unbestimmter Termini allein ist im Prozess der Pflichtenstatuierung freilich nicht viel an Nutzen gewonnen. Um das Merkmal der legitimen Verkehrserwartung seinerseits handhabbar zu machen, bietet sich der Rückgriff auf allgemeine Abwägungsentscheidungen an, wie sie in einer regelmäßig 23 Deckert, Jura 1996, 348 (350); Ebert, VersR 2006, 899 (903); Edenfeld, VersR 2002, 272 (274); Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. II/2, 13. Aufl. 1994, S. 413 f.; Raab, JuS 2002, 1041 (1043); Schiemann, in: Erman BGB, 13. Aufl. 2011, § 823 Rn. 80; Spindler (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 233. 24 Krause (s. oben Fn. 14), § 823 Anh. II Rn. 28, der betont, andernfalls drohe „das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zum Stillstand“ zu kommen. 25 Vgl. BGH NJW 1987, 372 f.; 1990, 1236 (1237); 1994, 3348 (3349); 2006, 2326; 2007, 762 (763). 26 BGH NJW 1990, 1236 (1237); 2006, 2326; VersR 2006, 665; 2007, 762 (763); Hager (s. oben Fn. 14), § 823 E 35, mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen.

Veranstalterverkehrspflichten im Sport

167

gebrauchten Komparativformel zum Ausdruck kommen: Je höherrangiger das gefährdete Rechtsgut, je tiefgreifender der drohende Schaden, je größer die konkrete Gefahrenlage, desto umfangreichere Schutzmaßnahmen kann der Gefährdete grundsätzlich erwarten.27 Insgesamt handelt es sich bei der Ausarbeitung des zur Gefahrenabwehr Erforderlichen folglich um den Prozess einer umfassenden Abwägung empirischer und wertender Gesichtspunkte, der sich einer Generalisierung schon seiner Natur nach entzieht. 2. Das zur Gefahrenabwehr Zumutbare Gleiches gilt für die Frage nach der Zumutbarkeit verkehrssichernder Maßnahmen. Ein konkretes Sicherheitsbegehren, welches als Ausdruck legitimer Verkehrserwartungen zur Gefahrenabwehr erforderlich ist, erstarkt nur zur Rechtspflicht, wenn es in hinreichender Würdigung der Interessen und Belange des potentiell Pflichtigen diesem auch zugemutet werden kann.28 Ein Verhalten, das die Grenzen des faktisch oder des rechtlich Möglichen überschreitet, wird dem Pflichtigen nicht abverlangt werden können.29 Doch auch schon unterhalb jener Schwelle muss die Frage nach der Zumutbarkeit einer Maßnahme für den Pflichtigen im Sinne einer ökonomischen Rechtsbetrachtung dort aufgeworfen werden, wo Aufwand und wirtschaftliche Kosten der Sicherung in einem Missverhältnis zu dem durch sie erlangten Schutzniveau stehen.30 Aufwendige Schutzmaßnahmen zur Abwendung eines lediglich geringfügigen oder doch extrem unwahrscheinlichen oder unvorhersehbaren Schadensereignisses werden nicht zum Gegenstand der Verkehrspflicht.31 Eine konkrete Verkehrspflicht zur Vermeidung eines poten-

27

Vgl. Hager (s. oben Fn. 14), § 823 E 27; Krause (s. oben Fn. 14), § 823 Anh. II Rn. 33; Larenz/Canaris (s. oben Fn. 23), S. 414; Raab, JuS 2002, 1041 (1044); Spindler (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 234. So ist etwa im Umgang mit Waffen, Gift oder Feuerwerkskörpern ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab geboten. Liegt dagegen eine weniger akute Gefährdung vor, die einen Schadenseintritt aufgrund besonders fernliegender Umstände als unwahrscheinlich anmuten lässt und so einen „Zufall“ darstellen würde, kann auch der betroffene Verkehrskreis keine legitimen Schutzerwartungen hegen. Ein Unfall müsste hier als Unglück im Sinne des haftungsrechtlichen Gegenpols zum Unrecht und somit als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos betrachtet werden, für welches auch der Verkehrspflichtige nicht in die Verantwortung genommen werden kann. Vgl. BGH VersR 1975, 812; NJW-RR 2003, 1459; NJW 2006, 610 (611); 2006, 2326. 28 BGHZ 108, 273 (274); Wagner (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 258. 29 Vgl. BGHZ 31, 73 (74); VersR 1985, 641 (642). 30 BGHZ 58, 149 (156); Edenfeld, VersR 2002, 272 (276); Krause (s. oben Fn. 14), § 823 Anh. II Rn. 33; Spindler (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 240; Wagner (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 259 f. Allein die finanzielle Leistungsfähigkeit des Pflichtigen wird als Zumutbarkeitskriterium hingegen nicht anerkannt, Hager (s. oben Fn. 14), § 823 E 31; Spindler (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 241. 31 Vgl. etwa BGH VersR 2003, 1451 (1452); NJW-RR 2005, 251 (253); LG Hamburg, NJW 1997, 2606 (2607 f.).

168

Philipp Winter

tiellen Schadens besteht folglich umso eher, je geringer der konkrete Aufwand zur Schadensabwendung ist.

V. Die Konkretisierung der Veranstalterverkehrspflichten im Sport Seit der Schöpfung der Verkehrspflichtendoktrin als Akt judizieller Rechtsfortbildung in den frühen Wirkungsjahren des Bürgerlichen Gesetzbuches hat sich die rechtssystematische Ausgangslage kaum verändert. Obgleich in ihrer dogmatischen Grundfeste längst zu Gewohnheitsrecht erstarkt,32 hat, von einigen Ausnahmen abgesehen,33 eine legislative Kodifizierung determinierter Verhaltensanforderungen im Rechtsverkehr nach wie vor nicht stattgefunden. Vielmehr verbleibt das Recht der Verkehrspflicht weit überwiegend in der Hand der erkennenden Gerichte. Wo sich die Rechtsfindung an sich im hergebrachten Zwei-Schritt-Schema der abstrakt-generellen Gesetzesanordnung einerseits und der richterlichen Einzelfallanwendung andererseits vollzieht, ist es hier dem Rechtsanwender folglich selbst überlassen, einen auf den Einzelfall abgestimmten Rechtssatz zu entwickeln, dem im Sinne des juristischen Procedere nunmehr als Norm der infrage stehende Sachverhalt unterzuordnen ist.34 Ihm kommt mithin die Aufgabe zu, das Maß der äußeren Sorgfalt als Verkehrspflichtengehalt im Einzelfall selbst materiell zu erfassen und inhaltlich auszugestalten.35 Mag nunmehr einerseits das Resultat jener Praxis – eine nicht einmal mehr im Ansatz zu überblickende Zahl richterlicher Einzelfallentscheidungen zu konkreten Verhaltensanforderungen in mehr oder minder spezifizierten Verkehrslagen – als juristischer „Wildwuchs“36 gerügt werden, so darf doch nicht verkannt werden, dass gerade hier das Dogma der Verkehrspflicht seine Stärke gewinnt, als ein jeweils auf die konkreten Gegebenheiten eines Einzelfalls maßgeschneidertes und somit höchst flexibel handhabbares Netz an Pflicht und äußerer Sorgfalt.37 So wird die judizielle Pflichtenbestimmung als „richterliche Feinabstimmung“38 der Verhältnisse in kon-

32

Hager (s. oben Fn. 14), § 823 E 1; Krause (s. oben Fn. 14), § 823 Anh. II Rn. 6. Zu denken ist etwa an die §§ 617 f., 831, 833 S. 2, 834, 836 ff. BGB. Mertens, VersR 1980, 397 (401), bezeichnet jene gesetzlichen Tatbestände als „schwimmende Bojen in der bewegten See der judiziellen Verkehrspflichten“. 34 So Börner, Sportstätten-Haftungsrecht, 1985, S. 213; Krause (s. oben Fn. 14), § 823 Anh. II Rn. 10; Mertens, VersR 1980, 397 (401). 35 Ausführlich Börner (s. oben Fn. 34), S. 213 ff. 36 Deutsch, JuS 1967, 152 (157). 37 Vgl. Krause (s. oben Fn. 14), § 823 Anh. II Rn. 10: „Vorteil einer großen Geschmeidigkeit bei der Anpassung an die konkreten Umstände sowie an sich ändernde Rahmenbedingungen.“ 38 Krause (s. oben Fn. 14), § 823 Anh. II Rn. 10. Begrifflich ähnlich schon Brüggemeier, JZ 1986, 969 (972). 33

Veranstalterverkehrspflichten im Sport

169

kreten Sozialbeziehungen zu einem wichtigen Instrument des auf einzelfallbezogene Gerechtigkeit ausgelegten Ausgleichs konfligierender Interessen im Haftungsfall. Dabei erweist sich jedoch schon der erste Schritt zur Aufstellung eines subsumtionsfähigen Rechtssatzes für den erkennenden Richter mitunter als Schwierigkeit, wenn er einen bestimmten Lebensbereich mit einem konkreten Verhaltensprogramm für die Verkehrsbeteiligten zu unterlegen hat. Die konkretisierungsbedürftigen Termini des Erforderlichen und des Zumutbaren und selbst die dargestellte Komparativformel gehen aus diesem Blickwinkel doch nicht über den Gehalt bloßer Globalformulierungen hinaus und gewähren nur sehr vage Anhaltspunkte im Prozess der Verkehrspflichtenstatuierung. Der eigene Aufwand zur Pflichtenermittlung bleibt mitunter enorm, ebenso das Risiko einer unsachgemäßen Entscheidung bei Fachfremdheit des Rechtsanwenders in Fallgestaltungen außerordentlicher Lebenssachverhalte.39 Schon um diesen Schwierigkeiten in der Rechtsfindung zu begegnen, aber auch um die evidente Unsicherheit auf Seiten des Sicherungspflichtigen sowie des Rechtsverkehrs zu mindern40 – ausgelöst von einem „schillernden Rechtsinstitut, das sich einer Fallgruppenbildung weitgehend entzieht“41 –, erscheint es unumgänglich, objektive Bewertungsmaßstäbe zu identifizieren und auf ihre Tauglichkeit als einzelfallbezogene Orientierungshilfen im Dickicht der Verkehrspflichten hin zu untersuchen. In diesem Sinne befassen sich die folgenden Ausführungen mit einigen für das Recht der Sportveranstaltungshaftung relevanten Ansatzpunkten der Pflichtenkonkretisierung: den Präjudizien und den außerrechtlichen Normen. 1. Pflichtenkonkretisierung anhand von Präjudizien Als Präjudizien zu bezeichnen sind Judikate, in denen über ein und dieselbe Rechtsfrage, über die in einem Rechtsverfahren zu entscheiden bleibt, bereits von einem Gericht in einem vorangegangenen Fall entschieden worden ist. Präjudiziell ist dabei nicht die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung als solche, sondern die im Rahmen der Urteilsbegründung auf eine bestimmte Rechtsfrage gegebene Antwort des Gerichts.42 Obgleich ein jedes Judikat stets als Einzelfallentscheidung ergeht, nimmt es doch für sich in Anspruch, in Einklang mit der geltenden Rechtslage zu stehen, so dass ein nachfolgender gleichgelagerter Fall erneut getreu der präjudizi-

39 Ein solcher außerordentlicher Lebenssachverhalt ist gerade auch der Sport, der ganz maßgeblich von eigenen, sportautonomen Wertigkeiten und Interessen der Beteiligten geprägt wird, die in der richterlichen Beurteilung des Verhaltensprogramms nicht außer Acht gelassen werden dürfen. 40 Mit dem Hinweis auf die drohende Gefahr von Rechtsunsicherheiten auch Krause (s. oben Fn. 14), § 823 Anh. II Rn. 10. 41 von Bar (s. oben Fn. 13), S. 44. 42 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 253.

170

Philipp Winter

ellen Rechtsmaxime zu entscheiden sei.43Auch wenn dem Präjudiz daher als Ausdruck richterlicher Autorität und gesteigerter Rechtskompetenz eine mittelbare Strahlkraft nicht abzusprechen ist,44 erwächst ihm doch keine normative Bindungswirkung gleich dem materiellen Gesetz.45 Denn ob die einem Präjudiz zugrundeliegende Rechtsauffassung ihrerseits im Recht begründet ist, bleibt von jedem nachfolgenden Richter als Ausfluss seiner Bindung an Recht und Gesetz „selbstständig, nach seiner gewissenhaft gebildeten Überzeugung“46 nachzuprüfen.47 Eine unmittelbar richterliche Anordnung deliktisch relevanter Verhaltensstandards wirkt nach alledem ausschließlich inter partes und hinsichtlich des konkret in Frage stehenden Sachverhalts.48 Auch für die richterliche Formulierung konkreter Verkehrspflichten kann dem Präjudiz zwar eine Vermutung für seine Richtigkeit nicht abgesprochen werden. Doch – wenn schon nicht als verbindlicher Leitsatz – auch als verlässliche Orientierungslinie ist dem erkennenden Richter ein höheres Maß an Vorsicht im Umgang mit der früheren Entscheidung abzuverlangen. Denn wo sich die präjudizielle Entscheidung, wie dies im Kontext der Bestimmung konkreter Pflichteninhalte stets der Fall ist, in einer schon per definitionem einzelfallabhängigen Interessenabwägung erschöpft, kann auch die jeweilige Rechtsmaxime nicht über das Ansinnen hinausgehen, die entscheidungserheblichen Aspekte mit der gebotenen Rücksicht auf die Eigenheiten des jeweiligen Sachverhalts eines jeden Einzelfalles erneut in die Abwägung einzustellen.49 Niemals jedoch werden zwei abwägungsabhängige Sachverhalte identisch, höchstens einmal – und dies bei juristischer Präzision wohl nur in Maßen – miteinander vergleichbar sein.50 So beschränkt sich der Wert präjudizieller Rechtsanwendung im Feld der Verkehrspflichtenkonkretisierung zuvorderst auf die Bildung abstrakter Grundsätze in Form von Ordnungskriterien und Oberbegriffen, die für die Anwendung im konkre-

43

Larenz/Canaris (s. oben Fn. 42), S. 252 f. So zur höchstrichterlichen Rechtsprechung BVerfGE 84, 212 (227). 45 Vgl. Larenz/Canaris (s. oben Fn. 42), S. 252; Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 346; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 565 ff. Eine im hier behandelten Kontext freilich nicht weiter relevante Ausnahme besteht gem. § 31 BVerfGG für Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. 46 Larenz/Canaris (s. oben Fn. 42), S. 254. 47 Larenz/Canaris (s. oben Fn. 42), S. 253 ff., die insofern vor einer „blinden“ Übernahme des Präjudizes warnen. Denn „Nicht das Präjudiz als solches ,bindet‘, sondern allein die darin richtig ausgelegte Norm“. 48 Börner (s. oben Fn. 34), S. 217. Allgemein Larenz/Canaris (s. oben Fn. 42), S. 252; Marburger (s. oben Fn. 45), S. 346. 49 Larenz/Canaris (s. oben Fn. 42), S. 252 f. 50 So auch Börner (s. oben Fn. 34), S. 217: „Es gibt keine gleichen, sondern nur in bestimmten Punkten vergleichbare Fälle, so dass Präjudizien allgemein von zweifelhaftem Wert sind“. 44

Veranstalterverkehrspflichten im Sport

171

ten Einzelfall zu kontrollieren, zu präzisieren und gegebenenfalls zu korrigieren bleiben.51 Beispielhaft ließe sich im Kontext der Sportveranstalterhaftung das wohl unzweifelhafte Gebot der Sicherung des Zuschauerbereichs bei einem Eishockeyspiel vor den Gefahren abirrender Pucks aus der bisherigen Rechtsprechungspraxis als weitgehend gesicherte Erkenntnis ableiten. Denn sämtliche Eishockeyveranstaltungen sind einander nach einschlägigen Erfahrungswerten in dem durch sporttypische Gegebenheiten und die Beschaffenheit des Spielgeräts verwurzelten Risikopotential vergleichbar.52 Die konkreten Anforderungen an die Sicherung werden jedoch erst durch weitere Umstände des Einzelfalls determiniert, etwa die örtlichen Gegebenheiten der Veranstaltungsstätte oder das zu erwartende Zuschaueraufkommen.53 Auch wenn sich dem Präjudiz demnach kein abschließendes Pflichtenprogramm entnehmen lässt, kann die Auseinandersetzung mit der richterlichen Entscheidungsbegründung in einer ähnlich gelagerten Fallgestaltung und unter der Vermutung der Richtigkeit des Präjudizes doch zumindest eine Sensibilität im Umgang mit spezifischen Sorgfaltsmaßstäben und den Anforderungen des zur Abwehr konkreter Verkehrsgefahren Erforderlichen und Zumutbaren gewähren.54 2. Pflichtenkonkretisierung anhand von technischer Normung In vielen Bereichen zivilgesellschaftlichen Lebens und Wirkens besteht im Angesicht einer immer weiter fortschreitenden Technisierung und eines zunehmenden grenzüberschreitenden Warenverkehrs ein valides Bedürfnis nach Standardisierung und Vereinheitlichung der Dinge. Der technischen Normung, definiert als die „plan51

Mertens, VersR 1980, 397 (401), spricht demgegenüber im Zusammenhang von Pflichtenbestimmung und Präjudiz von definitiv ausgeformten Verkehrspflichten, die als „Subsumtionsgrundlage“ bestünden und vom Richter in gleicher Weise angewendet werden könnten, wie ein Schutzgesetz. Einschränkend bemerkt er jedoch, dass eine hinreichende Würdigung der konkreten Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls auch in diesen Konstellationen nicht unterbleiben dürfe. 52 Die Sicherung des Zuschauerverkehrs bei Eishockeyveranstaltungen vor entsprechenden Gefahren war so bereits mehrfach Gegenstand von Gerichtsentscheidungen, etwa durch den BGH VersR 1984, 164, vorinstanzlich OLG München VersR 1982, 1152. Ferner LG Freiburg VersR 1981, 1138; OLG Celle SpuRt 1997, 203; OLG Düsseldorf SpuRt 1999, 248. Zur Sicherung der Spielerbank OLG Nürnberg NJW-RR 1988, 993. Gegen das Erfordernis spezieller Sicherungsvorrichtungen des Zuschauerverkehrs einzig OLG München v. 9. 7. 1964, Az. 4 U 284/63. 53 Deutlich wird dies durch den Blick auf die benannte Rechtsprechung und die von Entscheidung zu Entscheidung divergierenden Anforderungen an die äußere Sorgfalt und konkreten Sicherungsmaßnahmen des Veranstalters oder Hallenbetreibers im Umgang mit den Gefahren abirrender Eishockeypucks. 54 Zumindest für Teilbereiche des Sportveranstalterhaftungsrechts kommt hier erschwerend freilich die Fülle an bereits ergangenen Gerichtsentscheidungen hinzu, die einer verlässlichen Wertungsorientierung auch in einzelnen Themen des Sportveranstaltungshaftungsrechts gewiss nicht nur zuträglich ist.

172

Philipp Winter

mäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit“55, welche in förmlichen Normungsverfahren von nationalen oder internationalen, zumeist als Privatverbänden aufgestellten Normungsorganisationen erlassen wird, kommt hierbei eine Schlüsselfunktion zu. Sie dient der Sicherung von Gebrauchstauglichkeit und Qualität, überregionaler Kompatibilität und Austauschbarkeit, Gesundheit, Sicherheit und Umweltschutz und erfüllt auf diese Weise die beim Abnehmer des Produkts bestehenden Erwartungen.56 Als größter und bedeutendster Normungsverband hat sich in Deutschland das DIN Deutsches Institut für Normung e.V. etabliert,57 dessen Normen, die DIN-Normen, im Folgenden als stellvertretendes Exemplar technischer Normung auf ihre Tauglichkeit als Konkretisierungshilfe im Prozess der Verkehrspflichtenstatuierung im Sport hin untersucht werden. a) Technische Normung für den Sport Die Praxis technischer Normung erlebt im Sport seit Jahren eine rasante Entwicklung, handelt es sich doch um einen Lebensbereich, welcher nicht bloß ob der Natur sportlicher Tätigkeit von besonderen Gefahrmomenten für die Beteiligten geprägt ist und so höchste Anforderungen an Produktqualität und definierte Sicherheitsstandards unumgänglich macht,58 sondern im Sinne der wettkampfbedingenden Chancengleichheit eine Vereinheitlichung der Leistungsbedingungen zwingend erfordert. In der Organisationsstruktur des DIN e.V. zeichnet sich der Normenausschuss 112 Sport (NASport) für die Normungsarbeit im Bereich der Sport- und Freizeitgeräte 55 DIN 820 – 1, Normungsarbeit – Grundsätze, Abs. 2. Definition ebenfalls verwendet von Tschauner, Die rechtliche Bedeutung technischer Normen für Sportgeräte und -ausrüstung, in: Vieweg (Hrsg.), Perspektiven des Sportrechts, 2005, S. 189 (191). 56 Vgl. DIN 820 – 1, Normungsarbeit – Grundsätze, Abs. 2; Köhler, BB 1985 Beilage 4, 10; Sonnenberger, DIN-Mitt. 1985, 556; Tschauner (s. oben Fn. 55), S. 189 (192). Vgl. ferner zu den Funktionszusammenhängen technischer Normung Marburger, VersR 1983, 597 (599). 57 Im Jahr 2012 fasste das DIN in mehr als 33.000 Normen in umfassenden Regelwerken Beschaffenheits- und Verhaltensanforderungen an die Herstellung und den Umgang mit technischen Werken zusammen, die in ihrer Gesamtheit von mehr als 30.000 Experten in mehr als 3.100 Arbeitsausschüssen erarbeitet wurden, siehe den DIN-Geschäftsbericht 2012, S. 5, abrufbar unter http://www.din.de/sixcms_upload/media/2896/GB12_d_akt.pdf (Stand: 17. 8. 2013). Sonstige relevante Normungsorganisationen sind auf Bundesebene der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE), der Verein Deutscher Ingenieure (VDI), der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW) und die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE (DKE). Bedeutende Normungsgremien auf internationaler Ebene sind die International Organization for Standardization (ISO), das Comité Européen de Normalisation (CEN), die International Electrotechnical Comission (IEC) und das Comité Européen de Normalisation Électrotechnique/ European Comittee for Electrotechnical Standardization (CENELEC). Vgl. zu den internationalen Verflechtungen der Normungspraxis Sonnenberger, DIN-Mitt. 1985, 556 (557). 58 Vgl. Alt, Gütezeichen im Sport, in: Alt/Schaff/Schumann (Hrsg.), Neue Wege zur Unfallverhütung im Sport, 2000, S. 75 (77), dort anhand des Beispiels eines Roll- und Inlineskatingschuhs.

Veranstalterverkehrspflichten im Sport

173

zuständig.59 Der NASport unterliegt seinerseits einer Gliederungsstruktur in sieben Fachbereiche, deren Unterausschüsse mit der Statuierung und Kontrolle von Regelungen einzelner Sachgebiete von Tischtennis, über den Gleitschirmsport bis hin zur Sommerrodelbahn betraut sind.60 Die Tätigkeit des NASport manifestiert sich in 475 gültigen Normungskomplexen, ergänzt durch sportbezogene Vorschriften des Normenausschusses 005 Bauwesen, die überwiegend in den DIN-Taschenbüchern 105 (Spielplätze und Freizeitanlagen),61 116 (Sportgeräte – Turnen, Ballspiele, Training),62 134 (Sporthallen und Sportplätze),63 345 (Fahrräder und Fahrradzubehör),64 364 (Tauchgeräte),65 477 (Schwimmbadanlagen und -geräte),66 480 (Kletter- und Bergsport)67 und 481 (Wintersport)68 zusammengefasst sind. Vielfach enthalten jene Vorschriften spezifizierte und detaillierte Maßnahmenkataloge zum Schutz vor Gefahren aus der Nutzung von Sportgeräten oder Sportanlagen. So heißt es in Abschnitt 4.3.6 der DIN 18036 über Anlagen für den Eissport mit Kunsteisflächen – Grundlagen für Planung und Bau69 zur Sicherung des Zuschauerverkehrs vor den Gefahren abirrender Eishockeypucks: In den Endzonen (hinter den Torlinien) und von der Torlinie 4 m Richtung Neutrale Zone muss formstabiles durchsichtiges Material in Höhe von 160 cm bis 200 cm auf die Bande aufgebaut werden. Über dem formstabilen, durchsichtigen Material müssen in diesem Bereich zusätzliche Fangnetze angebracht werden. Diese Fangnetze müssen bis zu einer Geraden reichen, die von der gegenüberliegenden Torlinie zu einem 2,30 m über der Vorderkante der obersten Tribünenstufe im Unterrang liegenden Punkt verläuft, mindestens jedoch 5,00 m ab Oberkante des formstabilen, durchsichtigen Materials hoch sein. Das formstabile, durchsichtige Glas auf den Längsseiten (ausgenommen im Bereich der Spielerbänke) und hinter den bzw. seitlich von den Spielerbänken muss 1,60 m hoch sein. Der Abstand zwischen den einzelnen Schutzelementen darf höchstens 5 mm betragen. Die Kanten der Schutzelemente im Bereich der Spielerbänke sind mit Polstern zu versehen. 59 Auf internationaler Ebene wirkt der NASport im Ausschuss TC 136 (Sports, playground and recreational equipment) des CEN und dem TC 83 (Sports and recreational equipment) der ISO mit. 60 Vgl. die Übersicht in der Selbstauskunft des NASport, S. 3, abrufbar unter http://www.na sport.din.de/sixcms_upload/media/2661/Imagebroschuere_NASport_2013.pdf (zuletzt abgerufen am 22. 4. 2014). 61 7. Auflage, August 2012. 62 8. Auflage, April 2011. 63 8. Auflage, Oktober 2007. 64 3. Auflage, April 2013. 65 1. Auflage, Dezember 2004. 66 2. Auflage, Juni 2013. 67 1. Auflage, September 2013. 68 1. Auflage, Mai 2013. 69 Die Norm ist in ihrer gültigen Form vom November 1992 abgedruckt in DIN Taschenbuch 134 (Sporthallen und Sportplätze), S. 320.

174

Philipp Winter

Im Spielbetrieb außerhalb des Internationalen Eishockey-Verbandes (IIHF), der Deutschen Eishockey Liga (DEL) und der Eishockeyspielbetriebsgesellschaft (ESBG) können auch andere Sicherheitseinrichtungen in entsprechender Höhe verwendet werden. Alle Sicherheitseinrichtungen oberhalb der Bande (formstabiles, durchsichtiges Material bzw. Fangnetze) müssen einem mit 160 km/h auftreffenden Puck standhalten. Feste Teile der Sicherheitseinrichtungen müssen so ausgebildet sein, dass sie nicht verletzungsgefährlich sind. Die Sicherheitseinrichtungen sollen bei einer anderweitigen Nutzung der Eisfläche leicht entfernbar sein.

b) Die haftungsrechtliche Bedeutung technischer Normung Fraglich bleibt jedoch nach wie vor, in wie weit technische Normung im Prozess der judiziellen Statuierung spezifizierter Verhaltensprogramme im Rechtsverkehr als Maßstab und Orientierungshilfe herangezogen werden sollte. aa) Der Wert technischer Normung Eine unmittelbar-verbindliche Rechtssatzqualität kommt den überbetrieblichen technischen Normen als Ausfluss privater Rechtssetzung zweifelsohne nicht zu.70 Dennoch spricht einiges dafür, die Vorschriften des DIN und vergleichbarer Expertenkreise als „Richtschnur und Maßstab für technisch richtiges Verhalten“71 zu erachten und sie folglich im Rahmen ihres konkreten Anwendungsbereichs als Schlüssel zur Bestimmung sachgemäßer Pflichten- und Verhaltensprogramme zu nutzen.72 Denn idealerweise gewährleistet die Autorität des Expertentums die Sachgemäßheit technischer Normen, wenn im Rahmen der Verkehrspflichtenkonkretisierung auf typische Gefahrenlagen einerseits und auf standardisierte Sicherheitsanforderungen als Ausdruck des jeweiligen Stands der Technik andererseits zurückgegriffen werden muss.

70 BGHZ 103, 338 (341 f.); NJW 1987, 2222 (2223); 1998, 2814 (2815); 2001, 2019 (2020); 2008, 3775 (3777); Börner (s. oben Fn. 34), S. 228; Looschelders, JR 2000, 265 (266); Spindler (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 255; Tschauner (s. oben Fn. 55), S. 189 (193); Wagner (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 282. Nichts anderes gilt dann, wenn durch Gesetz oder Verordnung auf eine technische Regel Bezug genommen wird, Lenckner, Technische Normen und Fahrlässigkeit, in: Bockelmann (Hrsg.), Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag, 1969, S. 490 (495 f.). 71 So Marburger (s. oben Fn. 45), S. 298. 72 Im Ergebnis BGHZ 103, 338 (341 f.); NJW 1980, 1219 (1221); VersR 1984, 270; 1988, 632 (633); NJW 1997, 582 (583); 2001, 2019 (2020); NJW-RR 2002, 525 (526); 2003, 1459 (1460); NJW 2004, 1449 (1450); 2008, 3778 (3779); Börner (s. oben Fn. 34), S. 230 ff.; Hager (s. oben Fn. 14), § 823 E 34; Köhler, BB 1985 Beilage 4, 10 f.; Krause (s. oben Fn. 14), § 823 Anh. II Rn. 49; Marburger, VersR 1983, 597 (602); Spindler (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 255; Steffen, VersR 1980, 409 (412); Wagner (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 281.

Veranstalterverkehrspflichten im Sport

175

Dieser Wert jener Regeln erwächst zuvorderst der Arbeitsweise in formalisierten Normungsprozessen73 und der pluralistischen Zusammensetzung der zuständigen Entscheidungsgremien, so auch derjenigen des NASport: Ihren Ausgang nimmt die nationale Normungsarbeit mit einem begründeten Normantrag, der grundsätzlich von jedermann bei der zuständigen DIN-Stelle eingereicht werden kann und idealerweise bereits konkrete Lösungsvorschläge enthält. Nachdem der sachlich zuständige Normenausschuss über den Bedarf an einer entsprechenden Norm entschieden hat, wird die Öffentlichkeit über die Aufnahme der Normungstätigkeit informiert und erhält die Möglichkeit zur Stellungnahme. Ein anschließend im nationalen Ausschuss erarbeitetes Manuskript für den Normentwurf wird erneut der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt, bis ein konsensfähiger Normentwurf erarbeitet und schließlich veröffentlicht wird. Nicht nur wird der jeweilige Normenausschuss dabei in seinem Geschäftsgang von der Gruppe Prozessqualität und Prüfung der DIN begleitet, welche die Einhaltung der in DIN 820 festgelegten Standards und Grundwerte gewährleisten soll.74 Es ist vielmehr Ideal der DIN-Arbeit, Experten aller interessierten Verkehrskreise aktiv in den Normungsprozess einzubinden. So setzen sich die Mitglieder eines jeden NASport-Arbeitsausschusses „in ausgewogenem Maße aus Vertretern aller Bereiche des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens zusammen; ihm gehören Fachleute aus der Industrie, Prüfinstitutionen, Verbänden, öffentlicher Verwaltung und sachkundige Verbraucher an.“75 Dabei strebt der NASport insbesondere mit den nationalen Sportverbänden eine enge Zusammenarbeit an, um sich Expertise und Spezialwissen zunutze zu machen, die inhaltliche Abstimmung von Normungsinhalten und Verbandsvorschriften voranzutreiben, abgestimmte Regelwerke für Sportgeräte, Sportanlagen sowie Freizeiteinrichtungen bereitzustellen und auf diese Weise schließlich Sicherheit für Auftraggeber, Planer, Betreiber und Nutzer gleichermaßen zu schaffen. Schließlich bleiben die DIN-Normen auch nach ihrer Verkündung – idealiter – einer regelmäßigen Überprüfung und Kontrolle unterworfen und werden geändert oder angepasst, sobald der aktuelle Stand technischer Erkenntnisse eine Modifikation erforderlich werden lässt.76 Nicht ohne Berechtigung nehmen technische Normen nach alledem für sich in Anspruch, das geronnene Fachwissen des jeweiligen Verkehrskreises als Frucht langjähriger Erfahrungswerte zu verkörpern und eine größtmögliche sachliche Richtigkeit zu gewähren. Es liegt somit der Schluss nahe, die sich ebenfalls nach der einschlägigen Verkehrsanschauung richtenden Verkehrspflichten in weitgehender Übereinstimmung mit den Regeln überbetrieblicher technischer Normung zu bestim-

73 Ausführliche Informationen zum Entstehungsgang einer DIN-Norm DIN 820 – 4, Normungsarbeit – Geschäftsgang. Vgl. auch Marburger, VersR 1983, 597 (599); Sonnenberger, DIN-Mitt. 1985, 556 (559). 74 Vgl. zu den einzelnen Maximen der Normungsarbeit Sonnenberger, DIN-Mitt. 1985, 556 (559 f.). 75 Selbstauskunft des NASport (s. oben Fn. 60), S. 4. 76 DIN 820 – 4, Normungsarbeit – Geschäftsgang, Abs. 5.

176

Philipp Winter

men.77 Insbesondere in Anbetracht des dringlichen Bedürfnisses nach verlässlichen Orientierungshilfen im Prozess der judiziellen Verkehrspflichtenbestimmung und der nur begrenzten Konkretisierungstauglichkeit des Präjudizes erscheinen technische Normen folglich ebenso geeignet, wie auch erforderlich, um Inhalt und Umfang jener Fürsorge- und Sicherungspflichten zu konkretisieren.78 bb) Die Schwächen technischer Normung Gleichwohl entbindet auch der Rückgriff auf allgemein anerkannte und durch Kodifizierung zur technischen Norm verfestigte Regeln der Technik den Richter nicht von seiner grundlegenden Pflicht zur eigenständigen Prüfung von Rechtslage und Recht anhand des streitigen Sachverhalts. Denn der strikte Gehorsam gegenüber technisch normierten Vorgaben wäre angesichts der verfassungsrechtlich vorgesehenen Gesetzesbindung des Richters eine legitimatorische Unverträglichkeit, die sich auch nicht aus dem funktionalen Zusammenhang jener Normen einerseits und den Verkehrssicherungspflichten andererseits herleiten ließe. Wo letztere nämlich als abschließend wirkendes Verhaltensprogramm die äußere Sorgfalt des Pflichtigen in einem spezifizierten Lebenssachverhalt definieren, geht der Gehalt technischer Normung bei allem Engagement der zuständigen Institute doch keinesfalls über das hinaus, was zwar nicht als Globalformel, so aber doch als abstrakt sachverhaltsbezogene Einzelmaßnahmenempfehlung bezeichnet werden muss.79 Dies gilt gerade auch im Kontext des Sports, als eines Lebensbereichs, der von Vielgestaltigkeit und einer stetigen dynamischen Fortentwicklung geprägt ist, mit welcher wohl jeglicher Versuch einer technischen Normung kaum Schritt zu halten in der Lage wäre. Neben der einer jeden Normung immanenten Schwäche drohender Unflexibilität ist es jedoch auch der systematische Ansatz technischer Normen als Vorschriften, deren Inhalt keineswegs ausschließlich dem nötigen Sicherheitsempfinden der beteiligten Verkehrskreise verpflichtet ist, sondern ebenso anderen Zielen, etwa dem Streben nach Standardisierung dient, der eine strikte Bindung des Richters an diese verbietet.80 Schließlich kann der Prozess einer Normsetzung nicht einmal bei höchster Expertise des Normgebers als reiner Erkenntnisakt gewürdigt werden, sondern bleibt stets auch einer wertenden Entscheidung der Beteiligten hinsichtlich des Grades an angestrebter Sicherheit und der notwendigen Kompromisse im Spannungsfeld divergierender Inter-

77

Vgl. Krause (s. oben Fn. 14), § 823 Anh. II Rn. 49; Wagner (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 281. 78 So greift auch die Rechtsprechung im Sportveranstaltungshaftungsrecht regelmäßig auf die Normen des DIN zur Haftungsbegründung zurück, vgl. etwa LG Heidelberg VersR 1980, 367; OLG Hamm VersR 1982, 152 (153); OLG Celle VersR 1984, 46 f.; OLG Nürnberg NJWRR 1988, 993; OLG Celle SpuRt 1996, 173 f.; OLG Düsseldorf SpuRt 1999, 248. 79 Marburger (s. oben Fn. 45), S. 459, erkennt in technischen Normen insoweit „vom Einzelfall abgelöste, abstrakt-typisierte technische Tatbestände“. 80 Vgl. Wagner (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 282.

Veranstalterverkehrspflichten im Sport

177

essenlagen unterworfen.81 Dem DIN und sonstigen privaten Normungsverbänden über den Umweg der autoritativen Gestaltung bindender Verhaltensstandards schließlich doch eine umfassende Rechtssetzungsbefugnis zuzubilligen, erschiene weder erstrebenswert noch verfassungsrechtlich zu legitimieren.82 cc) Zwischenergebnis Es kann also mit dem Bundesgerichtshof festgehalten werden: „Die Regeln der Technik, wie sie in den genannten Normen ihren Niederschlag finden, können zwar zur Konkretisierung der Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden und stellen oft, zumal sie von Expertenkommissionen erarbeitet sind, einen brauchbaren Maßstab für die zu fordernde Sorgfalt dar (…). Jedoch bestimmen sie nicht stets das Äußerste, was im Einzelfall verlangt werden kann, sondern sind ergänzungsbedürftig und entlassen den Richter nicht aus der Pflicht, das Integritätsinteresse des potentiellen Geschädigten selbst zu bewerten“.83 Die Bedeutung technischer Normen erschöpft sich im Prozess der judiziellen Pflichtenkonkretisierung damit in der Funktion unverbindlicher, nicht abschließender, wenngleich fraglos wertvoller Orientierungssätze und Bestimmungshilfen; sie bieten dem Richter in ihrer Indizwirkung folglich einen Ansatzpunkt zur weiteren Pflichtenermittlung. Es gilt jedoch: „Der Richter darf nicht unbewertet das Richtmaß für die Integritätsinteressen allein den DIN- und Güte-Normen, den Regeln der Technik, dem Insiderbeschränkten Weltbild der Experten entnehmen.“84 Richterliche Zweifel an der Richtigkeit, Reichweite oder Aktualität der technischen Vorschrift müssen artikuliert werden, ihr Gehalt bleibt jedenfalls in eigenes Rechtsdenken zu transformieren. Und selbst dort, wo man die Vorgaben überbetrieblicher technischer Normung zumindest als verbindliches Mindestmaß deliktischer Sorgfaltsstandards fixiert,85 bleibt es dem Pflichtigen unbenommen, ein spezifisches Schutzniveau nicht durch die konkret vorgeschriebenen, sondern sonstige, in ihrer Schutzwirkung und Angemessenheit jedoch gleich wirksame Maßnahmen sicherzustellen.86 81 Köhler, BB 1985 Beilage 4, 10 („Diese Wertung ist nicht Sache des Technikers als solchem“); Wagner (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 282. Vgl. auch Spindler (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 255 („Kompromisscharakter“). 82 Vgl. Wagner (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 282. 83 BGH VersR 1984, 164 (165). Vgl. auch die vorinstanzliche Entscheidung des OLG München VersR 1982, 1152 (1153). 84 Steffen, VersR 1980, 409 (412). 85 So etwa OLG Hamm VersR 1982, 152 (153); OLG Düsseldorf SpuRt 1999, 248; Edenfeld, VersR 2002, 272 (274); Hager (s. oben Fn. 14), § 823 E 34; Spindler (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 257; Tschauner (s. oben Fn. 55), S. 189 (193 f.). 86 Vgl. OLG Celle SpuRt 1996, 173 (174); Börner (s. oben Fn. 34), S. 234; ders., Dogmatische Grundlagen der Haftung der Sportstätten-Unfälle, in: Scheffen (Hrsg.), Haftung und Nachbarschutz im Sport, 1985, S. 37 (61); Köhler, BB 1985 Beilage 4, 10 (11); Marburger, VersR 1983, 597 (603); Spindler (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 257; Tschauner (s. oben Fn. 55), S. 189 (193); Wagner (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 282.

178

Philipp Winter

3. Pflichtenkonkretisierung anhand von Sportverbandsnormen Abschließend sei auch auf die Rolle der Normen des Sportverbandsrechts im Prozess der judiziellen Verkehrspflichtenstatuierung hingewiesen. Das verbandsautonom gesetzte Recht befriedigt das Selbstregulierungsbedürfnis der Sportverbände auf verschiedene Weise. Zuvorderst obliegt es den am Sport Beteiligten, das Sport-Typische87 – also „ihren“ Sport als ein „gesellschaftliches Subsystem“88 – zu definieren, das seine Prägung durch eigene Sozialwerte erfährt, die ihrerseits nicht zwingendermaßen mit denjenigen pluralistischer Rechtsstaatlichkeit kongruent sein müssen.89 Des Weiteren lässt sich der Zweck eines wettkampfmäßigen Leistungsvergleichs nur unter der Voraussetzung erreichen, dass einheitliche oder allgemeinverbindliche (Sport-)Regeln ein unbedingtes Mindestmaß an Chancengleichheit durch gleiche Leistungsbedingungen für die Sporttreibenden gewährleisten.90 Diesem Selbstregulierungsbedürfnis sind die Sportverbände heute längst gerecht geworden: In komplexen Satzungen, Ordnungen, Chartas, Statuten, Bestimmungen oder Reglements, die gemessen an Umfang und Akribie wohl jeden Parlamentarier in Verlegenheit zu bringen geeignet wären, ist für den Sport insgesamt, wie auch für spezifische Sportarten im Einzelnen, ein vielschichtiges und diffiziles System an Verbandsvorschriften erschaffen worden, deren Funktionstopos es ist, in Form der generell-abstrakten Verhaltens- oder Beschaffenheitsfestsetzung die jeweiligen Interessen im Wertungsgeflecht des Sportbetriebs zu erfassen, zu systematisieren und umfassend zu normieren.91 Dabei kann eine sehr grobe Klassifizierung der Sportverbandsnormen vorgenommen werden in Spielregeln im engeren und Spielregeln im weiteren Sinne, die jeweils in Abgrenzung zu den allgemeinen Verbandsregelungen in mehr oder minder ausgeprägter Weise der Manifestation des Sport-Typischen

87 Zu Begriff und Bedeutung des Sport-Typischen siehe Pfister, Autonomie des Sports, sport-typisches Verhalten und staatliches Recht, in: Pfister (Hrsg.), Festschrift für Werner Lorenz zum siebzigsten Geburtstag, 1991, S. 171 (181 ff.); ders., in: Fritzweiler/Pfister/ Summerer (Hrsg.) (s. oben Fn. 9), S. 11 f. Ob dessen Unbestimmtheit kritisch zum Topos der „Sporttypizität“ hingegen Heß, Voraussetzungen und Grenzen eines autonomen Sportrechts unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Spitzensports, in: Heß/Dressler (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen des Sports, 1999, S. 1 (22 f.). 88 Pfister, in: Festschrift Lorenz (s. oben Fn. 87), mit Verweis auf von Krockow, Sport: eine Soziologie und Philosophie des Leistungsprinzips, 1974, S. 98 f. 89 Man denke nur an den Faustschlag, mit dem ein Boxer seinen Kontrahenten auf die Bretter schickt: Ein Verhalten, welches von der staatlichen Rechtsordnung im allgemeinen Rechtsverkehr weder erwünscht noch geduldet werden darf, ist als sportliches Verhalten mitunter erlaubt und stellt unter Umständen gar eine notwendige Maßnahme dar, um im sportlichen Wettkampf den Sieg zu erringen. 90 Vgl. Pfister, in: Festschrift Lorenz (s. oben Fn. 87), S. 171 f.; ders., in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.) (s. oben Fn. 9), S. 5; Vieweg, Faszination Sportrecht, 2010, S. 13. 91 Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 31. Vgl. auch Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, 2001, S. 67 f.

Veranstalterverkehrspflichten im Sport

179

dienen, indem sie Anordnungen über erlaubtes und verbotenes Verhalten, Wettkampfziele, Sportstätten oder Ausrüstungsgegenstände treffen.92 a) Abgrenzung zum sport-typischen Gefahrenbereich Primär schlägt sich die zivilhaftungsrechtliche Bedeutung der Sportverbandsnormen in der Manifestation sport-typischer Risiken und Verletzungsgefahren nieder, deren Realisierung unter Anwendung der Rechtsfigur des Handelns auf eigene Gefahr im Regelfall haftungsrechtlich irrelevant bleibt. Denn wo die Verkehrspflichten als Gefahrsteuerungsgebote in einem multipolaren Interessen- und reziproken Vertrauensgeflecht konzipiert sind, in welchem auch der Sicherungspflichtige darauf vertrauen können muss, dass ein jeder im gesellschaftlichen Miteinander ein generelles Mindestmaß an Eigenverantwortung und Eigenvorsorge walten lässt, dort darf mit Recht davon ausgegangen werden, dass ein Verkehrsteilnehmer sein Tun und Unterlassen seinerseits in validem Umfang an schadenspräventiven Maßregeln ausrichtet.93 Ist sein Verhalten hingegen zwangsläufig mit gewissen Schadensrisiken verbunden, welche nunmehr als „bewusst in Kauf genommen“ erachtet werden dürfen, so ist der potentiellen Schadensinternalisierung als Ausdruck des konkordanten Interessenausgleichs eine Grenze gesetzt. Ein Skiabfahrtsläufer, der auf einer gewöhnlichen Buckelpiste stürzt und zu Schaden kommt, wird den Sportveranstalter unter dem Gesichtspunkt einer verletzten Verkehrspflicht folglich ebenso wenig in Anspruch nehmen können wie ein Fußballspieler, der im Spielverlauf gegen den Torpfosten prallt. Es handelt sich um die Realisierung sport-typischer Risiken, wie sie in den einschlägigen Spiel- und Sportregelwerken zum Ausdruck kommen. Eine legitime Schutzerwartung des Verkehrs besteht diesbezüglich folglich nicht. b) Konkretisierung des Pflichtenprogramms Darüber hinaus enthalten die verbandsrechtlichen Normkomplexe nicht selten Verhaltensregeln und Sicherheitsvorschriften mit Schutzcharakter, die sich an den Veranstalter, den Ausrichter oder eine andere Einheit der Sportveranstaltungsorganisation richten und unmittelbar oder mittelbar zugunsten von Sportlern, Zuschauern oder sonstigen an der Sportveranstaltung Beteiligten die Realisierung spezifischer Gefahren vermeiden sollen.94 Ähnlich den technischen Normen sind diese Regeln 92 Vgl. zu dieser Einteilung Pfister, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.) (s. oben Fn. 9), S. 18 ff. Siehe ferner ders., in: Festschrift Lorenz (s. oben Fn. 87), S. 171 (177 ff.). 93 Vgl. BGHZ 108, 273 (274); NJW 1985, 1076 f.; 1986, 52 (53); VersR 1989, 155 (156); NJW 2002, 1265; Hager (s. oben Fn. 14), § 823 E 32; Larenz/Canaris (s. oben Fn. 23), S. 414 f.; Schiemann (s. oben Fn. 23), § 823 Rn. 80; Wagner (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 261. 94 Beispielhaft verwiesen sei – einmal mehr im Kontext der Sicherung des Zuschauerverkehrs bei Eishockeyspielen – auf die Regeln 105 f. des Rulebooks der International Icehockey Federation, wie sie gem. § 4 Abs. 1 der SpielO der Deutschen Eishockey Liga auch unmittelbar für die DEL gelten.

180

Philipp Winter

als Orientierungsmaß im Prozess der Statuierung konkreter Pflichtenprogramme in spezifizierten Sachverhalten des Sportveranstaltungshaftungsrechts weithin anerkannt.95 Ebenso wenig wie schon den technischen Normen96 kann zwar auch den Regeln der Sportverbände als Ausfluss privater Normsetzung eine originäre und unmittelbare Bindungswirkung im Sinne der Gesetzesnorm zuerkannt werden.97 Auch der erkennende Richter ist bei der Ausarbeitung der äußeren Sorgfalt im Sportbetrieb somit keineswegs an die sportverbandsautonom gesetzte Norm als zwingender Beurteilungsgrundlage gebunden. Vielmehr darf er „Regeln, die nach seiner Überzeugung ungeeignet, unangemessen, unvernünftig, unvollständig, veraltet oder sogar gefährlich sind, nicht anwenden.“98 Nicht jede Verhaltensnorm oder Sicherheitsbestimmung eines Sportverbandes muss, kann oder darf folglich unbesehen zur zivilrechtlichen Verkehrspflicht transformiert werden. Dies gilt umso mehr, als dass auch die Sportverbände selbst beziehungsweise die an der Normsetzung beteiligten Mitglieder als Adressaten der Verkehrspflichtenhaftung in Betracht kommen und es unbedingt zu vermeiden bleibt, dem potentiellen Haftungsadressaten einen unmittelbaren Einfluss auf die gerade durch die Objektivität des Rechts legitimierten Verkehrspflichten zu geben. Es obliegt den Sportverbänden selbst, ihrer satzungsgemäßen Zwecksetzung entsprechend, die Gegebenheiten ihres Sportbetriebs eigenständig und im Interesse der Beteiligten zu organisieren, dem Sport und der Sportveranstaltung hierdurch ihr Gepräge zu geben und damit sport- und sportveranstaltungsspezifische Verletzungsgefahren zu identifizieren. Es ist folglich Ausdruck der verbandsrechtlichen Treuepflicht99, solche, über die als sport-typisch akzeptierten oder gar erwünschten Risiken hinausgehenden Gefahren zu bekämpfen und zum Schutz der einzelnen Verbandsmitglieder entsprechende und möglichst umfassende Sicherheitsregelungen zu erlassen. Vor diesem Hintergrund erklärt es sich, dass von den Sportverbänden regelmäßig ein beachtlicher Arbeitsaufwand betrieben wird, um unter Beteiligung von Fachleuten, Sachverständigen und Expertengruppen aus größtmöglicher Sachnähe heraus verbandsinterne Pflichtenhefte, Richtlinien und Sicherheitsbestimmungen zu statuieren, die nun ihrerseits als Ausfluss langjährig geronnener Praxiserfahrung der normgebenden Verbände auch im Prozess der Verkehrspflichtenkonkretisierung ihren Dienst tun. 95

Vgl. etwa BGH NJW 1975, 533 (534); OLG Nürnberg VersR 1977, 1134 (1135); OLG München NJW-RR 1987, 18 f.; OLG Hamm SpuRt 1997, 24 (27 f.); OLG Celle SpuRt 1997, 203; OLG Hamm SpuRt 1998, 125; OLG Bamberg VersR 2004, 484 f.; Börner (s. oben Fn. 34), S. 242 ff.; ders. (s. oben Fn. 86), S. 39 (62). 96 Siehe hierzu die Nachweise oben, Fn. 70. 97 Zur fehlenden Rechtsnormqualität der Sportverbandsvorschriften Börner (s. oben Fn. 34), S. 238; Looschelders, JR 2000, 265 (270); Mertens, VersR 1980, 398 (402); Wagner (s. oben Fn. 14), § 823 Rn. 335. 98 Börner (s. oben Fn. 34), S. 240. 99 Die vereins- und verbandsrechtliche Treuepflicht besteht grundsätzlich auch im Verhältnis der Körperschaft zu den einzelnen Mitgliedern, BGH NJW 1990, 2877 (2878 f.); Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl. 2010, S. 179, 181 f.

Veranstalterverkehrspflichten im Sport

181

So können die Sportverbandsnormen mit Schutzcharakter – unter der unabdingbaren Einschätzungsprärogative des erkennenden Richters – als wichtiger Indikator der konkreten Schutzerwartung des jeweiligen Verkehrskreises zur Geltung kommen und auch vor Gericht als Ausgangspunkt und Quelle der Erkenntnis im Bestreben eines gerechten Interessenausgleichs durch die Statuierung entsprechender Gefahrsteuerungsgebote herangezogen werden, ohne jedoch abschließenden Charakters zu sein.100 Eine rechtswirksame Bindung der am Schadensfall Beteiligten an die einschlägigen Verbandsnormen ist hierfür nicht erforderlich. So kann das Verbandsrecht selbst in Sachverhalten des nicht-organisierten Sports zur Pflichtenkonkretisierung herangezogen werden, wenn sich dieser Sportbetrieb in den spezifischen Gefahrenmomenten – und damit in den einschlägigen Sorgfaltsstandards – nicht wesentlich vom organisierten Sportbetrieb unterscheidet. Allerdings kann unter der Voraussetzung einer bestehenden verbandsrechtlichen bzw. rechtsgeschäftlichen Bindung des Verkehrspflichtigen von einem normierten Mindestschutzniveau ausgegangen werden. Denn wenn die legitime Schutzerwartung des betroffenen Rechtsverkehrs als Manifestation des gesellschaftsimmanenten wechselseitigen Vertrauensverhältnisses aufgefasst wird, so darf als Ausdruck dieses Vertrauens davon ausgegangen werden, dass ein Sicherungspflichtiger bei der Erfüllung jener Pflicht einer wirksamen Rechtsbindung Rechnung tragen wird. Ist also der Veranstalter, sei er nun im Einzelfall Verband, Verein oder Dritter, verbandsrechtlich bzw. rechtsgeschäftlich an Regelwerke gebunden, deren Inhalt Sicherungsvorschriften und Schutznormen zugunsten des gefährdeten Verkehrs zu entnehmen sind, so darf sich letzterer in aller Redlichkeit darauf verlassen, dass jene Anforderungen vom Veranstalter auch eingehalten werden.

VI. Fazit „Der Sport ist eine Chance, die Entscheidungen in vielen, auch in einander entgegengesetzten Richtungen zuläßt.“101 Diese Worte des russischen Avantgardisten Iwan Puni ließen sich ohne weiteres auch für die Betrachtung des Rechts der Verkehrspflichten fruchtbar machen. Die Verkehrspflicht ist ein offener Rechtsbegriff – und soll dies auch bleiben. Denn das Richterrecht leistet hier einen Ausgleich der Interessen, welchen das Gesetz nicht zu erbringen imstande ist. Dem verständlichen Bedürfnis nach Orientierung von Rechtsanwender und Rechtsverkehr lässt sich durch den Rekurs auf verschiedene rechtliche und außerrechtliche Mechanismen der Pflichtenstandardisierung weitgehend gerecht werden, ohne jedoch die notwendige Flexibilität und Einzelfallbezogenheit der Verkehrspflicht aufzuopfern. Auch für die zivilrechtliche Haftung des Sportveranstalters, die ihrerseits von den 100

So im Ergebnis ebenfalls Börner (s. oben Fn. 34), S. 242 ff.; ders. (s. oben Fn. 86), S. 39 (62); Heermann, Haftung im Sport, 2008, S. 157 f.; Looschelders, JR 2000, 265 (267). 101 Zitiert nach Lauerbach, Sport und Gesellschaft, in: Schroeder/Kauffmann (Hrsg.), Sport und Recht, 1972, S. 6 (7).

182

Philipp Winter

Verkehrspflichten dominiert wird, kann auf diesem Wege im erforderlichen Umfang Rechtssicherheit kreiert und so eine wesentliche Voraussetzung im Ausgleich der widerstreitenden Haftungsinteressen geschaffen werden. Insbesondere den einschlägigen Normen der Technik und solchen der Sportverbände kommen dabei als Ausdruck von Expertise und Fachwissen die grundsätzliche Vermutung für die Übereinstimmung mit praktisch bewährten Sicherheitsstandards und damit eine indizielle Wirkung im Prozess der Pflichtenkonkretisierung zu.

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht Rechtsvergleichende Einblicke in das deutsche Recht anhand der Vorschriften des ungarischen Sportgesetzes Péter Rippel-Szabó I. II. III. IV.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff und Zweck des Sport-Sponsoringvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Sportverbandspyramide in Ungarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechteinhaberschaft am Image gemäß dem SportG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Athleten und Sportvereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sportverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Veranstalterrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zentralvermarktung von Vermögensrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sportstätten- und Sportgeräteeigentümer sowie Veranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Grundlegende Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übertragbarkeit des Images als immaterielles Vermögensrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorherige schriftliche Zustimmung des Athleten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechteinhaberschaft an Sponsoringrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Automatische Übertragung der Vermögensrechte von Athleten auf die Sportvereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zentralvermarktung von Vermögensrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vermarktungsbefugnisse von Sportstätten- und Sportgeräteeigentümern sowie Veranstaltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Persönlichkeitsrechte der Athleten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinigungsfreiheit (Vereins- und Verbandsautonomie) . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigentumsrechte an Sportgeräten, Sportbekleidung und Sportstätten . . . . . dd) Veranstalterrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Kooperations- und Vertrauenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abschluss von Sport-Sponsoringverträgen durch Athleten . . . . . . . . . . . . . bb) Zentralvermarktung von Sponsoringrechten durch Sportverbände . . . . . . . cc) Befugnisse von Sportgeräte- und Sportstätteneigentümern . . . . . . . . . . . . . dd) Befugnisse von Veranstaltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

184 185 186 187 188 189 189 189 190 190 190 191 194 195 195 196 196 196 197 199 201 202 203 204 204 205 206 207 208

184

Péter Rippel-Szabó

I. Einleitung Die wirtschaftliche Bedeutung des Sport-Sponsorings ist in den letzten zwei Jahrzehnten auch in Ungarn immens gewachsen. Auf der einen Seite bilden die Einnahmen aus den Sport-Sponsoringverträgen einen festen Bestandteil des Budgets von Verbänden, Vereinen, Athleten, Veranstaltern und Sportstätteneigentümern. Magyar Telekom Nyrt., die größte Telekommunikationsfirma in Ungarn und Tochterfirma der Deutschen Telekom AG, bezahlte bspw. insgesamt 240 Millionen ungarischer Forint (ca. 800.000 E), um sich für drei Jahre als Platin-Sponsor des Ungarischen Olympischen Bundes präsentieren zu dürfen.1 Zusätzlich ist Magyar Telekom Nyrt. seit Oktober 2012 auch offizieller Sponsor des Ungarischen Fußballverbands.2 Auf der anderen Seite konnten sich Unternehmen und andere potentielle Sponsoren davon überzeugen, dass die von ihnen für das Sponsoring im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit aufgewendeten Beträge zur Erhöhung ihrer Bekanntheit und zu ihrem wirtschaftlichen Erfolg beigetragen haben.3 Sport und Sporttätigkeit bieten – im Gegensatz zu anderen Bereichen – in allen Zeiten eine attraktive Werbeplattform, die in den meisten Fällen das vernünftige finanzielle Investment mit wirtschaftlichem Erfolg verbindet. Parallel zu der wachsenden Popularität des Sport-Sponsorings in Ungarn tauchen im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Erfüllung von Sponsoringverträgen komplexe Rechtsfragen auf. Diese Probleme entstehen meist aufgrund mangelnder Kenntnis der maßgeblichen Rechtsvorschriften und deren Komplexität sowie der Exklusivitätsklauseln solcher Verträge. Um Konflikten in der Praxis vorzubeugen bzw. zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu lösen, ist es in einem ersten Schritt sinnvoll, bei der Vertragsgestaltung die grundlegenden Rechtsvorschriften über die Rechteinhaberschaft an Sponsoringrechten zu beachten und in den Verträgen umzusetzen. Das ungarische Rechtssystem ähnelt aus rechtshistorischen Gründen der deutschen Rechtsordnung. Deshalb wird von ungarischen Wissenschaftlern in vielen Bereichen des deutschen Rechts vergleichend geforscht. Erkenntnisse hieraus sind insbes. auf dem Gebiet des Sportrechts und des Sport-Sponsorings relevant, da die sehr umfangreiche deutsche Sportrechtsliteratur in vielerlei Hinsicht als rechtvergleichendes Beispiel dienen kann. Der Aufbau der deutschen Sportverbandspyramide sowie die Auswertung der deutschen sportrechtlichen Literatur haben viele Vorschriften des ungarischen Sportgesetzes4 (SportG) geprägt. Da die praktische Umset1

Siehe http://www.origo.hu/sport/20130311-a-magyar-olimpiai-bizottsag-es-a-magyar-tele kom-szerzodese.html (letzter Abruf: 13. 03. 2014). 2 Siehe http://www.origo.hu/sport/magyarfoci/20121015-tamogatasi-megallapodas-az-mlszes-a-telekom-kozott.html (letzter Abruf: 13. 03. 2014). 3 Vgl. etwa die Aussagen von Christopher Mattheisen im Zusammenhang mit dem Sponsoringvertrag, den er mit dem Ungarischen Fußballverband abgeschlossenen hat. 4 2004. évi I. törvény a sportról [Gesetz Nr. I von 2004 über den Sport]. Das SportG ist auf Ungarisch abrufbar unter http://net.jogtar.hu/jr/gen/hjegy_doc.cgi?docid=A0400001.TV (letzter Abruf: 13. 03. 2014).

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht

185

zung der Regelungen des SportG zum Sport-Sponsoring in der ungarischen Rechtsliteratur kaum diskutiert wird, könnten rechtsvergleichende Forschungen in diesem Bereich weiterführende Erkenntnisse bringen. In diesem Beitrag sollen die wichtigsten ungarischen Rechtsfragen zum SportSponsoring – auch unter Auswertung der deutschen Rechtsliteratur – herausgearbeitet und weitere Ansatzpunkte für eine umfassende ungarisch-deutsche Rechtsvergleichung identifiziert werden. Zunächst werden der Begriff des Sport-Sponsoringvertrags im ungarischen Recht untersucht (II.) und der Aufbau der ungarischen Verbandspyramide kurz dargestellt (III.). Sodann folgt die Erläuterung der wesentlichen ungarischen Rechtsvorschriften, die sich auf die Rechteinhaberschaft an Sponsoringrechten beziehen (IV.). Im Anschluss werden die wichtigsten Rechtsfragen analysiert und mögliche Lösungsansätze aufgezeigt (V.). Rechtsvergleichende Einblicke in das deutsche Recht werden dabei jeweils parallel vorgenommen.

II. Begriff und Zweck des Sport-Sponsoringvertrags Die ungarische Literatur befasst sich nur oberflächlich mit der Definition des (Sport-)Sponsorings.5 Allerdings bestimmt das SportG im Rahmen des Kapitels „Kommerzielle Verträge“ den Begriff des Sport-Sponsoringvertrags nach den internationalen Standards: „Im Sponsoringvertrag verpflichtet sich der Sponsor, die Sporttätigkeit von gesponserten Sportlern, Sportorganisationen, Sportverbänden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften des Sports mit Geld- oder Naturalleistungen zu fördern, wobei der Gesponserte es ermöglicht, dass seine Sporttätigkeit vom Sponsor im Rahmen seiner Marketingtätigkeit genutzt wird“ (§ 35 Abs. 1 SportG)6

Das zentrale Element dieser Definition und Gegenstand des Vertrags ist – ähnlich wie in Deutschland – der sog. Image-Transfer.7 Hierbei geht es um einen Werbeeffekt, der durch das Image des Gesponserten im Hinblick auf die unternehmerischen Marketing- und Kommunikationsziele des Sponsors erzielt wird. Das Wesen des Sponsoringvertrags ist durch die typische Leistung des Gesponserten, den Image5 Die wissenschaftlichen Beiträge zum Sport-Sponsoring geben sich mit der Zitierung der gesetzlichen Definition zufrieden; siehe u. a. Sárközy, Sportjog – a 2004 – es Sporttörvény magyarázata, 2004, S. 283; Sarkady/Tamás, Kereskedelmi szerzo˝ dések a sportban, Gazdaság és Jog 2005/2, S. 15. 6 § 35 Abs. 3 SportG definiert den sog. Merchandisingvertrag getrennt vom Sponsoringvertrag: „Durch den Merchandisingvertrag werden der Name sowie das Bildnis des Sportlers, der Name sowie das Kennzeichen von Sportvereinen, Sportverbänden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften des Sports und andere Vermögensrechte vom Merchandisingnehmer durch Plakatwände, Souvenirs und auf elektronische Weise für eine Gegenleistung im Rahmen seiner Marketingtätigkeit mit dem Zweck der Beeinflussung von Verbraucherentscheidungen genutzt.“ Ausführungen hinsichtlich des Images des Gesponserten können hierbei auf den Merchandisingvertrag übertragen werden. 7 Sárközy (Fn. 5), S. 283; Rippel-Szabó, in: Princzinger (szerk.), Sportjog II, 2011, S. 152.

186

Péter Rippel-Szabó

Transfer, gekennzeichnet, die für den Sponsor gegen Entgelt (Geld- oder Naturalleistung) erbracht wird.8 „Image“ ist ein aus der Marktforschung und Werbepsychologie stammender Begriff, der ein gefühlbetontes, über den Bereich des Visuellen hinausgehendes Vorstellungsbild bezeichnet, das die Gesamtheit an Einstellungen, Erwartungen und Anmutungserlebnissen umfasst, die subjektiv mit einem Meinungsgegenstand, z. B. einer Persönlichkeit (Einzelperson, Sportverein, Sportverband) oder einem Markenartikel (z. B. einer Sportveranstaltung), verbunden sind.9 Der ungarische Gesetzesbegriff sowie das rechtsgeschäftliche Ziel und die rechtlichen Merkmale des Sport-Sponsoringvertrags entsprechen der durch die herrschende Meinung geprägten Definition im deutschen Recht.10 Die ungarische Rechtsliteratur kategorisiert den Sport-Sponsoringvertrag als einen typengemischten Vertrag, der in erster Linie Elemente des Auftrags und des Lizenzierungsvertrags aufweist.11 Im Hinblick auf den Vertragsinhalt darf die Sporttätigkeit nicht mit einer gesundheitsschädigenden Dienstleistung, Tätigkeit oder Lebensweise oder einem umweltgefährdenden oder -schädigenden Verhalten in Verbindung gebracht werden (§ 35 Abs. 2 SportG). Für die im SportG nicht geregelten Fragen sind die vertragsrechtlichen Vorschriften des ungarischen Bürgerlichen Gesetzbuches12 (UngBGB) anzuwenden (§ 35 Abs. 6 SportG).

III. Aufbau der Sportverbandspyramide in Ungarn Ähnlich wie in den meisten europäischen Ländern, beruht die Organisation des ungarischen Sports auf der sog. Verbandspyramide. Sportklubs können funktionell in Form von Sportvereinen, Kapitalgesellschaften, Stiftungen für Nachwuchsarbeit oder Sportschulen (im Weiteren zusammen: Sportvereine) organisiert sein. Jeder Sportverein ist unmittelbares Mitglied seines jeweiligen Sportverbands (§ 20 Abs. 2 S. 1 SportG). Die Aufnahme eines Sportvereins in den Sportverband kann nicht abgelehnt werden, wenn der Sportverein die Verbandsregelungen als verbindlich anerkennt und am Wettbewerbssystem (an der Meisterschaft) des Sportverbands teilnimmt (§ 20 Abs. 2 S. 1 und 2 SportG). Gemäß den Vorschriften des SportG können die Athleten den Sportvereinen als Mitglieder beitreten oder alternativ mit ihnen 8 Rippel-Szabó (Fn. 7), S. 155. Vgl. Roth, Vertragsrechtliche und ökonomische Analyse von Sportsponsoringverträgen, 2001, S. 116; Fritzweiler/Pfister, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, III 1 Rn. 73 ff.; Vieweg, SpuRt 1994, 6 (7). 9 Roth (Fn. 8), S. 116 f.; vgl. Wegner, Der Sportsponsoringvertrag – Vertragliche Aspekte des Einzelperson-, Institutional- und Eventsponsoring, 2002, S. 42 ff. 10 Rippel-Szabó (Fn. 7), S. 152; vgl. Wegner (Fn. 9), S. 26, 32. 11 Strihó, A merchandising szerzo˝ dés és az alapügyletre épülo˝ szerzo˝ déses konstrukció, Gazdaság és Jog 2011/4, S. 3 ff.; Rippel-Szabó (Fn. 7), S. 154. 12 2013. évi V. törvény a Polgári Törvénykönyvro˝ l [Gesetz V von 2013 über das Bürgerliche Gesetzbuch].

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht

187

Sportverträge abschließen (§§ 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 SportG). Abhängig vom Status des Sportlers als Amateur oder Profi, können Sportverträge entweder Arbeits- oder Auftragsverträge sein. Alle Sportverbände sind ferner Mitglied im Ungarischen Olympischen Bund, sofern sie dessen Satzung als verbindlich anerkennen (§ 42 Abs. 1 lit. b SportG). Angesichts der aufgezeigten Mitgliedschafts- und Vertragsverhältnisse sind Sportvereine unmittelbar, Athleten mittelbar an die Regelungen der Sportverbände gebunden. Damit die Bindungswirkung der Verbandsregelungen auch die Sportler unmittelbar erreichen kann, schreibt das SportG vor, dass die Athleten die nationalen und internationalen Wettbewerbsregeln sowie andere Regelungen der betreffenden Sportart einhalten müssen (§ 2 Abs. 4 lit. c SportG).

IV. Rechteinhaberschaft am Image gemäß dem SportG Zur optimalen Verwertung der Vermögensrechte, zur Streitvermeidung und zur Konfliktlösung ordnet das SportG im Kapitel „Kommerzielle Verträge“ alle Sponsoringrechte bestimmten Trägern originär oder derivativ zu. Die ungarische Rechtsauslegung folgt der in der deutschen Literatur herrschenden Ansicht, nach der sich das Eigentumsrecht von anderen, im ungarischen Grundgesetz (UngGG)13 geschützten Rechten unterscheidet. Nach dieser Auffassung liegt ein Eigentumsrecht im engeren Sinne nur dann vor, wenn die betreffende Rechtsnorm Güter mit einem bestimmten Inhalt bestimmten Rechtsträgern zuordnet. Somit ist das Eigentumsrecht keine selbstverständliche Freiheit, welche Einzelpersonen ohne weitere Rechtsnormenkonkretisierung genießen.14 Das SportG ordnet deshalb die Rechteinhaberschaft an Sponsoringrechten und dem Image den Athleten, Sportvereinen und -verbänden in unterschiedlichem Umfang zu. Im weiteren wird unter dem Begriff „Image“ Folgendes verstanden: Das Image ist ein aus der Marktforschung und Werbepsychologie stammender Begriff, der ein gefühlbetontes, über den Bereich des Visuellen hinausgehendes Vorstellungsbild bezeichnet, das die Gesamtheit an Einstellungen, Erwartungen und Anmutungserlebnissen umfasst, die subjektiv mit einem Meinungsgegenstand wie einer Persönlichkeit (Einzelperson, Verein, Verband) oder einem Markenartikel (z. B. eine Sportveranstaltung) verbunden ist.15 So ist das Image ein Gesamtbild über eine natürliche oder 13 Magyarország Alaptörvénye (2011. április 25.) [Grundgesetz von Ungarn, 25. April 2011]. 14 Die Auslegung der ungarischen Verfassung bezüglich des Begriffs „Eigentum“ wurde stark von der deutschen Rechtsauslegung und -auffassung beeinflusst; siehe hierzu Salát/ Sonnevend, A tulajdonhoz való jog, in: Jakab (szerk.), Az Alkotmány kommentárja, 2009, S. 456 und 458; vgl. Vieweg, Rechtsschutz der Athleten gegenüber dem internationalen Sportverband im Hinblick auf Werberechte, in: Vieweg (Hrsg.), Vermarktungsrechte im Sport, 2000, S. 142. 15 Roth (Fn. 8), S. 116 f.; vgl. Wegner (Fn. 9), S. 42 ff.

188

Péter Rippel-Szabó

juristische Person, das sich größtenteils aus der sportlichen Tätigkeit, dem Namen, dem Auftritt, der Stimme, dem Bildnis, dem Logo und dem guten Ruf der betroffenen Person zusammensetzt. 1. Athleten und Sportvereine Gemäß § 36 Abs. 4 S. 1 SportG stehen „die mit der Sporttätigkeit zusammenhängenden Vermögensrechte“ dem Sportler zu, d. h. die Athleten sind die originären Rechteinhaber ihres sportlichen Images und aller damit in Verbindung stehenden Sponsoringrechte. Im Hinblick auf den vom SportG benutzten Begriff „mit der Sporttätigkeit des Sportlers zusammenhängende Vermögensrechte“ wird deutlich, dass das SportG Sponsoringrechte (d. h. das Image und weitere Elemente des Persönlichkeitsrechts) nicht ausdrücklich als Vermögensrechte bezeichnet. Nur die TV-, Radiound elektronisch-digitale Übertragung, die Aufzeichnung und die kommerzielle Lizenzierung von Sporttätigkeit und Sportwettbewerben sowie die Ausschreibung, Organisation und Durchführung des Wettbewerbssystems (Meisterschaft) werden vom SportG als Vermögensrechte aufgeführt (§ 36 Abs. 1 SportG). Da aber der ImageTransfer vom Gesponserten nur für eine entsprechende Gegenleistung des Sponsors im Rahmen des Sport-Sponsoringvertrags geleistet wird (§ 35 Abs. 1 SportG), können die Sponsoringrechte auch als Vermögensrechte angesehen werden. Dies bedeutet, dass das Image des Gesponserten als immaterielles Vermögensrecht eingeordnet werden kann.16 Sofern der Sportler Mitglied eines Sportvereins ist oder mit einem Sportverein in einem vertraglichen Verhältnis verbunden ist, stehen die Vermögensrechte des Sportlers dem Sportverein zu (§ 36 Abs. 4 S. 2 SportG). Dies stellt eine automatische Übertragung von Vermögensrechten des Athleten kraft Gesetzes auf den Sportverein dar. Die Sportvereine sind damit derivative Rechteinhaber der Vermögensrechte, die mit der Sporttätigkeit des Sportlers zusammenhängen. Allerdings benötigt der Sportverein für die tatsächliche Nutzung der Vermögensrechte des Sportlers dessen vorherige schriftliche Zustimmung (siehe dazu unten V.2.). In der Praxis scheinen die Vorschriften des SportG über die originäre Rechteinhaberschaft des Athleten damit leer zu laufen. Einerseits schreibt das SportG vor, dass jeder Sportler über eine sog. Wettbewerbserlaubnis verfügen muss, die von dem jeweiligen Sportverband ausgestellt wird und Teilnahmevoraussetzung für die vom Sportverband organisierten Wettbewerbe ist (§ 3 Abs. 1 S. 1 SportG). Andererseits dürfen sowohl Amateur- als auch Profisportler die Wettbewerbserlaubnis nur beantragen, wenn sie Mitglied in einem Sportverein sind oder mit einem Sportverein einen Sportvertrag abgeschlossen haben, was zugleich die automatische Übertragung ihrer Vermögensrechte auf den Sportverein bedeutet. Im Hinblick auf diese Vorschriften des SportG lässt sich somit feststellen, dass die Vermögensrechte von 16 Vgl. Rippel-Szabó, A sporttevékenységgel összefüggo˝ vagyoni értéku˝ jogok jogtulajdonosi és értékesítési kérdései, Magyar Jog 2012/6, S. 361; ders. (Fn. 7), S. 152 ff.

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht

189

Athleten, die an sportverbandlich organisierten Wettbewerben teilnehmen, auf den Sportverein gem. § 36 Abs. 4 SportG übergehen. Neben der dargestellten derivativen Rechteinhaberschaft der Sportvereine, beinhaltet das SportG keine Vorschriften über deren originäre Rechteinhaberschaft. Das SportG wird in dieser Hinsicht durch das sog. Zivilgesetz (ZivilG)17 ergänzt. Aufgrund § 8 Abs. 1 ZivilG verfügt jeder Verein selbst über seinen Namen, sein Wappen und Logo sowie über alle, mit seinem Namen zusammenhängenden Befugnisse (insbes. Werberechte und die TV-, Radio- sowie elektronisch-digitale Übertragung der Vereinstätigkeit). Folglich sind die Sportvereine originäre Inhaber dieser Rechte. Dieser Schluss lässt sich mittelbar auch aus der Definition des Sponsoringvertrags (vgl. § 35 Abs. 1 SportG) ziehen. 2. Sportverbände a) Veranstalterrechte Am 01. 01. 2012 wurde das Veranstalterrecht als Recht sui generis durch das SportG eingeführt. Das Veranstalterrecht umfasst die mit der Ausschreibung, Organisation und Durchführung von Meisterschaften zusammenhängenden Vermögensrechte sowie die Vermögensrechte an Spielen der Nationalmannschaften. Originäre Rechteinhaber der Veranstalterrechte sind die Sportverbände (§ 36 Abs. 1 und 5 SportG).18 In der Praxis bedeutet dies vor allem, dass die Sportverbände NamensSponsoringverträge für die von ihnen organisierten Meisterschaften und Wettbewerbe abschließen können. So ist bspw. die größte ungarische Bank OTP der Namenssponsor der Ersten Fußballliga der Männer. b) Zentralvermarktung von Vermögensrechten Neben dem Veranstalterrecht sind die Sportverbände nach dem SportG berechtigt, die Vermögensrechte ihrer Mitglieder (somit auch das auf die Sportvereine übertragene Recht am Image der Athleten) zentral zu vermarkten. Zu den Voraussetzungen der Zentralvermarktung zählt, dass die Vermarktung nur für einen bestimmten Zeitraum erfolgt, der Sportverband über die Zentralvermarktung in seinen Verbandsregeln entscheidet und schließlich der Wettbewerb (Meisterschaft) vom Sportverband 17 2011. évi CLXXV. törvény az egyesülési jogról, a közhasznú jogállásról, valamint a civil szervezetek mu˝ ködéséro˝ l és támogatásáról [Gesetz Nr. CLXXV von 2011 über das Recht zur Vereinigung, die gemeinnützige Rechtsstellung sowie die Tätigkeit und Unterstützung von Zivilorganisationen]. Das ZivilG beinhaltet allgemeine, für Vereine jeder Art geltende Rechtsvorschriften. 18 Die Vorschriften über die Anerkennung des Veranstalterrechts im SportG sind vergleichbar mit dem Veranstalterrechtsbegriff in Art. L333 – 1 – 1 und L333 – 1 – 2 des französischen Sportgesetzes; vgl. ARJEL – Report of the French Online Gaming Regulatory Authority on the betting right, S. 6, abrufbar unter http://www.arjel.fr/IMG/pdf/droit-au-pari-EN20130128.pdf (letzter Abruf: 13. 03. 2014).

190

Péter Rippel-Szabó

organisiert wird (§ 37 Abs. 1 SportG). Der Sportverband ist verpflichtet, für die Zentralvermarktung der Vermögensrechte eine im Voraus bestimmte und dem Marktwert der Rechte entsprechende Summe an die Sportvereine zu zahlen. Die Höhe der Summe wird mit vorläufiger Zustimmung der Sportvereine festgelegt. Bei der Verteilung der Einnahmen aus der Zentralvermarktung müssen die Häufigkeit und die Einschaltquoten, die Ergebnisse oder Platzierung der Sportvereine, das Prinzip der Solidarität gegenüber dem Amateursport und der Nachwuchsarbeit sowie schließlich der strategische Entwicklungsplan der betreffenden Sportart berücksichtigt werden (§ 37 Abs. 2 SportG). Die Sportverbände dürfen für die Zentralvermarktung aus ihren Einnahmen nicht mehr als 5 % der aus der Zentralvermarktung erwirtschafteten Summe oder der Summe ihres Organisationsaufwands aufwenden (§ 37 Abs. 3 SportG). 3. Sportstätten- und Sportgeräteeigentümer sowie Veranstalter Das SportG enthält keine Vorschriften über die originäre oder derivative Rechteinhaberschaft von Sportstätten- und Sportgeräteeigentümern an Sponsoringrechten. Das SportG sieht aber im Hinblick auf den Veranstalter vor, dass dieser die Vermögensrechte eines sportlichen Wettbewerbs selbst vermarkten kann, wenn der betreffende Wettbewerb nicht Teil einer vom Sportverband organisierten Meisterschaft ist (§ 37 Abs. 4 SportG). Diese Vorschrift bezieht sich somit auf die außerhalb der Verbandspyramide stattfindenden Sportereignisse.

V. Grundlegende Rechtsfragen Im folgenden Kapitel werden die grundlegenden Fragen erläutert, die sich hinsichtlich der dargestellten Rechtlage nach dem SportG zum Sport-Sponsoring und insbes. zur originären und derivativen Rechteinhaberschaft am Image als Gegenstand der Sport-Sponsoringverträge stellen. Hierzu werden Lösungsansätze entwickelt, auch unter Berücksichtigung anderer ungarischer Rechtsvorschriften. 1. Übertragbarkeit des Images als immaterielles Vermögensrecht Die Kernfrage – auch in der deutschen Rechtsliteratur – im Falle des Image-Transfers im Rahmen von Sponsoringverträgen ist, ob das Image selbst bzw. vielmehr dessen Elemente (z. B. öffentliche Auftritte, Name, Bildnis, Stimme des Athleten usw.), d. h. die einzelnen Persönlichkeitsrechte, Gegenstand eines Nutzungsrechtes oder einer rechtlichen Verfügungsgewalt im Sinne dinglicher Übertragbarkeit sein können. Bezogen auf den Sport-Sponsoringvertrag stellt sich die Frage, ob die erwähnten besonderen Persönlichkeitsrechte durch den Sponsoringvertrag auf den Sponsor übertragen werden können. Dabei soll dem Sponsor eine schutzwürdige Rechtspo-

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht

191

sition gewährleistet werden.19 Obwohl sich die ungarische Rechtsliteratur nicht mit dieser Frage befasst, kann festgehalten werden, dass das Image als Vermögensrecht i. S. d. § 35 Abs. 1 SportG einen abtrennbaren Teil des Persönlichkeitsrechts darstellt. Diese Auslegung lässt sich auch mit den allgemeinen Vorschriften des UngBGB untermauern. Während § 2:42 Abs. 1 UngBGB besagt, dass die Menschenwürde und die sich aus ihr ergebenden Persönlichkeitsrechte von jedermann beachtet werden müssen, regelt § 2:42 Abs. 3 UngBGB den erlaubten Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. So verstößt ein Verhalten nicht gegen die Persönlichkeitsrechte, wenn der Berechtigte eingewilligt hat.20 So kann die in Deutschland herrschende Meinung21, dass der Kern des Persönlichkeitsrechts zwar unübertragbar, die Übertragung der Nutzung des Persönlichkeitsrechts aber möglich ist, auch auf die ungarische Rechtslage übertragen werden. Das Recht auf den Schutz der Persönlichkeit und das Recht auf deren kommerzielle Verwertung bilden daher keinen Gegensatz. Es wird zwischen persönlichkeits- und vermögensrechtlichen Interessen innerhalb des Persönlichkeitsrechts unterschieden, und die vermögensrechtlichen Elemente können mit dinglicher Wirkung einem anderen zur Verwertung i. S. d. § 35 Abs. 1 SportG und § 2:42 Abs. 3 UngBGB überlassen werden.22 Mit der Beendigung des Sponsoringvertrags fallen die dinglichen Teilrechte automatisch an den Gesponserten zurück; das Mutterrecht erstarkt wieder zum Vollrecht.23 Diese Auffassung ist auch aus praktischen Gründen vorzugswürdig. In der heutigen Zeit sind die Namen von berühmten Athleten, Sportvereinen oder Sportveranstaltungen und die mit ihnen verknüpften Bilder und weiteren öffentlichen Erscheinungsformen immaterielle Rechtsgüter, eigentlich Marken, geworden.24 2. Vorherige schriftliche Zustimmung des Athleten Die Verwertung der kommerziellen Rechte eines Sportwettbewerbs bedeutet zugleich einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des dem Sportverein oder Sportverband angehörenden Athleten. Nach § 2:42 Abs. 2 UngBGB darf ohne Einwilligung 19

Wegner (Fn. 9), S. 94. Vgl. Rippel-Szabó (Fn. 7), S. 161 f. 21 Vgl. Wegner (Fn. 9), S. 97 ff.; Fritzweiler/Pfister (Fn. 8), III 2 Rn. 83; Lettmaier, Konzeption und Schutz des Kommerzialisierungswerts von Sportlern aus US-amerikanischer und deutscher Perspektive, in: Vieweg (Hrsg.), Prisma des Sportrechts, 2006, S. 219 (223). 22 Rippel-Szabó (Fn. 7), S. 161 f. Hinsichtlich der deutschen Rechtslage siehe die Schlussfolgerungen von Ahrens, Die Verwertung persönlichkeitsrechtlicher Positionen: Ansatz einer Systembildung, 2002, S. 538; Fritzweiler/Pfister (Fn. 8), III 2 Rn. 84 ff.; die sog. Nena-Entscheidung des BGH hat hier den grundlegenden Wandel gebracht – BGH GRUR 1987, 128 (128 ff.). Das Landgericht Frankfurt bejahte ausdrücklich die Abspaltung der Persönlichkeitsrechte von Lizenzfußballspielern, vgl. hierzu Heermann, CaS 2009, 166 (166 ff.). 23 Fritzweiler/Pfister (Fn. 8), III 2 Rn. 85 ff. 24 Beispiele: die Olympischen Spiele, Michael Schumacher, Roger Federer, David Beckham. 20

192

Péter Rippel-Szabó

der betroffenen Person nicht in ihr Persönlichkeitsrecht eingegriffen werden. Zwar können in den Verbandsregelungen Verwertungsbefugnisse zugestanden werden, hierbei handelt es sich nach der deutschen Literatur jedoch um ein sog. Gestattungsverlangen für mögliche Eingriffe, das noch eine positive Reaktion des Sportlers erfordert.25 In Anbetracht dessen enthält das SportG eine wichtige, die Interessen des Athleten schützende Vorschrift: Wenn der Sponsoringvertrag vom Sportverein oder Sportverband abgeschlossen wird, dürfen der Name und das Bildnis (d. h. das Image) des Sportlers nur nach seiner vorherigen schriftlichen Zustimmung genutzt werden. Verträge, die gegen diese Vorschrift verstoßen, sind nichtig gem. § 35 Abs. 2 S. 1 und 2 SportG.26 Demzufolge sind die Sportvereine und Sportverbände verpflichtet, bei allen Verträgen die schriftliche Einwilligung des Athleten einzuholen. Sofern es um Sportvereine geht, ist die Einholung der schriftlichen Zustimmung einfacher, da der Athlet bei Eintritt in den Sportverein die Vereinssatzung oder die maßgebliche Regelung schriftlich und verbindlich anerkennen kann. Gleiches gilt für Sportverträge, denn auch hier kann der Sportler mit seiner Unterschrift der Nutzung seines Images zustimmen – dies wird in der Praxis auch weitgehend so gehandhabt. Komplizierter ist die Einholung der schriftlichen Einwilligung in der Beziehung zwischen Sportler und Sportverband. Es ist praktisch unmöglich, dass ein Sportverband bei jedem Abschluss oder jeder Änderung eines Sport-Sponsoringvertrags, der das Image der Athleten betrifft, die schriftliche Zustimmung aller betroffenen Athleten einholt. Die sich aus § 2 Abs. 4 lit. c SportG ergebende Verpflichtung des Athleten, die nationalen und internationalen Wettbewerbsregeln sowie andere Regelungen der betreffenden Sportart einzuhalten, kann diese Einwilligung nicht völlig ersetzen. Unter Berücksichtigung der praktischen Gegebenheiten erscheinen vor allem zwei Lösungen im Hinblick auf § 35 Abs. 5 SportG und § 2:42 Abs. 3 UngBGB sachgerecht: ¢ Mit Eintritt in den Sportverein oder mit Abschluss des Sportvertrags erklärt der Athlet schriftlich, dass er die maßgeblichen Regelungen des Sportverbands als verbindlich anerkennt. Diese Lösung setzt allerdings voraus, dass eine lückenlose Bindungswirkung zwischen den Satzungen des betreffenden Sportvereins und den Statuten des Sportverbands jederzeit, d. h. während der Mitgliedschaft oder der Geltung des Sportvertrags, besteht.

25

Vgl. Vieweg, Innehabung und Durchsetzung sponsoringrelevanter Rechte – Das Dilemma der Athleten im kommerzialisierten Sport, in: Württembergischer Fußballverband e. V. (Hrsg.), Sponsoring im Sport, Nr. 39, 1997, S. 22 (35); ders. (Fn. 14), S. 150. 26 Grundsätzlich erfordert das SportG die schriftliche Zustimmung des Sportlers ausdrücklich nur im Falle von Merchandisingverträgen, § 35 Abs. 5 S. 1 SportG. Gemäß § 35 Abs. 5 S. 2 SportG wird dieses Erfordernis allerdings auf alle den Namen oder das Bildnis des Sportlers betreffenden Werbe- oder sonstigen Verträge angewendet. Als solches fällt der Sport-Sponsoringvertrag in diesem Sinne mutatis mutandis unter die Kategorie der „sonstigen“ Verträge.

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht

193

¢ Wie oben ausgeführt (siehe unter IV.1.), kann ein Athlet an Wettbewerben eines Sportverbands nur dann teilnehmen, wenn ihm eine Teilnahmeerlaubnis von diesem erteilt wurde. So können die Sportler auch im Rahmen ihres Antrags auf Erteilung einer Teilnahmeerlaubnis ihre vorherige schriftliche Zustimmung zur Nutzung ihres Images durch den Sportverband erklären. Von beiden Lösungen scheint die Letztere vorzugswürdig, da durch die Teilnahmeerlaubnis eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen den Parteien zustande kommt. Die Zustimmung muss ausdrücklich erfolgen.27 Der Athlet muss dabei den konkreten Umfang und die wesentliche Bedeutung des Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht sowie die Folgen seiner Erklärung kennen, da der Begriff der Zustimmung eng auszulegen ist.28 Diese Erfordernisse an die schriftliche Zustimmung werden auch von der deutschen Rechtsliteratur aufgestellt: Eine stillschweigende Zustimmung erfolgt weder allein durch den Vereins- oder Verbandsbeitritt noch durch die Teilnahme an einer bestimmten Sportveranstaltung. Natürlich muss die Einwilligung freiwillig, also ohne Zwang erfolgen.29 Unklar ist, wie diese Verpflichtung in der Praxis tatsächlich erfüllt wird, da die Verbandsregelungen über die Verwertung von Vermögensrechten meist ohne weitere Konkretisierung oder Auslegung auf die Vorschriften des SportG verweisen30 oder nur besagen, dass der Sportler mit der Unterschrift der Teilnahmeerlaubnis die Regelungen des betroffenen Sportverbands als verbindlich anerkennt.31 Den Verbänden kann jedoch nur zu einer sorgfältigen Einhaltung des Zustimmungserfordernisses geraten werden, da der Verstoß dagegen einen Nichtigkeitsgrund darstellt und zu gerichtlichen Streitigkeiten führen kann.32 27

Zoltán, A személyek polgári jogi védelme, in: Gellért (szerk.), A Polgári Tövény-könyv magyarázata 1, 2007, S. 263. 28 Ungarisches Höchstgericht, LB Pf. III. 25 036/1990 – BH 1992/6. sz. 387; Ungarisches Höchstgericht, LB Pfv. IV. 22 415/1999 – BH 2002/1. sz. 7. 29 Vieweg (Fn. 25), S. 22 (35); ders. (Fn. 14), S. 150. 30 Eine erfreuliche Ausnahme bildet die „Werbungsregelung des Ungarischen Fechtverbands 2006“, dessen § 3 Abs. 2 besagt: „Mit dem unterschriebenen Antrag auf Erteilung der Teilnahmeerlaubnis erklärt der Sportler, die Regelungen des Verbands als verbindlich anzuerkennen und genehmigt, dass der Verband das Bildnis des Sportlers ausschließlich im Rahmen der Werbungsregelung im Interesse der Sportart nutzen darf.“ Die ungarische Fassung der Werbungsregelung kann unter http://www.hunfencing.hu/?p=mvsz/alapszabaly abgerufen werden (letzter Abruf: 13. 03. 2014). 31 Siehe z. B. Anhang 7 zum Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern des Ungarischen Fußball Bundes. 32 Dieses Thema hängt eng mit den in der deutschen Literatur intensiv erörterten Kernfragen der lückenlosen Verankerung von Verbandsregelungen (insbes. Sponsoringregelungen) in den Satzungen der nachgeordneten Vereine sowie der Geltung der Verbandsregelungen gegenüber Nichtmitgliedern der Sportverbände und -vereine zusammen. Siehe hierzu z. B. Heermann, NZG 1999, 325 (325 ff.); Vieweg, Faszination Sportrecht, 2. Aufl. 2010, S. 13 f., abrufbar unter www.irut.jura.uni-erlangen.de (letzter Abruf: 13. 03. 2014); ausführlich Summerer (Fn. 8), II Einführung.

194

Péter Rippel-Szabó

3. Rechteinhaberschaft an Sponsoringrechten Obwohl das SportG ein differenziertes Zuweisungssystem bezüglich der Vermögensrechte und – als deren Teil – der Sponsoringrechte enthält, stellen sich einige, sowohl in rechtlicher als auch in praktischer Hinsicht komplexe Fragen. Diese Rechtsfragen betreffen insbes. Art und Umfang der automatischen Übertragung der Vermögensrechte und des Images eines Athleten auf die Sportvereine (§ 36 Abs. 4 SportG), die Befugnisse der Sportverbände hinsichtlich des Veranstalterrechts und der Zentralvermarktung von Sponsoringrechten (§§ 36 Abs. 1, 37 Abs. 1 – 3 SportG) sowie die Rechteinhaberschaft und die damit zusammenhängenden Befugnisse der Sportstätten- und Sportgeräteeigentümer sowie der Veranstalter. Vertretbare Lösungsansätze zu diesen Rechtsfragen lassen sich nur unter Berücksichtigung des Zwecks und des Aufbaus der Verbandspyramide sowie der Rechtsnormen des ungarischen Rechtssystems entwickeln. Die Zuweisung von Sponsoringrechten ist von großer Bedeutung, da fast alle Sponsoren exklusive Rechte fordern. Um den mit dem Sponsoring bezweckten Image-Transfer zugunsten des Sponsors möglichst effektiv zu gewährleisten, beansprucht der Sponsor von dem Gesponserten größtmögliche Exklusivität im Hinblick auf seine Sporttätigkeit und sein Image. Denn der Image-Transfer soll von den Verbrauchern im Idealfall nur mit dem betreffenden Sponsor in Verbindung gebracht werden. Exklusivität bezüglich des Images des Gesponserten bedeutet, dass lediglich ein Sponsor die Möglichkeit erhält, mit dem Gesponserten zu werben. Da alle Sportbeteiligten aufgrund der im SportG oder in anderen Gesetzen geregelten Rechtsgrundlagen berechtigt sind, selbstständig Sport-Sponsoringverträge abzuschließen, ist diese im Vertrag angestrebte Exklusivität in der Praxis schwer oder gar nicht zu gewährleisten. Dies führt oft zu scheinbar „unlösbaren“ Konfliktsituationen zwischen den Betroffenen der Verbandspyramide. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Teilnehmer eines sportlichen Wettbewerbs aufeinander angewiesen sind,33 d. h. dass alle Beteiligten auch gemeinsame Interessen haben (Interessengleichlauf der Betroffenen).34 Ein unabgestimmtes Einzelsponsoring bspw. relativiert unter Umständen auf Grund der Konkurrenzkonflikte den Werbewert des gesamten Sportereignisses und führt damit zu geringeren Erlösen für alle Beteiligten.35 Der Werbewert und das Kommerzialisierungspotential der verschiedenen Wettbewerbe hängen von Erfolg, Bekanntheit und Ausstrahlung der Sportler ab. Umgekehrt ist der Werbewert der Athleten abhängig vom Vermarktungsgeschick der ganzen Veranstal33 Pfister, Rechtsverhältnisse zwischen den Teilnehmern sportlicher Wettbewerbe, in: Festschrift für Werner Lorenz zum 80. Geburtstag, 2001, S. 246, abrufbar unter http://www. sportrecht.org/Publikationen/Seiten%20245 – 260 %20Pfister%20Festschrift.pdf (letzter Abruf: 13. 03. 2014). 34 Grund hierfür ist bspw., dass nicht jeder Sportler einen eigenen Sponsor findet oder die durch die Erlöse finanzierte Verbandstätigkeit auch im Interesse des Athleten liegt (z. B. bessere Trainingsmöglichkeiten in der Nationalmannschaft, qualifiziertere Trainer usw.). 35 Vieweg (Fn. 25), S. 22 (36); ders., Sponsoring und internationale Sportverbände, in: Vieweg (Hrsg.), Sponsoring im Sport, 1996, S. 53 (83).

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht

195

tung.36 Die Optimierung der Medienpräsenz stellt daher das gemeinsame Ziel aller Beteiligten dar.37 Die erwähnten Rechtsfragen sind auch deshalb von Bedeutung, da es – trotz hoher Praxisrelevanz – keine maßgebliche ungarische Rechtsprechung in diesem Bereich gibt.38 Im Folgenden werden die erwähnten Rechtsfragen näher erörtert, Kriterien für eine umfangreiche Interessen- und Güterabwägung dargestellt und mögliche Lösungsansätze entwickelt. a) Rechtsfragen aa) Automatische Übertragung der Vermögensrechte von Athleten auf die Sportvereine Wie oben dargestellt, werden die mit der Sporttätigkeit des Sportlers zusammenhängenden Rechte (somit auch das Image) mit dem Eintritt in den Verein oder mit Abschluss des Sportvertrags kraft Gesetzes auf den Sportverein übertragen (§ 36 Abs. 4 SportG). Allerdings ist nicht eindeutig, in welchem Maße diese automatische Rechteübertragung stattfindet. Die betreffende Regelung des SportG kann nämlich unterschiedlich ausgelegt werden: ¢ Der Sportler „verliert“ seine Sponsoringrechte vollständig an den Sportverein, d. h. der Sportler darf keine individuellen Sport-Sponsoringverträge abschließen. ¢ Der Sportler bleibt berechtigt, Sport-Sponsoringverträge in einem nicht sportverein- bzw. sportbezogenen Kontext abzuschließen. In der Praxis wird im Sportvertrag ausdrücklich vereinbart, dass der Athlet individuelle Sponsoringverträge entweder nur nach vorheriger Zustimmung seines Sportvereins oder überhaupt nicht abschließen darf. In manchen Sportarten, wie im Fußball, wird diese Regelung auch in den Verbandsnormen niedergelegt.39 Hier stellt sich die Frage, ob der Sportverein seine Zustimmung in jedem Fall verweigern darf oder ob es Fälle gibt, in denen solche Klauseln wegen § 6:88 Abs. 1 UngBGB nichtig sind.

36

Vieweg (Fn. 14), S. 141. Vieweg (Fn. 14), S. 166. 38 Über die interne Entscheidungspraxis der Sportverbände gibt es leider keine öffentlich zugänglichen Informationsquellen. 39 § 5 Abs. 2 lit. h) Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern des Ungarischen Fußball Bundes besagt, dass professionelle Fußballspieler individuelle Sponsoringverträge nur nach vorheriger Zustimmung ihres Arbeitgebers (d. h. des Sportvereins) abschließen können. 37

196

Péter Rippel-Szabó

bb) Zentralvermarktung von Vermögensrechten Das SportG erkennt das sog. Veranstalterrecht, dessen Rechteinhaber der Sportverband ist, gem. § 36 Abs. 1 und 5 SportG an. Außerdem ist der Sportverband gem. § 37 Abs. 1 – 3 SportG berechtigt, die Vermögensrechte seiner Mitglieder zentral zu vermarkten. In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Rechtsfragen: ¢ Können das Veranstalterrecht und die Zentralvermarktung im Fall der Verwertung von Sponsoringrechten vermischt werden und hat diese Differenzierung eine Bedeutung in der Praxis? ¢ In engem Zusammenhang mit der ersten Frage: In welchem Maße können die Sportverbände von diesen Rechten Gebrauch machen?

cc) Vermarktungsbefugnisse von Sportstätten- und Sportgeräteeigentümern sowie Veranstaltern Im Hinblick auf Veranstalter von Sportereignissen schreibt das SportG lediglich vor, dass der Veranstalter die Vermögensrechte des Wettbewerbs selbst vermarkten kann, wenn der Wettbewerb nicht Teil einer vom Sportverband organisierten Meisterschaft ist (§ 37 Abs. 4 SportG). Damit bezieht sich diese Vorschrift nur auf solche Sportveranstaltungen, die außerhalb der Verbandspyramide stattfinden. Die Frage, ob die Sportvereine oder Veranstalter, die im Rahmen einer Meisterschaft ein Sportereignis vor Ort ausrichten, die Veranstaltung auch selbst vermarkten können, d. h. individuelle Sport-Sponsoringverträge abschließen dürfen, ist damit nicht beantwortet. Eine ähnliche Frage stellt sich im Zusammenhang mit den Befugnissen von Sportstätten- und Sportgeräteeigentümern. In Ungarn stehen die meisten Sportanlagen nicht im Eigentum der Sportvereine. Deswegen soll der Sportstätteneigentümer (oder der im Namen des Eigentümers handelnde Betreiber) auch berechtigt sein, Sport-Sponsoringverträge für die auf seinen Sportanlagen stattfindenden Veranstaltungen abzuschließen. Außerdem kann es vorkommen, dass die Ausrüstung oder die Sportgeräte der Athleten im Eigentum Dritter stehen, so dass auch diese Ansprüche auf den Abschluss von Sponsoringverträgen erheben. b) Rechtliche Grundlagen Da alle Betroffenen aufgrund verschiedener Rechtsgrundlagen zum Abschluss von Sport-Sponsoringverträgen berechtigt sind und ein Sportereignis als Gesamtprodukt aller Beteiligten angesehen werden kann, führen Sport-Sponsoringverträge in der Regel zu einem Eingriff in die Rechte der anderen beteiligten Personen der Verbandspyramide. Soll die Rechtmäßigkeit solcher Eingriffe beurteilt werden, müssen außer den Vorschriften des SportG die verfassungs- und zivilrechtlichen Rechtspositionen der Betroffenen in die Abwägung mit einbezogen werden.

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht

197

aa) Persönlichkeitsrechte der Athleten Vom Sponsoringgeschäft sind in erster Linie die Athleten betroffen, sei es allein oder als Mitglieder einer Mannschaft. Werbewert und damit Kommerzialisierungspotential eines Sportvereins oder -verbands leben – abgesehen von der Popularität der betreffenden Sportart – ganz wesentlich von der Ausstrahlung der Sportler.40 Es ist eindeutig, dass der durch das Sport-Sponsoring erstrebte Image-Transfer über Aspekte erfolgt, die mit dem einzelnen Athleten verbunden sind, wie Name, Bildnis, Sportleistungen und Erfolge, Stimme und Aussagen, d. h. mit dem Image. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird von dem Grundrecht auf Menschenwürde aus Art. II UngGG abgeleitet.41 Das konstitutionelle Menschenbild, das durch das Recht auf Menschenwürde geprägt ist, beinhaltet u. a. die Achtung der individuellen Selbstverwirklichung. Die Menschenwürde schützt außerdem die Entfaltung persönlicher Gestaltungsmöglichkeiten.42 Als sekundäres Recht kann das Recht auf Menschenwürde in jeden rechtlichen Tatbestand – auch bei der kommerziellen Verwertung von Sponsoringrechten – mit einbezogen werden.43 Art. II UngGG gewährleistet die allgemeine Handlungsfreiheit, die der letzte, unantastbare Bereich menschlicher Freiheit ist. Im Einklang mit der deutschen Rechtsprechung und Literatur sind das Recht auf Selbstbestimmung und freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr, die Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit sowie das Recht auf Privatsphäre immanente Bestandteile der allgemeinen Handlungsfreiheit.44 Die kommerzielle Auswertung der Sponsoringrechte in Form von Sponsoringverträgen ist insbes. bei Profisportlern von enormer Bedeutung. Deshalb wird in diesem Zusammenhang auch die Berufsfreiheit in Art. XII UngGG bei Profisportlern relevant. Der Begriff Beruf ist weit auszulegen und umfasst grundsätzlich jede sinnvolle, erlaubte Tätigkeit sowie als dessen Teilaspekt auch die Unternehmerfreiheit, die als

40

Vieweg (Fn. 35), S. 53 (77). Das ungarische Verfassungsgericht hat sich bei der Auslegung und der Bedeutung der Menschenwürde als allgemeines Persönlichkeitsrecht wesentlich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützt. Teilweise wird sogar angenommen, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts übernommen wurde. Vgl. Zakariás/Szirbik, Az élethez és emberi méltósághoz való jog, in: Jakab (szerk.), Az Alkotmány kommentárja, II. kötet, 2009, S. 1904. 42 Petrik, in: Petrik (szerk), Alkotmány a gyakorlatban – Kommentár a gyakorlat számára, 2004, S. 425 ff.; Kecskés, Polgári jog – A személyek joga, 2005, S. 324. Vgl. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl. 2011, Art. 1 Rn. 6; Vieweg (Fn. 14), S. 144; ders. (Fn. 35), S. 53 (77). 43 Vgl. Zakariás/Szirbik (Fn. 41), S. 1904 f. 44 Zakariás/Szirbik (Fn. 41), S. 1905; Ungarisches Verfassungsgericht, 8/1990. (IV. 23.), ABH 1990, 42 (45). Vgl. Hofmann (Fn. 42), Art. 2 Rn. 22; Petrik (Fn. 42), S. 428 f. 41

198

Péter Rippel-Szabó

das bedeutendste Recht innerhalb der Berufsfreiheit gilt45 und sich als Grundrecht nicht von dieser unterscheidet.46 Infolgedessen beinhaltet die Berufsausübung zum einen die sich aus der Prominenz des Sportlers ergebenden Werbemöglichkeiten und zum anderen die Sportausübung selbst.47 Das Namensrecht wird durch § 2:45 Abs. 1 UngBGB, das Recht am eigenen Bild durch § 2:48 Abs. 1 UngBGB geschützt. Die übrigen oben beschriebenen Aspekte der Persönlichkeit werden durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht i. S. d. § 35 Abs. 5 S. 3 SportG sowie deliktisch über § 2:53 Abs. 1 und § 6:158 Abs. 1 UngBGB geschützt. Somit kann die Verletzung der Persönlichkeit einen Anspruch auf Schadensersatz begründen.48 Im Übrigen ist der Schutz der Persönlichkeit in §§ 2:42 – 2.54 UngBGB – ähnlich wie in Deutschland – geregelt. Das Persönlichkeitsrecht ist allerdings nur ein Rahmenrecht, dessen Grenzen immer im konkreten Konfliktfall durch eine Güter- und Pflichtenabwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person und den tangierten Rechten und Rechtsgütern Dritter (ggf. Sponsoren, Sportverein und Sportverband sowie Veranstalter oder Sportstätten- und Sportgeräteeigentümer) zu bestimmen sind.49 Grundsätzlich stehen dem Sportler das Recht auf Verwertung seiner Persönlichkeitsrechtsrechte sowie das Recht zu, eine solche Verwertung rechtlich abzuwehren (vgl. § 35 Abs. 5 S. 3 und § 36 Abs. 4 SportG sowie § 2:42 Abs. 3 UngBGB). Im Einzelfall kann dieses Recht jedoch, z. B. durch überwiegende Verbandsinteressen, eingeschränkt sein.50 Rein wirtschaftliche Interessen Dritter, wie z. B. des Sponsors oder des Sportvereins an der kommerziellen Nutzung von Persönlichkeitsrechten zu Werbezwecken, können Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Sportler nicht rechtfertigen, da dies gegen die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verstößt. Das Persönlichkeitsrecht darf nicht für fremde materielle Interessen ausgehöhlt werden.51 45 Petrik (Fn. 42), S. 534; vgl. Sári/Somody, Alapjogok – Alkotmánytan II, 2008, S. 275 ff.; Ungarisches Verfassungsgericht, 54/1993. (X. 13.) AB, ABH 1993, 340 (341). Vgl. Hofmann (Fn. 42), Art. 12 Rn. 26. 46 Juhász, A munkához való jog, in: Jakab (szerk.), Az Alkotmány kommentárja, II. kötet, 2009, S. 2557 f. 47 Vieweg (Fn. 14), S. 144; ders. (Fn. 35), S. 53 (77). 48 Vgl. im deutschen Recht § 12 BGB, § 22 KUG, § 823 BGB. Wenn die Nutzung des Namens auf den Eigenwert des Sportlers abzielt, ist nach der deutschen Literatur das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Grundlage des Namensschutzes anzusehen; siehe hierzu Kusulis/Wichert, SpuRt 2008, 53 (54). Nach der deutschen Rechtsliteratur müssen auch populäre Sportler – als Personen der Zeitgeschichte – die Ausnutzung ihres Bildnisses zu Werbezwecken nicht gem. § 23 Abs. 2 KUG hinnehmen, dazu etwa Vieweg (Fn. 14), S. 143; ders. (Fn. 25), S. 22 (33); Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 2006, S. 422 ff.; Kusulis/Wichert, SpuRt 2008, 53 (54); Lettmaier (Fn. 21), S. 219 (222). Dieser Ansatz kann auch für § 2:48 Abs. 2 UngBGB herangezogen werden. 49 Siehe Zoltán (Fn. 27), S. 263 – 268; Vieweg (Fn. 14), S. 144. 50 Vgl. Vieweg (Fn. 35), S. 53 (78). 51 Vieweg (Fn. 25), S. 22 (33 f.); ders. (Fn. 14), S. 144 f.

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht

199

bb) Vereinigungsfreiheit (Vereins- und Verbandsautonomie) Die Verbandspyramide findet ihre rechtlichen Grundlagen in der Vereinigungsfreiheit, d. h. in der Vereins- und Verbandsautonomie, die sowohl in Art. VIII UngGG als auch im UngBGB, im ZivilG sowie – bezüglich der Sportvereine und Sportverbände – im SportG geregelt ist. Sportvereine und -verbände sind Zusammenschlüsse sportinteressierter Mitglieder auf Basis der Vereinigungsfreiheit.52 Diese umfasst nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 ZivilG die Freiheit der Vereinsgründung, die Wahl der Organisationsform und die Freiheit der Satzungsgestaltung. Gemäß der Rechtsprechung des ungarischen Verfassungsgerichts, verfügen die Vereine (und Kapitalgesellschaften) über eine gewisse Handlungsfreiheit, deren Schutz allerdings nicht gleichwertig ist mit dem Schutz der Handlungsfreiheit von Einzelpersonen. Letzterer hat einen absoluten Charakter, während die Autonomie von Vereinen (und Kapitalgesellschaften) an den Zweck und die Funktion des Vereins gebunden ist.53 Auch im ungarischen Recht kann die deutsche Rechtsauffassung herangezogen werden, nach der die Gewährung der Verbandsautonomie durch das BGB und das UngBGB auf der Prämisse beruht, dass ein Missbrauch von Verbandsmacht und Verbandsautonomie durch Selbstregulierungsmechanismen ausgeschlossen ist.54 Die Verbandsautonomie wird dem Sportverein oder Sportverband, der nur mittelbar die Sportler vertritt, nicht im eigenen Interesse gewährt, sondern im Interesse aller zum Sportverein oder -verband gehörenden Sportler. Gemäß § 3 Abs. 3 ZivilG darf die Ausübung der Vereinigungsfreiheit nicht gegen Rechte und die Freiheit Dritter verstoßen. Allerdings soll der Begriff „Rechte und Freiheit Dritter“ eng ausgelegt werden.55 Eine Beschränkung der Vereinigungsfreiheit ist lediglich dann verfassungsgemäß, wenn sie zum Schutz eines anderen Grundrechts erforderlich und das Maß der Beschränkung mit dem Zweck des Schutzes verhältnismäßig ist.56 Dieser Wertung kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn es zu Konfliktsituationen zwischen beiden Grundrechtsträgern, dem Sportverein oder Sportverband einerseits und dem Mitglied anderseits, kommt.57 Das Recht der zu dem Sportverein oder -verband gehörenden Athleten, eine eigene Vermarktung durch Sport-Sponsoring zu betreiben, kann ein solches Recht i. S. d. § 3 Abs. 3 ZivilG sein. Die Vereins52

Vgl. Vieweg (Fn. 32), S. 8. Zakariás/Szirbik (Fn. 41), S. 1919 f.; Ungarisches Verfassungsgericht, 24/1996. (VI. 25.) AB, ABH 1996, 107 (111). 54 Lomnici, Egyesületek, 2. kiadás 2006, S. 10 ff.; Summerer (Fn. 8), II 1 Rn. 3 f. 55 Kovács, Az egyesülési jog, in: Jakab (szerk.), Az Alkotmány kommentárja, II. kötet, 2009, S. 2332. 56 Ungarisches Verfassungsgericht, 21/1996. (V. 17.) AB, ABH 1996, 74 (78). 57 Nach deutscher Auffassung sind staatliche Regelungen hinsichtlich der Vereinsorganisation und der Willensbildung zulässig, wenn sie die Sicherheit des Rechtsverkehrs gewährleisten, Rechte der Mitglieder sichern und den schutzbedürftigen Belangen Dritter oder auch dem öffentlichem Interesse Rechnung tragen. Siehe Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl. 2010, Rn. 399. 53

200

Péter Rippel-Szabó

oder Verbandsregelungen dürfen auch nicht gegen andere Rechtsnormen, insb. gegen § 11 des ungarischen Wettbewerbsgesetzes, verstoßen.58 Die Vereinigungsfreiheit kann von der allgemeinen Handlungsfreiheit und der freien Entfaltung der Persönlichkeit abgeleitet werden. Sie schützt in erster Linie die freie Tätigkeit von nichtwirtschaftlichen Vereinen.59 Das bedeutet, dass in Kapitalgesellschaften ausgegliederte Vereine und in Form von Kapitalgesellschaften betriebene Klubs sich in ihren Rechtsbeziehungen nur begrenzt auf die Vereinigungsfreiheit berufen können. Im Rahmen wirtschaftlicher Tätigkeit greift das Recht auf Unternehmensfreiheit.60 Das Selbstverwaltungsrecht der Sportvereine und Sportverbände beinhaltet auch die Befugnis zur Eigenfinanzierung (§ 8 Abs. 1 sowie § 17 Abs. 1 und Abs. 3 ZivilG).61 Nach § 22 Abs. 3 SportG ist ein Sportverband unter anderem berechtigt, Sponsoringverträge abzuschließen. Gemäß § 26 Abs. 1 SportG erwirtschaftet ein Sportverband auch die aus Sport-Sponsoring erzielten Einnahmen. Originäre Rechte einzelner Sportvereine und Sportverbände lassen sich darüber hinaus aus dem Namensrecht (§ 2:45 UngBGB) und den weiteren Persönlichkeitsrechten juristischer Personen ableiten, die ihrer Natur nach nicht nur den natürlichen Personen zustehen.62 Schließlich ist hervorzuheben, dass im Falle eines Sportvereins- oder Sportverbandssponsorings der Image-Transfer auf zwei Ebenen stattfindet. Die erste Ebene betrifft die Leistung der Athleten. Aufgrund der jeweiligen Bindungswirkung im Rahmen der Vereins- oder Verbandszugehörigkeit, gestattet der Sportverein oder Sportverband dem Sponsor, Namen und Bildnisse seiner Sportler zu Werbezwecken zu verwenden. So ist der Sportverein oder Sportverband dazu verpflichtet, dass die ihm angehörenden Sportler die aktiven Werbeleistungen erbringen. Der Athlet als natürliche Person steht in dieser Konstellation mit dem Sponsor in keiner vertraglichen Beziehung.63 Auf der zweiten Ebene gestattet der Sportverein oder Sportverband dem Sponsor die Verwendung des Vereins- oder Verbandsnamens und -logos zu Werbezwecken.64

58

1996. évi LVII. törvény a tisztességtelen piaci magatartás és a versenykorlátozás tilalmáról [Gesetz Nr. LVII von 1996 über den unlauteren Wettbewerb und die Beeinträchtigung des Wettbewerbs]. Dazu ausführlich Rippel-Szabó (Fn. 7), S. 373 ff. 59 Kovács (Fn. 55), S. 2320 f. 60 Kovács (Fn. 55), S. 2330. 61 Vgl. Vieweg (Fn. 35), S. 53 (80). 62 Zoltán (Fn. 27), S. 261 f.; Kecskés (Fn. 42), S. 325; vgl. außerdem Vieweg (Fn. 35), S. 53 (78). 63 Vgl. Wegner (Fn. 9), S. 56. 64 Rippel-Szabó (Fn. 7), S. 178 – 191; Wegner (Fn. 9), S. 56.

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht

201

cc) Eigentumsrechte an Sportgeräten, Sportbekleidung und Sportstätten Das Eigentumsrecht ist durch Art. XIII UngGG als traditionelle materiell-rechtliche Basis der individuellen Handlungsfreiheit grundrechtlich geschützt und bildet die Grundlage der Persönlichkeitsentfaltung. Das Grundrecht Eigentum ist im Zusammenhang mit den jeweiligen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Normen zu verstehen, d. h. das Eigentum wird durch die Gesamtheit von Rechtsnormen definiert. Der Eigentumsschutz umfasst auch die Vermögensrechte.65 Allerdings können sich Einzelpersonen in ihren individuellen Verhältnissen nicht unmittelbar auf Art. XIII UngGG berufen.66 Da Grundrechtsträger natürliche und juristische Personen sein können, sind die Eigentümer der Sportgeräte und Sportbekleidung (wie z. B. Schläger, Bälle, Sportwagen usw.) entweder die Sportler selbst, die Sportvereine oder Dritte. Der Begriff „Sportstätte“ hängt von der jeweiligen Sportart ab und das Eigentum daran beinhaltet – nach der in der deutschen Literatur vertretenen und auch im ungarischem Recht geltenden Auffassung – die Befugnis, die Zulassung zu einer auf der Sportanlage stattfindenden Veranstaltung sowie generell den Zugang zum Gelände und zu den Bauwerken privatautonom zu regeln und diese Vorschriften gegebenenfalls auch durchzusetzen.67 Gemäß § 5:30 UngBGB liegen sämtliche Nutzungsbefugnisse einschließlich der Vermietung, insbes. zu Werbezwecken, sowie die Befugnis, andere von der Nutzung auszuschließen und Eingriffe nach § 5:35 UngBGB abzuwehren, originär bei den Sportvereinen oder den Athleten als Eigentümern.68 Die Übertragung des Eigentums und die Einräumung von Nutzungsbefugnissen durch den Eigentümer ist demnach relativ unproblematisch und erfolgt gemäß § 5:35 Abs. 1 UngBGB nach den allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätzen. Es unterliegt der Freiheit des Eigentümers, den Eigentumsgegenstand selbst zu besitzen oder zu nutzen, ebenso wie Dritte von Besitz und Nutzung auszuschließen. Das Recht zur Verfügung über den Eigentumsgegenstand ist ferner insbes. in Form der Veräußerung und der rechtsgeschäftlichen Überlassung zur Nutzung an Dritte geschützt.69 Hinsichtlich der Beschränkung des Eigentumsrechts wendet das ungarische Verfassungsgericht den generellen „Test der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit“ 65 Salát/Sonnevend (Fn. 14), S. 463 f.; Ungarisches Verfassungsgericht, 64/1993 (XII. 22.) AB, ABH 1993, 373 (380). 66 Salát/Sonnevend (Fn. 14), S. 466. Vgl. Ungarisches Verfassungsgericht, 3/2006 (II. 8.) AB, ABH 2006, 65 (82, 84). 67 Vieweg (Fn. 14), S. 145. 68 Petrik (Fn. 42), S. 374 ff. Zum deutschen Recht siehe Vieweg (Fn. 14), S. 142; ders. (Fn. 25), S. 22 (32); vgl. Hofmann (Fn. 42), Art. 14 Rn. 3. 69 Petrik (Fn. 42), S. 374 ff.; Gaier, Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2007, § 903 Rn. 25. Z. B. kann der Eigentümer der Sportstätte oder der Sportkleidung und Sportgeräte seine Rechte zu kommerziellen Zwecken verpachten oder vermieten, siehe Vieweg (Fn. 14), S. 148 f.

202

Péter Rippel-Szabó

mit der Maßgabe an, dass ein Eingriff in das Eigentumsrecht nicht nur im Hinblick auf den Schutz eines anderen Grundrechts oder -werts, sondern auch durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt werden kann. Demzufolge muss eine solche Beschränkung erforderlich und verhältnismäßig sein. Die Erfüllung dieser Kriterien ist im konkreten Einzelfall zu prüfen. Ein eigentlich unverhältnismäßiger Eigentumseingriff kann bei einer angemessenen Entschädigung als verhältnismäßig betrachtet werden.70 dd) Veranstalterrechte Trotz des in § 36 Abs. 1 SportG geregelten, dem Sportverband zustehenden Veranstalterrechts wird der tatsächliche Sportwettbewerb im rechtlichen Sinne nur teilweise von dem für die betreffende Sportart zuständigen Sportverband ausgerichtet. Dies wirkt sich auch auf die Vermarktung der Veranstaltung und die Rechtspositionen des Veranstalters aus. Grundsätzlich ist nach ständiger deutscher Rechtsprechung Veranstalter im rechtlichen Sinne derjenige, dem die Vorbereitung und Durchführung des Sportwettkampfes obliegt und der das organisatorische und finanzielle Risiko trägt.71 So kann die Veranstaltereigenschaft auch dem Sportverein – gleiches gilt für Personen – zugesprochen werden, der den Wettbewerb vor Ort ausrichtet.72 Diese Auffassung kann unproblematisch in das ungarische Recht übertragen werden. Der Veranstalter hat als Träger des finanziellen Risikos ein berechtigtes Interesse an der kommerziellen Verwertung der von ihm organisierten Veranstaltung. Rechtspolitisch leuchtet es deshalb ohne Weiteres ein, dass dem Veranstalter ein Recht auf Verwertung des Ergebnisses seines eigenen organisatorischen und finanziellen Einsatzes zustehen muss.73 Die Person des Veranstalters ist aus diesem Grund immer im Einzelfall zu bestimmen und die originären Verwertungsbefugnisse – wie das Recht zum Abschluss von Sport-Sponsoringverträgen – stehen prinzipiell auch dem Veranstalter als Rechteinhaber zu (vgl. § 36 Abs. 1 und 5 sowie § 37 Abs. 4 SportG). Da sich eine Sportveranstaltung als kommerzielles Gesamtprodukt aus mehreren Teilen zusammensetzt, gibt es bei jedem Wettbewerb in der Regel mehrere (Mit-)Veranstalter, die in unterschiedlichem Maße berechtigt sind, die Veranstaltung zu vermarkten. Wenn die Regelungen des betreffenden Sportverbands keine Vorschriften über die Veranstaltung von und/oder die Veranstalterrechte an Sportereignissen beinhalten,74 kann eine Vermarktungsposition auch anders hergeleitet werden. Der Sportverband 70

Salát/Sonnevend (Fn. 14), S. 478 – 480; Ungarisches Verfassungsgericht, 64/1993 (XII. 22.) AB, ABH 1993, 373 (381). Vgl. Ungarisches Verfassungsgericht, 715/D/1994. AB, ABH 1997, 584 (587 f.); Ungarisches Verfassungsgericht, 7/2006 (II. 22.) AB, ABH 2006, 281. 71 Vieweg (Fn. 32), S. 43; ders. (Fn. 25), S. 22 (34); ders. (Fn. 14), S. 146; ders. (Fn. 35), S. 53 (78 f.). Dazu in einigen Punkten abweichend Reichert (Fn. 57), Rn. 5844 ff. 72 Vieweg (Fn. 14), S. 145 f. 73 Vieweg (Fn. 35), S. 53 (79). 74 Nach eigener Recherche auf den Webseiten der ungarischen Sportverbände konnte keine solche Regelung gefunden werden.

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht

203

überlässt dann zumindest stillschweigend sein in § 36 Abs. 1 SportG geregeltes Veranstalterrecht sui generis dem das Sportereignis vor Ort ausrichtenden Sportverein (oder sonstigem Ausrichter) i. S. d. § 6:4 Abs. 3 UngBGB. Dadurch genießt dieser die gleichen Befugnisse wie der Sportverband aufgrund § 36 Abs. 1 SportG. Weitere Rechtspositionen des Veranstalters lassen sich dem Namensrecht (§ 2:45 Abs. 1 UngBGB), in Teilbereichen dem Marken- und Kennzeichnungsrecht sowie bei Sportvereinen und -verbänden der Vereinigungsfreiheit entnehmen.75 Interessanterweise erwähnt die oben dargestellte Definition des Sponsoringvertrags im SportG nicht den Veranstalter als möglichen Gesponserten. Allerdings ist nach ungarischem Recht kein Grund ersichtlich, dass der Veranstalter nicht Gesponserter sein darf.76 ee) Kooperations- und Vertrauenspflicht Eine Abwägung der konkurrierenden Interessen von Athleten, Sportvereinen, Sportverbänden, Veranstaltern sowie Sportstätten- und Sportgeräteeigentümern liegt auch der in § 1:34 Abs. 1 UngBGB niedergelegten Kooperations- und (gegenseitigen) Vertrauenspflicht zu Grunde.77 § 1:34 Abs. 1 UngBGB besagt: „Während der Ausübung der Rechte und der Erfüllung der Pflichten sind die Parteien verpflichtet, nach dem Prinzip von Treu und Glauben, gegenseitig kooperierend vorzugehen.“

Das ungarische Rechtssystem beruht unter anderem auf dem Prinzip von Treu und Glauben.78 Die Kooperationspflicht stellt einen Minimalstandard für zivilrechtliche Verhältnisse dar und beinhaltet in erster Linie die in den sonstigen Rechtsvorschriften nicht niedergelegten Mitteilungs- und Informationspflichten der Parteien.79 Nach der Rechtsprechung kann die Erbringung eines unangemessenen Opfers im Rahmen des § 1:34 Abs. 1 UngBGB allerdings nicht erwartet werden.80 Außerdem können die rechtlich geschützten Geschäftsinteressen der Rechtssubjekte auch außerhalb des Geltungsbereichs der Kooperationspflicht liegen.81 In Literatur und Rechtsprechung 75 Vgl. Vieweg (Fn. 14), S. 147; ders. (Fn. 25), S. 22 (34); ders. (Fn. 35), S. 53 (79). Das SportG beinhaltet detaillierte Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Veranstalters, der ein Sportereignis vor Ort ausrichtet, ohne aber den Veranstalterbegriff konkret zu definieren. Nach § 65 Abs. 1 SportG kann Veranstalter nur eine juristische Person oder nicht vorbestrafte natürliche Person sein. Veranstalter einer Veranstaltung kann nur ein Sportverein oder ein Sportverband sein, der die in einer anderen Verordnung vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt (§ 65 Abs. 2 SportG). Darüber hinaus regelt das SportG im Einzelnen die Haftung des Veranstalters und die Sicherheit einer Veranstaltung. 76 Vgl. Sárközy (Fn. 5), S. 284. 77 Vékás, Bevezto˝ rendelkezések a Polgári Törvénykönyvhöz, in: Gellért (szerk.), A Polgári Tövénykönyv magyarázata 1, 2009, S. 32 ff. Vgl. zum deutschen Recht Vieweg (Fn. 25), S. 22 (35 ff.); ders. (Fn. 14), S. 151 ff. 78 Vékás (Fn. 77), S. 32. 79 Vékás (Fn. 77), S. 34. 80 Ungarisches Höchstgericht, Gf. IX. 31 139/1974. 81 Ungarisches Höchstgericht, Pfv. X. 23 774/1997 – BH 1998/8. sz. 374.

204

Péter Rippel-Szabó

wird die vorzugswürdige Meinung vertreten, dass atypische, Elemente von Auftragsverträgen aufweisende, dauerhafte Rechtsverhältnisse – wie Sponsoringverträge – in besonderem Maße unter die Kooperationspflicht fallen.82 Der in der deutschen Literatur vertretene Gedanke der das Gebot verantwortungsvoller Abwägung der Interessen aller an einem Rechtsverhältnis Beteiligten artikuliert,83 kann auch hier im Rahmen des § 1:34 Abs. 1 UngBGB herangezogen werden. Die Berücksichtigung der Interessen der betroffenen Personen soll insgesamt eine angemessene und umfassende Grundrechtsabwägung widerspiegeln.84 Bei der rechtlichen Beurteilung von Vereins- oder Verbandsregelungen sowie von Einzelfällen sollen auch weitere Umstände neben den anzuwendenden Rechtsnormen in Betracht gezogen werden. So sind mögliche Lösungsansätze immer den individuellen Einzelfallumständen anzupassen. Zu berücksichtigen sind insbes. die Sportart (z. B. Mannschafts- oder Einzelsportart), die Popularität und Bekanntheit der betreffenden Athleten, die tatsächliche finanzielle Teilhabe von Athleten, Sportvereinen, Veranstaltern und/oder Eigentümern an den vom Sportverband erzielten Einnahmen, ggf. der Zweck der Zentralvermarktung (z. B. Eigenfinanzierung oder Erfüllung von Solidaritätsmechanismen i. S. d. § 37 Abs. 2 und Abs. 3 SportG), die tatsächliche Erscheinung des Logos oder anderer Kennzeichen des Sponsors usw. c) Lösungsansätze Im Hinblick auf die oben dargestellten rechtlichen Problemstellungen werden im Folgenden mögliche Lösungsansätze erörtert. aa) Abschluss von Sport-Sponsoringverträgen durch Athleten Generell kann der Auffassung gefolgt werden, dass Athleten trotz des mit dem Sportverein bestehenden Rechtsverhältnisses i. S. d. § 36 Abs. 4 SportG zumindest berechtigt sind, Sponsoringverträge im privaten Bereich (d. h. Verträge, die nicht den Sportverein betreffen) abzuschließen. Deshalb sind Generalklauseln in Sportverträgen, welche den Athleten verbieten, individuelle Sponsoringverträge jeglicher Art abzuschließen, gem. § 6:88 Abs. 1 UngBGB nichtig. Demgegenüber sind aber wohl Vertragsklauseln, die dem Athleten vertragliche Beziehungen zu Sponsoren verbieten, deren Marke mit der Marke des Sponsors des Sportvereins in Konkurrenz steht, mit § 36 Abs. 4 SportG vereinbar. Vereinbarungen, die die Einwilligung des

82 Vékás (Fn. 77), S. 34. Vgl. Ungarisches Höchstgericht, LB Gf. IV. 32 421/1991 – BH 1993/1. sz. 47. 83 Vieweg (Fn. 14), S. 152. 84 Vgl. Vieweg (Fn. 35), S. 53 (83).

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht

205

Sportvereins für den Abschluss von individuellen Sponsoringverträgen des Athleten vorschreiben, sind an diesen Maßstäben zu messen.85 In der Praxis haben Fälle rund um Sportschuhe bereits mehrfach Bedeutung erlangt. Ein Problem stellt sich dann, wenn Sportler einen bestimmten Schuh bevorzugen, dessen Marke in Konkurrenz zum Sponsor des Sportvereins steht. Unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Rechtsvorschriften und insbes. in Hinblick auf § 36 Abs. 4 SportG, sind die Sportvereine nicht berechtigt, den Athleten das Tragen eines mit dem Produkt des Vereinssponsors konkurrierenden Sportschuhs zu untersagen. Demgegenüber kann der Abschluss eines individuellen Sport-Sponsoringvertrags bezüglich dieser Sportschuhe von den Sportvereinen gem. § 36 Abs. 4 SportG verboten werden.86 bb) Zentralvermarktung von Sponsoringrechten durch Sportverbände Seit der Einführung des Veranstalterrechts als eigenständiges Recht hat sich die Anwendung von § 36 Abs. 1 und § 37 Abs. 1 – 3 SportG im Hinblick auf den Abschluss von Sport-Sponsoringverträgen durch Sportverbände verändert.87 Insgesamt soll die Befugnis der Sportverbände auf den Abschluss solcher Sponsoringverträge beschränkt sein, deren Abschluss und Erfüllung zur optimalen kommerziellen Verwertung des von dem betreffenden Sportverband organisierten Wettbewerbs nötig ist.88 Praktisch bedeutet dies einerseits, dass der Sportverein oder Veranstalter, der lediglich einzelne Spiele oder Wettbewerbe vor Ort ausrichtet, nur auf eine i. S. d. § 36 Abs. 1 und § 37 Abs. 1 – 3 SportG begrenzte Darstellung des Sponsors auf der Sportanlage verpflichtet werden kann. Anderseits kann den Sportvereinen

85 Der Wortlaut des Musterarbeitsvertrags (MuAV) des DFB kann als gutes Beispiel für eine angemessene Rechteübertragung auch im Hinblick auf § 36 Abs. 4 SportG dienen. § 2 MuAV sieht Folgendes vor: „Der Spieler gestattet dem Verein die Verwertung seiner Persönlichkeitsrechte, soweit sein Vertragsverhältnis als Spieler berührt ist und erklärt, dieses Recht keinem anderen eingeräumt oder übertragen zu haben.“ Der MuAV ist abrufbar unter http://www.dfb.de/uploads/media/Mustervertrag_Vertragsspieler__07.2012.pdf (letzter Abruf: 13. 03. 2014). Vgl. Heermann, CaS 2009, 166 (167). 86 Zum Interessenkonflikt zwischen Nationalspielern und Sportverbänden siehe unten V. 3. c) dd). 87 Vor dem 01. 01. 2012 zählten gem. § 36 Abs. 1 SportG nur die Übertragung von Sportereignissen und deren kommerzielle Lizenzierung zu den Vermögensrechten. Dementsprechend bezieht sich der in diesem Zusammenhang nicht modifizierte § 37 Abs. 1 – 3 SportG zunächst auf die Zentralvermarktung von Fernsehübertragungsrechten. Es ist Aufgabe der Praxis und der Lehre zu bestimmen, ob und inwieweit diese Vorschriften auf die SportSponsoringverträge der Sportverbände angewendet werden können. Rechtspolitischer Hintergrund für die Einführung des Veranstalterrechts war wohl – wie in Frankreich – die optimale kommerzielle Verwertung von Online-Sportwetten. 88 Rippel-Szabó (Fn. 16), S. 365 ff.

206

Péter Rippel-Szabó

oder Athleten vom Sportverband nicht verboten werden, ihre eigenen Sport-Sponsoringverträge vertragsgemäß zu erfüllen.89 cc) Befugnisse von Sportgeräte- und Sportstätteneigentümern Ohne Erlaubnis des Sportvereins sind Athleten, die in einem Rechtsverhältnis zu einem Sportverein gemäß § 5 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 SportG stehen, nicht berechtigt, das Logo ihres individuellen Sponsors auf ihren Sportgeräten aufzubringen. Nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 4 SportG stellt nämlich die Abbildung eines individuellen Sponsors den Teil der mit der Sporttätigkeit des Sportlers zusammenhängenden Vermögensrechte dar, der automatisch auf den Sportverein übergeht. Nach Auffassung des Gesetzgebers bildet § 36 Abs. 4 SportG eine erforderliche und verhältnismäßige Beschränkung des Eigentumsrechts von Athleten.90 Befindet sich das Sportgerät allerdings im Eigentum eines Dritten, kann die Rechtslage weitgehend anders sein, da Dritte als Sportgeräteeigentümer im Hinblick auf die Vorschriften des SportG außerhalb der Verbandspyramide stehen. Demzufolge können diese Personen gemäß § 5:30 Abs. 1 UngBGB ihr Eigentum selbst vermarkten oder die Nutzung dem Veranstalter gegen Entgelt überlassen.91 Sportstätteneigentümer sind zumindest berechtigt, während einer Sportveranstaltung das Logo ihrer Sponsoren auf den Sportstätten darzustellen oder einen NamensSponsoringvertrag einzugehen.92 Wird die Sportanlage vom Sportverein, Sportver89

Das sog. „Werbungshandbuch des Ungarischen Fußballbundes“ regelt ausführlich die Rechte und Pflichten der Sportvereine im Hinblick auf die Erfüllung des Namens-Sponsoringvertrags der 1. Fußballliga. Absatz 2.3 des Handbuchs schreibt bspw. Folgendes vor: „Die Sportvereine garantieren, dass auf der Ausrüstung der Spieler, die an Spielen der OTP BANK LIGA teilnehmen, abgesehen von der Darstellung der offiziellen Namen keine Werbung anderer, mit dem Namensponsor in Konkurrenz stehender, Unternehmen erscheint, soweit die bereits existierenden Verträge der Sportvereine die Einhaltung dieser Exklusivität ermöglichen“ (Hervorhebung in gewöhnlich durch den Autor). Die oben erwähnte Werbungsregelung des Ungarischen Fechtverbands schreibt vor, dass von Sportlern und Sportvereinen kein mit den Hauptsponsoren des Verbands konkurrierender Werbevertrag abgeschlossen werden darf, es sei denn, der Verband hat dafür eine Einwilligung erteilt (§ 4 Abs. 2 S. 1). Diese Verbandsvorschrift kann über die im SportG geregelten Rechte von Sportverbänden hinausgehen. Allerdings muss gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 der Werbungsregelung der Verband schon beim Abschluss eines neuen Werbevertrags die existierenden Verträge von Athleten und Sportvereinen berücksichtigen. 90 Allerdings ist fraglich, ob die Vorschrift einer eventuellen nachträglichen Normenkontrolle des Verfassungsgerichts standhalten würde. 91 So kann ein Teilnahmevertrag oder der Vertrag zwischen dem Sportler und dem Eigentümer des Sportgeräts die Vermarktungsbefugnisse entsprechend gestalten. 92 Im Gegensatz zu Deutschland sind Namens-Sponsoringverträge für Fußballstadien in Ungarn nicht sehr gefragt. Laut der Website www.magyarfutball.hu hat nur eine einzige Arena der ungarischen Fußballklubs aus der 1. und 2. Fußballliga einen Namenssponsor (die Arena von Ferencvarosi Torna Club heißt „Groupama Arena“, vgl. http://www.magyarfutball.hu/hu/ stadionok/nb1-nb2 (letzter Abruf: 15. 09. 2014).

Sport-Sponsoring im ungarischen Recht

207

band oder Veranstalter gemietet, ist es für die Parteien ratsam, entweder eine entsprechende, dem Vermieter zu bezahlende Geldleistung oder die Darstellung des Sponsors des Vermieters auf den Sportanlagen zu vereinbaren. Abschließend lässt sich festhalten, dass das Eigentumsrecht als solches die Rechtsposition des Eigentümers in Bezug auf die kommerzielle Verwertung der Sponsoringrechte in einzelnen Konstellationen verstärken kann. dd) Befugnisse von Veranstaltern Obwohl die Wettbewerbsregeln und der Wettbewerbskalender von den Sportverbänden erlassen bzw. erstellt werden (vgl. § 22 Abs. 1 lit. b SportG sowie § 23 Abs. 1 lit. a SportG), werden die einzelnen Sportereignisse in der Regel tatsächlich von dem betreffenden Sportverein oder einem Veranstalter vor Ort organisiert und durchgeführt. Diese Rechtssubjekte sind dann als Träger des organisatorischen und finanziellen Risikos berechtigt, Einnahmen durch eigene Sponsoringverträge zu erzielen. Den Sportvereinen steht diese Befugnis auch aufgrund §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 4 SportG sowie § 8 Abs. 1 ZivilG zu. Allerdings sind auch die Sportverbände selbst durch die Ausschreibung, Organisation und Durchführung (vgl. § 36 Abs. 1 und Abs. 5 SportG) sowie die Ausgestaltung der Wettbewerbsregeln und des Wettbewerbskalenders zumindest Mitveranstalter der Sportereignisse. Somit sind auch sie in der Position, Sponsoringverträge abzuschließen. Eine Sonderfrage im Rahmen der § 36 Abs. 5 SportG i. V. m. §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 S. 1 SportG stellt sich hinsichtlich des den Sportverbänden zustehenden Veranstalterrechts an den Spielen und Wettbewerben von Nationalmannschaften sowie der Sport-Sponsoringverträge von Nationalspielern. In der Praxis stellt sich oft das Problem, dass sich der Sportverband und der Nationalspieler verschiedenen, miteinander konkurrierenden Sponsoren verpflichtet haben.93 Das SportG enthält keine ausdrückliche Norm für diese Kollisionsfälle. Der Sportverband ist als Veranstalter der Spiele von Nationalmannschaften gemäß § 36 Abs. 5 SportG berechtigt, Sponsoringverträge einzugehen. Nach § 36 Abs. 4 SportG stehen dem Sportler die mit seiner Sporttätigkeit zusammenhängenden Rechte zu. Gemäß § 35 Abs. 1 SportG können sowohl Athleten als auch Sportverbände Sponsoringverträge abschließen. Demzufolge müssen die miteinander konkurrierenden Vermarktungsrechte unter Einbe93

Siehe bspw. den Streit zwischen den deutschen Handballnationalspielern und dem DHB zu Beginn der Handball-Weltmeisterschaft 2009 in Kroatien über die Schuhe und den damit zusammenhängenden Sponsoringvertrag des DHB mit Adidas, Handesblatt v. 16./17./18. 01. 2009, S. 4. Einen ähnlichen Fall stellt der Konflikt zwischen der British Olympic Association (BOA) und Nike dar. Der Sponsoringvertrag der BOA mit Adidas sah vor, dass die Athleten der britischen Mannschaft die olympischen Medaillen nur in Adidas Schuhen empfangen dürfen, obwohl viele Athleten einen Sponsoringvertrag mit Nike unterschrieben hatten, vgl. hierzu: http://www.telegraph.co.uk/sport/olympics/9071610/London-2012-Olympics-Nike-in sists-its-footwear-contracts-are-legally-binding-as-podium-row-continues.html (letzter Abruf: 14. 03. 2014).

208

Péter Rippel-Szabó

ziehung anderer (Grund-)Rechte abgewogen werden. Als Ergebnis einer solchen Rechte- und Interessenabwägung scheint die Auffassung vorzugswürdig, dass die Mitglieder von Nationalmannschaften, mit Ausnahme der erforderlichen einheitlichen nationalen Trikots und Sportgeräte, nach ungarischem Recht nicht von den Sportverbänden verpflichtet werden können, die Sponsoringverträge der Sportverbände einzuhalten und dabei unter Umständen gegen ihre individuellen Sponsoringverträge zu verstoßen.

VI. Fazit Die Vorschriften des SportG über den Sport-Sponsoringvertrag und die kommerzielle Verwertung der Sponsoringrechte werfen in rechtlicher und praktischer Hinsicht komplexe Fragen auf. Für zweckmäßige und praxisgerechte Lösungen dieser Fragestellungen müssen auch Rechtsvorschriften außerhalb des SportG, primär die Grundrechte, herangezogen und jeweils die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Insbes. im Rahmen von Sportveranstaltungen kann es hinsichtlich der Rechte und Rechtsgüter der beteiligten Personen – trotz der Regelungen des SportG – zu Interessenkollisionen kommen. Um hier zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen, müssen sich die Parteien, auch im Hinblick auf die in § 1:34 Abs. 1 UngBGB niedergelegte Kooperations- und Vertrauenspflicht, gegenseitig Nutzungsbefugnisse einräumen. Schließlich liegt die bestmögliche kommerzielle Nutzung des Gesamtpakets „Sportveranstaltung“ im Interesse aller Beteiligten.94 Die wesentlichen ungarischen Rechtsnormen zum Sport-Sponsoring wurden stark von der deutschen Literatur und Rechtsprechung beeinflusst. Eine vergleichende Betrachtung der beiden Rechtssysteme in Ungarn und Deutschland bietet deshalb die Möglichkeit, optimale Lösungen für die Praxis in Ungarn zu entwickeln. Aus diesem Grund wurden die grundlegenden und wichtigsten ungarischen Vorschriften und Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Sport-Sponsoring dargestellt und diesbezüglich Einblicke in das deutsche Recht gewährt. Für eine umfassende Rechtsvergleichung ist jedoch zum einen eine weitergehende Analyse der dargestellten Rechtsfragen nötig und zum anderen muss diese auch auf andere Bereiche (z. B. die Bindungswirkung von Verbandsregelungen, europäische und internationale Aspekte, die praktische sowie prozessuale Durchsetzung der Sponsoringrechte, wettbewerbsrechtliche Fragen usw.) ausgeweitet werden.

94

Vgl. Vieweg (Fn. 35), S. 53 (89).

Der Single-Entity-Gedanke Eine Möglichkeit für europäische Sportligen, dem Kartellrecht zu entkommen? Michael Blos I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt und Herkunft des „Single-Entity“-Gedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung auf Sportligen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kartellrechtliche Konfliktbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konfliktbereiche europäischer Sportligen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterschiede zu amerikanischen Sportligen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Implementierungsversuche des „Single-Entity“-Gedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anknüpfungspunkte für den „Single-Entity“-Gedanken im europäischen Recht . . 1. Konzernprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeitsgemeinschaftsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Versuche Europäischer Fußballligen, dem Kartellrecht zu entkommen . . . . . . . . . . 1. Hauptsächlicher Gegenstand der Bemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Englische Premier League . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Deutsche Fußball-Bundesligen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Single-Entity“ aufgrund der Maßnahmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Umstrukturierung europäischer Sportligen nach dem MLS-Modell . . . . . . . . . . . . 1. Die Major League Soccer (MLS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragbarkeit des MLS-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209 211 211 211 212 216 216 216 217 217 218 218 218 219 220 221 221 222 222 224 224 224 224 226 229 229

I. Einleitung Seit Sportligen mit der zunehmenden gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des professionellen Sports in das Visier der Kartellbehörden geraten sind, versuchen sie, sich einer kartellrechtlichen Überprüfung ihres Verhaltens so weit zu entziehen wie möglich. Über die letzten beiden Jahrzehnte wurden durch Maßnahmen der Europäischen Kommission sowie des Bundeskartellamts und auch durch Klagen von Sportlern auf

210

Michael Blos

dem Zivilrechtsweg Beispiele für Konflikte des Sports mit dem Kartellrecht deutlich.1 In der Literatur sind bereits vor Jahren Bereichsausnahmen für den Bereich des Sports diskutiert worden.2 Zugunsten der Sportligen verweisen einige Autoren – und auch die Sportligen selbst bzw. die hinter diesen stehenden Sportverbände – gerne darauf, dass eine Sportliga als eine Einheit im Sinne des Kartellrechts behandelt werden müsse, weil die Mitglieder einer Sportliga notwendigerweise zusammenarbeiten müssten, um einen Ligawettbewerb durchführen zu können.3 Deswegen seien Sportligen als einheitliche Unternehmen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen. Dies habe zur Folge, dass Absprachen zwischen den Ligamitgliedern sowie zwischen einem oder mehreren Ligamitgliedern und dem Sportverband, der hinter der Liga steht, nicht unter das Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen, wenn eine Sportliga so organisiert ist, dass die Leitung der Liga in der Lage ist, zu prüfen, ob die Aktivitäten der Mitglieder im Interesse der Gesamtorganisation liegen, und dies auch sicherstellen kann.4 Dieser Gedanke stammt allerdings ursprünglich weder aus dem europäischen Recht noch aus einer Rechtsordnung eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, sondern aus dem Recht der Vereinigten Staaten von Amerika.5 Dort erlangte der Sport bereits deutlich früher große wirtschaftliche Bedeutung und auch das Kartellrecht entwickelte sich dort früher als in Europa.6 Daher lohnt sich ein Blick auf den U.S.-amerikanischen „Single-Entity“-Gedanken verbunden mit der Frage, ob eine europäische Sportliga mittels dessen Anwendung dem Kartellrecht entkommen kann.

1 Siehe Europäische Kommission, Mitteilung gemäß Art. 19 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17/62 in den Verfahren COMP/C.2/38.173 und 38.453 gegen die FAPL und British Sky Broadcasting Ltd., abgedruckt in Abl. (EG) 2004 C/115 v. 30. 04. 2004, S. 3 – 6; BKartA, Fallbericht zur Entscheidung v. 12. 01. 2012, B 6 – 114/10, abrufbar unter http://www.bun deskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Fallberichte/Kartellverbot/2012/B6 – 114 – 10.html (zuletzt abgerufen am 14. 03. 2014); ferner „Kartellamt stellt Verfahren gegen DFB und DFL ein“, abrufbar unter http://www.spiegel.de/sport/fussball/sponsoring-kartellamtstellt-verfahren-gegen-dfb-und-dfl-ein-a-572502.html (zuletzt abgerufen am 13. 04. 2014); aus der Rechtsprechung des EuGH siehe EuGH, Slg. 2006, I-6991 – Meca-Medina und Majcen/Kommission sowie Slg. 2008, I-4863 – MOTOE. 2 Heermann, ZWeR 2009, 472 (496); ders., WuW 2009, 394 (400 f.); ders., WRP 2011, 36 (44); Menzel, Solidarität im professionellen Fußballsport versus europäisches Wettbewerbsrecht, 2007, S. 94; Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, 2001, S. 348 ff.; andererseits siehe Blask, Die Anwendbarkeit der Single-Entity-Theorie im professionellen Fußball, 2005, S. 165 – 167; Stopper, ZWeR 2008, 412 (423); Summerer, SpuRt 2009, 89 (89 f.). 3 Stopper, ZWeR 2008, 412 (423); Summerer, SpuRt 2009, 89 (89). 4 Siehe hierzu Blask (Fn. 2), S. 198 – 202. 5 Neale, Quarterly Journal of Economics 1964, 1 (4); siehe hierzu auch Menzel (Fn. 2), S. 53 f. (Beispiele aus Aufsätzen der U.S.-Literatur). 6 Als Beispiel hierfür siehe die erste Entscheidung zum Baseball-Sport in den Vereinigten Staaten aus dem Jahr 1922: Federal Baseball Club of Baltimore v. National League of Professional Base Ball Clubs, 259 U.S. 200 (1922).

Der Single-Entity-Gedanke

211

II. Inhalt und Herkunft des „Single-Entity“-Gedankens 1. Inhalt Zunächst soll ein Blick auf den „Single-Entity“-Gedanken geworfen werden, wie er in den Vereinigten Staaten von Amerika vorkommt. Sportligen in den Vereinigten Staaten von Amerika bestehen – jedenfalls soweit man die dortigen vier „großen“ Sportarten Baseball, Basketball, American Football und Eishockey betrachtet – auch aus mehreren Teams, die zu einem jeweils eigenständigen Rechtsträger gehören. Hierbei stellte sich seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wiederholt die Frage, ob sich die Ligamitglieder im Sinne des Kartellrechts absprechen können oder nicht.7 Das U.S.-amerikanische Pendant zu Art. 101 Abs. 1 AEUV ist auf der Ebene des U.S.-Bundesrechts § 1 des Sherman Act, der Kartellabsprachen mit dem Ziel von Wettbewerbsbeschränkungen verbietet. Auch im U.S.-amerikanischen Recht ist für eine Absprache im Sinne des § 1 des Sherman Act erforderlich, dass sich eine Mehrzahl von Unternehmen hieran beteiligt.8 Hierbei stellte sich für die Rechtsprechung in den Vereinigten Staaten von Amerika mehrfach die Frage, ob verbundene Unternehmen, die aber verschiedene Rechtsträger hatten, als eine Einheit behandelt werden können oder nicht.9 Der Begriff für eine Einheit von Unternehmen lautet „Single-Entity“.10 2. Entwicklung Verfolgte die Rechtsprechung in den Vereinigten Staaten zunächst die so genannte „Intra-Enterprise-Conspiracy-Doctrine“, nach der sich Unternehmen selbst dann im Sinne von § 1 des Sherman Act absprechen konnten, wenn es sich um ein Mutterunternehmen und dessen 100 %-ige Tochter handelte, gab der U.S. Supreme Court diese Auffassung im Jahr 1984 auf.11 Dies geschah in der bekannten CopperweldEntscheidung12, die als Geburtsstunde des „Single-Entity“-Ansatzes in der U.S.Rechtsprechung gilt. In diesem Fall entschied der U.S. Supreme Court, dass eine 7

Los Angeles Memorial Coliseum Commission v. National Football League, 726 f.2d 1381, 1984 – 1 Trade Cases P 65,879 (1984); siehe ferner Brown v. Pro Football, Inc. 518 U.S. 231, 116 S.Ct. 2116 (1996), S. 235 – 237; Fraser v. Major League Soccer, 284 f.3d 47, C.A.1 (Mass.) (2002). 8 Copperweld Corporation v. Independence Tube Corporation, 467 U.S. 752, 104 S.Ct. 2731 (1984), S. 753, 769 – 771. 9 Siehe zum Beispiel Timken Roller Bearing Co. v. U.S., 341 U.S. 593, 71 S.Ct. 971 (1951); Copperweld Corporation v. Independence Tube Corporation, 467 U.S. 752, 104 S.Ct. 2731 (1984). 10 Copperweld Corporation v. Independence Tube Corporation, 467 U.S. 752, 104 S.Ct. 2731 (1984), S. 772, Fn. 18. 11 Timken Roller Bearing Co. v. U.S., 341 U.S. 593, 71 S.Ct. 971 (1951), S. 607 f.; Battle v. Liberty Nat. Life Ins. Co., 493 f.2d 39 (1974); ferner Schenley Distillers Corp. v. U.S., 326 U.S. 432, 66 S.Ct. 247 (1946), S. 435. 12 Copperweld Corporation v. Independence Tube Corporation, 467 U.S. 752, 104 S.Ct. 2731 (1984).

212

Michael Blos

Muttergesellschaft und ihre 100 %-ige Tochter eine Einheit im Sinne des Kartellrechts bilden und sich demzufolge nicht im Sinne von § 1 des Sherman Act absprechen können.13 Man dürfe für die Beurteilung des Unternehmens im Sinne von § 1 des Sherman Act nicht auf die formelle gesellschaftsrechtliche Gestaltung des fraglichen Gebildes abstellen, sondern man müsse sich die wirtschaftliche Konstruktion des Gebildes im Ganzen ansehen.14 Anschließend sei die Frage zu stellen, ob durch die vermeintliche Absprache oder durch eine sonstige vermeintlich kartellrechtswidrige Verhaltensweise der Markt mindestens ein Zentrum wirtschaftlicher Entscheidungsfindung verliere.15 Wenn dies der Fall sei, werde der Wettbewerb durch die Verhaltensweise beschränkt. Im Fall einer Mutter und deren 100 %-iger Tochter liege aber nur ein Zentrum wirtschaftlicher Entscheidungsfindung vor, denn die Tochter werde vollständig von der Mutter gelenkt und habe keine wirtschaftlichen Interessen, die von denen der Mutter abwichen.16 Die Copperweld-Entscheidung betrifft aber den Fall einer 100 %-igen Beteiligung und trifft keine Aussage zu den Fällen, in denen zwar verbundene Unternehmen vorliegen, die Beteiligungsquote aber unter 100 % liegt. Ob in einem Fall mit geringerer Beteiligung auch schon eine Einheit vorliegt, also eine so genannte „Single-Entity“, und wenn ja, wo die Grenze verläuft, ab der eine „Single-Entity“ angenommen werden kann, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in den Vereinigten Staaten von Amerika bisher – soweit ersichtlich – nicht entschieden. Festzuhalten ist aber, dass es für die Beuteilung, ob nach § 1 des Sherman Act von einem oder mehreren Unternehmen auszugehen ist, auf eine wirtschaftliche und nicht auf eine formal-rechtliche Betrachtung ankommt. 3. Anwendung auf Sportligen Im Fall von Sportligen stellt sich nun die Frage, ob auf der Grundlage der Copperweld-Entscheidung oder auf einer anderen Basis angenommen werden kann, dass im Sinne des Kartellrechts ein Unternehmen vorliegt. Der Gedanke, dass Sportligen eine Einheit darstellen und dass es dabei um ein einziges wirtschaftliches Gefüge geht, ist indes älter als die Copperweld-Entscheidung. Er stammt aus der volkswirtschaftlichen Literatur, in der der Ökonom Walter Neale im Jahr 1964 erstmals die These aufstellte, dass im Fall einer Sportliga die Liga als solche die relevante wirtschaftliche Einheit sei und nicht die ihr angehörenden Mitglieder.17 Dies gilt als die Geburtsstunde des „Single-Entity“-Gedankens in der Literatur. In den 80er Jahren 13 Copperweld Corporation v. Independence Tube Corporation, S.Ct. 2731 (1984), S. 771. 14 Copperweld Corporation v. Independence Tube Corporation, S.Ct. 2731 (1984), S. 760, 763, 789. 15 Copperweld Corporation v. Independence Tube Corporation, S.Ct. 2731 (1984), S. 769. 16 Copperweld Corporation v. Independence Tube Corporation, S.Ct. 2731 (1984), S. 753. 17 So Neale, Quarterly Journal of Economics 1964, 1 (4).

467 U.S. 752, 104 467 U.S. 752, 104 467 U.S. 752, 104 467 U.S. 752, 104

Der Single-Entity-Gedanke

213

des 20. Jahrhunderts griffen einige Autoren in der Literatur in den Vereinigten Staaten von Amerika die These von Neale auf und plädierten für die Behandlung der Sportligen als jeweils eine Einheit im Sinne von § 1 des Sherman Act.18 Hierbei befassten sich die Autoren jeweils mit Entscheidungen U.S.-amerikanischer Gerichte, nach denen eine Behandlung verschiedener Unternehmen als Einheit im Sinne des § 1 des Sherman Act möglich war.19 Die Autoren argumentierten, die Mitglieder einer Sportliga müssten notwendig zusammenarbeiten, um das Produkt „Ligasport“ herstellen zu können.20 Eine solche Zusammenarbeit sei notwendig, weil „Ligasport“ seiner Natur nach nicht nur von einem Akteur dargeboten werden könne.21 Ferner ergebe eine funktionale Betrachtung, wie sie der Supreme Court im Fall Copperweld vorgenommen habe, dass eine Sportliga eine Einheit sei, weil die Teams aufgrund der Notwendigkeit zur Zusammenarbeit keine eigenen von der Liga verschiedenen Interessen verfolgten.22 Die Fragestellungen, die den Beurteilungen in der Literatur zugrunde lagen, drehten sich dabei um Ligabeschlüsse über die Zulassung oder Nichtzulassung der Verlegung eines Team-Standortes in eine andere Stadt, um Einschränkungen der Spielergehälter und um Maßnahmen, die die Möglichkeit von Spielern beschränkten, das Team zu wechseln.23 Dies entspricht auch den in der U.S.-amerikanischen Praxis vorkommenden Fällen, die sich in erster Linie um derartige Fallgestaltungen drehen.24 Entscheidungen zu den in Europa deutlich häufiger in der Rechtsprechung und bei Behördenentscheidungen vorkommenden Fällen, in denen es um die Zulässigkeit der Zentralvermarktung der Rechte zur audiovisuellen Verwertung der Ligasportereignisse geht, kommen in den Vereinigten Staaten von Amerika nur sehr selten vor. Grund dafür ist die kartellrechtliche Privilegierung der Vermarktung der eben genannten Rechte durch den Sports Broadcasting Act, der insoweit eine gesetzliche Ausnahme für die Profisportligen in den vier großen Sportarten in Nordamerika regelt.25 Zwar erfasst der Sports Broadcasting Act seinem Wortlaut nach nur die Rechteverwertung im Free-TV und nicht im Pay-TV, allerdings existieren auch zur an sich 18

Grauer, Michigan Law Review (Bd. 82) 1983, 1 (23 – 35); ders., Tulane Law Review 1989, 71 (87 f., 100); Weistart, Duke Law Journal 1984, Nr. 6 (Dez. 1984), 1013 (1063). 19 Siehe zum Beispiel Roberts, Tulane Law Review 1986, 562 (562 f., 586); Weistart, Duke Law Journal 1984, Nr. 6 (Dez. 1984), 1013 (1056 – 1063). 20 Grauer, Michigan Law Review (Bd. 82) 1983, 1 (34); Roberts, Tulane Law Review 1986, 562 (573). 21 Roberts, Tulane Law Review 1986, 562 (573). 22 Roberts, Tulane Law Review 1986, 562 (572); Weistart, Duke Law Journal 1984, Nr. 6 (Dez. 1984), 1013 (1049). 23 Siehe zum Beispiel Roberts, Tulane Law Review 1986, 562 (562 f.); Weistart, Duke Law Journal 1984, Nr. 6 (Dez. 1984), 1013. 24 Als Beispiele siehe Flood v. Kuhn, 407 U.S. 258, 92 S.Ct. 2099 (1972); Los Angeles Memorial Coliseum Com’n v. National Football League, 726 f.2d 1381 (1984); Wood v. National Basketball Association, 809 f.2d 954 (1987); ferner Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002). 25 Diese Regelung befindet sich im U.S. Code: 15 U.S.C.A. § 1291.

214

Michael Blos

nicht privilegierten Rechteverwertung im Pay-TV keine Entscheidungen, die den Profisport betreffen.26 Die Fernsehrechte sind aber Gegenstand einer bekannteren Entscheidung zum College-Football, nach der die Organisation, die den CollegeFootball betreibt, zusammen mit ihren Mitgliedern gegen § 1 des Sherman Act verstoßen kann.27 Überdies ist festzuhalten, dass der „Single-Entity“-Gedanke für Sportligen vom U.S. Supreme Court bisher nicht anerkannt wurde. In einer Entscheidung zur Major League Soccer (MLS), der U.S.-amerikanischen Profifußballliga, wurde diese vom erstinstanzlichen Gericht als Einheit anerkannt.28 Das Berufungsgericht zog die MLS als Einheit im Sinne des Kartellrechts jedenfalls ernsthaft in Betracht, entschied die Problematik aber nicht abschließend.29 Die Möglichkeit der Beurteilung als Einheit beruht auf Besonderheiten in der Organisation der MLS. Im Gegensatz zu den Profiligen in den vier bedeutendsten Sportarten in Nordamerika ist die MLS von vornherein als Einheit konstruiert. Das bedeutet, die MLS ist ein einzelnes Unternehmen, das alle an ihr teilnehmenden Teams betreibt.30 Die Spieler schließen ihre Arbeitsverträge auch nicht mit dem Team ab, für das sie spielen, sondern direkt mit der MLS.31 Nach der ursprünglichen Konstruktion der MLS war eine Beteiligung von Investoren auch nur an der Liga als solcher möglich, ohne dass besondere Mitspracherechte bei einzelnen Teams bestanden.32 Diese Konstruktion stellte an sich eine Einheit dar, ohne dass es hierfür einer eigenen Rechtsfigur im Kartellrecht bedürfte. Die MLS blieb an dieser Stelle jedoch nicht stehen und schuf die Möglichkeit, sich als so genannter „Operating-Investor“ an ihr zu beteiligen.33 Dies bedeutet, die Investoren erwerben nicht nur Anteile an der Liga als ganzer, sondern übernehmen zusätzlich die Leitung eines der an ihr beteiligten Teams.34 Dabei übernehmen die „Operating-Investors“ auch erhebliche wirtschaftliche Risiken bezüglich der Vermarktung ihres jeweiligen Teams. So obliegt ihnen zum Beispiel die Vermarktung von Fan-Artikeln, der Eintrittskartenverkauf vor Ort und die örtliche Vermarktung der Heimspiele im Fernsehen. Hierbei dürfen die „Operating-Investors“ einen Großteil der Einnahmen behalten.35 Diese Einnahmen machen einen Großteil der Vergütung aus, die die „Operating-Investors“ erhalten. Daneben sind sie es aber auch, die neben anderen Ausgaben zumindest die Hälfte der Stadionmiete selbst tragen müs26

Siehe den Wortlaut von 15 U.S.C.A. § 1291. National Collegiate Athletic Ass’n v. Board of Regents of University of Oklahoma, 468 U.S. 85, 104 S.Ct. 2948 (1984), S. 98 – 101. 28 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 97 f.Supp.2d 130 (2000), S. 139. 29 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 59. 30 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 53. 31 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 53. 32 Blask (Fn. 2), S. 23; Mathias, University of Pennsylvania Law Review 1999, 203 (221). 33 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 53. 34 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 53. 35 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 53 f. 27

Der Single-Entity-Gedanke

215

sen.36 Das bedeutet, dass die „Operating-Investors“ letztlich Gewinn und Verlust des Betriebs eines Teams tragen, was bei jedem von ihnen wirtschaftliche Entscheidungen hinsichtlich der Vermarktungsaktivitäten „ihres“ Teams erforderlich macht. Dies wurde in der Literatur als Begründung dafür angeführt, dass im Fall der „OperatingInvestors“ verschiedene Interessen der „Operating-Investors“ vorliegen, wie es auch bei den Teameignern anderer professioneller Sportligen der Fall sei.37 Die Konstruktion der MLS als formell einheitliches Unternehmen führe nicht ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten zur Nichtanwendbarkeit von § 1 des Sherman Act.38 Dies habe zur Konsequenz, dass die MLS in ihrer derzeitigen Fassung nicht als eine „Single-Entity“ angesehen werden könne.39 Dem halten die Befürworter des „Single-Entity“-Gedankens die besagte Entscheidung zur kartellrechtlichen Behandlung der MLS entgegen. Allerdings wurde die MLS dort nur in der ersten Instanz als eine „Single-Entity“ anerkannt.40 In der Berufungsinstanz hatte das erstinstanzliche Urteil zwar Bestand, allerdings brauchte sich das Berufungsgericht mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mit der Frage der „Single-Entity“ auseinanderzusetzen, weil der Vortrag der Klägerseite zur Marktabgrenzung nicht ausreichend war.41 Ferner wurde der Fall nicht vom U.S. Supreme Court entschieden, so dass er nicht als Beleg für eine Anerkennung des „Single-Entity“-Gedankens durch die höchstrichterliche Rechtsprechung in den Vereinigten Staaten von Amerika herangezogen werden kann. Stattdessen hat der U.S. Supreme Court im Jahr 2010 in seiner Entscheidung im Fall American Needle dem „Single-Entity“-Gedanken nach der Auffassung derjenigen eine Absage erteilt, die eine Anwendung dieses Ansatzes auf den Ligasport in seiner derzeitigen Form ablehnen.42 In diesem Fall ging es um die Zulässigkeit einer exklusiven Lizenzerteilung zur Herstellung von Kopfbedeckungen als Merchandisingartikel mit den Logos der Teams der NFL.43 Die Lizenzen hierfür werden von einer Gesellschaft namens „NFL Properties“ vergeben, die für alle Ligamitglieder und für die NFL selbst handelt. Die Lizenzvergabe erfolgte bis zum Jahr 2000 nicht-exklusiv und wurde dann exklusiv für zehn Jahre an das Unternehmen Reebok vergeben. Hiergegen klagte American Needle, ein Hersteller von Kopfbedeckungen, der bislang BaseballMützen mit den Logos aller NFL-Teams auf der Basis einer nicht-exklusiven Lizenz produzierte und nunmehr seine Produktionstätigkeit diesbezüglich einstellen muss36

Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 54. Sullivan, Temple Law Review (Bd. 73) 2000, 865 (896 – 901). 38 Sullivan, Temple Law Review (Bd. 73) 2000, 865 (896 f.). 39 Sullivan, Temple Law Review (Bd. 73) 2000, 865 (901). 40 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 97 f.Supp.2d 130 (2000), S. 139. 41 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 59. 42 American Needle, Inc. v. National Football League, 560 U.S. 183, 130 S.Ct. 2201 (2010), S. 2217. Aus der Literatur siehe hierzu Heermann, WRP 2011, 36 (42). 43 American Needle, Inc. v. National Football League, 560 U.S. 183, 130 S.Ct. 2201 (2010), S. 2207. 37

216

Michael Blos

te.44 Die NFL, NFL Properties und die Ligamitglieder beriefen sich darauf, dass sie eine „Single-Entity“ seien, und bekamen damit in der Berufungsinstanz Recht.45 Der Supreme Court hob dieses Urteil aber auf und erkannte die Ligamitglieder nicht als eine Einheit im Sinne des § 1 des Sherman Act an.46 4. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass der „Single-Entity“-Gedanke der U.S.-amerikanischen Literatur entstammt, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang aber nicht anerkannt wurde.

III. Kartellrechtliche Konfliktbereiche 1. Konfliktbereiche europäischer Sportligen Die Konfliktbereiche europäischer Sportligen mit dem Kartellrecht liegen in anderen Bereichen als bei amerikanischen Sportligen. In Europa ist in erster Linie die Vermarktung der Rechte zur audiovisuellen Verwertung von Sportveranstaltungen Gegenstand kartellrechtlicher Entscheidungen in Bezug auf Sportligen.47 Dies liegt daran, dass auf europäischer Ebene anders als in den Vereinigten Staaten von Amerika keine Bereichsausnahme für die Rechteverwertung im Sportbereich existiert. Etwaige Regelungen auf der Ebene des nationalen Rechts berühren die Anwendbarkeit des europäischen Kartellrechts nicht, sodass wegen dessen Vorrang keine Bereichsausnahme Sportligen wirksam vor Maßnahmen der Kartellbehörden schützen kann.48 Ferner bilden die Rechte zur audiovisuellen Verwertung von Sportveranstaltungen eine der wichtigsten, wenn nicht sogar die wichtigste Einnahmequelle der Mitglieder von Sportligen in Europa. Hinzu kommt, dass die zentrale Verwertung dieser Rechte von zahlreichen europäischen Verbänden genutzt wird, um auf diesem Weg die Einnahmen ausgewogener zu verteilen, als dies bei einer individu44 American Needle, Inc. v. National Football League, 560 U.S. 183, 130 S.Ct. 2201 (2010), S. 2207. 45 American Needle, Inc. v. National Football League, 538 f.3d 736 (2008), S. 743 f. 46 American Needle, Inc. v. National Football League, 560 U.S. 183, 130 S.Ct. 2201 (2010), S. 2217. 47 Als Beispiele siehe Europäische Kommission, Mitteilung gemäß Art. 19 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17/62 in den Verfahren COMP/C.2/38.173 und 38.453 gegen die FAPL und British Sky Broadcasting Ltd., abgedruckt in Abl. (EG) 2004 C/115 v. 30. 04. 2004, S. 3 – 6; BKartA, WuW/E 2682 – Fernsehübertragungsrechte I; siehe auch EuGH, Urt. v. 04. 10. 2011, Rs. C-403/08 und 429/08, Slg. 2011, I-0000 – FAPL u. a., wenngleich es hier nicht um ein Verwaltungsverfahren, sondern um ein Vorabentscheidungsersuchen ging. 48 In Deutschland galt vom 01. 01. 1999 bis zum 30. 06. 2005 eine Fassung von § 31 GWB, der eine solche Bereichsausnahme auf nationaler Ebene darstellte, aber inzwischen wieder abgeschafft wurde, weil er nicht vor dem europäischen Kartellrecht schützen konnte.

Der Single-Entity-Gedanke

217

ellen Verwertung der Rechte durch die einzelnen Ligamitglieder der Fall wäre.49 Damit hat die Zentralvermarktung enorme praktische Bedeutung. 2. Unterschiede zu amerikanischen Sportligen Die Konfliktbereiche amerikanischer Sportligen mit dem dortigen Kartellrecht spielen dagegen in Europa nur eine untergeordnete Rolle, weil diese Fälle in der europäischen Praxis kaum vorkommen. In keiner bedeutenden europäischen Sportliga gibt es Gehaltsobergrenzen für die Spieler. Die Vermarktung der Werbeflächen in den Stadien und der Vertrieb von Fanartikeln werden nicht zentral gesteuert, sondern von jedem Ligamitglied selbst übernommen, sodass diesbezüglich nicht zwangsläufig Absprachen vorliegen. Der Umzug eines Teams ist in Europa ebenfalls äußerst selten, wenngleich ein Umzug im Einzelfall durchaus möglich ist. In Deutschland übernahm zum Beispiel der HSV Hamburg die zur Teilnahme an der Handball-Bundesliga berechtigende Lizenz des VfL Bad Schwartau und nimmt unter diesem Namen an der Handball-Bundesliga teil.50 Der Name basiert auf einer Lizenz des FußballBundesliga-Teams „Hamburger Sportverein“.51 Letztlich handelt es sich hierbei also um eine Standortverlegung mit Umbenennung des Teams. In der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) haben die Hannover Scorpions ihre Lizenz zur Teilnahme an der DEL an die Schwenninger Wild-Wings veräußert und auf diese Weise den Standort des Teams von Hannover nach Schwenningen verlegt.52 Zwar kommen also Teamverlegungen in Deutschland vor, hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle. 3. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass sich die Konfliktbereiche der Sportligen mit dem Kartellrecht in Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Regelungen und abweichender Ligastrukturen unterscheiden.

49

Blask (Fn. 2), S. 38 f., 197 f.; Heermann, ZWeR 2009, 472 (495). Siehe die Rubrik „Fakten“ zum HSV Hamburg, abrufbar unter http://www.bundesliga info.de/Archiv/HBL/Vereine/Hamburg_HSV.php (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 51 Siehe „HSV Handball“, abrufbar unter http://www.hamburg-web.de/guide/detail/HSVHandball (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 52 Feisst/N.N., Eishockey Wild Wings: Mit DEL-Lizenz einen Schritt weiter, in: Südkurier v. 11. 06. 2013, abrufbar unter http://www.suedkurier.de/sport/regionalsport-schwarzwald/WildWings-Mit-DEL-Lizenz-einen-Schrittweiter;art2816,6105740r (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 50

218

Michael Blos

IV. Implementierungsversuche des „Single-Entity“-Gedankens Bisher existiert – soweit ersichtlich – nur ein Versuch, den „Single-Entity“-Gedanken für das europäische Recht fruchtbar zu machen.53 Daneben existieren wenige kleinere Beiträge, in denen eine kartellrechtliche Bereichsausnahme für den Sport – zum Teil in Bezug auf das deutsche Recht – gefordert wird.54 Zwar geht Blask nicht davon aus, dass der „Single-Entity“-Gedanke unmittelbar auf das europäische Recht übertragbar ist, weil er sich auch in den Vereinigten Staaten selbst nicht so weit durchsetzten konnte, dass eine kartellrechtliche Bereichsausnahme für Sportligen existiert.55 Allerdings soll dieser Gedanke sowohl über den Arbeitsgemeinschaftsgedanken als auch über eine Anwendung des Konzernprivilegs im europäischen Recht anwendbar sein.56

V. Anknüpfungspunkte für den „Single-Entity“-Gedanken im europäischen Recht Da keine unmittelbare Anwendbarkeit des „Single-Entity“-Gedankens in Europa angenommen wird, ist zu fragen, wo Anknüpfungspunkte für diesen Gedanken im europäischen Recht bestehen. 1. Konzernprivileg Eine von Blask befürwortete Lösung führt zunächst über das Konzernprivileg.57 Nach dem Konzernprivileg sind Absprachen zwischen Unternehmen dann nicht kartellrechtlich relevant, wenn sie miteinander dergestalt verbunden sind, dass sie eine wirtschaftliche Einheit bilden.58 Das Konzernprivileg passt insofern zum Gedankengang der Copperweld-Entscheidung des U.S. Supreme Court, als auch im Fall eines Konzerns nur ein Zentrum wirtschaftlicher Entscheidungsfindung vorliegt, das bei der Konzernleitung bzw. bei dem jeweils herrschenden Unternehmen angesiedelt ist. Dies bedeutet, dass das Konzernprivileg an sich als Anknüpfungspunkt geeignet ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich aber die Frage, ob eine Sportliga tatsächlich einen Konzern bilden kann. Die Teams halten üblicherweise keine Anteile an den Rechtsträgern der anderen Ligamitglieder und sind mit diesen auch sonst nicht ver53

Siehe hierzu Blask (Fn. 2), S. 165 – 167. Mestmäcker, Die Vergabe von Fernsehrechten an internationalen Wettbewerbsspielen deutscher Lizenzligavereine, in: Vieweg (Hrsg.), Vermarktungsrechte im Sport, 2000, S. 53 (76 – 79; 83 – 87); Stopper, ZWeR 2008, 412 (422 – 424). 55 Blask (Fn. 2), S. 181. 56 Blask (Fn. 2), S. 175, 189 f. 57 Blask (Fn. 2), S. 189 f. 58 Lettl, Kartellrecht, 3. Aufl. 2013, § 2 Rn. 22; Stopper, ZWeR 2008, 412 (420 f.). 54

Der Single-Entity-Gedanke

219

flochten. Dies gilt sowohl für die europäischen Sportligen als auch für die vier großen und umsatzstärksten Sportligen in Nordamerika, die National Football League (NFL), die National Basketball League (NBA), die National Hockey League (NHL) und die Major League Baseball (MLB). Auch personelle Verflechtungen zwischen den Teams und dem Verband, der die jeweilige Sportliga betreibt, sind selten. Dies bedeutet, dass die einzelnen Ligamitglieder bzw. ihre Rechtsträger weiterhin eigenständige Unternehmen sind, die nicht unter einer einheitlichen Leitung stehen, wie dies in einem Konzern der Fall wäre. Zudem verfolgen die Teams bei der Vermarktung weiterhin eigene wirtschaftliche Interessen, zu denen die jeweilige Maximierung des eigenen Gewinns gehört, sodass auch bei einer funktionalen Betrachtung, wie sie die Copperweld-Entscheidung des U.S. Supreme Court vorsieht, nicht von einer Einheit der Teams in einer Sportliga gesprochen werden kann. Somit ist das Konzernprivileg als Anknüpfungspunkt ungeeignet. 2. Arbeitsgemeinschaftsgedanke Ein zweiter Anknüpfungspunkt für den „Single-Entity“-Gedanken im Europäischen Kartellrecht könnte der Arbeitsgemeinschaftsgedanke sein. Der Arbeitsgemeinschaftsgedanke kommt dann zum Tragen, wenn mehrere Unternehmen notwendigerweise zusammenarbeiten müssen, um ein bestimmtes Produkt herstellen oder eine bestimmte Dienstleistung erbringen zu können.59 Wenn und soweit Absprachen zur Erstellung des Produkts notwendig sind, verstoßen diese nicht gegen das Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV.60 Nach dem Arbeitsgemeinschaftsgedanken wird durch die Arbeitsgemeinschaft ein aus mehreren Unternehmen bestehender zusätzlicher Wettbewerber geschaffen, den es ohne die Absprachen zwischen den Unternehmen nicht geben würde.61 Dies bedeutet, dass der Wettbewerb durch die Arbeitsgemeinschaft intensiviert und nicht beschränkt wird, weil durch den zusätzlichen Wettbewerber der Druck auf die übrigen Konkurrenten steigt. Damit stellt sich unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsgemeinschaftsgedankens im Fall von Sportligen die Frage, ob diese ohne eine Zusammenarbeit der Teams nicht existieren könnten. Nur in diesem Fall wären die Teams und der Verband, der die Sportliga betreibt, im Fall von Absprachen vom Kartellrecht ausgenommen. Zu beachten ist aber, dass diese Ausnahme nur so weit reicht, wie eine Absprache zwischen den Akteuren zur Einrichtung und zur Durchführung der Sportliga notwendig ist. Das heißt, dass auch bei Vorliegen einer Arbeitsgemeinschaft nicht jede Absprache pauschal von Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen ist, es sei denn, der Ligawettbewerb könnte nur dann durchgeführt werden, wenn sich die Ligamitglieder 59

Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Bd. 1. EU/Teil 1, 5. Aufl. 2012, Art. 101 Abs. 1 Rn. 123; Heermann, ZWeR 2009, 472 (484 f.). 60 Siehe hierzu Emmerich (Fn. 59), Art. 101 Abs. 1 Rn. 123, der aber darauf hinweist, dass die Kommission ihre Praxis hierzu seit 2001 etwas gelockert hat. 61 Siehe hierzu Emmerich (Fn. 59), Art. 101 Abs. 1 Rn. 123.

220

Michael Blos

und der Verband in allen Bereichen absprechen würden. Im Fall einer Sportliga sind einige Absprachen notwendig, um diese betreiben zu können. Hierbei geht es zum Beispiel um die Aufstellung eines Terminkalenders mit den Spielterminen. Allerdings ist nicht jede erdenkliche Absprache für den Ligabetrieb notwendig. Beim Vertrieb von Fanartikeln sind die Ligamitglieder zumeist unabhängig voneinander tätig, ohne dass der Markt hierfür bereits zusammengebrochen wäre. Damit können sie in diesem Bereich eigenständig tätig werden und er wird vom Arbeitsgemeinschaftsgedanken nicht erfasst. Nach dem von den Vertretern des „Single-Entity“-Gedankens verfolgten Ansatz bildet eine Sportliga aber eine Einheit mit der Folge, dass Absprachen zwischen Ligamitgliedern und/oder zwischen einem oder mehreren Ligamitgliedern und dem die Liga betreibenden Verband nicht vom Kartellverbot erfasst sind.62 Die Zusammenarbeit soll notwendig sein, um das Produkt „Ligasport“ herstellen zu können.63 Dies kommt einer Bereichsausnahme gleich. Am getrennten Auftreten der Teams voneinander auf bestimmten Märkten, wie zum Beispiel bei der Nachfrage nach der Arbeitsleistung von Spielern, beim Vertrieb von Fanartikeln oder bei der Vermarktung der Werbebanden im eigenen Stadion, zeigt sich, dass die Teams sich nicht bezüglich jedes Marktes absprechen müssen. Wenn man den Markt für die Nachfrage nach der Arbeitsleistung von Spielern betrachtet, treten die Teams nicht gemeinschaftlich, sondern als Konkurrenten auf, sodass hier die These der notwendigen Zusammenarbeit bei der Herstellung von Ligasport widerlegt ist. Dies bedeutet, dass der Arbeitsgemeinschaftsgedanke im Fall einer Sportliga nur in wenigen Bereichen zum Tragen kommen kann und dass die Teams im Übrigen Konkurrenten bleiben. Damit unterscheiden sich der „Single-Entity“-Gedanke und der Arbeitsgemeinschaftsgedanke zu stark, als dass man den Arbeitsgemeinschaftsgedanken als Anknüpfungspunkt für den „Single-Entity“-Gedanken im europäischen Kartellrecht heranziehen könnte. Für die Annahme einer generellen Bereichsausnahme für den Sport kann der Arbeitsgemeinschaftsgedanke nicht herangezogen werden. 3. Zwischenfazit Als Fazit lässt sich festhalten, dass sich eine Anwendung des „Single-Entity“-Gedankens im europäischen Kartellrecht sehr schwierig gestaltet. Denn einerseits kann er in seiner reinen Form, wie er im U.S.-amerikanischen Recht vorkommt, nicht in das europäische Recht übertragen werden und andererseits findet sich für seine Anwendung auch kein Anknüpfungspunkt in Form einer der im europäischen Recht existierenden Begründungsmuster zur Einschränkung des Art. 101 Abs. 1 AEUV. Zudem konnte sich der „Single-Entity“-Gedanke selbst im U.S.-amerikanischen 62

Grundlegend Neale, Quarterly Journal of Economics 1964, 1 (4). Aus der rechtswissenschaftlichen Literatur siehe Grauer, Tulane Law Review 1989, 71 (81 f., 91). 63 Grundlegend Neale, Quarterly Journal of Economics 1964, 1 (4). Ferner siehe Roberts, Tulane Law Review 1986, 562 (569).

Der Single-Entity-Gedanke

221

Recht nicht so weit durchsetzen, dass die Rechtsprechung ihn flächendeckend anerkennt. Zwar haben ihn manche Gerichte auf der Ebene der Berufungsgerichte in Urteilen angewendet, allerdings konnte er sich in der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court bis heute nicht durchsetzen. In der letzten Entscheidung, in der er eine Rolle spielte, dem Fall „American Needle“, hob der U.S. Supreme Court sogar das zweitinstanzliche Urteil auf, in dem der „Single-Entity“-Gedanke zum Tragen gekommen war.64 Vor diesem Hintergrund würde eine Anwendung des „Single-Entity“-Gedankens in Europa bedeuten, dass eine rechtliche Konstruktion in das europäische Recht übertragen würde, die sich im Bereich der Sportligen selbst in den Vereinigten Staaten von Amerika trotz einiger Fürsprecher in der Literatur nicht durchsetzen konnte. Damit würde man im europäischen Recht im Fall der Anwendung des „Single-Entity“-Gedankens weiter gehen als in den Vereinigten Staaten von Amerika selbst, dem Mutterland dieses Ansatzes. Aus diesem Grund ist der „Single-Entity“-Gedanke im europäischen Recht nicht anwendbar.

VI. Versuche Europäischer Fußballligen, dem Kartellrecht zu entkommen 1. Hauptsächlicher Gegenstand der Bemühungen Ungeachtet des „Single-Entity“-Gedankens haben europäische Sportligen auch bisher bereits versucht, durch Gestaltung ihrer jeweiligen Strukturen dem Kartellrecht zu entkommen. Aufgrund der hohen Wirtschaftskraft der Fußballligen gilt diesen ein besonderes Augenmerk der Kartellbehörden.65 Gegenstand von deren Untersuchungen ist zumeist die Vermarktungspraxis der Sportligen hinsichtlich der Bilder, die in den audiovisuellen Medien gezeigt werden.66 Sportligen anderer Sportarten geraten wesentlich seltener ins Visier der Kartellbehörden. Daher lohnt sich ein Blick gerade auf den Fußballsport und die Bemühungen der Fußballverbände, Ligen so zu strukturieren, dass sich möglichst wenige Angriffspunkte für die Kartellbehörden bieten. Zu beobachten ist hierbei im Wesentlichen der Versuch, durch die Bündelung von Rechten des geistigen Eigentums bei dem die Liga betreibenden Sportverband dem Vorwurf von Absprachen mit den Ligamitgliedern zu entgehen. 64 Siehe American Needle, Inc. v. National Football League, 560 U.S. 183, 130 S.Ct. 2201 (2010), S. 2217 einerseits und American Needle, Inc. v. National Football League, 538 f.3d 736 (2008), S. 743 f. andererseits. 65 Als Beispiele siehe Europäische Kommission, Mitteilung gemäß Art. 19 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17/62 in den Verfahren COMP/C.2/38.173 und 38.453 gegen die FAPL und British Sky Broadcasting Ltd., abgedruckt in Abl. (EG) 2004 C/115 v. 30. 04. 2004, S. 3 – 6; BKartA, WuW/E 2682 – Fernsehübertragungsrechte I. 66 Als Beispiele siehe Europäische Kommission, Mitteilung gemäß Art. 19 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17/62 in den Verfahren COMP/C.2/38.173 und 38.453 gegen die FAPL und British Sky Broadcasting Ltd., abgedruckt in Abl. (EG) 2004 C/115 v. 30. 04. 2004, S. 3 – 6; BKartA, WuW/E 2682 – Fernsehübertragungsrechte I.

222

Michael Blos

2. Englische Premier League Aufgrund der hohen wirtschaftlichen Bedeutung soll zunächst die englische Premier League betrachtet werden. Die Fernsehbilder von den Spielen der Premier League, die für die Verwertung in den audiovisuellen Medien vorgesehen sind, werden einheitlich produziert und als vorgefertigtes Signal an die Erwerber der Verwertungsrechte weitergegeben.67 Am jeweiligen Bildrand wird das markenrechtlich geschützte Logo der Premier League eingeblendet, daneben wird zu Beginn einer jeden Übertragung die urheberrechtlich geschützte Hymne der Premier League eingespielt.68 Schließlich wird dem so vertriebenen Signal noch der englischsprachige Kommentar hinzugefügt, der auch unter den Schutz des Urheberrechts fällt.69 Auf diese Weise sollen die Rechtspositionen, die Grundlage der Verwertung der Bilder in den audiovisuellen Medien sind, zentral gebündelt werden, um so eine Zentralvermarktung zu ermöglichen, für die keine Absprache im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV notwendig ist. 3. Deutsche Fußball-Bundesligen In Deutschland geht die DFL bezüglich der Verwertung der Bilder der ersten und der zweiten Fußball-Bundesliga einen ähnlichen Weg. Auch dort versucht die Liga, die Zentralvermarktung in der Weise vom Kartellrecht fernzuhalten, dass Rechte des geistigen Eigentums zentral bei der Einheit gebündelt werden, die die Zentralvermarktung durchführt.70 Daneben wurden die beiden Bundesligen im Jahr 2001 umstrukturiert. Bei der Umstrukturierung wurden die Bundesligisten, die bis dorthin außerordentliche Mitglieder des DFB waren, in den damals neu gegründeten Ligaverband e.V. ausgegliedert, der seinerseits Mitglied des DFB ist.71 Der Ligaverband hat die beiden Bundesligen seit der Saison 2001/2002 vom DFB gepachtet und betreibt diese. Die Vermarktung der Bundesligen und damit auch die Verwertung der Rechte zur audiovisuellen Übertragung der Sportereignisse übernimmt die 100 %-ige Tochter des Ligaverband e.V., die DFL GmbH.72 Diese Maßnahme hat in erster Linie den Zweck, zu 67 Siehe hierzu EuGH, Urt. v. 04. 10. 2011, Rs. C-403/08 und 429/08, Slg. 2011, I-0000 – FAPL u. a., Rn. 36 f. 68 Siehe hierzu EuGH, Urt. v. 04. 10. 2011, Rs. C-403/08 und 429/08, Slg. 2011, I-0000 – FAPL u. a., Rn. 37, 149. 69 EuGH, Urt. v. 04. 10. 2011, Rs. C-403/08 und 429/08, Slg. 2011, I-0000 – FAPL u. a., Rn. 37. 70 „Teamgeist für perfekte Ergebnisse“, abrufbar unter http://www.sportcast.de/index. php?id=sportcast_unternehmen (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014); Heermann, CaS 2009, 1 (1); ferner Jungheim, SpuRt 2009, 13 (16). 71 § 7 Nr. 2 lit. b) der Satzung des DFB, abrufbar unter http://www.dfb.de/uploads/media/ 02_Satzung_14.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 72 § 2 des Gesellschaftsvertrags der DFL GmbH (Stand: 17. 08. 2010), abrufbar unter http:// static.bundesliga.de/media/native/dfl/satzung/satzung_dfl_2010 – 08 – 17_stand.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 03. 2014).

Der Single-Entity-Gedanke

223

verhindern, dass der DFB oder der Ligaverband als eingetragene Vereine dem Vorwurf ausgesetzt werden, sie würden sich in unzulässiger Weise wirtschaftlich betätigen. Deswegen wurde auch die Geschäftstätigkeit des Ligaverbandes auf die DFL ausgelagert, die als GmbH geschäftlich tätig werden darf. Dass der Ligaverband als Mutter der GmbH und somit als Mutter eines Wirtschaftsunternehmens tätig ist, führt – jedenfalls nach Ansicht der Rechtsprechung – nicht dazu, dass der Verein ein wirtschaftlicher gem. § 22 BGB wird.73 Nichtsdestotrotz bilden die Mitglieder der Fußball-Bundesligen und der Ligaverband eine Einheit. Damit kann die Gründung des Ligaverbandes e.V. zusammen mit der DFL GmbH als erster Schritt in Richtung der Bildung einer „Single-Entity“ angesehen werden. Des Weiteren versucht auch die DFL, durch Bündelung von Rechten des geistigen Eigentums bei sich einer kartellrechtlichen Beurteilung zu entgehen, die ihr Verhalten im Zusammenhang mit dem der Ligamitglieder als Absprache oder abgestimmte Verhaltensweise im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUVeinstuft. Hierzu bedient sich die DFL ähnlicher Mittel wie die englische Premier League. So wurde eigens das Produktionsunternehmen „Sportcast“ als Tochter der DFL gegründet.74 Dieses stellt das Signal für die audiovisuelle Verwertung der Spiele der deutschen Fußball-Bundesligen durch Aufzeichnung mit seinen Kameras her. Dieses Signal wird dann von der DFL selbst unter Mithilfe ihrer 100 %-igen Tochter DFL Sports Enterprises gegenüber den Interessenten für die audiovisuellen Medienrechte vermarktet.75 Das heißt, das Fernsehbild wird zentral hergestellt wie in England, wobei im Unterschied zur englischen Premier League das Erstellen eines Kommentars hinsichtlich jedes Spiels noch den jeweiligen Rechteerwerbern vorbehalten bleibt.76 Im Übrigen werden aber die gleichen Maßnahmen ergriffen wie in England. Das bedeutet, dass auch in Deutschland im Bild eines Bundesligaspiels das markenrechtlich geschützte Logo der Fußball-Bundesliga eingeblendet und zu Beginn der Übertragung die urheberrechtlich geschützte Hymne der Fußball-Bundesliga eingespielt wird. Da die DFL Inhaberin der Marke und der Verwertungsrechte hinsichtlich der Ligahymne ist, muss sie sich hinsichtlich deren Verwertung mit den Ligamitgliedern nicht absprechen, so dass es zunächst scheint, als sei die DFL aufgrund dieser Konstruktion dem Art. 101 Abs. 1 AEUV entkommen. 73

ten.

BGHZ 85, 84 (87 – 92) – ADAC-Verkehrsrechtsschutz. In der Literatur ist dies umstrit-

74 „Teamgeist für perfekte Ergebnisse“, abrufbar unter http://www.sportcast.de/index. php?id=sportcast_unternehmen (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 75 § 9 Nr. 1 der Ordnung für die Verwertung kommerzieller Rechte (OVR), Stand: 18. 08. 2010, abrufbar unter http://static.bundesliga.de/media/native/dfl/ligastatut/ordnung_fuer_die_ verwertung_kommerzieller_rechte_2010 – 08 – 18_stand.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014); ferner „Unser Unternehmen“, abrufbar unter http://dfl-sports-enterprises.de/Unser_Un ternehmen.html (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 76 Siehe hierzu im Presseportal des Pay-TV-Anbieters „Sky“: „Sky zeigt die Bundesliga erstmals mit Live-Untertiteln für Hörgeschädigte“, abrufbar unter http://www.presseportal.de/ pm/33221/2532147/sky-zeigt-die-bundesliga-erstmals-mit-live-untertiteln-fuer-hoergeschaedig te-ab-10-august-zeigt-sky (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014).

224

Michael Blos

4. „Single-Entity“ aufgrund der Maßnahmen? Wenn man diese Konstruktion betrachtet, bleibt trotz aller Bündelung von Rechtspositionen bei einem Unternehmen und dessen 100 %-iger Tochter fraglich, ob hierdurch eine „Single-Entity“ von Ligaverband e.V., DFL GmbH und den Ligamitgliedern entsteht. Trotz dieser Rechtebündelung verfolgen die Teams auf anderen Märkten, wie dem Markt für den Vertrieb von Merchandising-Artikeln oder dem Markt für die Leistungen von professionellen Fußballspielern, nach wie vor eigene und auch gegenläufige Interessen. Dies dürfte es im Fall einer „Single-Entity“ aber nicht geben.77 Aus diesem Grund ist festzustellen, dass keine der ergriffenen Maßnahmen zu einer „Single-Entity“ führt. 5. Zwischenfazit Damit lässt sich resümieren, dass die bestehende Vermarktungspraxis, so wie sie in Deutschland und in England durchgeführt wird, im Lichte des europäischen Kartellrechts weder zu einer „Single-Entity“ führt, noch eine kartellrechtliche Immunität der Zentralvermarktung gewährleistet.

VII. Umstrukturierung europäischer Sportligen nach dem MLS-Modell Vor dem Hintergrund der bisher gefundenen Ergebnisse stellt sich nunmehr die Frage, welche Möglichkeiten noch bestehen, um den „Single-Entity“-Gedanken im europäischen Recht fruchtbar zu machen. Möglicherweise kann durch eine Änderung des strukturellen Aufbaus europäischer Sportligen eine Ligenform geschaffen werden, die kartellrechtlich als „Single-Entity“ angesehen werden muss. 1. Die Major League Soccer (MLS) Die erste Möglichkeit besteht darin, europäische Sportligen umzustrukturieren und nach dem Vorbild der U.S.-amerikanischen Major League Soccer (MLS) aufzubauen. Die MLS wurde bereits unter Berücksichtigung möglicher Vorwürfe von Verstößen gegen § 1 des Sherman Act gegründet.78 Sie ist die nordamerikanische Fußballliga, die derzeit aus 19 Teams besteht und als einheitliches Unternehmen gegründet wurde.79 Zunächst waren gemäß dem ursprünglichen Konzept der MLS nur Be77 Grauer, Tulane Law Review 1989, 71 (94); Roberts, Tulane Law Review 1986, 562 (591). 78 Sullivan, Temple Law Review 2000, 865 (865); zur Motivation bei Ligagründungen in den USA allgemein siehe Heermann, RabelsZ 67 (2003), 106 (135 f.). 79 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 97 f.Supp.2d 130 (2000), S. 131; Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 53. Zur Ausgestaltung der MLS als „Single Entity“ siehe bereits oben II. 3.

Der Single-Entity-Gedanke

225

teiligungen an der Liga als Ganzes möglich, ohne besonderes Mitspracherecht bei einzelnen Teams. Die Liga als solche sollte die Stadien anmieten, für die Vermarktung aller Spiele sorgen und die Verantwortung und das wirtschaftliche Risiko beim Eintrittskartenverkauf aller Teams tragen.80 Dass eine solche Konstruktion als einheitliches Unternehmen anerkannt wird, innerhalb dessen Absprachen nach § 1 des Sherman Act nicht möglich sind, verwundert nicht, denn schließlich liegt in diesem Fall nur eine einzige Gesellschaft vor. Allerdings fanden sich kaum Investoren, die bereit waren, sich an einer so konzipierten Liga zu beteiligen, ohne Mitspracherechte bezüglich einzelner Teams zu haben.81 Deswegen führte die MLS die Möglichkeit ein, sich als so genannter „Operating-Investor“ an der MLS zu beteiligen.82 „Operating-Investors“ stellen eigenverantwortlich und ohne Rücksprache mit der MLS das Personal vor Ort mit Ausnahme der Spieler ein, zahlen die Hälfte der Stadionmiete und übernehmen die Vermarktung vor Ort.83 Sie erhalten dafür eine Management-Vergütung, welche die Hälfte der Erlöse aus den Eintrittskarten umfasst, und dürfen von den Einnahmen aus der TV-Vermarktung einen jährlich steigenden Sockelbetrag in siebenstelliger Höhe behalten und darüber hinaus 30 % der Einnahmen aus der TV-Vermarktung, die über den Sockelbetrag hinausgehen.84 Eine so weit gehende Übernahme des wirtschaftlichen Risikos wie im Fall der „Operating-Investor“ geht über eine bloße Kapitalanlage bei einem Unternehmen deutlich hinaus.85 Aus diesem Grund wurde in der Vergangenheit selbst für die MLS angezweifelt, ob diese wirklich eine „Single-Entity“ im Sinne von § 1 des Sherman Act darstellen kann, weil zwar noch immer formell ein einheitliches Unternehmen vorliegt, die „Operating-Investors“ aber viele eigenständige Entscheidungen treffen können.86 Ob der U.S. Supreme Court das Modell der MLS wirklich als Einheit anerkennen würde, bleibt zweifelhaft. Denn seit der Copperweld-Entscheidung geht es dem Supreme Court nicht um die gesellschaftsrechtliche Form, sondern um die Zahl der unabhängigen Zentren wirtschaftlicher Entscheidungsfindung.87

80

Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 53. Sullivan, Temple Law Review 2000, 865 (880 f., 888 f.). 82 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 53 f.; Sullivan, Temple Law Review 2000, 865 (880 f., 888 f.). Die Bezeichnungen für diese Investorengruppe variieren leicht, siehe Heermann, RabelsZ 67 (2003), 106 (130); Blask (Fn. 2), S. 23. Zur Ausgestaltung der MLS als „Single Entity“ siehe auch oben II. 3. 83 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 54. 84 Fraser v. Major League Soccer, L.L.C., 284 f.3d 47 (2002), S. 54. Ferner Heermann, RabelsZ 67 (2003), 106 (131). 85 Siehe bereits oben II. 3. 86 Sullivan, Temple Law Review 2000, 865 (896 – 901). 87 Copperweld Corporation v. Independence Tube Corporation, 467 U.S. 752, 104 S.Ct. 2731 (1984), S. 769. 81

226

Michael Blos

2. Übertragbarkeit des MLS-Modells Vor dem Hintergrund des „Single-Entity“-Gedankens könnte man für europäische Sportligen vorschlagen, sie sollten nach dem Vorbild der MLS strukturiert werden. In diesem Fall läge nur eine Einheit im Sinne des Kartellrechts vor, sodass auch nach Art. 101 Abs. 1 AEUV weder Absprachen noch abgestimmte Verhaltensweisen untereinander möglich wären. Nachdem allerdings für die MLS nach dem derzeit betriebenen Modell selbst nach dem – in diesem Punkt mit dem europäischen Kartellrecht vergleichbaren – U.S.-amerikanischen Recht bereits zweifelhaft ist, ob wirklich eine Einheit im Sinne des Kartellrechts vorliegt, gelten diese Zweifel erst recht im europäischen Kartellrecht, wo der „Single-Entity“-Gedanke bislang nur in der Literatur und nicht in der Rechtsprechung oder der kartellbehördlichen Praxis Anerkennung gefunden hat.88 Der einzige bisher dagewesene Ligaaufbau, der in jedem Fall zur Einheit im Sinne des Kartellrechts führt, ist derjenige der MLS in deren Urform. Das bedeutet, eine Liga müsste als einheitliches Unternehmen konzipiert sein, sodass ausschließlich Beteiligungen an der Liga als Ganzes und nicht die Übernahme der Leitung eines einzelnen Teams möglich ist.89 Dies bedeutet also, dass die Mitglieder einer Sportliga, die aus rechtlich verschiedenen und bisher eigenständig agierenden Mitgliedern besteht, mit dem eine Sportliga betreibenden Verband oder einer von ihm eigens hierfür gegründeten Tochtergesellschaft fusionieren müssten. Das kann dadurch geschehen, dass die eben erwähnte Tochtergesellschaft alle Anteile an den Kapitalgesellschaften erwirbt, die Rechtsträger eines Teams sind, das in der Liga mitspielt. Soweit die Mitglieder noch eingetragene Vereine sind, müssten sie den Profispielbetrieb vorher auf eine Kapitalgesellschaft ausgliedern oder alle Gegenstände, die zu ihrem Profispielbetrieb gehören, auf die Einheitsgesellschaft übertragen und entweder die Arbeitsverträge der Spieler, soweit diese zustimmen, auf die neue Gesellschaft übertragen oder deren Verträge auslaufen lassen, so dass diese gezwungen sind, sich um eine Anstellung bei der neu strukturierten Liga zu bemühen. Ein solches Vorgehen wäre mit erheblichen Kosten verbunden und würde zudem unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten die Frage aufwerfen, ob eine Zusammenschlusskontrolle stattzufinden hat. Die weltweiten Umsätze der deutschen Sportligen liegen aber jeweils noch unter den Aufgreifschwellen der Europäischen Zusammenschlusskontrolle, sodass ein Verfahren nach der FKVO nicht stattfinden müsste.90 Bei den deutschen Sportligen liegen die Umsätze in den meisten Fällen auch unterhalb der Aufgreifschwelle des § 35 GWB, sodass hier überhaupt

88

Blask (Fn. 2), S. 173 f. Siehe oben zum Konzept der MLS VII. 1. 90 Die Umsätze der anderen Profiligen in Deutschland unterschreiten diese deutlich: Eishockey (DEL): 86 Mio. Euro, Handball (HBL): 86 Mio. Euro, Basketball: 80 Mio. Euro, siehe „Deutsche Proficlubs mit Umsatzrekorden“, abrufbar unter http://www.focus.de/finanzen/ news/sport-macht-blendende-geschaefte-deutsche-proficlubs-mit-neuen-umsatzrekorden_aid_ 854548.html (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). 89

Der Single-Entity-Gedanke

227

keine Zusammenschlusskontrolle stattfinden müsste.91 Die einzige Ausnahme hiervon bildet der Fußball. Die Umsätze der deutschen Fußball-Bundesligen92 überschreiten die Aufgreifschwellen des § 35 GWB, sodass hier eine Zusammenschlusskontrolle stattfinden müsste. Deren Ergebnis hängt maßgeblich von der Abgrenzung des relevanten Marktes ab, insbesondere davon, ob man die Fußballspiele einer inländischen Sportliga mit den Spielen einer ausländischen Fußballliga oder mit den Spielen der UEFA Champions League als austauschbar ansieht. Das muss an dieser Stelle nicht vertieft werden, denn gerade im Bereich des Fußballs gibt es ein weiteres gravierendes Problem bei der Umstrukturierung in eine Liga, die insgesamt nur von einer Körperschaft getragen wird: Dieses Problem liegt bei den Reglementen der UEFA Champions League und der UEFA Europa League. Sowohl Art. 3.01 lit. c) des Reglements der UEFA Champions League als auch Art. 3.01 lit. c) des Reglements der UEFA Europa League sehen vor, dass nur ein Team pro Eigentümer an den europäischen Fußballwettbewerben teilnehmen darf.93 Im Fall der soeben vorgeschlagenen Umstrukturierung europäischer Sportligen in einheitliche Unternehmen nach dem Vorbild der MLS würde dies für eine Fußballliga bedeuten, dass nur ein Team der Liga an der UEFA Champions League teilnehmen kann, nämlich der Meister des jeweiligen Landes. Die Teams auf den weiteren Plätzen dürften wegen Art. 3.01 lit. c) des Reglements der UEFA Champions League nicht antreten. Zwar darf für ein nicht antrittsberechtigtes Team grundsätzlich der Nächstplatzierte der Abschlusstabelle der abgelaufenen Spielzeit nachgemeldet werden. Im Fall einer Liga nach dem Vorbild der MLS sind aber alle Teams von Art. 3.01 lit. c) des Reglements der UEFA Champions League betroffen, so dass kein weiteres Team antreten dürfte. Auch in der UEFA Europa League dürfte kein weiteres Team antreten, denn sobald der Meister in der Gruppenphase der UEFA 91 Ob die Aufgreifschwellen in den anderen Staaten der EU erreicht werden, ist nicht Gegenstand der Untersuchung. 92 Zu den Umsätzen der Fußball-Bundesliga in Deutschland siehe „DFL präsentiert Bundesliga Report 2014: Neunte Umsatzsteigerung in Folge auf 2,17 Mrd. Euro“, im Internet abrufbar unter http://www.bundesliga.de/de/liga/news/2013/dfl-praesentiert-bundesliga-report2014-neunte-umsatzsteigerung-in-folge-auf-2 – 17-mrd–euro.php, Stand: 28. 01. 2014 (zuletzt abgerufen am 07. 09. 2014). 93 Regel 3.01 lit. c) des Reglements der UEFA Champions League sowie die identische Regel 3.01 lit. c) des Reglements der UEFA Europa League haben folgenden Wortlaut: „Keine natürliche oder juristische Person darf Kontrolle über oder Einfluss auf mehr als einen an einem UEFA-Klubwettbewerb teilnehmenden Verein haben, wobei in diesem Zusammenhang als Kontrolle bzw. Einfluss gilt, wenn die betreffende Person: i) über die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre verfügt oder ii) das Recht hat, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des betreffenden Vereins zu bestellen oder abzuberufen.“ Das Reglement der UEFA Champions League (Stand: Saison 2013/2014) ist abrufbar unter http://de.uefa.com/MultimediaFiles/Download/Regulations/competitions/Regulations/01/94/62/ 38/1946238_DOWNLOAD.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014). Das Reglement der UEFA Europa League (Stand: Saison 2013/2014) ist abrufbar unter: http://de.uefa.com/MultimediaFiles/Download/Regulations/competitions/Regulations/01/94/62/ 42/1946242_DOWNLOAD.pdf (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014).

228

Michael Blos

Champions League nach dem derzeitigen Austragungsmodus den dritten Platz erreicht, würde dieser in die UEFA Europa League „absteigen“ und an den dortigen KO-Runden teilnehmen. Dann würden im Fall eines weiteren Teilnehmers aus der Liga an der UEFA Europa League wieder zwei Teams des gleichen Eigentümers an einem europäischen Fußballwettbewerb teilnehmen. Das würde gegen Art. 3.01 lit. c) des Reglements der UEFA Europa League verstoßen. Ein weiteres Team dürfte in der UEFA Europa League nur dann spielen, wenn ein Team aus einer anderen Liga den Pokalwettbewerb des entsprechenden Landes gewinnt, weil dieses Team einen anderen Eigentümer hätte. Im Regelfall würde eine solche Umstrukturierung dazu führen, dass in dem UEFA-Mitgliedsland, in dem die Fußballliga so umstrukturiert wird, nur ein Platz für die UEFA Champions League ausgespielt wird. Dies würde für die Liga insgesamt zu erheblichen Einnahmeverlusten führen, weil vor allem aus der UEFA Champions League erhebliche finanzielle Mittel an die Teilnehmer fließen. Nach dem bisherigen Modell erfolgen die Zahlungen zwar an die Ligamitglieder, die an der Champions League teilnehmen. Jedoch besteht auch bei diesen Geldern die Möglichkeit, Einnahmen so umzuverteilen, dass auch die nicht an den internationalen Wettbewerben teilnehmenden Teams profitieren. Nimmt nur ein Team teil, sind die insgesamt umzuverteilenden Einnahmen deutlich geringer. Insgesamt würde somit die finanzielle Leistungsfähigkeit der Liga im Fall einer Umstrukturierung nach dem Vorbild der MLS deutlich sinken. Diese Problematik betrifft zwar vordergründig den Fußball, weil dort die höchsten Einnahmen in den internationalen Wettbewerben erzielt werden. Zudem haben die meisten Sportdachverbände bisher keine vergleichbaren Regelungen erlassen.94 Sobald Pläne für eine Umstrukturierung einer Sportliga bekannt werden, die die Liga zu einer Einheit wie die MLS macht, ist allerdings damit zu rechnen, dass auch andere internationale Sportdachverbände nachziehen und ähnliche Regelungen erlassen, um in der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermeiden, ein einzelner Rechtsträger aller Teams würde nur einen Schauwettbewerb veranstalten, dessen Ergebnis er selbst steuert. Daher ist zwar festzuhalten, dass durch eine Umstrukturierung einer Sportliga nach dem ursprünglichen Modell der MLS ohne „Operating-Investors“ zwar eine Einheit im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV erreicht werden kann, dass eine solche Umstrukturierung aber (höchstwahrscheinlich) mit großen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden wäre, so dass sich ein solches Vorgehen praktisch nicht lohnt. Sportligen werden daher bei ihrem Versuch, sich einem Zugriff der Kartellbehörden möglichst weitgehend zu entziehen, einen anderen Weg beschreiten wollen, um den mit

94 Entsprechende Regeln finden sich bisher weder bei der EHF Champions League, bei der Euroleague im Basketball noch für den Eishockeysport, in dem es derzeit keinen Vereinswettbewerb auf europäischer Ebene gibt. Siehe „Vision for united Europe tourney“, abrufbar unter http://www.iihf.com/home-of-hockey/news/news-singleview/recap/7970. html?tx_ttnews %5BbackPid %5D=1&cHash=6b6d378d17 (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014).

Der Single-Entity-Gedanke

229

der Struktur des einheitlichen Unternehmens als Rechtsträger der Liga verbundenen praktischen Nachteilen zu entgehen. 3. Zwischenfazit Damit ist festzuhalten, dass zwar Möglichkeiten für Sportligen bestehen, sich dem Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu entziehen. Jedoch sind diese Maßnahmen wegen des jeweils mit ihnen verbundenen enormen wirtschaftlichen Aufwands praktisch kaum durchführbar.

VIII. Fazit Als Fazit dieser Untersuchung lässt sich anführen, dass der „Single-Entity“-Gedanke als solcher nicht auf das europäische Recht übertragbar ist, weil er sich einerseits in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung nicht durchsetzen konnte und weil im europäischen Kartellrecht keine rechtliche Konstruktion existiert, die ihn tragen kann. Für die europäischen Sportligen bestehen aber Möglichkeiten, sich dem Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV ganz oder zu einem wesentlichen Teil zu entziehen. Dies kann durch eine Umstrukturierung der Liga nach dem Modell der U.S.-amerikanischen MLS geschehen, wobei keine „Operating-Investors“ zuzulassen sind.95 Eine solche Maßnahme wäre aber mit erheblichen Einnahmeverlusten auf Seiten der Sportliga verbunden, weil Teilnahmebeschränkungen in internationalen Wettbewerben bestehen oder drohen.96 Aus diesem Grund werden viele europäische Sportligen eine solche Umstrukturierung scheuen, selbst wenn die Mitglieder ihrer Führungsgremien von dieser Möglichkeit wissen. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass es Möglichkeiten für Sportligen gibt, sich dem Art. 101 Abs. 1 AEUV zumindest weitgehend zu entziehen, dass diese aber in der Praxis voraussichtlich nicht durchgeführt werden.

95 96

Siehe oben VII. 1. Siehe oben VII. 1.

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes: Vom zweiten zum vierten EU-Beitrag* Jacob Kornbeck I. Einleitung: Inhalt und Beweggründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Prozess und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht zum Verfahren seitens der WADA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übersicht zum Verfahren seitens der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Struktur und Inhalt der 2013er EU-Beiträge zur Code-/IS-Revision . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkungen: Vom ersten zum zweiten EU-Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Struktur und Inhalt des zweiten EU-Beitrags (4. Oktober 2012) . . . . . . . . . . . . . . 3. Struktur und Inhalt des dritten EU-Beitrags (26. Februar 2013) . . . . . . . . . . . . . . . 4. Struktur und Inhalt des vierten EU-Beitrags (22. Juli 2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltliche Schwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkung (Impact) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Parallele Entwicklungen auf EU-Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

231 232 232 234 235 235 236 241 243 245 245 249 252 254

I. Einleitung: Inhalt und Beweggründe Da am 01. Januar 2015 der World Anti-Doping Code 2009 durch den künftigen World Anti-Doping Code 2015 ersetzt wird, organisierte die World Anti-Doping Agency (WADA) in den Jahren 2011 – 13 eine Reihe weltweiter Konsultationen, an denen sich die Europäische Union (EU) aufgrund ihrer neuen, durch den Vertrag von Lissabon verliehenen sportpolitischen Kompetenz beteiligt hat. Auf den am * Revidierte Fassung eines im Rahmen der 14. Interuniversitären Tagung Sportrecht am 21./22. 06. 2013 in Berlin gehaltenen Referats. Der Verf. ist Beamter in der Europäischen Union. Zur Zeit der Tagung referierte er als Verwaltungsrat (Policy Officer) des Sportreferats der Europäischen Kommission (2011 – 14). Seitdem ist er Verwaltungsrat (Legal Officer) im Sekretariat des Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDPS). Die im Beitrag zum Ausdruck gebrachten Meinungen sind lediglich die des Verf., sie dürfen nicht als amtliche Positionen der Kommission bzw. des EDPS begriffen werden. – Mein besonderer Dank gilt Herrn Samy Julien Hamama (EU Affairs Manager, FIFA, Zürich) sowie meinen Kollegen Jörg Huperz und Marcin Kociula (damals DG Justiz, aktuell DG Markt) für ihre Unterstützung, Ratschläge und Kritik bei der Erarbeitung dieses Beitrags. Die Grafik wurde durch den Praktikanten Francesco Raviglione erarbeitet. Herrn Rune Andersen (bis 2014 Director Standards and Harmonization, WADA, Montréal) wird für die Genehmigung, die in Abb. 1 verwendeten Zahlen aus einem WADA-Sitzungsdokument zu zitieren, gedankt.

232

Jacob Kornbeck

14. März 2012 vom EU-Ministerrat (Rat der Europäischen Union) verabschiedeten und gleich danach vom dänischen EU-Vorsitz (Sportminister) offiziell an die WADA übermittelten „ersten EU-Beitrag“ (First EU Contribution)1 – dieser erste Beitrag wurde bereits im Rahmen einer eigenständigen Abhandlung (unter Berücksichtigung vieler Verfahrensaspekte, die hier nicht erneut zu erläutern sind) gewürdigt2 – folgten drei weitere, die Gegenstand des vorliegenden Aufsatzes sind. Im am 4. Oktober 2012 verabschiedeten (vom zypriotischen EU-Vorsitz übersandten) „zweiten EUBeitrag“,3 im am 26. Februar 2013 verabschiedeten (vom irischen EU-Vorsitz übersandten) „dritten EU-Beitrag“4 sowie im am 22. Juli 2013 verabschiedeten (vom litauischen EU-Vorsitz übersandten) „vierten EU-Beitrag“5 bezog die EU nicht nur zum künftigen Code, sondern auch zu den künftigen International Standards (IS) Stellung. Die Inhalte, Beweggründe und Auswirkungen dieser EU-Beiträge stellen den Hauptteil des vorliegenden Beitrags dar. Abschließend soll eine Würdigung dieses sportpolitischen Instruments der EU vorgenommen werden. Die Terminologie dieses Beitrags wurde soweit möglich mit der im nationalen Code der NADA Deutschland6 in Einklang gebracht; jedoch finden sich darin nicht alle hier angesprochenen Bestimmungen bzw. Begriffe wieder, so dass in einigen Fällen eine Ad-hoc-Übersetzung von Nöten war.

II. Prozess und Verfahren 1. Übersicht zum Verfahren seitens der WADA Das Verfahren und die Arbeitsweise der EU waren bestimmt durch die WADA, deren Konsultationsverfahren in drei Phasen ablief, die sich jeweils für den Code bzw. die IS unterschiedlich gestalteten (vgl. folgende Abbildung). 1 Council approves EU contribution to the revision of the World Anti-Doping Code, abrufbar unter http://ec.europa.eu/sport/news/2012/20120314b_en.htm (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2014) (Pressemitteilung, Unterlagen, der vom Rat verabschiedete Text). 2 Vgl. Kornbeck, Der erste EU-Beitrag zur Revision des World Anti-Doping Code (WADC), in: Vieweg (Hrsg.), Lex Sportiva, im Ersch. 3 EU Council approves second EU contribution to the revision of the World Anti-Doping Code, abrufbar unter http://ec.europa.eu/sport/news/2012/20121005-eu-council_en.htm (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2014) (Pressemitteilung, Unterlagen, der vom Rat verabschiedete Text). 4 EU Council approves third EU contribution to the revision of the World Anti-Doping Code, http://ec.europa.eu/sport/news/2013/20130308-eu-council-wada-code_en.htm (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2014) (Pressemitteilung, Unterlagen, der vom Rat verabschiedete Text). 5 EU Council approves fourth EU contribution to the revision of the World Anti-Doping Code, http://ec.europa.eu/sport/news/2013/20130724-eucouncil-antidoping-code_en.htm (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2014) (Pressemitteilung, Unterlagen, der vom Rat verabschiedete Text). 6 Nationale Anti-Doping Agentur Deutschland: Nationaler Anti-Doping Code 2009, abrufbar unter http://www.nada.de/de/service-infos/downloads/regelwerke/#.U2NHdU2KC7 (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014).

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes

233

Quelle: WADA.7

In der 1. Code-Konsultationsphase (28.11.11 – 15.03.12) konnten lediglich Beiträge zum Code 2009 vorgelegt werden, mit deren Hilfe das Code Drafting Team dann den ersten Entwurf des Codes 2015 erarbeitete. Dieser Entwurf (Draft Version 1.0) wurde vom WADA-Exekutivkomitee (WADA Executive Committee, WADA ExCo) und dem WADA-Stiftungsrat (WADA Foundation Board, WADA FB) (17.–18.05.12) verabschiedet und anschließend (01.06.12) online weltweit verfügbar gemacht. In der 2. Code-Konsultationsphase, die zugleich als 1. IS-Konsultationsphase fungierte (01.06.–10.10.12), konnten lediglich Beiträge zum Draft Code 2015 (Fassung 1.0 vom 01.06.12) vorgelegt werden, während sich Beiträge zu den IS auf die damals jeweils geltenden (in unterschiedlichen Jahren verabschiedeten) IS beziehen mussten.8 Mit Hilfe dieser Beiträge entstanden der zweite Code-Entwurf sowie die ersten IS-Entwürfe. Nachdem diese Entwürfe von WADA ExCo und WADA FB (17.–18.11.12) verabschiedet worden waren, wurden sie am 01.12.12 online verfügbar gemacht. In der 3. Code-Konsultationsphase bzw. 2. IS-Konsultationsphase (01.12.12 – 01.03.13) schließlich wurden Beiträge zum Draft Code 2015 (Fassung 2.0 vom 01.12.12) sowie zu den Draft IS 2015 (Fassung 1.0 vom 01.12.12) angenommen. Nach Ablauf der Einsendefrist konnten die abermals überarbeiteten Entwürfe des WADA ExCo und des WADA FB (11.–12.05.13) in weltweiten Umlauf gesetzt werden (01.06.13), wonach keine formellen Konsultationsme7

Meeting Date: 11.–12. 05. 2013, Agenda Item # 7.1, Matter for WADA Executive Committee and Foundation Board – Information/Discussion – Department/Area: Standards and Harmonization – Subject: Code and International Standards Review (WADA-Tischvorlage – zitiert mit Genehmigung – Archiv J.K.). 8 List of Prohibited Substances and Methods (List) 2012 (jährlich); International Standard for Testing (IST) 2012; International Standard for Laboratories (ISL) 2012; International Standard for Therapeutic Use Exemptions (ISTUE) 2011; International Standard for the Protection of Privacy and Personal Information (ISPPPI) 2009, abrufbar unter http://www.wadaama.org/en/World-Anti-Doping-Program/Sports-and-Anti-Doping-Organizations/InternationalStandards/ (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014). Zu allen IS gibt es verschiedene Annexes, Models, Guidance Documents, etc.

234

Jacob Kornbeck

chanismen mehr vorgesehen waren. Schließlich wurden Code und IS 2015 nochmals vom WADA ExCo im September beraten und definitiv durch das WADA ExCo und den WADA FB im Rahmen der Weltkonferenz in Johannesburg im November 2013 verabschiedet. (Obwohl Tausende von Delegierten aus aller Welt teilnahmen, stimmten diese darüber nicht ab.) Obwohl im Sommer 2013 keine Beiträge mehr vorgesehen waren, meldete sich die EU während dieser informellen Phase dennoch nochmals zu Wort, um den Draft Code 2015 (Fassung 3.0) sowie die Draft IS 2015 (Fassung 2.0) (beide vom 01.06.13) zu kommentieren. Bemerkenswert erscheint die weltweit sehr niedrige Rücklaufquote von Regierungsseite (vgl. Abb. 1). Erfreulich ist die relativ hohe Beteiligung Nationaler Anti-Doping-Organisationen (NADOs), wobei die Regierungen weltweit die Hälfte der Beiträge zahlen (darunter die europäischen Regierungen beinahe die Hälfte dieser Hälfte). Vor diesem Hintergrund erscheint es besonders wichtig, dass sich die 28 EU-Mitgliedstaaten blockweise zu Wort gemeldet haben. Dabei haben die zweite, dritte und vierte Konsultationsphase nicht nur die Möglichkeit geboten, neue Anregungen einzubringen, sondern auch darauf zu reagieren, ob und wie die WADA vorherige Anregungen berücksichtigt hatte und ggf. die WADA dazu aufzufordern, nicht aufgenommene Anregungen doch noch aktiv in Erwägung zu ziehen. 2. Übersicht zum Verfahren seitens der EU Wie beim ersten EU-Beitrag ergab sich der Entschluss des (Minister-)Rates der EU zum gemeinsamen Handeln aus Art. 165 AEUV (Verabschiedung nichtverbindlicher, sportpolitischer Texte im Rat), aus dessen Schlussfolgerungen zur Dopingbekämpfung (2000)9, dessen Schlussfolgerungen „über die Rolle der EU im internationalen Kampf gegen Doping“ (2010)10 sowie aus der Entschließung zur Vertretung der Mitgliedstaaten im WADA FB (2011)11. Die konkrete Vorgehensweise ergab sich aus dem EU-Arbeitsplan für Sport 2011 – 1412 sowie aus den Schlussfolgerungen zur Be-

9

ABl. C 356, 12. 12. 2000, S. 1. Schlussfolgerungen des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Rolle der EU im internationalen Kampf gegen Doping, Abl. C 324, 01. 12. 2010, S. 18. 11 Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten zur Vertretung der EU-Mitgliedstaaten im Stiftungsrat der Welt-Anti-DopingAgentur (WADA) und zur Koordinierung der Standpunkte der EU und ihrer Mitgliedstaaten vor den WADA-Sitzungen, Abl. C 372, 20. 12. 2011, S. 7 – 9. 12 Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten zu einem Arbeitsplan der Europäischen Union für den Sport (2011 – 2014), Abl. C 162, 01. 06. 2011, S. 1 – 5 – insbes. Anh. I, S. 4, in dem die Maßnahme „Ausarbeitung eines Entwurfs von Bemerkungen der EU zur Überarbeitung des Anti-Doping-Codes der WADA“ der Expertengruppe „Antidoping“ anvertraut und unter „Zielvorgaben und Fristen“ festgeschrieben wird: „Vorläufiger Entwurf von Bemerkungen der EU bis Anfang 2012 und entsprechendes Follow-up“. 10

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes

235

kämpfung von Doping im Freizeitsport13. Wie beim ersten EU-Beitrag wurde die EU-Arbeitsgruppe „Antidoping“ mit der Erarbeitung eines ersten Entwurfs beauftragt, der nach Beratung in den einschlägigen Ratsgremien (Arbeitsgruppe „Sport“, COREPER) vom Rat verabschiedet und durch den Sportminister des Vorsitzlandes (Zypern, Irland) der WADA offiziell zugeleitet wurde. Das Verfahren bediente sich somit formaler Ratsstrukturen, um einen eindeutig politischen Text zu verabschieden und offiziell auf der sportpolitischen Weltbühne zu verkünden. Ebenso wie beim ersten EU-Beitrag wurden hauptsächlich auf abgeleitetes EU-Recht (Sekundärrecht) gestützte Forderungen gestellt und insgesamt Zurückhaltung geübt. Dies geschah einerseits, um den gestellten Forderungen größeres Gewicht zu verleihen, andererseits um die originär sportpolitische Rolle des Europarats und dessen Anti-Doping-Konvention zu würdigen.

III. Struktur und Inhalt der 2013er EU-Beiträge zur Code-/IS-Revision 1. Vorbemerkungen: Vom ersten zum zweiten EU-Beitrag Der erste EU-Beitrag hatte sich mit fünf großen Sachthemen, die aufgrund des Code 2009 als verbesserungsbedürftig erachtet wurden, befasst: „Heranwachsende Datenschutzprinzipien“ bzw. emerging data privacy principles (Unbestimmtheit eines im Code gebrauchten Leitbegriffs); use of ADAMS (Anwendung der ADAMS-Datenbank und Vereinbarkeit mit dem Datenschutzrecht der EU und ihrer Mitgliedstaaten); RTPs and whereabouts (Zusammensetzung, Größe und Anwendung der in Verbindung mit der Regelung zur Meldepflicht [„Whereabouts“] wichtigen Registered Testing Pools [RTPs] von Elite-Athleten); involvement of Governments (Beteiligung und Rolle von Regierungen); public disclosure (Weiterleitung personenbezogener Informationen). Die Berücksichtigung dieser fünf Problemkreise ergab sich aus den Erfahrungen der am Prozess Beteiligten mit der Anwendung des Code 2009. Im zweiten und dritten EU-Beitrag wurde weitgehend darauf geachtet, inwiefern die zuvor durch die EU aufgestellten Forderungen bzw. Vorschläge in späteren Entwürfen Berücksichtigung gefunden hatten, was regelmäßig zu einem systematischen Vergleich (und teilweise auch zu leichten Beanstandungen) führte. Darüber hinaus wurde ebenfalls eine begrenzte Zahl neuer Themen aufgegriffen, unter anderem solche, die durch die WADA ganz neuartig in die Diskussion eingeführt wurden (insbes. Abschaffung der B-Probe, Sanktionen für Mannschaftssportarten).

13 Schlussfolgerungen des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 10. Mai 2012 zur Bekämpfung von Doping im Freizeitsport, Abl. C 169, 15. 06. 2012, S. 9 – 11.

236

Jacob Kornbeck

2. Struktur und Inhalt des zweiten EU-Beitrags (4. Oktober 2012) Der zweite EU-Beitrag setzt sich aus zwei Teilen zusammen, deren erster Anmerkungen zum ersten in Umlauf gebrachten Entwurf des Code 2015 (V. 1.0, 01.06.12) enthält, wohingegen sich die Anmerkungen im zweiten Teil auf die jeweils aktuellen Fassungen der International Standards (IS) beziehen. Dieser Unterschied ergibt sich aus der Tatsache, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die für diesen Beitrag relevante Konsultationsphase eingeleitet wurde, die WADA gerade den ersten Code-Entwurf in Umlauf gebracht hatte, während es noch keine IS-Entwürfe gab. Bezüglich des Verweises auf „heranwachsende Datenschutzprinzipien“ (Emerging data privacy principles) in Code-Art. 4.7 begrüßte die EU, dass das Problem durch Streichen des Adjektivs emerging („heranwachsend“, emergent) gelöst worden sei.14 Dieses Anliegen war überaus wichtig gewesen, da der bis dahin geltende Begriff nur sehr unzureichend definiert war („heranwachsende“ Prinzipien können gerade bei einem bereits durch Gesetzgebung geregelten Sachgebiet nicht ausreichen), weswegen die EU die von der WADA vorgeschlagene Lösung begrüßte. Hinsichtlich der Verwendung der ADAMS-Datenbank (Art. 4.4, 14.4, 14.6, 15.2) zeigte sich die EU ebenfalls zufrieden, da der neue Text Verweise auf Datenschutz und Privatleben enthielt.15 Ebenfalls teilweise zufriedengestellt zeigte sich die EU mit der Meldepflichtregelung (Whereabouts) nach Art. 5.1.1 bzw. 14.4, die bekanntlich in Europa für sehr viel Furore gesorgt hat. Einerseits begrüßte die EU den Satz „Testing shall only be undertaken for anti-doping purposes“ (Art. 5.1), da dieser die Verhältnismäßigkeit (Proportionalität) und Zweckgebundenheit der Meldepflichtregelung betone und potentieller Willkür in der Ausübung einen Riegel vorschieben könne; andererseits zeigte sich die EU nicht überzeugt, dass dieser Satz alleine genüge, um unakzeptable Praktiken zu vermeiden. Schließlich forderte die EU die WADA dazu auf, in anderen Teilen des Codes die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit bzw. Notwendigkeit (proportionality, necessity) festzuschreiben, um Athletenrechte besser zu schützen.16 Zu den Erwartungen der „Unterzeichner“ (Signatories, d. h. IOC, IPC und internationale Fachverbände17) an Regierungen wiederholte die EU ihre im ersten EUBeitrag ausgedrückten, souveränitätsbezogenen Bedenken und zeigte sich besorgt, dass dieser Text den Eindruck von Verpflichtungen erwecken könne. Die EU notierte 14 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 2.1.1. „Emerging data privacy principles (Code Art. 14.7)“. 15 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 2.1.2. „Use of ADAMS (Code Art. 4.4, 14.4, 14.6, 15.2)“. 16 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 2.1.3. „High-Profile Athlete Pools (HPAP’s) (ex-Registered Testing Pools [RTPs]) and Whereabouts / respect of the principle of proportionality and human rights (Code Art. 5.1.1, 14.4).“ Nota bene: Wurde in diesem Entwurf die Ersetzung des Begriffs RTP durch HPAP in Erwägung gezogen, so ist mittlerweile wieder (seit dem Draft Code V. 2.0) von RTPs die Rede. 17 NADA Code 2009 (Fn. 6), Art. 10.10.3.

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes

237

mit Bedauern, dass ihren Wünschen in keiner Weise entsprochen worden sei, und forderte die WADA dringend dazu auf, diese doch noch in Erwägung zu ziehen.18 Konkret wurde der WADA eine umfassend umformulierte Fassung desjenigen Abschnittes in der Code-Einleitung anheimgestellt, in der die Autonomie der Anti-Doping-Bestimmungen von staatlichem Recht verkündet wird und alle mit Disziplinarverfahren (einschließlich Appellverfahren) betrauten Organe (einschließlich staatlicher Gerichte) dazu aufgefordert werden, von üblichen Rechtsnormen abzusehen19.20 Ebenfalls wurde auf umfassende Änderungen des Art. 22 (Signatories’ expectations on Governments) gedrängt, wobei diese Änderungen gestaffelt vorgetragen wurden: Sollten die am weitesten gehenden Änderungen doch nicht angenommen werden, drängte die EU subsidiär auf eine weniger weitgehende Lösung.21 Zur Veröffentlichung von Test-/Analyseergebnissen und Informationen über Sanktionen (Public disclosure) nach Art. 14.3 bzw. 14.7 betonte die EU, dass der Entwurf vom 01. Juni 2012 (vor dem Hintergrund des Art. 10.11 sowie nicht zuletzt der verschärften Bestimmung in Art. 14.2) verbesserungsbedürftig sei, um die Rechte des Angeklagten besser zu schützen und die prozessuale Waffengleichheit zwischen Anklage und Verteidigung wiederherzustellen. Die EU rief die Erwartungen in Erinnerung, die sie im Rahmen des Dialogs mit dem Europarat und der WADA in den Jahren zuvor geäußert hatte und die zur Verabschiedung revidierter Datenschutznormen geführt hätten (siehe oben). Sie rief die WADA dazu auf, in diesem Geiste angemessene sowie verhältnismäßige (appropriate and proportionate) Regeln sowie Interpretationshilfen zu verabschieden und dabei nicht zuletzt die aktuelle Beschränkung auf eine Veröffentlichung in Printmedien, wie diese in einigen Staaten (einschließlich Deutschlands) gilt, zugrunde zu legen.22 Dahingegen wird aktuell erwartet, dass die NADOs und die internationalen Fachverbände (IFs) systematisch alle Entscheidungen im Internet verkünden. Nach dieser Liste von Anmerkungen, bei denen der Entwurf V. 1.0 mit den im ersten EU-Beitrag vorgeschlagenen Änderungen verglichen worden war, wurden eine 18 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 2.1.4. „Involvement of Governments (Code Introduction; Code Art. 22)“. 19 „These sport-specific rules and procedures aimed at enforcing anti-doping rules in a global and harmonized way are distinct in nature from criminal and civil proceedings. They are not intended to be subject to or limited by any national requirements and legal standards applicable to such proceedings, although they are intended to be applied in a manner which respects the principles of proportionality and human rights. When reviewing the facts and the law of a given case, all courts, arbitral hearing panels and other adjudicating bodies should be aware and respect the distinct nature of the anti-doping rules in the Code and the fact that those rules represent the consensus of a broad spectrum of stakeholders around the world with an interest in fair sport.“ (Code, Introduction, S. 18) 20 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 2.1.4.1 „Rationale and Interpretation (Code Introduction)“. 21 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 2.1.4.1 „Signatories’ expectations on Governments (Art. 22)“. 22 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 2.1.5. „Public disclosure (Art. 14.3)“.

238

Jacob Kornbeck

Reihe von Aspekten dieses Entwurfs, die neu (und deshalb zur Zeit der Erarbeitung des ersten EU-Beitrags unbekannt) waren, mit dem Ziel angesprochen, der WADA verschiedene Verbesserungen vorzuschlagen. Im Hinblick auf die Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen23 begrüßte die EU den Text des Entwurfs V. 1.0, da nunmehr keine Einschränkung der Appellmöglichkeiten vorgesehen sei. Dennoch rief die EU die EU-Charta (Art. 47) sowie die Menschenrechtskonvention des Europarats (Art. 6 Abs. 1, Recht auf ein faires Verfahren) in Erinnerung und forderte die WADA zu einer weiteren Umarbeitung des Art. 13 auf, um nicht bei Athleten den Eindruck zu erwecken, als hätten sie durch ihre Teilnahme am Sport ihre Grundrechte verwirkt.24 Zur Meldepflichtregelung und der damit einhergehenden Verwendung der ADAMS-Datenbank begrüßte die EU ausdrücklich die im Entwurf V. 1.0 enthaltene Formulierung des Art. 2.4, der zufolge High-Athlete Testing Pools (HPAPs, d. h. Registered Testing Pools bzw. RTPs) sowohl verhältnismäßig als auch notwendig sein müssen, um ein effektives Testprogramm durchzuführen.25Anderenfalls wäre etwa ein Profiling zulässig gewesen. Ebenfalls ausdrücklich begrüßt wurde der Zusatz „or any other system approved by WADA“ in den Bestimmungen zu medizinischen Ausnahmeregelungen26 (Art. 4.4.1), zur Identifikation vorheriger Dopingvergehen (Art. 7.6), zur ADAMS-Verwendung allgemein (Art. 14.4), zur Rolle der WADA als „Doping Control Information Clearinghouse“ (Art. 14.6), zum Out-Of-Competition Testing (Art. 15.2) sowie zu Meldepflichtversäumnissen (MPV) (IST 11.3) (siehe unten), sodass die Forderung systematisch überall dort umgesetzt wurde, wo im Code Athletenrechte durch eine Freistellung der NADOs bzw. IFs im Hinblick auf die Wahl ihres IT-Systems noch gestärkt werden könnten. Darüber hinaus forderte die EU die WADA dazu auf, eine Liste der zugelassenen Systeme zu verabschieden und zu veröffentlichen.27 Weitaus kontroverser dagegen fiel die Auseinandersetzung mit der vorgeschlagenen Abschaffung der B-Probe aus.28 Zum einen gilt diese als wichtigstes Prozessmittel angeklagter Athleten, wo sonst keine prozessuale Waffengleichheit gewährt zu werden scheint,29 zum anderen wurde der Vorschlag zu einem erstaunlich späten Zeitpunkt eingebracht, wobei das WADA-Management die Idee früher öffentlich

23

NADA Code 2009 (Fn. 6), Art. 13. Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 2.2.1. „Appeals (Code Art. 13)“. 25 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 2.2.2. „Issues related to Whereabouts requirements and the ADAMS database“. 26 NADA Code 2009 (Fn. 6), Art. 4.4. 27 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 2.2.2. „Issues related to Whereabouts requirements and the ADAMS database.“ 28 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. „New 2.2.2.2“ „Notification after review regarding adverse analytical findings.“ 29 Lambertz/Longree, SpuRt 2012, 143 – 146. 24

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes

239

diskutiert hatte.30 Da die der anklagenden Anti-Doping-Organisation (ADO)31 (Code Art. 3.1) auferlegte Beweislast vor dem Hintergrund des strict liability principle (Code Art. 2.1) zu sehen ist, während eine Reihe von Anti-Doping-Vergehen fast nur von der ADO festgestellt werden können (Art. 2.2 – 2.8), muss der Möglichkeit, einen falschen Positivbefund durch eine B-Probe-Analyse nachzuweisen, größte rechtspolitische Bedeutung beigemessen werden, wie z. B. der spektakuläre Fall Diane Tarausi gezeigt hat.32 In diesem Fall drückte sich die EU in ungewohnter Kürze und ganz ohne diplomatische Vorbehalte aus: „The EU does not accept WADA’s proposal.“ Schließlich wurde der Vorschlag zurückgezogen, was wohl auch auf die Proteste anderer Stakeholder33 zurückzuführen sein muss; der Druck der EU dürfte sicherlich mitentscheidend gewesen sein. Ebenfalls kontrovers war der (wiederrum erstmalig gestellte) Vorschlag, bei Mannschaftssportarten im Falle zweier Positivfälle Mannschaftssanktionen zu ver30 Vgl. Red (2011): World Anti-Doping Agency’s David Howman says practice of testing backup PED sample should be stopped. NY Daily News, April 4, 8.13 PM, http://www.nydaily news.com/sports/i-team/world-anti-doping-agency-david-howman-practice-testing-backupped-sample-stopped-article-1.108562#ixzz2ZOCBlTo6 (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2014). 31 Sei es eine Nationale Anti-Doping-Organisation (NADO), ein internationaler Fachverband (International Federation, IF), das IOC oder ein Event Organiser. 32 Stellvertretend für viele siehe Red (Fn. 30): „[…] ,We spend half our time justifying costs,’ Howman continued. ,Here’s a way in which you could save a lot of costs and not hurt any person’s individual rights or opportunities. I don’t know if there’s a resistance or not but it would certainly make a lot of difference economically.’ But anti-doping pioneer Don Catlin disagreed with Howman’s observation, and said that athletes should be up in arms if Howman’s vision becomes permanent policy. ,You’re taking the right of appeal away from athletes, and I don’t think that’s good at all,’ Catlin, who is testifying in Barry Bonds’ perjury trial in San Francisco, told the Daily News. ,It also handicaps (testing) labs a whole lot. They’re losing big time. It’s cheaper, but they’re going to have to really crunch. You only have so much urine to go around. I really have problems with (Howman’s remarks).’“ 33 Vgl. 2015 Code Review – Third Code Consultation Phase, abrufbar unter http://www. wada-ama.org/Documents/World_Anti-Doping_Program/WADP-The-Code/Code_Review/Co de%20Review%202015/3rd%20consultation/Code%20part%201/WADA-Code-Review2015 – 3rd-Consult-Part-1-Art-07.pdf (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014): „Anti-Doping Norway commend WADA to reinstate the B-sample as a legal safety valve for athletes and laboratories and provide the necessary legal weight in several cases.“ (S. 2) „iNADO [Institute of National Anti-Doping Organisations] supports reintroduction of the B sample analysis. Removing it would create more issues than it would solve. It is not clear that it would save much time in the doping control station or the laboratory or much money in equipment, transportation and analysis costs. (For example, fewer than 2 % urine samples produce an adverse analytical finding and in many of these cases the B sample is not analysed. So the B sample analysis costs are not a major burden on ADOs.) Eliminating the B sample analysis would remove a useful safeguard and may reduce Athlete, public and legal confidence in doping control and in sport arbitration. While the number is statistically insignificant, over the years there have been B samples that did not confirm the A sample. For those Athletes, that outcome has been critical.“ (S. 3) „Swedish Sports Confederation: […] that the LDP cannot be requested unless the Athlete also requests an analysis of the B-sample, and that the Athlete should pay for the costs related to the LDP and the analysis of the B-sample. If the Athlete is found not guilty, the fees would be refunded.“ (S. 16)

240

Jacob Kornbeck

hängen. Obgleich angezweifelt werden durfte, inwieweit diese Regel wirklich angewandt würde – wer würde wohl die Verantwortung dafür übernehmen, die gesamte Mannschaft von Manchester United zu sperren? –, sah sich die EU veranlasst, die Rücknahme dieses Vorschlags zu verlangen.34 Wie der B-Probe-Vorschlag wurde auch dieser zurückgezogen, wohl nicht nur wegen der Proteste der EU (auch andere Stakeholder waren dagegen), doch erscheint es realistisch, dem EU-Beitrag hier eine wichtige unterstützende Rolle beizumessen. Im zweiten Teil des Beitrags wurden die noch gültigen International Standards (IS) angesprochen. Hier waren die Anmerkungen allgemein von geringerem Umfang und betrafen im International Standard on Testing (IST) die Streichung des Adjektivs „inexcusable“,35 die Zustimmung zu einem Mehr an Verhältnismäßigkeit in zwei Fällen,36 einen Vorschlag zu einem neuen Text zur Meldepflichtregelung37 sowie die Forderung, auch im IST explizit darauf hinzuweisen, dass andere IT-Systeme als ADAMS zulässig seien.38 Dieselbe Forderung wurde im Hinblick auf den International Standard on TUEs (ISTUE 2011) gestellt,39 in dem auch ein datenschutzbezogener Vorschlag unterbreitet wurde.40 Der WADA-Datenschutz-Standard (ISPPPI 2009) hat seit dem Jahr 2008 für erhebliche Aufmerksamkeit gesorgt und ist teilweise recht kontrovers diskutiert worden.41 Die Verabschiedung eines revidierten ISPPPI im Mai 200942 sowie eines An34

Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 2.2.2.4. „Consequences for team sports (Code Art. 11.2)“. 35 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 3.1.1. „IST section 2, IST comment on Code Art. 10.3.3“. 36 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 3.1.2. „Objectives (IST Clause 5.1)“, Zi. 3.1.4. „Athlete Whereabouts Requirements (Objective/general principles) (60-minute slot) (IST Clause 11.1.3)“. 37 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 3.1.3. „Athlete Whereabouts Requirements (Objective/ general principles) (quarterly Whereabouts Filing) (IST Clause 11.1.3)“. 38 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 3.1.5. „Whereabouts Filing Requirements (IST Clause 11.3)“. 39 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 3.2.1. „Therapeutic Use (ISTUE section 2, IST comment on Code Art. 4.4)“. 40 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 3.2.2. „Doping Control Information Clearinghouse (IST section 2, IST comment on Code Art. 14.5)“. 41 Vgl. WADA-Reaktionen: „Data Protection. A number of legal opinions have been published in relation to the compatibility of the International Standard for the Protection of Privacy and Personal Information with various national and European laws. In addition, WADA has issued a number of statements and clarifications about data protection in the fight against doping in sport. These documents can be found in the Download Center to the right. Last Updated November 2009“, http://wada-ama.org/en/World-Anti-Doping-Program/Sportsand-Anti-Doping-Organizations/International-Standards/Protection-of-Privacy-and-Personal-In formation-/Data-Protection/ (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2013). Eine wissenschaftliche Analyse dieser Beiträge wurde durch Waddington, Surveillance and control in sport: a sociologist looks at the WADA whereabouts system, International Journal of Sport Policy and Politics 2010, 255 – 274, vorgelegt.

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes

241

hangs über Datenaufbewahrungszeiten (Retention Times) im Mai 201143 durch das WADA ExCo gilt deshalb als Erfolg des über Jahre geführten Dialogs von EU, Europarat und WADA. Da jedoch im ansonsten sehr lückenlos erscheinenden WADAReformpaket der Anhang vom Mai 2011 nicht vorzufinden war, sah sich die EU dazu veranlasst, ihre Forderung der WADA in Erinnerung zu rufen.44 Zuvor hatten der britische Fachverband sowie UK Athletics dieselbe Forderung gestellt, während das unabhängige Institute of National Anti-Doping Organisations (iNADO, Dachorganisation der NADOs seit 2012 mit Sitz in Bonn) vorgeschlagen hatte, die beim Annex angewandte Vorgehensweise ebenfalls auf das ISL auszuweiten.45 3. Struktur und Inhalt des dritten EU-Beitrags (26. Februar 2013) Der dritte EU-Beitrag setzt sich aus zwei Teilen zusammen, deren erster Anmerkungen zum ersten in Umlauf gebrachten Entwurf des Code 2015 (V. 2.0, 01.12.12) enthält, wohingegen sich der zweite auf die zwischenzeitlich von der WADA zur Konsultation freigegebenen IS-Entwürfe (V. 1.0, 01.12.12) bezieht. Zur Meldepflichtregelung merkte die EU an, dass die WADA gegenüber der Fassung V. 1.0 Fortschritte gemacht habe und diese grundsätzlich begrüßenswert seien, diese Bemühungen jedoch fortgesetzt werden müssten, um Athleten echten Rechtsschutz zu gewähren. Die WADA wurde somit dazu aufgefordert, ihre Absicht umzusetzen, nichtverbindliche Interpretationshilfen (non-binding guidance) zu erarbeiten und kundzumachen – ungeachtet der Tatsache, dass solche Texte nicht Bestandteil 42 International Standard for the Protection of Privacy and Personal Information, June 2009, http://www.wada-ama.org/Documents/World_Anti-Doping_Program/WADP-IS-PPPI/ WADA_IS_PPPI_2009_EN.pdf (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014); vgl. Pressemitteilung der WADA: Enhanced International Data Protection Standard Now Online, 11. 05. 2009, http:// www.wada-ama.org/en/Media-Center/Archives/Articles/Enhanced-International-Data-Protec tion-Standard-Now-Online/ (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2014); vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission: World Anti-Doping Agency adopts revised data protection standard and continues successful dialogue with the EU, IP/09/733, Event Date: 11. 05. 2009, abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-release_IP-09 – 733_en.htm (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014). (Diese Verabschiedung wurde von EU-Sportkommissar Jan Figel durch eine im Rahmen einer von der Kommission im Mai 2009 in Athen abgehaltenen Anti-Doping-Konferenz ausgestrahlten Video-Rede ausdrücklich begrüßt.) 43 Annex to the International Standard on the Protection of Privacy and Personal Information, Retention Times, abrufbar unter http://www.wada-ama.org/Documents/World_AntiDoping_Program/WADP-IS-PPPI/Annex_Retention_Time/WADA_ISPP_AnnexRetention_ Time_EN.pdf (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2014). 44 Zweiter EU-Beitrag (Fn. 3), Zi. 3.3.1. „Annex on Retention Times“. 45 International Standard for the Protection of Privacy and Personal Information – First ISPPPI Consultation Phase, Showing: ANNEX TO THE INTERNATIONAL STANDARD ON PROTECTION OF PRIVACY AND PERSONAL INFORMATION (3 Comments), abrufbar unter http://www.wada-ama.org/Documents/World_Anti-Doping_Program/WADP-TheCode/Code_Review/Code%20Review%202015/International-Standards/WADA-ISPPPI-Re view-2015 – 1st-Consult-Annex.pdf (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2014).

242

Jacob Kornbeck

der Code-Revision sein könnten –, um ein Inkrafttreten zum 01. Januar 2015 (zeitgleich mit dem Code und den IS 2015) zu ermöglichen.46 Bezüglich der im Code proklamierten „Erwartungen“ der „Unterzeichner“ an die Regierungen musste die EU abermals mit Bedauern feststellen, dass ihre im ersten und zweiten Beitrag gestellten Forderungen keine spürbare Auswirkung entfaltet hatten. Diese Forderungen wurden deshalb in ihrer vollen Länge wiederholt gestellt.47 Im Hinblick auf die Veröffentlichung der Analyseergebnisse und Sanktionen drückte die EU ihre grundsätzliche Zufriedenheit mit den gemachten Fortschritten aus. Jedoch betonte sie auch, dass, wenn eine Veröffentlichung i. S. v. Code Art. 10.10 als Sanktion gelte, eine einheitliche Anwendung unbedingt sicherzustellen sei. Fortschritte müssten unbedingt gemacht werden, um Athletenrechte besser zu schützen, wobei die WADA dem Vorschlag der EU aus dem zweiten EU-Beitrag zu diesem Thema nicht gefolgt sei. Nichtverbindliche Interpretationshilfen (non-binding guidance) zu erarbeiten, sei hier ebenfalls unverzichtbar und die EU bot nicht nur ihre Unterstützung, sondern ggf. ihre aktive Mitwirkung daran an.48 Ähnliche Anmerkungen zu medizinischen Ausnahmeregelungen führten zu den gleichen Forderungen (bei Wiederholung der Forderung, eine Liste zugelassener IT-Systeme zu veröffentlichen).49 Hatten die im Entwurf V. 1.0 gestellten Vorschläge der WADA, die B-Probe abzuschaffen und bei Mannschaftssportarten Kollektivstrafen im Falle nur zweier Positivfälle zu verhängen, zu kontroversen Auseinandersetzungen (auch, aber nicht nur mit der EU) geführt, so konnte die EU nunmehr mit Zufriedenheit feststellen, dass ihre bedingungslose Ablehnung (unconditional disapproval) sowohl des B-ProbeVorschlags50 als auch des Vorschlags hinsichtlich Kollektivstrafen51 fruchtbringend gewesen war, da beide Vorschläge zwischenzeitlich ersatzlos gestrichen worden waren. Die EU zögerte nicht, diese beiden Änderungen vorbehaltlos zu loben. Weniger positiv wurde dagegen der Vorschlag aufgenommen, Sperren erst nach Zahlung 46 Dritter EU-Beitrag (Fn. 4), Zi. 2.1. „Registered Testing Pools (RTPs) and Whereabouts / respect of the principle of proportionality and human rights (Code Art. 5 with sub Articles) (section 2.1.3. of the second EU contribution)“ – Nota bene: Aufgrund der wachsenden Komplexität des Verfahrens enthielten die Titel im dritten EU-Beitrag systematisch auch Verweise auf die jeweilige Nummerierung im zweiten EU-Beitrag. 47 Dritter EU-Beitrag (Fn. 4), Zi. 2.2. „Involvement of Governments (Code Introduction; Code Art. 22) (section 2.1.4. of the second EU contribution)“. 48 Dritter EU-Beitrag (Fn. 4), Zi. 2.3. „Public disclosure (Code Art. 14.3) (section 2.1.5. of the second EU contribution)“. 49 Dritter EU-Beitrag (Fn. 4), Zi. 2.4. „Therapeutic Use (obligations of International Federations) (Code Art. 4.4.1) (section 2.2.2.2. of the second EU contribution)“. 50 Dritter EU-Beitrag (Fn. 4), Zi. 2.5. „Notification after review regarding adverse analytical findings (section New 2.2.2.2. of the second EU contribution)“. 51 Dritter EU-Beitrag (Fn. 4), Zi. 2.6. „Consequences for team sports (Code Art. 11.2) (section 2.2.2.4. of the 2nd EU contribution)“.

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes

243

fälliger CAS-Kosten wieder aufzuheben.52 Die Ablehnung durch die EU konnte sich (wenn auch, ohne das Argument zu verwenden) auf das Urteil des Schweizer Bundesgerichts in der Rechtssache Matuzalem53 stützen, bei der das Ordre-public-Argument ausschlaggebend gewesen war. Die EU wollte sich nicht mit einem Vorschlag abfinden, aus rein utilitaristischen Gründen das Grundrecht auf ein faires Verfahren irgendwie zu beschneiden. Zu den IS – nunmehr i. d. F. des Entwurfs V. 1.0 (01.12.12) – äußerte sich die EU lediglich, um nochmals die im zweiten EU-Beitrag gestellte Forderung zu wiederholen, das „Annex on Retention Times“ zum ISPPPI im künftigen Regelwerk 2015 beizubehalten.54 4. Struktur und Inhalt des vierten EU-Beitrags (22. Juli 2013) Über Struktur und Inhalt des vierten EU-Beitrags konnten bei der anfänglichen Vorbereitung des vorliegenden Aufsatzes (Mai-Juni 2013) zunächst nur Mutmaßungen angestellt werden, wobei damals keine offiziellen WADA-Entwürfe öffentlich zugänglich waren. Schließlich wurden am 21. Juni 2013 die Entwürfe für den Code 2015 (V. 3.0) bzw. IS (V. 2.0) mit der Maßgabe veröffentlicht, diese dem WADA FB im November in Johannesburg vorzulegen. Für die rasche Verabschiedung und Übersendung des vierten EU-Beitrags maßgeblich war nicht zuletzt die Tatsache, dass nach dieser Veröffentlichung grundsätzlich keine formalen Konsultationen mehr vorgesehen waren. Objektiv gesehen konnte man davon ausgehen, dass die wiederholte Nichtbeachtung der Wünsche der EU hinsichtlich der Erwartungen der „Unterzeichner“ an die Regierungen (Art. 22) zu einer erneuten Beanstandung durch die EU führen würde. Der Umstand, dass Art. 22.1 (Verwirklichung der Ziele der UNESCO-Konvention) bzw. 22.2 (Etablierung passender Rechtsgrundlagen bzw. Verfahren bzw. Politiken für Datenaustausch) den Staaten die Wahl der ihnen am besten geeigneten Mittel überlässt, ließ es inkonsequent erscheinen, dass weitere Bestimmungen bis hin zur Eigenständigkeit der NADOs (22.6) und zu Sanktionen gegen säumige Regierungen (22.7) auf Detailregulierung setzten. Die ersatzlose Streichung des zuletzt gemachten Vorschlags hinsichtlich ausstehender CAS-Gebühren (Art. 10.12) durfte dagegen auf Lob und Anerkennung stoßen. Hingegen versprach der neue Art. 2.5, der Falschaussagen unter Strafe stellte, massive Kritik, da dies wohl aus Sicht aller nationalen Rechtstraditionen der EU-Mitgliedstaaten als inakzeptabel zu gelten hat. Obschon 52 Dritter EU-Beitrag (Fn. 4), Zi. 2.7. „Payment of Court of Arbitration for Sport (CAS) cost awards (Code Art. 10.12)“. 53 Schweiz. BG, 27. 03. 2012 – 4 A_558/2011: Aufhebung des CAS-Schiedsspruches „Matuzalem“, SpuRt 2012, 109 – 112; Wiss. Beiträge u. a. Garraffa, The ,Matuzalem Affaire‘: ending of the sporting justice?, ISLJ 2012, 44 – 48. 54 Dritter EU-Beitrag (Fn. 4), Zi. 3.1. „Current International Standard on the Protection of Privacy and Personal Information (ISPPPI 2009): Annex on Retention Times (section 3.3.1 of the second EU contribution)“.

244

Jacob Kornbeck

die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten strafrechtlich verankert ist, stellt sie doch eine allen nationalen Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten gemeinsame Gewährleistung dar, deren demonstrative Aufhebung – obgleich in einem Bereich außerhalb der Strafprozessordnung – nicht unbeachtet bleiben konnte.55 Diese Erwartungen des Verfassers haben sich weitestgehend bewahrheitet. Insgesamt konnte der vierte EU-Beitrag relativ kurz gehalten werden, indem lediglich fünf Problemkreise thematisiert wurden. Grundsätzlich wurde der Bedarf nach schriftlichen Begründungen der vorgeschlagenen Änderungen wiederholt betont und gleichzeitig der WADA Dank dafür entgegengebracht, zwischenzeitlich solche Begründungen der EU übermittelt sowie das Rechtsgutachten des emeritierten EGMR-Präsidenten Jean-Paul Costa56 bezüglich der erwarteten Menschenrechtsimplikationen der EU eröffnet zu haben:57 „These written explanations are necessary bearing in mind that the Code will ultimately need to be recognised by national governments, according to their commitments under the UNESCO International Convention against Doping in Sport. If governments are to agree to a final version of the 2015 Code, they should be in a position to explain the proposed changes to their parliaments.“ Die Problematiken bezüglich RTPs, der Melderegelung sowie der Verhältnismäßigkeit wurden insgesamt gebündelt abgehandelt, indem sich die EU zu der Feststellung veranlasst sah, dass bislang doch keine Schritte der WADA in die gewünschte Richtung vorgenommen worden seien. In der Hoffnung, passende Interpretationshilfen (guidance) zur Vorbeugung exzessiver Praktiken pünktlich zum 01. Januar 2015 (dem Inkrafttreten des Codes) veröffentlicht zu sehen, bot die EU abermals der WADA ihre moralische und praktische Unterstützung an.58 Zu Art. 22 wurde die bereits bestens bekannte EU-Position wiederholt, wobei aber in der allerletzten Phase (Mai-Juni) überraschend ein ganz neuer Art. 22.6 eingefügt worden war, der potentiell in das Recht der Staaten, ihre NADOs nach eigenen Vorstellungen zu organisieren, eingreifen könnte („Each government will respect the autonomy of a National Anti-Doping Organization in its country and not interfere in its operational decisions 55 Vgl. Trechsel, Human Rights in Criminal Proceedings, 2005; Gundel, Justiz- und Verfahrensgrundrechte, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, S. 685 – 719; Kadelbach, Unionsbürgerrechte, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, S. 648 – 684; Grabenwarter, Justiz- und Verfahrensgrundrechte, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, S. 179 – 207. 56 Avis de droit sur le projet de révision du code mondial antidopage formulé par Jean-Paul Costa. Fait à Strasbourg, le 25 juin 2013, abrufbar unter http://www.wada-ama.org/Documents/ World_Anti-Doping_Program/WADP-The-Code/Code_Review/Code%20Review%202015/ WADC-Legal-Opinion-on-Draft-2015-Code-3.0-FR.pdf (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2014). 57 Vierter EU-Beitrag (Fn. 5), Zi. 2.1. „Written explanations justifying the proposed major changes to the Code (3rd contribution, section 2)“. 58 Vierter EU-Beitrag (Fn. 5), Zi. 2.2. „Registered Testing Pools (RTPs) and Whereabouts / respect of the principle of proportionality and human rights (section 2.1. of the 3rd EU contribution); Therapeutic use (section 2.4. of the 3rd EU contribution)“.

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes

245

and activities“). Da „interference“ von den EU-Mitgliedstaaten nicht unbedingt negativ bewertet wurde, schlug die EU einen alternativen Wortlaut vor: „Each government will respect the autonomy of a national Anti-Doping Organisation in its country.“ Der vorgeschlagene Text sei redundant und potentiell irreführend. Darüber hinaus forderte die EU die WADA auf, den gesamten Art. 22 noch einmal zu überdenken und Art. 22.2 der UNESCO-Konvention näher anzupassen (um der Tatsache gerecht zu werden, dass diese den Staaten die Wahl der Instrumente überlässt).59 Zur Veröffentlichung von Analyseergebnissen und Sanktionen60 sowie zur Zahlung von CAS-Rechtsgebühren61 wiederholte die EU schließlich ihre im dritten Beitrag gestellten Forderungen. Dabei wurde wieder die Unterstützung der EU bei einer etwaigen Erarbeitung von Interpretationsleitfäden angeboten. Dahingegen wurde die in der allerletzten Fassung des Entwurfs vorgeschlagene Kriminalisierung der Falschaussagen durch Angeklagte (Code Art. 2.5) im vierten EU-Beitrag nicht thematisiert. Diesem Thema sollen einige weitere Anmerkungen gewidmet werden (siehe unten).

IV. Würdigung 1. Inhaltliche Schwerpunkte Während in einem früheren Beitrag62 der erste EU-Beitrag Punkt für Punkt dargestellt wurde (thematisch-inhaltlich so gegliedert wie im EU-Beitrag selbst), ließ sich dieses Prozedere hier nicht wiederholen, da drei EU-Beiträge von weitaus größerer Länge auf vergleichbarem Platz vorzustellen wären. Somit erscheint es angebracht, an dieser Stelle die wichtigsten inhaltlichen Schwerpunkte zusammenzufassen und kurz zu kommentieren. Neben den offensichtlichen Themen – Datenschutz, Athletenrechte, ADAMS, Whereabouts etc. – lassen sich eine Reihe großer, rechtssowie sportpolitisch relevanter Problemkreise identifizieren. Die Verbindlichkeit des nationalen Rechts einschließlich des EU-Rechts: Diese Grundlage aller vier EU-Beiträge leitet sich unbestreitbar vom supranationalen Charakter jeglichen EU-Sekundärrechts ab, wie er seit 1963 (Van Gend en Loos)63 vom EuGH anerkannt ist (Eigenständigkeit, direct effect). Doch was im EU-Binnenverhältnis als gegeben gelten darf, bedarf manchmal der expliziten Darstellung im Außenverhältnis (Stichwort: Weltbühne). Dass es bei den vier EU-Beiträgen gelungen 59 Vierter EU-Beitrag (Fn. 5), Zi. 2.3. „Involvement of Governments (section 2.2. of the 3rd EU contribution)“. 60 Vierter EU-Beitrag (Fn. 5), Zi. 2.4. „Public disclosure (Code Art. 14.3) (section 2.3. of the 3rd EU contribution)“. 61 Vierter EU-Beitrag (Fn. 5), Zi. 2.4. „2.5. Payment of Court of Arbitration for Sport (CAS) cost awards (section 2.7. of the 3rd EU contribution)“. 62 Vgl. Kornbeck (Fn. 2). 63 Van Gend en Loos gegen Nederlandse Administratie der Belastingen, Rs. 26/62.

246

Jacob Kornbeck

ist, mittels des nicht verbindlichen Art. 165 AEUV einen sportpolitisch wirksamen Auftritt durchzuführen, darf nicht dazu verleiten, die Tatsache zu übersehen, dass sich der Beitrag materiell-rechtlich weitestgehend auf geltendes Sekundärrecht (viel mehr als auf Primärrecht, auf die Charta allgemein oder auf politische Absichtserklärungen) stützt. Eine neue sportpolitische Rolle der EU mit rechtspolitischen Komponenten: Obwohl es vielleicht überzogen ist, nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon von einer „erwachten Macht“64 zu sprechen, die urplötzlich eine Vielfalt bisher unbekannter Handlungskompetenzen und Machtmittel besäße, erscheint es nach Meinung eines namhaften EU-Rechtlehrers dennoch erlaubt, von „candidate principles“ (etwa die Begriffe openness, fairness des Art. 165 AEUV) zu reden, welche eine gewisse Veränderungsmacht (transformative power) entfalten könnten.65 Genauso wenig wie das Urteil Olivier Bernard66 die Rechtslage geändert hat, nur weil in einer Randnummer auf die im Art. 165 AEUV ausgedrückten Werte verwiesen wurde67, wurde mit Meca Medina und Majcen68 (vor Inkrafttreten des AEUV) neues Recht geschaffen; doch zeichnet sich das Urteil gerade durch die vielfältigen und vehement kritischen Reaktionen69 aus, die es gesät hat, was somit durchaus als „transformative Macht“ gelten darf. Die Rechtsgrundsätze der Verhältnismäßigkeit bzw. Notwendigkeit: Diese vom BVerfG anerkannten Grundsätze70 sind auf EU-Ebene einerseits im für Berufssportler relevanten Freizügigkeitsrecht71, andererseits im explizit Anti-Doping-relevanten 64

Vgl. Kuske, Sponsors 2013, 42 (42 – 46). Weatherill, Fairness, Openness and the Specific Nature of Sport: Does the Lisbon Treaty Change EU Sports Law?, ISLJ 2010, 11 – 17 (insbes. 16 – 17). 66 Olympique Lyonnais SASP gegen Olivier Bernard und Newcastle UFC, Rs. C-325/08. 67 Vgl. Rn. 40: „Bei der Prüfung, ob eine das Recht auf Freizügigkeit dieser Spieler beschränkende Regelung geeignet ist, die Verwirklichung dieses Zwecks zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zu seiner Erreichung erforderlich ist, sind […] die Besonderheiten des Sports im Allgemeinen und des Fußballs im Besonderen, sowie ihre soziale und erzieherische Funktion zu berücksichtigen. Für die Relevanz dieser Faktoren spricht außerdem ihre Erwähnung in Art. 165 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV.“ 68 David Meca-Medina und Igor Majcen gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Rs. C-519/04 P. 69 Vgl. Weatherill (Fn. 65), ISLJ 2010, 16. 70 „Je mehr der gesetzliche Eingriff elementare Äußerungen der menschlichen Handlungsfreiheit berührt, umso sorgfältiger müssen die zur Rechtfertigung vorgebrachten Gründe gegen den grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers abgewogen werden.“, BVerfGE 17, 306 (314), zit. n. Nolte, Staats- und Europarecht, in: Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, 2009, S. 13 – 47 (17). 71 Siehe dazu Europäische Kommission, Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission, Sport und Freizügigkeit, Begleitdokument zur Mitteilung […] Entwicklung der europäischen Dimension des Sports, 18. 01. 2011, SEK(2011) 66 endgültig, insbes. S. 10 – 11: „Die Freizügigkeit ist ein allgemeiner Grundsatz im EU-Recht. Ausnahmen von diesem allgemeinen Grundsatz sind lediglich innerhalb der bereits im Vertrag festgelegten Grenzen zulässig. Im Bereich des Sports beinhaltet dies eine Berücksichtigung der Besonderheit des Sports, 65

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes

247

Urteil Meca Medina und Majcen (siehe oben) verankert. Die Befassung der EU mit Datenschutzfragen im Anti-Doping-System hat sich fast immer nach diesen Leitwerten gerichtet. Das System muss selber aktuell erkennen, dass sein Testing-Regime nicht besonders effektiv ist, wie aus einem Bericht der vom ehemaligen WADA-Vorsitzenden Richard Pound geleiteten Arbeitsgruppe im Mai 2013 hervorging,72 der somit die Befunde einer zuvor von der Athletengewerkschaft UNI in Auftrag gegebenen Studie bestätigte.73 Während Herr Pound dafür plädierte, das Testing zielgerichteter zu gestalten (targeted testing), wird das System hinsichtlich der mit dem Testing-Regime verbundenen Eingriffe ins Privatleben vermehrt in Erklärungsbedarf geraten. Selbst wenn die verfolgten Ziele legitim und notwendig sind, können die gewählten Mittel nicht vorweg als verhältnismäßig gelten, wenn die Erfolge nachweislich begrenzt sind. Rechtsstaatlichkeit (in dubio pro reo): Ist es eine Besonderheit des Sportrechts, sich für Schuldfragen nicht interessieren zu wollen? Geht es „allein um die Frage: Wurde gedopt oder nicht“?74 Zwar sticht die Abwesenheit einer Forderung nach mens rea ins Auge, doch hören dabei die Besonderheiten bei weitem nicht auf: Da der Standard der Beweisführung (standard of proof) ausdrücklich nicht der des Strafrechts ist,75 kann nicht davon ausgegangen werden, dass einzig und alleine die objektive Schuldfrage zählt. Solche Besonderheiten werden auch zukünftig Diskussionen zur Anti-Doping-Governance kontrovers machen und es ist nach Meinung eines Sportrechtlers nicht auszuschließen, dass künftige Rechtsstreite vor den EUGerichten dazu führen könnten, dass kontroverse Aspekte des WADC (etwa strict liability, Whereabouts) grundsätzlich in Frage gestellt würden, sei es aufgrund des EUWettbewerbsrechts oder auch der EU-Grundrechte.76

welche neuerdings im Art. 165 AEUV anerkannt ist. Ausnahmen von den allgemeinen Grundsätzen der EU müssen begrenzt und den konkreten Verhältnissen angemessen sein. Die Besonderheit des Sports kann nicht abstrakt eingeschätzt werden, vielmehr muss sie fallbezogen thematisiert werden.“ 72 Brown, Pound: international anti-doping system is failing, 2013, http://www.e-comlaw. com/hottopic.asp?id=1364 (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2014). Titel des dem WADA-Stiftungsrat vorgelegten Berichts, page report entitled „Lack of Effectiveness of Testing Programs“. 73 UNI Global Union & EU Athletes, „Adverse Analyzing“ – A European Study of AntiDoping Organization Reporting Practices and the Efficacy of Drug Testing Athletes, Contributors: Walter Palmer, Simon Taylor and Andrew Wingate, Research by Andrew Wingate, 12. 05. 2011, UNI Global Union, Nyon, Switzerland, abrufbar unter http://www.euathletes.org/ uploads/media/Adverse_Analyzing__FINAL__02.pdf (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014). 74 Hierzu ein Sportmediziner: „Hier sind die Grundsätze, die Aufrechterhaltung von Fairness und Chancengleichheit sowie gesundheitliche und ethische Integrität des Sportes. Man kennt das Prinzip der Schuld nicht wie im Privatrecht, allenfalls bei der Sperre. Im Sportrecht geht es allein um die Tatsache: wurde gedopt oder nicht.“ – Siehe Steinacker, Sportrecht – zwischen Gerechtigkeit und Fairness?, DZSM 2013, 119. 75 Vgl. Fn. 95. 76 Anderson, Modern Sports Law: a textbook, 2010, S. 351.

248

Jacob Kornbeck

Von diesen Grundprinzipien lässt sich auch eine Forderung nach Transparenz, Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Beachtung der in sonstigen Lebenslagen üblichen Rechtsgrundsätze und verbindlichen Bestimmungen ableiten. Die zunehmende Rolle staatlicher Stellen scheint dort eine Tatsache zu sein, wo der Kampf gegen Doping erfolgreich geführt wird, so etwa in der Operación Puerto.77 Doch können demokratische, rechtsstaatliche Staaten sich kaum auf Dauer für ein Anti-Doping-System einsetzen, welches sonst übliche Rechtsgrundsätze nicht befolgt.78 Radikale, WADC-konforme Innovationen mögen gesetzlich abgesichert, aber dennoch rechtlich problematisch sowie rechtspolitisch kompromittierend sein. Die in den Jahren 2009 – 11 berühmt gewordene flämische Meldepflichtverordnung, die aufgrund ihrer mangelnden Verhältnismäßigkeit für Schlagzeilen sowie Rechtsstreite sorgte, ist mittlerweile durch eine viel gemäßigtere ersetzt worden,79 während eine australische Gesetzesnovelle auf Kritik gestoßen ist, da darin neue (Ermittlungs-)Befugnisse für die NADO (nicht die Polizei oder den Zoll, die dort bereits sehr aktiv zu sein scheinen) vorgesehen sind.80 Auf Dauer lässt sich die Zukunft des Anti-Doping-Systems wohl am ehesten dadurch absichern, dass es gegen Kritik abgesichert wird, indem es transparenter, demokratischer und rechtsstaatlicher gestaltet wird.81 Auf Dauer können europäische Regierungen wohl kaum damit leben, dass der Zugang von Athleten zur richterlichen Prüfung der sie betreffenden sportfachlichen Entscheidungen de facto beschnitten ist,82 nicht zuletzt da „Kollisionslagen zwischen Sportlern und Sportvereinigungen bzw. Sportverbänden“ aufgrund der pyramidalen

77 Soulé/Lestrelin, Réguler le dopage? Les failles de la gouvernance sportive: „l’affaire Puerto“ comme illustration, IRAS 2012, 127 – 159. 78 Vgl. Kornbeck, Inspiration from Brussels? The European Union and Sport: Selected Willy Calewaert Lectures, 2013, insbes. S. 46. 79 Zur Ankündigung neuer, gemäßigterer Vorgaben durch den Minister Philippe Muyters siehe: Muyters maakt whereabouts „klantvriendelijker“, 03. 03. 2011 – 10:23, abrufbar unter http://www.sporza.be/cm/sporza/ander_nieuws/1.974510 (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2014). Früher hatte Minister Muyters von der unter seinem Vorgänger Bart Anciaux eingeführten Regelung deutlich Abstand genommen: „Vlaanderen gaat te ver in dopingregels“, 25. 11. 2010 – 08:52, abrufbar unter http://www.sporza.be/cm/sporza/ander_nieuws/1.912330 (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2014). Auch in mindestens einer dem Verf. bekannten TV-Sendung (Talkshow) hatte Muyters unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er die überproportinierten flämischen Testing Pools nicht gut fand. 80 Zur Gesetzesvorlage „Australian Sports Anti-Doping Authority Amendment Bill 2013“, einschließlich sämtlicher Debatten, Änderungsanträge usw., siehe die Internetpräsenz des australischen Bundesparlaments abrufbar unter http://www.aph.gov.au/Parliamentary_Busi ness/Bills_Legislation/Bills_Search_Results/Result?bId=s902 (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2014). 81 Waddington, Surveillance and control in sport: a sociologist looks at the WADA whereabouts system, International Journal of Sport Policy and Politics 2010, 255 – 274. 82 Ram, Proportionality and the Application of the World Anti-Doping Code, ISLJ 2012, 8 – 11 (insbes. 11): „What we know for certain, is that athletes worldwide do not have access to adequate and knowledgeable support in their doping cases.“

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes

249

Struktur der Sportbewegung und des Ein-Platz-Prinzips fast vorprogrammiert sind und oft vorkommen.83 Aus den zuvor genannten Gründen bewirkt die Befassung der EU mit der für Eingeweihte sonst so vertrauten Materie eine unübliche Prüfung des Systems durch unvoreingenommene Dritte. Zu beachten ist dabei, dass Dopingbegriff, Dopingbekämpfung, Dopinganalytik84 und Dopingprävention85 schon immer im Fluss sind: Obwohl Anhänger der aktuellen Regelungen regelmäßig so reagieren, als würden neu daran gestellte Anforderungen das Ende dieses Systems mit sich führen, stellt das System in seiner aktuellen Ausgestaltung gewiss keinen Endzustand dar. Auch staatliche Anti-Doping-Gesetze sind dort, wo es sie gibt, ständigem Wandel unterworfen, etwa in Frankreich.86 2. Auswirkung (Impact) Nach dieser inhaltlichen Zusammenfassung sollen zur (vermuteten sowie beobachteten) Auswirkung der EU-Beiträge einige Betrachtungen angestellt werden. Die faktische Auswirkung muss (selbst wenn sie im Einzelfall nicht enorm erscheinen mag) vor dem Hintergrund der Tatsache gewürdigt werden, dass es nationalen Behörden schwer fällt, einen weltweit integrierten und verflochtenen Sport effektiv zu kontrollieren.87 Interessanterweise lassen sich einige Beobachtungen schon aufgrund der im WADA-online-Archiv zum Revisionsprozess gespeicherten Stakeholder-Beiträge vornehmen, so z. B. von den Spielergewerkschaften EU Athletes und UNI Pro Sport88 sowie (zum Thema Annex on Retention Times) von iNADO und UK Athle83

Nolte (Fn. 70), S. 22. Vgl. Müller, History of Doping and Doping Control, in: Thieme/Hemmersbach (eds.), Doping in Sports, 2009, S. 1 – 23. 85 Vgl. Knörzer/Spitzer/Treutlein, Dopingprävention in Europa – Grundlagen und Modelle, 2006. 86 Vgl. Laure, Zur Entwicklung von Dopingregeln und Anti-Dopinggesetzen, in: Knörzer/ Spitzer/Treutlein (Hrsg.) Dopingprävention in Europa – Grundlagen und Modelle, 2006, S. 121 – 132. 87 Pfister, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, S. 27; übereinstimmend Nolte (Fn. 70), S. 25. 88 Vgl. 2015 Code Review – First Code Consultation Phase – Showing: Art. 14: Confidentiality and Reporting (112 Comments), http://www.wada-ama.org/Documents/World_AntiDoping_Program/WADP-The-Code/Code_Review/Code%20Review%202015/WADA-CodeReview-2015 – 1st-Consultation-Part-1-Article-14-Confidentialty%20and%20Reporting.pdf (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2014), insbes.: „EU Athletes / UNI Global Union […] We share [the] E.U.’s concerns regarding ADAMS. It is very important to understand the scale of this problem. […] The data protection issues with the ADAMS system are not new, having been raised previously (2008) by the E.U. Art. 29 Working Party on Data Protection. The E.U. submission states: […]“ (S. 28) „We support the E.U. submission referring to this Article, section 1. Emerging data privacy principles. […] We also share the E.U. concern that ,emerg84

250

Jacob Kornbeck

tics (s. o.). Vor dem Hintergrund der Zurückhaltung der WADA, Gewerkschaften eine Rolle in ihrer Governance einzuräumen, ist es von besonderer Bedeutung, dass nicht nur Gewerkschaften, sondern auch der weltweite NADO-Verband sowie ein wichtiger nationaler Fachverband die Vorgehensweise und Forderungen der EU so ausdrücklich unterstützten. Die Ablehnung einer systematischen Einbindung von Gewerkschaften (im Unterschied zur von WADA selbst ernannten WADA Athletes’ Commission) zeigte sich zuletzt im Rahmen der Sitzung des Stiftungsrates vom 20.11.11.89 Aufgrund des besonders unausgewogenen Kräfteverhältnisses zwischen Athleten und NADOs bzw. IFs – im Sinne einer besonderen Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates90 – müssen Regierungen (zu welcher Kategorie die EU ungeachtet ihrer sehr begrenzten Zuständigkeiten und Handlungsmöglichkeiten de facto gehört) darauf achten, wie das Anti-Doping-System faktisch funktioniert, und nicht zuletzt prüfen, welche zusätzlichen Begrenzungen von Menschenrechten, von Grundrechten bzw. von Arbeitnehmerrechten durch die Code/IS-Revision entstehen könnten. Die im Rahmen einer Revision des Code-Art. 2.5 vorgeschlagene Kriminalisierung der Falschaussage durch Angeklagte – die sich bezeichnenderweise erst in der Fassung 3.0 des Draft Code 2015 und somit auffällig spät eingeschlichen hat91 – muss aus ing data privacy principles’ does not provide the legal certainty necessary to protect athletes as data subjects against the collective interests of sport organizations and governments. […]“ (S. 29) „Art. 14.6: Data Privacy […] EU Athletes / UNI Global Union […] For athletes, there is also a real misunderstanding of their data protection rights vis a vis the WADA Code. This confusion is embodied in the Art. 14.6. The E.U. submission describes the problem well: ,Art. 14.6 of the Code contains a potential problem – it obliges compliance with both national data protection law and the WADA Standard, without setting out which should prevail should there be any inconsistency. In addition, the references to information and consent requirements should be removed, because they create the risk that they might be construed as the only two data protection requirements.‘“ (S. 32) Vergleichbare Verweise in anderen Stakeholder-Beiträgen sind ebenfalls bekannt. 89 Die Transparenz der WADA ist ehrenvoll, da die nicht gerade politisch korrekten Aussagen anscheinend unzensiert ins Internet gestellt wurden, doch der Tenor der Aussagen überrascht, wenn sein Vorsitzender dazu aufrief, den Gewerkschaften „den Sauerstoff zu entziehen“. Auf die Frage seines Vorgängers, IOC-Mitglied Richard Pound, wie die WADA mit Gewerkschaften umgehe (outreach) – „WADA had its own Athlete Commission, as did the IOC, the IFs and other organisations“ – antwortete WADA Chairman John Fahey u. a.: „He thought that it was incumbent on all who believed that sport was a very different and separate operation to other workplaces to make that clear. In his opinion, the least amount of credit credibility given to these people, the better. […] WADA should make this clear at every opportunity possible and under no circumstance would it recognise them as representatives of the sportsmen and women of the world. […] He in no way saw their role as being representative of sportsmen and women, and he urged all members not to give them any oxygen.“ – Quelle: Minutes of the WADA Foundation Board Meeting, 20. 11. 2011, Montreal, Canada, abrufbar unter http://www.wada-ama.org/Documents/About_WADA/FoundationBoard_Minutes/WADA_Foundation_Board_Meeting_Minutes_20Nov2011_ENG_FINAL.pdf (zuletzt abgerufen am 29. 04. 2014), zit. S. 48. 90 Pfister (Fn. 87), S. 27. 91 „Conduct which subverts the Doping Control process but which would not otherwise be included in the definition of Prohibited Methods: Tampering shall include, without limitation, intentionally interfering or attempting to interfere with a Doping Control official,

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes

251

rechtsstaatlichen Gründen zu Bedenken führen und darf von Regierungen nicht unterstützt werden, nicht zuletzt, weil sie zur auffälligen Kumulation ungewöhnlicher, für den Angeklagten eindeutig nachteiliger Bestimmungen beiträgt. Das Regelwerk beruht auf dem „Strict-Liability“-Prinzip (so offiziell im deutschen NADA Code genannt92): „Demzufolge ist es nicht erforderlich, dass Vorsatz, Verschulden, Fahrlässigkeit oder bewusster Gebrauch aufseiten des Athleten nachgewiesen wird, um einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen gemäß Art. 2.1 zu begründen,“93 heißt es im NADA Code Art. 2.1.1 übereinstimmend mit WADA Code Art. 2.1.1 sowie dem Appendix 1: Definitions.94 Der Umstand, dass Athleten nicht selten das Unrechtsbewusstsein fehlt, sollte vielleicht zum Anlass genommen werden, das Regelwerk einer kritischen Würdigung zu unterziehen (anstatt das Problem allein bei den Athleten zu verorten). Obwohl im Regelfall die Beweislast bei der ADO liegt (Code Art. 3.1), erscheint es jedoch schwer, darin eine echte Unschuldsvermutung zu sehen. Zumutbar wären solche Regelungen vielleicht, wenn beim Beweismaß besonders hohe Hürden angelegt wären, dies ist jedoch ausdrücklich nicht der Fall (Code Art. 3.1).95 In bestimmten Fällen kann rückwirkend Anklage erhoben werden (retesting samples) (Code Art. 6.5), sodass Freisprüche nicht endgültig sind. Vorgeschlagen wurden – wie oben bereits besprochen – im Rahmen der Code-Revision die Abschaffung des einzig wirklich wirksamen Prozessmittels des Angeklagten zum Nachweis eines potentiellen Justizirrtums (Abschaffung der B-Probe) sowie die Verhängung kollektiver Strafen, sogar ohne gezielt Anklage erheben zu müssen. Darüber hinaus wird nun auch überlegt, dem Angeklagten das Recht zur Unwahrheit zu nehmen (privilege against self incrimination). Bei dieser Sachlage muss von Regierungsseite auf die individuellen Rechte von Athleten geachtet werden.

providing fraudulent information to an Anti-Doping Organization or intimidating or attempting to intimidate a potential witness.“ (Kursiver Text ist neu i. d. F. 3.0), abrufbar unter http://www.wada-ama.org/Documents/World_Anti-Doping_Program/WADP-TheCode/Code_Review/Code%20Review%202015/WADC-2015-draft-version-3.0-redlinedto-WADC-2009.pdf (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014). 92 NADA Code 2009 (Fn. 6), S. 91 – 92. 93 NADA Code 2009 (Fn. 6), Art. 2.1.1. 94 NADA Code 2009 (Fn. 6), „The rule which provides that (…) it is not necessary that intent, Fault, negligence, or knowing Use on the Athlete’s part be demonstrated by the AntiDoping Organization in order to establish an anti-doping rule violation.“ 95 „This standard of proof in all cases is greater than a mere balance of probability but less than proof beyond a reasonable doubt.“ (Code Art. 3.1) – Vgl. NADA Code (Art. 3.1): „Das Beweismaß besteht darin, dass die Anti-Doping-Organisation gegenüber dem Disziplinarorgan überzeugend darlegen kann, dass ein Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen vorliegt, wobei die Schwere des Vorwurfs zu berücksichtigen ist. Die Anforderungen an das Beweismaß sind in jedem Fall höher als die gleich hohe Wahrscheinlichkeit, jedoch geringer als ein Beweis, der jeden vernünftigen Zweifel ausschließt.“ Abrufbar unter http://www.nada-bonn. de/fileadmin/user_upload/nada/Recht/Regelwerke/100701_NADA-Code_komplett.pdf (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014).

252

Jacob Kornbeck

3. Parallele Entwicklungen auf EU-Ebene Parallel dazu ereigneten sich relevante Entwicklungen auf EU-Ebene, einerseits im Bereich Datenschutz (DS), andererseits hinsichtlich der grundsätzlichen Zuständigkeit der EU-Institutionen im Hinblick auf Anti-Doping-bezogene Fragestellungen. Die Reform des EU-DS-Rechts wurde am 25. Januar 2012 durch eine Vorlage der Kommission eingeleitet,96 die unter anderem vorsieht, die gegenwärtige Richtlinie aus dem Jahr 199597 durch eine Verordnung zu ersetzen. Nicht nur eine größere Einheitlichkeit (da Verordnungen unmittelbar gelten und keiner nationalen Durchführungsvorschriften bedürfen), sondern auch ein höheres Maß an Schutz individueller Rechte wurde dadurch bezweckt. Obwohl die Vorlage der Kommission bereits im Rahmen zahlreicher Fachbeiträge diskutiert worden war, sei es unter datenschutzrechtlichen98 oder auch unter EU-rechtlichen Gesichtspunkten99, stieß sie in der AntiDoping-Welt aufgrund ihres restriktiven Zugangs zum (heute in vielen Ländern praktizierten) Rekurs auf die Einwilligung der betroffenen Athleten als Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung (DV)100 auf Ablehnung. Aufgrund der vorgeschlagenen Stärkung der Athletenrechte befürchteten manche sportnahen Akteure nachteilige Folgen der vorgeschlagenen neuen Rechtslage und drückten diese teilweise recht dramatisch aus.101 Gleichsam wurde es offizielle WADA-Politik, die EU-interne Gesetzgebungsarbeit zu beeinflussen,102 sodass unter den aktuell mehr als 3.000 Änderungs96

Brüssel, 25. 01. 2012, KOM(2012) 11 endgültig, 2012/0011 (COD), Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung), abrufbar unter http://ec.europa.eu/justice/data-protection/document/review2012/ com_2012_11_de.pdf (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014). 97 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, Abl. L 281, 23. 11. 1995, S. 31 – 50. 98 So z. B. Rogall-Grothe, ZRP 2012, 193 – 196. 99 Etwa Lachmayer, ÖJZ 2012, 841 – 844; Nguyen, ZEuS, 2012, 277 – 300; Ronellenfitsch, DuD 2012, 561 – 583. 100 Vgl. Art. 7 Abs. 4 i. V. m. Art. 6. 101 „Diese Reform würde den Anti-Doping-Kampf dramatisch untergraben. […] Auf dem Austausch von Daten beruht der Anti-Doping-Kampf. Unser biologischer Blutpass hängt davon ab“, erklärte [UCI-Präsident Pat] McQuaid, der auch Mitglied der WADA-Exekutive ist. […] „Wenn die Reform jetzt schon in Kraft wäre, könnten die europäischen Athleten nicht in London starten. Dies haben wir der EU-Kommission mitgeteilt“, sagte WADA-Generaldirektor David Howman. […]“ – Quelle: WADA befürchtet Schaden durch EU-Datenschutzreform, 21. 05. 2012, 20:09, dpa, abrufbar unter http://www.t-online.de/sport/id_56593646/ wada-befuerchtet-schaden-durch-eu-datenschutzreform.html (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014). 102 Vgl. Minutes of the WADA Foundation Board Meeting, abrufbar unter http://www. wada-ama.org/Documents/About_WADA/FoundationBoard_Minutes/FB%20May%202013% 20Minutes_FINAL.pdf, S. 10 – 11 (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014). In diesem Protokoll festgehalten sind auch die mahnenden Anmerkungen des dänischen Ministers Uffe Elbæk: „Rules on personal data protection were extremely important in a modern and democratic world, and technological development made it important to improve rules in that area, so that

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes

253

anträgen in der Datenbank des Europäischen Parlaments103 einige schon in diese Richtung zeigen, sei es durch Ausnahmen für NADO-Aktivitäten allgemein,104 ggf. gekoppelt mit Aktivitäten zur Verhütung von Spielabsprachen (Match-Fixing),105 oder als Teil einer umfassenderen Befreiung von Sportorganisationen neben Stiftungen, NGOs, Kirchen und Gewerkschaften.106 Interessant ist der Verweis auf Gewerkschaften, da sich die einschlägigen Spieler-/Athletengewerkschaften ausdrücklich nicht für solche Ausnahmen eingesetzt und sich explizit von den Bemühungen der WADA distanziert haben.107 Freilich ist der Ausgang des parlamentarischen Verfahrens (im Zweikammersystem) noch lange nicht absehbar; betont werden muss unterdessen, dass auch die aktuelle Richtlinie in den 1990er Jahren nur dadurch zu Stande kam, dass sich ihre Befürworter gegen erhebliche Widerstände behaupten konnten.108 Ebenfalls von Interesse ist die jüngste Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung, da nach dem Urteil im Fall Meca Medina (Rs. C-519/04 P) nunmehr auch im Fall Cañas (Rs. C-269/12 P) zum zweiten Mal ein dopingbezogener Fall entschieden wurde. Wieder bestätigte der EuGH die Ablehnung einer Klage durch die Kommission sowie die entsprechende Rechtsfindung des EuG, wieder aber erkannte der Gerichtshof seine eigene grundsätzliche Zuständigkeit an. Nicht das (nichtverbindliche) EU-Sportrecht, sondern das Freizügigkeitsrecht (Meca Medina) bzw. das Kartellrecht (Cañas) war bemüht worden, was angesichts der erhofften Herausbildung einer auf Art. 165 abgestützten Sportdoktrin mit Blick auf die Entscheidungen in den Verfahren Bernard (Rs. C-325/08) bzw. „QC Leisure“ (auch als „Murphy“ bzw. „The Irish Pub Landlady“ bekannt) (verb. Rs. C-403/08 & C-429/08) mehr they fulfilled the requirements of a modern world. The data protection rules were important in order to guarantee rights as citizens, and also in more specific areas, for example, for athletes who were subject to the rules […].“ (S. 11) 18. 05. 2012, Montreal, Canada. 103 Aus den Arbeiten des LIBE-Ausschusses (Committee on Civil Liberties, Justice and Home Affairs), siehe: Latest Amendments – Documents in dossier LIBE/7/08739, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/committees/en/libe/amendments.html?linkedDocument= true&ufolderComCode=LIBE&ufolderLegId=7&ufolderId=08739&urefProcYear=&uref ProcNum=&urefProcCode=#menuzone (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014), verschiedene Sitzungsdokumente. 104 Änderungsantrag 638 Louis Michel. 105 Änderungsantrag 95 József Szájer; Änderungsantrag 583 Wim van de Camp; Änderungsantrag 584 Axel Voss; Änderungsantrag 688 Louis Michel. 106 Änderungsantrag 1059 Louis Michel. 107 „Athlete associations are dismayed that WADA is lobbying for an exemption for athletes from new data protection rules in the E.U. The current system is not effective enough to justify the sacrifice of these fundamental rights.“ UNI Sport PRO, 12. 02. 2013, 100,000 Elite Athletes Call for Fundamental Reform at WADA, http://antidopingreform.com/2013/02/12/ 100000-elite-athletes-call-for-fundamental-reform-at-wada/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2014). 108 Yesilkagit, Institutional compliance, European networks of regulation and the bureaucratic autonomy of national regulatory authorities, Journal of European Public Policy 2011, 962 – 979 (968).

254

Jacob Kornbeck

als nachvollziehbar erscheint. Zum Nachdenken lädt dabei die Tatsache ein, dass bislang kein Rechtsstreit einen datenschutzrechtlichen Inhalt als Gegenstand hatte. Schließlich ist anzumerken, dass sich zu der Zeit, zu der die hier behandelten EUBeiträge verabschiedet und der WADA zugeleitet wurden, auch auf nationaler Ebene teilweise dramatische Entwicklungen ereigneten. Dazu gehörten im Sommer 2013 in Frankreich die sich durch eine Reihe umfassender Anhörungen eines Ad-hoc-Enquête-Senatsausschusses ergebenden Enthüllungen sowie109 die Ergebnisse eines vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) an die Humboldt Universität Berlin in Auftrag gegebenen Forschungsberichts in Deutschland.110

V. Fazit Auch wenn die EU nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon eine neue sportpolitische Rolle bekommen hat und potentiell in viele neue Bereiche der Sport Governance eingreifen könnte, auch ohne dafür auf spezifisches hard law zurückgreifen zu müssen, bleiben die durch den Vertrag vorgegebenen Grenzen doch eng. Somit ist naheliegend, dass eher auf soft law zurückgegriffen wird bzw. (wie in dem hier untersuchten Fall) auf Hard-law-Bestandteile, die in einem Soft-lawRahmen an eine einflussreiche, weltweit tätige NGO herangetragen werden. Auch wenn die genauen Zuständigkeiten und realen Handlungskompetenzen in den EUAußenbeziehungen noch klärungsbedürftig sind,111 so zeichnen sich dennoch Handlungsmöglichkeiten für ein Politikfeld ohne direkte EU-Fachregulierungskompetenz ab, die sich mit Ausgangspunkt im EU-Sekundärrecht sowie im Zusammenhalt der Mitgliedstaaten unter Inanspruchnahme gemeinsamer Werte entfalten können.112 In Zeiten, in denen eine generelle Abnahme europäischen Einflusses weltweit regelmäßig unterstellt wird,113 dürften Nachrichten wie die der EU-Beiträge zur WADC-Re109 Dokumente, Berichte sowie Live-Streaming der Sitzungen: Commission d’enquête sur l’efficacité de la lutte contre le dopage, abrufbar unter http://www.senat.fr/commission/en quete/dopage/index.html (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014). 110 Berichte zum Projekt „Doping in Deutschland …“, 05. 08. 2013, abrufbar unter http:// www.bisp.de/DE/WissenVermitteln/Aktuelles/Nachrichten/2013/DiD_Berichte_2013_0508. html (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2014). 111 Mateja, Double-hatting in EU External Engagements, EU Special Representatives and the Question of Coherence Post-Lisbon = SWP Comments 46 (Stiftung Wissenschaft und Politik), 2012, abrufbar unter http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/com ments/2012C46_ptr.pdf (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014); siehe auch Gatti/Manzini, External representation of the European Union in the conclusion of international agreements, Common Market Law Review 2012, 1703 – 1734. 112 Crum/Fossum, The Multilevel Parliamentary Field: a framework for theorizing representative democracy in the EU, EPSR 2009, 249 – 271 (250): „This conception seeks to define the EU not so much in terms of political sovereignty and institutional hierarchy, but rather in terms of a set of norms that delineate certain basic values and a shared democratic practice.“ 113 Kempin, Europas Einfluss schwindet, abrufbar unter http://www.zeit.de/politik/ausland/ 2013 – 05/eu-aussenpolitik (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2014).

Die EU und die Revision des World Anti-Doping Codes

255

vision eindeutig als gut gelten. Gerade das Thema Datenschutz hat nach Lissabon verstärkte Relevanz für die EU-Außenbeziehungen erhalten,114 weshalb es nicht unwichtig erscheint, dass der sonst eher unterrepräsentierte EU-Politikbereich Sport sich daran beteiligen konnte.

114 Ferretti, A European perspective on data processing consent through the re-conceptualization of European data protection’s looking glass after the Lisbon Treaty: taking rights seriously, ERPL 2012, 473 – 506.

Minderjährigendoping Strafrechtliche Verantwortlichkeiten und die Sanktionierung nach dem WADA-Code* Adrian Fiedler I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Umfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Körperverletzungsdelikte, §§ 223 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fremd- und Eigendoping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigenverantwortlichkeit des Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erklärungen der Erziehungsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arzneimittelgesetz, §§ 6a, 95 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abstraktes Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sanktionierung nach dem WADA-Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leading Case I. v. FIA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgeschäftliche Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dopingsanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Annullierung, Art. 9 WADC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sperre, Art. 10 WADC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verschuldensprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verschulden minderjähriger Sportler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zurechnung des Verschuldens Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Aussetzung zur Bewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

257 259 259 259 260 262 262 263 263 264 265 265 266 266 267 268 268 269 269 271 272

I. Einleitung Das systematische und ideologische „Staatsdoping“ in der ehemaligen DDR stellt von seinem Ausmaß und Kalkül einen traurigen Höhepunkt des Minderjährigendopings dar.1 Zu hoffen ist, dass ideologisch motiviertes Staatsdoping von minderjährigen Sportlern heutzutage nicht mehr praktiziert wird. Dennoch wäre es leichtgläu-

* Der nachfolgende Beitrag behandelt ausgewählte Teilaspekte der Dissertation des Autors mit dem Titel „Das Doping minderjähriger Sportler. – Eine straf- und verbandsrechtliche Untersuchung“. 1 Vertiefend Marxen/Werle, Strafjustiz und DDR-Unrecht, Bd. 7, 2009, S. 107 ff.

258

Adrian Fiedler

big anzunehmen, dass dieses Phänomen im heutigen Jugend- und Profisport nicht mehr bestünde.2 Allein die öffentlich bekannten Dopingverstöße minderjähriger Athleten der jüngeren Zeit deuten darauf hin, dass das Phänomen kein Relikt des letzten Jahrhunderts ist. Im deutschen Jugendsport sind zwei Doping-Fälle von minderjährigen Schwimmern bei regionalen Meisterschaften aus dem Jahr 2010 zu erwähnen. Ein 13-jähriger Schwimmer wurde positiv auf das Kälbermastmittel Clenbuterol getestet, während eine 14-jährige Turmspringerin eine Dopingkontrolle gänzlich verweigerte.3 Auch bei den ersten olympischen Jugendspielen in Singapur im Jahr 2010, die eigens für minderjährige Athleten zwischen 14 und 18 Jahren ins Leben gerufen wurden und primär dem Fairplay und der Völkerverständigung dienen sollten, wurden zwei 17-jährige Ringer aus Ecuador und Usbekistan positiv getestet. Abgerundet wird dieses Bild durch die Vielzahl der (veröffentlichten) Schiedssprüche des CAS der letzten 10 Jahre zum Doping minderjähriger Sportler.4 Auszugehen ist daher davon, dass das Doping Minderjähriger im Jugend- und Profisport als „Begleiterscheinung“ zum allgemeinen Dopingphänomen auch aktuell von Relevanz ist. Vor diesem Hintergrund ist der Dopingverstoß eines minderjährigen Athleten aus zwei Perspektiven zu betrachten: Zum einen wirft ein solcher Verstoß die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortung der Personen im Umfeld eines jungen Sportlers auf. Nach derzeitiger Gesetzeslage ist in der Bundesrepublik Deutschland die Einnahme einer Dopingsubstanz für einen Sportler als (potentielle) Selbstschädigung straffrei und begründet demnach auch für einen minderjährigen Sportler keine Strafbarkeit.5 Im Mittelpunkt der ersten Hälfte dieses Beitrags steht daher die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Eltern, Trainer und Betreuer des minderjährigen Athleten, die sich an einem Dopingvorgang beteiligen (II.). Zum anderen stellt sich bei einem Dopingverstoß eines Minderjährigen die Frage, wie dieser aus der Sicht der „Sportwelt“ zu behandeln ist. In der zweiten Hälfte des Beitrags werden daher die Besonderheiten bei der verbandsrechtlichen Sanktionierung minderjähriger Sportler nach den Regelungen des WADA-Codes beleuchtet (III.). Hier ist der minderjährige Sportler nicht mehr ausschließlich das potentielle Opfer einer Straftat, sondern nach den Regularien der Sportverbände ebenso wie 2

Vgl. Striegel/Ulrich/Simon, Drug and Alcohol Dependance 106 (2010), 230 ff., wonach 6,8 % der befragten minderjährigen Athleten aus verschiedenen Jugendnationalmannschaften angaben, im Laufe ihrer jungen Karriere bereits Dopingsubstanzen zu sich genommen zu haben. 3 FOCUS Online vom 09. 11. 2010, http://www.focus.de/sport/mehrsport/schwimmen-do ping-zwei-dopingfaelle-im-jugendbereich-des-dsv_aid_570278.html (zuletzt abgerufen am 13. 03. 2014.) 4 CAS 2003/A/447, Stylianou v. FINA; CAS 2005/A/830, Squizzato v. FINA; CAS 2006/ A/1032, Karatancheva v. ITF; CAS 2007/A/1413, WADA v. FIG & Vysotskaya; CAS 2008/A/ 1471, FINA v. Tagliaferri; CAS 2010/A/2311, NADO & KNSP v. Lommers. 5 Vgl. nur Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, § 222 Rn. 29.

Minderjährigendoping

259

ein erwachsener Sportler ein „Täter“6, der direkter Adressat und Leidtragender möglicher Verbandssanktionen sein kann.

II. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Umfelds Für die Strafbarkeit von Personen im Umfeld eines minderjährigen Sportlers kommen nach derzeitiger Gesetzeslage zwei Normenkomplexe in Betracht.7 Einerseits können Dopinghandlungen des Betreuungspersonals von den Körperverletzungsdelikten der §§ 223 ff. StGB erfasst werden (1.), wenn bei einem minderjährigen Sportler eine der vielfältigen möglichen körperlichen Schädigungen eintritt (z. B. Herz-Kreislauf-Schäden, Wachstumsstörungen, Krebs).8 Andererseits finden sich in den §§ 6a, 95 AMG spezielle Strafvorschriften, die den Umgang mit Arzneimitteln „zu Dopingzwecken im Sport“ pönalisieren. 1. Körperverletzungsdelikte, §§ 223 ff. StGB Bis zur Einführung der Dopingvorschriften im Arzneimittelgesetz im Jahr 19989 wurde versucht, das Dopingphänomen im „Kernstrafrecht“ über die Straftatbestände zum Schutz der körperlichen Integrität zu erfassen. Hervorzuheben sind hierbei die Strafprozesse vor dem Landgericht Berlin Ende der 1990er-Jahre, in denen einige ehemalige DDR-Sportfunktionäre auf Grund des exzessiven Anabolikadopings von minderjährigen Sportlern wegen vollendeter Körperverletzung verurteilt wurden.10 Diese Gerichtsverfahren zeigten allerdings auch die praktischen Schwierigkeiten auf, die mit Körperverletzungsnormen als Erfolgsdelikten einhergehen. Für eine Verurteilung musste ein eingetretener Gesundheitsschaden zweifelsfrei kausal auf eine Dopinghandlung zurückzuführen sein, was bei Jahre später auftretenden Folgen zu erheblichen Beweisschwierigkeiten führte.11 a) Fremd- und Eigendoping Betrachtet man allein die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Körperverletzungsdelikte, können sich Personen im Umfeld eines minderjährigen Sportlers 6 Heger, Strafrechtliche Besonderheiten im Umgang mit minderjährigen Leistungssportlern, in: Kauerhof/Nagel/Zebisch (Hrsg.), Olympische Jugendspiele, 2010, S. 25 (29 f.). 7 Ebenfalls denkbar sind die Straftatbestände der §§ 29 ff. BtMG und § 263 StGB, denen beim Doping minderjähriger Sportler jedoch nur geringe Relevanz zukommt. 8 Vertiefend Clasing, Doping und seine Wirkstoffe, 2. Aufl. 2010. 9 BGBl. 1998 I, S. 2649 ff. 10 Vertiefend Marxen/Werle, Strafjustiz und DDR-Unrecht, Bd. 7, 2009, S. 107 ff. 11 Vgl. LG Berlin Az. (538) 28 Js 14/98 KLs (23/99), abgedruckt in Marxen/Werle, Strafjustiz und DDR-Unrecht, Bd. 7, 2009, S. 315 f.

260

Adrian Fiedler

durch verschiedenste Tathandlungen nach §§ 223 ff. StGB strafbar machen. Unterteilt werden können diese in Fremd- und Eigendoping.12 Beim Fremddoping hält die außenstehende Person das Tatgeschehen wortwörtlich „in der Hand“, indem sie einem Minderjährigen bspw. eine Spritze mit EPO setzt. Tritt hieraufhin ein Körperverletzungserfolg ein (z. B. Herz-Rhythmus-Störungen), wird „eine andere Person“ im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB geschädigt. Die Strafbarkeit des unmittelbaren Täters beim Fremddoping hängt in diesen Fällen typischerweise davon ab, ob der minderjährige Sportler in die schädigende Handlung wirksam einwilligen konnte. Beim Eigendoping hingegen, wird der minderjährige Sportler durch eine außenstehende Person lediglich unterstützt, bspw. durch das Besorgen und Bereitstellen von Anabolika-Tabletten. Der Minderjährige nimmt die besorgten Tabletten eigenhändig ein, weswegen er in dieser Konstellation das tatsächliche Geschehen selbst „in der Hand“ hat. Da eine Selbstschädigung grundsätzlich nicht unter den Wortlaut des § 223 Abs. 1 StGB fällt, kommt eine Strafbarkeit der unterstützenden Person nur in Form einer mittelbaren Täterschaft nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB in Betracht, wenn sich die Handlung des Minderjährigen nicht als „eigenverantwortlich“ darstellt.13 b) Eigenverantwortlichkeit des Minderjährigen Beiden Konstellationen – dem Fremd- und dem Eigendoping – ist im Hinblick auf minderjährige Sportler die zentrale Problematik gemein: Die Strafbarkeit der Person im Umfeld hängt maßgeblich davon ab, ob der Minderjährige eigenverantwortlich handelt. Hierfür muss dieser insbes. die notwendige Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzen, um die Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung zu erkennen.14 Liegt diese vor, kann der minderjährige Athlet zum einen wirksam in ein einvernehmliches Fremddoping einwilligen. Zum anderen kann in solchen Fällen die Entscheidung zum Eigendoping als „freiverantwortlich“ betrachtet werden, sodass die mittelbare Täterschaft einer unterstützenden Person nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB ausscheidet.15 Ob die Einsichts- und Urteilsfähigkeit vorliegt, entzieht sich einer schematischen Betrachtung, sondern beurteilt sich stets im Einzelfall aus einer Zusammenschau mehrerer Kriterien.16 Grundlegend kommt es zunächst auf die kognitiven Fähigkei-

12 Bspw. auch Heger, JA 2003, 76 (78); Rössner, in: Adolphsen u. a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2011, Kapitel 11 Rn. 1701. 13 Siehe bspw. Ahlers, Doping und strafrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl. 1994, S. 115; Rössner, in: Adolphsen u. a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2011, Kapitel 11 Rn. 1701. 14 Vgl. BGHSt 4, 88 (90); 23, 1 (4); Schönke-Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, 28. Aufl. 2010, Vorbem. §§ 32 ff. StGB Rn. 40 m.w.N. 15 Vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl. 2011, Vor. § 211 Rn. 13a m.w.N. 16 Grundlegend Amelung, ZStW 104 (1992), 525 ff.

Minderjährigendoping

261

ten des minderjährigen Sportlers an.17 Dieser muss beim Fremd- und Eigendoping sowohl unmittelbare Kausalzusammenhänge zwischen der Dopingsubstanz und den körperlichen Auswirkungen erkennen, als auch ausreichende prognostische Fähigkeiten besitzen, um die in fernerer Zukunft liegenden Folgen zu erfassen. Ebenfalls ist auf kognitiver Ebene die Entwicklung eines Wertesystems zu fordern, um zwischen den verschiedenen in Betracht kommenden Handlungsmöglichkeiten überhaupt abwägen zu können. Das tatsächliche Alter des Minderjährigen spielt bei der Ermittlung der Einsichtsund Urteilsfähigkeit nur eine indirekte Rolle.18 Je weiter der Minderjährige von der Volljährigkeitsgrenze entfernt ist, desto unwahrscheinlicher dürften die notwendigen kognitiven Fähigkeiten gegeben sein, um die komplexen Risiken einer Dopingsubstanz zu erfassen. Eine starre Altersuntergrenze für die Einwilligungsfähigkeit (bzw. Freiverantwortlichkeit), wie sie in der Literatur bspw. bei 14 Jahren vorgeschlagen wird,19 kann jedoch nicht gezogen werden. Sie findet keine gesetzliche Verankerung und erscheint auf Grund der unterschiedlichen Entwicklungsstadien von Pubertierenden, insbes. zwischen Jungen und Mädchen, willkürlich. Zu bedenken ist dabei auch, dass es bei Dopingvorgängen keiner Rechtssicherheit für die handelnden Personen bedarf.20 Im Gegensatz zu den Regelvermutungen in der Humanmedizin, die Ärzten Hilfestellungen bei der Behandlung minderjähriger Patienten geben sollen, sind solche für die Akteure bei medizinisch nicht indiziertem und verbandsrechtlich verbotenem Doping nicht erforderlich. In Zusammenschau mit den kognitiven Fähigkeiten ist als weiteres Kriterium zur Ermittlung der Einsichts- und Urteilsfähigkeit die Gefährlichkeit der applizierten Dopingsubstanz heranzuziehen.21 Bei Dopingsubstanzen mit langfristigen und komplexen Risiken (z. B. Wachstumshormone, Anabolika), dürften die notwendigen prognostischen Fähigkeiten zur Erfassung der langfristigen Gefahren selbst bei nahezu volljährigen Sportlern selten vorhanden sein. Andererseits ist es denkbar, dass ein 16jähriger Sportler die Wirkweise und die Gesundheitsgefahren einer Stimulanzie oder Maskierungssubstanz nach seinem Entwicklungsstand zutreffend einordnen kann. Neben dem Vorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit ist im Rahmen der Eigenverantwortlichkeit schließlich noch zu fragen, ob der minderjährige Sportler einen Dopingvorgang nicht nur „verstandesmäßig“ bewältigen, sondern auch „wil-

17

Vgl. Amelung, ZStW 104 (1992), 525 (554); BayOLG NStZ 1999, 458 (459). So auch Engel, Doping in der DDR, 2010, S. 138; Müller, Doping im Sport, 1993, S. 105 f.; Schild, Sportstrafrecht, 2002, S. 149, 152. 19 Ahlers, Doping und strafrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl. 1994, S. 125, 161; Haas/ Prokop, SpuRt 1997, 56 (58). 20 Für eine Regelvermutung Rain, Die Einwilligung des Sportlers beim Doping, 1997, S. 89. 21 So auch Ahlers, Doping und strafrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl. 1994, S. 122 f.; Otto, SpuRt 1994, 10 (12). 18

262

Adrian Fiedler

lensmäßig“ beherrschen konnte.22 Er muss nicht nur auf kognitiver Ebene die Wirkungen und Gefahren einer Dopingsubstanz richtig erfassen, sondern sich nach dieser Einsicht auch bestimmen und sein Verhalten hiernach steuern können. Insbes. wenn ein minderjähriger Sportler in ein Leistungssportsystem eingegliedert ist und sich starkem Leistungsdruck ausgesetzt sieht, könnte an dieser Steuerungsfähigkeit zu zweifeln sein. c) Erklärungen der Erziehungsberechtigten Auf Grund des vom Sorgerecht umfassten Vertretungsrechts aus §§ 1626, 1629 BGB wäre es grundsätzlich denkbar, dass auch den Erklärungen der Eltern oder Erziehungsberechtigten beim Dopinggeschehen eine Bedeutung zukommt. In Hinblick auf die strafrechtliche Rechtfertigung eines Dopingvorgangs besitzen sie jedoch keine Relevanz. Ist der minderjährige Sportler nach den eben skizzierten Maßstäben nicht einwilligungsfähig, können auch die Eltern nicht durch ihre Zustimmung einen Dopingvorgang rechtfertigen, da eine solche stellvertretende Einwilligung im Rahmen des elterlichen Sorgerechts nach § 1627 BGB nur „zum Wohl des Kindes“ erfolgen kann. Wegen der Gesundheitsgefahren und des Verstoßes gegen verbandsrechtliche AntiDoping-Vorschriften ist Doping jedoch niemals zum Wohl des minderjährigen Sportlers.23 Ist die Entscheidung des minderjährigen Sportlers nach den oben dargestellten (strengen) Maßstäben hingegen als eigenverantwortlich zu betrachten, ist das Fremddoping durch einen Dritten bereits auf Grund des wirksam ausgeübten Selbstbestimmungsrechts gerechtfertigt bzw. eine Unterstützungshandlung beim Eigendoping als straflose Beihilfe einzustufen. Eine ergänzende Einwilligung oder gar ein entgegenstehendes Veto der Eltern oder Erziehungsberechtigten muss wegen der Eigenverantwortlichkeit des Minderjährigen zurückstehen.24 d) Sittenwidrigkeit Ist ein minderjähriger Sportler im Einzelfall einwilligungsfähig, stellt sich in der Konstellation des Fremddopings weiterhin die Frage, ob die Dopingtat trotz einer wirksamen Einwilligung des Minderjährigen möglicherweise sittenwidrig im Sinne des § 228 StGB ist. 22 Ähnlich Rain, Die Einwilligung des Sportlers beim Doping, 1997, S. 88 ff.; vgl. BGH NStZ 1985, 25 (26). 23 Vgl. Nolte, Sport und Recht, 2004, S. 223; Schild, Sportstrafrecht, 2002, S. 147; Schönke-Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, 28. Aufl. 2010, Vorbem. §§ 32 ff. StGB Rn. 41. 24 Ebenfalls Engel, Doping in der DDR, 2010, S. 139; Müller, Doping im Sport, 1993, S. 108.

Minderjährigendoping

263

Basierend auf der sog. Zwecktheorie wurde ursprünglich vertreten, dass eine Dopingtat allein schon deswegen sittenwidrig sei, weil sie gegen den „Sportethos“ oder die „Fairness des Sports“ verstoße.25 Mit Einführung der Dopingverbote im AMG im Jahr 1998 wurde diese Auffassung dahingehend ergänzt, dass sich die Sittenwidrigkeit nicht mehr lediglich aus „außer(straf-)rechtlichen Erwägungen“ ableiten lasse, sondern unmittelbar aus diesen gesetzlich normierten Dopingverboten.26 Seit den BGH-Urteilen zum sog. Sadomaso-Fall und zum sog. HeroinspritzenFall27 lässt sich jedoch die Tendenz erkennen, das Verständnis der Sittenwidrigkeitsklausel näher am Rechtsgut der § 223 ff. StGB zu bestimmen.28 Nach dieser sog. Schweretheorie ist auch beim Doping von Minderjährigen die Sittenwidrigkeit primär anhand der Schwere der Auswirkungen der Dopinghandlung auf die körperliche Integrität zu beurteilen. Das Fremddoping eines minderjährigen Sportlers ist daher nur sittenwidrig, wenn hierdurch vorsätzlich eine unmittelbare, schwerwiegende Schädigung (deren Intensität mit den Folgen von § 226 StGB vergleichbar ist) herbeigeführt wird oder zum Zeitpunkt der Dopinghandlung aus ex-ante Sicht zumindest die konkrete Gefahr einer solchen Schädigung bestand.29 Steht eine solch schwerwiegende Schädigung hingegen nicht im Raum, wirkt die Einwilligung eines eigenverantwortlich handelnden Minderjährigen in das Fremddoping rechtfertigend, wobei die bereits dargestellten (strengen) Erfordernisse an die notwendige Einsichts-, Urteils- und Steuerungsfähigkeit zu beachten sind. 2. Arzneimittelgesetz, §§ 6a, 95 AMG Die §§ 6a Abs. 1, 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG stellen zumindest auf dem Papier das „schärfste Schwert“ bei der strafrechtlichen Verfolgung der Personen im Umfeld eines gedopten minderjährigen Sportlers dar.30 a) Abstraktes Gefährdungsdelikt Zurückzuführen ist dies zum einen darauf, dass die strafbewehrten Dopingverbote in §§ 6a Abs. 1, 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG als abstrakte Gefährdungsdelikte ausge25

Bspw. Linck, NJW 1987, 2550 f.; Turner, MDR 1991, 569 (574). Heger, SpuRt 2001, 92 (94). 27 BGHSt 49, 34 ff., 166 ff.; Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, § 228 Rn. 9a. 28 Kühl, Die sittenwidrige Körperverletzung, in: Hoyer u. a. (Hrsg.), Festschrift Schroeder, 2006, S. 521 (529 ff.). 29 Im Ergebnis so auch Ahlers, Doping und strafrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl. 1994, S. 171. 30 Sowohl für Betreuer als auch minderjährige Sportler kommt darüber hinaus eine Besitzstrafbarkeit nach §§ 6a Abs. 2a, 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG in Betracht; hierzu Heger, Strafrechtliche Besonderheiten im Umgang mit minderjährigen Leistungssportlern, in: Kauerhof/ Nagel/Zebisch (Hrsg.), Olympische Jugendspiele, 2010, S. 25 (31). 26

264

Adrian Fiedler

staltet sind.31 Für die Erfüllung des Tatbestands bedarf es nicht des Eintritts einer Gesundheitsschädigung, sondern lediglich der Anwendung einer von § 6a Abs. 2 S. 1 AMG erfassten Dopingsubstanz oder -methode, sodass nicht dieselben Beweisschwierigkeiten wie im Rahmen der §§ 223 ff. StGB bestehen. Weiterhin sind die von §§ 6a, 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG geschützten Rechtsgüter nach überwiegender Auffassung die Volksgesundheit und die Sicherheit des Arzneimittelverkehrs.32 Mangels Dispositionsbefugnis über diese Universalrechtsgüter kommt eine rechtfertigende Einwilligung sowohl von minderjährigen als auch erwachsenen Sportlern von vornherein nicht in Betracht. b) Regelbeispiel Speziell im Hinblick auf das Doping minderjähriger Sportler sieht § 95 Abs. 3 Nr. 2a AMG ein strafschärfendes Regelbeispiel mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor, wenn „ein Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport an Personen unter 18 Jahren abgegeben oder angewendet wird“. Nach der Gesetzesbegründung sollen hierdurch minderjährige Sportler geschützt werden, deren „Unreflektiertheit“ von Trainern missbräuchlich zur Befriedigung des eigenen Egos und zur Erzielung von wirtschaftlichen Gewinnen ausgenutzt werden könnte.33 Glücklicherweise dürfte jedoch nicht jeder Dopingfall von Minderjährigen so skrupellos sein, wie der Gesetzgeber dies auch vor dem Hintergrund des DDR-Dopings vor Augen hatte. Dennoch findet das Regelbeispiel seinem Wortlaut nach auch Anwendung, wenn bspw. einem 17-jährigen Athleten von seinem Betreuer relativ ungefährliche Aufputschmittel zu Verfügung gestellt werden. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift erscheint daher in den Fällen geboten, in denen ein minderjähriger Sportler bei einem Dopingvorgang eine eigenverantwortliche Entscheidung nach den bereits skizzierten (strengen) Maßstäben treffen kann.34 Das im Regelbeispiel vertypte Unrecht, nämlich die besonders verwerfliche „Ausnutzung der Minderjährigkeit“, ist hier nicht im selben Maß verwirklicht, sodass nach § 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG lediglich ein Strafrahmen von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe eröffnet ist.

31

Bspw. Heger, SpuRt 2001, 92 (93). Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl. 2012, § 95 AMG Rn. 84; Reinhart, in: Fritzweiler u. a. (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, 8. Teil Rn. 126; Knauer, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 2011, § 95 AMG Rn. 2; unklar BT-Drs. 13/9996, S. 13; a.A. Heger, JA 2003, 76 (80). 33 BT-Drs. 13/5215, S. 5. 34 Im Ergebnis ebenso MüKo-StGB/Freund, Bd. 5, 2007, § 6a AMG Rn. 51 ff.; Heger, SpuRt 2001, 92 (94). 32

Minderjährigendoping

265

III. Sanktionierung nach dem WADA-Code Aus der Perspektive des Verbandsrechts wirft der Dopingverstoß eines minderjährigen Sportlers die Frage auf, inwiefern Minderjährige nach den Anti-Doping-Regelwerken eines Sportverbandes „bestraft“ werden können. Die hierbei widerstreitenden Interessen und Schutzgüter lassen sich exemplarisch anhand des Sanktionsverfahrens eines 12-jährigen Junioren-Kartfahrers veranschaulichen.35 1. Leading Case I. v. FIA Im Rahmen eines Junioren-Kartrennens im deutschen Ampfingen wurde der 12jährige Kartfahrer I. positiv auf das verbotene Aufputschmittel Nikethamide getestet und infolgedessen vom Automobilverband FIA wegen eines verschuldeten Dopingverstoßes für zwei Jahre gesperrt.36 Der beim Rennen als Begleitperson auftretende Vater erklärte den Verstoß damit, dass sein Sohn ohne seine Kenntnis vor dem Rennen ein Energy-Getränk getrunken habe. In der Berufungsinstanz bestätigte der internationale Sportgerichtshof in Lausanne (CAS) allerdings das Vorliegen eines verschuldeten Dopingverstoßes und setzte die Sperre lediglich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von 24 auf 18 Monate herunter, da der Minderjährige ansonsten drei vollständige Renn-Saisons verpasst hätte.37 Auf der einen Seite illustriert dieser Fall das elementare Bedürfnis der Sportverbände und der konkurrierenden Sportler nach Chancengleichheit und einem manipulationsfreien Wettkampf,38 welches durch den Dopingverstoß eines minderjährigen Sportlers beeinträchtigt wird. Darüber hinaus besitzen Sportverbände hinsichtlich ihrer minderjährigen Sportler eine Schutzpflicht, diese vor gesundheitsschädlichen Folgen von Doping zu bewahren.39 Auf der anderen Seite stellt eine zweijährige Sperre für jeden professionellen Sportler einen erheblichen Eingriff in die Berufs- und Handlungsfreiheit dar. Ein minderjähriger Sportler verliert dabei womöglich wertvolle Jahre in seiner sportlichen Entwicklung und wird darüber hinaus schon in jungem Alter in den Medien als „Dopingsünder“ stigmatisiert.40 Ferner kann bspw. einem 12-jährigen Junioren-Kartfahrer nur ein wesentlich geringerer Verschuldensvorwurf gemacht werden als einem erwachsenen Profisportler mit langjähriger Wettkampferfahrung. Diskussionswürdig ist daher, inwiefern der Dopingverstoß eines minderjährigen Athleten 35

CAS 2010/A/2268, I. v. FIA. Bezugnahme auf die Entscheidung der FIA (ACMC 2/2010) in CAS 2010/A/2268, I. v. FIA, S. 5 Rn. 18. 37 CAS 2010/A/2268, I. v. FIA, S. 34 Rn. 142. 38 Ausführlich Petri, Die Dopingsanktion, 2004, S. 187 ff. 39 Petri, Die Dopingsanktion, 2004, S. 185. 40 Heger, Strafrechtliche Besonderheiten im Umgang mit minderjährigen Leistungssportlern, in: Kauerhof/Nagel/Zebisch (Hrsg.), Olympische Jugendspiele, 2010, S. 25 (32 f.). 36

266

Adrian Fiedler

nach denselben Maßstäben wie der Verstoß eines erwachsenen Sportlers sanktioniert werden kann. 1. Rechtsgeschäftliche Bindung Festhalten kann man zunächst, dass minderjährige und volljährige Sportler grundsätzlich nach demselben Anti-Doping-Regelwerk ihres jeweiligen Sportverbandes sanktioniert werden und regelmäßig kein spezielles „Jugend-Regelwerk“ besteht.41 Seit der Einführung des World Anti-Doping Codes (WADA-Code) im Jahr 2004 wurden weltweit die Anti-Doping-Regelwerke der Sportverbände harmonisiert. Auch wenn der WADA-Code keine unmittelbar bindende Wirkung entfaltet, sind die internationalen und nationalen Sportverbände dazu verpflichtet, dessen Vorgaben in die eigene Satzung umzusetzen.42 Daher ist der WADA-Code Vorbild für nahezu alle Anti-Doping-Regelwerke der bedeutenden internationalen Sportverbände und sowohl für erwachsene als auch minderjährige Sportler maßgeblich bei der Frage der Sanktionierung. Damit ein minderjähriger Sportler dem Anti-Doping-Regelwerk seines Sportverbandes unterworfen ist, muss er sich wirksam an dieses binden, was überwiegend rechtsgeschäftlich durch einen sog. Regelanerkennungsvertrag geschieht (z. B. Lizenz, Spielerpass, Wettkampfanmeldung).43 Weiterhin kann die Unterwerfung unter das Anti-Doping-Regelwerk durch die Mitgliedschaft des Sportlers im jeweiligen Sportverein erfolgen. In beiden Fällen muss der Minderjährige jedoch von seinen Eltern oder Erziehungsberechtigten vertreten werden, da sowohl der Regelanerkennungsvertrag als auch die Mitgliedschaft auf Grund der damit einhergehenden Pflichten nicht lediglich rechtlich vorteilhaft nach den §§ 107, 108 BGB sind.44 2. Dopingsanktionen Wird der Dopingverstoß eines (minderjährigen) Sportlers festgestellt, eröffnet der WADA-Code mehrere Sanktionsmöglichkeiten. Zunächst kann das Ergebnis des betroffenen Wettkampfs nach Art. 9 WADC annulliert und der Sportler bis zum Abschluss des Sanktionsverfahrens vorläufig suspendiert werden.45 Als wohl schärfste Sanktion kommt weiterhin die Sperre in Betracht, die bei einem Erstverstoß im Regelfall zwei Jahre beträgt und bei einem Zweitverstoß sogar „lebenslänglich“ ausfallen kann.46 Schließlich kann zusätzlich zu der Sperre eine Geldstrafe ausgesprochen werden.47 41

Soweit ersichtlich einzig § 10 Nr. 2 Abs. 3 DFB-JgdO. Ausführlich Nagel, CaS 2009, 29 (30). 43 Lehner, in: Adolphsen u. a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2011, Kapitel 10 Rn. 1431. 44 Lehner, in: Adolphsen u. a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2011, Kapitel 10 Rn. 1406 geht diesbezüglich von einer elterlichen Gesamtvertretung aus. 45 Art. 7.5 WADC. 46 Art. 10.2 und Art. 10.7 WADC; hierzu Haas/Boccucci, CaS 2011, 5 (6). 42

Minderjährigendoping

267

Wegen der weiten Verbandsautonomie aus Art. 9 GG48 dürfen die Sanktionen grundsätzlich nach den Bedürfnissen und sportpolitischen Zielsetzungen der Verbände ausgestaltet werden. Einschränkend ist jedoch zu beachten, dass die privatrechtlichen Sanktionen bei „monopolartiger“ Stellung eines Sportverbandes einem Mindestmaß an mittelbarem Grundrechtsschutz gerecht werden müssen.49 Sowohl in Hinblick auf minderjährige als auch auf erwachsene Sportler müssen die Sanktionsregelungen des WADA-Codes daher einer Inhaltskontrolle nach Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB standhalten, die eine umfassende Abwägung aller betroffenen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ermöglicht.50 Wie bereits angedeutet, könnte der größte Unterschied zwischen dem Dopingverstoß eines erwachsenen und eines minderjährigen Sportlers dabei im unterschiedlichen Verschuldensvorwurf zu sehen sein. Für die folgende Betrachtung bietet es sich daher an, die Verhältnismäßigkeit der einzelnen Sanktionen danach zu untersuchen, ob diese ein Verschuldenselement beinhalten oder auf ein solches verzichten. Beispielhaft sollen die unterschiedlichen Auswirkungen anhand der Annullierung von Wettkampfergebnissen [a)] und der Sperre [b)] illustriert werden. a) Annullierung, Art. 9 WADC Bei der Annullierung des Wettkampfergebnisses kommt es auf das Vorliegen eines Verschuldens des Sportlers von vornherein nicht an.51 Vielmehr reicht nach Art. 9 WADC allein das objektive Vorliegen eines Dopingverstoßes. Trotz des Verzichts auf das Verschuldenserfordernis bei der Annullierung wird die Regelung des Art. 9 WADC im Allgemeinen als verhältnismäßig erachtet.52 Der „Chancengleichheit“ im Wettkampf komme bei der Frage der Wettkampfwertung eine solch zentrale und bedeutsame Rolle zu, dass die widerstreitenden Interessen, wie die Berufsfreiheit des dopenden Sportlers und das Verschuldensprinzip, dahinter zurückstehen müssten. Da es auf ein Verschulden im Rahmen der Annullierung nicht ankommt, ergeben sich auch für die Sanktionierung minderjähriger Sportler keine Besonderheiten. Auch die Annullierung des Wettkampfergebnisses eines 12-jährigen Kart-Fahrers 47

Art. 10.12 WADC; die Geldstrafe dürfte bei minderjährigen Sportlern jedoch nur in Ausnahmefällen verhältnismäßig sein. 48 Bzw. Art. 11 EMRK; Art. 12 GRC. 49 BGHZ 93, 151 (158); Petri, Die Dopingsanktion, 2004, S. 96 f. 50 Adolphsen, in: Adolphsen u. a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2011, Kapitel 3 Rn. 173; Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Sportverbände, 1990, S. 235 ff. 51 Siehe die offizielle Kommentierung zu Art. 9 WADC; ebenso erfordert die zwingende Suspendierung nach Art. 7.5.1 WADC kein Verschulden. 52 Petri, Die Dopingsanktion, 2004, S. 218 f.; Summerer, in: Fritzweiler u. a. (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, 2. Teil Rn. 263; Vieweg, NJW 1991, 1511 (1515).

268

Adrian Fiedler

ist verhältnismäßig, um die Chancengleichheit für die anderen Teilnehmer des Junioren-Rennens zu gewährleisten.53 b) Sperre, Art. 10 WADC Relevant wird die Frage nach dem Verschulden des Sportlers hingegen bei der Sperre. Diese besitzt einen stärkeren „Strafcharakter“ als die Annullierung, indem sie die zukünftige Berufs- und Handlungsfreiheit für einen längeren Zeitraum vollständig einschränkt.54 aa) Verschuldensprinzip Auf Grund des erheblichen Eingriffs in die Berufs- und Handlungsfreiheit ist bei Sperren von Sportverbänden nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur die Verhältnismäßigkeit nur gewahrt, wenn in der Sanktionsregelung das Verschuldensprinzip verankert ist.55 Um die Verhältnismäßigkeit zu wahren, wird im Rahmen von Art. 10.5 WADC das Verschuldensprinzip daher grundsätzlich berücksichtigt.56 Wird ein Dopingverstoß festgestellt, erbringt dies zunächst den Anscheinsbeweis dafür, dass das Doping schuldhaft geschah. Die Typizität eines Dopingbefundes weise nach allgemeiner Lebenserfahrung darauf hin, dass auf Seiten des Athleten mindestens Fahrlässigkeit vorgelegen habe.57 Verantwortlich ist der Athlet hierbei sowohl für seine eigenen Handlungen als auch für die Überwachung und Kontrolle seiner Entourage.58 Im Gegensatz zu einem System der „strict liability“ hat der Sportler jedoch die Möglichkeit, den Anscheinsbeweis des verschuldeten Verstoßes zu erschüttern. Hierzu muss er darlegen, wie die verbotene Substanz in seinen Körper gelangt ist und dass ihn diesbezüglich kein oder zumindest ein nur geringes Verschulden traf.59 Bspw. könnte „kein Verschulden“ im Sinne von Art. 10.5.1 WADC anzunehmen sein, wenn der Athlet nachweist, dass eine verbotene Substanz durch den Konsum von verunreinig53

Ebenso Heger, Strafrechtliche Besonderheiten im Umgang mit minderjährigen Leistungssportlern, in: Kauerhof/Nagel/Zebisch (Hrsg.), Olympische Jugendspiele, 2010, S. 25 (32). 54 Vgl. Haas/Boccucci, CaS 2011, 5 (6). 55 OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1120; OLG München SpuRt 2001, 64 (68); Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, S. 339 ff.; Fenn/Petri, SpuRt 2000, 232; Steiner, NJW 1991, 2729 (2736); Turner, MDR 1991, 569 (570); Vieweg, NJW 1991, 1511 (1515). 56 Vgl. die offizielle Kommentierung zu Art. 10.5.1 und 10.5.2 WADC. 57 Fenn/Petri, SpuRt 2000, 232 (234); Hilpert, Das Fußballstrafrecht des DFB, 2009, S. 96; Walker, Beweisrechtliche und arbeitsrechtliche Probleme des Dopings, in: Vieweg (Hrsg.), Doping, 1998, S. 135 (144 ff.); Steiner, Doping aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Röhricht/ Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum, 2000, S. 125 (134 ff.). 58 Kommentierung zu Art. 10.5 WADC; ausführlich hierzu Haas/Boccucci, CaS 2011, 5 (10). 59 Vgl. Art. 10.5.1 und 10.5.2 WADC.

Minderjährigendoping

269

tem Fleisch in einem Land mit Anabolikamissbrauch in der Viehmast in den Körper gelangt ist.60 Führt ein Athlet erfolgreich diesen Nachweis, kann die Sperre nach Art. 10.5 WADC vollständig aufgehoben oder zumindest reduziert werden. bb) Verschulden minderjähriger Sportler Dass minderjährige Sportler ein geringeres Verschulden als erwachsene Sportler treffen kann, erkannte die WADA bei der ersten Überarbeitung des Codes im Jahr 2009. In deren Zuge fügte sie Art. 10.5 WADC eine offizielle Kommentierung hinzu, wonach „das jugendliche Alter und die mangelnde Erfahrung relevante Faktoren darstellen, die bei der Bewertung zur Festlegung des Verschuldens des Athleten oder einer anderen Person zu berücksichtigen sind“.61 Ableiten lässt sich hieraus zunächst, dass die Dopingsanktionen grundsätzlich auch bei Minderjährigen Anwendung finden und es insbes. keine Altersuntergrenze geben soll, wie dies etwa in § 19 StGB mit der Strafmündigkeitsgrenze von 14 Jahren der Fall ist. Grundsätzlich kann daher jeder Minderjährige, bspw. auch ein 12-jähriger Junioren-Kartfahrer, einen verschuldeten Dopingverstoß begehen.62 Allerdings sollen laut Kommentierung das „jugendliche Alter“ und die „mangelnde Erfahrung“ zu einem milderen Verschuldensmaßstab führen können. Betrachtet man nun den Fall des 12-jährigen Kartfahrers, könnte diesem persönlich wohl nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, so dass die Sperre eigentlich aufzuheben gewesen wäre. Es kann kaum von einem 12-jährigen Sportler erwartet werden, dass dieser alle Inhaltsstoffe eines Energy-Getränks mit der langen und komplizierten WADA-Verbotsliste abgleicht oder selbstständig einen Sportarzt konsultiert. Erst recht wird man ihm keinen Vorwurf dafür machen können, dass er als 12-jähriger sein Betreuungspersonal nicht pflichtgemäß überwacht und angewiesen hat. Konsequenterweise müsste demnach die Dopingsperre gegen einen minderjährigen Athleten umso eher aufzuheben sein, je jünger und unerfahrener dieser bei seinem Dopingverstoß war. cc) Zurechnung des Verschuldens Dritter In seiner Rechtsprechung stellt der CAS jedoch nicht ausschließlich auf das eigene Verschulden des minderjährigen Sportlers ab. Auch das Verschulden seiner Hilfspersonen (Trainer, Betreuer, Eltern) kann ihm zugerechnet werden, wenn der Min-

60 Vgl. die verbandsinterne Entscheidung des DTTB-Präsidiums, DTTB v. Ovtcharov 875/ 10; hierauf Bezug nehmend CAS 2010/A/2161, Wen Tong v. IJF, S. 10 Rn. 5.6; CAS 2011/A/ 2384, 2386, UCI & WADA v. Contador & RFEC, S. 57 Rn. 66 ff. 61 Vgl. die vollständige offizielle Kommentierung zu Art. 10.5 WADC. 62 Zur Gegenauffassung Lehner, in: Adolphsen u. a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2011, Kapitel 10 Rn. 1397 ff.

270

Adrian Fiedler

derjährige auf Grund seiner geringen Erfahrung oder seines geringen Alters den AntiDoping-Pflichten noch nicht (vollumfänglich) nachkommen kann.63 Als Begründung hierfür führt der CAS den generalpräventiven Gesundheitsschutz minderjähriger Sportler ins Feld. Wären für verschuldensunfähige Minderjährige von vornherein keine oder nur sehr milde Dopingsperren zu befürchten, wäre skrupellosen Trainern Tür und Tor geöffnet, um gerade die jüngsten Sportler fast risikolos gesundheitsschädigend zu dopen.64 Gegen diese Zurechnung richtet sich allerdings Kritik in der Literatur, die im Lichte des strengen Verschuldensprinzips auch bei einer Verbandsstrafe nur eigenes Verschulden genügen lassen will.65 Bei persönlich wirkenden Strafen wie einer Dopingsperre könne es nicht auf die Professionalität oder Ehrlichkeit dritter Personen ankommen, sondern nur auf originäres eigenes Verschulden. Nach welchen Maßstäben das Verschuldensprinzip im Rahmen der Verbandsautonomie zu berücksichtigen ist, ist zunächst anhand der rechtlichen Natur einer Dopingsanktion zu beurteilen. Diese findet ihren Ursprung im Privatrecht,66 so dass die Wertungen des Straf- oder gar Jugendstrafrechts zumindest keine unmittelbare Anwendung finden. Minderjährige Sportler binden sich mit Hilfe ihrer Eltern rechtsgeschäftlich und/oder verbandsrechtlich, wodurch die Möglichkeit eröffnet wird, das Verschuldensprinzip nach privatrechtlichen Wertungen auszugestalten. Als Beispiel für die privatrechtliche Lockerung des Verschuldensprinzips sei die Zurechnung des Verschuldens des Erfüllungsgehilfen in § 278 BGB genannt. Grundgedanke hierbei ist, dass derjenige, der sich zur Wahrung seiner Interessen der Hilfe Dritter bedient, auch das damit verbundene Risiko tragen soll, welches der außenstehende Vertragspartner nicht einschätzen kann.67 § 278 BGB sieht dabei ausdrücklich vor, dass auch minderjährige Schuldner für das Verschulden ihrer gesetzlichen Vertreter einzustehen haben. Die Interessenlage zwischen Sportverbänden und minderjährigem Sportler bei der Erfüllung von Anti-Doping-Pflichten stellt sich mit der von § 278 BGB als vergleichbar dar. Auf der einen Seite bedient sich ein minderjähriger Sportler bei der Erfüllung seiner Anti-Doping-Pflichten umso mehr seiner Betreuer und Hilfspersonen, je jünger und unerfahrener er ist. Auf der anderen Seite ist es für den Sportverband kaum nachvollziehbar, wer im Einzelnen im Team des Minderjährigen für welche Aufgabe verantwortlich ist. Selbst wenn der Sportverband einen Einblick hätte und ein Verfolgungsinteresse gegenüber missbräuchlich handelnden Trainern und Betreuern bestünde, ist in der Praxis ein effektives Vorgehen gegen diese nahezu aussichtslos. Zwar sieht der 63

CAS 2006/A/1032, Karatancheva v. ITF, S. 36 Rn. 145; vgl. Lehner, in: Adolphsen u. a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2011, Kapitel 10 Rn. 1422a. 64 CAS 2006/A/1032, Karatancheva v. ITF, S. 36 Rn. 142. 65 Lehner, in: Adolphsen u. a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2011, Kapitel 10 Rn. 1422 f. 66 Bspw. Petri, Die Dopingsanktion, 2004, S. 82 f. 67 MüKo-BGB/Grundmann, Bd. 2, 5. Aufl. 2007, § 278 Rn. 3.

Minderjährigendoping

271

WADA-Code auch die Möglichkeit einer direkten Sanktionierung von Betreuern vor.68 Ein Großteil der Trainer, Eltern und Betreuer ist jedoch schon gar nicht rechtsgeschäftlich oder mitgliedschaftlich an das Dopingsanktionssystem der Verbände gebunden.69 Weiterhin besitzen Sportverbände im Vergleich zu den Organen der staatlichen Strafverfolgung nur eingeschränkte privatrechtliche Ermittlungsbefugnisse, so dass auch aus diesem Grund eine Kontrolle der Betreuer des Minderjährigen kaum möglich ist. Die Lockerung des strengen Verschuldensprinzips durch die Zurechnung fremden Verschuldens stellt somit einen möglichen Lösungsansatz dar, um die Erfüllung von Anti-Doping-Pflichten sicherzustellen und zumindest mittelbar den Gesundheitsschutz minderjähriger Sportler zu gewährleisten. Im Vergleich zu den möglichen Alternativen, bringt dieses „Zurechnungsmodell“ die widerstreitenden Interessen der Beteiligten am schonendsten in Einklang. Als Alternative könnte etwa daran gedacht werden, alle Minderjährigen vom professionellen Wettkampfsport auszuschließen, die ihren Anti-Doping-Pflichten noch nicht vollständig nachkommen können (z. B. im Alter unter 16 Jahren). Dies würde allerdings einen noch viel stärkeren Eingriff in die Berufs- und Handlungsfreiheit der jungen Sportler darstellen, so dass die Zurechnung des Verschuldens im Lichte der Verbandsautonomie als verhältnismäßig zu erachten ist. dd) Aussetzung zur Bewährung Grundsätzlich sollen nach der Kommentierung zu Art. 10.5 WADC das „jugendliche Alter“ und die „mangelnde Erfahrung“ eines minderjährigen Sportlers nur auf Tatbestandsebene bei der Festlegung des Verschuldens berücksichtigt werden. Dennoch kann es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall gebieten, die Minderjährigkeit eines Athleten auch auf Rechtsfolgenseite im Rahmen der Dauer und Ausgestaltung der Sperre zu berücksichtigen.70 Insbes. kommt eine Milderung in Betracht, wenn einem Minderjährigen das Verschulden eines Dritten zugerechnet wird und ihn selbst kein oder zumindest kein signifikantes Verschulden trifft.71 Zu überlegen ist weiterhin, ob bei minderjährigen Sportlern eine Sperre auf Bewährung ausgesprochen werden kann, um einer Dopingsperre neben dem Sanktions-

68

Vgl. die Kommentierung zu Art. 10.3.2 WADC. Vgl. Adolphsen, in: Adolphsen u. a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2011, Kapitel 9 Rn. 1211. 70 Vgl. auch Lehner, in: Adolphsen u. a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2011, Kapitel 10 Rn. 1422a. 71 Ebenfalls denkbar ist eine Milderung der Sperre bei minderjährigen Sportlern, wenn deren geringes Alter und mangelnde Erfahrung bereits aus prozessualen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte; angedeutet in CAS 2010/A/2268, I. v. FIA, S. 34 Rn. 142; CAS 2010/A/2311, NADO & KNSP v. W. Lommers, S. 34 Rn. 9.30 ff. 69

272

Adrian Fiedler

charakter auch einen „Erziehungsgedanken“72 zukommen zu lassen. Grundsätzlich sieht der WADA-Code die Aussetzung einer Sperre zur Bewährung allerdings nicht vor. So verneinte der CAS die Möglichkeit einer Bewährung im Fall eines volljährigen Radfahrers und begründete dies damit, dass das Sanktionssystem des WADA-Codes abschließend sei.73 Im Fall von Minderjährigen kann auf Grund der dargestellten Konstellation der Zurechnung des Verschuldens und der dünnen Kommentierung zu Art. 10.5 WADC daran gezweifelt werden, dass das Dopingsanktionssystem als abschließend zu beurteilen ist. Der holländische Eisschnelllauf-Verband KNSP setzte bspw. eine Dopingsperre gegen einen 15-jährigen Eisschnellläufer für das zweite Jahr zur Bewährung aus, was auch der CAS bei der Überprüfung des Schiedsspruchs für zulässig befand.74 In engen Grenzen scheint somit bei minderjährigen Sportlern eine Sperre, die teilweise zur Bewährung ausgesetzt wird, mit dem Sanktionssystem des WADACodes im Einklang stehen zu können. Gangbar scheint dabei der vom holländischen Eisschnelllauf-Verband eingeschlagene Weg, wonach ein Minderjähriger im zweiten Jahr wieder an Wettkämpfen oder zumindest am Training auf den Verbands- und Vereinseinrichtungen teilnehmen könnte.75

IV. Fazit Während das Phänomen des Minderjährigendopings im Kriminalstrafrecht insbes. über die §§ 6a, 95 AMG weitgehend erfasst wird und Personen im Umfeld eines minderjährigen Sportlers somit grundsätzlich zur Verantwortung gezogen werden können, stellen sich die verbandsrechtlichen Regelungen des WADA-Codes zum Minderjährigendoping als „dünn“ dar. Die im Jahr 2009 hinzugefügte offizielle Kommentierung zu Art. 10.5 WADC ist als erster Schritt in die richtige Richtung zu sehen, um die Problematik des geringeren Verschuldens minderjähriger Sportler aufzugreifen. Wünschenswert ist jedoch, dass das Verhältnis zwischen dem persönlichen Verschulden eines Minderjährigen und dem (zugerechneten) Verschulden seiner Betreuer im WADA-Code auf normative Grundlage gestellt wird und nicht allein der vom Einzelfall abhängigen Rechtsprechung des CAS überlassen wird.

72 Der Deutsche Fußball-Bund sieht den Erziehungsgedanken vom WADA-Code abweichend in § 10 Nr. 2 Abs. 3 DFB-JgdO bei Sanktionen für minderjährige Sportler ausdrücklich vor. 73 CAS 2005/A/922, 923, 926, UCI v. H. & Swiss Olympic; siehe Lehner, in: Adolphsen u. a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2011, Kapitel 10 Rn. 1374. 74 CAS 2010/A/2311, NADO & KNSP v. W. Lommers, S. 34 Rn. 9.30 ff. 75 Das Trainingsverbot als Bestandteil der Sperre ergibt sich aus Art. 10.10.1 WADC.

Steuerrecht und Compliance im Sport Axel Steiner I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tax Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ermittlungsprobleme bei steuerrelevanten Sachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sporttypische Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerliche Behandlung von unternehmerischen Compliance-Sachverhalten . . . . . . . 1. Nützliche Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Steuerrechtliche Definition und Formen des Sponsorings . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besteuerung der VIP-Logen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einladungen an die Politik und öffentliche Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

273 273 274 275 276 276 278 278 279 281 282

I. Einleitung Das Steuerrecht hat keine systematisch sportliche Anknüpfung. Das gilt für alle wesentlichen Steuerarten, also die Ertragsteuern nebst Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer. In allen steuerrechtlichen Fragen gibt es aber in Randbereichen sportliche Schwerpunkte.1 Compliance-Gedanken macht sich der Steuerrechtler aus zwei Perspektiven, zum einen unter dem Aspekt Steuerehrlichkeit und zum anderen bei der steuerlichen Behandlung Compliance-relevanter Sachverhalte.

II. Tax Compliance Unter Tax Compliance wird allgemein die Bereitschaft verstanden, Steuern zeitnah und in zutreffender Höhe zu entrichten, also die Bereitschaft der natürlichen oder juristischen Person bzw. natürlichen Personenmehrheit, sich an die steuerlichen Gesetze zu halten.2 Dies gilt aus Sicht des Staates, aber auch aus der Perspektive des Unternehmens auf seine Mitarbeiter.3

1

Steiner, Steuerrecht im Sport, 2009, Vorwort. Streck/Binneweis, DStR 2009, 229 ff. 3 Geuenich/Kiesel, BB 2012, 155 ff.; Kromer/Pumpler/Henschel, BB 2013, 791 ff. 2

274

Axel Steiner

Neben Sport und Doping sind Sport und Steuerhinterziehung immer wieder für Schlagzeilen gut. 1. Ermittlungsprobleme bei steuerrelevanten Sachverhalten Die Probleme der Finanzverwaltung mit der vollständigen Besteuerung der Erträge und Umsätze lassen sich anhand der verschiedenen Gewerbe und dem Oberbegriff „Fleischverarbeitendes Gewerbe“ einprägsam darstellen. Da ist zunächst die Fleischverarbeitung im Wortsinne. Der Schlachter, Metzger oder Fleischer hat den Vorteil, dass sich das Rohprodukt Tier, in seine Einzelteile zerlegt, einer exakten und vollständig nachprüfbaren buchtechnischen Erfassung entzieht. Wer weiß schon genau, was schon Abfall ist oder was noch Wurst und Döner werden kann? Der Buchführung dieses Gewerbes fehlt es in der Regel an der Präzision der Fachkraft für Fleisch und Wurstwaren aus der Werbung, der eine grammgenaue Erfüllung der Wünsche ihrer Kunden gelingt. Bei Fleischern erfolgt die Aufklärung von Sachverhalten über Nebenleistungen wie die Entsorgungskosten, die in keinem angemessenen Verhältnis zum angeblichen Abfallanteil der Tiere stehen, oder Hilfs- und Betriebsstoffe, die in deutlich höherem Umfang erforderlich waren als es die veräußerte Produktmenge indiziert.4 Ebenfalls der Fleischeslust verpflichtet, ist das Rotlichtmilieu. Hier ergeben sich Ermittlungsdefizite aus der geringen Bereitschaft der Kundinnen und Kunden zur (anonymen) Anzeige („Ich war jede Woche dort und habe nie eine Rechnung erhalten“), der Schwierigkeit bei der Identifizierbarkeit der Dienstleister („Nenn mich wie Du willst“) und der fehlenden Aufzeichnung von Betriebsausgaben, die eine Kalkulation ermöglichen würden. Des Weiteren gibt es auf Seiten der Finanzverwaltung zwar im Fünfjahrestakt Initiativen zur Besteuerung des Milieus, die aber mit gleicher Regelmäßigkeit im Sande verlaufen. Die Gründe dafür sind vielfältige und meist nachvollziehbar. Das Düsseldorfer Modell, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Unterhaltstabelle, beruht auf einer pauschalen Besteuerung der Prostitution im Selbstveranlagungsverfahren.5 Die Ablichtung menschlicher Leiber, hier ist in Abgrenzung zu oben die künstlerische gemeint, stellt die Finanzverwaltung vor die Frage, ob nach den Regeln des Internationalen Steuerrechts die Leistung in Deutschland zu besteuern ist und ob in Deutschland umsatzsteuerbare Leistungen vorliegen. Hier steht die Transparenz der Bekleidung oft in auffälligem Gegensatz zur Transparenz der Leistungsbeziehungen.

4 5

FG München, Urteil v. 30. 8. 2011 – 10 V 735/11, DStRE 2012, 1028 Nr. 16. BFH, Beschluss v. 16. 6. 2011 – XI B 120/10, BFH/NV 2011, 1740.

Steuerrecht und Compliance im Sport

275

2. Sporttypische Gestaltungen Die Vermarktung sonstiger körperlicher Fähigkeiten erfolgt oft im Rahmen sportlicher Aktivitäten. Die Neigung zur Verkürzung von Steuern ist von der Höhe der Einkünfte unabhängig, das Aufdeckungsinteresse von Verwaltung und scheinheiliger Öffentlichkeit steigt aber mit den in Rede stehenden Beträgen. Vor der Jahrtausendwende hat das Thema Handgeld eine Rolle gespielt. Diese Probleme stellen sich für die Sportler der ersten Garnitur nicht mehr. Zur Vereinfachung für den Sportler werden vor allem in anderen europäischen Ländern Nettoverträge geschlossen, Umgehungen erfolgen ggf. über Trusts, was aber im Bereich der Vermutung bleiben muss, da es dazu bisher an positiver Kenntnis auf Seiten der Finanzverwaltung fehlt. Auch bei Sportlern fehlt es an kalkulationsgeeigneten Betriebsausgaben mit einer Ausnahme. Wenn es gelingt, Mister 10 %6 steuerlich zu fixieren und er nicht parallel seine Einnahmen verkürzt, lässt dies Hochrechnungen zu. Die steuerlichen Lasten werden aber auch auf legalem Wege umgangen. Zu nennen ist im Bereich des Sports vor allem die Steuerflucht ins ertragsteuerlich günstige Ausland. Wer hier nur an die Schweiz oder an Monaco denkt, springt zu kurz. Zum einen ist die Schweiz in dieser Hinsicht kein homogenes Steuergebiet und zum anderen bieten sich für Steuerersparnisse vor allem Sportarten an, bei denen die Einnahmen außerhalb der Schweiz erzielt werden. Günstige Regelungen für zeitlich befristete Gutverdiener kennt aber nicht nur das eidgenössische Steuerrecht, sondern bis vor kurzem auch das Recht der großen „Kanal“insel. Auf den kleinen ist ohnehin fast alles nicht steuerbar. Wer als Sportler in der Sportstadt London für fünf Jahre „domiciled not resident“ gemeldet war und keinen inländischen Wohnsitz mehr in Deutschland unterhielt, war dort ebenfalls nur mit den nach England transferierten Entgelten steuerpflichtig.7 Das galt ebenso für deutsche Barden mit schöpferischer Pause und kreativem Neubeginn. Für Steuerzahler deutscher Staatsangehörigkeit (zulässige Inländerdiskriminierung) ist die Rechtzeitigkeit des Wegzugs entscheidend. Das deutsche Recht kennt die sog. Wegzugsbesteuerung für Deutsche in Form der „erweitert beschränkten Steuerpflicht“ nach § 2 AStG.8 Auch mit dem Motto „man geht nie so ganz“ lassen sich Steuern optimieren. Ähnlich wie Kampfhunderichtlinien an der Kategorisierung „aggressiv“ scheitern, gilt dies auch für die gleichnamige Steuergestaltung. Nicht jede Einbindung ausländischen Steuerrechts ist als solche verpönt, einige sind aber bereits diskreditiert. Da 6 FG Düsseldorf, Urteil v. 29. 10. 2010 – 1 K 4206/08 U, NWB-DokID WAAAD 60830; vgl. dazu auch FAZ v. 26. 6. 2013, S. 12, „Fußballclubs durchsucht“ zu verdeckten Transferentgelten. 7 Steiner (Fn. 1), Rz. 544; neues DBA mit GB ab VZ 2011. Noch immer gleiche Rechtslage: FG Nürnberg, Urteil v. 13. 12. 2010 – 1 K 1134/2008, EAAAD-80237, rkr. 8 FG München, Urteil v. 21. 11. 2011 – 8 K 628/08, EFG 2012, 587.

276

Axel Steiner

ist der langjährige selbstständige Sportreporter zu nennen, der auf der steuerlich richtigen Seite ganz dicht „ran“ an die Bundesgrenze zog und diese nur zum Zwecke der Livesendung überschritt. Für Mannschaftssportler hilft dieser Trick nur für sonstige Einkünfte (Werbung), da die Lohneinkünfte fast immer inländisch besteuert werden (Art. 15 OECD-Musterabkommen). Unter der Bezeichnung „Goldfinger“ wurde nur eine Nutzung der Vorteile aus einer Kombination von negativem Progressionsvorbehalt, Umsatzsteuerfreiheit und Einnahmen-/Überschussrechnung unterbunden.9 Steuervermeidung wird dadurch aufwändiger, aber nicht unmöglich. Das Obstmodell (benannt nach einem hochprofitablen Technikunternehmen) ist am schwierigsten zu unterbinden. Unter anderem durch grenzüberschreitende Nutzung von Patenten und Lizenzen erfolgen Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerländer, wobei diese für andere Hochsteuerländer sein können. Auch europäische Länder bieten sich als Anlaufpunkt für Steuersubstrat aus anderen Ländern an, indem sie wie z. B. Irland oder Großbritannien niedrige Steuersätze für die Erlöse aus Lizenzen anbieten.

III. Steuerliche Behandlung von unternehmerischen Compliance-Sachverhalten Eine ganz andere Rubrik ist die steuerliche Behandlung des unter den Aspekten der Compliance akzeptierten und nicht akzeptierten Verhaltens. 1. Nützliche Aufwendungen Die Steuerverwaltung hat von jeher ein entspanntes Verhältnis zu Einnahmen aus rechtswidrigen und sogar strafbaren Handlungen („non olet“). Für den Bereich der Bestechung, nützliche Aufwendungen im Steuerrecht genannt, führt dies noch heute zu Erkenntnissen, die in breiten Bevölkerungskreisen Stirnrunzeln herbeiführen dürften. Die FAZ berichtete im Jahr 201310 über eine Initiative der österreichischen Finanzverwaltung zum Umgang mit Bestechungsgeldern auf Seiten des Empfängers. Die österreichische Steuerverwaltung, war dort zu lesen, verspreche sich ein erhöhtes Maß an Transparenz durch Erklärung der Einnahmen aus Bestechung beim Empfänger. Dafür habe man einen eigenen Vordruck aufgelegt. Einen solchen besitzt die deutsche Finanzverwaltung nicht. Die erzielten Einnahmen sind aber, weil steuerbar und steuerpflichtig, im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart zu erklären: als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn man sich nachhaltig und regelmäßig bestechen lässt (Tipp: In diesen Fällen insbesondere im Rahmen einer Selbstanzeige auf die Umsatzsteuer achten!), als sonstige Einkünfte, wenn 9

Hechtner, NWB 4/2013, 196. FAZ v. 5. 4. 2013, „Österreich bekämpft Korruption“.

10

Steuerrecht und Compliance im Sport

277

es sich um singuläre Ereignisse handelt, und ggf. auch als Arbeitslohn von dritter Seite, wenn die Bestechung mit dem Willen des eigenen Arbeitgebers erfolgt.11 Auf der Seite des Bestechers sind die Aufwendungen (unter steuerlichen Aspekten) nicht mehr so nützlich wie früher. In den Siebzigerjahren hätte der Geber seine Ertragsteuer und Gewerbesteuer voll um den Bestechungsaufwand mindern können.12 Soweit er Umsatzsteuer ausgewiesen hätte, wäre diese anzumelden und abzuführen gewesen. Der Empfänger hätte aus der Rechnung ggf. die Vorsteuer gezogen. Aus diesem Paradies sind die nützlichen Aufwendungen Stück für Stück vertrieben worden. Der Bundesligaskandal um Arminia Bielefeld der Saison 1970/71 wäre unter steuerlichen Aspekten ohne weiteres lösbar gewesen, der Fußballwettskandal 2005 durch eine damals noch geringeren Anforderungen unterliegende Selbstanzeige des unterstützten „Unparteiischen“ ebenfalls, da der (bzw. die) Zuwender wohl nicht der deutschen Steuer unterlag. Rechtssystematisch sind Bestechungsgelder immer noch Betriebsausgaben, was man daran erkennt, dass sie als solche von der Abziehbarkeit ausdrücklich ausgeschlossen werden müssen. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG ist 1999 nach einer Änderung des § 299 StGB, der die Bestechung im Inland umfassend strafbar machte, ins EStG gelangt. Neben der Versagung des Betriebsausgabenabzugs führte der Gesetzgeber auch eine Mitteilungspflicht an die Staatsanwaltschaft ein und damit die im Aufenthaltsbereich des Steuergeheimnisses umfassendste Sanktionierung eines steuererheblichen Verhaltens. Ab 2002 wurden diese Regeln anlässlich der Erweiterung des § 299 StGB auf Taten im Ausland auch steuerlich neu bewertet. Nützliche Aufwendungen müssen seitdem umfassend getarnt werden. Dass diese noch existieren, dürfte auch nach der Tätigkeit von Herrn Löscher bei Siemens unstreitig sein. In diesem Kontext sind die seitdem wachsenden Nebenpflichten des Finanzbeamten in Bezug auf die ihm bekannt werdenden Straftaten zu sehen. Hier findet seit etwa 15 Jahren eine Art Compliance für das Steuergeheimnis statt, die manche als das Durchlöchern eines systemkonformen Datenschutzanspruchs sehen. Das Bankgeheimnis, das gegenüber dem Finanzamt schon länger nicht mehr existierte, als das gemeinhin angenommen wurde, wurde durch den Kontenabruf endgültig beerdigt. Der Zugriff auf die Daten eines bekannten Kontos war schon immer möglich. Die Finanzverwaltung kannte aber die Konten bisher nicht, so dass der Hinweis, dass man nur die Nummern preisgebe, eine Verniedlichung des Sachverhalts darstellt. Die Abgabenordnung ist in diesen Jahren um einige Tatbestände erweitert worden, die mit einer Lockerung des Steuergeheimnisses und Offenbarungsmöglichkeiten und -pflichten einhergehen. Sie betreffen vorrangig den Sozialversicherungsbe11 12

FG München, Urteil v. 2. 3. 2012 – 8 V 2836/11, NWB DokID FAAAE-21010. Zu den Ausnahmen vgl. BFH v. 14. 7. 1966 – IV R 68/66, BStBl. III 1966, 585.

278

Axel Steiner

trug, die Geldwäsche und den Subventionsbetrug (§§ 30a ff. AO). Praktische Erfolge zeitigt vor allem der erste Punkt. In Sachen Geldwäsche gibt es wenig Verdachtsanzeigen aus der Praxis der Finanzämter. Bei der Rückforderung von Subventionen deuten die fehlende Rechtsprechung und die dürftige Kommentierung auf eine geringe Bedeutung hin. 2. Sponsoring Seit der Weltmeisterschaft 2006 und des Aufgriffs der Geschichte um Eintrittskarten, die der Vorstandsvorsitzende der EnBW an die Politik und andere Unternehmer überließ, durch die Strafjustiz steht der Compliance-Gedanke im Sport über den Regelungen des Sportsponsorings. a) Steuerrechtliche Definition und Formen des Sponsorings Sponsoring bedeutet die Gewährung von Geld oder geldwerten Vorteilen durch Unternehmen zur Förderung von Personen in gesellschaftlichen Bereichen auf vertraglicher Grundlage gegen Werbeleistung.13 Darunter fallen auch Formen der Förderung, die nicht sofort damit assoziiert werden. Unter Verwaltungssponsoring im engeren und weiteren Sinne lassen sich die hoheitliche bzw. quasihoheitliche Sportförderung durch Geld und Sachmittel, das Auftreten von Hoheitsträgern oder der öffentlichen Hand gehörenden Unternehmen als Arbeitgeber des Sportlers sowie die Unterstützung der Sportler durch die Stiftung Deutsche Sporthilfe fassen.14 Der gemeinnützige Sponsor, z. B. als kirchlicher Sportverein, kommt in der steuerlichen Realität eher selten vor.15 Im Rahmen des privaten Sponsorings sind vor allem die den Sportlern oder Vereinen unmittelbar oder mittelbar zufließenden Geld- und Sachspenden zu nennen, die das Steuerrecht vor allem in der Rubrik der Abgrenzung von Betriebsausgaben und damit im Zusammenhang stehenden verdeckten Gewinnausschüttungen des Unternehmens berühren.16 Dieses Thema betrifft vor allem den Grenzbereich zwischen Amateur- und Profisport, im Fußball also die 4. Liga. Dort sind erhebliche Geldmittel erforderlich, für die sich auch häufig ein Geber findet, weil er den Aufwand seinem Unternehmen entnimmt und mit dem Gewinn verrechnet. Die Grenzen dafür werden in langen und zähen Verhandlungen mit der Betriebsprüfung gezogen.17 13 BMF-Schreiben v. 18. 12. 1998, IV B 2 – S 2144 – 40/98, IV B 7 – S 0183 – 62/98, BStBl. 1998 I, 212. 14 Vgl. dazu auch Carlé, ErbStB 2011, 296 ff., Steiner (Fn. 1), Rz. 450 ff. 15 FAZ v. 1. 4. 2008, „Aufstieg mit kirchlichem Beistand“. 16 Rückert, SpuRt 1998, 182. 17 Steiner (Fn. 1), Rz. 382 ff.

Steuerrecht und Compliance im Sport

279

b) Besteuerung der VIP-Logen Die Schaffung von Sportarenen und ihre Vermarktung haben die VIP-Loge aus der Kultur in den Sportbetrieb geholt.18 Die Verwaltung hat durch entsprechende Erlasse auf dieses Phänomen reagiert.19 Steuerlich ist die VIP-Loge ein Mischtatbestand nach § 12 EStG. Diese Norm lässt sich in doppelter Hinsicht als Kanzlervorschrift charakterisieren. Dies hängt damit zusammen, dass ihre Prägung der Öffentlichkeit durch zwei Personen bekannt geworden ist, von denen einer Kanzler war und der andere so heißt. Der erste hat zur Förderung der EDV-Versorgung der Bevölkerung dafür gesorgt, dass jeder seinen Computer zu 50 % als Werbungskosten oder Betriebsausgabe berücksichtigen kann. Der zweite hat als Vorsitzender des 6. Senates des BFH die Rechtsprechung des Großen Senats aus 2010 zum Aufteilungsverbot gemischter Aufwendungen in die Praxis übersetzt. Das Paket, welches der Sponsor in Form der VIP-Loge erhält, lässt sich in drei steuerliche Teilsachverhalte unterteilen. Der vierte entstammt eher der Fiktion und ist unter die Rubrik Wirtschaftsförderung zu fassen. Die Dreiteilung unterscheidet die Zugangsberechtigung für eine Personenmehrheit mit Sitzgelegenheit, die Darstellung des Unternehmens nach außen und die Eigenschaft der Loge oder des angeschlossenen Gemeinschaftsbereichs als Ort der Nahrungsaufnahme. Dass sie auch ein Ort der Kommunikation außerhalb der sportlichen Veranstaltung sein soll, entstammt eher dem Bereich der Fabel. Weniger betuchte oder sparsamere Unternehmer können einen sog. Businessseat für eine Saison mieten. Er hat, weil räumlich nicht umschlossen, weniger Fläche zum Werben, die ausgerechnet während des Spiels auch durch den dort Sitzenden verdeckt wird, bietet keine private Atmosphäre und kostet dennoch eine erhebliche Summe.20 Warum das steuerlich von erheblichem Nachteil ist, ergibt sich aus der Kostenzuordnung für den Aufwand, der dem Unternehmer für die Loge in Rechnung gestellt wird. Auf den Eintritt entfallen 30 % des Rechnungsbetrages. Da es sich insoweit um ein Geschenk nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG handelt, dessen Preis in aller Regel über 35 E liegt, erfolgt für diesen Aufwand kein Abzug. Auf die Werbung entfallen 40 %. Wenn man die Kosten für eine Bandenwerbung ohne Loge dazu ins Verhältnis setzt, ist diese Zahl bereits im Interesse des Unternehmers ermittelt. Die vermeintlich verbleibenden 30 % entfallen auf die Be18

187.

Steigerung der Kapazitäten zwischen 2006 und 2010 40 % lt. Staschik, SpuRt 2010,

19 Ertragsteuer: BMF-Schreiben v. 22. 8. 2005, IV B 2 – S 2144 – 41/05, BStBl. 2005 I, 845; ausführlich dazu Steiner (Fn. 1), Rz. 564 ff.; Umsatzsteuer: BMF-Schreiben v. 28. 11. 2006, IV A 5 – S 7109 – 14/06, BStBl. I 2006, 791, ausführlich dazu Steiner (Fn. 1), Rz. 592 ff. 20 Steiner (Fn. 1), Rz. 573 ff., 608.

280

Axel Steiner

wirtung. Diese 30 % sind nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG zu 70 % als Betriebsausgaben abziehbar, ohne als Betriebseinnahmen beim bewirteten Unternehmen zu Buche zu schlagen.21 Um den Gesamtabzug zu erhöhen, hat sich die Verwaltung ein Bonbon einfallen lassen. Wenn der Vertrag mit dem Logenmieter eine Klausel enthält, dass dieser die Loge auch außerhalb der sportlichen Veranstaltung für betriebliche Zwecke nutzen kann, soll er vorab 15 % der Jahresmiete als Raumkosten abziehen können. Ein Jahresaufwand von 115.000 E netto für eine Loge in der ersten Fußball-Bundesliga mit acht Sitzplätzen führt demnach zu 15.000 E Abzug für die Raumkosten, 21.000 E Abzug für die Bewirtung (70 % von 30.000 E) und 40.000 E Abzug für Werbung. Ein Betrag von 39.000 E (knapp 34 % der Gesamtsumme) führt zu nicht abziehbarem Aufwand. Wenn man bedenkt, dass 95 % der Besucher ihren Aufwand zu 100 % nicht abziehen können, erscheint das zumindest nicht unannehmbar. Selbstzahlern wäre die Bewirtung aber auch nicht die rechnerisch auf ein Spiel für eine Person entfallenden Kosten für die Bewirtung von mehr als 260 E brutto wert. Für den Unternehmer ist damit aber noch nicht alle Arbeit getan. Er lädt in seine Loge Unternehmer, Privatpersonen und Arbeitnehmer ein. Für erstere stellt dies eine Betriebseinnahme dar. Der Einladende hat die Möglichkeit, für seinen Gast die Steuer abzugelten (§ 37b EStG). Alternativ kann er entgegen den üblichen Gepflogenheiten22 seinen Gast über den Wert des Geschenks informieren und ihn auf die Steuer hinweisen oder aber er kann die für ihn verpflichtenden Aufzeichnungen verlieren. Er büßt damit den ohnehin nicht erreichbaren Betriebsausgabenabzug ein.23 Obwohl der Besuch eines Fußballspiels überwiegend privater Natur sein dürfte und der Unternehmer von 115.000 E Jahresaufwand bei einer Gesamtsteuerbelastung von 50 % dafür bis zu 38.000 E steuerliche Entlastung erhält, fällt auf der Empfängerseite maximal 9.000 E Ertragsteuer an. Diese wiederum kann der Sponsor, wenn er sie für den Gast verauslagt, als Betriebsausgabe geltend machen. Diese als Vereinfachungsregelungen bezeichneten Vergünstigungen wurden im Jahr 2007 mit voller Rückwirkung in Kraft gesetzt. Und das erfolgte im Rahmen des VIP-Logen-Erlasses auch für die Umsatzsteuer24, obwohl hier die sonst unvermeidbare Rechnungsberichtigung erst für die Zukunft wirken könnte.25 Bei in Rechnung gestellten netto 115.000 E sind 21.850 E USt zu entrichten. Die Vorsteuer, die auf die vorab abziehbaren Raumkosten entfällt, kann sich der Unternehmer voll erstatten lassen. Die Vorsteuer auf den Bewirtungsaufwand erhält er nicht nur in Höhe von 70 % wie bei der Ertragsteuer, sondern nach Rechtsprechung des EuGH ebenfalls zu 100 %. Das gilt jedenfalls bis zur sog. Angemessenheitsgrenze. Diese ist 21

R 18 Abs. 3 EStR 2008[2]. Lingemann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 37b EStG Anm. 3; Steiner, in: Lademann (Hrsg.), Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 37b EStG Anm. 16. 23 Steiner (Fn. 1), Rz. 477 ff. 24 Steiner (Fn. 1), Rz. 594. 25 Vgl. § 14 UStG mit entsprechendem Anwendungserlass. 22

Steuerrecht und Compliance im Sport

281

nicht allgemein beziffert, muss aber seit dem Jahr 2006 keinem Unternehmer mehr Kopfzerbrechen bereiten. Der WM-Erlass 200626 begrenzt die Abzugsfähigkeit auf 1.000 E pro bewirtete Person, also 190 E Vorsteuer. Selbst für diesen Betrag lässt es sich bereits angemessen speisen inkl. Getränke. Die Eintrittskarte, die der Geschäftsfreund erhält, berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug. Gleiches gilt für die Karte, die der einladende Unternehmer selbst nutzt. Bei der Zutrittsberechtigung für den Arbeitnehmer des Unternehmers ist entweder der volle Abzug zulässig oder eine unentgeltliche Wertabgabe zu besteuern. Liegt die Teilnahme im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers, berechtigt dies zum Vorsteuerabzug. Aus diesem Grund und weil nicht jeder Eingeladene auf der Liste erscheinen möchte, kann es nicht überraschen, wenn sich aus den Aufzeichnungen ergibt, dass immer mindestens zwei Arbeitnehmer auf der Liste zu finden sind, deren Anwesenheit sich mit betrieblichen Belangen erklären lässt. c) Einladungen an die Politik und öffentliche Verwaltung Soweit es sich um Unternehmer handelt, sind die Regularien inzwischen strenger als gegenüber der Politik und Verwaltung. Die Zugangsberechtigungen für die Politik zu Sportveranstaltungen werden nach wie vor an die jeweils erste bis zweite Reihe der Politik verteilt. Dabei ist es inzwischen eher selten der Sportverein, der an die Politik herantritt, als vielmehr die Politik, die nach dem Zugang zu den Sportveranstaltungen für sich selbst und die Entourage vom Büroleiter bis zu den vor allem zur Hebung der eigenen Bedeutung mitgeführten Sicherheitskräften strebt. Die Entscheidung des BGH in Sachen Utz Claasen,27 ein jedenfalls durch Durchhaltevermögen28 verdienter, von der Revision „gehaltener“ Freispruch29, gibt für unbedachtes Einladen jedenfalls keinen Freibrief.30 Sie stellt zunächst einmal klar, dass der Eintritt zum Sportereignis und die regelmäßig damit verbundene Mahlzeit die Annehmlichkeitsschwelle des Amtsträgers berühren. Das Landgericht geht aber – ohne dass man dies empirisch nachweisen könnte – davon aus, dass sich ein Staatssekretär durch diese Beträge nicht bestechen ließe.31 Die Causa „Wulff“ zeigt jedenfalls eine Empfänglichkeit auch höchster Kreise für

26

„Schreiben betr. ertragsteuerliche Behandlung von Aufwendungen für VIP-Logen in Sportstätten; Hospitality-Leistungen im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2006“ v. 30. 3. 2006 (BStBl. I, 307; BMF IV B 2 – S 2144 – 26/06). 27 BGH, Urteil v. 14. 10. 2008 – 1 StR 260/08, NJW 2008, 3580. 28 Der Angeklagte hatte als Beschuldigter anders als die empfänglichen Politiker den „politischen Ausweg“ über § 153a StPO abgelehnt. 29 LG Karlsruhe, Urteil v. 28. 11. 2007 – 3 KLs 620 Js 13113/06, NStZ 2008, 407. 30 „Der Freispruch von den Vorwürfen der Vorteilsgewährung in sieben Fällen hält sachlichrechtlicher Überprüfung – noch – stand“ BGH, Urteil v. 14. 10. 2008 – 1 StR 260/08, NJW 2008, 3580 (Hervorhebung durch Autor); Staschik, SpuRt 2010, 187. 31 LG Karlsruhe, Urteil v. 28. 11. 2007 – 3 KLs 620 Js 13113/06, NStZ 2008, 407 Rz. 155.

282

Axel Steiner

Kleinbeträge, die man eigentlich selbst bewältigen könnte. Hier wird jedenfalls eine Begünstigung angenommen. Dies scheint auch das zweite Argument des LG Karlsruhe zu belegen, das der BGH zu Recht ablehnt. Nach Auffassung des Landgerichts, und hier ist ihm leichter zu folgen als in der Schlussfolgerung, würden den Amtsträger viele, wenn nicht gar jeder gern einladen. Ob ein Verhalten, das häufig praktiziert wird und mit Vorteilen für beide Seiten verbunden ist, zwangsläufig zur Straflosigkeit der einzelnen Beteiligten führt, ist mehr als fraglich. Vom Couponschneiden bei Wertpapiertafelgeschäften hat neben den Banken und den Kunden auch noch die Solinger Schneidwerkzeugproduktion profitiert. Aber nur letztere hat sich dabei nicht strafbar gemacht. Damit der Politiker nach der hier vertretenen Ansicht keine Vorteilsannahme begeht, muss er aus repräsentativen Gründen da sein. Da auch die einladenden Vereine Unternehmen mit erheblichen Steuer- und Politikinteressen sind, ist die Behauptung, es gehe bei der Einladung eines Politikers vorrangig um Repräsentationszwecke, was eine Unrechtsvereinbarung ausschließe, idealistisch.32 Es ist ein Geben und Nehmen, das von großen Teilen der Bevölkerung noch geduldet wird, wenn es um Fußball geht. Der Verein sichert sich den Politiker für die Krise, der Politiker hat kostenlose Werbung mit Zugabe. Damit der Politiker aber auch kommt, müssen die Vorteile aus der Einladung für ihn steuerfrei sein. Dies ist bei einem Zufluss, der beruflich motiviert ist, aber nicht der Fall. Er müsste also die Zuwendung versteuern oder die Eintrittskarte erwerben. Ist der Politiker aber aus beruflichen Gründen bei einer sportlichen Veranstaltung, sind diese Ausgaben notwendige Reisekosten, die je nach konkretem Bezug Bund, Land oder Kommune bzw. die Partei zu erstatten hat. Ob sich solche Ausgaben im Haushalt in Zeiten leerer Kassen medienwirksam nutzen lassen, ist fraglich. Steuersystematisch gibt es dazu keine straflose Alternative.33 Die Praxis in den Unternehmen geht jedenfalls weg von der durch Eigeninitiative verursachten Begünstigung der öffentlichen Hand und deswegen weiß man nicht, ob es Läuterung oder fehlende Gelegenheit ist, wenn die Politik nach eigenen Angaben „selbstverständlich“ ihre Eintrittskarten für sich und die Familie selbst bezahlt.34

IV. Fazit Sport und Compliance ist unter steuerlichen Aspekten ein Thema, das mit leichter zeitlicher Verzögerung analog zu sich wandelnden Üblichkeiten bewegt. Soweit es 32

So aber Staschik, SpuRt 2010, 187 (190). Vgl. dazu auch den erweiterten Anti-Korruptions-Kodex der Internationalen Handelskammer (ICC) sowie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), FAZ v. 10. 12. 2008, „Mehr Vorsicht mit Freikarten für Fußballfans“. 34 FAZ v. 28. 5. 2013, „Verspätete Grätsche“ mit der Einlassung von Thorsten SchäferGümbel, hessischer SPD-Chef, in Sachen Erwerb der Zugangsberechtigung zum ChampionsLeague-Finale 2013 Dortmund gg. Bayern u. München. 33

Steuerrecht und Compliance im Sport

283

um die Aufdeckung von Sachverhalten geht, sind immer größere Teile der Bevölkerung bereit, anonym oder auch unter Namensnennung steuerrelevante Sachverhalte den Behörden mitzuteilen. Gleichzeitig schwindet die Bereitschaft, Begünstigungen für Einzelne hinzunehmen, so dass die steuerlichen Regeln immer enger werden. Auch dem VIP-Logenerlass wird es eines Tages an den Kragen gehen, wenn Symbolpolitik gefragt ist.

Sportveranstalterrecht Ein neues Immaterialgüterrecht?* Isabel Kainer I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutz des Sportveranstalters nach derzeitiger Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz über das Hausrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wettbewerbsrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutz über §§ 94, 95 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einführung eines Sportveranstalterrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtfertigung der Einführung neuer Immaterialgüterrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klassische Begründungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ökonomische Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Incentive-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Marktversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Immaterialgüter als öffentliche Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Allokationseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigung der Einführung eines Sportveranstalterrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sportveranstaltung als öffentliches Gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Drohendes Marktversagen bei Sportveranstaltungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsunsicherheit nach derzeitiger Rechtslage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mehr Rechtssicherheit durch Einführung eines Sportveranstalterrechts? . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

285 288 289 290 291 293 293 294 295 295 296 297 298 299 299 299 300 301 305 306

I. Einleitung Die Thematik der Schutzfähigkeit von Sportveranstaltungen und insbesondere die Frage nach der Rechtsgrundlage für die Einräumung von Übertragungsrechten sind nicht neu. Zahlreiche Untersuchungen befassen sich vor allem mit Fernseh- und Hörfunkrechten von Sportveranstaltern.1 Zunehmend rückt auch das sog. Ambush-Mar* Der Beitrag greift die im Rahmen des Graduiertenkollegs „Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit“ an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth angefertigte und 2014 veröffentlichte Dissertation „Sportveranstalterrecht – Ein neues Immaterialgüterrecht?“ der Verfasserin auf. 1 Vgl. hierzu insbes. Armah, Die Radioberichterstattung von Sportveranstaltungen, 2008; Baumann, Die audiovisuelle Verwertung der Fußballbundesliga, 2010; Hütt, Zur Frage der Existenz von Hörfunkrechten des Sportveranstalters unter besonderer Berücksichtigung der Fußball-Bundesliga, 2008; Laier, Die Berichterstattung über Sportereignisse, 2007; Loch-

286

Isabel Kainer

keting in den Fokus der rechts- aber auch wirtschaftswissenschaftlichen Literatur.2 Oftmals wird dabei das Fehlen eines originären Sportveranstalterrechts bemängelt.3 Vereinzelt finden sich auch Ratschläge für die Schaffung eines solchen Schutzrechts.4 In Brasilien und Frankreich gibt es seit Längerem einen originären Schutz des Sportveranstalters vor der unbefugten Verwertung der Sportveranstaltung durch Dritte. Bereits im Jahr 1973 hat der brasilianische Gesetzgeber ein sog. „direito de arena“ eingeführt. Im Jahr 1993 hat der französische Gesetzgeber reagiert und das bisherige Sportgesetz dahin gehend ergänzt, dass dem Veranstalter eines Ereignisses das Recht zur Verwertung einer Veranstaltung oder eines sportlichen Wettbewerbs eingeräumt wurde. Auch in der Schweiz bestanden anlässlich der in der Schweiz und in Österreich stattfindenden UEFA Fußball-EM 2008 Überlegungen dahin gehend, einen Sondertatbestand zum Schutz vor Ambush-Marketing in das schweizerische UWG aufzunehmen. Allerdings wurde dieses Vorhaben nie umgesetzt.5 Erfolgreicher war hier der britische Gesetzgeber: Im Zuge der im Sommer 2012 in London ausgerichteten Olympischen Spiele ist das „London Olympics Association Right“ (LOAR) eingeführt worden, das einen weitreichenden Schutz der offiziellen Sponsoren der Olympischen Spiele vor Ambush-Marketing-Maßnahmen bezweckt.6 mann, Die Einräumung von Fernsehübertragungsrechten an Sportveranstaltungen, 2005; Osterwalder, Übertragungsrechte an Sportveranstaltungen, 2004; Ratjen, Vermarktung und Verletzung von Verwertungsrechten an aufgezeichneten Sportveranstaltungen, 2010; Röhl, Schutzrechte im Sport – Zum Schutz der Sportbeteiligten vor einer kommerziellen Ausbeutung in elektronischen Datenbanken, 2012; Strauß, Hörfunkrechte des Sportveranstalters, 2006; Waldhauser, Die Fernsehrechte des Sportveranstalters, 1999. 2 Vgl. hierzu insbes. Furth, Ambush Marketing – Eine rechtsvergleichende Untersuchung im Lichte des deutschen und US-amerikanischen Rechts, 2009; Heermann, Ambush Marketing bei Sportveranstaltungen, 2011; Melwitz, Der Schutz von Sportgroßveranstaltungen gegen Ambush-Marketing, 2008. Jaeschke, Ambush Marketing-Schutzstrategien gegen assoziatives Marketing für Veranstalter von (Sport-)Großereignissen und Markenartikeln, 2008 und Nufer, Ambush Marketing im Sport: Grundlagen – Strategien – Wirkungen, 2010, wenden sich dem Ambush-Marketing von ökonomischer Seite aus zu. 3 Vgl. stellvertretend Ohly, Gibt es einen Numerus clausus der Immaterialgüterrechte?, in: Ohly u. a. (Hrsg.), Perspektiven des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrechts – Festschrift für Gerhard Schricker zum 70. Geburtstag, 2005, S. 112 f.; so auch Waldhauser (Fn. 1), S. 348, nach dem sich der Gesetzgeber der normativen Kraft des Faktischen nicht länger entziehen dürfe und handeln solle; Laier (Fn. 1), S. 523 f. 4 Waldhauser (Fn. 1), S. 346 ff., mit kurzen Anmerkungen zu Schutzinhalt und Schutzdauer eines möglichen Sportveranstalterrechts. 5 Vgl. hierzu die Erläuterungen im Begleitbericht zum Vernehmlassungsentwurf, Anpassung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) im Zusammenhang mit der Durchführung der Fußball-Europameisterschaft 2008 vom 17. 5. 2006, S. 6 f., abrufbar unter www.seco.admin.ch/themen/00645/00653/index.html?download (Stand 2. 5. 2014). Nähere Informationen dazu finden sich bei Hilty/von der Crone/Weber, sic! 2006, 702 ff.; Früh, sic! 2006, 717 ff. sowie Netzle, SpuRt 2007, 18. 6 Der „Olympic Symbol etc. (Protection) Act 1995“ und der „London Olympic Games and Paralympic Games Act 2006“ sind nach Heermann (Fn. 2), S. 147, zwei der vermutlich weltweit strengsten gesetzlichen Ansätze zum Schutz vor Ambush-Marketing.

Sportveranstalterrecht

287

Ein solch originärer Schutz des Sportveranstalters besteht nach deutschem Recht bislang nicht – zumindest noch nicht. Zwar werden die olympischen Bezeichnungen und das olympische Emblem in Deutschland bereits seit dem Jahr 2004 durch das Olympiaschutzgesetz (OlympSchG) geschützt. Bei diesem handelt es sich im Grunde jedoch nur um ein Sportveranstalterrecht „im Kleinen“ mit einem begrenzten Anwendungsbereich.7 Die Forderungen nach einem umfassenden Sportveranstalterrecht werden auch hierzulande zunehmend lauter. Bereits im Jahr 2006 haben Hilty und Henning-Bodewig in ihrem Rechtsgutachten „Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter“ die Einführung eines Sportveranstalterrechts gefordert.8 Auch Laier ist der Einführung eines solchen Rechts nicht abgeneigt. So hat eine gesetzgeberische Lösung seiner Ansicht nach den Vorteil, dass sie zugleich Regelungen, die dem Freihaltebedürfnis der Allgemeinheit Rechnung tragen und den Abwägungsprozess der widerstreitenden Interessen gestalten, aufnehmen und den Widerspruch beseitigen könne, dass in der Vergangenheit immer mehr kulturelle Leistungen in den Genuss eines Leistungsschutzrechts gekommen sind.9 Mit seiner aktuellen Entscheidung in den Parallelverfahren Football Association Premier League und Murphy im Jahr 2012 hat der EuGH den Mitgliedstaaten nun geradezu eine „Steilvorlage“ zur Einführung eines gesetzlichen Leistungsschutzrechts für Sportveranstalter gegeben.10 „Überraschend und durch die Vorlagefrage nicht veranlasst“11 äußert sich der EuGH dahin gehend, dass es dem Mitgliedstaat freistehe, „Sportereignisse (…) zu schützen, indem er eine spezielle nationale Regelung einführt, oder unter Anerkennung von Unionsrecht einen Schutz anerkennt, den diese Ereignisse auf der Grundlage von Verträgen genießen, die zwischen den Personen, die berechtigt sind, den audiovisuellen Inhalt dieser Ereignisse der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, und den Personen, die diesen Inhalt an die Öffentlichkeit ihrer Wahl verbreiten wollen, geschlossen werden.“12

7 Bislang hat das OlympSchG in der Praxis eher ein „Schattendasein“ geführt, so Heermann, K&R 2012, 696. In letzter Zeit haben das IOC und der DOSB jedoch vermehrt versucht, ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen, siehe dazu insbes. LG Darmstadt, 22. 11. 2005 – 14 O 744/04, GRUR-RR 2006, 232; LG Kiel, 21. 6. 2012 – 15 O 158/11, K&R 2012, 694 ff.; LG Düsseldorf, 16. 5. 2012 – 2a O 384/11, BeckRS 2012, 19233; LG Leipzig, 8. 5. 2012 – 5 O 3913/11, BeckRS 2012, 19249. Ausführlich zum OlympSchG Rieken, Der Schutz olympischer Symbole, 2008; Röhl (Fn. 1), S. 122 ff. 8 Hilty/Henning-Bodewig, Rechtsgutachten „Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter“, abrufbar unter: http://www.presseschauder.de/wp-content/uploads/2012/12/Gutachten-ProfHilty-LSR-Fuball.pdf (Stand 12. 6. 2014). 9 Laier (Fn. 1), S. 523 f. 10 Heermann, GRUR 2012, 791 (793); EuGH, 4. 10. 2011 – C-403, 429/08, ABl EU 2011, Nr. C 347, 2 f. = GRUR 2012, 156 ff. – Football Association Premier League / Murphy. 11 Peifer, GRUR-Prax 2011, 435 (436). 12 EuGH, 4. 10. 2011 – C-403, 429/08, ABl EU 2011, Nr. C 347, 2 f. = GRUR 2012, 156 (160 Rn. 102) – Football Association Premier League / Murphy; kritisch hierzu Peifer, AfP 2011, 540 (542); ders., GRUR-Prax 2011, 435 (436).

288

Isabel Kainer

Unterstützt wird die Diskussion um ein Sportveranstalterrecht nicht zuletzt durch die Einführung des Leistungsschutzrechts für Presseverlage. Lange Zeit war über das Für und Wider eines solchen Rechts diskutiert worden. Im Sommer 2013 ist das Recht nun mit den §§ 87 ff. in das UrhG aufgenommen worden.13 Der folgende Beitrag wird an dem Punkt ansetzen, an dem die überwiegende Anzahl von Beiträgen zu Übertragungs- und sonstigen Verwertungsrechten an Sportveranstaltungen endet, und der Frage nachgehen, ob es gerechtfertigt ist, Sportveranstaltern ein absolutes Schutzrecht für die von ihnen organisierten und durchgeführten Sportveranstaltungen einzuräumen. Dabei soll außer Frage stehen, dass Sportveranstaltungen einen großen Wert für die Gesellschaft haben und die Leistungen des Sportveranstalters rund um die Sportveranstaltung, wie insbesondere Organisation, Durchführung und Übernahme des finanziellen Risikos der Sportveranstaltung, im Allgemeininteresse liegen. Sport ist zweifelsohne ein wichtiger Träger der Gesellschaft und kann in gewissem Maße auch als ihr Spiegel angesehen werden.14 Gerade aus diesem Verständnis des Sports heraus wird im Folgenden der Frage nachgegangen, ob sich die Interessen der Allgemeinheit am Sport mit den kommerziellen und finanziellen Eigeninteressen der Sportveranstalter durch ein Immaterialgüterrecht in Einklang bringen lassen.

II. Schutz des Sportveranstalters nach derzeitiger Rechtslage Für den Sportveranstalter gibt es nach derzeitiger Rechtslage durchaus Möglichkeiten, die Nutzung einzelner Aspekte der Sportveranstaltung durch Dritte zu unterbinden. Dabei handelt es sich nach der neuesten Rechtsprechung vor allem um Abwehrrechte aus dem Hausrecht, in Einzelfällen noch aus dem Wettbewerbsrecht. Der Frage, wie Sportveranstalter nach bisheriger Rechtslage geschützt sind, soll hier zwar nicht vertiefend nachgegangen werden. Allerdings gibt der derzeitige Status quo einen Anhaltspunkt dafür, wie die Interessenlage der Sportveranstalter und der Allgemeinheit im Hinblick auf die mögliche Notwendigkeit, ein spezielles Schutzrecht für Sportveranstalter einzuführen, zu beurteilen ist. Daher ist im folgenden Abschnitt zumindest überblickshalber auf die wichtigsten Rechtsgrundlagen einzugehen, die für einen Schutz der Sportveranstaltung derzeit in Betracht kommen.

13

Siehe Gesetzesbeschluss des Bundestags vom 1. 3. 2013 (Drucksache 162/13). Vgl. noch zum früheren Gesetzentwurf Hegemann/Heine, AfP 2009, 201 (205 f.); Schweizer, ZUM 2010, 7 (11 f.); Frey, MMR 2010, 291 (293 ff.); Stieper, ZUM 2013, 10 ff.; Höppner, K&R 2013, 73 ff.; Zech, Information als Schutzgegenstand, 2012, S. 254 f. 14 Vgl. Hockenjos, Öffentliche Sportförderung in der Bundesrepublik Deutschland, 1995, S. 101 ff.: „Sport als öffentliches Gut“.

Sportveranstalterrecht

289

1. Schutz über das Hausrecht Dem Sportveranstalter stehen zum Schutz der Sportveranstaltung eigentums- und besitzrechtliche Befugnisse am Veranstaltungsort zu, die als sog. „Hausrecht“ zusammengefasst werden. Die Konstruktion des Hausrechts ist im Einzelnen umstritten, wird aber dem Grunde nach akzeptiert.15 Schon in der Hörfunkrechte-Entscheidung hat der BGH den Schutz des Sportveranstalters über das Hausrecht anerkannt.16 In der hartplatzhelden.de-Entscheidung hat das Gericht dies nochmals bestätigt. Mit dem Hausrecht könne der Sportveranstalter Dritte von der unentgeltlichen Wahrnehmung des von ihm veranstalteten Spiels ausschließen und sich bei bedeutsamen Sportereignissen somit die Verwertung der von ihm erbrachten Leistung sichern.17 Ob dieser Lösungsweg des BGH den Interessen der Sportveranstalter aber tatsächlich ausreichend Rechnung trägt, ist in der Literatur umstritten.18 Für Brinkmann beschränkt sich das Hausrecht allein auf die Ordnungsaspekte eines geregelten Zutritts zum Veranstaltungsort. Dem Hausrecht komme daher kein darüber hinausgehender Zuweisungsgehalt zu.19 Auch für Ohly ist der Weg über das Hausrecht eine bloße „Hilfskonstruktion“. Diese sei insoweit unbefriedigend, als dass sie die Befugnisse am Sacheigentum mit dem Immaterialgüterrecht verquicke. In Wirklichkeit gehe es Sportveranstaltern nicht um die Integrität ihrer Sportstätte, sondern um die Nutzungsrechte an den Aufnahmen. Das sei ein typisch immaterialgüterrechtliches Anliegen. Das Hausrecht gehe einerseits nicht weit genug, weil es gegen vertraglich nicht gebundene Dritte versage, andererseits aber zu weit, weil die Schranken des Sacheigentums den berechtigten Informationsbedürfnissen der Allgemeinheit nicht hinreichend Rechnung tragen würden.20 Ob dieser eingeschränkte Anwendungsbereich des Hausrechts aber tatsächlich so problematisch ist, wie behauptet, ist zu bezweifeln. Denn in der Vermarktungspraxis werden Verträge geschlossen, in denen von dem Bestehen einer „verkehrsfähigen Rechtsposition“ des Sportveranstalters ausgegangen wird. Dies zeigt sich bereits 15 Baldus, in: MüKo-BGB, Bd. 6, 5. Aufl. 2009, § 1004 Rn. 6; Wandtke/Bullinger/Mangold, UrhG, 4. Aufl. 2013, § 95 Rn. 7; Jungheim, SpuRt 2008, 89; Christensen, JuS 1996, 873: „Konglomerat verschiedener Rechte“. 16 BGH, 8. 11. 2005 – KZR 37/03, BGHZ 165, 62 ff. = GRUR 2006, 249 ff. – Hörfunkrechte. 17 BGH, 28. 10. 2010 – I ZR 60/09, BGHZ 187, 255 (263 ff.) = GRUR 2011, 436 (437 Rn. 21) – hartplatzhelden.de. 18 Vgl. hierzu auch Heermann, CaS 2011, 165 ff. sowie WRP 2012, 17 (22): „durchaus praktikable Abwehrmöglichkeit“. Kritisch noch zur Hörfunkrechte-Entscheidung, BGH, 8. 11. 2005 – KZR 37/03, BGHZ 165, 62 ff. = GRUR 2006, 249 ff., Maume, MMR 2008, 797 (798): „Verwertungsrecht durch die Hintertür“ sowie zu den Vorinstanzen Mailänder, ZUM 2003, 820 (830). 19 Brinkmann, MP 2000, 491 (494); so auch Ladeur, GRUR 1989, 885 (886); Fikentscher, SpuRt 2002, 186 (187). A.A. Heermann, WRP 2012, 17 (21). 20 Ohly, GRUR 2010, 487 (488); ähnlich Lochmann (Fn. 1), S. 285 f.: „Hausrecht enttäuscht gerade in den entscheidenden, schutzbedürftigen Fällen“; Maume, MMR 2008, 797 (798): „Verwertungsrecht durch die Hintertür“.

290

Isabel Kainer

an den Termini, die für die jeweiligen Verträge gewählt werden. Fernsehverträge werden als Lizenzvertrag und die Parteien werden darin als Lizenzgeber und -nehmer bezeichnet. Wie Mailänder es auf den Punkt bringt: „Es hat sich ein blühendes Marktgeschehen um diese ebenso attraktiven wie begehrten Sportsenderechte entwickelt. Mit ihnen wird gehandelt, sie werden vermittelt, sie werden gebündelt und professionell vermarktet, für bestimmte Fernseharten auf- und abgespalten, für bestimmte Zeitschienen aufgeteilt in Live-, Erst- und Nachverwertungsrechte, mit Auflagen versehen und meist in ihrer Wertigkeit durch Exklusivabsprachen hochgeschraubt. Dies alles spielt sich erstaunlicherweise in einem rechtlichen Umfeld ab, in dem noch nicht einmal die Entstehung und der Inhalt derartiger Rechtevergaben geklärt ist.“21

De Oliveira Ascensao spricht sogar von einem Veranstaltungsrecht kraft Gewohnheitsrechts.22 Auch wenn dieser Weg der „Medienrechtsvergabe“ für Ratjen als bloße aufeinander abgestimmte Verpflichtungen gekünstelt wirken mag,23 hat sich dieser Ansatz in der Praxis aber durchaus bewährt.24 2. Wettbewerbsrechtlicher Schutz Ein Schutz des Sportveranstalters auf Grundlage des Wettbewerbsrechts wird nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Der Schutz des Sportveranstalters lässt sich in aller Regel weder über den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gemäß § 4 Nr. 9 UWG noch über einen unmittelbaren Leistungsschutz über die Generalklausel gemäß § 3 Abs. 1 UWG begründen. So ist bei einer Vielzahl von Fallgestaltungen schon fraglich, ob überhaupt eine Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 9 UWG vorliegt. Hat dies das OLG Stuttgart25 im hartplatzhelden.de-Verfahren noch ohne nähere Begründung bejaht, so lehnt der BGH das in seiner späteren Entscheidung mit deutlichen Worten ab: Im Aufzeichnen (von Teilen) eines Fußballspiels liege keine Nachahmung einer in dem Fußballspiel selbst oder in dessen Veranstaltung und Durchführung bestehenden Leistung. Eine Filmaufzeichnung stelle eine lediglich an die Sportveranstaltung anknüpfende eigenständige Leistung dar. Sowohl die Teilleistungen, die von den an der Veranstaltung eines Fußballspiels Beteiligten erbracht werden (wie beispielsweise das Erstellen von Regelwerken und Spielplänen, die Organisation des Schiedsrichterwesens sowie das Vorhalten einer Sportgerichtsbarkeit), als auch die dadurch bewirkte Gesamtleistung unterscheiden sich nach der Auffassung des BGH in ihrem Inhalt und ihrer Art nach grundlegend von den

21 Mailänder, Sport als Wirtschaftsgut – Grenzen seiner Vermarktung im Fernsehen, in: Brandner u. a. (Hrsg.), Festschrift für Karlmann Geiß – Zum 65. Geburtstag, 2000, S. 609. 22 de Oliveira Ascensao, GRUR Int. 1991, 20 (24). 23 Ratjen (Fn. 1), S. 99. 24 So auch Heermann, ZGE 2011, 256 (259). 25 OLG Stuttgart, 19. 3. 2009 – 2 U 47/08, MMR 2009, 395 ff. – hartplatzhelden.de.

Sportveranstalterrecht

291

Leistungen, die ein Dritter dadurch erbringt, dass er einen Teil des betreffenden Fußballspiels in einer Filmaufzeichnung festhält.26 Ist das Vorliegen einer Nachahmung zu verneinen, bleibt oftmals nur der Weg über die Generalklausel. Ob ein unmittelbarer Leistungsschutz über § 3 Abs. 1 UWG zu gewähren ist, ist jedoch höchst umstritten.27 Obwohl der BGH in der hartplatzhelden.de-Entscheidung die Möglichkeit gehabt hätte, dazu Stellung zu nehmen, lässt er die Frage des unmittelbaren Leistungsschutzes bedauerlicherweise offen. Denn der BGH lehnt einen Schutz bereits deswegen ab, weil der begehrte Rechtsschutz nicht erforderlich sei, um für den Sportveranstalter ein Leistungsergebnis zu schützen, für das er erhebliche Investitionen getätigt habe und dessen Erbringung und Bestand ohne diesen Rechtsschutz ernstlich in Gefahr geriete. Anders als im Profibereich spiele die Vermarktung durch Vergabe von Übertragungs- und Aufzeichnungsrechten im Amateurbereich keine maßgebliche Rolle.28 Daraus lässt sich folgern, dass zumindest im Profisportbereich grundsätzlich ein Schutz über die Generalklausel in Betracht zu ziehen wäre, zumindest dann, wenn ein Marktversagen droht.29 Dies wird jedoch – unabhängig von der Frage, ob das aus wettbewerbsfunktioneller Sicht überhaupt wünschenswert wäre – nur in wenigen Ausnahmefällen der Fall sein. Hinzu kommt, dass, wenn überhaupt, nur einzelne Aspekte geschützt wären. Ein originärer Schutz der Sportveranstaltung selbst wird lauterkeitsrechtlich aber nicht gewährt. 3. Schutz über §§ 94, 95 UrhG Auch ein urheberrechtlicher Schutz der Sportveranstaltung wird von Literatur30 und Rechtsprechung31 überwiegend abgelehnt. Es besteht größtenteils Einverständnis dahin gehend, dass das Urheberrecht weder die sportlichen Darbietungen der 26 BGH, 28. 10. 2010 – I ZR 60/09, BGHZ 187, 255 (259 f.) = GRUR 2011, 436 (437 Rn. 16) – hartplatzhelden.de. 27 Vgl. insbes. Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 8. Aufl. 2012, S. 181 ff., der auf die Gefahr aufmerksam macht, dass ein solcher Leistungsschutz die Grenzen überspielen könne, die der Gesetzgeber bewusst dem sondergesetzlich geregelten Leistungsschutz gezogen habe, und zugleich auf die Entwicklungen zu Computerprogrammen und zu dem bereits zuvor erörterten Datenbankherstellerrecht verweist. Diese Entwicklungen verdeutlichten, dass die Anerkennung neuer Leistungsschutzrechte grundsätzlich dem Gesetzgeber vorbehalten sei. Nach Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl. 2010, § 4 Rn. 9.80, ist ein Rückgriff auf die Generalklausel möglich. 28 Dazu auch Peifer, GRUR-Prax 2011, 181. 29 Vgl. hierzu Piper/Ohly/Sosnitza (Fn. 27), § 4 Rn. 9.80. 30 Bullinger/Jani, ZUM 2008, 897 (898); Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. 2008, § 2 Rn. 146; Ladeur, GRUR 1989, 885 (886); Schricker/Loewenheim, UrhG, 4. Aufl. 2010, § 2 Rn. 129; Wandtke/Bullinger (Fn. 15), § 2 Rn. 78. A. A. Osterwalder (Fn. 1), S. 185 ff.; 31 BGH, 29. 4. 1970 – I ZR 30/68, GRUR 1971, 46 – Bubi Scholz; BGH, 14. 3. 1990 – KVR 4/88, BGHZ 110, 371 (383) = GRUR 1990, 702 (704); LG Hamburg, 26. 4. 2002 – 308 O 415/ 01, ZUM 2002, 655 (658); OLG München, 20. 3. 1997 – 29 U 4573/96, NJW-RR 1997, 1405 (1406); OLG Frankfurt, 7. 2. 1995 – 11 U 76/94, SpuRt 1999, 110 f.

292

Isabel Kainer

Sportler noch die Sportveranstaltung selbst schützt. Begründet wird dies vor allem mit dem Fehlen der entsprechenden Werkqualität. Ebenso wenig ist der Sportveranstalter über § 81 UrhG geschützt, der nur den Veranstalter von Darbietungen ausübender Künstler schützt.32 In letzter Zeit häufen sich in der Literatur allerdings die Stimmen, die der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) als Filmherstellerin einen Schutz aus §§ 94, 95 UrhG zusprechen wollen.33 So bejaht Baumann einen Schutz des für Live-Übertragungen eingesetzten Basissignals als Filmwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG und begründet dies mit der Leistung des Regisseurs hinsichtlich der Zusammenstellung der Bilder für die Basisaufzeichnung. Bei der Zusammenstellung bliebe schließlich die Wahl über das „Wie“. Die bildliche Umsetzung der Szene obliege dem jeweiligen Regisseur und könne demnach unterschiedlich ausfallen.34 Umstritten ist allerdings, ob einem Schutz über § 94 UrhG nicht das Erfordernis der körperlichen Fixierung auf einem Film- oder Tonträger entgegensteht. Nach derzeit noch überwiegender Ansicht in der Literatur sind zumindest Live-Sendungen mangels einer solchen Fixierung nicht von §§ 94, 95 UrhG umfasst.35 Differenzierter sieht dies Ratjen: Ein Schutz nach § 94 UrhG hänge letztlich davon ab, ob die Übertragung live gesendet und parallel dazu ein Filmträger bespielt werde oder ob zunächst eine körperliche Fixierung eines Signals auf dem Medium erfolge, das sodann Sekundenbruchteile später vom Träger ausgehend wiedergegeben werde. Ein Filmherstellerrecht nach §§ 94, 95 UrhG besteht seiner Ansicht nach nur für den Fall, dass – auch wenn er dies als „schwer erklärbar“ ansieht und als „Ungleichbehandlung“ wertet – die Bildfolgen zunächst auf Filmträgern erstfixiert sind.36 Für Baumann genügt dafür

32 § 81 UrhG ist weder direkt noch analog auf Sportveranstalter anwendbar, vgl. BGH, 14. 3. 1990 – KVR 4/88, BGHZ 110, 371 (380) = NJW 1990, 2815 (2817); BGH, 8. 11. 2005 – KZR 37/03, BGHZ 165, 62 (73) = GRUR 2006, 249 (250 Rn. 23) – Hörfunkrechte; Vogel, in: Schricker/Loewenheim (Hrsg.) (Fn. 30), § 81 Rn. 19; Büscher, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.) (Fn. 15), § 81 Rn. 9; Ladeur, GRUR 1989, 885 (886); Maume, MMR 2008, 797; Röhl (Fn. 1), S. 229 ff. A. A. Osterwalder (Fn. 1), S. 162. 33 Vgl. Baumann (Fn. 1), S. 116 ff., 123, denn der DFB und die Vereine sowie Kapitalgesellschaften der Fußballbundesliga schieden als Filmhersteller aus, da sie keinen direkten Beitrag zur Produktion der Aufnahmen leisten würden. Allein der DFL kämen im Rahmen der Produktion die Entscheidungskompetenz und die ökonomische Verantwortlichkeit zu. Ratjen (Fn. 1), S. 38 ff., bleibt in seiner Beurteilung abstrakter: Die Herstellereigenschaft beurteile sich allein nach den tatsächlichen Verhältnissen bei der Filmherstellung. Dabei seien die Verantwortungs- und Tätigkeitsbereiche der daran beteiligten Personen in eine Gesamtbetrachtung einzustellen. Wer letzten Endes tatsächlich Filmhersteller ist, bleibt jedoch offen. 34 Baumann (Fn. 1), S. 112 ff. Ratjen (Fn. 1), S. 29 ff., 32 ff., lehnt einen Schutz als Filmwerk ab, zieht jedoch zumindest einen Schutz über §§ 94, 95 UrhG in Betracht. Lediglich für zusammenfassende Sportreportagen besteht nach seiner Ansicht ein Schutz über § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG. 35 Dreier/Schulze (Fn. 30), § 94 Rn. 21; Katzenberger, in: Schricker/Loewenheim (Hrsg.) (Fn. 30), § 94 Rn. 7, 14. 36 Ratjen (Fn. 1), S. 36 f.; siehe hierzu auch Heermann, WRP 2012, 132 (134).

Sportveranstalterrecht

293

allein die Speicherung der Aufnahmen auf einer Festplatte im Übertragungswagen.37 Inwieweit dieser Weg über §§ 94, 95 UrhG aber in Zukunft auch von der Rechtsprechung Berücksichtigung finden wird, bleibt noch abzuwarten.

III. Einführung eines Sportveranstalterrechts? Aufgrund der – für manch einen zu sehr – eingeschränkten Schutzmöglichkeiten nach bisheriger Rechtslage wird der deutsche Gesetzgeber immer öfter mit dem Vorwurf konfrontiert, dass erhebliche Rechtsunsicherheiten für den mit den Sportveranstaltungen verbundenen nationalen und internationalen Rechtsverkehr bestünden, er aber darauf nicht angemessen reagiere.38 Es fehle an einem angemessenen Schutz von Sportveranstaltungen als wirtschaftlich hochwertige Leistung. Der Sportveranstalter habe einen großen Arbeits- und Finanzaufwand für die Durchführung der Sportveranstaltung zu tragen. Neben einem aufwendigen Rahmenprogramm hänge die Attraktivität einer Veranstaltung maßgeblich von den Leistungen der teilnehmenden Sportler ab. Die Unterhaltung der Mannschaft verursache gerade im Profisport hohe Kosten für die Vereine und Verbände. Auch im Einzelsport verlangten Sportler inzwischen hohe Startgelder und Siegesprämien. Die Sportveranstalter könnten diese Kosten nicht allein durch die Eintrittsgelder und sonstigen Einnahmen bei solchen Sportveranstaltungen finanzieren. Verwertungsrechte wie Hörfunkrechte und Fernsehübertragungsrechte bildeten neben den Werbe- und Sponsorenleistungen ihre Hauptfinanzierungsquelle.39 Die Frage ist nun, wann grundsätzlich das Erfordernis für die Einführung eines neuen Immaterialgüterrechts besteht und ob die Einführung eines Immaterialgüterrechts zum Schutz der Sportveranstalter auch tatsächlich erforderlich ist. 1. Rechtfertigung der Einführung neuer Immaterialgüterrechte Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass das System der Immaterialgüterrechte keine abschließende Ordnung ist. Immer wieder werden neue Immaterialgüterrechte aus unterschiedlichen Gründen und zum Teil mit völlig unterschiedlichen Rechtsfolgen eingeführt, sei es als klassische Ausschließlichkeitsrechte, sei es als Leistungsschutzrechte, wie zuletzt die §§ 87 f f. UrhG zum Schutz von Presseverlagen. Allerdings würde diese besondere Sammlung ihren Reiz und nicht zuletzt auch ihre Glaubwürdigkeit verlieren, wäre sie beliebig erweiterbar. Denn schließlich stehen Immaterialgüterrechte und Wettbewerb in einem unauflösbaren Spannungsverhältnis zuein37

Baumann (Fn. 1), S. 124 ff. Furth (Fn. 2), S. 506: „rechtlicher Flickenteppich“; Hilty/Henning-Bodewig (Fn. 8), S. 63: „Hilfskonstruktionen“; Lochmann (Fn. 1), S. 285 f.: „Scheinlösung“, „Rettungsanker“, „Notnagel“; Mailänder (Fn. 21), S. 609: „Kette von Verlegenheitslösungen“; Ohly (Fn. 3), S. 112 f.: „Verlegenheitslösung“; Ruijsenaars, GRUR Int. 1988, 764 (765): „Trostpreis“. 39 Waldhauser (Fn. 1), S. 138. 38

294

Isabel Kainer

ander. Immaterialgüterrechte verschaffen ihren Inhabern eine in der Regel zwar zeitlich beschränkte, aber dennoch besonders privilegierte Form von Rechtsschutz. Damit schränken sie aber zugleich den Handlungsspielraum von Wettbewerbern ein. Aufgabe des Gesetzgebers ist es nun, eine Balance zwischen Wettbewerb und Ausschließlichkeit zu finden. a) Klassische Begründungstheorien Bei der Frage nach der Rechtfertigung eines Schutzes einer Leistung über ein Immaterialgüterrecht bietet sich vor allem ein kurzer Blick auf den Bereich des Patentrechts an. Die Begründungsstrukturen für den Patentschutz, die ihren Ursprung bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten, haben sich seither kaum verändert. Machlup unterscheidet zur Rechtfertigung des Patentrechts vier Theorien, die zu großen Teilen auch für andere Gebiete des Immaterialgüterrechts Anwendung finden können: die Eigentums-, die Belohnungs-, die Anreiz- sowie die Offenbarungstheorie.40 Diese Begründungstheorien, die so verschieden gar nicht sind, weisen zweierlei Ansatzpunkte auf: Die Eigentums- und die Belohnungstheorie begründen den Schutz mit dem Gebot der Gerechtigkeit und stellen die Individualinteressen desjenigen, der die Leistung erbringt, als schutzwürdig heraus.41 Die Anreiz- und die Offenbarungstheorie hingegen fußen auf der Nützlichkeit der Leistung für die Allgemeinheit. Während die Offenbarungstheorie dem Erfinder eine Gegenleistung für die Bereicherung der Allgemeinheit zusprechen will, beruht die Anreiztheorie auf der Annahme, dass die Gewährung eines Immaterialgüterrechts ein Mittel zur Förderung des technischen Fortschritts darstellt. Leistungen würden nur bei Aussicht auf einen entsprechenden Ertrag im wünschenswerten Umfang zustande kommen und genutzt werden. Könnten die Neuerungen aber alsbald von der Konkurrenz übernommen werden, seien die Ertragsaussichten viel zu unsicher. Durch den Immaterialgüterrechtsschutz könne dies zumindest eine Zeitlang verhindert werden, sodass sich die Ertragserwartungen stabilisieren würden. Dadurch werde die Bereitschaft, die für die Erbringung der Leistung erforderlichen Mühen und Kosten aufzuwenden, gesteigert.42 Danach könnte man davon ausgehen, dass jede Einführung eines Immaterialgüterrechts automatisch die Bereitschaft des Einzelnen, für die Allgemeinheit nützliche Leistungen zu erbringen, steigern würde. Allerdings muss dies nicht unbedingt der Fall sein, wie auch ein Blick auf das Datenbankherstellerrecht gemäß § 87a UrhG zeigt. So hatte die Europäische Union einige Zeit nach Einführung des Leistungs40

Machlup, GRUR Int. 1961, 373 (377); Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl. 2009, S. 35. Zur Eigentums- oder auch Naturrechtstheorie vgl. Kraßer (Fn. 40), S. 34: „natürliche Recht des Erfinders“. Zur Belohnungstheorie Beier, GRUR Int. 1970, 1 (2): „gerechter Lohn für nützliche Arbeit“. 42 Kraßer (Fn. 40), S. 35 f. 41

Sportveranstalterrecht

295

schutzrechts zugunsten von Datenbankherstellern eine Evaluierung dahin gehend durchgeführt, ob die Einführung des Leistungsschutzrechts zu höheren Wachstumsraten in der europäischen Datenbankindustrie und bei der Datenbankproduktion geführt hat. Dies war allerdings nicht der Fall. Vielmehr ergab die Evaluation, dass die Datenbankproduktion in der Europäischen Union im Jahr 2004 auf das Niveau vor der Einführung der Richtlinie zurückgefallen war.43 Es müssen also weitere Umstände sein, die den Einzelnen veranlassen, nützliche Leistungen zu erbringen. Eine besondere Rolle spielen dabei zweifelsohne wirtschaftliche Belange. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass Anreize nicht allein vom Immaterialgüterrechtsschutz abhängen. b) Ökonomische Rechtfertigung Da die klassischen Begründungstheorien an dieser Stelle nur bedingt weiterhelfen, lohnt sich ein Perspektivwechsel hin zur ökonomischen Rechtfertigung von Immaterialgüterrechten. Zwar sind der ökonomischen Analyse des Rechts schon deswegen klare Grenzen gesetzt, weil sich nur selten die Möglichkeit ergeben wird, mittels konkreter Zahlen und Daten zu überprüfen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die Einführung eines Immaterialgüterrechts tatsächlich hat. Allerdings ist diese Perspektive insoweit interessant, als dass sich zumindest Hypothesen aufstellen lassen, die mit Blick auf bekannte und offensichtliche Tatsachen in gewissem Umfang erlauben, Rückschlüsse für das Für und Wider der Einführung eines Immaterialgüterrechts zu ziehen. aa) Incentive-Theorie Als Ausgangspunkt für die Beurteilung des Immaterialgüterrechtsschutzes können die Grundgedanken des sog. Property-Rights-Ansatzes (auch Verfügungsrechtstheorie genannt) herangezogen werden.44 Im Vordergrund der Überlegungen steht dabei wiederum die Untersuchung der Anreizwirkung der Immaterialgüterrechtsstrukturen auf das wirtschaftliche Handeln. So wird die Funktion von Immaterialgüterrechten vor allem darin gesehen, Anreize für eine effiziente Allokation von Ressourcen für die Produktion immaterieller Güter zu geben (Incentive-Theorie).45 43 „Ursprünglich dazu eingeführt, die Erstellung von Datenbanken in Europa zu stimulieren, hat das neue Instrument keinen nachweisbaren Einfluss auf die Produktion von Datenbanken gehabt.“ Vgl. Report S. 5, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/copy right/docs/databases/evaluation_report_en.pdf (Stand 12. 6. 2014). Kritisch hierzu Rieger, Der rechtliche Schutz wissenschaftlicher Datenbanken, 2010, S. 276 f. 44 Der Property-Rights-Ansatz geht zurück auf Harold Demsetz, American Economic Review 1967, 347 ff. 45 Besen/Raskind, Journal of Economic Perspectives 1991, 3 (5): „The objective of intellectual property is to create incentives that maximize the difference between the value of the intellectual property that is created and used and the social cost of its creation, including the cost of administering system. (…) private producers have an incentive to invest in innovation only if they receive an appropriate return. (…) If the law permits others easily to „innovate

296

Isabel Kainer

Dass zwischen Innovation und wirtschaftlichem Wachstum ein Zusammenhang besteht, dürfte seit Joseph Schumpeters Thesen zur „Konkurrenz der neuen Ware, der neuen Technik, der neuen Versorgungsquelle, des neuen Organisationstyps“ als unbestritten gelten.46 Die gängigen Wettbewerbstheorien gehen von einem wachstumsfördernden Effekt von Innovationen aus. Durch Innovation lassen sich demnach die Produktivität steigern, die Preise senken und die Produkte verbessern. Innovation wird daher als Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum angesehen.47 Allerdings ist diese Anreizwirkung umstritten. Nicht nur, weil – wie bereits im Zusammenhang mit den klassischen Begründungstheorien zum Patentrecht aufgezeigt – Zweifel daran bestehen, dass tatsächlich Anreize zur Leistungserbringung gesetzt werden, sondern auch, weil der freie Zugang zu Leistungen für den Wettbewerb als erforderlich angesehen wird. So sei der Wettbewerb ein „ständiger Prozess schöpferischer Zerstörung“.48 Staatliche Lenkung, die damit zugleich zu einer staatlichen Kontrolle und Zensur führen kann, wird vielfach als störend befunden.49 Allein auf die Anreizwirkung abzustellen, ist daher nicht mehr genügend. bb) Marktversagen Eine wichtige Strömung der ökonomischen Analyse des Rechts verlangt folglich zusätzlich die Gefahr eines Marktversagens. Unter Marktversagen ist ein Zustand zu verstehen, bei dem der Marktmechanismus aus Angebot und Nachfrage nicht zu den volkswirtschaftlich wünschenswerten Ergebnissen führt, die Produktionsfaktoren nicht so verwendet werden, dass sie den größtmöglichen Ertrag für die Gesamtwirtschaft bringen, und Wohlfahrtsverluste eintreten. Bringt der Markt keine effiziente Lösung zustande, sind staatliche Maßnahmen erforderlich.50 Das Vorliegen von Marktversagen wird vor allem im Zusammenhang mit Leistungen angenommen, bei denen bereits ihrer Art nach die Gefahr besteht, dass sie ohne einen künstlichen Schutz überhaupt nicht erbracht werden würden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Wettbewerbsvorsprung des Leistungserbringers gegenüber seinen Konkurrenten nur sehr gering ist. So können schnelle und kostengünstige Nachahmungsmöglichkeiten dazu führen, dass die Konkurrenz eine Leistung sehr schnell einholt, selbst kaum Kosten amortisieren muss und das Produkt daher kostengünstiger als das Original anbieten kann. Mangels Renditeaussichten fehlt es around” an innovation, or to produce complements to it, the incentives to create the innovation may be reduced significantly.“ 46 Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 7. Aufl. 1993, S. 136 f. 47 Kirchner, GRUR Int. 2004, 603 (604). 48 Kirchner, GRUR Int. 2004, 603 (604). 49 Hilty/Henning-Bodewig (Fn. 8), S. 75; auch Bechtold, GRUR Int. 2006, 484 (485). 50 Vgl. hierzu Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 8. Aufl. 2010, S. 53; Zimmermann/Thomas, Öffentliche Güter, natürliche Monopole und die Grenze marktlicher Versorgung, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 32 (06/2003), S. 340.

Sportveranstalterrecht

297

dann am Anreiz zur Erbringung der Leistung. Der Leistungserbringer wird sich umorientieren und in Leistungen auf Märkten investieren, die ihm eine höhere Rendite versprechen. cc) Immaterialgüter als öffentliche Güter Bei Immaterialgütern ist diese Gefahr besonders groß, da es sich bei ihnen um sog. öffentliche Güter handelt. Ein öffentliches Gut zeichnet sich durch zwei Charakteristika aus: Nicht-Ausschließbarkeit und Nicht-Rivalität im Konsum. Unter NichtAusschließbarkeit ist die unzureichende Zuweisung oder Durchsetzbarkeit von Eigentumsrechten an dem Gut zu verstehen, wofür es verschiedene Gründe ökonomischer, technologischer, institutioneller oder normativer Natur geben kann. Hinzutreten muss eine Nicht-Rivalität im Konsum, was bedeutet, dass das Gut zur gleichen Zeit von verschiedenen Individuen konsumiert werden kann, ohne dass die Nutzung durch andere dadurch ausgeschlossen wird. Die Problematik liegt nun darin, dass die Kosten für die Nutzung des Gutes gerade nicht gegenüber demjenigen, bei dem der Nutzen des Gutes liegt, geltend gemacht werden können.51 Der Markt funktioniert in diesen Fällen nicht, da es zwar Interessenten für das Gut gibt, sich aber niemand dazu bereit erklären wird, seine wahren Präferenzen zu enthüllen und einen Marktpreis dafür zu entrichten. So kann man, auch ohne den Preis für das Gut zu zahlen, in den Genuss des Gutes kommen. Dies wird auch als Trittbrett- oder Schwarzfahrerverhalten bezeichnet.52 Da es sich bei Immaterialgütern gerade um keine körperlichen, sondern um unkörperliche Güter handelt und somit eine große Anzahl von Nutzungsmöglichkeiten besteht, liegt Nicht-Rivalität im Konsum vor. Ein Stück Wissen oder Information lässt sich beliebig oft vervielfältigen. So wird die Nutzung eines patentrechtlich geschützten Gegenstands oder eines urheberrechtlich geschützten Werks beispielsweise durch das Nachahmen des Gegenstands oder des Werks durch andere Personen nicht beeinträchtigt. Jedermann kann die gleiche Maschine bauen, jedermann kann dasselbe Lied singen, ohne die Nutzung anderer Personen dadurch zu beeinträchtigen.53 Auch besteht größtenteils Nicht-Ausschließbarkeit. Sind die Schutzge51 Berg/Cassel/Harting, Theorie der Wirtschaftspolitik, in: Apolte u. a. (Hrsg.), Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Bd. 2, 9. Aufl. 2007, S. 197 ff.; Fritsch (Fn. 50), S. 289 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 559 f. 52 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts – Politische Ökonomie als rationale Jurisprudenz, 1986, S. 89, 182; Kubat, Der Markt für Spitzensport, 1998, S. 101. Bestes Beispiel für ein öffentliches Gut, das diese Problematik verdeutlicht, ist ein Leuchtturm. Das Licht des Leuchtturms kann einerseits von einer praktisch unbeschränkten Anzahl von Schiffen genutzt werden (Nicht-Rivalität), andererseits kann aber auch kein Schiff von seinem Licht ausgeschlossen werden (Nicht-Ausschließbarkeit). Für die öffentliche Sicherheit sind Leuchttürme allerdings unbestritten von großem Nutzen, sodass sie vom Staat bzw. im Auftrag des Staates von Privaten betrieben werden müssen, vgl. hierzu Schäfer/Ott (Fn. 51), S. 108, zurückgehend auf Ronald H. Coase. 53 Vgl. dazu auch Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. 1, 3. Aufl 1983, S. 56, 59 f.

298

Isabel Kainer

genstände erst einmal der Öffentlichkeit zugänglich, können sie von jedermann genutzt werden, ohne dass sie aufgebraucht werden oder sonst an Substanz verlieren. Die Maschine und das Lied können theoretisch von jedermann nachgeahmt werden, sobald sie der Öffentlichkeit zugänglich sind. Daher ist bei Immaterialgütern die Gefahr eines Marktversagens besonders hoch. Wie reagiert das Immaterialgüterrecht nun auf diese Eigenschaft des immateriellen Gutes als öffentliches Gut? In erster Linie befassen sich Immaterialgüterrechte mit der Nicht-Ausschließbarkeit. So verändern sie dieses Charakteristikum durch rechtliche Maßnahmen. Ist die Maschine erst patentrechtlich geschützt, kann sie zwar noch nachgebaut werden, allerdings kann sich der Patentinhaber dagegen zur Wehr setzen. Er kann die Nachahmung untersagen, Schadensersatz und auch deren Vernichtung verlangen. Damit werden die Kosten für die Nachahmung so erhöht, dass sich diese für den Nachahmer nicht mehr lohnt. Mit der Einräumung eines absoluten Rechts wird dem Inhaber daher in gewissem Maße die Möglichkeit gegeben, Dritte von der Nutzung des Schutzgegenstandes auszuschließen. Dadurch werden die bestehenden immateriellen Güter „künstlich“ verknappt, um einen Markt zu eröffnen. dd) Rechtsunsicherheit Marktversagen kann aber nicht nur aufgrund mangelnden Anreizes im Zusammenhang mit öffentlichen Gütern bestehen, sondern auch aufgrund von Rechtsunsicherheit.54 Denn auch bei Rechtssicherheit handelt es sich letztlich um nichts anderes als um ein öffentliches Gut. Dem Staat kommt die Aufgabe zu, rechtliche Regelungen als Grundgefüge des gemeinschaftlichen Zusammenlebens festzulegen. Zugleich entspricht das Prinzip der Rechtssicherheit auch dem Effizienzprinzip der ökonomischen Analyse des Rechts. So ist Rechtssicherheit als „Grad der Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendung bei gegebenen Sachverhalten“ zu definieren. Ein hoher Grad der Vorhersehbarkeit setzt das Vertrauen in die Existenz bzw. Nichtexistenz von Rechtsnormen voraus.55 Die Adressaten von Normen müssen hinreichende Sicherheit haben, wie sie ihr Handeln auszurichten haben, um sich nicht dem Vorwurf einer Verletzung und den sich daraus ergebenden Konsequenzen ausgesetzt zu sehen. Dafür müssen sie sich darüber informieren, was ihnen erlaubt ist und was nicht. Die Informationskosten, die dadurch verursacht würden, könnten durch das Vertrauen in die Rechtsnormen gesenkt werden. Anderenfalls erforderliche, aber unproduktive Kosten zur Informationsgewinnung würden damit entbehrlich. Zugleich wird den Adressaten eine Risikobewertung abgenommen, die sie bei Rechtsunsicherheiten vornehmen müssten.56 54

Soweit ersichtlich haben erstmals Hilty und Henning-Bodewig (Fn. 8), S. 66 f., dieses rechtliche Kriterium der Rechtssicherheit in den Zusammenhang mit der ökonomischen Theorie vom Marktversagen gebracht. 55 Weihrauch, Der unmittelbare Leistungsschutz im UWG, 2001, S. 198. 56 Weihrauch (Fn. 55), S. 198.

Sportveranstalterrecht

299

ee) Allokationseffizienz Kommt man zu dem Schluss, dass ein Marktversagen vorliegt, rechtfertigt allein dies jedoch noch keinen staatlichen Eingriff. Zusätzlich muss, zumindest soweit öffentliche Güter betroffen sind, eine Verbesserung der tatsächlichen Versorgung mit dem öffentlichen Gut zu erwarten sein. Die Einführung des Immaterialgüterrechtsschutzes muss daher annehmen lassen, dass anschließend weniger kostspielige Marktunvollkommenheiten als vorher bestehen sowie dass die Allokationseffizienz gesteigert wird. Bei einem Marktversagen aufgrund bestehender Rechtsunsicherheit muss eine Verbesserung der Rechtslage zu erwarten sein. 2. Rechtfertigung der Einführung eines Sportveranstalterrechts Welche Vorgaben ergeben sich nun aus den vorangegangenen Überlegungen für die Rechtfertigung der Einführung speziell des Sportveranstalterrechts? Zunächst müsste ohne einen entsprechenden Immaterialgüterrechtsschutz ein Marktversagen vorliegen; bei der Existenz von Immaterialgüterrechten müsste der Markt aber funktionieren. Ob die Einführung und Umsetzung von Immaterialgüterrechten nun in jedem Fall die Effizienz und damit die volkswirtschaftliche Entwicklung fördert, lässt sich nicht immer positiv beantworten. Allerdings lässt sich der Gegenbeweis noch weniger erbringen. Damit wird die Abwägung zwischen der Gewährung eines mit Wettbewerbsüberlegungen motivierten freien Zugangs zu geistigen Leistungen Dritter einerseits und der mit Innovations- und Investitionsüberlegungen motivierten Einführung von Immaterialgüterrechten andererseits eine dauerhafte, immer wieder neu zu überdenkende wirtschafts- und rechtspolitische Aufgabe des Gesetzgebers. Ihm obliegt es, eine Balance zwischen Wettbewerb und Ausschließlichkeit zu finden. a) Sportveranstaltung als öffentliches Gut Mit der Sportveranstaltung lassen sich gleich zwei öffentliche Güter verbinden. Im Vordergrund steht dabei zunächst einmal die sinnliche Wahrnehmung der sportlichen Leistung beim Besuch der Sportveranstaltung oder auch bei deren Übertragung in den Medien. Der Zuschauer kann die Sportveranstaltung verfolgen, ohne dadurch deren Wahrnehmung durch andere zu beeinträchtigen. Vergleichbar verhält es sich bei der Übertragung der Sportveranstaltung in den Medien. Durch die Aufnahme und Übertragung kommt es zu keiner Beeinträchtigung der Wahrnehmung durch andere. Daneben ist gerade mit Sportgroßveranstaltungen ein besonderer „Prestigewert“ verbunden. Nicht selten sind die Bürger eines Landes oder einer Region besonders stolz, wenn eine Sportgroßveranstaltung in ihrem Land oder ihrer Region ausgetragen wird. Sie fühlen sich mit ihren Sportlern und ihrem Land oder ihrer Region besonders verbunden. Dieses Prestige kann von den Individuen konsumiert werden, un-

300

Isabel Kainer

abhängig davon, ob sie die Sportveranstaltung besuchen oder diese in sonstiger Form nachfragen.57 b) Drohendes Marktversagen bei Sportveranstaltungen? Fraglich ist nun, ob bezüglich dieser öffentlichen Güter auch ein Marktversagen droht, das ein staatliches Eingreifen in Form der Einführung eines Sportveranstalterrechts rechtfertigen könnte. Ein Marktversagen wäre unter anderem dann anzunehmen, wenn der bisherige rechtliche Schutz unzureichend wäre und aus diesem Grunde kein Anreiz mehr zur Erbringung der Leistung Sportveranstaltung bestünde, sodass der Wirtschaftszweig „Sport“ wegfallen könnte. Dies wird von einigen Stimmen gerade im Zusammenhang mit Ambush-Marketing-Maßnahmen behauptet.58 So weist Jaeschke auf die Gefahr hin, dass durch die Werbeerfolge der Ambusher die kommunikative Wirkung des Engagements der an sich exklusivrechtlich geschützten Sponsoren geschwächt werde. Aus dieser Schwächung der kommunikativen Wirkung resultiert seiner Ansicht nach eine mangelnde Bereitschaft, solche Großereignisse mit finanziellen Engagements in Millionenhöhe zu fördern, was sich nicht nur auf die Durchführung finanziell defizitärer Veranstaltungen auswirke, sondern auch auf die Nachwuchsförderung.59 Allerdings sind für diese negativen Auswirkungen des AmbushMarketings auf das Sponsorengeschäft bislang noch keine empirischen Beweise erbracht worden. Es gibt keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Veranstalter ihre Angebote nicht mehr vermarkten können.60 Ganz im Gegenteil „floriert“ nach Melwitz das Sponsoringgeschäft der Veranstalter und „treibe mitunter aberwitzige Blüten“. Es könne kein Vergleich mit Nachahmungsfällen gezogen werden, in denen der Innovator gänzlich um die Früchte seiner Arbeit gebracht werde.61 Dies hat sich auch bei der Fußball-WM 2010 in Südafrika gezeigt: Obwohl anlässlich dieser WM so viel Ambush-Marketing betrieben worden ist wie nie zuvor, verdoppelten sich die Sponsoringpreise sogar von 50 auf 100 Millionen Dollar pro Topsponsor.62 57

Kubat (Fn. 52), S. 93. Wahrenberger, Sportsponsoringverträge, in: Arter (Hrsg.), Sport und Recht, 2. Tagungsband, 2005, S. 165; Wittneben/Soldner, WRP 2006, 1175 (1178). 59 Jaeschke (Fn. 2), S. 13; kritisch dazu Heermann (Fn. 2), S. 136 f. 60 Vgl. auch Körber/Ess, WRP 2011, 697 (702): „Ohne Schutz droht keine Marktsituation, in der diese Leistungen nicht mehr erbracht werden.“ Zwar versucht Nufer (Fn. 2), S. 296, mit einer empirischen Untersuchung der Wirkung von Ambush-Marketing als Alternative zum Sponsoring diese Lücke zu schließen, allerdings beschränkt sich diese Untersuchung auf rein psychologische Zielgrößen und bezieht keine konkreteren ökonomischen Daten mit ein. 61 Melwitz (Fn. 2), S. 215; ebenso Heermann (Fn. 2), S. 136: „diese Gefahren werden bislang durch die tatsächliche Entwicklung der Sponsoringerlöse nicht belegt“; Berberich, SpuRt 2006, 181 (184); Hilty/Henning-Bodewig (Fn. 8), S. 82. 62 Kistner, SZ v. 17. 5. 2010, S. 31, auch abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/sport/ fussball-die-wm-ist-in-gefahr-1.315822 (Stand 2. 5. 2014). 58

Sportveranstalterrecht

301

Ebenso wenig kommt ein Marktversagen im Zusammenhang mit Übertragungsrechten in Betracht.63 Aus der Vergabe von Übertragungsrechten fließen Sportveranstaltern bedeutende Summen zu. Die Tendenz dafür ist seit Jahren steigend.64 Daran wird auf dem Pay-TV-Rechtemarkt auch die Karen Murphy-Entscheidung des EuGH nichts ändern. Zwar war nach Verkündung der Entscheidung der Aufschrei groß. Von einem „Werteverfall der Übertragungsrechte“ war die Rede.65 Die neuesten Zahlen, die zur Vergabe der Rechte an der Deutschen Fußball-Bundesliga für die Spielzeiten 2013/2014 bis 2017/2018 bekanntgegeben worden sind, belegen jedoch das Gegenteil. 2,5 Mrd. Euro soll die DFL allein hierfür erzielen. Liga-Präsident Rauball spricht in diesem Zusammenhang von einem „Quantensprung“.66 Daneben steigen auch die Einnahmen aus der internationalen Vermarktung weiter. Nach eigenen Angaben erzielt die DFL auf Basis der bestehenden Verträge über 70 Millionen Euro jährlich und hat damit ihre Auslandsumsätze um über 50 % im Vergleich zur Rechteperiode 2009/10 bis 2011/12 gesteigert.67 Unter anderem konnte die DFL ihren Vertrag mit dem Fernsehsender ESPN über die Ausstrahlung der Bundesliga in Großbritannien und Irland für die Spielzeiten 2012/2013 bis 2014/2015 verlängern.68 Somit ist zumindest derzeit nicht davon auszugehen, dass Sportveranstalter in Zukunft keine Sportveranstaltungen mehr organisieren und durchführen werden. Die Gefahr eines Marktversagens aufgrund fehlenden Anreizes besteht nicht. c) Rechtsunsicherheit nach derzeitiger Rechtslage? Ein Marktversagen könnte jedoch aufgrund der nach bisheriger Rechtslage möglicherweise bestehenden Rechtsunsicherheit anzunehmen sein. Vielfach wird der Vorwurf laut, dass durch Einzelfall-Entscheidungen der Gerichte Rechte immer weiter den vom Gesetzgeber ausdrücklich geregelten Immaterialgüterrechten angenähert würden, obwohl diese Rechte eigentlich nur als relativ wirkende Abwehrrechte konzipiert seien.69 63 A. A. Körber/Ess, WRP 2011, 697 (702), zumindest in Fällen, bei denen, ähnlich wie im hartplatzhelden-Fall, nicht über das Hausrecht gegen den Betreiber von Videoportalen vorgegangen werden könne. Nach Piper/Ohly/Sosnitza (Fn. 27), § 4 Rn. 9.80, gibt es zumindest im Amateurfußballsport keinen Anhaltspunkt für ein Marktversagen. 64 Hilty/von der Crone/Weber, sic! 2006, 702 (705). 65 Vgl. dazu Holzmüller/Lichtenegger, GRUR Int. 2009, 195 (insbes. Fn. 2). 66 Frey, GRUR-Prax 2012, 365. 67 Siehe Pressemitteilung der DFL v. 30. 1. 2012, abrufbar unter http://www.bundesliga.de/ de/liga/news/2011/dfl-steigert-auslandsumsaetze-um-50-prozent-und-eroeffnet-asien-pazifikrepraesentanz_0000203741.php (Stand 12. 6. 2014). 68 Siehe Pressemitteilung der DFL v. 24. 7. 2012, abrufbar unter http://www.bundesliga.de/ de/dfl/mediencenter/pressemitteilungen/2012/dfl-deutsche-fussball-liga-setzt-partnerschaft-mitespn-in-grossbritannien-und-irland-fort_0000217458.php (Stand 12. 6. 2014). 69 So hält Lochmann (Fn. 1), S. 287, die bisherige Ableitung aus dem Konglomerat möglicher Abwehransprüche für dogmatisch höchst unbefriedigend und mit den Geboten der Rechtssicherheit und -klarheit nicht zu vereinbaren. Auch für Osterwalder (Fn. 1), S. 266, ist

302

Isabel Kainer

Die daraus resultierende Rechtsunsicherheit würde sich dann aber nicht nur zulasten der Sportveranstalter auswirken, sondern könnte auch zulasten der Allgemeinheit gehen. So macht Emmerich auf die Gefahr einer unkontrollierten Monopolisierung aufmerksam, die davon ausginge, dass Sportveranstalter versuchen würden, über Rechtsstreitigkeiten vor Gericht mit allen Mitteln eine Art Monopol an der Vermarktung unter anderem von Weltmeisterschaften durchzusetzen.70 Diese Monopolisierung nur zugunsten der Sportveranstalter kann jedoch zu ungerechten Ergebnissen führen. Denn auch die Allgemeinheit leistet einen großen Beitrag für die Durchführung von Sportveranstaltungen. Der Staat trägt nicht ganz unerhebliche Investitionen in die Infrastruktur und die Sicherheit. Auch Privatpersonen fördern Sportveranstaltungen nicht nur über Steuern, sondern auch über Spenden und ehrenamtliche Mitarbeit. Wenn die Allgemeinheit an der Erbringung der Sportveranstaltung beteiligt ist, müssen ihre Interessen im Zusammenhang mit der Sportveranstaltung auch berücksichtigt werden. Dafür würde ein Sportveranstalterrecht nicht die schlechteste Möglichkeit bieten. Denn eine gesetzliche Regelung würde es dem Gesetzgeber ermöglichen, eine umfassende Abwägung zwischen den Schutzinteressen der Sportveranstalter und dem Freihaltebedürfnis der Allgemeinheit vorzunehmen.71 Das Spannungsverhältnis zwischen diesen Interessen ließe sich nach Mailänder in „gewohnten und eingespielten Kategorien“ auflösen. Denn Sportveranstalterrechte könnten erworben, übertragen und lizenziert werden, die Lizenzen könnten mit den schutzrechtimmanenten Beschränkungen vergeben werden. Soweit Allgemeininteressen dies gebieten würden, könnten gesetzliche Verpflichtungen zur Lizenzierung eingeführt werden. Ausschließliche oder nicht ausschließliche Rechtevergaben würden der Typik des Lizenzverkehrs entsprechen. Die Rechte könnten zudem kartellrechtlich unangreifbar Verwertungsgesellschaften zur Zweitverwertung überlassen werden.72 Fraglich ist jedoch, ob derzeit tatsächlich Rechtsunsicherheiten bestehen, die zu einem Marktversagen führen und die die Einführung eines Sportveranstalterrechts erforderlich machen. Weniger relevant in diesem Zusammenhang dürften die Diskussionen um einen urheberrechtlichen Schutz der Sportveranstaltung sein. So bejaht Osterwalder einen urheberrechtlichen Schutz der Sportveranstaltung.73 Mit diesem Ansatz ist er auch nicht allein geblieben. So sprechen Ratjen und Baumann dem Sportveranstalter zwar keinen Schutz an der Sportveranstaltung selbst zu, befürworten jedoch einen es aus Gründen der Rechtssicherheit „stets zu rechtfertigen, wenn zum Schutz immaterieller Vermögenspositionen die Schutzvoraussetzungen in einem immaterialgüterrechtlichen Spezialgesetz einheitlich kodifiziert und damit für jedermann ersichtlich geregelt werden“. 70 Emmerich, JuS 2010, 736. 71 Ebenso Ohly, GRUR 2010, 487 (488); auch nach Peifer, GRUR-Prax 2011, 181, „liegt damit der Ball im Spielfeld des Gesetzgebers. Dort liegt er richtig.“ 72 Mailänder (Fn. 21), S. 610. 73 Osterwalder (Fn. 1), S. 185 ff.

Sportveranstalterrecht

303

Schutz des Sportveranstalters als Filmhersteller über §§ 94, 95 UrhG.74 Allerdings lassen allein diese theoretischen Überlegungen keine Gefährdung der Rechtssicherheit im Sinne eines Marktversagens annehmen. Die Rechtsprechung hat einen urheberrechtlichen Schutz bis jetzt regelmäßig abgelehnt und es ist auch nicht erkennbar, dass sich daran in Zukunft etwas ändern wird – dies nicht zuletzt auch aufgrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Karen Murphy, in der das Gericht ausdrücklich festhält, dass Sportereignisse keinen urheberrechtlichen Schutz genießen.75 Wesentlich problematischer erscheint in dieser Hinsicht jedoch die Konstruktion des Schutzes des Sportveranstalters über das Hausrecht. Denn dabei handelt es sich nicht nur um rein theoretische Überlegungen. Spätestens seit der Hörfunkrechte-Entscheidung des BGH werden dem Sportveranstalter Abwehrrechte auf Grundlage des Hausrechts zugesprochen.76 Auch in der hartplatzhelden.de-Entscheidung beruft sich der BGH ausdrücklich auf die Schutzmöglichkeiten der Sportveranstalter über das Hausrecht.77 Das Hausrecht ist jedoch gesetzlich nicht verankert, sondern wird nach überwiegender Ansicht als Abwehrrecht aus dem Eigentum und/oder dem Besitz abgeleitet. Dem Sportveranstalter wird ein Schutz über die tatsächliche Kontrolle des Veranstaltungsortes gewährt. Damit wird letztlich die dingliche Berechtigung an dem Veranstaltungsort zur Grundlage des Schutzes der Sportveranstaltung selbst gemacht. Allerdings ist fraglich, ob diese Rechtspraxis tatsächlich zu einer Rechtsunsicherheit führt. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass ein Hauptargument für die Annahme von Rechtsunsicherheit ist, dass die Stoßrichtung einer herangezogenen Rechtsgrundlage unkontrolliert geändert werde.78 Eine ausdrückliche gesetzliche Rechtsgrundlage für das Hausrecht als solches besteht allerdings nicht. Somit ist schon fraglich, welche Stoßrichtung überhaupt geändert werden sollte. Aber selbst wenn man das Hausrecht als richterrechtlich fortgebildete Rechtsgrundlage anerkennt und letztlich die einschlägigen Vorschriften über das Eigentum und den Besitz als Rechtsgrundlage heranzieht, müsste man fragen, ob tatsächlich eine ungebührliche Abkehr vom ursprünglichen Schutzzweck dieser Vorschriften vorläge. Denn dem Eigentümer werden über § 903 S. 1 BGB Befugnisse eingeräumt, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und die Einwirkung Fremder auf die Sache auszuschließen. Darunter fällt auch die Befugnis, die Benutzung der Sache durch eine Hausordnung zu regeln bzw. den Zugang zur Sache zu verweigern.79 Auch beim Besitz handelt es sich 74

Ratjen (Fn. 1), S. 35 ff.; Baumann (Fn. 1), S. 103 ff. EuGH, 4. 10. 2011 – C-403, 429/08, ABl EU 2011, Nr. C 347, 2 f. = GRUR 2012, 156 (160 insbes. Rn. 99) – Football Association Premier League / Murphy. 76 Vgl. BGH, 8. 11. 2005 – KZR 37/03, BGHZ 165, 62 ff. = GRUR 2006, 249 ff. – Hörfunkrechte. 77 BGH, 28. 10. 2010 – I ZR 60/09, BGHZ 187, 255, 264 f. = GRUR 2011, 436 (538 Rn. 27) – hartplatzhelden.de 78 Hilty/Henning-Bodewig (Fn. 8), S. 76. 79 Palandt-Bassenge, BGB, 72. Aufl. 2013, § 903 Rn. 1, 4 ff. 75

304

Isabel Kainer

um eine vom Verkehr anerkannte Herrschaft über eine Sache. Allerdings handelt es sich dabei um kein subjektives Recht wie das Eigentum, sondern um ein rein tatsächliches Verhältnis zur Sache. Dennoch gewährt der Besitz eine gewichtige Rechtsstellung, wie auch den Abwehrrechten des Besitzers gemäß §§ 858 ff. BGB entnommen werden kann.80 Beide Rechtsinstitute bezeichnen daher die Beziehung eines Individuums zu einer Sache. Diesem Schutzzweck steht die Herleitung des Schutzes aus dem Hausrecht aber gerade nicht entgegen. Die Rechte des Sportveranstalters an dem Veranstaltungsort bleiben Hauptansatzpunkt der rechtlichen Beurteilung. Das Hausrecht selbst ermöglicht allein den Verweis von dem Veranstaltungsort und bewahrt daher seine Funktion als Abwehrrecht. Es tritt lediglich „flankierend“ zu möglichen vertraglichen Vereinbarungen des Sportveranstalters mit Dritten (z. B. Zuschauern, Medien) hinzu. Aus diesem Grunde mag der dem Sportveranstalter gewährte Schutz manch einem als unzureichend erscheinen, darin kann aber keine Abkehr von den Schutzzwecken der eigentums- und besitzrechtlichen Vorschriften an sich gesehen werden. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Anwendungsbereich des Hausrechts begrenzt ist. Es fallen nur bestimmte Sachverhalte in dessen Anwendungsbereich. So lassen sich nur Situationen, die sich am Veranstaltungsort ergeben, über das Hausrecht regeln. Aufnahmen von außerhalb fallen daher nicht unter den Schutzbereich. Da es in der Natur der Sache liegt, dass einige Sportarten im Freien ausgeübt werden, finden Sportveranstaltungen nicht nur in umfriedeten, sondern auch auf öffentlichen, nicht abschirmbaren Veranstaltungsorten statt. Dies führt teilweise zu einem unterschiedlichen rechtlichen Schutz von Sportveranstaltern, was für eine ausdrückliche Regelung sprechen könnte. Damit könnte der Ungleichbehandlung entgegengewirkt werden, indem nicht nur Veranstalter von Sportveranstaltungen im Innenbereich, sondern auch von solchen im Außenbereich geschützt werden. Daher mag das Hausrecht bei Veranstaltungen außerhalb eines räumlich beherrschbaren Veranstaltungsorts „versagen“81 – dies ist aber keine Frage der Rechtssicherheit, sondern vielmehr eine Frage des Gleichbehandlungsgebotes. Von einer Rechtsunsicherheit im eigentlichen Sinne aufgrund der „kreativen“82 Anwendung des Hausrechts auf bestimmte Sachverhalte der Sportveranstaltung ist daher nicht auszugehen. Die größte Bedrohung für die Rechtssicherheit wäre in einer ausufernden Heranziehung des Wettbewerbsrechts zu sehen. Gerade in letzter Zeit häufen sich die Stimmen, die einen lauterkeitsrechtlichen Schutz der Sportveranstaltung in Erwägung ziehen. Lochmann erkennt hinsichtlich der Fernsehübertragungsrechte einen Schutz des Sportveranstalters über die Generalklausel gemäß § 3 Abs. 1 UWG an.83 Aber 80

Palandt-Bassenge (Fn. 79), Überbl. v. § 854 Rn. 1. So Lochmann (Fn. 1), S. 286. 82 So Körber/Ess, WRP 2011, 697 (703), die sich für eine solche effektive und kreative Nutzung der dem Sportveranstalter zustehenden allgemeinen zivilrechtlichen Ausschließlichkeitsrechte aussprechen. 83 Lochmann (Fn. 1), S. 304. 81

Sportveranstalterrecht

305

auch zum Schutz vor Ambush-Marketing wird die Generalklausel gern herangezogen.84 Bis zur Entscheidung des BGH im Fall hartplatzhelden.de fehlte es an entsprechenden höchstrichterlichen Entscheidungen zu dieser Problematik. Aber auch mit diesem Urteil haben sich die Türen zum Schutz der Sportveranstaltung über die Generalklausel nicht endgültig verschlossen.85 Zumindest aber steigen die Anforderungen an den Sportveranstalter, der nachweisen müsse, dass ein Rechtsschutz erforderlich sei, „um für ihn ein Leistungsergebnis zu schützen, für das er erhebliche Investitionen getätigt hätte und dessen Erbringung und Bestand ohne diesen Rechtsschutz ernstlich in Gefahr geriete“.86 Es ist jedoch zu befürchten, dass sobald dem Sportveranstalter in einer Entscheidung ein lauterkeitsrechtlicher Anspruch zugesprochen werden sollte, dies eine „Kettenreaktion“ zur Folge haben wird und somit die Versuche, Schutz über das Lauterkeitsrecht zu erlangen, zunehmen werden.87 d) Mehr Rechtssicherheit durch Einführung eines Sportveranstalterrechts? Aus diesem Blickwinkel gesehen, spräche einiges dafür, einen Schutz des Sportveranstalters gesetzlich zu normieren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber in der Vergangenheit nicht selten auf einen über einen längeren Zeitraum durch die Rechtsprechung gewährten lauterkeitsrechtlichen Schutz einer Leistung mit der Einführung eines Immaterialgüterrechts reagiert hat. Damit gibt er zu erkennen, dass er einen lauterkeitsrechtlichen Schutz gerade nicht als Dauerlösung ansieht.88 Der Gesetzgeber hätte nun auch in Bezug auf Sportveranstaltungen die Möglichkeit, dazu explizit Stellung zu nehmen. Er könnte dem Freihaltebedürfnis der Allgemeinheit Rechnung tragen, indem er festlegt, welche Aspekte der Leistung Sportveranstaltung allein dem Sportveranstalter zugesprochen werden und welche weiterhin gemeinfrei bleiben sollen.89 Allerdings muss selbst eine gesetzliche Regelung nicht unbedingt immer zu mehr Rechtssicherheit führen. Bereits die inhaltliche Ausgestaltung eines möglichen Sportveranstalterrechts gestaltet sich schwierig: Ein zu weit gefasster Schutz würde Interpretationsschwierigkeiten mit sich bringen und damit die Interessen der Allgemeinheit ungebührend beschränken; ein zu eng gefasster Tatbestand könnte mögliche zukünftige Entwicklungen nicht mehr erfassen. Gerade im Hinblick auf das Ambush-Marketing wäre fraglich, wie ein Sportveranstalterrecht ausgestaltet werden könnte. Eine Beschränkung des Schutzes auf bestimmte Aspekte der Asso84

Melwitz (Fn. 2), S. 185 ff., 221 ff.; Furth (Fn. 2), S. 279. So zumindest Peifer, GRUR-Prax 2011, 181. 86 BGH, 28. 10. 2010 – I ZR 60/09, BGHZ 187, 255 (263) = GRUR 2011, 436 (438 Rn. 25) – hartplatzhelden.de. 87 Ähnliche Bedenken teilten Hamacher/Weber, SPONSORS 07/2009, 52 (53). 88 Schulze, ZUM 1989, 52 (59). 89 Ebenso Laier (Fn. 1), S. 524. 85

306

Isabel Kainer

ziation wäre kaum umsetzbar und letztlich auch nicht praktikabel, da gerade der Marketingbereich ständig neue Ideen entwickelt, die den Anwendungsbereich der Regelung immer wieder neu in Frage stellen würden.90 Wenn ein wirksamer Schutz gegen Ambush-Marketing eingeführt werden soll, dann müsste er umfassend ausgestaltet sein. Dies wird jedoch mit Sicherheit wiederum auf Kritik stoßen. Es ist daher zu befürchten, dass eine neue gesetzliche Regelung noch zu weiteren Unsicherheiten führen könnte.91 Es bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass die Beurteilung, ob eine ausdrückliche Regelung tatsächlich zu mehr Rechtssicherheit führen würde, kaum zu beantworten ist. Auf der einen Seite können einer ausdrücklichen Regelung gewisse Vorzüge nicht abgesprochen werden. So könnte eine Regelung durchaus zu klareren Verhältnissen führen, würde sie doch die Verwertung der Sportveranstaltung im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage ausdrücklich dem Veranstalter zuordnen. Die Rechtsprechung wäre dann zu keinen „Ausweichmanövern“ mehr verleitet.92 Auf der anderen Seite lässt sich aber auch aus guten Gründen der Standpunkt vertreten, dass der Rechtssicherheit durchaus Genüge getan werde, wenn die Gerichte die bisher bestehenden rechtlichen Schutzmöglichkeiten stringent anwenden und damit die Gewährung eines lauterkeitsrechtlichen Schutzes „unter falscher Flagge“ verhindern würden.93 So weist auch Furth darauf hin, dass zwar die Rechtslage zum Ambush-Marketing derzeit noch unübersichtlich sein mag, sich dies durch die Rechtsprechung und die Literatur aufgrund der gesteigerten Wahrnehmung des Problemfelds aber bald geklärt haben dürfte.94 Im Hinblick auf die Verwertung von Sportveranstaltungen im Amateurbereich dürfte dies durch die hartplatzhelden.de-Entscheidung95 nun der Fall sein. Die Rechtsunsicherheit bezüglich des wettbewerbsrechtlichen Schutzes ist daher kein prinzipielles Problem des Wettbewerbsrechts, sondern ein Problem der gegenwärtigen Handhabung der Rechtsanwendung durch die Gerichte insbesondere im Bereich des unmittelbaren Leistungsschutzes.96

IV. Fazit Zum derzeitigen Zeitpunkt besteht kein Bedarf zur Einführung eines Sportveranstalterrechts. Sowohl die Rechtsprechung als auch ein stetig wachsender Teil der Literatur erkennen vor allem das Hausrecht als starke Rechtsposition an. Die Sportver90

Melwitz (Fn. 2), S. 217 f. So auch Furth (Fn. 2), S. 509. 92 Ohly, GRUR 2010, 487 (494). 93 Ohly, GRUR 2010, 487 (494). 94 Furth (Fn. 2), S. 509. 95 BGH, 28. 10. 2010 – I ZR 60/09, BGHZ 187, 255 ff. = GRUR 2011, 436 ff. – hartplatzhelden.de. 96 So auch Weihrauch (Fn. 55), S. 199. 91

Sportveranstalterrecht

307

anstalter können sich damit selber über die bestehenden gesetzlichen Schutzlücken hinweghelfen. Dies verdeutlicht auch die Vertragspraxis. Die nach derzeitiger Rechtslage bestehenden Abwehrrechte werden von den Sportveranstaltern wie Immaterialgüterrechte behandelt. Der Weg über das Hausrecht bedeutet auch keinen Stillstand. Es ergeben sich stets neue Wege, um die Leistungen der Sportveranstalter angemessen zu schützen. Dies zeigen auch die neuesten Ansätze in der Literatur, die das Basissignal, das die Grundlage für die Fernseh- und Hörfunkübertragung bildet, über §§ 94, 95 UrhG schützen wollen. Die Praxis hat sich somit handelbare Rechte geschaffen – und wird auch zukünftig neue Wege dafür auftun. Damit verzeichnen die Sportveranstalter auch wirtschaftliche Erfolge, wie die ständig steigenden Umsatzzahlen belegen. Es bestehen daher durchaus genügend Anreize zur Erbringung der Leistung Sportveranstaltung. Es ist weder zu befürchten, dass Sportveranstalter zukünftig keine Sportveranstaltungen mehr organisieren und durchführen werden, noch besteht ein Marktversagen in Form von Rechtsunsicherheit. Zwar besteht die Gefahr eines ausufernden Schutzes des Sportveranstalters vor allem im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht, allerdings ist nicht zu erwarten, dass eine ausdrückliche Regelung zu einer Verbesserung der Rechtssicherheit führen würde. Abzuwarten bleibt jedoch, wie der Gesetzgeber mit dieser Thematik in Zukunft umgehen wird. Im Zuge der Karen Murphy-Entscheidung des EuGH hat die EU-Kommission angekündigt, eine Studie über Sportveranstalter in Auftrag zu geben, um den Status quo zu analysieren und gegebenenfalls Vorschläge zur Ausgestaltung eines verbesserten Sportveranstalterschutzrechts zu erarbeiten.97 Die Zukunft eines Sportveranstalterrechts ist somit zwar noch ungewiss – allerdings befindet es sich in keiner Abseitsposition.

97

Vgl. dazu Blask, CaS 2012, 277 (278).

Die vorsätzliche Verletzung des Gegners bei kampfbetonten Sportarten: Beweislast, Beweisnot und Beweiserleichterungen im Zivilprozess Sigrid Lorz I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftungsmaßstab bei Sportverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwei aktuelle Entscheidungen des OLG Karlsruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Eishockey-Entscheidung des 4. Zivilsenats des OLG Karlsruhe . . . . . . . . . . . 2. Die Fußball-Entscheidung des 9. Zivilsenats des OLG Karlsruhe . . . . . . . . . . . . . IV. Der Beweis des Vorsatzes im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweisprobleme und Beweiserleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beweisnot des verletzten Spielers bzw. des Haftpflichtversicherers . . . . . . . . . b) Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Indizienbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

309 310 312 312 313 314 314 315 315 316 317 317 319

I. Problemaufriss Verletzungen auch erheblicher Art sind im kampfbetonten Mannschaftssport („Sport gegeneinander“) an der Tagesordnung. Werden sie vorsätzlich zugefügt, so kann dies nicht nur Auswirkungen auf die Entscheidung des Schiedsrichters, z. B. im Fußball die „rote Karte“ zu zeigen, und auf die Entscheidung in einem sich anschließenden sportgerichtlichen Verfahren haben, sondern auch in einem späteren Zivilprozess von zentraler Bedeutung sein. Zwei wegweisende Entscheidungen des OLG Karlsruhe zeigen, dass in den folgenden praktisch bedeutsamen Konstellationen die Haftungsfrage vom Verletzungsvorsatz des Wettkampfteilnehmers abhängt: Ein Berufssportler haftet nur für vorsätzliche Verletzungen eines Spielers der gegnerischen Mannschaft. Ist ein Sportler haftpflichtversichert, so stellt ihn seine Versicherung nur dann von der Haftung frei, wenn er dem Spieler der gegnerischen Mannschaft die Verletzungen nicht vorsätzlich zugefügt hat. Die in der zivilgerichtlichen Praxis oftmals entscheidungserhebliche Beweissituation begegnet der Schwierigkeit, dass es sich beim Vorsatz um einen inneren Vorgang in der Person des Spielers handelt. Dessen Gedanken bleiben den außenstehenden Personen regelmäßig verborgen. Damit stellt sich die häufig prozess-

310

Sigrid Lorz

entscheidende Frage, wer im Zivilprozess die Beweislast trägt und wie dieser Beweis erbracht werden kann.

II. Haftungsmaßstab bei Sportverletzungen Die Bedeutung des Vorsatzes als Haftungskriterium wird deutlich, wenn man sich zunächst die von der Rechtsprechung speziell zur Haftung eines Sportlers bei kampfbetonten Sportarten entwickelten Grundsätze vergegenwärtigt.1 Dessen Haftung aus unerlaubter Handlung gem. § 823 Abs. 1 BGB setzt eine schuldhafte, d. h. vorsätzliche oder fahrlässige, Verletzung eines anderen Spielers voraus. Der allgemeine Sorgfaltsmaßstab, insbesondere eine Haftung für jede Form der Fahrlässigkeit, wird den spezifischen Eigenarten des Wettkampfsports allerdings nicht gerecht.2 Die Haftung eines Sportlers bei kampfbetonten Sportarten ist von dem Leitgedanken geprägt, dass alle Beteiligten einvernehmlich bei dem Kampf um den Ball oder Puck einen mit körperlichem Einsatz geführten Wettkampf betreiben, der ein erhöhtes Gefährdungspotential für gegenseitige Verletzungen in sich birgt.3 So gehört etwa der Zweikampf um den Ball, bei dem ein oder beide Spieler mitunter zu Fall kommen, zum Wesen eines Fußballspiels und begründet für sich genommen noch keinen Sorgfaltspflichtverstoß. Hektik und Schnelligkeit des Wettkampfsports verlangen dem Spieler ab, oftmals in Bruchteilen einer Sekunde Chancen abzuwägen und Risiken einzugehen.4 Ein Spieler handelt daher nicht schuldhaft, wenn er dem Spieler der gegnerischen Mannschaft bei einem regelgerechten und dem Fairnessgebot entsprechenden Einsatz Verletzungen zufügt.5 Ebenso wenig haftet ein Spieler für Verletzungen infolge geringfügiger Regelverstöße in wettbewerbstypischen Risikolagen, z. B. aus Spieleifer, Unüberlegtheit, technischem Versagen oder Übermüdung.6 Andernfalls wäre die Teilnahme an einem Wettkampf mit einem vernünftigerweise nicht hinnehmbaren Haftungsrisiko verbunden. Da jeder Mitspieler aus einer Spielsituation ebenso als Schädiger wie 1 Überblick bei Fritzweiler, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 3. Aufl. 2014, 5. Teil Rn. 14 ff.; Scheffen, NJW 1990, 2658 ff. 2 Vieweg, in: Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, 2009, S. 129. 3 BGH, NJW 1975, 109 (110); OLG Hamm, MDR 1985, 847 (847); OLG Stuttgart, NJWRR 2000, 1043 (1043); OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1477 (1477); Adolphsen, in: ders./Nolte/ Lehner/Gerlinger (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2012, Rn. 852. 4 BGH, NJW 1976, 957 (958); OLG Stuttgart, NJW-RR 2000, 1043 (1043); OLG Saarbrücken, Urteil v. 2. 8. 2010, Az. 5 U 492/09 – juris; OLG Köln, Urteil v. 16. 8. 2010, Az. 11 U 96/10 – juris. 5 BGH, NJW 1975, 109 (109); BGH, NJW 1976, 957 (957); BGH, NJW 2010, 537 (538); Adolphsen (Fn. 3), Rn. 853. 6 Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl. 2014, § 823 Rn. 217; Heermann, Haftung im Sport, 2008, Rn. 231; Vieweg (Fn. 2), S. 130 f.; Vieweg, Faszination Sportrecht, 2. Aufl. 2010, S. 53 (abrufbar unter: http://www.irut.de/Forschung/Veroeffentlichungen/OnlineVersion Faszination Sportrecht/FaszinationSportrecht.pdf).

Die vorsätzliche Verletzung des Gegners bei kampfbetonten Sportarten

311

auch als Geschädigter hervorgehen kann, liegt eine Begrenzung des Haftungsrisikos im Interesse aller Mitspieler. Wenn diese im Bewusstsein der Risikolage und der aufgrund der Eigenart des Sports erhöhten Verletzungsgefahr einvernehmlich an einem Wettkampf teilnehmen, so wollen sie sich nicht wegen einer durch einen geringfügigen Regelverstoß verursachten Verletzung eines Mitspielers unter Umständen existenzbedrohenden Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sehen.7 Vielmehr soll das Gebot des Kampfes im Spiel erhalten bleiben.8 Zwar gehen in der dogmatischen Begründung der Haftungsbeschränkung – Reduzierung des Fahrlässigkeitsmaßstabs, Handeln auf eigene Gefahr, rechtfertigende Einwilligung oder Treuwidrigkeit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen – die Ansichten auseinander.9 Im Ergebnis besteht aber Einigkeit, dass ein Spieler trotz objektiven Regelverstoßes nicht haftet, solange sich sein Verhalten noch im Grenzbereich zwischen kampfbetonter Härte und unzulässiger Unfairness bewegt.10 Eine Haftung kommt erst dann in Betracht, wenn er dem Spieler der gegnerischen Mannschaft vorsätzlich oder grob fahrlässig Verletzungen zufügt bzw. wenn er die Grenze zwischen der durch den Spielzweck noch gerechtfertigten Härte und dem groben Regelverstoß überschreitet.11 In den eingangs erwähnten und im Folgenden näher beschriebenen Konstellationen ist ein Sportler – jedenfalls im Ergebnis – sogar nur dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn ihm ein Verletzungsvorsatz, d. h. das Wissen und Wollen des pflichtwidrigen Erfolgs, anzulasten ist. Er muss diesen Erfolg voraussehen und in seinen Willen aufnehmen. Es genügt bedingter Vorsatz, also dass der Sportler die Verletzungen zumindest als möglich voraussieht und billigend in Kauf nimmt.12 Der Vorsatz darf sich dabei nicht nur auf den Regelverstoß beziehen, sondern muss sich auch auf die Verletzungen des Gegenspielers erstrecken.13

7

OLG Saarbrücken, Urteil v. 2. 8. 2010, Az. 5 U 492/09 – juris. BGH, NJW 1976, 957 (958). 9 Vgl. dazu BGH, NJW 1975, 109 (109 f.); OLG Hamm, MDR 1985, 847 (847); OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1477 (1477); OLG Köln, Urteil v. 16. 8. 2010, Az. 11 U 96/10 – juris; Vieweg (Fn. 2), S. 131. 10 BGH, NJW 1976, 957 (958); OLG München, NJOZ 2009, 2268 (2269); OLG Köln, Urteil v. 16. 8. 2010, Az. 11 U 96/10 – juris; OLG Hamm, SpuRt 2013, 123 (124); Adolphsen (Fn. 3), Rn. 852; Leube, VersR 2008, 880 (880). 11 OLG Düsseldorf, Urteil v. 2. 4. 2004, Az. I-14 U 230/03, 14 U 230/03 – juris; OLG München, NJOZ 2009, 2268 (2269); Palandt/Sprau (Fn. 6), § 823 Rn. 217; Adolphsen (Fn. 3), Rn. 864; Vieweg (Fn. 2), S. 131 f. 12 Vgl. OLG Karlsruhe, SpuRt 2012, 254 (255); LG Berlin, SpuRt 2013, 125 (126); Palandt/Grüneberg (Fn. 6), § 276 Rn. 10. 13 LG Berlin, SpuRt 2013, 125 (126). 8

312

Sigrid Lorz

III. Zwei aktuelle Entscheidungen des OLG Karlsruhe Die Relevanz des Vorsatzes im Sport verdeutlichen die beiden eingangs erwähnten Entscheidungen des 4. und des 9. Zivilsenats des OLG Karlsruhe. 1. Die Eishockey-Entscheidung des 4. Zivilsenats des OLG Karlsruhe Der 4. Zivilsenat des OLG Karlsruhe14 hatte über einen Schmerzensgeldanspruch zu entscheiden, den ein Spieler wegen einer bei einem Eishockeyspiel der 2. Bundesliga durch einen Spieler der gegnerischen Mannschaft zugefügten Verletzung geltend machte: Der Beklagte verfolgte den Kläger im Kampf um den Puck quer über das Feld. Um den Kläger daran zu hindern, den Puck, den dieser zuvor hinter das Tor der gegnerischen Mannschaft gegen die Bande geschossen hatte, beim Zurücklaufen an der Bande wieder aufzunehmen, schubste der Beklagte ihn von schräg hinten in Richtung Bande und brachte ihn kurz vor dieser zu Fall (sog. Bandencheck). Durch den Aufprall erlitt der Kläger erhebliche Verletzungen an der linken Schulter und konnte seinen Beruf als Eishockeyspieler nicht mehr ausüben. Das Gericht verneinte einen Schmerzensgeldanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, da die Haftung des Beklagten nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII durch das Haftungsprivileg der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschlossen sei. Danach haften Arbeitnehmer, die einen Arbeitskollegen im Betrieb oder einen Angehörigen eines anderen Betriebs auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verletzen, nur für vorsätzlich zugefügte Personenschäden. Bei den Verletzungen des Klägers handele es sich um einen Arbeitsunfall i.S.d. § 8 SGB VII im Rahmen eines Wettkampfes, der eine betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte darstelle. Auch wenn beide Mannschaften einen gegenläufigen Zweck verfolgt hätten, so hätten sie dennoch nach gemeinsamen Spielregeln zusammengewirkt und sich gegenseitig ergänzt, weil der Wettkampf nur im Miteinander möglich sei. Zudem liege der typische Fall einer Gefahrengemeinschaft vor. Jeder Spieler beider Mannschaften sei in gleicher Weise, sei es als Verletzter oder als Schädiger, den Verletzungsrisiken des Spiels ausgesetzt gewesen. Das friedliche Zusammenspiel der Spieler gegnerischer Mannschaften solle nicht durch einen Haftungsprozess beeinträchtigt werden.15 Die Haftungsprivilegierung der §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII findet allerdings keine Anwendung, wenn ein Spieler, der in einem Beschäftigungsverhält14 OLG Karlsruhe, Urteil v. 27. 9. 2012, Az. 4 U 256/11, r + s 2012, 568 f. m. Anm. Lemcke = MDR 2012, 1413 f. = NZS 2013, 106 ff. m. Anm. Laustetter = SpuRt 2013, 122 f.; dazu Buchberger, SpuRt 2013, 108 ff. 15 So bereits Leube, VersR 2008, 880 (882); ähnlich auch Dahm, jurisPR-SozR 22/2012 Anm. 6; kritisch Laustetter, NZS 2013, 106 (108), nach dem das zwischen den Mannschaften bestehende Konkurrenzverhältnis der Begründung einer gemeinsamen Betriebsstätte entgegenstehe.

Die vorsätzliche Verletzung des Gegners bei kampfbetonten Sportarten

313

nis zu seinem Verein steht, die Verletzungen des gegnerischen Spielers vorsätzlich herbeiführt. Daher musste sich das Gericht mit der Frage befassen, ob der Beklagte mit Verletzungsvorsatz gehandelt hatte. Das Gericht verneinte jedoch einen Vorsatz des Beklagten, da sein Angriff weder grundlos noch überraschend, sondern aus dem Spiel heraus erfolgt sei. Sportler, die bei ihrem Verein beschäftigt sind, haften daher im Ergebnis nur für Verletzungen, die sie einem Spieler der gegnerischen Mannschaft bei einem Wettkampf vorsätzlich zufügen. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft als zuständiger Unfallversicherer für Sportvereine geht davon aus, dass ein Sportler, der monatlich mehr als 200 E netto als Entgelt für seine sportlichen Aktivitäten erhält, ein Beschäftigter seines Vereins ist.16 Als Konsequenz ergibt sich, dass Amateurspieler, die keine oder nur eine geringfügige Vergütung erhalten und daher zu ihrem Verein in keinem Beschäftigungsverhältnis stehen, hingegen auch für grob fahrlässig zugefügte Verletzungen haften. Ihre Haftung ist damit im Ergebnis strenger. 2. Die Fußball-Entscheidung des 9. Zivilsenats des OLG Karlsruhe Am selben Tag, an dem der 4. Zivilsenat des OLG Karlsruhe seine Eishockey-Entscheidung verkündete, verkündete der 9. Zivilsenat des OLG Karlsruhe17 seine Fußball-Entscheidung. Diesmal bejahte das Gericht eine vorsätzliche Herbeiführung der Verletzungen des Gegners bei einem Fußball-Landesligaspiel: Der Kläger lief mit langem Anlauf und hohem Tempo auf den Spieler der gegnerischen Mannschaft zu und sprang mit zumindest einem gestreckten Beinen voraus seitlich von hinten in ihn hinein (sog. Grätsche), ohne den Ball erreichen zu können. Der Gegenspieler zog sich durch das grobe Foulspiel einen Wadenbeinbruch, eine Verletzung des Sprunggelenks und mehrere Bänderrisse zu. Mit Blick auf § 100 VVG, demzufolge der Haftpflichtversicherer grundsätzlich verpflichtet ist, seinen Versicherungsnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalls von dessen Schadensersatzpflicht gegenüber dem Geschädigten freizustellen, verlangte der Kläger von seinem Haftpflichtversicherer die Freistellung von Ansprüchen des gefoulten Fußballspielers. Das Gericht verneinte aber einen Deckungsanspruch, weil der Kläger die Verletzungen des Spielers der gegnerischen Mannschaft vorsätzlich herbeigeführt habe. Er habe dessen Verletzungen und deren Umfang zumindest als möglich vorausgesehen und billigend in Kauf genommen. Deshalb greife

16

Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, http://www.vbg.de/DE/2_Versicherungsschutz _und_ Leistungen/1_Wer_ist_versichert/1_Beschaeftigte/1_Bezahlte_Sportler/Bezahlte_Sportler_ node.html (zuletzt abgerufen am 16. 9. 2014). 17 OLG Karlsruhe, Urteil v. 27. 9. 2012, Az. 9 U 162/11, SpuRt 2012, 254 f. = MDR 2012, 1338 f. = r + s 2012, 592 ff. = VersR 2013, 173 ff. = ZfSch 2013, 278 ff. = NJW-RR 2013, 596 f.

314

Sigrid Lorz

der gesetzliche Ausschluss nach § 103 VVG, der eine Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers bei Vorsatz ausschließe.18

IV. Der Beweis des Vorsatzes im Zivilprozess Die Haftung eines Spielers, der bei einem Wettkampf einem Spieler der gegnerischen Mannschaft Verletzungen zufügt, kann – wie die beiden Entscheidungen des OLG Karlsruhe zeigen – im Ergebnis davon abhängen, ob er einen entsprechenden Verletzungsvorsatz gehabt hat. Damit stellt sich die Frage, wer die Beweislast für den Vorsatz im Zivilprozess trägt und wie die beweisbelastete Partei diesen Beweis erbringen kann. 1. Darlegungs- und Beweislast Im Zivilprozessrecht gilt der Grundsatz, dass jeder die für ihn günstigen Tatsachen darlegen und bei Bestreiten der Gegenseite beweisen muss.19 Die Darlegungs- und Beweislast für die schuldhafte Begehung einer unerlaubten Handlung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB trägt daher der Geschädigte. Diese beweisrechtliche Grundregel findet auch dann Anwendung, wenn es darum geht, den Verletzungsvorsatz eines Sportlers zu beweisen. Der verletzte Spieler trägt die Darlegungs- und Beweislast für einen entsprechenden Vorsatz des Gegenspielers.20 Dies gilt ebenso, wenn der foulende Gegenspieler den Versicherungsfall vorsätzlich i.S.v. §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 3 SGB VII herbeigeführt hat. So kam das OLG Karlsruhe in seinem Eishockey-Urteil zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht habe nachweisen können, der Beklagte hätte bei seiner Aktion den Eintritt ernsthafter Verletzungsfolgen in Kauf genommen.21 Im Deckungsprozess trägt der beklagte Haftpflichtversicherer die Darlegungsund Beweislast, soweit er sich auf einen Haftungsausschluss nach § 103 VVG mit der Begründung beruft, der Kläger habe den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt. Hier handelt es sich um eine Ausnahme von der Grundregel des § 100 VVG, nach welcher der Versicherer im Versicherungsfall einstandspflichtig ist. Da der Verletzungsvorsatz des foulenden Spielers für den Haftpflichtversicherer günstig ist, ist dieser insoweit – so zutreffend auch das OLG Karlsruhe in seinem Fußball-Urteil22 – darlegungs- und beweisbelastet.

18

Vgl. dazu auch Laux, jurisPR-VersR 1/2013 Anm. 4. Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 286 Rn. 35. 20 OLG Düsseldorf, Urteil v. 13. 3. 1997, Az. 13 U 54/96 – juris; OLG Saarbrücken, Urteil v. 2. 8. 2010, Az. 5 U 492/09 – juris; Heermann (Fn. 6), Rn. 220, 235; Scheffen, NJW 1990, 2658 (2663). 21 OLG Karlsruhe, r + s 2012, 568 (569). 22 OLG Karlsruhe, SpuRt 2012, 254 (254 f.). 19

Die vorsätzliche Verletzung des Gegners bei kampfbetonten Sportarten

315

2. Beweisprobleme und Beweiserleichterungen a) Beweisnot des verletzten Spielers bzw. des Haftpflichtversicherers Der beweisbelastete verletzte Spieler bzw. der beweisbelastete Haftpflichtversicherer des die Verletzungen zufügenden Spielers stehen regelmäßig vor dem Problem, wie sie dessen Vorsatz als rein inneren Vorgang beweisen können. Im Unterschied zum äußeren Spielhergang, der für Außenstehende wahrnehmbar ist, bestimmt sich der Vorsatz nach den Gedanken und dem Willen des Sportlers. Dessen Gedankenwelt ist Dritten regelmäßig verschlossen. Ob der verletzende Spieler um die Verletzungen gewusst und sie gewollt oder sie zumindest billigend in Kauf genommen hat, weiß letztendlich nur er selbst. Die im Zivilprozess durch Parteivortrag eingeführte Entscheidung des Schiedsrichters über das Vorliegen eines vorsätzlichen Regelverstoßes bindet das ordentliche Gericht bei der Entscheidung über Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nicht. Zwar kann die schiedsrichterliche Entscheidung im Einzelfall auf einen Verletzungsvorsatz hindeuten. Gleichwohl ist hierbei Zurückhaltung geboten. Während Bezugspunkt des Vorsatzes für die Entscheidung des Schiedsrichters der Regelverstoß ist, ist für die Entscheidung des ordentlichen Gerichts maßgeblich, ob der Vorsatz die Verletzung des Gegners erfasst. Abgesehen davon kann der Schiedsrichter im entscheidenden Zeitpunkt aufgrund der sich schnell wechselnden Vorgänge seine Aufmerksamkeit bereits in Richtung Ball oder Puck gelenkt haben und daher das genaue Geschehen nicht beurteilen können.23 So sind nach der Einschätzung des Schiedsrichterexperten Hellmut Krug 5 bis 10 % aller Schiedsrichterentscheidungen im Profifußball falsch.24 Zudem steht der Schiedsrichter vor der gleichen Problematik, dass es sich bei dem Vorsatz um einen inneren Vorgang in der Person des Sportlers handelt. Während der Schiedsrichter darüber ad hoc auf dem Platz entscheidet, kann und muss sich das Gericht zumeist nach einer umfangreichen Beweisaufnahme gem. § 286 ZPO eine eigene Überzeugung bilden. Auch mit der Parteieinvernahme des die Verletzungen zufügenden Spielers lässt sich dessen Verletzungsvorsatz in aller Regel nicht beweisen. Zwar ist eine Parteieinvernahme des Prozessgegners auf Antrag der beweisbelasteten Partei nach § 445 ZPO bzw. von Amts wegen nach § 448 ZPO grundsätzlich möglich. Gleichwohl wird der Prozessgegner, der seinen Verletzungsvorsatz bereits bestritten hat, so dass es nur dann einer Beweiserhebung überhaupt bedarf, selten im Rahmen der Parteieinvernahme eine Kehrtwendung vollziehen und nunmehr zugeben, dass er die Verletzungen des Gegenspielers doch zumindest billigend in Kauf genommen hat. 23 Vgl. BGH, NJW 1975, 109 (111); LG Marburg, NJW-RR 1988, 1243 (1244); AG Düsseldorf, Urteil v. 19. 5. 2006, Az. 20 C 7062/05 – juris; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 3. Aufl. 2012, § 823 Rn. 393. 24 Krug, in: Krähe/Vieweg (Hrsg.), Schiedsrichter und Wettkampfrichter im Sport, 2008, S. 31 (37).

316

Sigrid Lorz

Aber auch aus dem äußeren Spielverlauf kann nicht automatisch auf einen Verletzungsvorsatz geschlossen werden. Kampfbetonte Sportarten wie Fußball oder Eishockey sind dadurch gekennzeichnet, dass Tritte oder Schläge im Kampf um den Ball oder Puck für den Wettkampf charakteristisch sind. So gilt der Tritt im Fußball regelmäßig dem Ball und der Schlag im Eishockey regelmäßig dem Puck. Der Spieler kann in dem von Hektik und Schnelligkeit geprägten Wettkampf unbeabsichtigt den am Ball oder am Puck befindlichen Spieler der gegnerischen Mannschaft treffen.25 Es liegt daher beim verletzten Spieler bzw. beim Haftpflichtversicherer, dem Schädiger nachzuweisen, dass es diesem nicht darauf angekommen ist, den Ball bzw. Puck zu treffen, sondern den Spieler zu verletzen, oder dass dieser bei dem Kampf um den Ball bzw. Puck die Verletzungen zumindest billigend in Kauf genommen hat. b) Beweislastumkehr Typische Beweisschwierigkeiten bestehen nicht nur, wenn ein verletzter Spieler oder ein Haftpflichtversicherer den Verletzungsvorsatz eines anderen Spielers nachweisen muss, sondern auch in anderen Konstellationen, etwa bei der Produzentenhaftung oder der Arzthaftung. Da der Geschädigte regelmäßig keinen Einblick in die internen Betriebs- bzw. Krankenhausabläufe hat, wird die Beweislast aufgrund der daraus resultierenden typischen Beweisnot in richterlicher Rechtsfortbildung umgekehrt. So muss im Rahmen der Produzentenhaftung der Hersteller beweisen, dass ihn an der Fehlerhaftigkeit des Produkts kein Verschulden trifft. Bei der Arzthaftung führen Unzulänglichkeiten oder Unrichtigkeiten in der Dokumentation der Behandlungsunterlagen – nunmehr in § 630 h Abs. 3 BGB gesetzlich geregelt – ebenfalls zu einer Umkehr der Beweislast.26 Zwar treten bei der Verletzung von Sportlern auch typischerweise Beweisschwierigkeiten im Hinblick auf den Vorsatz auf, gleichwohl nimmt die Rechtsprechung hier zu Recht keine Beweislastumkehr an. Bei sportlichen Wettkämpfen kann nicht dem Angreifer die Beweislast für den fehlenden Vorsatz auferlegt werden. Eine solche Beweislastverteilung würde die Besonderheiten des Wettkampfs außer Acht lassen, der von Angriff und Verteidigung sowie Rollenwechsel der Spieler gekennzeichnet ist. Das Verletzungsrisiko ist einem im entscheidenden Augenblick blitzschnellen Spiel zu eigen und kann jeden Spieler treffen. Eine Beweislast zulasten des Angreifers könnte diesen von einem Angriff abhalten, was gerade seine Aufgabe ist. Soll die Eigenart des Fußball- bzw. Eishockeyspiels als Kampf- und Angriffssport erhalten bleiben, so muss es bei der Frage, ob die Verletzung vorsätzlich erfolgt ist, bei der herkömmlichen Beweislastverteilung bleiben.27 25

Vgl. auch OLG Karlsruhe, SpuRt 2012, 254 (255). Musielak/Foerste (Fn. 19), § 286 Rn. 37; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, vor § 284 Rn. 20a. 27 Vgl. im Ergebnis auch OLG Saarbrücken, Urteil v. 2. 8. 2010, Az. 5 U 492/09 – juris; LG Marburg, NJW-RR 1988, 1243 (1245). 26

Die vorsätzliche Verletzung des Gegners bei kampfbetonten Sportarten

317

c) Anscheinsbeweis Scheidet eine Beweislastumkehr zugunsten des verletzten Spielers bzw. des Haftpflichtversicherers aus, so drängt sich die Frage auf, ob ihnen wenigstens Beweiserleichterungen, insbesondere der Anscheinsbeweis, zugute kommen. Der Anscheinsbeweis ist dann möglich, wenn für die zu beweisende Tatsache nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein typischer Geschehensablauf besteht. Von unstreitigen bzw. bewiesenen Tatsachen wird aufgrund des typischen Geschehensablaufs auf das Vorliegen anderer beweisbedürftiger Tatsachen geschlossen. Die Gegenseite hat dann die Möglichkeit, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, indem sie Tatsachen darlegt und gegebenenfalls beweist, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen, atypischen Geschehensverlaufs ergibt. Nur wenn der Gegenseite dieser Nachweis gelingt, trifft den Beweispflichtigen die Beweislast im vollen Umfang.28 Die Verletzungen eines Spielers im Rahmen eines Wettkampfes begründen allerdings noch keinen Anschein für ein vorsätzliches Handeln des ihn angreifenden Spielers. Kampfbetonte Sportarten wie Fußball oder Eishockey zeichnen sich durch Schnelligkeit und körperlichen Einsatz aus, so dass ihnen ein erhöhtes Risiko für die Zufügung gegenseitiger Verletzungen immanent ist. Der Zweikampf um den Ball oder Puck, bei dem ein oder beide Spieler mitunter zu Fall kommen und sich dabei auch teils ernsthafte Verletzungen zuziehen können, gehört zum Wesen eines Fußball- oder Eishockeyspiels. Daher gibt es im sportlichen Wettkampf keinen typischen Geschehensablauf, der den sicheren Schluss von den Verletzungen auf einen entsprechenden Vorsatz zuließe.29 Vielmehr hängt es von den individuellen Gegebenheiten des Einzelfalls ab, ob ein Spieler dem Gegenspieler die Verletzungen vorsätzlich zufügt. d) Indizienbeweis Es bleibt noch der Indizienbeweis. Hierbei wird aufgrund von Erfahrungsregeln von mittelbar bedeutsamen Tatsachen auf eine unmittelbar entscheidungserhebliche Tatsache geschlossen. Mehrere, voneinander unabhängige Indizien aus verschiedenen Richtungen lassen lückenlos den Schluss auf die entscheidungserhebliche Tatsache zu (Indizienreihe) oder es wird von dem einen auf das nächste Indiz und schließlich auf die beweiserhebliche Tatsache geschlossen (Indizienkette). Im Wege einer Gesamtschau aller Indizien, auch wenn ein Indiz für sich genommen nicht ausreichen würde, kann auf den zu beweisenden Verletzungsvorsatz geschlossen werden.30 Der objektive Regelverstoß indiziert allerdings noch keinen Verletzungsvorsatz. Die Eigenart des Fußballspiels als Kampfspiel fordert vom einzelnen Spieler oft Entschei28

Musielak/Foerste (Fn. 19), § 286 Rn. 23; Zöller/Greger (Fn. 26), vor § 284 Rn. 29. Vgl. auch OLG Köln, Urteil v. 16. 3. 1999, Az. 9 U 99/98 – juris; OLG Düsseldorf, Urteil v. 2. 4. 2004, Az. I-14 U 230/03, 14 U 230/03 – juris; Heermann (Fn. 6), Rn. 235. 30 MünchKomm-ZPO/Prütting, 4. Aufl. 2013, § 284 Rn. 24 f.; Zöller/Greger (Fn. 26), § 286 Rn. 9a. 29

318

Sigrid Lorz

dungen und Handlungen, bei denen er schnell Chancen abwägen und Risiken eingehen muss, um dem Spielzweck erfolgreich Rechnung zu tragen.31 So wertete das OLG Karlsruhe in seinem Eishockey-Urteil den Verstoß des Beklagten gegen Regel 522 der International Ice Hockey Federation (Charging: unerlaubter Körperangriff), weil dieser den Kläger geschubst und kurz vor der Bande zu Fall gebracht hatte, noch nicht als hinreichendes Indiz für einen Verletzungsvorsatz.32 Ebenso rechtfertige – so das OLG Karlsruhe in seinem Fußball-Urteil – der gravierende Verstoß gegen Regel 12 der Fußballregeln des Deutschen Fußball-Bundes (verbotenes Spiel und unsportliches Betragen) für sich genommen nur den Vorwurf der Fahrlässigkeit.33 Ein wichtiges Indiz für die subjektive Vorstellung des schädigenden Spielers kann allerdings der äußere Geschehensablauf sein. So können Intensität und Gefährlichkeit eines Angriffs auf einen bedingten Verletzungsvorsatz hindeuten.34 Dies gilt insbesondere für eine mit großer Wucht und gestrecktem Bein ausgeführte Grätsche von hinten.35 So maß auch das OLG Karlsruhe in seiner Fußball-Entscheidung dem äußeren Spielhergang eine erhebliche Indizwirkung bei: Der Kläger sei mit hohem Tempo aus etwa 20 bis 30 Metern Entfernung auf den Gegenspieler zugerannt, obwohl die Spielsituation nicht unmittelbar bedrohlich gewesen sei. Er habe sich relativ frühzeitig zum Angriff entschlossen und dafür seine Position im Mittelkreis aufgegeben, ohne dass dafür ein besonderer Anlass bestanden hätte.36 Auch die Tritthöhe37, die Position des Gegenspielers zwischen Angreifer und Ball38 sowie die Entfernung des Angreifers zum Ball39 können ein Indiz dafür darstellen, dass der Fußballspieler nicht den auf dem Boden befindlichen Ball, sondern den Gegner treffen wollte. Dies gilt umso mehr, wenn der Angriff bei einem Freundschaftsspiel erfolgt ist, bei dem zumindest stillschweigend ein gewisses Vertrauen dahingehend besteht, es werde wegen der vergleichsweise geringeren Bedeutung nicht zu sehr „zur Sache gehen“.40 Erst recht stellt ein mit großer Wucht ausgeführter Ellenbogenstoß in das Gesicht des Gegenspielers, wenn beide Spieler auf den entgegenfliegenden Ball zulaufen, ein gewichtiges Indiz dar.41 31

OLG München, NJOZ 2009, 2268 (2268 f.). OLG Karlsruhe, r + s 2012, 568 (569). 33 OLG Karlsruhe, SpuRt 2012, 254 (255). 34 OLG Düsseldorf, Urteil v. 13. 3. 1997, Az. 13 U 54/96 – juris; OLG Köln, Urteil v. 16. 3. 1999, Az. 9 U 99/98 – juris; OLG Stuttgart, NJW-RR 2000, 1043 (1044); OLG Karlsruhe, SpuRt 2012, 254 (255); AG Düsseldorf, Urteil v. 19. 5. 2006, Az. 20 C 7062/05 – juris. 35 OLG Stuttgart, NJW-RR 2000, 1043 (1044); ähnlich auch OLG Hamm, SpuRt 2013, 123 (124); Heermann (Fn. 6), Rn. 230. 36 OLG Karlsruhe, SpuRt 2012, 254 (255). 37 OLG Stuttgart, NJW-RR 2000, 1043 (1044); Heermann (Fn. 6), Rn. 230. 38 OLG Karlsruhe, SpuRt 2012, 254 (255). 39 Heermann (Fn. 6), Rn. 230. 40 OLG Stuttgart, NJW-RR 2000, 1043 (1044). 41 OLG Hamm, MDR 1985, 847 (847). 32

Die vorsätzliche Verletzung des Gegners bei kampfbetonten Sportarten

319

Ein maßgebliches Indiz ist auch – so das OLG Karlsruhe in seiner Fußball-Entscheidung – die Drohung eines Spielers gegenüber dem Spieler der gegnerischen Mannschaft kurze Zeit vor dem Foulspiel, ihm bei der nächsten Aktion „die Beine zu brechen“.42 Gleiches gilt, wenn der die Verletzungen zufügende Spieler dem Gegenspieler 1 bis 2 Minuten vor einem Revanchefoul erbost zuruft, dieser solle sich in Acht nehmen, er sei „auch gleich dran“.43 Schließlich kann auch die Schwere der zugefügten Verletzungen ins Gewicht fallen, etwa wenn ein Fußballspieler eine Grätsche mit solcher Wucht ausführt, dass diese zu einem offenen Bruch von Waden- und Schienbein mit Knochenabsplitterungen führt.44 Ein Indiz allein genügt regelmäßig nicht, um den Verletzungsvorsatz zu beweisen. Allerdings können die Indizien in ihrer Summe den Schluss rechtfertigen, dass der angreifende Spieler die Verletzungen des Spielers der gegnerischen Mannschaft zumindest als möglich vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat.45 Es liegt dann am Gericht, im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO die Indizien umfassend zu würdigen und nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden, ob es aufgrund einer Gesamtschau der Indizien vom Vorliegen des Verletzungsvorsatzes mit einer Gewissheit überzeugt ist, die Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.46

V. Fazit Verletzt ein Sportler bei einem kampfbetonten Wettkampf wie Fußball oder Eishockey einen Spieler der gegnerischen Mannschaft, so kann seine Haftung im Ergebnis davon abhängen, ob der verletzte Gegenspieler bzw. der Haftpflichtversicherer ihm einen Verletzungsvorsatz nachweisen kann. Auch wenn diese regelmäßig vor der Schwierigkeit stehen, den Vorsatz als rein inneren Vorgang nachweisen zu müssen, so ist diese Hürde nicht unüberwindbar. Im Wege einer Gesamtschau der Indizien, insbesondere der Intensität und Gefährlichkeit des Angriffs, der Position des angreifenden Spielers im Verhältnis zum Gegenspieler und zum Ball, der verletzten Körperpartie, der Art der Wettkampfveranstaltung, etwaiger Drohungen des Angreifers vor dem Foul und der Schwere der Verletzungen, kann das Gericht im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung vom Vorliegen des Verletzungsvorsatzes überzeugt sein.

42

OLG Karlsruhe, SpuRt 2012, 254 (255). OLG Hamm, MDR 1985, 847 (847). 44 OLG Stuttgart, NJW-RR 2000, 1043 (1044); ferner OLG Köln, Urteil v. 16. 8. 2010, Az. 11 U 96/10 – juris; Heermann (Fn. 6), Rn. 230. 45 So auch OLG Karlsruhe, SpuRt 2012, 254 (255). 46 Vgl. hierzu BGHZ 53, 245 (256); Musielak/Foerste (Fn. 19), § 286 Rn. 19; Zöller/Greger (Fn. 26), § 286 Rn. 19. 43