Insolvenzordnung: Band 7 §§ 217-285 9783110253306, 9783899492637

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Insolvenzordnung: Band 7 §§ 217-285
 9783110253306, 9783899492637

Table of contents :
Die Bearbeiter der 1. Auflage
Inhaltsübersicht
Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
SECHSTER TEIL. Insolvenzplan
Vorbemerkungen zu §§ 217–269
ERSTER ABSCHNITT. Aufstellung des Plans
§ 217. Grundsatz
§ 218. Vorlage des Insolvenzplans
§ 219. Gliederung des Plans
§ 220. Darstellender Teil
§ 221. Gestaltender Teil
§ 222. Bildung von Gruppen
§ 223. Rechte der Absonderungsberechtigten
§ 224. Rechte der Insolvenzgläubiger
§ 225. Rechte der nachrangigen Insolvenzgläubiger
§ 225a. Rechte der Anteilsinhaber
§ 226. Gleichbehandlung der Beteiligten
§ 227. Haftung des Schuldners
§ 228. Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse
§ 229. Vermögensübersicht. Ergebnis- und Finanzplan
§ 230. Weitere Anlagen
§ 231. Zurückweisung des Plans
§ 232. Stellungnahmen zum Plan
§ 233. Aussetzung von Verwertung und Verteilung
§ 234. Niederlegung des Plans
ZWEITER ABSCHNITT. Annahme und Bestätigung des Plans
§ 235. Erörterungs- und Abstimmungstermin
§ 236. Verbindung mit dem Prüfungstermin
§ 237. Stimmrecht der Insolvenzgläubiger
§ 238. Stimmrecht der absonderungsberechtigten Gläubiger
§ 238a. Stimmrecht der Anteilsinhaber
§ 239. Stimmliste
§ 240. Änderung des Plans
§ 241. Gesonderter Abstimmungstermin
§ 242. Schriftliche Abstimmung
§ 243. Abstimmung in Gruppen
§ 244. Erforderliche Mehrheiten
§ 245. Obstruktionsverbot
§ 246. Zustimmung nachrangiger Insolvenzgläubiger
§ 246a. Zustimmung der Anteilsinhaber
§ 247. Zustimmung des Schuldners
§ 248. Gerichtliche Bestätigung
§ 248a. Gerichtliche Bestätigung einer Planberichtigung
§ 249. Bedingter Plan
§ 250. Verstoß gegen Verfahrensvorschriften
§ 251. Minderheitenschutz
§ 252. Bekanntgabe der Entscheidung
§ 253. Rechtsmittel
DRITTER ABSCHNITT. Wirkungen des bestätigten Plans. Überwachung der Planerfüllung
§ 254. Allgemeine Wirkungen des Plans
§ 254a. Rechte an Gegenständen. Sonstige Wirkungen des Plans
§ 254b. Wirkung für alle Beteiligten
§ 255. Wiederauflebensklausel
§ 256. Streitige Forderungen. Ausfallforderungen
§ 257. Vollstreckung aus dem Plan
§ 258. Aufhebung des Insolvenzverfahrens
§ 259. Wirkungen der Aufhebung
§ 259a. Vollstreckungsschutz
§ 259b. Besondere Verjährungsfrist
§ 260. Überwachung der Planerfüllung
§ 261. Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters
§ 262. Anzeigepflicht des Insolvenzverwalters
§ 263. Zustimmungsbedürftige Geschäfte
§ 264. Kreditrahmen
§ 265. Nachrang von Neugläubigern
§ 266. Berücksichtigung des Nachrangs
§ 267. Bekanntmachung der Überwachung
§ 268. Aufhebung der Überwachung
§ 269. Kosten der Überwachung
SIEBTER TEIL. Koordinierung der Verfahren von Schuldnern, die derselben Unternehmensgruppe angehören
ERSTER ABSCHNITT. Allgemeine Bestimmungen
§ 269a. Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter
§ 269b. Zusammenarbeit der Gerichte
§ 269c. Zusammenarbeit der Gläubigerausschüsse
ZWEITER ABSCHNITT. Koordinationsverfahren
§ 269d. Koordinationsgericht
§ 269e. Verfahrenskoordinator
§ 269f. Aufgaben und Rechtsstellung des Verfahrenskoordinators
§ 269g. Vergütung des Verfahrenskoordinators
§ 269h. Koordinationsplan
§ 269i. Abweichungen vom Koordinationsplan
ACHTER TEIL. Eigenverwaltung
§ 270. Voraussetzungen
§ 270a. Eröffnungsverfahren
§ 270b. Vorbereitung einer Sanierung
§ 270c. Bestellung des Sachwalters
§ 270d. Eigenverwaltung bei gruppenangehörigen Schuldnern
§ 271. Nachträgliche Anordnung
§ 272. Aufhebung der Anordnung
§ 273. Öffentliche Bekanntmachung
§ 274. Rechtsstellung des Sachwalters
§ 275. Mitwirkung des Sachwalters
§ 276. Mitwirkung des Gläubigerausschusses
§ 276a. Mitwirkung der Überwachungsorgane
§ 277. Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit
§ 278. Mittel zur Lebensführung des Schuldners
§ 279. Gegenseitige Verträge
§ 280. Nur der Sachwalter kann die Haftung nach den §§ 92 und 93 für die Insolvenzmasse geltend machen und Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 anfechten
§ 281. Unterrichtung der Gläubiger
§ 282. Verwertung von Sicherungsgut
§ 283. Befriedigung der Insolvenzgläubiger
§ 284. Insolvenzplan
§ 285. Masseunzulänglichkeit
Sachregister

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Großkommentare der Praxis

Jaeger

Insolvenzordnung Großkommentar Begründet zur Konkursordnung von Professor Dr. Ernst Jaeger †

Erste Auflage herausgegeben von

Wolfram Henckel und Walter Gerhardt

Siebter Band §§ 217–285

Bearbeitet von

Joachim Münch, Christoph Kern Andreas Piekenbrock, Caroline Meller-Hannich

De Gruyter

Zitiervorschlag z.B.: Jaeger/Kern InsO, § 237 Rn 2.

ISBN 978-3-89949-263-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-025330-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039192-3 Library of Congress Control Number: 2013404965 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Datenkonvertierung/Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH und Co. KG, Göttingen www.degruyter.com

Die Bearbeiter der 1. Auflage Professor Dr. Diederich Eckardt, Professor an der Universität Trier Professor Dr. Ulrich Ehricke, LL.M. (London), M.A., Professor an der Universität zu Köln, Richter am OLG Düsseldorf Professor Dr. Oliver Fehrenbacher, Professor an der Universität Konstanz Professor Dr. Ulrich Foerste, Professor an der Universität Osnabrück Professor Dr. Walter Gerhardt, em. Professor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Professor Dr. Richard Giesen, Professor am Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR), Ludwig-Maximilians-Universität München Professor Dr. Dr. h.c. Wolfram Henckel, em. Professor an der Georg-August-Universität Göttingen Professor Dr. Florian Jacoby, Professor an der Universität Bielefeld Professor Dr. Christoph A. Kern, LL.M. (Harvard), Professor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Professor Dr. Stefan Leible, Präsident der Universität Bayreuth Professor Dr. Peter Mankowski, Professor an der Universität Hamburg Professorin Dr. Caroline Meller-Hannich, Professorin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Professor Dr. Hans-Friedrich Müller, LL.M. (Bristol), Professor an der Universität Trier; Richter am OLG Koblenz Professor Dr. Joachim Münch, Professor an der Georg-August-Universität Göttingen Professor Dr. Andreas Piekenbrock, Professor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Professorin Dr. Nicola Preuß, Professorin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Professor Dr. Eberhard Schilken, em. Professor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Professor Dr. Peter A. Windel, Professor an der Ruhr-Universität Bochum

V

VI

Inhaltsübersicht

Inhaltsübersicht Insolvenzordnung Sechster Teil Insolvenzplan Erster Abschnitt Aufstellung des Plans

Bearbeiter § 217 § 218 § 219 § 220 § 221 § 222 § 223 § 224 § 225 § 225a § 226 § 227 § 228 § 229 § 230 § 231 § 232 § 233 § 234

Grundsatz Vorlage des Insolvenzplans Gliederung des Plans Darstellender Teil Gestaltender Teil Bildung von Gruppen Rechte der Absonderungsberechtigten Rechte der Insolvenzgläubiger Rechte der nachrangigen Insolvenzgläubiger Rechte der Anteilsinhaber Gleichbehandlung der Beteiligten Haftung des Schuldners Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse Vermögensübersicht. Ergebnis- und Finanzplan Weitere Anlagen Zurückweisung des Plans Stellungnahmen zum Plan Aussetzung von Verwertung und Verteilung Niederlegung des Plans

Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch Joachim Münch

Zweiter Abschnitt Annahme und Bestätigung des Plans § 235 § 236 § 237 § 238 § 238a § 239 § 240 § 241 § 242 § 243 § 244 § 245 § 246

Erörterungs- und Abstimmungstermin Verbindung mit dem Prüfungstermin Stimmrecht der Insolvenzgläubiger Stimmrecht der absonderungsberechtigten Gläubiger Stimmrecht der Anteilsinhaber Stimmliste Änderung des Plans Gesonderter Abstimmungstermin Schriftliche Abstimmung Abstimmung in Gruppen Erforderliche Mehrheiten Obstruktionsverbot Zustimmung nachrangiger Insolvenzgläubiger

Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern

VII

Inhaltsübersicht

§ 246a § 247 § 248 § 248a § 249 § 250 § 251 § 252 § 253

Zustimmung der Anteilsinhaber Zustimmung des Schuldners Gerichtliche Bestätigung Gerichtliche Bestätigung einer Planberichtigung Bedingter Plan Verstoß gegen Verfahrensvorschriften Minderheitenschutz Bekanntgabe der Entscheidung Rechtsmittel

Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern Christoph Kern

Dritter Abschnitt Wirkungen des bestätigten Plans. Überwachung der Planerfüllung § 254 § 254a § 254b § 255 § 256 § 257 § 258 § 259 § 259a § 259b § 260 § 261 § 262 § 263 § 264 § 265 § 266 § 267 § 268 § 269

Allgemeine Wirkungen des Plans Rechte an Gegenständen. Sonstige Wirkungen des Plans Wirkung für alle Beteiligten Wiederauflebensklausel Streitige Forderungen. Ausfallforderungen Vollstreckung aus dem Plan Aufhebung des Insolvenzverfahrens Wirkungen der Aufhebung Vollstreckungsschutz Besondere Verjährungsfrist Überwachung der Planerfüllung Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters Anzeigepflicht des Insolvenzverwalters Zustimmungsbedürftige Geschäfte Kreditrahmen Nachrang von Neugläubigern Berücksichtigung des Nachrangs Bekanntmachung der Überwachung Aufhebung der Überwachung Kosten der Überwachung

Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock

Siebter Teil Koordinierung der Verfahren von Schuldnern, die derselben Unternehmensgruppe angehören Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen § 269a § 269b § 269c

VIII

Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter Zusammenarbeit der Gerichte Zusammenarbeit der Gläubigerausschüsse

Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock

Inhaltsübersicht

Zweiter Abschnitt Koordinationsverfahren § 269d § 269e § 269f § 269g § 269h § 269i

Koordinationsgericht Verfahrenskoordinator Aufgaben und Rechtsstellung des Verfahrenskoordinators Vergütung des Verfahrenskoordinators Koordinationsplan Abweichungen vom Koordinationsplan

Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock Andreas Piekenbrock

Achter Teil Eigenverwaltung § 270 § 270a § 270b § 270c § 270d § 271 § 272 § 273 § 274 § 275 § 276 § 276a § 277 § 278 § 279 § 280 § 281 § 282 § 283 § 284 § 285

Voraussetzungen Eröffnungsverfahren Vorbereitung einer Sanierung Bestellung des Sachwalters Eigenverwaltung bei gruppenangehörigen Schuldner Nachträgliche Anordnung Aufhebung der Anordnung Öffentliche Bekanntmachung Rechtsstellung des Sachwalters Mitwirkung des Sachwalters Mitwirkung des Gläubigerausschusses Mitwirkung der Überwachungsorgane Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit Mittel zur Lebensführung des Schuldners Gegenseitige Verträge Haftung. Insolvenzanfechtung Unterrichtung der Gläubiger Verwertung von Sicherungsgut Befriedigung der Insolvenzgläubiger Insolvenzplan Masseunzulänglichkeit

Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich Caroline Meller-Hannich

IX

X

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur zu Jaeger, Insolvenzordnung Großkommentar Abkürzungen der 1. Auflage Stand: August 2018 aA AAG aaO abgedr AbgG

Abl abl Abl EG

AblKR Abs abw AcP AdoptionsG

ADS aE ÄndG ÄndVO AEntG AEUV

aF Afa AFB AFG AG

anderer Ansicht Aufwendungsausgleichsgesetz vom 22.12.2005 (BGBl I S. 3686) am angegebenen Ort abgedruckt Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) idF der Bekanntmachung vom 21.2.1996 (BGBl I S 326; BGBl III/FNA 1101–8) Amtsblatt ablehnend (e/er/es) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Ab 11.1968: Ausgabe C. Mitteilungen und Bekanntmachungen; Ausgabe L. Rechtsvorschriften) Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Gesetz über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften (Adoptionsgesetz) vom 2.7.1976 (BGBl I S 1749; BGBl III/FNA 404–20) Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen am Ende Änderungsgesetz Änderungsverordnung Arbeitnehmer-Entsendegesetz vom 20.4.2009 (BGBl I S 799) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Fassung aufgrund des am 1.12.2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon, Konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl EG Nr C 115 vom 9.5.2008, S 47 alter Fassung Absetzung für Abnutzungen Allgemeine Feuerversicherungsbedingungen Arbeitsförderungsgesetz vom 25.6.1969 (BGBl I S 582; BGBl III/FNA 810–1) Aktiengesellschaft, auch: Amtsgericht, auch: Ausführungsgesetz, auch: Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen

XI

Abkürzungsverzeichnis AGB AGB-Bnk AGBG

AGBG/InsOÄndG

AGG AGO (Preußen) AHB Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier

AiB AKB AktG ALB Alg Allg AllgKriegsfolgenG

AllgT Alt AltTZG aM Andres/Leithaus AnfG

Anh Anl Anm Annuß/Lembke AnVNG

AO AP ArbBeschFG

ArbG ArbGG

XII

Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) vom 9.12.1976 (BGBl I S 3317; BGBl III/FNA 402–28); aufgeh mWv 1.1.2002 Gesetz zur Änderung des AGB-Gesetzes und der Insolvenzordnung vom 19.7.1996 (BGBl I S 1013; BGBl III/FNA 311–13) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14.8.2006 (BGBl I S 1897) Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten vom 6.7.1793 Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung Fachanwalts-Kommentar Insolvenzrecht, hrsg v Martin Ahrens, Markus Gehrlein und Andreas Ringstmeier, 3. Aufl. 2017 Arbeitsrecht im Betrieb Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung Aktiengesetz vom 6.9.1965 (BGBl I S 1089; BGBl III/FNA 4121–1) Allgemeine Lebensversicherungsbedingungen Arbeitslosengeld Allgemein (e/er/es) Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz) vom 5.11.1957 (BGBl I S 1747; BGBl III/FNA 653–1) Allgemeiner Teil Alternative Altersteilzeitgesetz vom 23.7.1996 (BGBl I S 1078) anderer Meinung Insolvenzordnung, Kommentar, Dirk Andres und Rolf Leithaus, 3. Aufl. 2014 Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungsgesetz) vom 5.10.1994 (BGBl S 2911; BGBl III/FNA 311–14–2) Anhang Anlage Anmerkung Arbeitsrechtliche Umstrukturierungen in der Insolvenz, Georg Annuß, Mark Lembke, 3. Aufl. 2016 Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten vom 23.2.1957 (BGBl I S 88; BGBl III/FNA 821–2) Abgabenordnung vom 16.3.1976 (BGBl I S 613; BGBl III/ FNA 610–1–3) Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz) vom 25.9.1996 (BGBl I S 1476) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz vom 3.9.1953 (BGBl I S 1267; BGBl III/FNA 320–1)

Abkürzungsverzeichnis ArbPlSchG ArbR ArbRB ArbRHb ArchBürgR arg Armbrüster/Eickelberg/Renner

ARS

ARST Art AT AtomG

AuA Aufl AufsVO

AÜG AuR ausf Ausg AV AVG AVLJM AVO Az BA BadRpr BadWürttNotZ BAFin BAG BAGE Bamberger/Roth BankArch Bankbetrieb BankenK

BankGesch BankR

Arbeitsplatzschutzgesetz idF der Bekanntmachung vom 16.7.2009 (BGBl I S 2055) Arbeitsrecht Der Arbeits-Rechts-Berater Arbeitsrechtshandbuch Archiv für bürgerliches Recht (1.1888–43.1919) argumentum Beurkundungsgesetz und Dienstordnung für Notarinnen und Notare, Kommentar, hrsg v Christian Armbrüster, Jan Eickelberg und Thomas Renner, 7. Aufl. 2015 Arbeitsrechtssammlung, Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte, früher Bensheimer Sammlung Arbeitsrecht in Stichworten Artikel Allgemeiner Teil Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) vom 23.12.1959 (BGBl I S 814) Arbeit und Arbeitsrecht Auflage Verordnung des Bundesrates vom 8.8.1914 betreffend die Anordnung einer Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkursverfahrens (Aufsichtsverordnung) (RGBl S 363) Arbeitnehmerüberlassungsgesetz idF der Bekanntmachung vom 3.2.1995 (BGBl I S 158) Arbeit und Recht, Zeitschrift für die Arbeitsrechtspraxis ausführlich Ausgabe Die Angestelltenversicherung Angestelltenversicherungsgesetz vom 28.5.1924 (RGBl I S 563; BGBl III/FNA 821–1) Ausführungsverordnung des Landesjustizministers Ausführungsverordnung Aktenzeichen Bundesagentur für Arbeit Badische Rechtspraxis und Annalen der Großherzogisch Badischen Gerichte Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts; amtliche Sammlung Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: BGB, hrsg v Heinz Georg Bamberger und Herbert Roth, 3. Aufl. 2012 Bankarchiv, Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen (1.1901–43.1943, aufgegangen in Bankwirtschaft) Zeitschrift für Bankpolitik und Bankpraxis (früher Bankwirtschaft) Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, hrsg v Friedrich L. Cranshaw, Christoph G. Paulus und Nicole Michel, 3. Aufl. 2016 Bankgeschäfte Bankrecht

XIII

Abkürzungsverzeichnis BankR-Hb BankvertragsR Bauer/Schaub BauFG BauG Baumbach/Hefermehl/Casper

Baumbach/Hopt

Baumbach/Hueck Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann BauR Baur/Stürner InsR Baur/Stürner/Bruns BayJMBl BayObLG BayObLGZ BayrRPflZ BayVBl BayZ BB BBankG BBergG BBiG BBl BBodSchG

Bd BDSG (aF) BDSG 2018 BeamtVG

Bearb Beck/Depré

XIV

Bankrechtshandbuch, hrsg v Herbert Schimansky, Hermann-Josef Bunte und Hans-Jürgen Lwowski, 5. Aufl. 2017 Bankvertragsrecht Grundbuchordnung, hrsg v Joachim Bauer und Bernhard Schaub, 4. Aufl. 2018 Gesetz zur Sicherung der Bauförderungen vom 1.6.1909 (RGBl S 449; BGBl III/FNA 213–2) Baugesetzbuch idF der Bekanntmachung vom 23.9.2004 (BGBl I S 2414; BGBl III/FNA 213–1) Kommentar zum Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützten Zahlungen, begr v Adolf Baumbach, fortgef v Wolfgang Hefermehl, 23. Aufl. 2008 Kommentar zum HGB, begr v Adolf Baumbach, fortgef v Klaus J. Hopt, Hanno Merkt und Markus Roth, 38. Aufl. 2018 Kommentar zum GmbH-Gesetz, begr v Adolf Baumbach, fortgef v Alfred Hueck, 21. Aufl. 2017 Zivilprozessordnung, Kommentar, begr v Adolf Baumbach, fortgef v Wolfgang Lauterbach, Jan Albers, Peter Hartmann, 76. Aufl. 2018 Baurecht, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Insolvenzrecht, Fritz Baur, fortgef v Rolf Stürner, 12. Aufl. 2003 Zwangsvollstreckungsrecht, Fritz Baur, fortgef v Rolf Stürner und Alexander Bruns, 13. Aufl. 2006 Bayerisches Justizministerialblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern (1.1905–30.1934; vorher: Seufferts Blätter für Rechtsanwendung Bayerische Verwaltungsblätter Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Der Betriebsberater Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 22.10.1992 (BGBl I S. 1782; BGBl III/FNA 7620–1) Bundesberggesetz vom 13.8.1980 (BGBl I S 1310; BGBl III/ FNA 750–15) Berufsbildungsgesetz vom 23.3.2005 (BGBl I S 931) Betriebswirtschaftliche Blätter Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz vom 17.3.1998 (BGBl I S 502; BGBl III/FNA 2129–32) Band Bundesdatenschutzgesetz vom 14.1.2003 (BGBl I S 66; FNA 204–3) Bundesdatenschutzgesetz idF vom 30.6.2017 (BGBl I S 2097; FNA 204–4) Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz) idF der Bekanntmachung vom 16.3.1999 (BGBl I S 322; BGBl III/FNA 2030–25) Bearbeitung Praxis der Insolvenz, hrsg v Siegfried Beck und Peter Depré, 3. Aufl. 2017

Abkürzungsverzeichnis Becker BeckOGK BGB BeckOK ArbR BeckOK BGB BeckOK InsO BeckOK ZPO BEEG BEG

Begr Begr EGemeinschuldO

Begr EGKO Begr EKO Begr z KO Nov 1898

Beil Bem Ber ber BerInsRKomm BerlAnwBl BerlinFG 1990

bes betr BetrAV BetrAVG

BetrVG BfA BFH BFHE BFuP BG BGB BGBl BGH

Insolvenzrecht, Christoph Becker, 3. Aufl. 2010 Beck’scher Online-Großkommentar Bürgerliches Gesetzbuch, ständig aktualisiert Beck’scher Onlinekommentar Arbeitsrecht, ständig aktualisiert Beck’scher Online-Kommentar BGB, ständig aktualisiert Beck’scher Online-Kommentar Insolvenzordnung, Stand 11. Ed. 2018 Beck’scher Online-Kommentar ZPO, ständig aktualisiert Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 5.12.2006 (BGBl I S 2748) Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz) idF der Bekanntmachung vom 29.6.1956 (BGBl I S 559; BGBl III 251–1) Begründung Motive zum Entwurf einer Deutschen Gemeinschuldordnung (zitiert nach Band- und Seitenzahlen der Ausgabe des Verlages der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R.v. Decker), Berlin, 1873) Motive zu dem Entwurf eines Einführungsgesetzes einer Konkursordnung, zitiert nach Seitenzahlen der RT-Drucks Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, zitiert nach Seitenzahlen der RT-Drucks Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes betr. die Änderungen der Konkursordnung und eines zugehörigen Einführungsgesetzes; zitiert nach der Seitenzahl der Drucksachen, 9. Legislaturperiode, V. Session, 1897/98 Nr. 100 Beilage Bemerkung(en) Bericht berichtigt Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985 (1. Bericht) bzw 1986 (2. Bericht) Berliner Anwaltsblatt Gesetz zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) idF der Bekanntmachung 2.2.1990 (BGBl I S 173; BGBl III/FNA 610–6–5) besonders betreffend betriebliche Altersversorgung Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung – Betriebsrentengesetz vom 19.12.1974 (BGBl I S 3610) Betriebsverfassungsgesetz vom 15.1.1972 (BGBl I S 13; BGBl III/FNA 801–7) Bundesanstalt für Arbeit Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Die Berufsgenossenschaft Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896 (RGBl S 195; BGBl III/FNA 400–2) Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof

XV

Abkürzungsverzeichnis BGHSt BGHZ BImSchG

BinSchG

Birk/Desens/Tappe Birkenfeld/Wäger BJagdG BK

BKR Bl Bley/Mohrbutter

BlfGenW BlGBW BlPMZ BlStSozArbR Blümich BMF BNotO BörsG Böttcher Bolze RG Boochs/Dauernheim Borchardt/Frind Bork AT Bork HdbAnfR Bork InsR Bork/Hölzle Bork/Koschmieder

XVI

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen; amtliche Sammlung Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen; amtliche Sammlung Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) idF der Bekanntmachung vom 26.9.2002 (BGBl I S 3830; BGBl III/FNA 2129–8) Gesetz, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt (Binnenschifffahrtsgesetz – BinSchG) vom 15.6.1895 (RGBl S 301; BGBl III/FNA 4103–1) Steuerrecht, Dieter Birk, Marc Desens und Henning Tappe, 20. Aufl. 2017 Das große Umsatzsteuer-Handbuch, hrsg v Wolfram Birkenfeld und Christoph Wäger, Loseblatt, Stand 75. EL 2017 Bundesjagdgesetz idF der Bekanntmachung vom 29.9.1976 (BGBl I S 2849; BGBl III/FNA 792–1) Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Loseblatt, hrsg v Jürgen Blersch, Hans-Wilhelm Goetsch und Ulrich Haas, Stand 80. EL 2018 Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (1.2001 ff) Blatt Vergleichsordnung, begr v Erich Bley, Neubearbeitung von Jürgen Mohrbutter, unter Mitarbeit von Harro Mohrbutter, 4. Aufl. 1970 ff Blätter für Genossenschaftswesen (13.1866 ff; vorher: Die Innung der Zukunft) Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht EStG, KStG, GewStG, hrsg v Bernd Heuermann und Peter Brandis, Loseblatt, Stand 142. EL 2018 Bundesminister der Finanzen Bundesnotarordnung vom 24.2.1961 (BGBl I S 98; BGBl III/ FNA 303–1) Börsengesetz vom 22.6.1896 (RGBl S 157; BGBl III/FNA 4110–1) ZVG Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, Roland Böttcher, 6. Aufl. 2016 Die Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen, bearbeitet von A. Bolze Steuerrecht in der Insolvenz, 3. Aufl. 2007 Die Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren, hrsg v Peter-Alexander Borchardt und Frank Frind, 3. Aufl. 2017 Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Reinhard Bork, 4. Aufl. 2016 Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, hrsg v Reinhard Bork, 2006 Einführung in das Insolvenzrecht, Reinhard Bork, 8. Aufl. 2017 Handbuch Insolvenzrecht, hrsg v Beinhard Bork und Gerrit Hölzle, 2014 Fachanwaltshandbuch Insolvenzrecht, Loseblatt, hrsg v Reinhard Bork und Kurt-Dieter Koschmieder, Stand 12. EL 2011

Abkürzungsverzeichnis Boruttau BPatG BPersVG BQG BR BRAGO BRAO Braun BR-Drucks BReg Brox/Walker BrZ BSG BSGE BSHG BSpkG BStBl BT-Drucks BT-RA Bub/Treier Bülow BürgerlR, BürgR Bunjes BUrlG Buth/Hermanns BuW BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BW BWNotZ bzw Canaris BankvertragsR cic CIM

CR Cranshaw/Hinkel CTA

Grunderwerbsteuergesetz, 18. Aufl. 2016 Bundespatentgericht Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15.3.1974 (BGBl I S 693) Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften Bundesrat Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 26.7.1957 (BGBl I S 907; BGBl III/FNA 368–1) Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1.8.1959 (BGBl I S 565; BGBl III/FNA 303–8) Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Eberhard Braun, 7. Aufl. 2016 Drucksachen des deutschen Bundesrates Bundesregierung Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl. 2017 Britische Zone Bundessozialgericht Entscheidungssammlung des BSG Bundessozialhilfegesetz idF der Bekanntmachung vom 23.3.1994 (BGBl I S 646; BGBl III/FNA 2170–1) Gesetz über Bausparkassen (Bausparkassengesetz) vom 16.11.1972 (BGBl I S 2097; BGBl III/FNA 7691–2) Bundessteuerblatt (Teile I, II und III) Drucksachen des Deutschen Bundestages (ab 1949); zitiert: Legislaturperiode/Nr/S Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, hrsg v Wolf-Rüdiger Bub und Gerhard Treier, 4. Aufl. 2014 Recht der Kreditsicherheiten, Peter Bülow, 9. Aufl. 2017 Bürgerliches Recht Umsatzsteuergesetz, begr v Johann Bunjes, 17. Aufl. 2018 Bundesurlaubsgesetz Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl. 2014 Betrieb und Wirtschaft Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts; amtliche Sammlung Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts; amtliche Sammlung Baden-Württemberg Mitteilungen aus der Praxis, Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg beziehungsweise Handelsgesetzbuch, Großkommentar, begr v Hermann Staub, 5. Aufl., Bankvertragsrecht Teil 1, 2016 culpa in contrahendo Convention internationale concernant le transport des marchandises par chemins des fer; Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 25.2.1961 (BGBl II S 1520) Computer und Recht Gläubigerkommentar zum Anfechtungsrecht, Friedrich L. Cranshaw und Lars Hinkel, 2. Aufl. 2014 Contractual Trust Arrangement

XVII

Abkürzungsverzeichnis das Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/ Rellermeyer DB DepotG

Depré Depré/Mayer ders DGVZ dh DiskE

Diss DJ DJT DJZ DNotV DNotZ DOK DÖV DR DRiZ DRpfl DRZ DSGVO

DStR DStZ Dt DtJurTag DuR DZWIR E E ebd Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn EBRG ECU EFG EFZG

XVIII

daselbst ZVG – Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, 15. Aufl. 2016 Der Betrieb Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz) idF der Bekanntmachung vom 11.1.1995 (BGBl I S 34; BGBl III/FNA 4130–1) Kommentar zum Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung – ZVG, hrsg v Peter Depré, 2015 Die Praxis der Zwangsverwaltung, Peter Depré und Günter Mayer, 7. Aufl. 2013 derselbe Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung das heißt Diskussionsentwurf, speziell: Diskussionsentwurf Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, hrsg v Bundesministerium der Justiz, 1988 Dissertation Deutsche Justiz, Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtspolitik Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Zeitschrift des Deutschen Notarvereins Deutsche Notarzeitschrift (früher: Zeitschrift des Deutschen Notarvereins, DNotV) Die Ortskrankenkasse; vorher: Dt Krankenkasse Die Öffentliche Verwaltung (1.1948 ff) Deutsches Recht (1.1931–15.1945) Deutsche Richterzeitung Der Deutsche Rechtspfleger Deutsche Richterzeitung (bis 1935, ab 1946 Deutsche Rechtszeitschrift, ab 1951 übergeleitet in die Juristenzeitung) Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerzeitung (1.1912–34.1945, 35.1947 ff, ab 1948 geteilt in Ausgabe A und B) Deutsch(e/er/es) Deutscher Juristentag Demokratie und Recht Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Euro Entwurf ebenda Handelsgesetzbuch, hrsg v Detlev Joost und Lutz Strohn, 3 Aufl. 2014/15 Europäische Betriebsräte-Gesetz idF der Bekanntmachung vom 7.12.2011 (BGBl I S 2650) European Currency Unit Entscheidungen der Finanzgerichte (1953 ff) Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26.5.1994 (BGBl I S 1014, 1065)

Abkürzungsverzeichnis EG EGAktG EGAO EGBGB EGemeinschuldO EGInsO EGOWiG EGRLUmsuaNOG

EGStGB Eilers/Bühring Einf EinfG Einl einschl EKO EMRK EntschKalender entspr Entw ErbbauVO ErbR ErfK ErgL/EL Erl Erman EStG

ESUG etc EU EuGH EuGVÜ

EuGVVO 2001

Europäische Gemeinschaft, auch Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Aktiengesetz vom 6.9.1965 (BGBl I S 1185; BGBl III/FNA 4121–2) Einführungsgesetz zur Abgabenordnung vom 14.12.1976 (BGBl I S 3341; BGBl III/FNA 610–1–4) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18.8.1896 (RGBl S 604; BGBl III/FNA 400–1) Entwurf einer Deutschen Gemeinschuldordnung 1873 Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl I S 2911; BGBl III/FNA 311–14–1) Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24.5.1968 (BGBl I S 503; BGBl III/FNA 454–2) Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29.7.2009 (BGBl I S 2355; BGBl III/ FNA 311–13) Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2.3.1974 (BGBl I S 469; BGBl III/FNA 450–16) Sanierungssteuerrecht, Stephan Eilers und Franziska Bühring, 2011 Einführung Einführungsgesetz Einleitung einschließlich Entwurf einer Konkursordnung 1875 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl 1952 II S 685) Übersicht über die Entscheidungen der Sozial- und Arbeitsgerichte in Berlin entsprechend Entwurf Verordnung über das Erbbaurecht vom 15.1.1919 (RGBl S 72; BGBl III/FNA 403–6) Erbrecht Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Aufl. 2018 Ergänzungslieferung Erläuterungen Handkommentar zum BGB, hrsg v Harm Peter Westermann, 15. Aufl. 2017 Einkommensteuergesetz idF der Bekanntmachung vom 19.10.2002 (BGBl I S 4210; 2003 S 179; BGBl III/FNA 611–1) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7.12.2011 (BGBl. I S. 2582) et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Brüsseler EWG-Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl 1972 II, S 774) Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

XIX

Abkürzungsverzeichnis EuGVVO

EuInsVO 2000 EuInsVO EV

evtl EWG EWiR EWIV EY EzA EzAÜG

f FamFG FamR FamRZ Farr Fehrenbacher ff FG FGG

FGO FGPrax FilmR FK FLF Flöther Flume Fn Foerste FoVo Franken/Dahl Frege/Keller/Riedel Frind Frotscher

XX

Verordnung (EU) 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr 1346/2000 über Insolvenzverfahren vom 29.5.2000 (Abl L 160 S 1–18) Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – vom 31.8.1990 (BGBl II S 889) eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht, Kurzkommentare, hrsg von Bruno M. Kübler Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Ernst & Young AG, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Stand 132. EL 2018 Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz folgend (e) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familienrecht Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht (ab 9.1962, 4: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht) Die Besteuerung in der Insolvenz, 2005 Steuerrecht, Oliver Fehrenbacher, 6. Aufl. 2016 folgende Finanzgericht, Festgabe, Freundesgabe Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit idF der Bekanntmachung vom 20.5.1898 (RGBl S 771; BGBl III/FNA 315–1) Finanzgerichtsordnung vom 6.10.1965 (BGBl I S 1477; BGBl III/FNA 350–1) Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Filmrecht Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg von Klaus Wimmer, 9. Aufl. 2018 Finanzierung, Leasing, Factoring Handbuch zum Konzerninsolvenzrecht, 2. Aufl. 2018 Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, Werner Flume, 4. Aufl. 1992 Fußnote Insolvenzrecht, Ulrich Foerste, 7. Aufl. 2018 Forderung und Vollstreckung (bis 2008: InVo – Insolvenz und Vollstreckung) Mietverhältnisse in der Insolvenz, Thomas Franken und Michael Dahl, 2. Aufl. 2006 Insolvenzrecht, Handbuch der Rechtspraxis, Michael Frege, Ulrich Keller und Ernst Riedel, 8. Aufl. 2015 Praxishandbuch Privatinsolvenz, Frank Frind, 2. Aufl. 2017 Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl. 2014

Abkürzungsverzeichnis FS Fundst

Festschrift Fundstelle(n)

G Gagel

Gesetz SGB II/SGB III Grundsicherung und Arbeitsförderung, hrsg v Alexander Gagel, Loseblatt-Kommentar, Stand 70. EL 2018 Gaststättengesetz vom 5.5.1970 (BGBl I S 465) idF der Bekanntmachung vom 20.11.1998 (BGBl I S 3418; BGBl III/ FNA 7130–1) Zwangsvollstreckungsrecht, begr v Leo Rosenberg, fortgef v Hans-Friedhelm Gaul, Eberhard Schilken und Ekkehard Becker-Eberhard, 12. Aufl. 2010 Gesetzblatt Grundbuchordnung idF der Bekanntmachung vom 26.5.1994 (BGBl I S 1114; BGBl III/FNA 315–11) Gesellschaft bürgerlichen Rechts geändert Gebrauchsmustergesetz idF der Bekanntmachung vom 28.8.1986 (BGBl I S 1455; BGBl III/FNA 421–1) gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 01.05.1889 (RGBl S 55; BGBl III/FNA 4125–1) Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz – GeschmMG) vom 12.3.2004 (BGBl I S 390; BGBl III/FNA 442–5) Gesellschaftsrecht Gesamtvollstreckungsordnung idF der Bekanntmachung vom 23.5.1991 (BGBl I S 1185; BGBl III/FNA Anhang III-11) Gewerbearchiv, Zeitschrift für Gewerbe- u. Wirtschaftsverwaltungsrecht Gewerbeordnung idF der Bekanntmachung vom 22.2.1999 (BGBl S 202; BGBl III/FNA 7100–1) Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung idF der Bekanntmachung vom 15.10.2002 (BGBl I S 4180; BGBl III/ FNA 611–5–1) Gewerbesteuergesetz idF der Bekanntmachung vom 15.10.2002 (BGBl I S 4167; BGBl III/FNA 611–5) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949 (BGBl I S 1; BGBl III/FNA 100–1) gegebenenfalls Großkommentar Aktiengesetz, Großkommentar, hrsg von Heribert Hirte, Peter O. Mülbert und Markus Roth, 5. Aufl. 2015 ff Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, Günther Wiese, Peter Kreutz, Christoph Weber, Martin Franzen, Matthias Jacobs, Martin Gutzeit, Hartmut Oetker, 11. Aufl. 201^8 Gerichtskostengesetz vom 18.6.1878 (RGBl S 141; BGBl III/FNA 360–7) Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz) vom 18.6.1957 (BGBl I S 609; BGBl III/FNA 400–3) Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GaststG

Gaul/Schilken/Becker-Eberhard

GBl GBO GbR geänd GebrMG gem GenG

GeschmMG

GesellschaftsR GesO

GewArch GewO GewStDV

GewStG GG ggf GK GK-AktG GK-BetrVG

GKG GleichberG

GmbH

XXI

Abkürzungsverzeichnis GmbHG GmbHR GmS-OBG GöttDiss Gosch Gottwald Graf-Schlicker grds GrEStG GrS GruchotBeitr GrünhutsZ Grundz GRUR GS GüKG GUG

GVBl GVG GV NW GWB

H Haarmeyer/Mock InsVV Hachenburg Häsemeyer HAG HambK HandwO HansGZ

HansOLG Hb, Hdb Herrmann/Heuer/Raupach Hess

XXII

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20.4.1892 (RGBl S 477; BGBl III/FNA 4123–1) GmbH-Rundschau Gemeinsamer Senat der obersten Gerichte des Bundes Göttinger Dissertation Körperschaftsteuergesetz, hrsg v Dietmar Gosch, 3. Aufl. 2015 Insolvenzrechts-Handbuch, hrsg v Peter Gottwald, 5. Aufl. 2015 Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Marie-Luise Graf-Schlicker, 4. Aufl. 2014 grundsätzlich Grunderwerbsteuergesetz idF vom 26.2.1997 (BGBl I S 418; BGBl III/FNA 610–6–10) Großer Senat Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begr v Gruchot Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart, begr v Grünhut (Band, Seite; 1.1874–42.1916) Grundzüge Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift, Gesetzessammlung Güterkraftverkehrsgesetz vom 22.6.1998 (BGBl I S 2132; BGBl III/FNA 9241–34) Gesetz über die Unterbrechung von Gesamtvollstreckungsverfahren (Gesamtvollstreckungs-Unterbrechungsgesetz) idF der Bekanntmachung vom 23.5.1991 (BGBl I S 1191) Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz idF vom 9.5.1975 (BGBl I S 1077; BGBl III/FNA 300–2) Gesetz- und Verordnungsblatt von Nordrhein-Westfalen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen idF der Bekanntgabe vom 15.7.2005 (BGBl I S 2114; BGBl III/FNA 703–5) Heft Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), Hans Haarmeyer und Sebastian Mock, 5. Aufl. 2014 Großkommentar zum GmbH-Gesetz, Max Hachenburg, 8. Aufl. 1997 Insolvenzrecht, Ludwig Häsemeyer, 4. Aufl. 2007 Heimarbeitergesetz vom 14.3.1951 (BGBl I S 191; BGBl III/ FNA 804/1) Hamburger Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Andreas Schmidt, 6. Aufl. 2017 Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) idF vom 24.9.1998 (BGBl I S 3074; BGBl III/FNA 7110–1) Hanseatische Gerichtszeitung (1.1880–48.1927; danach: Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift – HansRGZ –; vorher: Hamburger Handelsgerichtszeitung, ab 1868) Hanseatisches Oberlandesgericht Handbuch Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Stand 286. EL 2018 InsO, Kommentar zur Insolvenzordnung, Harald Hess, 2. Aufl. 2013

Abkürzungsverzeichnis HEZ

HFR HGB HinterlO HK hL hM HöfeO HRR

Hrsg, hrsg Hs Huber

Hübschmann/Hepp/Spitaler

HVG HypBankG HypBkGuaAndG

idF idF des G v idS IDW IDW RH HFA iE ILLR insb InsbürO InsO Insolvenzgeld-DA der BA InsOuaÄndG

InsR InsRHdb InsRKomm InsSteuerR

Höchstrichterliche Entscheidungen, Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der Obersten Gerichte in Zivilsachen (1.1948–3.1550, 1) Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897 (RGBl S 219; BGBl III/ FNA 4100–1) Hinterlegungsordnung vom 10.3.1937 (RGBl I S 285; BGBl III/FNA 300–15) Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Godehard Kayser und Christoph Thole, 9. Aufl. 2018 herrschende Lehre herrschende Meinung Höfeordnung idF der Bekanntmachung vom 26.7.1976 (BGBl I S 1933; BGBl III/FNA 7811–6) Höchstrichterliche Rechtsprechung (4.1928–18.1942; vorher: Die Rechtsprechung, Beilage zur Jurist. Rundschau 1.1925–3.1927) Herausgeber, herausgegeben Halbsatz Anfechtungsgesetz, Gesetz betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens, Michael Huber, 11. Aufl. 2016 Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, hrsg v Walter Hübschmann, Ernst Hepp und Armin Spitaler, Loseblatt, Stand 248. EL 2018 Gesetz über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk; aufgehoben durch HwVG mit Wirkung vom 1.1.1962 Hypothekenbankgesetz idF vom 9.9.1998 (BGBl I S 2674; BGBl III/FNA 7628–1) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6.6.2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze vom 5.4.2004 (BGBl I S 502; BGBl III/FNA 311–13) in der Fassung in der Fassung des Gesetzes vom in diesem Sinne Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland eV Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland eV, Rechnungslegungshinweise des Hauptfachausschusses im Ergebnis, im Einzelnen International Insolvency Law Review insbesondere Zeitschrift für das Insolvenzbüro Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl I S 2866; BGBl III/ FNA 311–13) Die Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Insolvenzgeld Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 (BGBl I S 2710; BGBl III/FNA 311–13) Insolvenzrecht Insolvenzrechts-Handbuch, hrsg v Peter Gottwald, 5. Aufl. 2015 Kommission für Insolvenzrecht Insolvenzsteuerrecht

XXIII

Abkürzungsverzeichnis InsStR InsVereinfG InsVV InsVZ InVo IPRax iS iSd iVm JA Jaeger InsO Jaeger KO6/7 Jaeger KO8 Jaeger KO9 Jauernig BGB Jauernig/Berger Jb JbeitrO JBl JbRR jew JFG Jhdt(s) JherJb

JMBl NW JR Judicium JuMoG 2

JurA Jura JurBüro JurLitBl JurTag(s) JuS JVBl JW JZ

XXIV

Insolvenzsteuerrecht Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.04.2007 (BGBl I S 509; BGBl III/FNA 311–13) Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung vom 19.8.1998 (BGBl. I S. 2205, BGBl III/FNA 311–13–1) Zeitschrift für Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung (nur 2009–2010) Insolvenz und Vollstreckung (seit 2008 FoVo) Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts im Sinne im Sinne des/der in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Insolvenzordnung, Kommentar, begr v Ernst Jaeger, hrsg v Wolfram Henckel und Walter Gerhardt, 1. Aufl. 2004 ff (dieser Kommentar) Konkursordnung, Kommentar, Ernst Jaeger, 6. und 7. Aufl. 1931/1936 Konkursordnung, Kommentar, begr v Ernst Jaeger, fortgeführt v Friedrich Lent und Friedrich Weber, 8. Aufl. 1958–1973 Konkursordnung, Kommentar, begr v Ernst Jaeger, fortgeführt v Wolfram Henckel, 9. Aufl. 1977–1990 Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Othmar Jauernig, 17. Aufl. 2018 Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, Othmar Jauernig und Christian Berger, 23. Aufl. 2010 Jahrbuch Justizbeitreibungsordnung vom 11.3.1937 (RGBl I S 298; BGBl III/FNA 365–1) Juristische Blätter Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie jeweils Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechtes Jahrhundert(s) Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts; vorher: Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts (1.1857–90.1942) Justizministerialblatt von Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau Vierteljahresschrift für die gesamte Zivilrechtspflege (1.1928–5.1933) Zweites Gesetz zur Modernisierung der Justiz (2. Justizmodernisierungsgesetz) vom 22.12.2006 (BGBl I S 3416; BGBl III/FNA 311–13) Juristische Analysen Juristische Ausbildung Das juristische Büro Juristisches Literaturblatt (1.1889–29.1917/18) Juristentag(es) Juristische Schulung Justizverwaltungsblatt Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

Abkürzungsverzeichnis KAGG Kahlert/Rühland KapAEG

Keller KG KGaA KGBl

KGJ

Kgl KGR Kilger/Schmidt Kindl/Meller-Hannich/Wolf

Kindler/Nachmann KK KKZ Klein KO Kölner Kommentar Kölner Schrift InsO2 Kölner Schrift InsO3

Koenig Koller/Kindler/Roth/Morck Komm KommBer z KO-Nov 1898 KommBer

KonkursR KonTraG

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften idF der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl I S 2726; BGBl III/FNA 4120–4) Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Günter Kahlert, Bernd Rühland, 2. Aufl. 2011 Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz) vom 20.4.1998 (BGBl I S 707; BGBl III/FNA 4100–1/1) Insolvenzrecht, Ulrich Keller, 2006 Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempelund Strafsachen (bis 19.1899: in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit; Band, Seite; 1.1881–53.1922) Königlich Königreich Insolvenzgesetze – KO/VglO/GesO, Karsten Schmidt, 17. Aufl. 1997 Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, hrsg v Johann Kindl, Caroline Meller-Hannich und Hans-Joachim Wolf, 3. Aufl. 2016 Handbuch Insolvenzrecht in Europa, hrsg v Peter Kindler und Josef Nachmann, 4. EL 2014 Kölner Kommentar, Insolvenzordnung, hrsg v Harald Hess, 1. Aufl. 2016 ff Kommunal-Kassen-Zeitschrift Abgabenordnung – AO, begr v Franz Klein, 13. Aufl. 2016 Konkursordnung idF 20.5.1898 (RGBl S 612; BGBl III/ FNA 311–4) Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg v Wolfgang Zöllner, 3. Aufl. 2004 ff Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, herausgegeben vom Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen, 2. Aufl. 2000 Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, herausgegeben vom Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen, 3. Aufl. 2009 Abgabenordnung – AO, hrsg v Ulrich Koenig, 3. Aufl. 2014 Handelsgesetzbuch, hrsg v Ingo Koller, Wulf-Henning Roth und Winfried Morck, 8. Aufl. 2015 Kommentar siehe Kommissionsbericht Bericht der VI. Kommission über die Entwürfe eines Gesetzes betr. Änderungen der Konkursordnung sowie eines zugehörigen Einführungsgesetzes – Nr 100 der Drucksachen (zitiert nach: Seitenzahl von Nr 237 der Aktenstücke zu den Verhandlungen des Reichstages 1897/1898; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 9. Legislaturperiode, V. Session, 3. Anlageband, S 1946 ff) Konkursrecht Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbe-

XXV

Abkürzungsverzeichnis

KO-Prot

KraftStG krit KSchG K Schmidt InsO KStG KTS

Kübler Kübler/Prütting/Bork

Kübler/Prütting/Noack Kümpel/Wittig Kuhn/Uhlenbruck KO KuS KuT KWG

LAG

LAGE Larenz/Canaris

Lb LeasingR-Hb

Leipz rw Studien Leonhardt/Smid/Zeuner Leonhardt/Smid/Zeuner InsVV

LG Lit

XXVI

reich vom 27.4.1998 (BGBl I S 786; BGBl III/FNA 4121–1/2) Protokolle der Reichstagskommission von 1875/1876 (zitiert nach: Seitenzahl der Drucksachen des Reichstags, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874, Nr 200; IV. Session 1876, Nr 4) Kraftfahrsteuergesetz idF der Bekanntmachung vom 26.9.2002 (BGBl I S 3818; BGBl III/FNA 611–17) kritisch Kündigungsschutzgesetz idF der Bekanntmachung vom 25.8.1969 (BGBl I S 1317; BGBl III/FNA 800–2) Insolvenzordnung, Kommentar, hrsg v Karsten Schmidt, 19. Aufl. 2016 Körperschaftssteuergesetz vom 31.8.1976 (BGBl I S 2599; BGBl III/FNA 611–4–4) Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen, seit 1989: Zeitschrift für Insolvenzrecht – Konkurs, Treuhand, Sanierung Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz, hrsg v Bruno M. Kübler, 2. Aufl. 2015 Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Bruno M. Kübler, Hanns Prütting und Reinhard Bork, Loseblatt, Stand 76. EL 2018 Gesellschaftsrecht, Sonderband 1 zu Kübler/Prütting, Kommentar zur Insolvenzordnung, bearbeitet von Noack, 1998 Bank- und Kapitalmarktrecht, begr v Siegfried Kümpel, hrsg v Arne Wittig, 4. Aufl. 2011 Konkursordnung, Kommentar von Georg Kuhn, fortgef v Wilhelm Uhlenbruck, 11. Aufl. 1994 Kostenerstattung und Streitwert Konkurs und Treuhandwesen; Monatsschrift für Wirtschaft und Recht (bis 1941, ab 1955 KTS) Gesetz über das Kreditwesen idF der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl I S 2776; BGBl III/FNA 7610–1) Gesetz über den Lastenausgleich vom 14.8.1952 (BGBl I S 446) idF der Bekanntmachung vom 2.6.1993 (BGBl I S 847, ber. BGBl I S 248; BGBl III/FNA 621–1); auch Landesarbeitsgericht Entscheidungen des Landesarbeitsgericht Lehrbuch des Schuldrechts Band II/2: Besonderer Teil/2. Halbband, begr v Karl Larenz, fortgef v Claus-Wilhelm Canaris, 13. Aufl. 1994 Lehrbuch Handbuch des Leasingrechts, hrsg v Michael Martinek, Markus Stoffels und Susanne Wimmer-Leonhardt, 2. Aufl. 2008 Leipziger rechtswissenschaftliche Studien, hrsg von der Leipziger Juristen-Fakultät Insolvenzordnung (InsO), Kommentar, hrsg v Peter Leonhardt, Stefan Smid und Mark Zeuner, 3. Aufl. 2010 Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV), Kommentar, hrsg v Peter Leonhardt, Stefan Smid und Mark Zeuner, erl v Katrin Amberger, 2014 Landgericht Literatur

Abkürzungsverzeichnis lit LM Löhnig Lorenz/Klanke LPartG

LS LSG LStDV LuftfzRG LuftVG LUG

LwAnpG

LwVfG LZ m M

Mankowski/Müller/Schmidt MarkenG

Marotzke maW MDR mE Medicus/Petersen Meikel Mentzel/Kuhn Messerschmidt/Voit MietRRefG

Mitlehner MittBayNot

Litera/Buchstabe Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg v Lindenmaier und Möhring u.a. Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung – ZVG, hrsg v Martin Löhnig, 2010 InsVV – GKG – RVG, Vergütung und Kosten in der Insolvenz, 3. Aufl. 2017 Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) vom 16.2.2001 (BGBl I S 266; BGBl III/FNA 400–15) Leitsatz Landessozialgericht Lohnsteuerdurchführungsverordnung Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen vom 26.2.1959 (BGBl I S 57; BGBl III/FNA 403–9) Luftverkehrsgesetz vom 27.3.1999 (BGBl I S 550; BGBl III/ FNA 96–1) Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst (LiteratururheberG) vom 19.6.1901 (RGBl S 227) Gesetz über die strukturelle Anpassung der Landwirtschaft an die soziale und ökologische Marktwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik – Landwirtschaftsanpassungsgesetz – idF der Bekanntmachung vom 3.7.1991 (BGBl I S 1418; BGBl III/FNA VI.-1) Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen vom 21.7.1953 (BGBl I S 667; BGBl III/FNA 317–1) Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht mit Motive zum Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches erster Lesung für das Deutsche Reich, Amtliche Ausgabe, Band 1 bis 5, 1888 EuInsVO 2015, Peter Mankowski, Michael F. Müller und Jessica Schmidt, 2016 Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz – MarkenG) vom 25.10.1994 (BGBl I S 3082; BGBl III/FNA 423–5–2) Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht, Wolfgang Marotzke, 3. Aufl. 2001 mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Bürgerliches Recht, Dieter Medicus, Jens Petersen, 26. Aufl. 2017 GBO, Grundbuchordnung, Georg Meikel, 11. Aufl. 2015 Konkursordnung, begr v Franz Mentzel, fortgef v Georg Kuhn, 9. Aufl. 1976 Privates Baurecht, hrsg v Burkhard Messerschmidt und Wolfgang Voit, 3. Aufl. 2018 Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz) vom 19.6.2001 (BGBl I S 1149; BGBl III/FNA 311–13) Mobiliarsicherheiten im Insolvenzverfahren, Stephan Mitlehner, 4. Aufl. 2016 Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins

XXVII

Abkürzungsverzeichnis MittRhNotK

mN Mönning Mohrbutter/Ringstmeier MoMiG

Motive I Motive II

Motive z Entw eines ZVG

MünchAnwHdb MünchKomm AktG

MünchKomm AnfG MünchKomm BGB MünchKomm HGB MünchKomm InsO

MünchKomm VVG MünchKomm ZPO

MuSchG Musielak/Voit MuW mwN MzEG

N NdsRpfl NEhelG

Nerlich/Römermann

XXVIII

Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer (vor 11.61: RhNK = Niederschriften über die Notarkammersitzungen der Rheinischen Notarkammer) mit Nachweisen Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, hrsg v Rolf-Dieter Mönning, 3. Aufl. 2016 Handbuch der Insolvenzverwaltung, hrsg v Harro Mohrbutter und Andreas Ringstmeier, 9. Aufl. 2015 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 (BGBl. I S. 2026) Begründung des Entwurfs einer Gemeinschuldordnung von 1873, 1873 Begründung des Entwurfs einer Konkursordnung von 1875 (zitiert nach der Seitenzahl der Reichstagsdrucksache Nr 200 der 2. Legislaturperiode, II. Session 1874) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen nebst amtlichen Begründungen, 1889 Münchener Anwaltshandbuch Insolvenz und Sanierung, hrsg v Hans-Jörg Nerlich und Georg Kreplin, 2. Aufl. 2012 Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg v Wulff Goette, Mathias Habersack und Susanne Kalss, 4. Aufl. 2016–2018 Münchener Kommentar zum Anfechtungsgesetz, hrsg v Hans-Peter Kirchhof, 2012 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg v Franz Jürgen Säcker und Roland Rixecker, 7. Aufl. 2015 Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, herausgegeben von Karsten Schmidt, 3. Aufl. 2010 Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Hans-Peter Kirchhof, Horst Eidenmüller, Rolf Stürner, 4. Aufl. 2016 ff Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, hrsg v Theo Langheid und Manfred Wandt, 2. Aufl. 2016 Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, hrsg v Thomas Rauscher, Peter Wax und Joachim Wenzel, 5. Aufl. 2016 Mutterschutzgesetz idF der Bekanntmachung vom 20.6.2002 (BGBl I S 2318; BGBl III/FNA 8052–1) ZPO, Kommentar, hrsg v Hans-Joachim Musielak und Wolfgang Voit, 15. Aufl. 2018 Markenschutz und Wettbewerb mit weiteren Nachweisen Motive zum Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (siehe M) zitiert nach der Guttentag’schen Ausgabe, 1888 Nachweis(e/n) Niedersächsische Rechtspflege (ab 1.1947, vorher Hannoversche Rechtspflege; Jahr, Seite) Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19.8.1969 (Nichtehelichengesetz) (BGBl I S 1243; BGBl III/FNA 404/18) Insolvenzordnung (InsO), Kommentar, hrsg v Jörg Nerlich und Volker Römermann, Loseblatt, Stand 36. EL 2018

Abkürzungsverzeichnis nF NJW NJW-RR Nov Nr NRW, NW NZA NZG NZI NZM Obermüller Obermüller/Hess öffentl öJBl ÖJZ Österr. Oetker OFD Offerhaus/Söhn/Lange OGH OHG Olbing OLG OLG-NL OLGRspr

OLGZ OWiG

P

PA PachtKrG Palandt Pape/Uhländer PartGG

PatAnwO PatG Paulus EuInsVO PfandBG

neue Fassung; neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport Zivilrecht Novelle Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Mietrecht Insolvenzrecht in der Bankpraxis, von Manfred Obermüller unter Mitwirkung von Karen Kuder, 9. Aufl. 2016 InsO: Eine systematische Darstellung des neuen Insolvenzrechts, Manfred Obermüller und Harald Hess, 4. Aufl. 2003 öffentlich Österreichische Juristische Blätter Österreichische Juristen-Zeitung Österreichisch(en/es) Kommentar zum Handelsgesetzbuch, hrsg v Hartmut Oetker, 5. Aufl. 2017 Oberfinanzdirektion Umsatzsteuer, Loseblatt, Stand 306. EL 2018 Oberster Gerichtshof (für die britische Zone) bzw. Oberster Gerichtshof Wien Offene Handelsgesellschaft Steuerrecht in der Insolvenz, 2. Aufl. 2013 Oberlandesgericht OLG-Rechtsprechung Neue Länder Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts; hrsg v Mugdan und Folkmann (von 1900 bis 1928, Bände 1 bis 46) Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen (hrsg von Deisenhofer und Jansen) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24.5.1968 (BGBl I S 481; BGBl III/FNA 454–1) Protokolle zweiter Lesung zum Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches (zitiert nach der Guttentag’schen Ausgabe, 1888) Patentamt Pachtkreditgesetz idF vom 5.8.1951 (BGBl I S 494; BGBl III/ FNA 7813–1) Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 77. Aufl. 2018 NWB-Kommentar zum Insolvenzrecht, hrsg v Gerhard Pape und Christoph Uhländer, 2012 Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe vom 25.7.1994 (BGBl 1994, S 1744; BGBl III/FNA 4127–1) Patentanwaltsordnung vom 7.9.1966 (BGBl I S 557) Patentgesetz idF vom 16.12.1980 (BGBl I S 1; BGBl III/FNA 420–1) EuInsVO, Christoph G. Paulus, 5. Aufl. 2017 Pfandbriefgesetz vom 22.5.2005 (BGBl I S 1373; BGBl III/ FNA 7628–8)

XXIX

Abkürzungsverzeichnis PflegeZG PflVG

PlProt PrABG Preußische AGO PrGS Prölss/Martin PrOVG prPVG Prütting/Gehrlein PSV PSVaG PucheltsZ

RabelsZ RAG RAK Rau/Dürrwächter

RBÜ Pariser Fassung

RdA RdL RdTW Recht rechtskr RefE

RegBl RegE

Reischl Reul/Heckschen/Wienberg RFH RG RGBl RGes RGRK

XXX

Pflegezeitgesetz vom 28.5.2008 (BGBl I S 874, 896) Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) vom 5.4.1965 (BGBl I S 213; BGBl III/FNA 925–1) Stenographische Protokolle zu den Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten v. 24.6.1865 (GS S 705) Preußen Allgemeine Gerichtsordnung für die preußischen Staaten, 1815 Gesetzsammlung für die Kgl Preußischen Staaten (ab 1907: Preußische Gesetzsammlung; 1810–1945) Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, hrsg v Erich R. Prölss und Anton Martin, 30.Aufl. 2018 Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (bis 1918: KglPrOVG; 1.1877–106.1941) Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz vom 1.6.1931 (PrGS S 77) ZPO, Kommentar, 10. Aufl. 2018 Pensionssicherungsverein Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit Zeitschrift für französisches Zivilrecht (ab 31.1900: Zeitschrift für deutsches bürgerliches Recht und französisches Zivilrecht), begr v Puchelt (1.1870–38.1907) Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begr v Ernst Rabel Reichsarbeitsgericht Rechtsanwaltskammer Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, hrsg v Günter Rau, Erich Dürrwächter, Hans Flick und Reinhold Geist, Loseblatt, Stand 177. EL 2018 Revidierte Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst vom 13.11.1908 (RGBl 1910 S 965); in der revidierten Pariser Fassung vom 24.7.1971 (BGBl II 1973 S 1069) Recht der Arbeit Recht der Landwirtschaft Recht der Transportwirtschaft Das Recht (seit 1935 Beilage zur Deutschen Justiz) rechtskräftig Referentenentwurf, speziell: Referentenentwurf Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, hrsg v Bundesministerium der Justiz, 1989 Regierungsblatt Regierungsentwurf, speziell: Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drucks 12/2443, S 1 Insolvenzrecht, Klaus Reischl, 4. Aufl. 2016 Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Adolf Reul, Heribert Heckschen und Rüdiger Wienberg, 2012 Entscheidungen des Reichsfinanzhofs; amtliche Sammlung Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgesetz Das Bürgerliche Gesetzbuch: mit besonderer Berücksichti-

Abkürzungsverzeichnis

RGSt RG Warn

RGZ RHaftpflG

RHeimstG

RheinArch. Rh-Pf Rimmelspacher/Stürner RJA

RKnG RL Rn RNotZ ROHG Rosenberg/Schwab/Gottwald Roth Rowedder Rpfl Rs Rspr RStBl RT RT-Drucks Runkel/Schmidt RVG

RVO

s S sa

gung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes; Kommentar, hrsg v Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, 12. Aufl. 1975–1999 Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen; amtliche Sammlung Warneyer Rechtsprechung, Rechtsprechung der Reichsgerichte, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des RG abgedruckt ist, hrsg v Warneyer Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen; amtliche Sammlung Gesetz betreffend die Verbindlichkeit zum Schadensersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken usw herbeigeführten Tötungen und Verletzungen (Reichshaftpflichtgesetz) vom 7.6.1871 (RGBl S 207; BGBl III/FNA 935–1) Reichsheimstättengesetz vom 25.11.1937 (RGBl I S 1291; BGBl III/FNA 2332–1), aufgehoben durch Gesetz vom 17.6.1993 (BGBl I S 912). Archiv für Zivil- und Strafrecht der Königlich preußischen Rheinprovinz Rheinland-Pfalz Kreditsicherungsrecht, begr v Bruno Rimmelspacher, fortgef v Michael Stürner, 3. Aufl. 2017 Reichsjustizamt, Entscheidungssammlung in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Reichsknappschaftsgesetz idF vom 1.7.1926 (RGBl I S 369; BGBl III/FNA Nr 822–1); ersetzt durch SGB VI. Richtlinie Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Reichsoberhandelsgericht, Entscheidungssammlung des Reichsoberhandelsgerichts Zivilprozessrecht, begr v Leo Rosenberg, fortgef v Karl Heinz Schwab, Peter Gottwald, 18. Aufl. 2018 Insolvenzsteuerrecht, Jan Roth, 2. Aufl. 2015 Kommentar zum GmbHG, begr v Heinz Rowedder, hrsg v Christian Schmidt-Leithoff, 6. Aufl. 2017 Rechtspfleger; Der Deutsche Rechtspfleger Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt Reichstag Drucksachen des Reichstags (Nr, Wahlperiode, Jahr, Seite) Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, hrsg v Hans P. Runkel und Jens Schmidt, 3. Aufl. 2015 Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) vom 5.5.2004 (BGBl I S 718, 788; BGBl III/FNA 368–3) Reichsversicherungsordnung vom 19.7.1911 (RGBl I S 509) idF der Bekanntmachung vom 15.12.1924 (RGBl I S 779; BGBl III/FNA 820–1) siehe Seite siehe auch

XXXI

Abkürzungsverzeichnis SachR, SachenR SAE SächsArch

SächsOLG SächsRpfl SARpfl Sarwey/Bossert Schapp/Schur Schaub ScheckG SchiffsBG Schmidt Schmidt GesellschaftsR Schmidt HandelsR Schmidt InsO Schmidt SanierungsR Schmidt-Futterer Schmitz Schnitger/Fehrenbacher SchRegO Schreiber SchRG

SchuldR SchuldRAnpG

SeeArbG SeeR SeuffArch SeuffBl SGB SGG SJZ Slg Smid Smid Kreditsicherheiten Smid/Rattunde/Martini

XXXII

Sachenrecht Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozess (ab 14.1904: für Deutsches Bürgerliches Recht; 1.1891–15.1905) Annalen des sächsischen Oberlandesgerichts zu Dresden (von 1880 bis 1920) siehe SARpfl Sächsisches Archiv für Rechtspflege (1.1906–15.1920; N. F. 1.1921–3.1923) Konkursordnung für das Deutsche Reich, Otto Sarwey und G. Bossert, 4. Aufl. 1901 Sachenrecht, Jan Schapp und Wolfgang Schur, 4. Aufl. 2010 Arbeitsrechts-Handbuch, hrsg v Günter Schaub, 17. Aufl. 2017 Scheckgesetz vom 14.8.1933 (RGBl I S 597; BGBl III/FNA 4132–1) Gesetz über Schiffsbanken (Schiffsbankgesetz) idF v. 8.5.1963 (BGBl I S 301; BGBl III/FNA 7628–2) Einkommensteuergesetz, hrsg v Heinrich Weber-Grellet, 37. Aufl. 2018 Gesellschaftsrecht, Karsten Schmidt, 4. Aufl. 2002 Handelsrecht, Karsten Schmidt, 6. Aufl. 2013 Insolvenzordnung, Kommentar, hrsg v Karsten Schmidt, 19. Aufl. 2016 Sanierungsrecht, hrsg v Andreas Schmidt, 2015 Mietrecht, Kommentar, hrsg v Hubert Blank, 13. Aufl. 2017 Die Bauinsolvenz, Claus Schmitz, 6. Aufl. 2015 Kommentar Körperschaftsteuergesetz, hrsg v Oliver Fehrenbacher und Arne Schnitger, 2. Aufl. 2018 Schiffsregisterordnung idF der Bekanntmachung vom 26.5.1951 (BGBl I S 360) Sachenrecht, Christoph Schreiber, 7. Aufl. 2018 Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken (Schiffsrechtegesetz) vom 15.11.1940 (RGBl I S 1499; BGBl III/FNA 403–4) Schuldrecht Gesetz zur Anpassung schuldrechtlicher Nutzungsverhältnisse an Grundstücken im Beitrittsgebiet (Schuldrechtsanpassungsgesetz) vom 21.9.1994 (BGBl I S 2538) Seearbeitsgesetz v 20.4.2013, BGBl I 868 Seerecht Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Seufferts Blätter für Rechtsanwendung in Bayern Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz idF vom 23.9.1975 (BGBl I S 2535; BGBl III/FNA 330–1) Süddeutsche Juristenzeitung Sammlung Handbuch Insolvenzrecht, Stefan Smid, 6. Aufl. 2012 Kreditsicherheiten in der Insolvenz, Stefan Smid, 3. Aufl. 2015 Der Insolvenzplan, 4. Aufl. 2015

Abkürzungsverzeichnis so Sölch/Ringleb Soergel sog Sonnleitner SozplG

SozR Sp Spindler/Stilz SprAuG StaatsbankG Staub Staudinger

Stb StBerG std Stein/Jonas stenogr Bericht

Stephan/Riedel SteuerR StGB Stöber StPO str StuW StVG 1. StVRG

StW su teilw Thomas/Putzo ThürBl Tipke/Kruse

siehe oben Umsatzsteuergesetz, hrsg v Wilfried Wagner, Loseblatt, Stand 83. EL 2018 Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Kommentar, 13. Aufl. 2000 ff sogenannte(s/r) Insolvenzsteuerrecht, hrsg v Wolfgang Sonnleitner, 2017 Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20.2.1985 (außer Kraft mit Ablauf des 31.12.1998) Sozialrecht Spalte Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg v Gerald Spindler und Eberhard Stilz, 3. Aufl. 2015 Sprecherausschußgesetz vom 20.12.1988 (BGBl I S 2312 (S 2316) Gesetz über die Staatsbank Berlin vom 29.6.1990 (GBl DDR I Nr 38, S 504) Handelsgesetzbuch, Großkommentar, begr v Hermann Staub, 5. Aufl. 2008 ff Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, mit angegebenem Bearbeitungsstand Steuerberater Steuerberatungsgesetz idF vom 4.11.1975 (BGBl I S 2735; BGBl III/FNA 610–10) ständig(e) Kommentar zur Zivilprozessordnung, Friedrich Stein und Martin Jonas, 22.Aufl., 2002–2013, 23. Aufl. ab 2014 Verhandlungen des Reichstags, Stenographischer Bericht nebst Anlagen (zitiert nach Legislaturperiode, Session, Band, Seite) Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung – InsVV, 2010 Steuerrecht Strafgesetzbuch idF vom 13.11.1998 (BGBl I S 3322; BGBl III/FNA 450–2) Zwangsversteigerungsgesetz, Kommentar, Kurt Stöber, 21. Aufl. 2016 Strafprozessordnung idF vom 7.4.1987 (BGBl I S 1074, 1319; BGBl III/FNA 312–2) streitig Steuer und Wirtschaft Straßenverkehrsgesetz vom 19.12.1952 (BGBl I S 837; BGBl III/FNA 9231–1) 1. Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 9.12.1974 (BGBl I S 3393 und S 3533; BGBl III/FNA 312–8–1) Steuer-Warte (1.1922 ff; 23.1950 ff) siehe unten teilweise ZPO, Kommentar, 39. Aufl. 2018 Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt (1854– 1918) Abgabenordnung, Kommentar, Klaus Tipke und Heinrich Wilhelm Kruse, Loseblatt, Stand 152. EL 2018

XXXIII

Abkürzungsverzeichnis Tipke/Lang Tit TRG

TzBfG

ua uä UBGG ÜG UFITA UG Uhlenbruck Uhlenbruck/Pape/Voigt-Salus UmwG UrhG

UrhR Urt usf USG

UStG UStR usw uU UWG

v v Westphalen VAG

Vallender Vallender/Undritz Var VerBAV VerbrKrG vergl Verh VermA

XXXIV

Steuerrecht, Klaus Tipke und Joachim Lang, 23. Aufl. 2018 Titel Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts (Tranportrechtsreformgesetz) vom 25.6.1998 (BGBl I S 1588; BGBl III/FNA 4100–1/2). Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21.12.2000 (BGBl I S 1966) und andere(m) und ähnliche(s) Gesetz über Unternehmensbeteiligungen vom 17.12.1986 (BGBl I S 2488; BGBl III/FNA 4126–1) Überweisungsgesetz vom 21.07.1999 (BGBl I S 1642; BGBl III/FNA 311–13) Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) Insolvenzordnung, Kommentar, hrsg v Wilhelm Uhlenbruck, Heribert Hirte und Heinz Vallender, 14. Aufl. 2015 Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2010 Umwandlungsgesetz vom 28.10.1994 (BGBl I S 3210; BGBl III/FNA 4120–9–2) Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9.9.1965 (BGBl I S 1273; BGBl III/ FNA 440–1) Urheberrecht Urteil und so fort Gesetz über die Sicherung des Unterhalts der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen und ihrer Angehörigen (Unterhaltssicherungsgesetz) vom 26.7.1957 (BGBl I S 1046, BGBl III/FNA 53–3) Umsatzsteuergesetz idF der Bekanntmachung vom 9.6.1999 (BGBl I S 1270; BGBl III/FNA 611–10–14) Umsatzsteuer-Rundschau (Beilage zur Finanzrundschau) und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3.7.2004 (BGBl I S 1414; BGBl III/FNA 43–7) vom Der Leasingvertrag, hrsg v Friedrich Graf von Westphalen, 7. Aufl. 2015 Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen (Versicherungsaufsichtsgesetz) idF vom 17.12.1992 (BGBl 1993 I S 2; BGBl III/FNA 7631–1) EuInsVO, hrsg v Heinz Vallender, 2017 Praxis des Insolvenzrechts, 2. Aufl. 2017 Variante Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen Verbraucherkreditgesetz idF der Bekanntmachung vom 29.7.2000 (BGBl I S 940; BGBl III/FNA 402–6) vergleiche Verhandlungen Vermittlungsausschuss

Abkürzungsverzeichnis VermBG

VermG

VersR VerwZG VerZSe Vf Vfg VG VGH vgl VglO VGS VIA VO VOB/B VOBl Voraufl Vorbem vorl VuR VVG

VwGO VwVG

Warn

WarnRspr

Waza/Uhländer/Schmittmann WEG

Westermann/Wertenbruch

WG Wieczorek/Schütze

Fünftes Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer 5. Vermögensbildungsgesetz idF der Bekanntmachung vom 4.3.1994 (BGBl I S 406; BGBl III/FNA 800–9) Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG) idF der Bekanntmachung vom 9.2.2005 (BGBl I S 205; BGBl III/FNA III-19) Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Verwaltungszustellungsgesetz vom 3.7.1952 (BGBl I S 379; BGBl III/FNA 201–3) Vereinigte Zivilsenate Verfahren Verfügung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vergleichsordnung vom 7.12.1990 (BGBl I S 2847; BGBl III/FNA 311–1) Vereinigte Große Senate Verbraucherinsolvenz aktuell Verordnung Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Fassung 2009; Bundesanzeiger 2009, Nr 155 Verordnungsblatt Vorauflage Vorbemerkung vorläufig Verbraucher und Recht Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) vom 30.5.1908 (RGBl S 263; BGBl III/FNA 7632–1) Verwaltungsgerichtsordnung vom 21.1.1960 (BGBl I S 17; BGBl III/FNA 340–1) (Bundes-)Verwaltungsvollstreckungsgesetz vom 27.4.1953 (BGBl I S 157; BGBl III/FNA 201–4) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, als Fortsetzung der von Otto Warneyer herausgegebenen Rechtsprechung des Reichsgerichts (1959/60 ff) Warneyer, Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des RG abgedruckt ist, hrsg v Warneyer Insolvenzen und Steuern, Thomas Waza, Christoph Uhländer und Jens M. Schmittmann, 11. Aufl. 2015 Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) vom 15.3.1951 (BGBl I S 175; ber. S 209; BGBl III/FNA 403–1) Handbuch Personengesellschaften, hrsg von Harm Peter Westermann und Johannes Wertenbruch, Loseblatt, Stand 71 EL 2018 Wechselgesetz vom 21.6.1933 (RGBl I S 399; BGBl III/FNA 4133–1) Zivilprozessordnung und Nebengesetze, Goßkommentar, begr v Bernhard Wieczorek, hrsg v Rolf A. Schütze, 4. Aufl. 2012 ff

XXXV

Abkürzungsverzeichnis Wieling WiGBl 1. WiKG Wilhelm Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl WM wN WoBindG

Wolf/Neuner Wolff/Raiser WoPG WPg WPO

WuB WürttNotZ WuM z ZAkDR zB ZBB ZBlFG ZDG Zeuner ZfA ZfB ZfbF ZfG ZfIR ZGR ZHR

Ziff Zimmer ZInsO ZIP ZKW ZMR Zöller ZPO

XXXVI

Sachenrecht, Hans Josef Wieling, 5. Aufl. 2007 Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets (1.1947–3.1949) Erstes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 29.7.1976 (BGBl I S 2034; BGBl III/FNA 453–18–1) Sachenrecht, Jan Wilhelm, 5. Aufl. 2016 Insolvenzrecht, Handbuch des Fachanwalts, 8. Aufl. 2018 Wertpapier-Mitteilungen (Teil IV, Wirtschafts-, Wertpapierund Bankrecht) weitere Nachweise Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsgesetz) idF der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I S 2404; BGBlIII/FNA 2330–14) Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, von Manfred Wolf und Jörg Neuner, 11. Aufl. 2016 Sachenrecht, Martin Wolff und Ludwig Raiser, 10. Aufl. 1957 Wohnungsbau-Prämiengesetz (WoPG 1996) idF vom 30.10.1997 (BGBl I 2678; BGBl III/FNA 2330–9) Die Wirtschaftsprüfung Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung) idF vom 5.11.1975 (BGBl I S 2803; BGBl III/FNA 702–1) Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Zeitschrift des Württembergischen Notarvereins Wohnungswirtschaft und Mietrecht zur Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zentralblatt für die freiwillige Gerichtsbarkeit und Notariat Zivildienstgesetz idF der Bekanntmachung vom 17.5.2005 (BGBl I S 1346) Die Anfechtung in der Insolvenz, Mark Zeuner, 2. Aufl. 2007 Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (bis 1960 = Band 123: Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht) Ziffer InsVV, Frank Thomas Zimmer, 2017 Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung, Kommentar, begr v Richard Zöller, 32. Aufl. 2018 Zivilprozeßordnung idF vom 5.12.2005 (BGBl I S 3202; BGBl III/FNA 310–4)

Abkürzungsverzeichnis ZPR ZRP zust zutr ZVersWiss ZVG

ZVI Zwanziger ZZP

Zivilprozessrecht Zeitschrift für Rechtspolitik zustimmend zutreffend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) vom 24.3.1897 (RGBl S 97; BGBl III/FNA 310–14) Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung, Betram Zwanziger, 5. Aufl. 2015 Zeitschrift für Zivilprozess

XXXVII

Abkürzungsverzeichnis

XXXVIII

Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

SECHSTER TEIL Insolvenzplan

Vorbemerkungen zu §§ 217–269 Literatur (a) Allgemeine Grundlagen: Achsnik Options-Modelle im Insolvenzplanverfahren (2002) [Bespr Hinrichs ZZP 116 (2003), 235]; Beutler Praktische Fallstricke im Insolvenzplanverfahren, FS Wellensiek (2011) S 627; Bilgery Der schlanke Insolvenzplan, DZWIR 2001, 316; Bork Der Insolvenzplan, ZZP 109 (1996), 473; Blaurock Die Stellung des stillen Gesellschafters bei Sanierung des Geschäftsinhabers im Insolvenzplanverfahren, FS R Stürner (2013) S 659; Börner/Terpitz Insolvenzplanverfahren – Option einer gerichtlichen Sanierung, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg (Hrsg), Handbuch Unternehmensrestrukturierung (2016), S 1283; Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz. Grundlagen, Gestaltungsmöglichkeiten, 1997, S 423–689; Brinkmann Wege aus der Insolvenz eines Unternehmens – oder: Die Gesellschafter als Sanierungshindernis, WM 2011, 97; Brünkmanns/Thole/Beck Handbuch Insolvenzplan (2016) [Hdb IP]; Bulgrin Die strategische Insolvenz (2016) [SUK 31], insbes S 63 ff [E] (Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzplan); Burger Das deutsche „einheitliche“ Insolvenzverfahren unter besonderer Berücksichtigung des Insolvenzplans, FS Koren (1993), S 363; Burger/ Schellberg Der Insolvenzplan im neuen Insolvenzrecht, DB 1994, 1833; Buth/Hermanns Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz (20144) [RSI] – § 29: Insolvenzplanverfahren; Cranshaw Schranken missbräuchlicher Insolvenzpläne – Konkurrenzen zwischen Schuldner und Absonderungsberechtigten, ZfIR 2017, 690; Dinstühler Der Insolvenzplan gem. den §§ 217–269, InVo 1998, 333; Drukarczyk Insolvenzplan und Obstruktionsverbot [RD WiWi 315] (1988); Ehlers Insolvenzplanverfahren – die Alternative, DStR 2010, 2525; Ehlers Krisenberater unter Druck, BB 2014, 131, 135; Eidenmüller Der Insolvenzplan als gesellschaftsrechtliches Universalwerkzeug, NJW 2014, 17; Engberding Was leistet der Insolvenzplan im neuen Insolvenzrecht?, DZWiR 1998, 94; Evers/Möhlmann Feststellung eines Insolvenzplans – Überlegungen aus verfahrensrechtlicher und ökonomischer Perspektive, ZInsO 1999, 21; Frank Der verfahrensleitende Insolvenzplan, FS E Braun (2007) S 226; Frege/Keller/Riedel Handbuch der Rechtspraxis Bd 3: Insolvenzrecht (20158) [HdR] Rn 1907–2017; Frind Die Grenze zwischen Gestaltung und Manipulation im Insolvenzplanverfahren, NZI 2007, 374; Gaul Tradition, Stagnation und schrittweiser Fortschritt im Insolvenzrecht: eine Zwischenbilanz der neuen Rechtsinstitute: Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren, LA Henckel (2015), S 119, 124 ff. [IV]; Gaul Zur Struktur und Wirkungsweise des Insolvenzplans als „privatautonomes“ Instrument der Haftungsverwirklichung, FS U Huber (2006) S 1187; Gerster Insolvenzplan, „das unbekannte Wesen“ oder „der Maßanzug des Insolvenzrechts“?, ZInsO 2008, 437; Hänel Gläubigerautonomie und Insolvenzplanverfahren (2000); Heese Die Funktion des Insolvenzrechts im Wettbewerb der Rechtsordnungen – Kritische Bemerkungen zur fortschreitenden Rezeption einer Sanierungskultur US-amerikanischer Provenienz [JSR 42] (2018); Heinrich Der Insolvenzplan – Verfahrensbeendend! Verfahrensbegleitend?, NZI 2008, 74; Henckel Deregulierung in Insolvenzverfahren, KTS 1989, 477; Hermann/Zistler Der Insolvenzplan – Eine Plage für das Gericht, oder eine elegante Lösung?, ZInsO 2018, 10; Hermanns/Buth Der Insolvenzplan als Sanierungsplan, DStR 1997, 1178; Hess Vom Sanierungskonzept zum Insolvenzplan, WPg 2009, 299; Hess/Obermüller Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz (20033), S 1–159; Herzig Das Insolvenzplanverfahren (2001); Hess/ Weis Der Insolvenzplan, WM 1998, 2349; Hingerl Sanierung nach Plan – Entwicklungen, Erfahrungen, Chancen, ZInsO 2008, 404; Hingerl Insolvenzplanverfahren: Schnelle Sanierung versus optimale Gläubigerbefriedigung bei fehlender Nachtragsverteilung, ZInsO 2010, 1876; Hingerl Zwei fehlende Bausteine im System des Insolvenzplanverfahrens, ZInsO 2016, 2238; Huelsdunk Liquidation oder

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Reorganisation im Insolvenzplan, KTS 1999, 291; Jacobi Insolvenzplan als Qualitätsmerkmal, ZInsO 2010, 2316; Kaltmeyer Der Insolvenzplan als Sanierungsmittel des Schuldners – Unter Berücksichtigung des EGInsOÄndG v. 19.12.1998, ZInsO 1999, 255 und 316; Kassing Mediation im Insolvenzplanverfahren – eine Verhandlungstechnik zur Durchsetzung von Insolvenzplänen?, ZInsO 1999, 266; Klöker Der Insolvenzplan, sj 2008, Nr 4, 43; Kranzusch Sanierungen insolventer Unternehmen mittels Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2007, 804; Kowalewski Unternehmensfinanzierung im Rahmen der gerichtlichen Sanierung, in: Paulus/Knecht (Hrsg) Gerichtliche Sanierung (2018), § 5 (S 406–427); Kübler Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz (20152) [HRI]; Kußmaul/Steffan Insolvenzplanverfahren: Der prepackaged Plan als Sanierungsalternative, DB 2000, 1849; Lissner Planlos? Eine kleine Übersicht zum Insolvenzplan, DGVZ 2017, 68; Löser Praktische Probleme der Sanierung im Insolvenzplanverfahren (2016), S 52–84; Madaus Der Insolvenzplan – Von seiner dogmatischen Deutung als Vertrag und seiner Fortentwicklung in eine Bestätigungsinsolvenz [IP 157] (2011) m Bespr Haarmeyer ZinsO 2011, 914; Madaus Möglichkeiten und Grenzen von Insolvenzplanregelungen, ZIP 2016, 1141; Madaus/Geiwitz Sanierungsoptionen im Insolvenzrecht, in: Paulus/Knecht (Hrsg) Gerichtliche Sanierung (2018), § 2 [S 83–174]; Mai Insolvenzplanverfahren (2008); Martini/Horstkotte Häufige Fehler bei der Aufstellung von Insolvenzplänen und der Durchführung von Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2017, 1913; Maus Der Insolvenzplan, Kölner Schrift InsO (20002) S 931–965 bzw (20093) S 743–766; Michels „Nachzügler“ im Insolvenzplanverfahren (2014); Paffenholz/Kranzusch Insolvenzplanverfahren – Sanierungsoption für mittelständische Unternehmen (2007); C G Paulus Grundlagen des neuen Insolvenzrechts – Liquidations- und Planverfahren, DStR 2004, 1568, 1573–1575; Paulus/Knecht (Hrsg) Gerichtliche Sanierung (2018) [siehe auch Bespr Saegon NZI 2018, 481]; Rendels/Zabel Insolvenzplan (20152); Riggert Das Insolvenzplanverfahren – Strategische Probleme aus der Sicht absonderungsberechtigter Banken, WM 1998, 1521; Rugullis Schuldenbereinigungsplan und Insolvenzplan – ein Rechtsfolgenvergleich, NZI 2013, 869; Schiessler Der Insolvenzplan (1997); Schmittmann Sanierung mittels Insolvenzplanverfahren, VR 2009, 289; Schulz/Schröder Insolvenzplanverfahren (Kap 2), in: Schulz, Restrukturierungspraxis (2010) S 43; Segmiller Kapitalmaßnahmen im Insolvenzplan (2013); Seibt/Bulgrin Strategische Insolvenz: Insolvenzplanverfahren als Gestaltungsinstrument zur Überwindung bestandsgefährdender Umstände, ZIP 2017, 353; Simon/ Brünkmans Die Ausgliederung von sanierungswürdigen Betriebsteilen mithilfe des Insolvenzplanverfahrens nach ESUG: Verdrängt die Gläubigerautonomie den institutionalisierten Gläubigerschutz des Umwandlungsgesetzes?, ZIP 2014, 657; Skauradszun/Spahlinger/Tresselt Insolvenzpläne auf dem Prüfstand, DZWIR 2015, 539; Smid Sanierung durch Insolvenzplan – Bemerkungen zur Theorie über praktische Fragen, NZI 2000, 454; Smid/Rattunde Sanierungsverfahren nach neuem Insolvenzrecht, WM 1998, 2489; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan: Handbuch für das Sanierungsverfahren gemäß §§ 217 bis 269 InsO mit praktischen Beispielen und Musterverfügungen (20154); Stapper Die Praxis der Arbeit mit Insolvenzplänen oder die Insuffizienz des Insolvenzplans: Diagnose und Therapie, ZInsO 2009, 2361; Theiselmann Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts – Kap 17: Das Insolvenzplanverfahren (20173) S 845–900; Uhlenbruck Das neue Insolvenzrecht als Herausforderung für die Beratungspraxis, BB 1998, 2009, 2014–2020; Uhlenbruck Zehn Jahre Insolvenzordnung – eine kritische Zwischenbilanz, NZI 2009, 1, 4–5; Undritz Restrukturierung in der Insolvenz, ZGR 2010, 201; Wallner Partielle Universalsukzession durch Insolvenzplan, ZInsO 2010, 1419; Warrikoff Die Möglichkeiten zum Unternehmenserhalt nach dem neuen Insolvenzrecht, KTS 1996, 500; Warrikoff Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzplan, KTS 1997, 527; Wutzke Der fehlgeplante Plan – Apsekte der praktischen Undurchführbarkeit von Insolvenzplänen, ZInsO 1999, 1; Zipperer Der Insolvenzplan als Kernstück jeder Sanierung, InsBüro 2018, 18. – Rechtsprechungsübersicht: Paul ZInsO 2007, 856; 2008, 843; 2009, 1330; 2010, 1134; 2011, 610; 2012, 613; 2013, 1505; 2014, 636; 2015, 783; 2016, 665; 2017, 747; 2018, 1027; wegen Planmustern siehe die Angaben bei § 219. (b) Konkrete Anwendungen: Böcker Das ESUG in der praktischen Anwendung im Fall Suhrkamp, ZInsO 2015, 773; Böcker Gesellschaftsrecht versus Insolvenzrecht oder Suhrkamp: Verfall eines Verlages, DZWIR 2014, 331; Fritze Sanierung von Groß- und Konzernunternehmen durch Insolvenzpläne – Der Fall Senator Entertainment AG, DZWIR 2007, 89; Georg Insolvenzplanverfahren: Erste Erfahrungen, ZInsO 2000, 93; Friedhoff Sanierung einer Firma durch Eigenverwaltung und Insolvenzplan, ZIP 2002, 197; Heinrich Neues von „Phoenix“ – Eine Anmerkung zum Insolvenzplanverfahren, NZI 2009, 546; Lang/Muschalle Suhrkamp-Verlag – Rechtsmissbräuchlichkeit eines rechtmäßig eingeleiteten Insolvenzverfahrens, NZI 2013, 593; Madaus Schutzschirme für streitende Gesellschafter? – Die Lehren aus dem Suhrkamp-Verfahren für die Auslegung des neuen Insolvenz-

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

rechts, ZIP 2014, 500; Meyer Der Plan ist umgesetzt, doch manche Frage offen – Zwischenfazit zum Suhrkamp-Insolvenzverfahren, DB 2015, 538; Möhlenkamp Flucht nach vorn in die Insolvenz – funktioniert Suhrkamp?, BB 2013, 2828; Rattunde Sanierung von Großunternehmen durch Insolvenzpläne – Der Fall Herlitz, ZIP 2003, 596; Schäfer Insolvenzplan als Lösungsmittel für Mehrheits-/Minderheitskonflikte? – Lehren aus dem Fall Suhrkamp, ZIP 2013, 2237; Schäfer Suhrkamp und die Folgen – Konsequenzen aus dem vorläufigen Abschluss des Suhrkamp-Verfahrens, ZIP 2015, 1208; Schreiber/Herbst Insolvenzplanverfahren mit Hürden – Die Rettung einer mittelständischen Brauerei in der Insolvenz, ZInsO 2008, 435; H P Westermann Der „Suhrkamp“-Gesellschafter unter dem Schutzschirm der Gesellschaftsinsolvenz, NZG 2015, 134. (c) Spezielle Anwendungen: Beuthien/Titze, Offene Probleme beim Insolvenzverfahren der eingetragenen Genossenschaft, ZIP 2002, 1116; Bremer Insolvenzplan: Fortführung betrieblicher Altersversorgung durch den Arbeitgeber, DB 2011, 875; Flitsch/Chardon Die Rechtsstellung des PensionSicherungs-Verein aG im Insolvenzplanverfahren, DZWIR 2004, 485; Frank/Heinrich Insolvenzgeldansprüche von Arbeitnehmern nach einem gerichtlich bestätigten Insolvenzplan – Divergenzen zwischen Sozial- und Insolvenzrecht, NZI 2011, 569; Graf/Wunsch Eigenverwaltung und Insolvenzplan – gangbarer Weg in der Insolvenz von Freiberuflern und Handwerkern?, ZIP 2001, 1029 und ZVI 2005, 105; Grub Der Besserungsanspruch des Pensions-Sicherungs-Vereins im Insolvenzplanverfahren, FS Ganter (2010) S 3; Hirte/Mock Vorzugsaktien im Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2009, 1129; Madaus Umwandlungen als Gegenstand eines Insolvenzplans nach dem ESUG, ZIP 2012, 2133; Niering Sozialplanansprüche als Stolperstein im Insolvenzplan, NZI 2010, 285; Oberhofer Insolvenzplan und Arbeitsrecht, ZInsO 1999, 439; Paul Zulässigkeit eines Insolvenzplanes im masseunzulänglichen Verfahren? ZInsO 2005, 1136; Paul Die Rechtsstellung des Unterhaltsgläubigers im Insolvenz(plan-)verfahren, DZWIR 2009, 186; Rieger Verpflichtungen aus betrieblicher Altersversorgung in Insolvenzplänen, NZI 2013, 671; Runkel/Schulte Sanierung eines kommunalen Krankenhauses durch Eigenverwaltung und Insolvenzplan, ZIP 2008, 852; Scheibner Zu Besonderheiten beim Insolvenzplan in eingetragenen Genossenschaften, DZWIR 1999, 2; Schmittmann, Vermögensverfall, Insolvenzplan und Notaramt, ZInsO 2006, 419; Smid Pläne bei Masseunzulänglichkeit, ZInsO 2017, 2085; Terbrack Insolvenzpläne betreffend eingetragene Genossenschaften, ZInsO 2001, 1027; Tetzlaff Rechtliche Probleme in der Insolvenz des Selbstständigen, ZInsO 2005, 393; Uhlenbruck Konzerninsolvenzrecht über einen Insolvenzplan, NZI 1999, 41; Uhlenbruck Widerruf von betrieblichen Versorgungszusagen wegen wirtschaftlicher Notlage? – Zur Rechtsstellung des PSV aG im außergerichtlichen Vergleich und im Insolvenzplanverfahren, KSI 2:4 (2006), 121; Wienberg/Dellit Masse- sowie Planquotenunzulänglichkeit im Insolvenzplanverfahren, FS Kübler (2015) S 805; Wohlleben Insolvenzplan zur Fortführung von Unternehmen mit betrieblicher Altersversorgung, FS Wellensiek (2011) S 691; Zimmer Insolvenzplan bei Masseunzulänglichkeit nach § 210a InsO (ESUG), ZInsO 2012, 390. Insbesondere: (aa) Eigenverwaltung: Bales Insolvenzplan und Eigenverwaltung – Chancen für einen Neustart im Rahmen der Sanierung und Insolvenz, NZI 2008, 216; Brinkmann/Zipperer Die Eigenverwaltung nach dem ESUG aus Sicht von Wissenschaft und Praxis, ZIP 2011, 1337; Buchalik Faktoren einer erfolgreichen Eigenverwaltung, NZI 2000, 294; Buchalik/Stahlschmidt Die neue richterliche Zuständigkeit bei Insolvenzplänen in Eigenverwaltung – ein Erfahrungsbericht, ZInsO 2014, 1144; Frind Problemanalyse zu geplanten Neuregelungen des Plan- und Eigenverwaltungsverfahrens nebst Insolvenzstatistik, ZInsO 2011, 656; Fritze/Rattunde Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltung, 2010, 143; Fröhlich/Bächstädt Erfolgsaussichten eines Insolvenzplans in Eigenverwaltung, ZInsO 2011, 985; Hölzle Insolvenzplan auf Initiative des vorläufigen Sachwalters im Schutzschirmverfahren – Oder: Wer erstellt und wer bezahlt den Insolvenzplan im Verfahren nach § 270b InsO? ZIP 2012, 855; Huntemann/Dietrich Eigenverwaltung und Sanierungsplan – der verkannte Sanierungsweg, ZInsO 2001, 13; Kranzusch Die Eigenverwaltung im Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2008, 1346; Lau Der Debt-Equity-Swap als Übernahmeinstrument in eigenverwalteten Insolvenzplanverfahren (2016); Mönning/Schäfer/Schiller Sanierung unter dem Schutzschirm – strategische Insolvenz im Zeitraffer, BB Beilage 2017/1 S 1; Paul/Rudow Eigenverwaltung und Insolvenzplan bei KMUs, NZI 2016, 385; Piepenburg Faktisches Konzerninsolvenzrecht am Beispiel Babcock Borsig, NZI 2004, 231; Schneider/Höpfner Die Sanierung von Konzernen durch Eigenverwaltung und Insolvenzplan, BB 2012, 87; Smid Vorprüfung des Insolvenzplans, insbesondere Schutzschirm- und Eigenverwaltungsverfahren, ZInsO 2016, 61 und 128; Spies Insolvenzplan und Eigenverwaltung, ZInsO 2005, 1254; Schmudde/Vorwerk Die Facetten des Insolvenzplanverfahrens, ZInsO 2006, 347; Wehdeking/Smid Soll die Anordnung der Eigenverwaltung voraussetzen, dass der Schuldner dem Insol-

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Sechster Teil. Insolvenzplan

venzgericht einen „pre-packaged“ Insolvenzplan vorlegt?, ZInsO 2010, 1713; Wuschek Eigenverwaltung gewinnt an Bedeutung, ZInsO 2012, 110. (bb) Verbraucherinsolvenz: Beyer Insolvenzplanverfahren bei natürlichen Personen, ZVI 2013, 334 und 2014, 289; Blankenburg Probleme des Insolvenzplans in Kleinverfahren, ZInsO 2015, 1293; Frind Das hindernisreiche Insolvenz-Planverfahren für natürliche Personen, BB 2014, 2179; Frind Störeinflüsse im Privatinsolvenz-Planverfahren, ZInsO 2014, 280; Hänel/Harig Der Teilinsolvenzplan zur Erlangung vorzeitiger Restschuldbefreiung, ZVI 2015, 282; Harder Insolvenzplan für alle? – Die Reform der außergerichtlichen und gerichtlichen Schuldenbereinigung, NZI 2013, 70; Heyer Der Insolvenzplan im Verbraucherinsolvenzverfahren – gut gemeint, aber schlecht gemacht, ZVI 2012, 321; Hingerl Verkürzung des Verbraucherinsolvenzverfahrens durch Insolvenzplan, ZVI 2012, 258; Laroche/Harder Keine Angst vor dem Insolvenzplan!, VIA 2014, 81; Laroche/Siebert Neuerungen bei Versagung und Erteilung der Restschuldbefreiung, NZI 2014, 541; Lissner Ad meliorem – der Insolvenzplan im Verbraucherverfahren: Segen oder Utopie?, ZInsO 2014, 2480; Lissner Die neuen Wege aus der Schuldenfalle, ZInsO 2014, 1150; Lissner Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und der neue Insolvenzplan im Verbraucherverfahren – ein Wettstreit der Systeme?, ZInsO 2014, 1835; Madaus Insolvenzpläne im Verbraucherinsolvenzverfahren, NZI 2017, 697; Rein Der Insolvenzplan im Verbraucherinsolvenzverfahren, ZVI 2014, 239; Rugullis Schuldenbereinigungsplan und Insolvenzplan – ein Rechtsfolgenvergleich, NZI 2013, 869; Stapper Insolvenzplan bei natürlichen Personen – Schnelle und effektive Restschuldbefreiung, ZVI 2018, 303; Stephan Die „vergessenen Gläubiger“ im Verbraucherinsolvenzplan, NZI 2014, 539; Wiedenhaupt Insolvenzplan für Strafgefangene, ZVI 2014, 439; Wipperfürth Insolvenzplan im Verbraucherinsolvenzverfahren: viel Wind um ein „laues Lüftchen“?, InsbürO 2016, 281. (d) Alternativen für Sanierungen: van Betteray/Gass Vorverträge, Asset Deals und Unternehmenskaufverträge in der Insolvenz, BB 2004, 2309; Bitter/Laspeyres Rechtsträgerspezifische Berechtigungen als Hindernis übertragender Sanierung, ZIP 2010, 1157; Bork, Grundfragen des Restrukturierungsrechts – Prolegomena zu einer Reform des deutschen Insolvenzrechts, ZIP 2010, 397; Brühl/Göpfert Unternehmensrestrukturierung: Strategien, Konzepte und Praxiserfahrungen (20142); Buth/Hermanns Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz (2014) [RSI]; Eidenmüller Insolvenzbewältigung durch Reorganisation, in Ott/Schäfer (Hrsg): Effiziente Verhaltenssteuerung und Kooperation im Zivilrecht (1997) S 145; Eidenmüller Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz (1999); Eidenmüller Reformperspektiven im Restrukturierungsrecht, ZIP 2010, 649; Eidenmüller Unternehmenssanierung nach der Insolvenzrechtsreform 2011, in: Habersack/Mülbert/Nobbe/Wittig (Hrsg), Stärkung des Anlegerschutzes – Neuer Rechtsrahmen für Sanierungen: Bankrechtstag 2011 (2012), 129; Eidenmüller Strategische Insolvenz: Möglichkeiten, Grenzen, Rechtsvergleichung, ZIP 2014, 1197; Flessner Sanierung und Reorganisation [AIP 48] (1982); Frind Die Sicherstellung eines nachhaltigen Sanierungsergebnisses im Insolvenzverfahren – Möglichkeiten der Insolvenzgerichte bei den verschiedenen Sanierungsvarianten, ZInsO 2015, 2249, 2309, 2358; Ganter Von der Beständigkeit rechtspolitischer Richtungsentscheidungen – Der Kampf für und gegen ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren, FS Wimmer (2017) S 187; Gless/Undritz/Lambrecht Sanierung im Insolvenzverfahren, in: Brühl/Göpfert, Unternehmensrestrukturierung (20142), S 261; P J Groß Sanierung durch Fortführungsgesellschaften(19882), S 255 ff; P J Groß Grundsatzfragen der Unternehmenssanierung, DStR 1991, 1572; Hagebusch/Oberle Gläubigerbefriedigung durch Unternehmenssanierung: Die übertragende Sanierung – eine Bestandsaufnahme vor dem Hintergrund jüngster InsO-Reformen, NZI 2006, 618; Hölzle Unternehmenssanierung außerhalb der Insolvenz – Überlegungen zu einem Sanierungsvergleichsgesetz, NZI 2010, 207; Huelsdunk Liquidation oder Reorganisation im Insolvenzplan – Alternativen aus der Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts, KTS 1999, 291; Jacoby Vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren, ZGR 2010, 359; Kuth Die „wertlosen Gesellschaftsanteile“ – der Stein des Anstoßes im Sanierungs-Insolvenzplan, ZInsO 2002, 258; Knieper Konkurs und Sanierung, BB 1977, 622; KohlerGehrig Außergerichtlicher Vergleich zur Schuldenbereinigung und Sanierung, 1987; Künne Außergerichtliche Vergleichsordnung (19687); Madaus Aktivierung des Planverfahrens als Sanierungsverfahren durch Zulassung einer Bestätigungsinsolvenz (pre-voted bankruptcy), NZI 2011, 622; Madaus Restrukturierungsverfahren mit Insolvenzprinzipien und Insolvenzverfahren mit Restrukturierungsziel? Eine Betrachtung der Grundannahmen des Insolvenz- und Restrukturierungsrechts, FS Wimmer (2017) S 446; Mühl Der außergerichtliche Liquidationsvergleich, NJW 1956, 401; Müller-Feldhammer Die übertragende Sanierung – ein ungelöstes Problem der Insolvenzrechtsreform, ZIP 2003, 2186; C G Paulus Die Insolvenz als Sanierungschance – ein Plädoyer, ZGR 2005, 309; Paulus/Knecht

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Joachim Münch

Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

Verfahrensansätze zur Sanierung von Unternehmen, in: Paulus/Knecht (Hrsg) Gerichtliche Sanierung (2018), § 1 [S 1–82]; Piekenbrock Empfiehlt sich angesichts der Wirtschaftskrise die Einführung eines gesonderten Restrukturierungsverfahrens?, ZVglRWiss 108 (2009), 242; Priebe Übertragende Sanierung und Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2011, 467; Rattunde Sanierung durch Insolvenz, ZIP 2003, 2103; Reiner, Rechtliche Anforderungen an Sanierungskonzepte, WM 2018, 993; Risse Betriebswirtschaftliche Aspekte der Sanierung durch Unternehmensfortführung nach der Insolvenzordnung, KTS 1994, 465; Schmerbach/Staufenbiel Die übertragende Sanierung im Insolvenzverfahren, ZInsO 2009, 458; K Schmidt Die übertragende Sanierung, in: Leipold (Hrsg) Insolvenzrecht im Umbruch (1991), S 67; Spahlinger Sanierung vor der Insolvenz – Rechtlicher Rahmen, Instrumentarium und (Haftungs-) Risiken, in: Brühl/Göpfert, Unternehmensrestrukturierung (20142) S 471; Spieker Die Unternehmensveräußerung in der Insolvenz (2001); Spliedt, Ist die außergerichtliche Sanierung pleite? – Ein Vergleich zur Sanierung im Insolvenzverfahren, InsVZ 2010, 27; Theiselmann Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts (20173); Uhlenbruck Gerichtliche oder außergerichtliche Sanierung? – Eine Schicksalsfrage Not leitender Unternehmen, BB 2001, 1641; Uhlenbruck Von der Notwendigkeit eines eigenständigen Sanierungsgesetzes, NZI 2008, 201; Uhlenbruck Risiken vorinsolvenzlicher Sanierung und Anschlussinsolvenzverfahren, ZInsO 2013, 2033; Undritz Möglichkeiten und Grenzen vorinsolvenzlicher Unternehmenssanierung, Kölner Schrift InsO (20093) S 932; Unfried Betriebsübergang und Sanierung in der Insolvenz (2007); Wellensiek Übertragende Sanierung, NZI 2002, 233; Westpfahl Vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren, ZGR 2010, 385; Wüst Der außergerichtliche Sanierungsvergleich als realisierte Interessengemeinschaft der Gläubiger, FS Wiese (1998) S 649; Zipperer „Übertragende Sanierung“ – Sanierung ohne Grenzen oder erlaubtes Risiko?, NZI 2008, 206; von Zwoll Der „außergerichtliche Insolvenzplan“, ZInsO 2008, 418.

Übersicht A Pragmatische Annäherung („Plantypen“) I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . 1. Definitionsversuch . . . . . . . . 2. Strukturelle Annäherungen . . . . 3. Abgrenzungsfälle . . . . . . . . . a) Außergerichtliche Verfahren . b) Innergerichtliche Verfahren . . c) Sanierungspläne für Banken . 4. Personelle Anwendbarkeit . . . . II. Typisierungen . . . . . . . . . . . . . 1. Subjektive Differenzierungen . . . a) Vorlageberechtigungen . . . . b) Sonstige Ansatzpunkte . . . . 2. Zeitliche Differenzierungen . . . 3. Objektive Differenzierungen . . . a) Rechtsdogmatische Sicht . . . b) Masseorientierte Kriterien . . c) Wirtschaftsbezogene Sicht . . 4. Erfassung von Plantypen . . . . . a) Strukturierungen . . . . . . . b) Archetypen . . . . . . . . . . c) Vermischungen . . . . . . . . III. Normzwecke . . . . . . . . . . . . . 1. Gläubigerbefriedigung . . . . . . 2. Verfahrensgestaltung . . . . . . . B Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung . . . . . . . 1. Partikularrecht . . . . . . . . . . 2. Konkursordnung . . . . . . . . . 3. Geschäftsaufsicht . . . . . . . . . 4. Vergleichsrecht . . . . . . . . . . a) Alte Vergleichsordnung . . . . b) Neue Vergleichsordnung . . .

Rn. 1 1 2 6 13 13 17 22 24 28 29 29 32 33 34 35 37 38 39 39 45 50 54 55 60 61 61 64 67 71 75 75 77

II. Normgenese . . . . . . . . . . . . . . 1. Kommissionsmodell in Leitsätzen a) Grundstrukturen . . . . . . . b) Einzelregelungen . . . . . . . c) Annexvorschläge . . . . . . . d) Zwangsvergleich . . . . . . . e) Würdigung . . . . . . . . . . . 2. Konzeption der Regierungsvorlage a) Einführendes . . . . . . . . . . b) Regelungsmodell . . . . . . . aa) Grundstrukturen . . . . bb) Mehrheitsfindung . . . . cc) Planverfahren . . . . . . c) Abänderungen . . . . . . . . . 3. Veränderung im Rechtsausschuss a) Einführung . . . . . . . . . . . b) Schwerpunkte . . . . . . . . . c) Spezifika . . . . . . . . . . . . 4. Umgestaltung der Stammfassung . a) Überblick . . . . . . . . . . . b) Änderungen vor dem ESUG . c) Änderungen mit dem ESUG . III. Vergleichende Betrachtung . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . 2. Strukturen amerikanischen Insolvenzrechts . . . . . . . . . . a) Liquidationsverfahren . . . . . b) Reorganisationsverfahren . . . 3. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . a) Regelungssystem . . . . . . . b) Planinhalte . . . . . . . . . . . c) Verfahrensweise . . . . . . . . d) Rechtsfolge . . . . . . . . . . e) Erleichterungen . . . . . . . .

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Rn. 83 83 83 86 93 95 99 104 104 108 108 113 116 121 124 124 125 131 133 133 134 135 140 140 142 142 144 148 148 149 152 155 156

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Sechster Teil. Insolvenzplan Rn.

4. Divergenzen amerikanischen Reorganisationsrechts . . . . . . 5. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . IV. Normsystem . . . . . . . . . . . . . 1. Divergenzen zum Vergleichsrecht 2. Binnensystematik . . . . . . . . . a) Grundstruktur . . . . . . . . . b) Einzelnormen . . . . . . . . . 3. Erster Abschnitt . . . . . . . . . . 4. Zweiter Abschnitt . . . . . . . . . 5. Dritter Abschnitt . . . . . . . . . 6. Gesamtsystematik . . . . . . . . . a) Insolvenzrecht . . . . . . . . . b) Sondergebiete . . . . . . . . . aa) Bürgerliches Recht . . . bb) Gesellschaftsrecht . . . . cc) Versorgungsrecht (PSVaG) . . . . . . . . . (dd) Zivilprozessrecht . . . . (ee) Öffentliches Recht . . . c) Kostenrecht . . . . . . . . . . aa) Gerichtskosten . . . . . bb) Parteikosten . . . . . . . 7. Problematiken des Steuerrechts . a) Insolvenzrechtliche Steuerhaftung . . . . . . . . . . . . b) Steuerliche Sanierungsmitwirkung . . . . . . . . . .

C Dogmatische Einordnung (Rechtsnatur) . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . 1. Historie . . . . . . . . . . . . . . 2. Orientierungspunkte . . . . . . . 3. Methodik . . . . . . . . . . . . . II. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . 1. Vertragstheorie . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . b) Vertragskonstruktion . . . . . c) Formelkompromiss . . . . . . 2. Rechtsinstrument sui generis . . . 3. Verfahrenstheorie . . . . . . . . . 4. Rechtsnormierung sui generis . . III. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . 1. Erklärungsakt . . . . . . . . . . . 2. Auslegung . . . . . . . . . . . . . 3. Willensmängel . . . . . . . . . . . 4. Planrücknahme/-änderung . . . . 5. Widerruflichkeit der Planzustimmung . . . . . . . . . . . . 6. Formerfordernisse . . . . . . . . . 7. Leistungsstörungen . . . . . . . . 8. Zusammenfassung . . . . . . . . IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . 2. Schwächen vertraglicher Deutung a) Vertrag ohne Konsens . . . . . b) Effizienz statt Dogmatik . . . c) Gericht versus Vertrag . . . . 3. Verlegenheitslösungen . . . . . . . 4. Stärken prozessualer Deutung . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . .

157 162 165 165 167 167 170 173 175 177 179 179 184 185 188 192 194 196 197 197 198 199 199 205

Rn. 210 210 210 213 220 223 223 223 226 231 232 234 237 240 240 241 244 245 248 249 250 252 253 253 255 255 260 261 264 266 270

A Pragmatische Annäherung („Plantypen“) Literatur: Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz. Grundlagen, Gestaltungsmöglichkeiten (1997), S 563–578; Frank, Der verfahrensleitende Insolvenzplan, FS Braun (2007) S 219; Herzig Das Insolvenzplanverfahren (2001), S 67–94: Die Arten von Insolvenzplänen.

1

Dem Insolvenzplanverfahren (§§ 217–269) ist legislativ besondere Bedeutung zugemessen, wenn es auch praktisch geringe Anwendung erfährt1 – es sind am Ende jedoch wahrscheinlich die wichtigen und richtigen Insolvenzfälle, wo man mehr und mehr jetzt darauf zurückkommt: größere, in welchen der Aufwand die Erträge rechtfertigt, geeignete mit Chancen auf Gesundung (nicht etwa auf schlichtweg gesellschaftsrechtliche Veränderung – trotz des Falls „Suhrkamp“), einfache mit Blick auf Überschaubarkeit von Gläubigerstruktur („ins Boot holen“) und/oder Insolvenzursachen (Schlüssigkeit des „Gegenkonzepts“ zum Regelverfahren). Der Gesetzgeber war darum relativ euphorisch gewesen („eine der bedeutsamsten Neuerungen“ [RV2]; „Kernstück der Reform“ [RA3]), hat zwi-

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6

Die „SchuBra-Statistik’“, sie erfasst nur Unternehmensinsolvenzen, zeigt eine Planquote etwa von 2 %: 2010: 265 Fälle [1,95 %]; 2011: 247 Fälle [1,99 %]; 2012: 231 Fälle [1,93 %], 2013: 248 Fälle [2,10 %]; 2014: 164 [o.A.]; 2015: 220 Fälle [o.A.].

2 3

BT-Drucks 12/2443 S 90 re. Sp. [A 4e aa]. BT-Drucks 12/7302 S 181 re. Sp. [vor Nr 234].

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

schenzeitlich aber auch verschiedentlich etwas nachgesteuert (dazu Rn 133–139), insbesondere die Verbraucher mit einbegriffen (dazu Rn 26). I. Einführung 1. Definitionsversuch. Der Planbegriff ist vielfältig (Projektplanung, Familienplanung, 2 Haushaltsplanung, Wirtschaftplanung etc, aber ua auch betriebswirtschaftliche Unternehmensplanung oder gestalterische juristische Bauleitplanung) und kann hier nicht weiter thematisiert werden.4 Gemeinhin werden als maßgebend folgende Merkmale angesehen: jeder Plan sei zukunftsorientiert, systematisch koordinierend, zweckdeterminiert – oder prägnanter vielleicht auch: Beschreibung rationalen Entscheidens (welche Optionen existieren [Analyse] unter welchen künftigen Bedingungen [Prognose]? – in eben dieses Spannungsfeld fällt dann das Bewerten, Begründen, Umsetzen …). Hierbei folgt die Zweckbestimmung des Insolvenzplans aus § 1 S 1 Hs 1: es geht um Gläubigerbefriedigung, nicht Unternehmenserhaltung5 (dazu Rn 41–43 – uU aber Mittel zum Zwecke). Als große Aufgabe verbleibt, den genauen Weg anzugeben. Sehr bewusst wurden insoweit tradierte Begriffe (Vergleich, Akkord, Nachlass, Aus- 3 gleich etc: Rn 65) vermieden, das Institut neu betitelt! Anleihe dazu gab natürlich das USVorbild (11 USC II: „The Plan“6 bzw Rn 148), welches schon die Kommissionsleitsätze auch begrifflich klar rezipierten: nur wurde aus einem Reorganisationsplan (LS 2.2.3 I: „Plan für die Reorganisation“) am Ende deutlich zielneutraler (dazu Rn 39–44) der Insolvenzplan, welcher weiter auszugreifen erlaubt, nicht mehr nur konkret (Unternehmens-) Sanierungen abdeckt, sondern das gesamte Insolvenzspektrum. Das Gesetz verwendet „Plan“ und „Insolvenzplan“ synonym (Sechster InsO-Teil: „Insolvenzplan“ – Abschnittstitel: „Plan“), den Langbegriff meist einführend, den Kurzbegriff eher wiederholend; abzugrenzen ist begrifflich der Ergebnis- und Finanzplan (so formuliert die [Teil-] Überschrift zu § 229, dort Rn 36, 41), der wiederum selbst Planteil ist (arg § 219 S 2). Die Regierungsvorlage7 fasst den Planbegriff (zugestanden etwas „urplötzlich“) wie 4 folgt: „die privatautonome [1], den gesetzlichen Vorschriften entsprechende [2] Übereinkunft der mitspracheberechtigten Beteiligten [3] über die Verwertung des haftenden Schuldnervermögens [4] unter voller Garantie des Werts der Beteiligtenrechte [5].“ Wie angedeutet sind inhaltlich damit fünf Kriterien ausschlaggebend: (1) Zurückführung auf die Privatautonome, was jedoch etwas schief ist, weil der Plan ein prozessuales Rechtsinstitut implementiert; es geht insoweit mehr um Herstellung von Bedingungen für solches (privat-?) autonome Handeln. 4

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Siehe dazu näher Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 439 ff (440–442) bzw Nerlich/Römermann/Braun InsO9 vor §§ 217 ff Rn 2–8 mit 54 sowie erg zudem Rn 213. Anders jedoch trotz allem obiter einmal BVerwG ZInsO 2009, 1811, 1812 [d] {8}, aber zB auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 1 („weitere Ziele“ möglich) mit Rn 8, 21, 23) – natürlich ist praktisch oft Sanierung der Zweck des Plans, vgl Rn 40 mit 48. Die offizielle US-Definition ist insoweit recht schlicht: „A debtor’s detailed description of

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how the debtor proposes to pay creditors’ claims over a fixed period of time.“ (http://www.uscourts.gov/educational-resources/educational-activities/bankruptcybasics-glossary#content-for-p) [also in etwa: Detaillierte schuldnerseitige Beschreibung seines Vorschlages, wie er die Gläubigerforderungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu bezahlen gedenkt.]. BT-Drucks 12/2443 S 91 re. Sp. [A 4e aa], nun rezipiert von BGH NJW-RR 2018, 817, 819 {23} [III 3a].

Joachim Münch

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Vor §§ 217–269

Sechster Teil. Insolvenzplan

(2) Beachtung gesetzlicher Schranken – hiermit war gemeint, dass sichergestellt wird, „daß einzelne Beteiligtengruppen ihre Sonderinteressen nicht zu Lasten anderer Beteiligter verfolgen können.“ Das zielt vor allem auf §§ 222/226 und §§ 243 ff; vorweg muss man aber zuerst allemal abklären, ob überhaupt (prozessuale!) Dispositionsbefugnis existiert (§ 217). (3) Grundregel „partizipativer“ Mitwirkung, sie steckt letztlich hinter dem Beteiligungsbegriff (subjektive Anknüpfung: § 217 Rn 35–37) wie ebenso der Gewähr von Mitwirkungsrechten (objektive Anknüpfung: § 234 Rn 10). (4) Verwirklichung von Vermögenshaftung – die Planentwicklung ist Teil des Insolvenzrechts und steht in dessen Diensten (§ 1 S 1 Hs 1): was für den Gemeinschuldner die Einstandspflicht („Haftung“), ist für die Gläubiger – schuldrechtliche wie dingliche – die Durchsetzung der Befriedigung („Zugriff“), allein eben in selbst bestimmten („geplanten“) Formen. (5) Wertgarantie für die Beteiligten, was recht kryptisch wirkt, indes dann Sinn macht, wenn man es auf eine „fallspezifische Werthaltigkeit“ herunterbricht8 – es gibt – insolvenztypisch – kaum je „volle“ Werte, sondern bloß (viel) weniger. Im Prinzip ist hiermit also das Meiste dessen angesprochen, wohin § 217 [S 1] zielt: Befriedigung, Verwertung und Verteilung, (Fort-) Haftung.9 Nicht eigens genannt wurde die Bezeichnung als „Übereinkunft der … Beteiligten“. Der Gesetzgeber wollte wohl so eine genaue dogmatische Festlegung vermeiden, stellte jenen Begriff hier auch dezidiert gegen die Figur des Vertrages10 (siehe dazu näher Rn 215). 5 In dieser „heimlichen“ gesetzgeberischen Definition (dazu Rn 4) steckt Richtiges, mag jene auch wohl am Ende etwas schief wirken: Privatautonomie [1] und Gesetzesgrenze [2] passen nicht recht bündig zueinander, haben auch mehr einen prozessualen Bezugspunkt denn materielle Verortung (dazu Rn 6); die Partizipation [3] ist übersteigert und deckt allemal nur den Konsens – Gruppenbildung (§§ 222, 243) und Mehrheitszwang (§§ 244 I, 245) bleiben zu Unrecht ausgeblendet, weil sie wohl ins Bild der normativen Harmonie hörbare Misstöne einstreuen (das erklärt nicht zuletzt die Zurückhaltung bei der Konstruktion – arg „Übereinkunft“), aber demungeachtet doch unverzichtbar sind; die Verwertung [4] ist verkürzend eigens vorgehoben – wo doch prozessual Befriedigung angestrebt wird, die auch per Sanierung möglich erscheint (dazu Rn 55 f), und auch die prophezeite „volle“ Wertgarantie [5] passt dazu nicht bzw klammert insolvenzbedingte Verluste aus.

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2. Strukturelle Annäherungen. Methodologisch kennzeichnend für das Rechtsinstitut „Insolvenzplan“ ist die Gestattung prozessualer Disposition (vgl Rn 60 mwN). Hierin liegt die eigentlich hervorzuhebende gesetzgeberische Innovation. Das wird nicht eigens gezielt herausgestellt, aber gerne „top down“ über große Schlagworte salbungsvoll beschreiben:11 Privatisierung des Insolvenzverfahrens, Verstärkung der Autonomie der Beteiligten, Deregulierung des Prozessrechts, Flexibilität des Insolvenzplans – alles richtige Beobachtungen oder Reformansätze, wenn man jene vom Ziel her betrachtet, welches im Vorfeld 8

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So wie dann hiernach BT-Drucks 12/2443 S 93 li/re. Sp. [A 4e dd] auch festhält, dazu Rn 11 bei/mit Fn 13, vgl. auch erg Vorblatt B 5. Jedenfalls in der Urfassung: § 217 Rn 18 mit 3. Spezifika regeln nun (seit dem ESUG) S 1 Var 3 (schlichte Verfahrensgestaltung) und S 2 Var 5 (spezielle Verfahrensausweitung).

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Nerlich/Römermann/Braun InsO9 vor §§ 217 ff Rn 80 liest das sogar als Bestätigung haftungsrechtlicher Auseinandersetzung (in Anlehnung an §§ 2032 ff BGB). Entsprechend den Schlagworten des Gesetzgebers: BT-Drucks 12/2443 S 77–80 [A 3a] und S 90–92 [A 4e aa:] – siehe noch bei Rn 59.

Joachim Münch

Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

§ 1 S 1 Hs 1 formuliert: eine bestmögliche Gläubigerbefriedung trotz ungenügender Haftungsmasse (Planverfahren bleiben Insolvenzverfahren). Will man aber den rechtlichen Begriffsinhalt des Insolvenzplans präzisieren, muss man dazu „bottom up“ auf normierte Grundcharakteristika abstellen: a) Flexibilisierung. Der Insolvenzplan bestimmt nur ein Oberziel (§ 1 S 1 Hs 1: „die 7 Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen“), nicht aber die Wege dahin. Er lässt mithin den Betroffenen die Wahl der Instrumente (Variabilität des Planinhalts: Rn 43), dh die Wahl, gemeinsam festzulegen, wie sie die Insolvenz falladäquat – ihrem Bedürfnis gemäß – abzuwickeln anstreben (Priorität individueller Abwägung im Interesse kollektiver Durchsetzung – „maßgeschneidertes“ Abwicklungsverfahren). Hierfür dient vor allem die Disponibilität des Insolvenzrechts (Rn 6, 41), so wie im Einzelnen von § 217 verheißen, allerdings sachlich (was?), persönlich (wer?) und förmlich (wie?) beschränkt, nicht etwa als umfassende „Totalfreigabe“ konzipiert (Näheres siehe bei § 217 Rn 28–43). b) Transparenz. Chancen und Risiken der Flexibilität wollen natürlich gegeneinander 8 abgewogen werden – der Insolvenzplan ist eine Art Investitionsentscheidung, in die aber nicht allein einfache Kurzfristinteressen (Quotenerwartung) eingehen, sondern uU genauso Langfristziele (return of investment [ROI]) und eventuelle nichtmonetäre Interessen (zB Erhaltung langfristiger Beziehung). Das Auseinanderfallen von Initiativrecht (§ 218) und Entscheidung (§§ 237 ff, 243 ff) erfordert die Schaffung von Transparenz über Regelungsinhalt und Regelungsmotive (§§ 219–221, 229) als maßgebliches Grunderfordernis informierter Sachentscheidung. c) Koordination. Kernpunkt des Instituts ist sicher die „Aufweichung“ des Dogmas 9 der traditionell allumfassenden Gleichbehandlung (par conditio creditorum), verkoppelt mit der Erstreckung von Planwirkungen auf Absonderungsbefugte (§ 217 S 1) und weitergehend seit dem ESUG gar Anteilseigner (§ 217 S 2) – wenn der Plan(verfasser) das will (§§ 223 I, 225a I). Dieses gilt in zwei Ebenen und betrifft ganz zentral die Gruppenbildung: materielle Behandlung (§ 226 I) wie förmliches Entscheiden (§ 243). Dabei lässt auch die Gruppenbildung noch Flexibilitäten frei (§ 222 II/III), nur eine grobe Einteilung ist vorgegeben (§ 222 I: „Mussgruppen“), im Übrigen greift Planermessen des Planvorlegers jedoch Platz. Es ist dann seine Aufgaben, homogene Interessengruppen „geschickt“ zusammenzufassen und Differenzierungen zu plausibilisieren. d) Kooperation. In der Insolvenz bestimmt die formelle Majorität (§ 76 II Hs 1: Sum- 10 menmehrheit), man kann sie aber auf (materielle) Solidarinteressen uU „zurückzwingen“. Das Planverfahren agiert genau anders herum: die formelle Majorität ist qualifiziert (§ 244: Kopf- und Summenmehrheit), aber auch abgemildert (§ 245 I Nr 3: Gruppenmehrheit), und vermag eventuelle Störer in Solidarinteressen uU „hineinzuzwingen“. Es geht am Ende um Einigungszwang,12 der gegen das Votum von einzelnen Gruppen möglich erscheint, um eine Planvorstellung am Ende durchzusetzen (§ 245: Schikane- oder Obstruktionsverbot, aber erg auch § 247 II). e) Justiziabilität. Der Mehrheitszwang ist allerdings nur gerechtfertigt, wenn er denn 11 hinreichenden Minderheitenschutz gewährleistet. Die Plandurchführung soll und muss die Situation gegenüber der Normalabwicklung verbessern – in den Worten der Motive:13 „Ein Plan kann keinen Beteiligten gegen seinen Willen schlechter stellen, als er bei der best12

Sehr lesenswert dazu namentlich BTDrucks 12/2443 S 79 li. Sp. [A 3a ff].

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BT-Drucks 12/2443 S 93 li./re. Sp. [A 4e dd: „Schutz der Minderheiten“].

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möglichen konkursmäßigen Verwertung des Schuldnervermögens stünde.“ – Dies verlangt eine begleitende gerichtliche Absicherung, vorrangig der Formalien (§§ 231 I Nr 1, 250 Nr 1), indes aber auch mit teilweise materieller Bewertung (§§ 231 I Nrn 2/3, 250 Nr 1 – sowie vor allem § 245 [arg § 248 I – Inzidentprüfung!]). Jene quasi „amtliche Kontrolle“ wird durch Möglichkeiten individueller Schutzanträge zusätzlich noch abgerundet (§ 251). 12 Vergleicht man die Plandefinition der Gesetzesmotive (Rn 4) mit den inhaltlich maßgeblichen Strukturen ergeben sich einerseits zwar Stimmigkeiten (Flexibilisierung [Rn 7] trifft die Punkte [1], [2] und [4]; Justiziabilität [Rn 11] sichert Teile von [5]; [3] ist weiter aufzufächern …), andererseits bleiben stilprägende Elemente letztendlich ungenannt: ohne Transparenz [Rn 8] keine Möglichkeit, später „informiert“ über einen Plan abzustimmen; erst Gruppenbildung erlaubt Unterscheidung und anschließend die Koordination der Beteiligten [Rn 9], und auch der Konsenszwang, als Kooperationsgebot oder reziprok eben Obstruktionsverbot [Rn 10], ist entscheidend. Eine Plandefinition würde infolgedessen lauten: Der Insolvenzplan ist (ausnahmsweise) gestattete prozessuale Gestaltung des Insolvenzverfahrens (inklusive materieller Wirkungen) mit bestmöglich privatautonomer Beteiligung (Transparenz / Koordination durch Gruppierung / Kooperation) bei behutsamer gerichtlicher Begleitung, vor allem zur Absicherung der Minderheitsrechte. Man kann die prozessuale Herleitung mit eben den konkreten materiellen Wirkungen (§ 221 S 1 iVm § 254 I) zusammensehen, die Pläne bringen mögen, je nach Sachproblem und Lösungskonzept des Vorlegenden („Einzelfallbetrachtung“: Rn 39 ff, 45–49); dies würde aber keine weiterreichende abstrakte Charakterisierung gestatten. 3. Abgrenzungsfälle

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a) Außergerichtliche Verfahren. Bevor man näher abgrenzt, muss man sich einleitend klarmachen, dass jedes Planverfahren Teil eines Insolvenzverfahrens ist (arg ex § 1 S 1 Hs 1: Das Insolvenzverfahren dient dazu, … indem …“), dh funktionaler Bestandteil prozessualer Zwangsvollstreckung, oder genauer noch: Gesamtvollstreckung. Es ist eindeutig rechtsförmliches Verfahren in gerichtlicher (scil staatlicher) Verantwortung, also äußerlich schon eindeutig von informeller Bemühung abzugrenzen, die lediglich „drohende“ Insolvenz abzuwenden oder uU auch anderweitigen „Krisenlagen“ gegenzusteuern. Es geht insoweit also um Maßnahmen „vor der Insolvenz„, statt wie gemäß §§ 217 ff „in der Insolven“. Gedacht wird zumeist hier an eine autonome („freie“) Sanierung, dh die möglichst 14 selbstverantwortete Korrektur („turn around“) – und sei es mit dem Konzept externer Berater … Möglich sind hierbei rein interne Maßnahmen (Strukturänderungen), Kapitalherabsetzung, regelmäßig mit paralleler Kapitalerhöhung, oder sonst eine Gewinnung neuer Teilhaber (Eigenkapitalverbesserung), eher selten dürfte hingegen Bereitstellen neuen Fremdkapitals gelingen (denn es wird an nötigem Sicherungsgut mangeln). Alsdann hilft, die ungesicherten (maßgeblichen) Altgläubiger einzubeziehen (insb Hausbank, Hauptlieferanten, Abnehmer) und ihnen gewisse Verzichte abzutrotzen. Den rechtlichen Rahmen bietet traditionell der außergerichtliche Vergleich (§ 779 I Hs 1 BGB) als materielle Vertragsgrundlage: dieser verlangt eine Regelung „im Wege gegenseitigen Nachgebens“ (Teilerlasse, Ratenzahlung, Stundungen etc), wobei als Bezug die unsichere Anspruchsverwirklichung ausreicht (§ 779 II BGB) und dies auch die ungewisse wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mitumfasst.14 Derarte Vorgehensweisen erlaubt Vertraulichkeit (zwischen

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RG JW 1936, 2316; BVerwG ZInsO 2009, 1811, 1812 [d] {8} [II 2a]; BGHZ 116, 319, 330 [II 2a] = NJW 1992, 967 (Sanierungsver-

gleich); 2012, 2099, 2101 {31} [III 1a bb] – Ablehnung einer Schenkung durch RGZ 6, 227, 229 f (GemR); Mühl NJW 1956, 401 ff.

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Vorbemerkungen

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den Partnern15) und braucht Einstimmigkeit: gebunden ist, wer zustimmt;16 es fehlt de lege lata an einer Zwangsmacht gegenüber „Abweichlern“17 (sog „Akkordstörer“) – die gibt es eben nur innerhalb zivilprozessualer Verfahren! Es gibt einige aktuelle Plädoyers zugunsten sehr zeitnaher Sanierung. Oftmals mag ge- 15 nügen, dass sich die wichtigsten „Player“ vorweg verständigen. Empfehlungen reichen von verbessertem Verhandlungsmanagement18 bis zu verbindlichen Kooperationspflichten19 (wer wird die denn im Ernstfall aber einklagen wollen? – drohende zeitliche Überholung!) Da stößt man rasch an Grenzen. Hier zeigt auch jetzt § 225a allemal effektivere Auswege über einen Plan. Wohlfeile Lösungen sind uU aber förmliche Verfahren, die früher einsetzen (dazu Rn 20) und/oder die formellen Hürden abmildern. Plattform dazu wäre womöglich etwa eine sog Bestätigungsinsolvenz,20 dh ein Planvorschlag, der unmittelbar ins gerichtliche Bestätigungsverfahren hineinmündet, sei es als Vorschlag vorabgestimmter Sanierung (pre-voted bankruptcy), sei es als beschleunigtes autonomes Planverfahren. Freilich wird dadurch eine Garantie voreilig über Bord geworfen, die verfahrensprägend ist: die Transparenz für die Beteiligten mit einer offenen Bewertung der Planideen (Gehörsgewähr mit „Wettbewerb der Alternativen“). Dieser Preis wäre mir viel zu hoch, Unbeteiligten einen Konsens abzuzwingen, es wäre am Ende die Majorisierung von Minderheiten und die Preisgabe privatautonomer Freiräume – wer sich einigen will, der soll alle in sein Boot holen. Möglich ist genauso andererseits das geordnete – rechtzeitige – Stilllegen des kriselnden 16 Unternehmens (sog stille Liquidation21), ohne größere Verluste für Gläubiger (gesellschaftsrechtliche „Abwicklungsliquidation“) und ohne Makel rechtlich festgestellter Insolvenz für Betreiber, ein noch so eben rechtlich „zeitgerechtes“ Beendigen. Dabei deutet „still“ auf den schließlich „krisenbedingten“ Auslösefall, der jedoch verdeckt bleibt – während gesellschaftsrechtlich dagegen selbstredend offene Liquidation erfolgt (Zusatz: „i.L.“), die auch „neutrale Ursachen“ haben könnte:22 Auflösungsbeschluss, Auseinandersetzung (Abwicklung, Liquidation, Verteilung etc), Registerlöschung. b) Innergerichtliche Verfahren. Das Insolvenzplanverfahren ist kein Vergleichsverfah- 17 ren. Die Konzeption ist eine total andere – nicht zuletzt, um offenbaren Mängeln abzuhelfen, die unter altem Recht einen Vergleich erschwerten (dazu Rn 165 f). Das gilt für konkursbeendende Zwangsvergleiche (§§ 173–201 KO), die zunächst bloß eröffnet waren (vgl Rn 69), sowie vor allem für konkursabwendende „Privatvergleiche“ (VglO), welche ergänzend später dazukamen (erg Rn 67, 73, 76, 79–82 – zur Terminologie bei Rn 61). Sie beide gelten – zusätzlich zu den US-amerikanischen Vorbildern (dazu Rn 140) – jedoch als

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Sehr extrem noch RGZ 6, 227, 228 f (GemR): Wirksamkeit gegenläufigen Versprechens (geht zu weit!). RG KuT 1941, 54, 55; BGHZ 116, 319, 321 f [II 1a vor aa] = NJW 1992, 967. BGHZ 116, 319, 322–328 [II 1a]= NJW 1992, 967. Eidenmüller Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz S 421 ff. Eidenmüller Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz S 707 ff. So möchte es insb Madaus NZI 2011, 622, 625–627 [IV], vgl auch erg NZI 2017, 329, 331 [II 2]. Siehe auch zur Thematik ua Gel-

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dermacher Das präventive Sanierungsverfahren (2012) [KTS 43] mit ZinsO 2011, 353; 2010, 696; Kayser FS Pannen (2017) S 273; Vallender FS Pannen (2017) S 303. K Schmidt ZIP 1982, 9 erkennt darin ein „Stiefkind“ insolvenzrechtlicher Betrachtung. Siehe vor allem § 723 I 1 iVm §§ 730–735 BGB [GbR]; § 131 I Nr 2 iVm §§ 143, 145–158 HGB [oHG]; § 171 II HGB [KG] bzw § 41 iVm §§ 47–53 BGB [e.V.]; § 60 I Nr 2 iVm §§ 65–74 GmbHG [GmbH]; §§ 119 I Nr 8, 262 I Nr 2 iVm §§ 263–273 [AG]; § 78 I 1 iVm §§ 82–93 GenG [eG] – abzugrenzen: § 394 FamFG.

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Folie für wortgenaues oder sinngemäßes Fortführen zahlreicher Regelungen23 – trotz inzwischen total geänderter „Stoßrichtung“, die Liquidation24 wie Sanierungen25 flexibel abzudecken eröffnet (dazu schon oben Rn 7 – wegen zahlreicher [„Konstruktions-“] Divergenzen siehe Rn 12). Wenn man denn auf alte Rechtspraxis weiter zurückgreifen möchte, muss man sich entsprechend erst vergewissern, dass immer noch dieselben Rahmenbedingungen vorliegen. Und auch die neue Wortwahl („Plan“ bzw Rn 2) lässt Vorsicht angeraten erscheinen. 18 Das Insolvenzplanverfahren ist erst recht kein Moratorienverfahren, das – unmittelbar hoheitlich verordnet – lediglich materiellrechtlich einen Zahlungsaufschub bewilligt, so wie es historisch arg verbreitet war („Quinquinellen“) – dagegen zog bereits das Konkursrecht einst „ins Felde“ (Rn 68); indes muss man auch sehen, dass immer wieder gegen jene (Verbots-) Regel verstoßen wurde (zB § 46g I Nr 1 Var 1 KWG). Dogmatisch muss man hier einerseits materiellen Zahlungsaufschub (Fälligkeit) und prozessuale Beschränkungen (Klagbarkeitshemmnis, Vollstreckungssperre) auseinanderhalten, andererseits die Möglichkeit, – verfahrensintern – die insolvenzrechtliche Eröffnungsentscheidung hinauszuschieben (so tat es § 46 VglO, so tut es § 270b InsO: I S 1/2 iVm IV S 3). 19 Das Insolvenzplanverfahren ist auch bewusst kein Reorganisationsverfahren – weder in einem terminologischen Sinne noch wegen seiner Zielrichtung, die deutlich offener angelegt ist (dazu Rn 55). Hatte noch die Insolvenzrechtskommission diesen Begriff glasklar bevorzugt, um gegenüber altem Vergleichsverfahren (dazu Rn 17) und einer lediglich „freien“ Sanierung (dazu Rn 14) abzugrenzen, jedoch auch um gewichtige gesellschaftsrechtliche Gestaltungsbefugnisse anzudeuten26 (subsidiäre gerichtliche Möglichkeiten: EB LS 2.2.20 „versus“ LS 3.4.9.3), schwenkten die späteren Entwürfe auf vermeintlich neutralere Terminologie und tilgte der Rechtsausschuss die noch verbliebenen gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten ganz aus dem Text. Heute sind sie wieder vorhanden (§§ 217 S 2, 225a, 238a, 245 III, 246a, 254a II [ESUG]), zwischenzeitlich aber ist auch das Planverfahren für schlichte Verfahrensgestaltung gestattet (Abänderung von § 217 S 1 [Art 1 Nr 15a ESUG: Rn 60) und steht nun zudem Verbrauchern offen (Streichung von § 312 II aF [Art 1 Nr 38 des G vom 15.07.2013: Rn 26). – Es ist für eine Privatperson aber (trotz der Regel des § 227 I, dazu Näheres hier Rn 27, dort Rn 10) auch entsprechend kein Restschuldbefreiungsverfahren: beides ist allein Folgewirkung, nicht Zweckvorgabe. 20 Das Insolvenzplanverfahren ist kein Insolvenzverhütungsverfahren (sehr deutlich noch EB LS 2.1.1 II), sondern dient der Abwicklung eingetretener Insolvenzen, wobei man sehen muss, dass die Insolvenzauslösung mit der InsO entscheidend durch § 18 vorverlagert wurde. Die Insolvenzrechtskommission und auch die Regierungskonzeption sahen hier große Schwierigkeiten, objektive Merkmale anzugeben (anstatt subjektiver Willkür, privatautonom Schulden abzuschütteln – so wie nach 11 USC ch 11, vgl Rn 145), und verwiesen auf außergerichtliche („stille“) Sanierungsformen;27 die Praxis ist jedoch inzwischen

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Ganz ähnlich etwa Bork InsR8 Rn 366: („Tradition“); Jauernig/Berger ZVR/InsR23 Rn 59.4 bzw Foerste InsR6 Rn 473 („Vorläufer“) – eher reservierter hier Häsemeyer InsR4 Rn 28.01 („an die Stelle … getreten“) iVm Rn 28.03 mit Anklängen bei BTDrucks 12/2443 S 90 re. Sp. [A 4e aa]. Dies betont Bork InsR8 Rn 367 (ein Insolvenzplan „kann auch Grundlage einer Liquidation sein“).

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So sehen es Jauernig/Berger ZVR/InsR23 Rn 59.4 („gläubigergesteuertes Sanierungsinstrument“). EB Mot S 160/161: „[zusätzlicher] Vorteil internationaler Verständlichkeit“ (S 61). EB Mot S 153 f mit S 161/162: Weg schon jetzt mit Erfolg beschritten“ (S 161).

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Vorbemerkungen

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weiter aufgerückt, vor allem mit § 270b (Vorbereitung [!] einer Sanierung – „Schutzschirm“), der aber formal noch immer vorherigen Eröffnungsantrag erfordert, und jetzt den EU-Vorschlägen für eine Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen vom 22.11.201628 (Art 1 I: „wenn eine Insolvenz droht“ [lit a]; „Verfahren, die zur Entschuldung überschuldeter Unternehmen führen“ [lit b]) – man wird sehen müssen, was daraus künftig einmal entwächst. Der RiLi-Vorschlag verpflichtet ua, einen „präventiven Restrukturierungsrahmen“ 21 vorzuhalten (Titel 2: Artt 4–18). Sie begünstigt die Eigenverwaltung mit Aussetzung von Vollstreckungen (Art 5–7) und bringt Regeln für Restrukturierungspläne (Art 8 I: „[müssen] mindestens folgende Informationen enthalten …“). Es gelten Gruppenprinzip (Art 9), Notwendigkeit gerichtlicher oder behördlicher Bestätigung (Art 10) und Einigungszwang (intragruppal [Art 9 IV]: Summenmehrheit von 1⁄2 bis 3⁄4 ; intergruppal [Art 11]: „cramdown“); dabei kann schon genügen, wenn nur eine Gruppe zustimmt (Art 11 I lit b), doch sind auch weitere Qualifizierungen erlaubt (Art 11 II). Die Wirkung erfasst die Dissenter (Art 14 I), aber nicht auch Absenter (Art 14 II). Gegen den Plan ist zudem zügiger Individualrechtsschutz möglich (Art 15). c) Sanierungspläne für Banken. Ausgeklammert bleibe indes hier das spezialgesetzlich 22 geregelte Sanierungsverfahren für systemrelevante (inländische) Kreditinstitute auf Grundlage von §§ 2–6 KredReorgG29 als eine Art „Reservatbereich“ (mit Blick auf Rn 24). Das Verfahren ist mehrstufig gestaltet: Ein iSv § 45 I S 1 und 2 KWG sanierungsbedürftiges Kreditinstitut stellt selbst Sanierungsantrag (§ 2 I S 1 KredReorgG), legt den Plan vor (er heißt explizit: Sanierungsplan) und schlägt gleichzeitig einen geeigneten Sanierungsberater als „Verfahrensbegleiter“ vor (§ 2 II S 1 KredReorgG). Die BaFin übernimmt quasi eine Art Vorprüfung (§ 2 III 3 S 1 KredReorgG: „stellt unverzüglich den Antrag auf Durchführung des Sanierungsverfahrens, wenn es dies für zweckmäßig hält.“), die Letzt-

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COM (2016) 723 – final | 2016/0359 (COD) – Näheres Rn 21 bzw § 270b Rn 4 – hierzu NZI-Beil 1/2017, ferner (alphabetisch geordnete Auswahlliste): Bork ZIP 2017, 1441; Dammann FS Wimmer (2017) S 162; Flöther FS Graf-Schlicker (2018) S 259; Heese Funktion des Insolvenzrechts … (2018), § 51 ff [IV 2/3] mit § 63 ff [IV 4] (Analyse) bzw § 80 ff [V] (Prognose); Chr A Jacobi ZInsO 2017, 1; Jung/Meißner/Rep KSI 2017/6, 245; Madaus NZI 2017, 329; Sax/Ponseck/Swierczok BB 2017, 323; Schluck-Amend ZRP 2017, 6 und KSI 2017/1, 21 mit Wpg 2017/06, 341; Vallender FS Wimmer (2017) S 537 – siehe weiter jüngst den Kompromissvorschlag des Ratsvorsitzes in Dok Nr 9236/18 sowie ergänzend Dok Nr 9236/18 ADD 1 – siehe aber auch schon Geldmacher ZInsO 2010, 696; Hölzle NZI 2010, 207; Frind ZInsO 2010, 1426; Beissenhirtz ZInsO 2011, 57; Madaus NZI 2011, 622. Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errich-

tung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) vom 09.12.2010 – Art 1: Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz – KredReorgG), BGBl I Nr 63 S 1900 [in Kraft ab 01.01.2011 (Art 17 S 3)] – Materialien: BT-Drucks 17/3024 [RV] bzw 17/3047 und 17/3547 [RA] – siehe dazu Spetzler KTS 2010, 433, 453–460 [III]. Einführend: Riethmüller WM 2010, 2295; Schuster/Westphahl DB 2011, 221 und 282; Höche WM 2011, 49; Obermüller NZI 2011, 81; H F Müller KTS 2011, 1; Bormann NZI 2011, 892–894 [II]; Schelo NJW 2011, 186; Volland/Wolfers WM 2011, 1159 – nachfolgend: Binder ZBB 2012, 417 und KTS 2013, 277; Schott Reaktionen des Staates auf die Bedrohung der Finanzsystemstabilität durch Insolvenz systemrelevanter Kreditinstitute (2014), S 141 ff; Bauer/Hildner DZWIR 2015, 251; Binder ZBB 2015, 153.

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entscheidung zur Durchführung trifft anschließend das OLG Frankfurt/Main (§ 2 III S 2 iVm § 3 I S 1: „Wenn der Antrag zulässig und der Sanierungsplan nicht offensichtlich ungeeignet ist“ – arg § 1 III FinDAG). Der Sanierungsberater setzt anschließend dann den Sanierungsplan um (§ 6 I S 1 KredReorgG). Der Gesetzgeber kennt also nicht das Recht der BaFin, ein Sanierungskonzept selbst auszuarbeiten und einzureichen. In Drittrechte einzugreifen, ist gesetzlich ausgeschlossen (§ 2 II S 2 KredReorgG). Neben dem Sanierungsverfahren kennt das KredReorgG – nomen est omen! – ein Reorganisationsverfahren (§§ 7–23 KredReorgG), das eng ans Planverfahren des Insolvenzrechts angelegt wurde. 23 Sanierungs- wie Reorganisationsverfahren dienen der Stabilisierung des Finanzmarktes (§ 1 I S 1 KredReorgG), das Reorganisationsverfahren setzt zusätzlich eine „Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems“ („Systemkrise“) voraus (§ 1 I S 1 KredReorgG), erlaubt dann allerdings hierfür auch, Drittrechte zu tangieren (§ 8 III KredReorgG). Wieder gibt es diesen gestuften Ablauf (§ 7 II-IV KredReorgG: Antrag – BaFin – OLG), und dann folgt vielerlei insolvenzplanrechtlich Bekanntes: Aufteilung des Plans in Darstellung und Gestaltung (§ 8 I KredReorgG [§§ 219–222]); Gruppenbildung (§ 8 II KredReorgG [§ 222]), einschließlich der Unterscheidung von „Mussgruppen“ und „Kanngruppen“; Gestaltungsregeln (§ 12 KredReorgG [§ 224]), Debt-Equity-Swap und Umgestaltungen (§§ 9–11 KredReorgG [§ 225a II/III]); Anmeldung, Prüfung, Feststellung von Forderungen (§§ 14/15 KredReorgG); Einsichtnahme (§ 16 KredReorgG [§ 234]); Gruppenabstimmung, inklusive Obstruktionsregeln (§§ 17–19 KredReorgG [§§ 243–245, 246a]); gerichtliche Bestätigung (§ 20 KredReorgG [§§ 248, 250, 251]); allgemein gehaltene Wirkungen (§ 21 KredReorgG [§§ 254–254b]); Aufhebung des Verfahrens und Überwachung der Durchführung (§ 22 KredReorgG [§§ 258 ff]). Darum gilt die Regel, dass man in der InsO zu Funktionsweisen und Begrifflichkeit einige verwertbare Parallelen findet.30 Insoweit existiert demgemäß ein Plansonderrecht für sog systemrelevante Kreditinstitute.31

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4. Personelle Anwendbarkeit. Zwangsvergleich (§§ 173 ff KO) und „Privatvergleich“ (VglO) standen allen jenen offen, die konkursfähig waren, demnach nicht nur Kaufleuten, sondern zudem der Privatperson.32 Die Insolvenzrechtskommission wollte dann jedoch das Reorganisationsverfahren auf lediglich unternehmerisch tätige Gemeinschuldner begrenzen (EB LS 2.1.3: „ohne dass es auf den Umfang ihrer Tätigkeit und auf die Rechtsform des Unternehmens ankommt“, dazu vgl auch Rn 84). Darauf wurde jedoch nicht zurückgekommen (arg §§ 334, 345 DiskE/RefE bzw §§ 345, 357 RegE); der Rechtsausschuss hat allerdings ein Sonderverfahren (§§ 305–310 StF: Schuldenbereinigungsplan) eingeführt für natürliche Personen entweder ohne oder aber bloß geringer selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit (§ 304 I StF); bei Scheitern folgte daraufhin ein vereinfachtes Insolvenzverfahren ohne Möglichkeit zweiter Planchance (§ 312 III StF [später: II33] – insoweit war demnach das Planverfahren rechtlich ausgeschlossen bzw die eine (verfahrensinterne) Planung (§§ 217 ff) ersetzt durch eine Art „Light-Version“ (§ 305 I Nr 1 StF [Inhalt] bzw §§ 307–309 StF), die juristisch verfahrensextern konzipiert war (arg § 306 I StF: Ruhen des Antrags auf Eröffnung – in Anlehnung an § 46 VglO).

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Braun/Braun/Frank InsO7 vor §§ 217 ff Rn 17. Siehe auch schon BT-Drucks 17/3024 S 2 („orientiert sich grundsätzlich“). So wie auch für Banken als solche insolvenzrechtlich ergänzende Sondervorschriften existieren: §§ 46b, 46c, 46e, 46 f KWG.

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KO Mot S 404/405 = Hahn IV S 360. Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.04.2007 (Art 1 Nr 27), BGBl I Nr 13 S 509 (511) [in Kraft ab 01.07.2007 (Art 6 S 1)].

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

Es ging um eine letztendlich pragmatische Beschränkung. Als Idee des Ausschlusses 25 von Planverfahren und Eigenverwaltung bei streitiger Verbraucherinsolvenz stand über allem, dass wenn der formlose Bereinigungsversuch und auch der formelle Schuldenbereinigungsplan (§§ 305–310) nicht erfolgreich waren und es zur Hinüberleitung ins Regelverfahren kam (§ 311) zwar viele Verfahrenserleichterungen gelten sollten (einst: §§ 312 I und II bzw §§ 313/314), ein dritter (!) Versuch zur „Konsensualbereinigung“ jedoch tieferen Sinnes entbehrt (und dazuhin auch allemal ein recht schwieriges Planverfahren abverlangen würde …). Die spätere Remedur war zunächst darauf angelegt, den „eingeführten“ Insolvenzplan an die Stelle des „unbeliebten“ Schuldenplans zu setzen,34 dies ist im folgenden parlamentarischen Verfahren jedoch zurückkorrigiert worden35 – bis zum 30.06.2014 bestanden beide Möglichkeiten darum nebeneinander (oder besser wohl gesagt: nacheinander – arg § 304 I S 1 Hs 2, 306 I, 311 bzw Art 103h S 2 EG InsO). Seit dem 01.07.2014 ist jene Begrenzung jedoch aufgehoben,36 also nun im aufgenom- 26 menen Regelverfahren ein dritter Anlauf konsensualer (Schulden- bzw Insolvenz) Bereinigung mithin möglich – aber wird das auch eine praktische Relevanz erheischen? Bei natürlichen Personen mit überschaubaren Vermögensverhältnissen (§ 304) setzt eben ein Planverfahren zuerst immer voraus, dass man ernsthaft außergerichtliche Schuldbereinigung versuchte (sog „1. Stufe“: § 305 I Nr 1 bzw § 305a) und daraufhin verfahrensförmige Schuldbereinigung scheitert (sog „2. Stufe“: § 305 I Nr 4 bzw § 311) – danach steht erst das „echte“ Planverfahren offen (als Alternative zum Regelverfahren – sog „3. Stufe“). Allerdings ist das vorlaufende Schuldenbereinigungsverfahren deutlich schlanker gehalten und für den Gemeinschuldner auch viel zuvorkommender: er hält das Heft in der Hand als Planverfasser (§ 305 I Nr 437); Darstellung und Gestaltung sind nicht sehr aufwendig (§ 305 I Nrn 3 und 4 mit II statt §§ 219–221 iVm §§ 229/230), es fehlt an einer Gruppenbildung etc.38 Die Regelung bietet zwei große weitere Vorteile. Zum einen können natürliche Perso- 27 nen zusätzlich Verfahrenskostenstundung beantragen (§§ 4a-4d), um überhaupt die Eröffnung herbeizuführen, wenn und weil sie ergänzend Restschuldbefreiung anstreben (§ 305 I Nr 2 iVm §§ 286 ff). Zum anderen ist wichtig die weithin formularmäßig erfolgende, uU begleitete Durchführung (§ 305 III-V), die Betroffene „bei der Hand nimmt“ (Musterpläne!), eventuelle „Schwellenängste“ verringert und rasche Entscheidung bringt. Eher neutral wirkt deshalb wohl die vermeintlich größere Inhaltsfreiheit (§ 305 I Nr 4: „alle Regelungen“), weil doch am Ende eine diffuse Angemessenheitskontrolle erfolgt (Hs 1) und auch die Einbeziehung von Sicherheiten keine belastbare Größe verkörpert (Hs 2). Negativ

34 35 36

BT-Drucks 17/11268 [RE], S 1 [Vorblatt: B], S 18 [AT: III 2a], S 34/35 [BT: Nr 36]. BT-Drucks 17/13535 [RA] S 29 re. Sp.: „steigere die Einigungsbereitschaft“. Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.07.2013 (Art 1 Nr 38), BGBl I Nr 38 S 2379 (2383) [in Kraft ab 01.01.2014 (Art 9 S 1)] – Materialien: BTDrucks 17/11268 (hier insb dann S 35 li. Sp) [RV], 17/13535 [RA] – dazuhin zum Entwurf: Schmerbach NZI 2012, 689; Heyer ZVI 2012, 321.

37 38

Im Unterschied zu § 218 I S 1 iVm II und III: Verwalterpläne (§ 218 Rn 33–54). Wichtig wohl dazuhin: Nötig ist immer Kopf- und Summenmehrheit bezüglich aller Benannten (§ 309 I S 1 Hs 1), Verschweigen bedeutet aber Zustimmung (§ 307 II iVm § 308 I S 1 Hs 1 – sonst bloß bei §§ 246 Nr 2, 246a, 247 I – nicht aber bei „regulärem [vollrangigen] Gläubiger“); „vergessene“ Forderungen erlöschen (§ 308 III S 2); das Gericht hat nurmehr eingeschränkte Vorprüfungskompetenzen (§ 306 I S 3: Annahmeprognose).

Joachim Münch

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Vor §§ 217–269

Sechster Teil. Insolvenzplan

scheint dagegen die dogmatische Ausrichtung am Prozessvergleich als Form der Titelverschaffung (§ 308 I S 239 – siehe dazu bei Rn 218) und trotz § 308 II Var 2 wegen § 309 I S 2 Nr 2 die praktische Kopplung mit den Kautelen für die Restschuldbefreiung. Letztlich vermag das Planverfahren, unmittelbare finale Befreiung herbeizuführen (siehe dazu bei § 227 Rn 10–12) – bei einer Erschwerung wirkt die „Normalregelung“ indes dann auch als „Mindestschutz“.40 II. Typisierungen

28

Es gibt eine Vielzahl möglicher Differenzierungen und Strukturierungen von Insolvenzplänen. Üblicherweise verbindet man mit den sog Plantypen die Unterscheidung von Insolvenzplänen nach Zielvorgaben (dazu Rn 39–44), wobei der Typus aber nur eine Art tradierte „Kurzformel des Planziels“ darstellt.41 Es fehlt an Typenzwang wie -fixierung42 – allein die Formalitäten des Planes müssen erfüllt werden (§§ 219–221), und es muss prozessuale Dispositionsmacht existieren (§ 217) – innerhalb dieser Schranken kann der Vorlegende sich die gewünschte Lösung „schneidern“ und realisieren, wenn sie denn die nötige Zustimmung findet … – das ist die vielgerühmte Flexibilität des Rechtsinstituts „Insolvenzplan“. Typvariierungen, Mischformen, Neukonzeptionen etc sind demnach problemfrei also möglich. Gerne wird demgegenüber aber die – letztlich viel leichtere – Kategorisierung von Insolvenzplänen über Formmerkmale (dazu Rn 29–38) vernachlässigt,43 welcher insoweit weitergehenden Erkenntniswert durchaus zukommt,44 als sie oft die konkrete Entstehungsweise spiegelt. 1. Subjektive Differenzierungen

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a) Vorlageberechtigungen. Zunächst drängt sich auf, entsprechend dem Planverfasser zu unterscheiden – gemeint ist hiermit, wer die tatsächliche Planvorlage im Rechtssinn verantwortet (§ 218 I S 1). Jenes nur läuft – entgegen dem Wortlaut – nicht auf einen bloßen Zweiklang hinaus (Hs 2: Verwalterplan, Schuldnerplan) bzw allenfalls bei verkürzter formaler Anknüpfung: wer legt vor (Hs 1), dh realisiert den Schlussakt? Der vom Gemeinschuldner ausgearbeitete Planvorschlag ist ein Verwalterplan, wenn am Ende der Verwalter ihn einreicht; den Gläubigern fehlt eben diese Befugnis. Trotzdem vermag aber die Gläubigerschaft materielle Bestimmungsmacht auszuüben, aber nur für Verwalterpläne

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41

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Das bliebe insgesamt weitgehend unschädlich, wenn man es inhaltlich darauf beschränkt (§ 794 I Nr 1 ZPO statt § 257 I S 1: „wie aus einem vollstreckbaren Urteil“), jene Regelung scheint freilich weitergehend („hat die Wirkung eines Vergleichs“ – Doppelnatur!). BT-Drucks 12/2443 S 91 re. Sp. [A 4e aa] („dürfen … hinsichtlich ihrer Nachhaftung … gegen ihren Willen nicht schlechter gestellt werden“) mit S 84 li. Sp. [A 4a ee]. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 167: „Kurzcharakterisierung“. Zweck bleibt immer jedoch Befriedigung (arg § 1 S 1 Hs 1), beides vermengt leider Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 8 f, 21 f).

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BT-Drucks 12/2443 S 78 li. Sp. [A 3a bb] („Auf einen gesetzlichen Typenzwang der Verwertungsarten … ist zu verzichten“) bzw S 91 li. Sp. [A 4e aa] („Einen Typenzwang der möglichen Plangestaltungen soll es nicht geben.“). Rühmliche Ausnahmen: Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 563 ff bzw Nerlich/Römermann/Braun InsO9 vor §§ 217 ff Rn 203 ff, zust Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 44 ff; zT auch Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 84 ff (Titel: „sonstige Pläne“) und MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 168–170. So wie hier Nerlich/Römermann/Braun InsO9 vor §§ 217 ff Rn 196; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 11.

Joachim Münch

Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

(§ 218 II mit § 157 S 2) – daraus folgt ein total anderer Zweiklang (Initiativplan, Auftragsplan), etwas mehr gekünstelt auch als originäre und derivative Pläne bezeichnet,45 oder genau gesagt insgesamt ein Dreiklang (vgl § 218 Rn 33, 46, 55): Initiativpläne können von Verwalter oder Schuldner herrühren, Auftragspläne lediglich vom Verwalter, dh praktisch die Dreiteilung der Planarten. Besonderheiten greifen indes bei Eigenverwaltung (§§ 270–285). Obwohl „die allge- 30 meinen Vorschriften“ gelten (§ 270 I S 2 Hs 1), gibt es auch zT Abweichungen (Hs 2, hier insb dann § 284: Beauftragen zum Ausarbeiten); dabei wird (im Vergleich zu Rn 29) hier die Kombination aus 2x2 Möglichkeiten anders ausgeschöpft. Der Schuldner mag natürlich (1) selbst initiativ werden46 (§ 218 I S 1 Var 2, dazu vgl auch § 284 Rn 3 f), ja wird insoweit dazu uU besonders motiviert, weil prozessual noch begünstigt (§ 270b: sog Schutzschirmverfahren: Rn 20); der Schuldner kann aber auch ergänzend als einfacher „Auftragnehmer“ auftreten (§ 284 I S 2 Var 2, dazu vgl auch § 284 Rn 10–12). § 284 I S 2 erweitert insoweit letztlich den Handlungsspielraum der Gläubigerversammlung aus § 157 S 2 um eine eigene, weitere Variante. – Einen Verwalter sucht man natürlich hier vergebens, doch fragt sich, inwieweit der Sachwalter in eben dessen Funktionen nun eintritt? Das löst sich per Normwortlaut für (3) den Auftragsplan (§ 284 I S 2 Var 1, dazu vgl auch § 284 Rn 5 iVm 7): die Gläubigerschaft mag auch – alternativ – eben den eingesetzten Sachwalter mit der Erstellung beauftragen; am schwierigsten sind (4) Initiativpläne: sollte es solche eines Sachwalters geben? Dagegen steht der Normwortlaut: der Sachwalter ist dezidiert kein Verwalter (iSv § 218 31 I S 1 Var 1), und es fehlt an der „Entsprechendsnorm“ (§ 270 I S 2 Hs 1: allgemeine Vorschriften entsprechend anzuwenden47); er wird zwar „anstelle des Insolvenzverwalters … bestellt“ (§ 270c S 1), seine Stellung ist aber nur partiell überlappend (§ 274), eher im Passiven (Überwachung), denn in Aktionen (Gestaltung). Dementsprechend wird mehrheitlich ein autonomes Planvorlagerecht abgelehnt48 (dazu § 218 Rn 33 aE; § 284 Rn 5 f). Es passt so recht nicht zur Rolle eines Sachwalters, sich des Heftes des Handelns selbständig

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 168 mit § 218 Rn 15 und 25. Zudem passt das Begriffspaar woanders allemal besser, und zwar bei Rn 35. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 103; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 14 bzw K Schmidt/Undritz InsO19 § 284 Rn 2; FK/Foltis InsO9 § 284 Rn 6; Nerlich/Römermann/Riggert InsO35 § 284 Rn 3; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 284 Rn 14; Warrikoff KTS 1997, 527, 532 [II]; Smid WM 1996,1249, 1252. Man behilft sich dennoch mit Analogiebildung (zB MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 103 f bzw MünchKomm/Tetzlaff/ Kern InsO3 § 284 Rn 14 und 16); Nerlich/ Römermann/Riggert InsO35 § 284 Rn 2 oder ausdrücklich erklärter Ermächtigung (zB K Schmidt/Undritz InsO19 § 284 Rn 2); Nerlich/Römermann/Riggert InsO23 § 284 Rn 2 – das sind dann aber schon Auftragspläne – Zielvorgaben sind unerheblich, siehe auch § 157).

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Eidenmüller MünchKomm InsO3 § 218 Rn 104 bzw MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 284 Rn 16; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO61 § 218 Rn 5; Uhlenbruck/ Zipperer InsO14 § 284 Rn 1; Nerlich/Römermann/Riggert InsO35 § 284 Rn 2; FK/Foltis InsO9 § 284 Rn 6; K Schmidt/Undritz InsO19 § 284 Rn 2; HambK/Fiebig InsO6 § 284 Rn 1; Rendels HRI2 § 24 Rn 31; Hölzle ZIP 2012, 855, 858; Smid WM 1996,1249, 1252. Das schimmert auch womöglich bei BTDrucks 12/7302 S 186 re. Sp. [RA: Nr 178] etwas noch durch (Kompensation durch Beauftragung). Es ging – überhaupt – um eine „Möglichkeit, den Plan durch einen Sachwalter ausarbeiten zu lassen“ – aber nur im Interesse der Gläubiger bzw zur Stärkung ihrer Autonomie, nicht etwa zur Veränderung der Rechtsstellung des Sachwalters: ihm fehlt – eigenständig – solche Befugnis.

Joachim Münch

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Sechster Teil. Insolvenzplan

zu bemächtigen; dagegen spricht dazuhin, dass ihm § 284 II dann die Planüberwachung (nach verabschiedetem Plan) als eigene Aufgabe gerade zuweist (insoweit mithin eine konkrete Funktionsgleichstellung erfolgte, welche hier – vorlaufend – just fehlt!). – Doch passt ebensowenig hier eine „Vorverlagerung“ der Auftragserteilung: der vorläufige Gläubigerausschuss kann daher also nicht den vorläufigen Sachwalter instruieren.49

32

b) Sonstige Ansatzpunkte. Es gibt einige sonstige Einteilungsmöglichkeiten mit ebenfalls subjektivem Einschlag, welche weniger abstrakt anknüpfen. (a) Hinsichtlich des Vorlegenden kann man auch unterscheiden, ob denn der Plan in Eigen- oder Fremdverwaltung zustande kommt (das beeinflusst die Variation der Befugnis zur Vorlage – siehe eben bei Rn 29–31). (b) Man kann zudem nach dem Gemeinschuldner etwa folgendermaßen noch kategorisieren: Ist er Unternehmer oder Verbraucher, hat somit uU schon ein einschlägiges Vorverfahren durchlaufen (Sanierungsberatung; Schuldenbereinigung), selbständig (Unternehmer) oder formalisiert (§§ 304 ff)? Geht es hier vorrangig um leichtere Restschuldbefreiung (§ 227 I „versus“ §§ 286 ff – dazu vgl auch § 227 Rn 10–19 – „Passivaplan“) oder künftige Betriebsfortführung („Aktivenplan“)? Man kann dabei auch von entweder „Haftungsregulierung“ oder „Vermögensregulierung“ sprechen.50 Sinnvoll erscheint außerdem, mit Blick auf § 217 S 2 iVm § 225a II/III, Pläne bloß für Gemeinschuldner sowie auch für Anteilseigner zu unterscheiden. Letztere unterfallen ergänzender Regelung (§ 222 I S 2 Nr 4, 238a, 245 III, 246a, 252 II S 2, 254a II) mit deutlicherer Unterscheidung als etwa nur zwischen voll- und nachrangigen Gläubigern. (c) Auf Entscheiderseite ist oftmals noch wichtig, wie intensiv die Planung Differenzierung erlaubt (§ 226 I!): Gleichbehandlung (§ 222 I: bloß Pflichtgruppen – „muss“) oder Unterscheidung (§ 222 II/III: auch Optionsgruppen – „kann“) als letztlich die Grundidee? – Jene Reihe ließe sich sicherlich weiter fortführen, sie sollte nur zeigen, dass mannigfach Sonderanknüpfungen existieren.

33

2. Zeitliche Differenzierungen. Es bestehen feste Zeitgrenzen, ab wann (näher dazu bei § 218 Rn 37, 75 f – Vorverlegung: § 218 I S 2) bzw bis wann (näher dazu bei § 218 Rn 38, 79 – Schlusstermin: § 218 I S 3) eine Planvorlage stattfinden kann. Innerhalb dieses Korridors ist rechtlich Einreichung durchgängig statthaft, praktisch wird es aber schwierig, je später man agiert (dazu § 218 Rn 38) – die Chancen schwinden nämlich zusehends, vom Normalgang noch abzurücken … Marksteine bilden die Insolvenzeröffnung (§ 27) als die rechtlich notwendige Bedingung für ein Planverfahren (§ 217 Rn 28, § 218 Rn 18) und dann der Berichtstermin (§ 157 S 1 und S 2 – aber siehe auch S 3!), uU außerdem der Eintritt von Masseunzulänglichkeit51 (§ 210a). – Die grundlegende Unterscheidung ist jedoch eine ganz andere, in Anlehnung an die US-Erfahrung: die Unterscheidung von vorgefertigten und auszuformenden Plänen, welche auf die nähere Unterscheidung von vorgeplanter und erzwungener Insolvenz zurückgeht (dazu Rn 145 f). Der erste Fall hilft dem Gemeinschuldner und dabei vor allem für Sanierungspläne („Zeit ist Geld“) – denn nur er kann den Eröffnungsantrag mit der sofortigen Planvorlage verkoppeln (vgl § 218 I S 2 – sog „Vorlauf“-Privileg: § 218 Rn 75 f), schon vor einer Eröffnung insoweit Zeichen setzen und versuchen, das Verfahren selbst zu lenken. Das wird ergänzt noch durch § 270b (quasi

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AA BGH NZI 2016, 963, 967 {75–77, insb 77} – letztlich im Anschluss [?] an Hölzle ZIP 2012, 855, 859 [III 3], zust § 284 Rn 8. Vorschlag von Häsemeyer InsR4 Rn 28.04 mit Rn 28.03 („Vermögens- und Haftungsregulierungen jeden intendierten Inhalts“).

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Als Plantyp gesehen bei Nerlich/Römermann/Braun InsO9 vor §§ 217 ff Rn 212.

Joachim Münch

Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

dann als „Nachleg“-Privileg“: § 270b Rn 23–25 iVm 8). Der prepackaged plan ist recht hochgejubelt worden – aber zweifelsohne kein Allheilmittel, weil sich alle Entscheide verfahrensintern vollziehen (§§ 235, 240) und willfährige Segmentierung ausscheidet (arg § 231 I S 1 iVm § 222 II; vgl auch erg § 231 II). 3. Objektive Differenzierungen. Hier lassen sich vielfältigste Unterscheidungen zu- 34 grunde legen, und auch die Erfassung und Ausdifferenzierung von Plantypen (dazu Rn 45–50 mit Rn 28, 39) könnte man ebenso problemlos hier rubrizieren, mag auch die Zielvorstellung vom Planverfasser selbst (subjektiv!) vorgegeben werden. Das betrifft die weiteren Unterscheidungen im Grunde nicht anders – man muss den Plan als „objektive“ Ausgangslage hinnehmen und daraus Schlussfolgerungen ziehen. Dass ein Planverfasser nun just gerade anders herum denken dürfte, dh Ziele, Zwecke, Wünsche, Anliegen etc „im Plan verpackt“, sollte niemals mithin hindern, überformende Strukturierungsbemühungen anzustrengen. Wie auch sonst etwa ein (materiellrechtlicher) Vertrag ist genauso die (insolvenzrechtliche) Planung einer generelleren Systematisierung nicht verschlossen. Drei Kriterien sind besonders aussagekräftig: a) Rechtsdogmatische Sicht. Das Planverfahren ist ein „Hinausoptieren“ aus dem 35 Normalverlauf (§ 1 S 1 Hs 3: Vorsehen „abweichende[r] Regelung“). Dadurch wird zugleich die Referenz klar benannt52 und inhaltlich Typenbildung ermöglicht:53 Geht es bloß um eine punktuelle Verfahrensabweichung (was immer möglich erscheint: § 217 [S 1] Var 3: ausschließlich verfahrensleitender Insolvenzplan [§ 217 Rn 64–67]), bleibt Grundmodell immer aber noch das Regelverfahren (und Verfahrenszweck daher auch meist die Liquidation), wirkt der Plan als bloße Normkorrektur („derivativer“ Insolvenzplan). Hier fragt sich insgesamt dann lediglich, ob der doch große Verfahrensaufwand lohnt zugunsten „marginaler“ Anpassung (Kosten ./. Nutzen). Auf der anderen Seite dagegen steht der Plan als echte Zielkorrektur („originärer“ Insolvenzplan) mit eher letzthin subsidiären Anleihen beim Regelverfahren bzw die Abänderung der „Grundfesten“ des Verfahrens (§ 217 Var 1/2 bzw 4/5), Unternehmenserhalt und Schuldnersanierung (iSv § 1 S 1 Hs 3) gedanklich mit einbezogen. Es gibt freilich „planfeste“ Bereiche (dazu § 217 Rn 44–52 – quasi eine Art „zwingendes Recht“) und andersherum das Regelverfahren als „Auffangnetz“ („dispositive Rahmenregel“). Beide Typen bilden Enden einer autonom „bespielbaren“, breiten Skala, welche beliebige (Plan-) Variation erlaubt. Man könnte natürlich ebenso die Einzeltatbestände prozessualer Dispositionsmacht 36 (§ 217 Var 1–5) als rechtsdogmatisches, konkretes Einteilungskriterium hernehmen, dh nicht bloß einen (Var 3) gewissermaßen gezielt herausgreifen. Der ist aber nur der Paradefall geringfügigen Abweichens. Entscheidend ist das Maß der Abweichungen und nicht die Rechtsgrundlage dafür: wird das Regelverfahren noch als faktisches Grundmodell wahrgenommen? Es geht um eine grundsätzlichere dogmatische, nicht etwa „nur“ juristische, Kategorisierung. Trotzdem finden sich Befriedigung (Var 1: Rn 38 [untere Hälfte]), Verwertung und Verteilung (Var 2: Rn 45–47) und ebenso die Weiterhaftung (Var 4: Rn 32 [b]) bzw Eignerhaftung (Var 5: Rn 32 [b]) auch als eine Grundlage anderweiter Kriterien hinsichtlich möglicher Typenbildung. Und dazu kommt noch die Möglichkeit (und Notwendigkeit) zur Kombination … es fehlt an einem „Zitiergebot“ (dazu § 217 Rn 31 [b]).

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 168 mit § 218 Rn 15 und 25 benützt die Begriffe in anderem Zusammenhang! Siehe dazu Rn 29 bei/mit Fn 45.

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Dies vorsichtig wohl andeutend Bork InsR8 Rn 366, uU auch Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 84 f („Pläne mit Einzelregelungen“).

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Vor §§ 217–269

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b) Masseorientierte Kriterien. Mit Blick auf die Masse kann man in dreierlei Beziehungen unterscheiden. (a) Quantitativ, ob der Plan jedwedes insolvenzunterworfene Vermögen (§ 35 I) betrifft („Vollpläne“) oder nur eine bestimmte Teilmasse („Teilpläne“), wie etwa einen Unternehmensteil54 (im Grund betrifft er alles – agiert aber in jeweilig anderen Formen …). Das geht nur hinsichtlich von Gegenständen („objektiv veranlasste Trennung“55), hingegen nicht auch für Personen („subjektiv begründete Trennung“ – das würde gleiche förmliche Beteiligung aushöhlen56). (b) Qualitativ ist demgegenüber die Einteilung, welche den Umgang mit Massegegenständen als weiteres Kriterium heranzieht (Veräußerung, Erhaltung, Veränderung etc); nur das deckt sich schon sehr stark mit dem Ausfällen abstrahierter Planziele (dazu Rn 39–50)! (c) Eine besondere Unterform wäre das räumliche Anknüpfen nach der territorialen Belegenheit von Gegenständen (arg §§ 355 II, 357 III: Partikularverfahren).

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c) Wirtschaftsbezogene Sicht. Entsprechend betriebswirtschaftlicher Betrachtung (IDW S6 Rn 68) unterscheidet man nach der Wirkungsweise leistungs- und finanzwirtschaftliche Sanierung, das lässt sich auf Insolvenzpläne quasi zurückspiegeln,57 macht aber Sinn bloß bei Sanierungsplänen – gemeint ist hiermit die Umstrukturierung im Unternehmensbild (Leistungswirtschaft: § 220 Rn 74) einerseits, die kurzfristige Verbesserung der momentanen Liquiditätslage (Finanzwirtschaft: § 220 Rn 73) andererseits, welche uU allein diese Insolvenz schon beseitigt (Strohfeuer?). Meist wird aber die Kombination beider Instrumente notwendig, um die Lage nachhaltig zu verbessern. Stärker auf die Wirkung für die betroffenen Gläubiger bezogen, muss man eher dahingehend aber unterscheiden, ob sie denn sofortige Befriedigung erlangen sollen (gesicherter cash out [„Spatz in der Hand“]) oder persönlich Investitionsbereitschaft einbringen müssen (eventueller earn out [„Taube auf dem Dach“] – §§ 225a II, 230 II: debt equity swap), wobei hierbei natürlich gruppenspezifische Mischformenbildung naheliegt. Für Liquidationspläne können sich ebenso entsprechende Typenbildungen rechtfertigen: Realisierung von Zerschlagungs- oder Fortführungswerten – welches Potential erlaubt der Plan genau zu heben? Bleiben wirtschaftliche Werte jeweils zusammengefasst? 4. Erfassung von Plantypen

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a) Strukturierungen. Vorweg gilt es, eine grundlegende Differenzierung klar festzuhalten. Plantypen sind nicht gleichzusetzen mit Sanierungsarten. Das Regelungsspektrum für Insolvenzpläne ist bewusst offener gehalten und nur dem prozessualen Befriedigungszweck verpflichtet (§ 1 S 1 bzw Rn 7). Es fehlt an einer Planzielvorgabe, es gibt nur eine Planzweckvorgabe. Zuzugeben ist lediglich, dass Insolvenzpläne rein statistisch überwiegend

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Anders der U.S.-Ansatz, sog single asset case, weil der idR doch die gesamte Masse erfasst: Uhlenbruck/Braun Unternehmensinsolvenzen (1997), S 575 f bzw Nerlich/Römermann/Braun InsO9 vor §§ 217 ff Rn 209 f, zust Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 87. HK/Haas InsO9 § 217 Rn 20 aE stützt jenen Plan auf § 217 [S 1] Var 3 – siehe dazu bei Rn 35 bzw Rn 49.

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Möglich wäre dagegen (formelle) Beteiligung mit (materiellem) Verzicht von einigen bestimmten Gruppen – aber: § 245 II Nr 3 (Einvernehmen?) bzw § 251 I Nr 1 (Schutzantrag?). Nerlich/Römermann/Braun InsO9 vor §§ 217 ff Rn 206–208; Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 90–93 – aA hier uU BT-Drucks 12/1443 S 92 li. Sp. [A 4e bb]: lediglich finanzwirtschaftliche Sanierung.

Joachim Münch

Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

wohl Sanierungen intendieren58 – vor allem die eines unternehmerisch tätigen Gemeinschuldners (eine juristische Person jedenfalls kann Restschuldbefreiung „alternativ“ bewerkstelligen …), gesetzlich zuweilen inzwischen speziell begünstigt (ESUG bzw § 270b: „Vorbereitung einer Sanierung“ – q.e.d.; vgl noch erg § 39 IV). Der Plan ist ganz dezidiert zielneutral definiert (vgl Rn 55), genau das macht das Charakteristikum der Neukonzeption aus – hieraus folgt alsdann: (1) Sanierung kann natürlich aufgrund Insolvenzplans erfolgen, sie muss es aber nicht. 40 Man kann daher einerseits plangesteuerte Sanierung ansprechen, die sich der allemal höheren Flexibilitäten des Insolvenzplans bewusst bedient, dem andererseits die übertragende Sanierung59 gegenstellen, die unter Konkursrecht schon als spezifische Liquidationsform praktiziert wurde, um damit zwischen Scilla (abschreckend hohe Mindestquoten nach VglO) und Charybdis (liquidative [KO-] Instrumente) gewissermaßen geschickt „durchzukommen“. – Beide Formen setzen dabei jedoch rechtsförmliche Insolvenzeröffnung voraus, können damit auch von möglicher vorinsolvenzlicher Sanierung leicht abgegrenzt werden, sei es die strukturierte, in normiertem Korsett erfolgende Bemühung (in Anlehnung an § 305 I Nr 1 [Verbraucher], wegen Unternehmen siehe neuerdings Rn 21), sei es als seit jeher geläufige informelle Tätigkeit60 (Anbahnung sog außergerichtlicher Sanierung, lediglich konsensual organisiert), um förmliche „Krisenbewältigung“ zu erübrigen. (2) Der Gesetzgeber hat sich recht direkt positioniert: ein Begünstigen von Sanierun- 41 gen sei keineswegs eigenständiges Reformziel – stattdessen gelte, die Marktkräfte zu stimulieren und rechtliche Hemmnisse abzubauen61 (sog Deregulierung des Insolvenzrechts – welche aber in Wahrheit Privatisierung mittels Insolvenzplans darstellt). Man vertraut den Betroffenen, selbst am besten zu bewerten und befinden, was sie weshalb für gut ansehen. Reziprok wächst ihre (Eigen-) Verantwortlichkeit: alle Gläubiger müssen abgewogen ihre eigene (Des-) Investitionsentscheidung62 fällen. Das Gesetz sorgt allein für Information

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ZB Foerste InsR6 Rn 471 („hauptsächlich bei Unternehmensinsolvenzen“); Bork InsR8 Rn 367 („Schwerpunkt … Unternehmenssanierung“); Andres/Leithaus/Andres InsO4 vor §§ 217 ff Rn 1 [2. Abs]„ermöglicht … insbesondere die Sanierung des Unternehmens“); HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 4 („zentralen Anwendungsbereich“). Näher zum insolvenzrechtlichen Sanierungsbegriff bei Frind in FS S Beck (2016) S 135, 137 ff [I 2/3] mit S 152 ff [IV]: Funktion des Richters? Begriff nach K Schmidt ZIP 1980, 328, 336 [III 3] bzw 54. DJT (1982) I S D 84. Wegen der gestalterischen Variationsbreite siehe bei Noack/Bunke KTS 2005, 129 132–136 [II 1]; wegen Vor- und Nachteilen näher Priebe ZInsO 2011, 467, 470 [III]. Literaturauswahl: Emmerich Die Sanierung (1930), S 1 ff [Wesen], S 27 ff [Formen und Inhalt], S. 44 ff [Weise]; Künne Außergerichtliche Vergleichsordnung (19687); Habscheid GS Bruns (1980) S 253; Behmer Der außergerichtliche Sanierungsvergleich (1983); Kohler-Gehrig Außergerichtlicher Vergleich zur Schuldenbereinigung und Sa-

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nierung (1987); Bork Der Vergleich (1988) S 308 f. BT-Drucks 12/2443 S 77 li. Sp. [A 3a]: „Die Herstellung marktkonformer Rahmenbedingungen für die Entscheidung über Liquidation oder Sanierung eines Unternehmens beseitigt die dem geltenden Recht eigene Tendenz zur Zerschlagung.“ In der Tendenz auch recht ähnlich: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 4; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 217 Rn 2. Eher schief zunächst BT-Drucks 12/7302 S 2 [RA]: „Für Sanierungen steht das neue Rechtsinstrument des Insolvenzplans zur Verfügung.“ – richtig wieder alsdann S 150 re. Sp.: „für Sanierungen oder sonstige … Verfahrensgestaltungen“. BT-Drucks 12/2443 S 76 re. Sp. [A 2]: Die gerichtliche Insolvenzbewältigung zielt damit [scil Ermöglichung privatautonomer Entscheidung] auf keine andere Rationalität als die außergerichtliche Liquidation oder Sanierung eines Unternehmens.„

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und Transparenz (§§ 220, 229/230, 232, 234, 235) – und falls nötig für etwas Zwang (§ 245). 42 Während unter altem Recht die Verfahrensweisen (Konkurs/Vergleich) und Verfahrenszwecke (Liquidation [Rn 44], Sanierung [Rn 40]) vermeintlich parallel einhergingen, wird unter neuem Recht eine offene „Aushandlungsplattform“ geboten, um Abwicklung zu optimieren, ein parteiautonom anpassungsfähiges Planverfahren mit einer bewusst flexiblen Zweckvorgabe. Jedoch eröffnete bereits schon der Vergleich beides: neben Erneuerung (als Normalfall des Sanierungsvergleichs: § 7 I-III VglO – „zweiter Anlauf“) auch Verwertung (als Sonderfall des Liquidationsvergleichs: § 7 IV VglO – „letztes Mittel“63); so besehen ist im Konkurs – genau anders herum – mit der „übertragenden Sanierung“ nur der fehlende „Baustein“ gefunden worden, der ausnahmsweise andere Zweckausrichtung gestattet (bzw wenigstens die Erlangung von besseren Fortführungswerten). Die Besonderheit des Insolvenzplans als gänzlich neues Institut ist also seine abstrakte, prinzipielle Offenheit ohne Begünstigung bestimmter Zwecksetzung. Indes existiert doch letztlich ein Vorbehalt: das Insolvenzverfahren als Form der Gesamtvollstreckung hat selbstverständlich vorrangig liquidative Tendenzen (arg ex § 159 bzw § 233) – anders gesagt: das „oder“ bei § 1 S 1 Hs 2/3 ist erst per Plan inhaltlich zu aktivieren (vgl Rn 35 zA). 43 Die so oft gepriesene Flexibilität des Rechtsinstituts „Insolvenzplan“ (dazu Rn 28) hat nach allem doppelten Grund: man kann jenes vorrangig handlungsbezogen verstehen, meinend die Gestaltung des Verfahrens als solchem („Elastizität“ der Durchführung64 – Flexibilität des Insolvenzrechts) und somit mit einem letztendlich stark prozessualen Fokus („Wie“); man kann jenes ebenso wirkungsbezogen deuten, und dies meint dann die Insolvenzabwicklung („Variabilität“ der Befriedigung65 – Flexibilität der Insolvenzfolgen) bei einer schließlich deutlicher materiellen Sicht („Was“), mehr jetzt mit Blick aufs Verfahrensergebnis. Beides fließt am besten sicher am Ende zusammen: Pläne als Mittel zum Zweck! 44 (3) Liquidation kann ebenfalls aufgrund Insolvenzplans erfolgen. Dagegen steht nicht der Einschub bei § 1 S 1 Hs 3 („insbesondere zum Erhalt des Unternehmens“): weder wird das Planverfahren auf insolvente Unternehmen beschränkt, noch sind jene zwingend zu erhalten. Die Regierungsvorlage (§ 1 III RegE) macht dies zwar im Text noch durch zwei komplette Sätze eindeutig besser erfahrbar (Grundsatz [S 1] / Anwendung [S 2], dazu auch noch Rn 89), vor allem mit dem Bezug auf späteres Befriedigen mittels generiertem Ertrag; das Beispielhafte ist ohne weiteres aber deutlich, und nichts deutet auf Exklusivität. Daher gilt die glasklare Regierungsbegründung weiterhin: „Es gibt wirtschaftspolitisch keine Gründe, … auch nur irgendeine Art der Sanierung stets und überall der Zerschlagungsliquidation vorzuziehen.“66 Hierauf zielt nicht zuletzt die verblüffende, neue Einbenennung:

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Und auch einzige Form für natürliche Personen, prinzipiell unbeschränkter Nachhaftung (§ 164 I KO) rechtlich zu entkommen – und letztlich somit also ein Vorläufer der Restschuldbefreiung. Darauf deuten schon BT-Drucks 12/2443 S 79/80 („Entscheidungen über die Gestaltung des Verfahrens, insbesondere …“) und noch zum ESUG klarstellend BTDrucks 17/5712 S 54 re. Sp. Darauf deuten insb BT-Drucks 12/2443 S 90/91 [A 4e aa]: (ein universelles Instru-

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ment der Masseverwertung …) und S 93 li. Sp. [A 4e cc] (… mit Differenzierung der Planwirkungen). BT-Drucks 12/2443 S 77/78 [A 3a bb: Maxime gleichrangiger Zwecke]; das folgt auch schon aus S 75 f [B 2: „Ordnungsaufgabe des Insolvenzrechts“]; vgl auch erg Vorblatt B 5 („‚Insolvenzplan‘, der nicht nur eine Sanierung, sondern auch eine Liquidation vorsehen kann“).

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Vorbemerkungen

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nicht Reorganisations-, nicht Sanierungsplan, sondern nur einfach Insolvenzplan! Hierdurch wird gleich im Ansatz jede textliche Vorfestlegung oder Vereinnahmung vermieden. b) Archetypen. Die Regierungsvorlage bekennt sich relativ unmissverständlich zum 45 Dreiklang möglicher Vertypung.67 Es sind zu unterscheiden: (1) Liquidationspläne, die allein darauf hinzielen, Zerschlagungswerte zu realisieren (Marktaustrittspläne, Abwicklungspläne), bloß gegenüber dem Regellauf in einer modifizierten Weise; insoweit gibt es Berührungspunkte mit den sog Verfahrensplänen (dazu Rn 49). (2) Übertragungspläne, die auf die Trennung von Unternehmensinhalt vom Unternehmensträger abzielen – aus Trägersicht ein Liquidationsvorgang („innerhalb der Insolvenz“), aus „Objektsicht“ „ ein Sanierungsbestreben („außerhalb der Insolvenz“) – und insoweit Fortführungswerte schöpfen (Problematik angemessenen Gegenwertes). Unterfälle: (2a) alter Betrieb mit neuen Eignern („share deal“ – wenn man will: „sanierende Übertragung“); (2b) neuer Betrieb mit neuen Eignern („asset deal“ – klassisch: übertragende Sanierung), (2c) Zwischenlösung mittels einer hierfür neuerrichteten Übernahmegesellschaft (§ 260 III: Überwachung einrichtbar!). (3) Sanierungspläne, die hier jetzt besser Reorganisationspläne hießen (Variation im Wortspiel: „festhaltende Sanierung“). – Zur Veranschaulichung nur einige Beispiele: Liquidationsplan: Variation von Abwicklungstempo (§ 159 Hs 1: „unverzüglich“ – 46 Beispiele: Ausproduktion von Halbfabrikaten; Erhaltung funktionaler Einheiten [Gesamtfortführungswert übersteigt die Summe der möglichen Einzelzerschlagungswerte]; umfangreiches Bieterverfahren etc) und Abwicklungsweise (vor allem für Absonderungsrechte: § 165–173);68 Abkehr von der Maxime der par conditio creditorum, dh von gleichmäßiger, gemeinsamer Befriedigung (arg § 226 I). Im Grund zählt daher die übertragende Sanierung gleichfalls zum Typ der Liquidationspläne (Möglichkeit strukturierter, „gesamthafter“ Veräußerung: asset deal), sie wird meist aber als autonomer Typus begriffen (dazu Rn 47), zumal auch die Zwischenzeit zu überbrücken ist (bloße Betriebsfortführung, aber uU auch erste Sanierungsschritte). Übertragungsplan: Denkbar ist einerseits ein Handeln des Insolvenzverwalters auf 47 Grundlage seiner regulären Verfügungsmacht (allerdings mit Zustimmung: § 160 II Nr 1 Var 1), andererseits per Insolvenzplan mit Einbeziehung der Gläubiger, alsdann in Gruppen. Diese Lösung bietet gewisse strategische Zusatzvorteile: Absonderungsrechte sind – in Abweichung zu §§ 165 ff – dann ebenfalls zu gestalten (§ 223 II), die Gesellschaft ist veränderbar (§ 225a III), der Gemeinschuldner mag trotzdem Restschuldbefreiung bekommen (§ 227 I – arg § 217 [S 1] Var 4), die Erlösverteilung ist flexibler zu handhaben (arg § 217 [S 1] Var 1 bzw §§ 222, 224, 226), die nötige Gläubigerbeteiligung ist anders ausgestaltet, eher transparenter (§ 160 [II Nr 1]), aber uU auch effektiver (§ 161) und flexibler (§§ 162/163). Daraus lässt sich ein ganzes Paket bilden, das die Übertragung („asset deal“) zusätzlich „einbettet“ und Regelungen sowohl für Passiva wie Aktiva beinhaltet. Möglich wäre genauso eine „Zwischenlösung“ mittels einer neuen Auffang- oder Übernahmegesell-

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BT-Drucks 12/2443 S 195 („Sanierungsplan“, „Unternehmen auf einen Dritten übertragen“, „Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung“) – wobei die Literatur dem, teils noch weiter auffächernd, folgt: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 5–8; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217

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Rn 12–16; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 171–181; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 8; HambK/Thies InsO6 Vor §§ 217 Rn 4–7a; FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 71 ff. Zweifel am Nutzen: FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 72; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 6.

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schaft (§ 260 III), wobei über § 225a III dazu jetzt die Voraussetzungen leichter herstellbar scheinen. 48 Sanierungsplan: Beseitigung des Insolvenzgrundes per Veränderung von Betriebsstrukturen, Personalstärke, Produktionsformen, Absatzwegen etc, indes vielleicht auch eher bescheiden durch Verschaffen kurzfristiger Liquidität (Stundung, Kürzung, Verzicht: §§ 223 II, 224, 225 II; Überbrückungsfinanzierung mit insoweit privilegierter Stellung: §§ 264–266). Das kann nicht zuletzt gut über einen sog debt equity swap [DES] geschehen, mit dem man Fremdkapital in Eigenkapital überführt (dh Gläubigerforderungen in Unternehmensanteile: „share deal“). Das war von Anfang an möglich (arg § 230 II), ist aber per ESUG (dazu Rn 136) nun unmittelbar über den Plan festzulegen bzw gestaltbar (§ 225a II), dh kommt ohne gesellschaftsrechtliche Akte aus (§ 254a II), bleibt aber weiter ans jeweilige Einverständnis gekoppelt. 49 Daneben muss man nunmehr als neue Grundform oder Ergänzung den Verfahrensplan (§ 217 [S 1] Var 3) als eigenen Typ stellen.69 Damit wird jetzt nämlich ausdrücklich erlaubt, neben materiell „spürbaren“ Wirkungen (Befriedigung, Verwertung und Verteilung, Nachhaftung) auch bloß rein prozessuale Veränderungen vorzunehmen (siehe dazu schon oben Rn 36, 43). Dahinter steckt eine zu respektierende methodische Abstraktionshöhe (im Gegensatz zu Rn 39–41), wenn man denn den führenden, begleitenden, leitenden Plancharakter solcher Gestaltungen billigt und diese nicht auf einfaches Hinausschieben des Verfahrensendes reduziert (was jedoch womöglich § 258 I Hs 2 aufdrängt – richtig ist anderes: Das wäre wieder nur eine Option unter vielen …). Es geht um mehr, die Regelungen ganzer Abschnitte70 (ein „opt out“ vom gesetzlichen Normalablauf), nicht bloß eines besonderen einzelnen Zeitpunkts (hierfür hätte es einer eigenen, prominenten Nennung gemäß § 217 S 1 nicht bedurft!) – und immer dazuhin innerhalb der Schranken gestatteter prozessualer Disposition (iSv § 217 Rn 44–52). Hier lässt sich schon eine begründete Eigenständigkeit feststellen, die sich oft aber mit sonstigen Planzwecken vermischt (vgl Rn 50).

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c) Vermischungen. Gemeinhin werden die möglichen Planziele nicht „lupenrein“ vorkommen, vielmehr jeweils inhaltliche Variationen benützt werden. Das macht die Stärke des Plans aus (dazu Rn 28 iVm 43). Die Typen (dazu Rn 45–49) sind Bilder von Idealen, die praktische Anwendung und damit nicht zuletzt Anpassung erheischen.71 So mag etwa liquidative Übertragung mit Fortführung zusammenfallen, um die Zeit wertneutral zu überbrücken, häufig mit ersten Sanierungsschritten, um Erwerber zu gewinnen etc. Oftmals ist nämlich stufenweises Vorgehen erfolgreicher („Stufenpläne“: Rn 46 aE). Typischerweise werden Verfahrenspläne (vgl Rn 49) kaum jemals separat vorkommen, sondern meist nur inhaltlich „unterstützende Hilfsfunktionen“ einbringen („Escortpläne“: Rn 35), idR für ein anderweit initiiertes Planverfahren.72 Und für bestimmte Einheiten mag die

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Zust FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 81 f; Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 217 Rn 60 („Verfahrensabwicklungsplan“); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 8; Braun/Braun/Frank InsO7 vor §§ 217 ff Rn 16 („verfahrens-/abwicklungstechnische Regelungen“); Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 26 – relativ skeptisch dagegen Andres/Leithaus/Andres InsO4 § 217 Rn 16 („Ausnahmeerscheinung“) mit

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Rn 7. Hier aA wohl HK/Haas InsO9 § 217 Rn 20 aE mit Rn 7. Diesen Kern trifft voll HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 7a. HK/Haas InsO9 § 217 Rn 15: insgesamt der Regelfall. Noch zuspitzender hier Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 217 Rn 61: Fortführungspläne.

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Vorbemerkungen

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Fortführung naheliegen, für einen anderen Betriebsteil dagegen Schließung, und sei das letztere im Verlaufe „regulärer“ (scil ungeplanter) Liquidation („Splittpläne“: Rn 37 [a]). Solche und andere Mischformen73 entziehen sich notwendig eindeutiger inhaltlicher Beschreibung und sind trotzdem ohne Tadel. Nicht hierher zählt aber der Insolvenzplan mit Drittbeteiligung.74 Es gilt insoweit klar 51 zu unterscheiden: Entweder, der Dritte bleibt ein wirklich außenstehender „Fremder“, dann mag sein Verhalten einen Planbezug haben (§ 249) oder gar auch konkrete Planwirkungen zeitigen (§§ 230 II, 257 II), das variiert nie aber das Planziel, sondern steht immer nebenan. Vor allem die Bedingtheit prägt nicht selbst einen Typus,75 sondern ändert (scil erweitert!) bloß das gerichtliche – amtswegige – Prüfprogramm (im Vergleich zu §§ 248/250) als Erfordernis zur Bestätigung. Oder aber, der Dritte tritt selbst bei (dazu § 217 Rn 47), dann fehlt jeder Anhalt irgendwelcher spezifischer Eigenheiten, welche eine solche Namensgebung legitimieren könnte. Man braucht nicht jedwede Erscheinung demnach hochtrabend als Archetyp zu ver- 52 klären. Nennung findet indes etwa der sog Umwandlungsplan bzw synonym „umwandelnder Insolvenzplan“76 genannt. Nun mögen der Umwandlung gewisse zusätzliche Vorteile innewohnen (Gesamtrechtsnachfolge), sie indes zeitigt umgekehrt auch Nachteile (Haftungspflichten für Verbindlichkeiten – bei Nichtverwertung steuerlicher Verlustvorträge: §§ 4 II S 2, 12 III Hs 2 UmwStG). Dass ein Plan nun korporative Umwandlungen, den Fortsetzungsbeschluss mit einbegriffen, nach § 225a III vorsehen kann (dort Rn 31–41; siehe vor allem § 3 III UmwG [Verschmelzung], § 124 II UmwG [Spaltung], § 191 III UmwG [Formwechsel]), rechtfertigt mE nun kaum, einen neuartigen Plantyp vorzusehen – ebenso gut könnte man Kürzungspläne, Sicherungspläne, Stundungspläne etc77 (§§ 223 II, 224, 225 II), aber zB auch „Swap-Pläne“ (§ 225a II), dann eigens benennen – das alles sind indes nur Maßnahmen, nicht Planziele. Die Umwandlung ist ferner letztlich immer wohl einer Sanierung (iSv Rn 47 f) verpflichtet, und schon von daher keinerlei besondere Mischform. Aus demselben Grunde erscheint der sog „Schuldenbereinigungsplan“ keine Form ei- 53 nes archetypischen Insolvenzplans, wobei hier zusätzlich noch die Begriffsparallelität mit dem Verfahren bei der Verbraucherinsolvenz (§ 305 I Nr 4) Anstoß erregen sollte. Wichtig aber ist ganz anderes: Schuldenbereinigung kann (nicht muss) Insolvenzplanfolge sein (§ 227 I). Was uU für eine subjektive (phänomenologische) Einteilung eher taugt (vgl Rn 32

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Andres/Leithaus/Andres InsO4 § 217 Rn 12: „Mischformen sind möglich“; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 217 Rn 46: „Mischformen und Varianten“; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 217 Rn 8: „sonstiger Inhalt“; HK/Haas InsO9 § 217 Rn 15, 20: sonstige Pläne; Braun/Braun/Frank InsO7 vor §§ 217 ff Rn 8 mit 13 f: Mischformen, sonstige Pläne; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 vor §§ 217 ff Rn 209–212: Sonderformen; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 7: sonstige Pläne; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 26; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 10: „Weitere Planziele … [und] … Mischformen … sind ebenfalls möglich.“

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AA HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 7. AA Nerlich/Römermann/Braun InsO9 vor §§ 217 ff Rn 211 bzw Uhlenbruck/Braun Unternehmensinsolvenzen (1997), S 578; Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 88–90. So sieht es FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 83–90: „neue Form“ (Rn 83). Letztere („Moratoriumspläne“) erwähnen in der Tat aber Nerlich/Römermann/Braun InsO9 vor §§ 217 ff Rn 202; Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 85; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 9.

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[b]), ist objektiv besehen wiederum nur planspezifisch eine Einzelmaßnahme im Spannungsfeld von erzielbarer Befriedigung (§ 217 [S 1] Var 1) und zukünftiger Forthaftung (§ 217 [S 1] Var 4); Letzteres ist alleinig ein Anhängsel des Ersteren. Ein starkes Motiv macht nicht bereits einen neuen Typus. III. Normzwecke

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Normzwecke in einem klassischen Sinne zu ergründen, macht hier offensichtlich wenig Sinn – es kann insoweit bloß um einen übergreifenden Institutszweck gehen oder ein Bündel solcher Zwecke.78 Die Einzelnormen fällen Einzelzwecke aus, welche manchmal weiter und zuweilen enger ausgreifen mögen. So gibt es eher „kleine“, technische Normen mit deutlich untergeordneter Funktion, gemeinhin verfahrensrechtlichen Ursprungs („Ordnungsregeln“ – zB §§ 232, 234, 236, 239, 241, 242, 252, 267), und machtvolle, inhaltliche Regelungen, die gewichtige Strukturelemente festzurren („Kompetenzregeln“ – zB § 217 [objektiv] bzw § 218 [subjektiv] und „Gestaltungsvorgaben“ – zB §§ 219–221, 223–225a, 227–230 [förmlich] bzw §§ 222/226 [sachlich]), aber zB auch Eingriffserlaubnisse (insb §§ 233, 24579 bzw §§ 260–263) und Kontrollbefugnisse (§§ 231, 248–251, 253) sowie vor allem die Festlegung der Planfolgen („Rechtsfolgeregeln“ – §§ 254–257, 259, 259a, 259b, 264–266); dazu kommen ferner alle erforderlichen Regeln zum Ablauf des Planverfahrens als eine Art Gesamtrahmung („Verfahrensregeln“ – zB § 235, 237–238a, 240, 243–247, 269). Das gibt ein sehr heterogenes Bild infolge disparater Zweckrichtung, Abstraktionshöhe, Detaillierung der vielen einzelnen Vorschriften, die sich zum „großen Ganzen“ erst einmal fügen müssen und – jede für sich – nun aufs entscheidende Gesamtbild „Planverfahren“ zurückwirken. Inhaltlich leistet der Gesetzgeber aber Hilfestellung mit § 1 S 1 (dazu Rn 55), ebenso mit Zweckerwägungen der Motive (dazu Rn 59).

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1. Gläubigerbefriedigung. Der Verfahrenszweck wird zwar offensichtlich durch § 1 S 1 vom Gesetz selbst definiert (Hs 1: Befriedigung der Gläubiger im Insolvenzfall) und fürs ganze Insolvenzverfahren festgemacht – Regelverfahren (Hs 2) und Planverfahren (Hs 3) sind alsdann nur Mittel zum Zweck.80 Allemal klar wird dadurch aber eine konkret übertragene Aufgabe: „Haftungsvollziehung“ „per Planung“ als Institut der Gesamtvollstreckung (vgl Rn 13), dh effektive individuelle (Teil-) Befriedigung anstreben. Daneben tritt als weitere, „systemrelevante“ Aufgabe eines jeden Insolvenzverfahrens die kollektive (Teil-) Befriedung, dh rechtsstaatlich gefügte Abläufe bereitzustellen, die das Verfahren individuell organisierter Vollziehung substituieren. Das deutet auf Mitsprachebefugnisse der Gläubiger als „Betroffenenkollektiv“, die gezielter Berücksichtigung bedürfen. Nötig ist ein Forum“ für die Beteiligten für Diskussionen, Mehrheitsbildung, Entscheidung – beim Plan in wohl ganz besonderem Maße. Jenes ergibt als weitere Facetten für den konkreten Institutszweck folgendes:

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Zur Unterscheidung bei Münch in: Bruns/ Münch/Stadler Die Zukunft des Zivilprozesses (2014) [VV 101] S 5, 20 [II 3b]. Hierzu zählen ferner §§ 258, 268 – Beendigung durch actus contrarius.

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Näher dazu Münch FS Schilken (2015) S 387, 397–491 [V 2], insb S 397 [vor a] – und wider den Trend auf S 398 f [b]. Anders im Zugang Heese Funktion des Insolvenzrechts … (2018), S 16–22 [II].

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Vorbemerkungen

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a) Optimierte Befriedigung: „Der Plan ist … dem Ziel der bestmöglichen Haftungs- 56 verwirklichung untergeordnet“.81 Der offensichtlich „oberste“ Institutszweck ist, Freiraum dafür zu schaffen, höchstselbst dieses „Bestmögliche“ planerisch zu erreichen, es zuerst bloß für sich allein zu definieren und dann mit eigentlich konkurrierenden Gläubigern übereinzukommen. Dazu bedarf es jedoch größerer Flexibilität für Ideen/Ziele wie Prozessablauf. Darauf zielen insb Gestaltungsmacht (§§ 217/218 iVm §§ 223–225a, 227, 228) sowie vor allem das Vernachlässigen allumfassender Gleichbehandlung (§ 226 I anstatt der Maxime: par conditio creditorum), mit für alle am Ende trotz allem tunlichst befriedigenderem Ergebnis (arg § 251 I Nr 2). b) Kollektivierte Befriedigung: Der Plan bleibt aber der überaus ernste Versuch, 57 divergierende Interessenlagen auszugleichen. Hierfür dienen formell Gruppenbildung (§ 222), Abstimmungsregeln (§§ 243/244), Konsenspflicht (§ 245 – Obstruktionsverbot bzw Einigungszwang), aber materiell auch besonders das Herstellen umfassender Transparenz (§§ 219–221, 229/230; §§ 234–236). Und hier wirkt der Plan schlussendlich auch legitimierend (so wie es Luhmann gewiss interpretieren würde – „Befriedungsfunktion“82). Dafür leisten besonders – letztlich „schlank“ gehaltene – Verfahrensregeln (§§ 235–246a) und Gerichtskontrolle (§§ 231, 248–253) wichtige Beiträge in einer wechselseitig austarierten Weise (ökonomische Ergebnisse ./. rechtliche Richtigkeit), allemal aber auch eine gewisse Beteiligung des Gemeinschuldners als Betroffenem83 (§§ 218 III, 227, 232 I Nr 2, 235 III, 247): strukturierte Befriedung. c) Autonomere Befriedigung: Der Plan eröffnet großen Freiraum für individuelle, pass- 58 genaue Lösungen. Die Krise ist meist marktinduziert, die Remedur soll reziprok quasi greifen und bemüht ebenfalls die „Kräfte des Marktes“ – das gilt der Insolvenzordnung insgesamt84 und namentlich dem Planverfahren,85 in welchem es gezielt um eine (Des-) Investitionsentscheidung geht. Das begründet die Offenheit für alternative Konzepte einer Krisenbewältigung – sowohl für das Ziel (Rn 39–44), aber auch den Weg (Rn 49 mit 60) dahin! Hierher rechnet aber allemal genauso, nichtmonetäre Planeffekte letztendlich vorzuziehen. Der Insolvenzplan will einen „Rechtsrahmen [bieten] für die einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz“.86 Die vorgelegte regierungsamtliche allgemeine Gesetzesbegründung zur Insolvenzord- 59 nung87 bemüht sich um eine breite, freilich weitgehend ökonomischen Vorstellungen verpflichtete Motivation. Die Detailsicht allerdings ist erfrischend nüchterner: der rechtliche

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BT-Drucks 12/2443 S 91 li. Sp. [A 4e aa] (Mitte); ganz ähnlich auch BGH NJW-RR 2009, 839, 841 {25} [III 2b bb] = ZIP 2009, 480 = DZWIR 2999, 331 = NZI 2009, 230 bzw BGHZ 185, 206, 210 {21} [II 2a] = ZIP 2010, 1039 = DZWIR 2010, 384 = NZI 2010, 603: „im Interesse der bestmöglichen Befriedigung“. Anders im Ansatz BT-Drucks 12/2443 S 79 li. Sp. [A 4e ff]: „technischer Behelf“. Er mag gar eine Führungsrolle uU beanspruchen (Planvorschlag zur Eigensanierung!): § 218 I, aber insb auch § 270b.

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BT-Drucks 12/2443 S 77–80 [A 3a: „Marktkonformität der Insolvenzabwicklung“]. BT-Drucks 12/2443 S 90–92 [A 4e aa]: „der entscheidende Beitrag zur Deregulierung des Insolvenzrechts“ (S 90 re Sp.). BT-Drucks 12/2443 S 90 re. Sp. [A 4e aa]. Siehe oben die Nachw bei Fn 84 und 85 – in „Anlehnung“ an Balz Sanierung von Unternehmen oder Unternehmensträgern? (1986), S 18 ff, siehe auch bei ZIP 1988, 273, 274–281 [II] mit 287–289 [III 4].

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Rahmen für autonome Regelungen werde „erheblich flexibler gestaltet“.88 Der Rechtsausschuss hat dies für sich gleichfalls weniger „hochtrabend“ gesehen: der Plan „gibt den Beteiligten die Möglichkeit, Insolvenzen auf der Grundlage der Gläubigerautonomie flexibel und wirtschaftlich effektiv abzuwickeln.“89 Mit dem ESUG hat der Gesetzgeber seine Vorstellung noch einmal bekundet und komprimiert so artikuliert: der Plan soll „den Beteiligten ein Höchstmaß an Flexibilität für die einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz gewähren. Die Verfahrensabwicklung soll im Verhandlungswege zwischen den Beteiligten und damit möglichst frei von staatlichen Vorgaben erfolgen.“90 Die Lehre bemüht – merkwürdig unkritisch – lieber die alten Worthülsen, Schlagworte, Gemeinplätze …: Flexibilitäten durch Privatisierung;91 Autonomie führe zu einem Wettbewerb;92 der Plan sei Rechtsrahmen für weitgehend einvernehmliche Insolvenzbewältigung93 (mit allemal „kleiner“ Konzession: Rechtsrahmen); es gehe um weitgehend „marktkonforme“ Abwicklung;94 Optimierung statt Erstarrung95 etc. Stephan Madaus96 rühmt den Effizienzgewinn des Verfahrensweges. Das alles mag passen, sieht aber mehr die Reflexwirkungen statt eben just die Erfolgsfaktoren. Kernpunkt ist die Autonomie für die Gläubiger97 – das leitet zwanglos zu Folgendem:

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2. Verfahrensgestaltung. Dogmatisch ein Institutszweck ist zusätzlich, prozessuale Disposition freizugeben (siehe ausf bei § 217 Rn 2 f, 5 f, 21, 27, insb Rn 31–34, aber auch hier Rn 158, 163, 167, 214, 260) – prozessual eine Seltenheit, totales Novum im Insolvenzrecht mit seiner ureigenen Eingriffsmacht. Hierunter lassen sich leicht sämtliche der wohlfeilen Begründungs-Schlagworte (Rn 59) versammeln, mit welchen die Motive zu Unrecht ökonomische Wertungen einzufangen versuchen. Die rechtspolitische Grundentscheidung ist, selbstverantwortete und selbstverantwortliche (Partei-) Disposition zu ermöglichen, und das „Vehikel“ hierfür ist der Insolvenzplan, genauer gesagt seine fünf Kernelemente: Flexibilisierung, Transparenz, Koordination, Kooperation, Justiziabilität (Rn 7–11). Der Gesetzgeber hat hierzu Fundament gelegt und ergänzend (Gestaltungs-) Schranken errichtet (§ 217 – wohl auch am Ende noch § 228, dazu § 221 Rn 25, 48, 57, 64), das genaue Verfahren spezifiziert (§§ 218 ff, 235 ff) und erreichbare Wirkungen beschrieben (§§ 254 ff). Am Ende entstand ein (prozessuales) Institut mit „checks and balances“.

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BT-Drucks 12/2443 S 194 re. Sp. [VB] – ganz genauso dann BGH aaO (Fn 81): möglichst flexibles Verfahren. BT-Drucks 12/7302 S 181 re. Sp. [VB]. BT-Drucks 17/7511 S 35 re. Sp. (oben). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 vor §§ 217 ff Rn 1, zust Andres/Leithaus/Andres InsO4 vor §§ 217 ff Rn 1. HK/Haas InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 3. FK/Jaffé InsO9 vor §§ 217 ff Rn 5.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 vor §§ 217 ff Rn 1; Braun/Braun/Frank InsO7 vor §§ 217 ff Rn 1. HambK/Thies InsO6 vor §§ 217 ff Rn 1. Madaus Insolvenzplan (2011) [JP 157], S 435 ff. Häsemeyer InsR4 Rn 28.01; Foerste InsR6 Rn 469 [1. Abs.] mit Rn 470; Bork InsR8 Rn 365; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 Vor §§ 217 ff Rn 15; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 1.

Joachim Münch

Vorbemerkungen

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C Rahmenbedingungen I. Historische Entwicklung Literatur: Altmeppen Zur Rechtsstellung der Gläubiger im Konkurs gestern und heute, FS Hommelhoff (2012) S 1–7; P M Bauer, Der Insolvenzplan. Untersuchungen zur Rechtsnatur anhand der geschichtlichen Entwicklung (2009), S 25 ff [Vorgeschichte], S 84 ff [Partikularrecht: PR, HH, BY], S 228 ff (KO), 258 ff [GA-VO/VglO], S 282 ff [GesVO], S 293 ff (307–316) [InsO]; Bley, Der Entwurf eines Gesetzes über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses (Vergleichsordnung), ZZP 52 (1927), 113; Cahn, Ist die Schaffung eines gerichtlichen Ausgleichsverfahrens außerhalb des Konkurses wünschenswert?, 32. DJT (1914) Bd 1 S 695; Ciuntu Der Zwangsvergleich im Konkurs (1892); Eisenhardt, Sanierung statt Liquidation (2011) [RG 423]; Freund, Der Zwangsvergleich zur Abwendung des Konkurses im Rechte des Auslandes, ZHR 60 (1907), 306; Henckel, Wandlungen im Konkursrecht – Notwendigkeit und Grundlagen einer Reform, in: Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung [GRS 111] (1980), S 183; Henckel Die Betriebsveräußerung im Konkurs, ZIP1980, 2; Höver, Zur Erneuerung des Konkursrechts. Der Zwangsvergleich, ZAkDR 1938, 765; Jaeger Die Denkschrift über das gerichtliche Zwangsvergleichsverfahren außerhalb des Konkurses, LZ I (1907), 132; König Der Zwangsvergleich im Konkurse und der Vergleich zur Abwendung des Konkurses (1930); Krusch Das Wesen des Vergleichs zur Abwendung des Konkurses (1933); Liebich; Ist die Schaffung eines gerichtlichen Ausgleichsverfahrens außerhalb des Konkurses wünschenswert und in welcher Form?, 32. DJT (1914) Bd 1 S 321; Madaus Der Insolvenzplan (2011) [JP 157], S 56–82; J Mohrbutter Zur Fortentwicklung des Rechts der Vergleichsordnung, FS 100 Jahre KO (1977) S 301; Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, 1982.

Es ist hier nicht der Platz, die geschichtliche Entwicklung eingehend nachzuzeichnen.98 61 Zu unterscheiden ist grundsätzlich der konkursbeendende Zwangsvergleich (§§ 173–201 KO) nach eröffnetem Insolvenzverfahren, ein legislativ benützter terminus technicus, und der konkursabwendende „Privatvergleich“ (VglO) statt und vor einem eröffnetem Insolvenzverfahren. Der Sanierungsgedanke wurde beiden nicht in die Wiege gelegt … hat sich indes allmählich mehr und mehr etabliert. Das Planverfahren wirkt demungeachtet als grundlegende (!) Neukonzeption (Rn 165 f), immerhin aber doch in Anlehnung an greifbare amerikanische Vorbilder (Rn 140 ff). Es nützt indessen, sich trotz dieses Neuansatzes der historischen Hintergründe einer 62 Einzelregelung zu vergewissern. Die Leitsätze der Insolvenzrechtskommission und der Fließtext der Ministerial- und Regierungsentwürfe sind nicht etwa kritiklose Rezeption der amerikanischen reorganization (11 USC ch. 11), sondern ein Versuch, ein mit dem Normalverfahren verwobenes Instrument bereitzustellen, das größere Flexiblitäten erlaubt (und bessere Befriedigung [iSv Rn 56] gewährt). Diese Systembindung („Rolle“ unter neuem Recht) und auch die Systemprägung altrechtlich bewährter Vorschriften (quasi die „Bühne“) macht den Blick auf Vorgänger sehr fruchtbar: es geht um – normgenetisch durchaus gewollte – Kontinuitäten und ebenso um bewusst vollzogene Brüche. Das muss man berücksichtigen, wenn man eine Vorschrift funktional betrachtet, letzthin allein auch, um belastbar zu ermitteln, inwieweit alte Argumente noch benutzbar sind. Es wäre mithin ein grober Trugschluss, einen kompletten Neustart (eine „Stunde Null“) anzunehmen.

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Wegen römischer (S 58 f, 81–83) und deutscher (S 67–69, 75) Wurzeln vgl P M Bauer Der Insolvenzplan.

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Historisch verlief die Entwicklung des Zwangsvergleichs in eher ruhiger Bahn, nachdem er bereits mit der Reichskonkursordnung99 genaue Normierung (und Anerkennung) erfuhr (§§ 160–187 KO/aF bzw §§ 173–201 KO/nF: siehe dazu bei Rn 67–70); kontrovers war hingegen die Normierung eines „Privatvergleichs“ als eigener, zweiter Weg zur konkursunabhängigen Schuldenbereinigung und nach und nach für Sanierungen von Unternehmen (siehe dazu bei Rn 71–82). Jene Geschichte war keineswegs eine stringente, sondern erforderte mehrere legislative Anläufe mit allmählicher weiterer Modifikation der Normstruktur. Trotz einiger jüngerer Erfolge (zB Herstatt, AEG, Pelikan) blieben (Privat-) Vergleiche eher rar.

1. Partikularrecht. Die Hansestädte hatten progressive Normvorgaben. Hamburg100 favorisierte schon früh den „Accord“ (Art 46 I: „ohne darauf zu sehen, ob der Debitor eines gütlichen Accords würdig oder nicht“) und zwar unter Einbezug gesicherter Gläubiger (Art 47 S 1), bei jedoch teilweise komplizierten Prioriätsregeln bzw vereinfachender „Gruppenbildung“ (Art 49: „Classen“). Hierbei stand die verstärkte Gläubigerautonomie im Mittelpunkt,101 Zweck aber war doch immer die Verbesserung des Ergebnisses der Liquidation, nicht etwa die Sanierung des Schuldners. Bremen102 unterschied 100 Jahre später strukturell innert der Debitverfahren zwischen Accordverfahren (§§ 171–194) und Concursverfahren (§§ 195–230), kannte aber ebenso noch sog Moratorien (§§ 140–170). Accord umfasste „jeden Vertrag des Falliten mit seinen Gläubigern über deren Befriedigung, sofern dadurch die Beendigung des Debitverfahrens herbeigeführt werden soll“ (§ 171, vgl auch erg § 188). Nötig war dafür absolute Kopfmehrheit und 2⁄3-Summenmehrheit (§ 182 – zum Berechnungsmodus bei §§ 183 f, 174); Nichtteilnehmer (§ 174 I Hs 3) und Widersprecher (§ 186) konnten binnen dreier Monate indes ebenfalls noch beitreten und genauso „Accordsgelder“ fordern (§ 187 S 1), waren danach alsdann freilich ausgeschlossen (§ 187 S 2). 65 Das bayerische Gantrecht103 erwähnt en passant den konkursabwendenden Vergleich (Art 1316 ZPO: „Accord“), fordert dafür indes die Einstimmigkeit von Gantschuldner

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Konkursordnung [Nr 1172] vom 10.02.1877, RGBl Nr 10 S 351, 380–384 [in Kraft ab 01.10.1879 (§ 1 EGKO iVm § 1 EGGVG)] mit KO-Mot S 390–403 = Hahn IV S 348–359 [AT] bzw S 403–430 = Hahn IV S 359–381 [BT] und erg die Modifikationen mit der sog Konkursnovelle vom 17.05.1898 (Gesetz [Nr 2474], betreffend Aenderungen der Konkursordnung [Nrn 48–54]), RGBl 1898 Nr 21 S 230, 240 f [in Kraft ab 01.01.1900 (Art 1 EGKO-Nov iVm Art 1 EGBGB)] mit KO-Neubekanntmachung [Nr 2490] vom 20.05.1898, RGBl 1898 Nr 25 S 369, 612, 644–649. Siehe aber beispielhaft auch einen der diversen Änderungsanträge von Rintelen: RTDrucks IX/2 Nr 18, RT-Prot 136 (1894) S 225, 227 [§ 162] sowie dazu den Kommissionsbericht vom 16.03. 1894, RT-Drucks IX/2 Nr 278, RT-Prot 137 (1894) S 1349, 1355–1358. Später vgl insb Schumann DJ

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1935, 1210, 1216; Vogels ZAkDR 1937, 213, 220; Höver ZAkDR 1938, 765 bzw Tidow Zur Erneuerung der Vorschriften über den Zwangsvergleich, KTS 1956, 100 (mit Zusf auf S 105 re. Sp.) – ferner: Mohrbutter FS 100 Jahre KO (1977) S 301 mit KTS 1985, 257; Uhlenbruck KTS 1981, 513, 515 f [I 1]. Der Stadt Hamburg Neue Falliten-Ordnung vom 31.08.1753, dazu KO-Mot S 393 f = Hahn IV S 350/351 mit S 351 – dazu P M Bauer Insolvenzplan, S 136 ff (142–148). GemSchO Mot III S 58. Verordnung für Debit- und Nachlaßsachen der freien Hansestadt Bremen (1849), dazu KO-Mot S 395–397 = Hahn IV S 352–354. Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern (1869) – dazu P M Bauer Insolvenzplan, S 216 ff (225 f), wegen Vorläufern siehe S 90–93 (BY LR [1616]) bzw S 120–135 (CJBJ [1753]).

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und Betroffenen, und gleichfalls die Möglichkeit „außergerichtliche[r] Unterhandlungen über einen zu Stande zu bringenden Accord“ (Art 1317 ZPO), welche indes zwar das Verfahren nicht aufhalten, jedoch beenden können. Der sächsische Entwurf einer Konkursordnung104 widmet sich dagegen sehr breit der „Treffung eines Akkordes“ (§§ 179–207) mit hälftiger Mindestquote (§ 180 Nr 3 S 1 – Ausnahmen für Kaufleute) – allemal indes schon mit Mehrheitszwang (§ 185 Nr 1: ¾-Summenmehrheit) und Bindung nichtteilnehmender Dritter (§ 196 S 1); daneben wurde ein „Außergerichtlicher Vergleich zur Hebung des Konkursverfahrens“ anerkannt, welcher aber niemals prozessual Sperrwirkung entfaltete (§ 271) und verschärft Einstimmigkeit abforderte (§ 272). Die hannoversche Proceßordnung105 erlaubt sog „Anträge auf Stundung oder Nachlaß“ (§ 609) als Versuch gütlicher Vereinbarung (Abs 1) mit Zwang zwar gegen die Nichterschienenen (Abs 2 – aber vgl auch Abs 5!), nicht aber auch gegen Teilnehmer des Verfahrens (Abs 4 S 1: „Ein Zwang der Minorität der Gläubiger durch die Majorität … findet weder vor eröffnetem Concurs, noch während desselben ferner Statt.“) und beließ es im Übrigen gleichfalls bei gerichtlicher Vermittlung (Abs 4 S 2: „gütliche Einigungen … möglichst zu befördern“). Das badische Gantrecht106 versucht, in einem relativ späten Stadium ins Regelverfahren vergleichsweise Erleichterungen einzuflechten (§ 776: „zur Abwendung oder doch zur Abkürzung des weiteren Gantverfahrens angemessene Vorschläge zu machen“); insbesondere bei Kleinverfahren sollte entsprechend vorgegangen werden (§ 832 S 2 Nr 1). Der württembergische Entwurf eines Handelsgesetzbuchs107 kennt – natürlich nur für Kaufleute – Moratorien (Artt 1150–1164: „Von Anstandsbriefen“, vgl Rn 68) wie Akkordakte (Artt 1125–1140: „Von Borg- und Nachlaß-Vergleichen“). Letztere verlangen qualifizierte Mehrheiten (Art 1130108) betreffend die Anwesenden und gerichtliche Bestätigung (Art 1125 I iVm Art 1135109) – und sollen dann für alle wirken (Art 1136 I). Demnach sollte es mithin einen Mehrheitszwang zum „Privatvergleich“ geben. Besonders prägend erscheint indes preußisches Recht,110 das ein eingehendes Akkord- 66 recht als Konkursrecht bereithielt (§§ 181–209). Auf Gemeinschuldnerantrag hin konnte „zum Zweck der Wiederaufhebung des Konkurses mit rechtsverbindlicher Kraft für widersprechende und für nicht theilnehmende Gläubiger“ ein Akkord geschlossen werden (§ 181 I). Nötig war dafür absolute Kopfmehrheit (§ 186 Nr 1) plus ¾-Summenmehrheit (§ 186 Nr 2); wurde eine jener Mehrheiten verfehlt, erfolgte einmalig Wiederholung der Abstim-

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Entwurf einer Konkurs-Ordnung für das Königreich Sachsen (1866) – sehr lesenswert dazu Mot S 118–120. Allgemeine bürgerliche Proceßordnung für das Königreich Hannover (1850), zur Begründung bei Leonhardt S 252 f. Prozeß-Ordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Großherzogthum Baden (1864); inhaltsgleich die Vorgängernorm (1831/1832): § 884 bzw § 939 Nr 1. Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg (1839). Interessant die Festlegung („übers Kreuz“): entweder absolute Kopfmehrheit plus ¾-Summenmehrheit oder aber ¾-Kopfmehrheit plus absolute Summenmehrheit. Sondervorschriften zum Schutz vor Separatvergleichen: Artt 1125 II, 1139.

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Konkurs-Ordnung [Nr 4227] vom 08.05.1855, PGS Nr 20 S 321 – Motive: [Zweite Kammer] Drucks III/3 Nr 27 S 103 ff [§§ 175–203]; siehe auch den HGB-Entwurf von 1857: Artt 844–872 (Mot S 459–481) bzw Art 873 (Mot S 461 und S 481) – dazu P M Bauer Insolvenzplan, S 181 ff (201–213), wegen Vorläufern siehe S 99–103 (HCO [1722]) und S 165–171 (AGO [1794]. Wegen der Hintergründe siehe bei Thieme 100 Jahre KO (1977) S 35, 52 f mit 53/54 [II 4c]. – Näheres siehe bei Lesse Akkord im kaufmännischen Konkurs nach der Konkursordnung vom 8. Mai 1855 (1861); Makower Studien zur Concurs-Ordnung (1861), S 57 ff; Güterbock Ueber einige in der Praxis hervorgetretene Mängel des preußischen Konkursverfahrens (1860).

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mung (§§ 187 f); zudem war nötig gerichtliche Bestätigung (§ 190 mit § 191 I), die schon gewisse Einspruchsrechte öffnete (§ 192 iVm § 193 [Kontrollmaßstab]: Verfahrensablauf [Nr 1] / Gleichbehandlung [Nr 2] / Gläubigerschutz [Nr 3]). „Der rechtskräftig bestätigte Akkord gilt als Vergleich zwischen dem Gemeinschuldner und allen Konkursgläubigern“ (§ 197 I Hs 1) ohne Rücksicht auf ihre Teilnahme (§ 197 I Hs 2) und führt zur Restschuldbefreiung (§ 198 I). Ziel war aber gleichfalls nur die Liquidation (§ 199 I). Recht nebenbei fand außerdem die tatsächliche Möglichkeit außergerichtlicher Vergleiche Erwähnung (§ 210): es fehlt an prozessualer Sperrwirkung (Abs 1), bei Einstimmigkeit aller Anmeldenden wird aber eingestellt (Abs 2).111 2. Konkursordnung. Der Entwurf einer Deutschen Gemeinschuldordnung (1873)112 verfuhr zweispurig mit einem Zwangsvergleich (§§ 166–191), der preußischen Vorbildern (siehe eben bei Rn 66) verpflichtet war (insb § 166 [Begrifflichkeit]; § 177 [Mehrheiten]; § 180 [Prüfmaßstäbe]; § 183 I [Rechtswirkungen]), sowie parallel einem ausführlichst geregelten „Privatvergleich“ (§§ 233–256) bzw „Vergleichsverfahren zur Abwendung des Gemeinschuldverfahrens“ für denjenigen, der „durch unverschuldete Ereignisse außer Stand gesetzt ist, seine Zahlungen zu leisten“ (§ 233).112a Ein eröffnetes Vergleichsverfahren sollte Einzelvollstreckung wie Konkursverfahren sperren (§ 240). Verlangt war freilich Einstimmigkeit (arg § 250 I S 1), wenn nur eine ¾-Mehrheit (nach Köpfen plus Summen [§ 244 II]113 – hinsichtlich der Anwesenden [§ 244 III]) zustande kam, konnte man jedoch die Abstimmung einmal wiederholen lassen (§§ 248/249); nach einer gerichtlichen Bestätigung (§ 250 I S 1) waren Dritte genauso gebunden (§ 251), dh ohne Rücksicht auf ihre Teilnahme. Ein Motiv war allemal die Forderung des Vierten Deutschen Handelstages (1868), ein „kaufmännisches Akkordgesetz“ voranzubringen,114 wofür zwar offenbar dann die absolute Mehrheit genügen sollte, Nichtteilnahme oder Nichtanmeldung aber als eine Ablehnung rechneten (II Abs 2); die Würdigkeit des Gemeinschuldners sollte dagegen keine Rolle spielen (II Abs 1 lit b). Der Sechste deutsche Juristentag (1867) hatte noch zuvor eine deutlich skeptischere Haltung eingenommen und sich gegen die durchgängige Möglichkeit eines sog „Vorakkords“ ausgesprochen.115 Das möchte auf disparate Prioritäten (Sanierungswille des Handelsverkehrs) hindeuten. 68 Einigkeit bestand darüber, das gemeinrechtlich etablierte Moratorienunwesen abzuschaffen (Volksmund: Stundungsbriefe, „Quinquenellen“). Man unterschied sog Generalmoratorien gegenüber allen Gläubigern und sog Spezialmoratorien mit Hinsicht nur auf einzelne persönliche Gläubiger. Sie wurden geradezu ausufernd vergeben und waren demzufolge negativ konnotiert („alte[s] Volkswort: ‚Quinquinellen gehören in die Höllen‘“116). Die „landesherrliche oder gerichtliche Bewilligung einer allgemeinen Zahlungs-

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Drucks III/3 [Zweite Kammer] Nr 27 S 115 [§ 204]: „Zulässigkeit … zum Zweck der Beseitigung des Konkurses keineswegs ausgeschlossen; nur ist zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich daß alle Interessenten in den Vergleich einwilligen“. 112 GemSchO Mot II S 219–229 [AT] bzw S 229–236 [BT]. 112a Zur Terminologie bei Rn 17, 61. 113 Allemal waren indes nur benannte Gläubiger tangiert: § 244 I S 1 – sonst käme man

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auch nicht zur Sicherstellung der Einstimmigkeit! Prot S 68 f. I S 41 f & III S 120, 129, 337–339 – bei wechselvoller Vorgeschichte: Eisenhardt Sanierung statt Liquidation S 61–65. GemSchO Mot II S 219, eher zurückhaltend hier KO Mot S 386 = Hahn IV S 353/354.

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Vor §§ 217–269

stundung“ sollte aufgehoben werden (so dann später glasklar § 4 EG KO – dort wurden aber ebenso sonstige „Abwendungsverfahren“ verboten! – und § 14 II Nr 4 EG ZPO). Die Konkursordnung übernahm weitestgehend die Normvorschläge zum Zwangsver- 69 gleich (§§ 160–187),117 mit einer überaus wichtigen Modifikation: Zurückdrängung inquisitorischer Gerichtsmacht (insb § 180 Nr 2 S 1 Hs 2 GemSchO: „Das Gericht kann den Vergleich verwerfen: … wenn der Vergleich … das Interesse aller Gemeingläubiger oder den allgemeinen Kredit benachtheiligt.“) zugunsten parteiseitigen Freiraums.118 Es ging um weniger staatliche Fürsorge und um ein Stärken der „Selbstthätigkeit“ der Gläubigerschaft und also darum, „die Selbstverwaltung und Selbstbestimmung der Gläubiger zu erweitern“.119 Das liest sich recht aktuell vor dem Hintergrund der Überlegungen zum Planverfahren. – Der Privatvergleich, und das ist die weitere große Novität, wurde dagegen verworfen:120 „Unter der Voraussetzung eines die freie Bewegung nicht hemmenden Konkursverfahrens ist ein Vergleichsverfahren außerhalb desselben theils überflüssig, theils unzulässig.“121 Man plante, die Mängel des Konkursrechts zu beseitigten, nicht etwa der Auslösung des Konkursfalls irgendwie vorzubeugen. Ein Vergleichsrecht schien überflüssig, wenn man dort die benötigte Einstimmigkeit hochhielt, und unzulässig, wenn man auf jede gerichtliche Überprüfung (von Schuldnerverfügungen wie Gläubigerforderungen) verzichtete, aber trotz allem Dritte einbinden wollte. Man fürchtete, die Novitäten des Konkurses zu verlieren, noch bevor jene überhaupt erprobt waren. Der Trost der Gesetzesvorlage war klein: „Einem Schuldner, welcher durch Unglücksfälle zahlungsunfähig geworden …, möchte es nicht unschwer [sic!] gelingen, auch außergerichtlich sich mit seinen Gläubigern zu verständigen.“122 Die Reichstagskommission hat freilich die Thematik noch einmal erörtert, sich indes 70 dann gegen eine Aufnahme des Akkordes positioniert.123 So blieb es, indes verstummte die Forderung nicht. Von Seiten des Handels wurde dann konsequenterweise auch zur Konkursnovelle ein schlankes Akkordverfahren empfohlen, dem allerdings das Reichsjustizamt kritisch gegenüberstand.124 Die Bundesratsvorlage schwieg zum Problem, im Reichstag wurde es knapp (an-) diskutiert (Bassermann), der Vorstoß verpuffte, und es fand sich insoweit keine Mehrheit zur Änderung:125 die eher alten Gläubigerschutzgesichtspunkte wogen mithin stärker. Die Zeit war offensichtlich noch nicht reif genug … 3. Geschäftsaufsicht. Das praktische Bedürfnis zielte allerdings eindeutig auf Ver- 71 gleichsmöglichkeiten hin.126 So kam es zum preußischen Vorentwurf einer selbständigen

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Dazu P M Bauer Insolvenzplan, S 237–241. Übrigens: Ein Zwangsvergleich blieb Zwangsvergleich bei späterer einstimmiger Annahme: KO-Prot S 111 = Hahn IV S 605/606. KO-Mot S 401–403 = Hahn IV S 357–359: „in einen Zusatz mißlicher Offizial- und Formaljustiz verstrickt“ [S 401 bzw S 357]; „darf den Zweck des Schutzes der widersprechenden Minorität nicht überschreiten“ [S 401 bzw S 358]; „Bevormundung und Benachtheiligung der Gläubiger durch den Richter“ [S 402 bzw S 358]. KO-Mot S 403 = Hahn IV S 358/359 [Zitat: S 358] auf preußisches Recht rekurrierend.

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Mit freilich äußerst knapper Mehrheit: Eisenhardt Sanierung statt Liquidation S 82–84. KO-Mot S 430–435 = Hahn IV S 381–385 [Zitat S 433 bzw S 383 – ohne originale Hervorhebungen]. KO-Mot S 436 = Hahn IV S 385 = RTDrucks II/2 Nr 200 = RT-Prot 37 (1875) S 1552 re. Sp. (die Doppelverneinung scheint lapsus linguae) – dazuhin mit dem Hinweis auf die Vertraulichkeit. KO-Prot S 126 f = Hahn IV S 617 f. Jakobs/Schubert BGB-Beratungen: EG/2, S 1563. RT-Prot 160 (1898) S 1023 (pro) bzw S 1026 re. Sp., 1030 li. Sp. (contra).

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Vergleichsordnung.127 Der Antrag musste einen bestimmten Vergleichsvorschlag beinhalten (§ 13 Nr 1 iVm §§ 14 und 16) und grundsätzlich Gleichbehandlung gewährleisten (§ 15 – auch § 41 Nr 2 S 1). Es fehlte an einer Mindestquote für die Befriedigung, doch galten insoweit abgestufte Mehrheitsquoren (absolute Kopf- plus ¾-Summenmehrheit [§ 17 I: Minimum von 40 %], ¾-Kopf- und 9/10 Summenmehrheit [§ 17 II: weniger als 40 % – aber: § 41 Nr 1 und Nr 2 S 2]); die Zustimmungen waren bereits im Vorfeld schon beizubringen (§ 13 Nr 2 mit § 19). Der Antrag sollte Sperrwirkung gegenüber Konkursverfahren (§ 28) und Einzelvollstreckung (§ 29) entfalten; der Schuldner sollte weiterhin (begrenzt) verfügen können (§ 30 II). Nach gerichtlicher Bestätigung, welche arbiträre Elemente gestattete (§ 42), waren Dritte genauso gebunden (§ 47 I), wenn sie denn als Gläubiger auch angegeben waren (§ 47 II S 1 e contr mit § 21 I) oder Kenntnis vom Verfahren hatten (arg ex § 37 II S 2). Wer unbekannt war und selbst gleichfalls kenntnislos blieb, war nicht berührt. 72 Mit dem Kriegsausbruch entschied man sich indes alternativ für die Implementierung einer sog „Geschäftsaufsicht“. Eine erste Regelung [GA-VO/aF]128 war gedacht als Kriegsnotmaßnahme: wer kriegsbedingt zahlungsunfähig (!) wurde, konnte „die Anordnung einer Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkursverfahrens beantragen“ (§ 1); der Antrag hatte Erfolg, „wenn die Behebung der Zahlungsunfähigkeit nach Beendigung des Krieges in Aussicht genommen werden kann“ (§ 3 I). Das Verfahren bewirkte eine Vollstreckungs- und Konkurssperre (§ 5). Eine Schuldenbereinigung war allerdings nicht vorgesehen, nur die Verteilung des Vorhandenen (§ 8 S 1 Hs 2: „Umfang und Reihenfolge der Befriedigung bestimmen die Aufsichtspersonen nach billigem Ermessen.“). Vermittels verfahrensrechtlicher Umkleidung umschiffte man „pragmatisch“ das Moratorienverbot (vgl dazu bei Rn 68). 73 Eine zweite Regelung [GA-VO/nF]129 erweiterte die Anwendung auf Überschuldungstatbestände, blieb aber sonst im generellen bei der bisherigen Grundstruktur (§§ 1–13: Voraussetzungen und Wirkungen der Geschäftsaufsicht), detaillierte indes doch den Regelungsgrad (§§ 14–32, 66–80), namentlich des Verfahrens, und brachte insbesondere die Erstkodifikation des Zwangsvergleichs außerhalb des Konkurses (§§ 33–65)130 – angesto-

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Siehe dazu die Darstellung bei Eisenhardt Sanierung statt Liquidation S 95 ff sowie vor allem die „Denkschrift über das gerichtliche Zwangsvergleichsverfahren außerhalb des Konkurses“ vom 01.12.1906, RT-Drucks XI/2 Nr 596, RT-Prot 226 (1906) S 5590 zur Rechtsentwicklung im Inland (S 5590–5594, 5669 f) und Ausland (S 5594–5669), aber zB auch Jaeger DJZ 1905, 753 und LZ 1907, 584; Kleinrath LZ 1908, 270; 32. DJT (1914): Gutachten Liebich (S 321) und Cahn (S 695). Vorläufiger Entwurf eines Gesetzes zur Abwendung des Vergleichsverfahrens vom 31.01.1914 – abgedruckt bei Eisenhardt Sanierung statt Liquidation S 350 ff. Bekanntmachung [Nr 4459] vom 04.08. 1914 betreffend die Anordnung einer Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkursverfahrens [GA-VO/aF], RGBl Nr 57

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S 363 [in Kraft ab 10.08.1914 (§ 13)], dazu: Wertheimer JW 1915, 174; Jörissen DRiZ 1916, 137. Bekanntmachung [Nr 5608] vom 14.12.1916 über die Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses [GA-VO/nF], RGBl Nr 283 S 1363 [in Kraft ab 25.12.1916 (§ 80 I Hs 1)], dazu: Henschel DJZ 1917, 191; Jaeger JW 1917, 66 und 134 bzw Klien/Jaeger (1917) und Jaeger ZZP 48 (1920), 139, 141–145; Buhmann JW 1917, 425; Werner LZ 1917, 232; P M Bauer Insolvenzplan, S 258 ff. Wegen der Gesetzgebungsgeschichte siehe bei Eisenhardt Sanierung statt Liquidation S 142 ff – Motive in RAnz 1916 Nr 298 [19.12.1916]: Beilage 1 S 3 li. und mi. Sp., S 4 mi. Sp. [AT]; S 4 mi. und re. Sp. und Beilage 2 [BT] bzw JMBl PR1917 S 13 [09.01.1917]: S 14–16, 24 f (AT); 25–33 (BT).

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Vorbemerkungen

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ßen per Antrag des Schuldners (§ 33 I). Hier finden sich bereits wesentliche Vergleichsmerkmale beschrieben: Beteiligte (§ 33 II), Gleichbehandlung (§ 34 I S 1 und II), Inhaltsvorgaben (§ 35 I: „Erlaß oder Stundung oder beides“ [S 1] bzw „Sicherung seiner Durchführung“ [S 2, vgl auch erg § 48 I]); erforderlich war ein bestimmter Vergleichsvorschlag (§ 41 I Nr 1) und schriftliche vorneweg (!) erklärte Zustimmungen131 (§ 41 I Nr 2 – bei Kombination von Kopfmehrheit [½] mit Summenmehrheit [¾], § 37; es zählen allein Betroffene, § 39); Vorprüfung auf Würdigkeit und Korrektheit (§ 42 II); Erfordernis gerichtlicher Bestätigung (§§ 53–55); Wirkungen nur gegenüber den im Verzeichnis dokumentierten Gläubigern (§ 60 I); keine Aufhebung wegen Nichterfüllung (§ 63). Damit war erstmals ein wirklicher Mehrheitszwang kraft Vergleichsrecht eingeführt; 74 die Mehrheit war freilich im Vorhinein außergerichtlich zu erreichen (§ 41 I Nr 2132); vor einer Zwangsanwendung wurde mit Nachverhandlung von Seiten der Aufsichtsperson (§ 45) eine echte konsensuale Lösung versucht. Bemerkenswert sind weiterreichend die gewisse Abmilderung der Pflicht gleichzubehandeln (§ 34 I S 2:133 mit qualifizierter Mehrheit und gerichtlicher Erlaubnis: § 226 Rn 8), der Verzicht auf Öffentlichkeit zur Milderung des Stigmas der Insolvenz sowie auch die Nichtfestsetzung von Mindestquoten. Indirekt galt freilich eine 1⁄5-Schranke (§ 55): das Gericht hatte alsdann einen größeren Ermessensspielraum, den Vergleich zu verwerfen (bei Unredlichkeit [S 1: muss] bzw Leichtfertigkeit [S 2: kann]). Über die subjektive Anknüpfung ist eine faktische „Würdigkeitsprüfung“ ermöglicht. 4. Vergleichsrecht a) Alte Vergleichsordnung. Die Geschäftsaufsichtsregeln behielten erst einmal nach 75 Kriegsende Geltung,134 sollten dann jedoch einem eigenen Vergleichsrecht weichen.135 Marksteine sind folgende:136 – 24.09.1925: Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung der Geschäftsaufsicht und den Vergleich zur Abwendung des Konkurses137 mit neuem dritten KO-Buch: „Vergleich zur Abwendung des Konkurses“; – 10.11.1925: zwischen Wirtschafts- und Justizministerium abgestimmter, umgearbeiteter Entwurf: autonome unabhängige Regelung (wohl um eine befürchtete „Schwellenangst“ abzumildern – neue hälftige Mindestquote); – 05.12.1925: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Preisabbaus138 (Art 1: Vergleich zur Abwendung des Konkurses: §§ 1–84) – neuerlich mit hälftiger Mindestbefriedigungsqote (§ 15 Nr 2: „Eröffnung ist abzulehnen …“);

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Bezüglich der Eröffnung „auf der Grundlage des Vorschlags des Schuldners“ – spätere Vorschlagsmodifikationen möglich, aber ebenso späterer Gläubigerwiderruf (§ 51 II). JMBl PR 1917 S 13, 23: „nur … Widerstände einzelner Gläubiger zu überwinden“. JMBl PR 1917 S 13, 22: „im Interesse der Gläubiger kleinerer Forderungsbeiträge“. VO vom 08.02.1924, RGBl I Nr 8 S 51; VO vom 14.06.1924, RGBl I Nr 42 S 641. Antrag: RT-Drucks III/406 [21.01.1925], RT-Prot 396 (1925) – Annahme: RT-Prot 385 (1925) S 1145 [18.03.1925].

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Noch heute lesenswert zudem Jaeger ZZP 48 (1920), 139, 145–152: GA-VO als relativ gutes Vorbild (S 152 mit S 145 f). Abgedruckt bei Eisenhardt Sanierung statt Liquidation S 363 ff. RR-Drucks 1925 Nr 184 mit Begründung, auch abgedruckt bei Eisenhardt Sanierung statt Liquidation S 375 ff. – sehr drastisch dazu Jaeger DJZ 1926, 28: „überstürzte Gelegenheitsarbeit“.

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30.01.1925: (inoffizieller Gegen-) Entwurf von Hachenburg139 anlässlich der Beratung im vorläufigen Reichswirtschaftsrat (§§ 1–15) mit Verzicht auf vorherige Zustimmungserklärungen (arg § 2) bei absoluter Kopfmehrheit (§ 9 I) und zusätzlich abgestuften, qualifizierten Summenmehrheiten (§ 9 II); – 03.02.1926: Stellungnahme des vorläufigen Reichswirtschaftsrates140 (vorbereitet von Hachenburg) mit Plädoyer für ein „eigenständiges“ Gesetz (I) und starker Hervorhebung (III 3 [Abs 1] mit II) der nötigen Aufgabenverteilung zwischen Gericht („[Rechts-] Fürsorge“) und Gläubigern („Fragen wirtschaftlicher Art“);141 – 07.06.1926: Regierungsentwurf eines mit dem Reichsrat abgestimmten, nun selbständigen, Gesetzes über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses (Vergleichsordnung)142 mit Mindestbefriedigungsquote von 30 % (§ 18 Nr 2); – 14.06.1927: Ausschussentwurf nach zweifacher Lesung im Justizausschuss143 mit teilweise grundlegenden Umstrukturierungen, insb die Heraushebung der Mindestquote (§ 3a) und Einführung fakultativer Ablehnung (§§ 18 II und 18a); – 20.06.1927: Beschlussfassung im Reichstag in zweiter und dritter Lesung ohne weitere Aussprache „in Anbetracht des umfangreichen schriftlichen Berichts“.144 Die Zählung wurde hernach (wie bei der InsO) redaktionell noch bereinigt. Die „alte“ Vergleichsordnung145 [„aF“] war damit geboren, führte mit ihren „Eigenheiten“ (Rn 76) jedoch nicht gleich unmittelbar zur Befriedung der Diskussion (Rn 77). 76 Als Auslösetatbestand taugten indes nur (Konkurs-) Eröffnungsgründe (§ 1).146 Es galt generell Gleichbehandlung (§ 5 I), freilich modifiziert um Möglichkeiten majorisierter Zurücksetzung (§ 5 II: absolute Kopfmehrheit plus ¾-Summenmehrheit147), sowie eine „nur“ 30 %-ige Mindestquote (§ 6 – aber vgl auch § 23 Nr 1: 50 % – fakultative Ablehnung der Eröffnung möglich148); Vorbehaltsregel bei Nichterfüllung (§ 7); bestimmter Vergleichs–

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Abgedruckt bei Eisenhardt Sanierung statt Liquidation S 393 ff. Als Anhang zu RT-Drucks III/2340 S 40 ff [07.06.1926], RT-Prot 408 (1926). Wichtigere (Detail-) Änderungen: auch erfolgte oder drohende Zahlungsstockung als Auslösetatbestand (III 1); Beantragung auch ohne vorliegende Zustimmungserklärungen (III 2); Möglichkeiten zur Beschränkung von Verfügungen (III 2); Wiedereinführung öffentlicher Bekanntmachung (III 7); Mindestqoute als „Richtschnur“ (III 4a: „soll 50 v.H. betragen“ [Hervorh im Original]); wiederum qualifizierte Mehrheit (III 8). RT-Drucks III/2340, RT-Prot 408 (1926) – die Diskussionen sind dokumentiert bei Eisenhardt Sanierung statt Liquidation S 202 ff (vorher) bzw S 227 ff (später). RT-Drucks III/3430, RT-Prot 416 (1927): S 1–6 [AT], 6–27 [I. Lesung], 27–46 [II. Lesung], 46–51 [RA] bzw S 52–115 [Synopsen]. RT-Prot 393 (1927) S 10913. Gesetz über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses (Vergleichsordnung) vom 05.07.1927, RGBl Nr 27 S 139 [in Kraft ab

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01.10.1927 (§ 101 I)]. Siehe dazu die einführende Darstellung bei P M Bauer Insolvenzplan, S 267 ff. Exemplarisch zur Diskussion: Cahn LZ 1925, 636 und 1926, 203 bzw ZBlHR 1926, 88; Jaeger ZZP 49 (1925), 189 und DJZ 1926, 28; 1927, 1314; Frank RuH 1926, 71; Levy DJZ 1926, 1530; Bley ZZP 52 (1927), 113; Oßwald RuH 1927, 585. RT-Drucks III/3430 [§ 1] S 6 mit S 6/7 [I] bzw S 27 [II]. Im Unterschied zu § 34 I S 3 GA-VO/nF (JMBl PR 1917 S 13, 24: „Mit Rücksicht auf die erhebliche Gefahr, daß sie zu unlauteren Machenschaften mißbraucht wird“) ohne ergänzende gerichtliche Gestattung (RTDrucks III/3430 S 7 [§ 3 II]: da „die Zustimmung des Gerichts überflüssig sei, wenn … die qualifizierte Mehrheit der Betroffenen … einverstanden sei.“). RT-Drucks III/3430 S 11/12 [§ 18 RV], S 12 [I: § 18] (I Nr 2 [30 %] mit II Nr 1 [50 %]), S 33 [II: § 18], S 47 [§ 3b RA]: „wünschenswert, diesen Hauptgrundsatz des Vergleichsverfahrens [30 % Mindestquote] an den Anfang des Gesetzes zu stellen“.

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Vorbemerkungen

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vorschlag (§ 15 I S 1); Vorabzustimmungen zur Vergleichseröffnung (§ 16 I Nr 4 Hs 1: absolute Kopf- und Summenmehrheit). Beachtlich sind schließlich die Sonderregeln für Gesellschaften und Gemeinschaften (§§ 88–94), sowie vor allem die strukturelle Vorverlegung der Vorbereitung ins weithin vorgerichtliche Stadium.149 – Weitere Abläufe: Vorprüfung (§ 19), Anhörung (§ 20); Eröffnung (§§ 22–25), gespickt mit diversen Ablehnungsgründen (§§ 22/23), und Sperrwirkung für Konkurs und Vollstreckung (§§ 31–33); Bestellung der Vertrauensperson mit Überwachungsfunktion (§§ 40–47) sowie uU eines Gläubigerausschusses (§§ 48/49) und Entscheidungen zur Begrenzung der Verfügungsmacht (§§ 50–58); Vergleichstermin (§§ 59–66), jetzt mit einer deutlich qualifizierten Mehrheit (§ 63 I S 1: absolute Kopf- und ¾-Summenmehrheit); gerichtliche förmliche Bestätigung (§§ 67–78) mit Wirkung gegenüber Dritten (§ 73 I: unabhängig von Teilnahme und Abstimmung). b) Neue Vergleichsordnung. Das Gesetz fand jedoch nur insgesamt zwiespältigen Wi- 77 derhall,150 bald schon folgte daher eine unvermittelte weitere Reformdebatte,151 die sodann einmündete in einen zwischen Deutschland und Österreich abgestimmten gemeinsamen (RJA-) Entwurf einer Vergleichsordnung (1933),152 der noch nicht nationalsozialistischer Einflussnahme unterlag und dessen Motive später weiterwirkten („lange“ Begründung). Die Mindestquote wurde heraufgesetzt (§ 7 I S 2 [40 %] bzw II S 1 [50 % – dazu vgl auch § 74 III!]) und sollte dazuhin bar geboten werden (§ 7 III); dazuhin war stärkere gerichtliche Führung vorgesehen (§§ 11–13) und außerdem das Institut des Vergleichsverwalters (§§ 38–43). Notwendig war neuerlich doppelt qualifizierte Mehrheit (§ 74 I: absolute Kopfmehrheit und ¾-Summenmehrheit); verzichtet wurde allerdings auf ein Beibringen vorheriger Zustimmung.153 Und auch der Sanierungsgedanke trat pragmatisch ins Bewusstsein: das Gericht sollte nämlich die Eröffnung ua ablehnen dürfen, wenn „im Falle einer Fortführung des Unternehmens seine Erhaltung durch den Vergleich offenbar nicht zu erwarten ist“ (§ 17 aE).154 Der Entwurf wurde hernach durch die Akademie für deutsches Recht von ihrem Aus- 78 schuss für Vergleichs- und Konkursrecht diskutiert (1934)155 und – letztlich eher „technisch“ – kritisiert. Punkte waren vor allem jene: Rücknahmeverbot (§ 2 III); Mindestquote (§ 7: 30 % [alt] oder 35 % [neu]); Abmilderung der Sondervorschriften zum Liquidationsvergleich (§ 7 IV); Verschärfung der Generalnorm zur Ablehnung (§ 17) auf Kontrolle von Vertrauenswürdigkeit („wenn der Schuldner wegen seines Verhaltens gegenüber den Gläubigern nicht vertrauenswürdig ist“) und Solidität; Sperrfrist (§ 28); Vergleichsverwalteramt (§ 38 – alleinig natürliche Personen!); Abschaffung der Abstimmung und Einführung 149

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Lucas Vergleichsordnung, S 7 f; Kiesow Vergleichsordnung4, XXVII f; Papke FS Knorr (2008) S 1, 5 f; Kilger/K Schmidt VglO17 Einl Bem I 2. Zur Kritik eingehend Eisenhardt Sanierung statt Liquidation S 253 ff – Symptomatisch: Emmerich Die Sanierung (1930), welcher den Begriff viel ausgreifender fasst (S 3–12); H Lehmann Judicium 3 (1931), 93; P Schumann WP 1932, 26; Paulsen KuT 1933, 81. RT-Prot 427 (1930) S 4507 [15.03.1930]; zu Funktion, Reformgeschichte und wesentlichen Änderungen Vogels JW 1935, 825. Publiziert mit Begründung, der Text auch bei Schubert Protokolle der Ausschüsse, XVII

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(2008) S 31–50. Dazu: Levy KuT 1933, 71; Paulsen KuT 1933, 81; K Blomeyer Judicium 5 (1933), 259; Braß DRZ 1933, 142; Vogels JW 1933, 993; Klug DJZ 1933, 807; mit Blick auf die bevorstehende Entwurfsvorlage plädierte Braß DRZ 1935, 21 für eine Angleichung der §§ 173 ff KO. RJA-Mot S 39. RJA-Mot S 59/60. Bericht bei Vogels ZAkDR 1934, 143 (sog „Quasi“-Begründung); dokumentiert bei Schubert Protokolle der Ausschüsse, XVII (2008) S 1–176.

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gerichtlichen Beschlusses (§ 74 – abgelehnt: weil letztlich „ein solches Hinweggehen über die Rechte der Gläubiger der Kredit der deutschen Wirtschaft sowohl im Inland als auch gegenüber dem Ausland erheblich geschwächt werden könnte“). Die Beratungen fanden maßgeblich unter Leitung Vogels’ statt, der auch ministeriell für ihre genaue Einarbeitung sorgte. Der Entwurf wurde alsdann (1935) mit Änderungshinweisen („kurze“ Begründung) als Gesetz verkündet. 79 Die „neue“ Vergleichsordnung156 [„nF“] wurde später gefügig nationalsozialistisch verbrämt,157 beruht im Grunde offenkundig freilich auf Weimarer Gedankengut. Sie konnte sich mithin lange halten.158 Das Modell war dogmatisch gut aufgestellt, allein es fehlte an Praxis. Der Ausgleich zwischen Richtermacht und Parteiautonomie war durchaus – bezogen auf damals! – gelungen, der Zwangsverwalter ließ sich einfach als Pendant zum bekannten Konkursverwalter einordnen, das durchstrukturierte Verfahren stärkte die Rechtssicherheit. Der Streit um die Mindestquote wurde geschlichtet per faktischer „Drittelung“ der Anspruchshöhe (35 % [§ 7 I S 2] als Kompromiss aus 30 % [aF] und 40 % [RJA] – mit freilich fallweiser Verschärfung: § 7 II); zu beachten ist außerdem, dass die bedingte Zusatzquote (§ 23 Nr 1 aF [50 %]: Erlaubnis fakultativer Ablehnung) trotzdem abgeschafft wurde.159 Richtig war genauso, die vorherigen außergerichtliche Bemühungen um Zustimmung zu beseitigen bzw sie prozedural zu integrieren160 – so war jene niemals glückliche Mélange überwunden, die (frühe) Willkür und (späte) Pflicht miteinander eigenartig kombinierte. Eckpunkte der Regelung: 80 Einleitung: Der Antrag war bis zur und unter denselben Voraussetzungen wie die Konkurseröffnung zulässig (§ 2). Das Gesetz präzisierte den Inhalt und unterschied dabei gleichfalls (so wie dies heute ebenso §§ 219–221 InsO bzw §§ 229/230 InsO machen) bereits Antrag (§ 3) und Anlage (§§ 4–6: Vermögensübersicht; Gläubigerverzeichnis, Schuldnerauflistung); hinzu kam indes die – realistisch kaum erreichbare – Mindestquote (§ 7 I S 2 und III/IV – näher dazu bei Rn 79 und § 218 Rn 6) mit barem Angebot (§ 7 III). Angesprochen sind ferner auch Bestimmtheitsgebot (§ 7 I S 1) sowie vor allem die ansatzweise mögliche modifizierte Gleichbehandlung (§ 8 II [§§ 222/226 InsO siehe dazu § 222 Rn 19]). Dazu kamen weiter persönliche Ablehnungsgründe (§§ 17/18: persönliche „Würdigkeit“ – näher dazu bei Rn 78 und § 218 Rn 7). Mindestquote161 und Prüfung der „Würdigkeit“162 galten dann später als „alter Zopf“, der abzuschneiden war, um Sanierung weitergehend zu befördern. 81 Verfahrensablauf: Das Gericht bestellte einen vorläufigen Verwalter (§ 11 – Einzelheiten: §§ 38–43), betrieb Sistierung und Aufklärung (§§ 12–14), entschied zur Eröffnung als

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Vergleichsordnung vom 26.02.1935, RGBl Nr 24 S 321 [in Kraft ab 01.04.1935 (§ 130 I)] – Begründung: DJ 1935, 389, siehe auch die einführende Darstellung bei P M Bauer Insolvenzplan, S 275 ff. Eisenhardt Sanierung statt Liquidation S 272 mwN. Siehe aber die Reformvorschläge von Berges KTS 1955, 2; Künne DB 1978, 729; Mohrbutter KTS 1975, 257 – ferner: Bley/Mohrbutter VglO4 Einl Rn 2–5. Anders im Ansatz RJA-Mot S 58: „durch die Heraufsetzung der Mindestquote [sic!] … gegenstandslos geworden.“

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Sehr bündig hier DJ 1935, 389 re. Sp.: „Dieses sogenannte außergerichtliche Vorverfahren hat sich nicht bewährt.“ BT-Drucks 12/2443 S 73 li. Sp., S 74 re. Sp. im Anschluss an EB LS 2.4.7.1 („ist nicht vorzusehen“): EB Mot S 267 f iVm S 16 („von vornherein illusorisch“) BT-Drucks 12/2443 S 73 li. Sp., S 74 re. Sp., S 78 li. Sp., S 91 re. Sp.; S 194 re. Sp. im Anschluss an EB Mot S 155 („‚moralisierenden‘ Würdigkeitsvoraussetzungen“).

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Vorbemerkungen

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Vergleichs- oder Konkursverfahren (§ 16 iVm §§ 20–23 [Formalia] „versus“ § 19) und konnte ergänzend einen separaten Gläubigerbeirat bestellen (§§ 44 f). Konkret beteiligt waren lediglich die persönlichen Vergleichsgläubiger (Definition: § 25 „versus“ § 29 – Abgrenzung: § 26 – Sonderfall: § 27 [Absonderungsbefugte]). Der folgende Vergleichstermin erlaubte die Feststellung von Forderungen und Stimmrecht (§§ 70–72 – heute: §§ 237–239 InsO), die Abänderung des Vorschlags (§ 76 – heute: § 240 InsO) und führte schließlich zur Abstimmung (§§ 73–75 – heute: §§ 243–246a). Es galt doppelte Mehrheit entsprechend bisheriger Gepflogenheit (§ 74 I – heute: § 244 I), jedoch mit kleiner Abänderung der Berechnung: absolute Kopfmehrheit der Anwesenden [insoweit anders noch § 63 I Nr 1 aF] – in Anlehnung an § 182 KO bzw schriftlich Stimmenden (Nr 1) plus ¾-Summenmehrheit aller Stimmbefugten (Nr 2). Anschließend folgte die nötige gerichtliche Bestätigung (§ 78 – heute: §§ 248–253) mit wenigen enumerierten Versagungsgründen (§ 79): wesentliche Verfahrensfehler (Nr 1 – heute: § 250 Nr 1 InsO), Strafbarkeit (Nr 2), Begünstigung (Nr 3 – heute: § 250 Nr 2 InsO), widersprechendes gemeinsames Gläubigerinteresse (Nr 4). Die Versagung führte amtswegig zum Anschlusskonkurs (§ 80). Wirkungen: Der Antrag bewirkte sowohl ein Konkursverbot (§ 46) wie auch ein Voll- 82 streckungsverbot (§§ 47/48), indes auch die sog „Rückschlagsperre“ (§ 28 – heute: § 88 InsO); ergänzend galten Regeln für schwebende Rechtsbeziehungen (§§ 49–55). Verfügungsbeschränkungen bedurften besonderer gerichtlicher Anordnung (§ 58–65 – aber vgl auch § 12 VglO) nach Eröffnung des Verfahrens; jedoch bestand eine Pflicht zu bescheidener privater Lebensführung (§ 56) und zur vorsichtigen Geschäftsführung (§ 57) immer unabhängig davon. – Die Rechtsfolge der Bestätigung des Vergleiches ist Wirksamkeit „für und gegen alle Vergleichsgläubiger, auch wenn sie an dem Verfahren nicht teilgenommen [passive Verweigerer] oder gegen den Vergleich gestimmt [aktive Verweigerer] haben“ (§ 82 I – heute: § 254b) – bei gewissen Möglichkeiten späterer Beseitigung (§§ 89/89) und Überwachung (§§ 91–97 – heute: §§ 260–269).

II. Normgenese Literatur (Auswahl) (a) IK: Arnold Das Reorganisationsverfahren im einheitlichen Insolvenzrecht, BFuP 1986, 393; Arnold Modell eines insolvenzrechtlichen Sanierungsverfahrens, BAnz 1982 Nr 34a Beil 8; Balz Aufgaben und Struktur des künftigen einheitlichen Insolvenzverfahrens, ZIP 1988, 273, 283–287 [III 2/3]; Balz Sanierung von Unternehmen oder Unternehmensträgern? (1986), S 31 ff; Berges Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht – Eine Stellungnahme, BB 1986, 753; BMJ (Hrsg) Erster Bericht der Kommission zum Insolvenzrecht (1985) S 145–294 [zitiert: EB]; BMJ (Hrsg) Zweiter Bericht der Kommission zum Insolvenzrecht (1986) S 132–145, 190–195, 236–238 [zitiert: ZB]; Engelhard Politische Akzente einer Insolvenzrechtsreform, ZIP 1986, 1287; Flessner Das rechtspolitische Für und Wider eines Sanierungsverfahrens, ZIP 1982, 1283; Flessner Grundfragen des künftigen Sanierungsrechts, ZIP 1981, 113; Gottwald Das Sanierungsverfahren in einem künftigen Insolvenzrecht (1982); Grub/Kübler/Wellensiek (Gravenbrucher) Stellungnahme zu den Reformvorschlägen der Kommission für Insolvenzrecht, BB 1986 Beilage 15 zu Heft 29; Henckel Die Verbindung des Sanierungsverfahrens zum Konkursverfahren, ZIP 1981, 1296; Henckel Reform des Insolvenzrechts, ZZP 97 (1984), 369, 386 ff [C]; IG Metall (Hrsg) Das Sanierungsverfahren in einem zukünftigen Insolvenzrecht – Protokoll der konkursrechtlichen Arbeitstagung (1982); Mertens Empfiehlt sich die Einführung eines konzernbezogenen Reorganisationsverfahrens?, ZGR 1984, 542; Kilger Die Reorganisation insolventer Gesellschaften, ZRP 1984, 46; Kilger Grundzüge eines Reorganisationsverfahrens, ZIP 1982, 779 mit S 884–886 (Thesen 1–6, 24–32); Lambsdorff, Wirtschaftspolitische Aspekte einer Insolvenzrechtsreform, ZIP 809, 811 f; K Schmidt Das Insolvenzverfahren neuer Art – Kernprobleme der Insolvenzrechtsreform nach dem Kommissionsbericht, ZGR 15 (1986), 178, 182–188 [II], 196–203 [IV]; K Schmidt Vom Konkursrecht der Gesellschaften zum Insolvenzrecht der Unternehmen, ZIP 1980,

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233; Uhlenbruck Die Sanierung notleidender Unternehmen als Aufgabe der Insolvenzrechtsreform, AnwBl 1982, 338; Uhlenbruck Sanierung und Reorganisation als 3. Insolvenzverfahren in einem künftigen Recht?, KTS 1981, 513; Uhlenbruck Zum Stand der Insolvenzrechts-Reform, DRiZ 1982, 161; Uhlenbruck Zum Stand der Insolvenzrechts-Reform, DRiZ 1982, 161; Ulmer Die gesellschaftsrechtlichen Regelungsvorschläge der Kommission für Insolvenzrecht, ZHR 149 (1985), 541. (b) DiskE: Balz Aufgaben und Struktur des künftigen einheitlichen Insolvenzverfahrens, ZIP 1988, 273; Drukarczyk Insolvenzrecht als Versuch marktkonformer Gestaltung von Verwertungsentscheidungen und Verteilungsregeln, ZIP 1989, 341, 346–351 [IV]; BMJ (Hrsg) Diskussionsentwurf Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts (1988) S 125–155, A1–29, A56–71, B217–276; Gravenbrucher Kreis Stellungnahme zum Diskussionsentwurf eines Insolvenzrechtsreformgesetzes ZIP 1989, 468; Henckel Deregulierung im Insolvenzverfahren, KTS 1989, 477, 481 [III]; Kilger Über die Möglichkeit der Geschäftsfortführung insolventer Unternehmen unter dem geltenden Recht und nach dem Diskussionsentwurf einer Insolvenzordnung; KTS 1989, 495; Uhlenbruck Zum Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Insolvenzrechts, ZRP 1988, 471 [I mit II 13]. (c) RefE: Bork Die Wirkungen des Insolvenzplans gemäß §§ 290–305 RefE, in: Leipold (Hrsg), Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S 51; BMJ (Hrsg) Referentenentwurf Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts (1989) S T142–177, A1–34, A65–82, B249–315; Drukarczyk Insolvenzrechtsreform: Reformkonzeption und aktueller Stand [RD WiWi 248] (1991) S 22–35 [IV] bzw DBW 52 (1992), 161, 173–178; Gravenbrucher Kreis Große Insolvenzrechtsreform gescheitert, ZIP 1990, 476 f; K Schmidt Die übertragende Sanierung, in: Leipold (Hrsg), Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S 67; K Schmidt Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen – Befunde, Kritik, Perspektiven (1990), S 23 ff [§ 2 III], S 137–142 [§ 6 II], S 151–171 [§ 6 IV/V], S 195 ff [§ 8]; R Stürner Die Aufstellung und Bestätigung des Insolvenzplans, in: Leipold (Hrsg), Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S 41. (d) RegE: Balz Einleitung in: Balz/Landfermann Die neuen Insolvenzgesetze (1995) S XXIX; Drukarczyk Insolvenzrechtsreform: Reformkonzeption und aktueller Stand, DBW 52 (1992), 161 ff; Gravenbrucher Kreis „Große“ oder „kleine“ Insolvenzrechtsreform? ZIP 1992, 657; Grub, Der Regierungsentwurf der Insolvenzordnung ist sanierungsfeindlich!, ZIP 1993, 393; Burger Das deutsche „einheitliche“ Insolvenzverfahren unter besonderer Berücksichtigung des Insolvenzplans, FS Koren (1993), 363. (e) ESUG: Altmeppen Zur Rechtsstellung der Gläubiger im Konkurs gestern und heute, FS Hommelhoff (2012) S 1, 7–20; Braun/Heinrich Auf dem Weg zu einer (neuen) Insolvenzplankultur in Deutschland – Ein Beitrag zu dem Regierungsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, NZI 2011, 505; Bunte/von Kaufmann Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), DZWIR 2011, 359; Deppisch Das Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG (2014) S 39 ff bzw S 119 ff; Frank/Heinrich Ein Plädoyer für einen wirksamen Beitrag zur Gläubigerautonomie im Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2011, 858; Frind Problemanalyse zu geplanten Neuregelungen des Plan- und Eigenverwaltungsverfahrens, ZInsO 2011, 656; Frind Zum Diskussionsentwurf für ein „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“, ZInsO 2010, 1524; Gude Neu gestärkt durch das ESUG? – Neue Erkenntnisse zur Nutzung des Insolvenplanverfahrens, ZInsO 2012, 320; Günther Auswirkungen des ESUG auf das Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2012, 2037; Heinrich Insolvenzplan „reloaded“, NZI 2012, 235; Hirte Restrukturierung nach der InsO: Gesetzesplan, Fehlstellen und Reformansätze innerhalb einer umfassenden InsO-Novellierung, ZGR 2010, 224 bzw ZInsO 2010, 1297; Jaffé, Restrukturierung nach der InsO: Gesetzesplan, Fehlstellen und Reformansätze innerhalb einer umfassenden InsO-Novellierung, ZGR 2010, 248; Hirte/Knof/Mock Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, DB 2011, 632 und 698; Hölzle Die „erleichterte Sanierung von Unternehmen“ in der Nomenklatur der InsO – ein hehres Regelungsziel des RefE-ESUG, NZI 2011, 124; Hölzle/Pink Mezzanine-Programme und Gestaltungspotenzial der Sanierungseigenverwaltung im ESUG, ZIP 2011, 360; Pape Erleichterung der Sanierung von Unternehmen durch Insolvenzverfahren bei gleichzeitiger Abschaffung der Gläubigergleichbehandlung?, ZInsO 2010, 2155; Pape Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, ZInsO 2011, 1033 und ZAP Fach 14, 629; Rattunde Das neue Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, GmbHR 2012, 455; Römermann Neue Herausforderungen durch das ESUG – ein Überblick, GmbHR 2012, 421; Schelo Reform der Unternehmenssanierung, DB 2010, 2209; K Schmidt Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht im ESUG-Entwurf, BB 2011, 1603; K Schmidt Schöne neue Sanierungswelt: Die Gläubiger okkupieren die Burg! Recht und Realität der ESUG-Reform, ZIP 2012, 2085; Schmittmann/Dannemann Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung

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Vorbemerkungen

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von Unternehmen, VR 2012, 730; Schumm Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), StuB 2012, 25; Simon/Merkelbach Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121; Smid Große Reform oder Beseitigung der Insolvenzordnung durch ein neues Konkursverfahren?, DZWIR 2010, 397; Urlaub Notwendige Änderungen im Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) zur Verhinderung von Missbräuchen, ZIP 2011, 1040; Vallender Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) – Änderungen des Insolvenzeröffnungsverfahrens, MDR 2012, 61; Vallender Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) – Das reformierte Plan- und Eigenverwaltungsverfahren, MDR 2012, 125; Wallner/Gerster/Weiß Steuerbarkeit von Sanierungsprozessen trotz Insolvenz: Ein Alternativvorschlag zum Diskussionsentwurf, ZinsO 2011, 16; Westphal/Janjuah Zur Modernisierung des deutschen Sanierungsrechts – Probleme bei der Umsetzung von Insolvenzplänen, ZIP-Beilage zu Heft 3/2008, 1, 13–24 [IV]; Willemsen/Rechel Insolvenzrecht im Umbruch – ein Überblick über den RegE-ESUG, BB 2011, 834; Willemsen/Rechel Das ESUG – wesentliche Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf noch auf der Zielgeraden, BB 2012, 203; Willemsen/Rechel Die Reform des Insolvenzplanverfahrens – Ein Zwischenstandsbericht: Anmerkungen zu den vorgeschlagenen Änderungen, BB 2010, 2059, 2062.

1. Kommissionsmodell in Leitsätzen a) Grundstrukturen. Der Kommissionsvorschlag setzte bereits im ersten Bericht 83 („EB“) als Modell auf ein Einheitsverfahren, „in dem entweder die Reorganisation oder die Liquidation des Schuldners als Verfahrensziel verwirklicht werden kann“ (LS 1.1.1 I mit LS 2.1.1 I S 1) – verwirklicht als eine Art „Y-Gestaltung“ mit Eröffnungs- und Vorverfahren im „Stamm“ und Liquidation oder Reorganisation in der „Gabel“. Welcher Weg gewählt wird, hierüber sollte eigenständig im Vorverfahren (Rn 84) befunden werden (LS 1.1.1 II) – und zwar vom Richter bzw (Insolvenz-) Gericht, nicht etwa durch eigenverantworteten Gläubigerbeschluss. Den „Privatvergleich“ (VglO) wollte man abschaffen (LS 1.1.2 I), den Zwangsvergleich im Liquidationsfall (KO) weiterhin aber gestatten (LS 1.1.2 II – ZB LS 5.1–8 – dazu Rn 95–98). Ziel war es, „ein die verschiedenen Verfahrensziele organisch verbindendes einheitliches Insolvenzverfahren einzuführen“.163 Es erfolgte also eine doppelte Weichenstellung: einmal die normale Entscheidung zwi- 84 schen Eröffnung, Einstellung oder Ablehnung (LS 1.2), sodann die weitere Entscheidung im Vorverfahren zwischen Reorganisation und Liquidation (LS 1.3.4); beide konnten praktisch zusammenfallen, wenn der Gemeinschuldner – subjektiv (LS 2.1.3: „steht allen unternehmerisch tätigen Schuldnern offen“) oder objektiv (LS 1.3.4 S 1: wenn „offensichtlich keine Aussicht auf Reorganisation besteht“ – später gilt dieses über LS 2.2.2) – nicht reorganisationsfähig war, dh allemal Liquidation anstand. Nach umfassend durchgeführter Anhörung (LS 1.3.4.3: Verwalter, Beirat, Schuldner), entschied das Gericht zum Mittel der Wahl (LS 1.3.4.4 I/II: „hinreichende Aussicht auf Reorganisation“?). Das Verfahrensziel im Voraus zu beschreiben, war mithin gerichtlicher Entscheidung anheimgestellt, die dabei weites Ermessen beanspruchen konnte (Prognoseakt!) und auch keine Beschwerde befürchten musste. Das eigentliche Reorganisationsverfahren war strukturell in vier Teilen präsentiert: 85 (1) vor die Klammer gezogene, knappe Einleitung (LS 2.1.1–3: Allgemeines), vor allem mit Beschreibung von Zwecken und Zielen; (2) notwendige prozessuale Vorschriften (LS 2.2.1–32: Verfahrensrecht der Reorganisation – heute: §§ 217–259b), inhaltlich aus unser heutigen Warte das Kernstück; (3) Spezialregelung der Planüberwachung (LS 2.3.1–10: Überwachung der Plandurchführung – heute: §§ 260–269); (4) umfangreiche materielle

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EB Mot S 91.

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Begleitregeln (LS 2.4: Materielles Recht der Reorganisation), wie etwa für gegenseitige Verträge (LS 2.4.1), Arbeitsrecht (LS 2.4.2 und 3), Sicherungsrechte (LS 2.4.4 und 5), Gesellschaftsrecht (LS 2.4.9 – dazu § 225a Rn 2–4). Im Gegensatz zu LS 2.4.4.7 (Absonderungsrechte: 50 %) sollte es jedoch keine Mindestgarantie für Normalgläubiger164 geben (LS 2.4.7.1, vgl auch erg ZB LS 5.4 I – dazu § 224 Rn 20).

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b) Einzelregelungen. Was heute der erste Abschnitt (§§ 217–234) normiert, findet sich in LS 2.2.3–11 vorgezeichnet: Planausarbeitung als Pflichtaufgabe des Verwalters (LS 2.2.3 – anders im Ansatz: § 218, dort Rn 45 – vgl auch erg LS 2.2.4: Beschleunigungsgebot); Plangliederung in „Zentrum“ (LS 2.2.5 – Bezug: § 219, dort Rn 3–5) und Anlagen (LS 2.2.10 – Bezug: §§ 229/230) bzw Darstellung (LS 2.2.6 – Bezug: § 220, dort Rn 1–4) und Gestaltung (LS 2.2.7 – Bezug: § 221 dort Rn 1–3), mitsamt einer nurmehr gruppenbezogenen Gleichbehandlung (LS 2.2.9 – Bezug: § 226, dort Rn 10); Einreichung (LS 2.2.11 I) und Niederlegung zur Einsichtnahme (LS 2.2.11 II – ebenso: § 234, dort Rn 1 f). Es fehlen namentlich die einleitende grundsätzliche Ermächtigungsnorm (§ 217), Gruppenbildungsregeln (§ 222 – jene folgen freilich bei Ausgestaltung des Stimmvorgangs: LS 2.2.16 bzw § 222 Rn 28 [gesetzliche Gruppentrias!]), subjektiv zugeschnittene Beispiele (§§ 223–225a, 227 – aber ansatzweise doch LS 2.2.7 I S 2 mit ZB LS 5.1 IV S 1!), gerichtlich verantwortete Vorprüfung (§ 231) und auch die Möglichkeiten frühzeitiger Stellungnahme (§ 232 – aber vgl doch LS 2.2.12 IV lit a). Eine Zusatznorm präzisierte demgegenüber noch, wer Beteiligter sei (LS 2.2.1: Insolvenzgläubiger als aktive Anmelder oder passiv Bekannte). Der nunmehrige zweite Abschnitt (§§ 235–253) wurde maßgeblich vorgedacht durch 87 LS 2.2.12–19 („Plankonsens“ der Gläubiger) bzw LS 2.2.21–2.2.25 (Bestätigung des Gerichtes).165 Erörterungstermin (LS 2.2.12) und Abstimmungstermin (LS 2.2.15) waren noch nicht unbedingt miteinander verbunden166 (einst: § 66 VglO bzw heute: § 235 – aber vgl auch LS 2.2.15 II einerseits, § 241 InsO andererseits). Das Stimmrecht war selbstständig noch festzustellen (LS 2.2.13 I mit LS 2.2.14 – Bezug: §§ 236–239 iVm § 77); wer unbeeinträchtigt blieb, war ausgeschlossen (LS 2.2.13 II – heute: § 237 II). Der Plan an sich war angenommen, wenn die drei (!) gesetzlichen Gruppen (LS 2.2.16 I: Abgesicherte, Insolvenzgläubiger, Arbeitnehmer) – unmittelbar oder schriftlich (so wie nach § 242) – mit ihren Summen-Quoren zustimmten (LS 2.2.17: 80 % / 60 % / 80 % [keine Kopfmehrheit nötig!]167 – anders im Ansatz: § 244 I); bei Verfehlung der Mehrheiten war einmalige Abstimmungswiederholung statthaft (LS 2.2.18, vgl auch erg ZB LS 5.7), ansonsten indes dann der Plan final abgelehnt. Das Gericht sollte alsdann die Annahme – gleichsam als Schlussakt des Abstimmungsvorgangs – schließlich positiv feststellen (LS 2.2.19 I) oder hatte eben amtswegig über die Rückkehr zur Liquidation zu entscheiden (LS 2.2.19 II – als Konsequenz der Gabelungen).

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Gedacht war hierbei nicht etwa nur an § 7 I/II VglO (Vergleichsquote als eine Art „maximaler“ Schwellenwert – EB Mot S 268: „wäre mit der Autonomie der Gläubiger … nicht recht zu vereinbaren“), vielmehr ebenso auch an 11 USC § 1129 lit a Nr 7 A (ii) (Insolvenzquote als eine Art „minimaler“ Schwellenwert – EB Mot S 267: „Ihre Durchführung würde zu große Schwierigkeiten mit sich bringen.“).

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Wegen LS 2.2.20 (Gestattung gesellschaftsrechtlicher Änderungen) siehe § 225a Rn 2–4. EB Mot S 177. Parallelregelungen zum Zwangsvergleich: ZB LS 5.5 (allein zwei Gruppen – Arbeitnehmer nicht eigenständig) mit LS 5.6 (jede Gruppe muss zustimmen [Abs 1], hierfür gelten gleiche Quoren [Abs 2 iVm Abs 3/4), dazu vgl noch Rn 96.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

Recht kurz war hiernach demgegenüber die Bestätigung geregelt (LS 2.2.21 und 23 88 [Positivfall] „versus“ LS 2.2.22 [Negativfall] – heute: § 248 I [zudem mit Gehör: II]), insbesondere die Nachkontrolle wurde entscheidend damit vorentworfen (LS 2.2.21 II als Folie für § 250 [lit a und b: Kontrollmaßstab] bzw § 249 [lit c: Planbedingungen]). Das Weitere betraf alsdann die „technische Abwicklung“ von Verkündung (LS 2.2.23 – heute: § 252) und Beschwerde (LS 2.2.25 lit c und d – heute: § 253 [I]); der dazwischen positionierte Leitsatz Nr 2.2.24 zur Rechtsfolge der Bestätigung wurde nachfolgend indes ausgelagert in den nächsten Abschnitt (§ 254–254b bzw Rn 90). Sieht man diese Vorschläge, findet man vielfache Vorbilder der Gesetz gewordenen Re- 89 geln – doch bestehen drei wichtige Unterschiede.168 (1) § 240 enthält die Klärung, dass „einzelne Regelungen“ durchaus noch abänderbar sind, um dezidiert vor der Abstimmung auf die Erörterung zu reagieren. Das scheint klarstellend gemeint – auch die Insolvenzkommission sah eine Änderungsmöglichkeit169 (arg LS 2.2.15 V S 2) –, hat indes zusätzlich rigiden Charakter angenommen.170 (2) Ein Pendant für § 247 (Zustimmung des Schuldners) fehlte ganz bewusst, allein Gläubigermehrheit genügt (LS 2.2.17 I: „ist angenommen, wenn …“); der Plan war also zu rekonstruieren aus Gläubigerkonsens und Gerichtsbestätigung (LS 2.2.21 I); ein „Vertragsmodell“ war gleichwohl – soweit man das möchte (dazu dazu Rn 210 f, 223–225) – begründbar (arg LS 2.2.10 lit e: vorverlegte Zustimmung). § 244 I wurde dennoch gemildert („Zur Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger ist erforderlich, daß …“) und ergänzend § 247 zugesetzt. (3) Augenfällig fehlten damals zudem noch Obstruktionsverbot (§ 245) und Minderheitenschutz (§ 251) – was allerdings leicht erklärlich ist: bei ausschließlich drei Pflichtgruppen (LS 2.2.16 I S 1 bzw Rn 87), war Konsensfindung weniger problembehaftet, und es gab auch keine Mindestgarantie der Liquidationsquote (LS 2.4.7.1 bzw Rn 86 aE). Aus dem aktuellen dritten Abschnitt (§§ 254–269) war der Verfahrensabschluss samt 90 aller seiner Wirkungen (LS 2.2.24 – heute: §§ 254–254a [I/II] bzw § 257 [III] – erg: LS 2.2.32) einstig noch ein Teil des zweiten, umfassender konzipierten Abschnittes („Verfahrensrecht der Reorganisation“). Das Insolvenzverfahren sollte formell beendet werden171 (LS 2.2.26 I: Aufhebung – heute: § 258 I, aber klarstellend auch § 259 I172), vorher waren noch die Massenschulden zu berichtigen (LS 2.2.27 – heute: § 258 II). Man kann hier schon sehr klar die späteren (InsO-) Strukturen erkennen. Spezielles Augenmerk erheischte die Absicherung der Durchführung des Plankonzeptes. Vorgeschlagen waren dazu ein möglicher Vollstreckungsschutz gegenüber unerwarteten Nachzüglern (LS 2.2.30 – heute: § 259a) und eine zusätzliche, zweijährige Sonderverjährung (LS 2.2.31 – heute: § 259b mit aber sogar einjähriger Frist), die erst das ESUG „nachschob“. Auf der anderen Seite wurde genauso auf das Scheitern eines Plans reagiert (LS 2.2.29) – daraufhin sollte „ein neues selbständiges Insolvenzverfahren eröffnet werden.“ Das erscheint heute natürlich als selbstverständlich, war damals indes Teil einer großen Strukturdiskussion (dazu Rn 92) – deswegen die explizit erfolgende Klarstellung! Im Prinzip fehlt also bloß ein

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Weniger wichtig scheint die Beachtung nachrangiger Gläubiger (§ 246 – sowie schon zuvor: § 225) – deren Rechte konnten nicht eigens geltendgemacht werden (LS 1.1.5 III). EB Mot S 177 und 182. Vgl § 284 RA (BT-Drucks 12/7302 S 183 re. Sp. [Nr 150]: „der Kern muß erhalten bleiben“) gegen § 284 I RV (BT-Drucks 12/2443

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S 207 li. Sp.) – Synopse: BT-Drucks 12/7302 S 103. Wegen Formalia siehe LS 2.2.28 (Bekanntgabe und Wirksamwerden) – heute: § 258 III. Was aber auch schon „mitgedacht“ wurde: EB Mot S 199.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Pendant zu § 255 (dazu näher gleich Rn 91), ferner auch zu § 256 (aber vgl doch LS 2.2.24 IV). 91 Vernachlässigt man zunächst die Planüberwachung (dazu Rn 92), verbleiben drei Divergenzen: (a) In der InsO-Stammfassung fehlten zunächst Nachzüglerregelungen, vielleicht weil man sich auf materielle Distanziertheit rückbesann (vgl auch erg Rn 93), vielleicht weil man auch die Sanierung nicht prioritär sah. Diese „Scharte“ wurde inzwischen aber ausgewetzt (Art 1 Nr 44 ESUG: Rn 138). (b) Man vermisst die heutige (und frühere) Wiederauflebensklausel (§ 255 – in Anlehnung an § 9 VglO). Das Kommissionsmodell war geradezu konträr angelegt: Reorganisationsgläubiger durften nicht bei Folgeinsolvenz auf ihre alten Rechte zurückgreifen (LS 2.3.6: „leben … nicht wieder auf“ [S 1]; „werden … nur mit den bewirkten Änderungen berücksichtigt“ [S 2]; „Abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.“ [S 3]). Das nimmt den Druck vom Gemeinschuldner und begünstigt mittelbar die zukünftige Sanierung. (c) Diesem Zweck diente zusätzlich auch eine großzügige Anpassungsmöglichkeit für den Reorganisationsplan (LS 2.3.4), die weit über eine nur korrigierende Planberichtigung (§ 221 S 2 iVm § 248a – Art 1 Nrn 15b und 36 ESUG: Rn 138) hinausreichte, freilich allein „darstellende Maßnahmen“ berühren sollte. Der dritte Teil damals war auf die eventuelle Vollzugsüberwachung beschränkt 92 (LS 2.3.1–10: Überwachung der Plandurchführung) und bewusst separat gestellt; demgegenüber hat dann die InsO Planwirkungen (§§ 254–259b) und Plankontrolle (§§ 260–269) unter formal einer Rubrik zusammengefasst, freilich entsprechend mit „Doppeltitel“ versehen („Wirkungen des bestätigten Plans. Überwachung der Planerfüllung“). Beide hängen allemal zusammen, ist doch die Aufhebung des Verfahrens der Insolvenz mit sodann folgender Kontrolle dann nur eine letztlich begrenzte (LS 2.2.26 II bzw § 259 II). Die weitere Überwachung sollte Regelfall werden (LS 2.3.1 mit LS 2.2.7 III lit b – genau anders herum § 260 I/II) und wurde deshalb insgesamt detaillierter gestaltet. Jene Ausformung will Kompromiss sein zwischen obligatorischer und fakultativer Regelung einerseits, weiterem Verfahrensteil oder autonomem Nachverfahren andererseits.173 Kernfrage waren Wirkungen einer Folgeinsolvenz: Wiederaufnahme oder Selbständigkeit (LS 2.2.29 I bzw Rn 90 aE)? Privilegierung der Altgläubiger als Massegläubiger? Weiterwirken planerischer Beschränkung (LS 2.2.6 bzw Rn 91 [b])? Man findet ansonsten Regeln für Pflichten und Rechte des Verwalters (LS 2.3.2 f – nunmehr als Pendant: §§ 261–263), für deren formale Anordnung (LS 2.2.26 II – heute: § 267) und Beendigung (LS 2.3.5 – heute: § 268).

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c) Annexvorschläge. Die Überwachungsregeln beinhalten auch materielle sanierungsbegünstigende Regelungen. Das betrifft die Festlegung der Stellung von Plangläubigern (LS 2.3.6 bzw Rn 91 [b]), sog „Neugläubigern“ (LS 2.3.7 und LS 2.4.8) und „Neuestgläubigern“ (LS 2.3.8) – Begünstigung für Kreditgewähr – und Sondervorschriften für Inhaber von Sicherungsrechten (EB LS 2.3.9 und ZB LS 9.8 – das steht in einem größeren Zusammenhang: Rn 94), inklusive treuhänderischer Lösungen (LS 2.3.10: Sicherheitentreuhand[fonds]). Im Ansatz ist daraus das aktuelle Rechtsinstitut des Kreditrahmens (§§ 264–266) ablesbar, die Treuhand wurde dagegen keine benannte gesetzliche Maßnahme. – Weitaus wichtiger scheint letztlich, dass die InsO den vierten Abschnitt absolut ignoriert (2.4: Materielles Recht der Reorganisation). Es ging dort um „besondere materiellrechtliche Bestimmung für die Reorganisation, die auf deren Zweck ausgerichtet sind.“174 Dies war ua die Folie für §§ 103 ff (LS 2.4.1.1–11, 2.4.2.1–5) und §§ 120 ff

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Sehr lesenswert dazu weiterhin EB Mot S 205–207 – Stichworte: „unterschiedliche Vorschläge beraten“ [S 205] – „vermittelnde

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Lösung“ (S 206) – „beschränkte Überwachung“ (S 207). EB Mot S 218.

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(LS 2.4.2.6–11 – in Abweichung zu LS 4.1) und für die Einbeziehung der Befugnisse auf Absonderung (§ 217 [S 1] Var 1: Rn 94); keinerlei Übernahme fanden umgekehrt die ausführlichen Vorschläge (näher dazu bei § 225a Rn 2–4) zur plangeführten Gestaltung „Unternehmens- und gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse“ (LS 2.4.9.1–12), mitsamt dem Konzern (LS 2.4.9.13); der Regelungsgehalt von LS 2.4.10 (Weiterhaftung aus Interzession), findet sich in § 254 II.175 Ganz grundlegend ist zudem die Entscheidung, einige klassischerweise Aus- oder Ab- 94 sonderungsbefugte miteinzubeziehen – das folgt aus LS 1.1.5 II, der – als Abkehr von §§ 26 I, 27 VglO – für Inhaber besitzloser Mobliarsicherheiten (Var 1: Sicherungseigentum, Eigentumsvorbehalt, Sicherungsabtretung) und bestimmter Pfandrechte (Var 2: Vermieter/ Verpächter – Var 3: Pfändungspfandrechte, wenn sie mehr als ½ Jahr vor Eröffnung schon begründet waren) den Begriff „Insolvenzgläubiger“ gleichsam fiktiv erweitert.176 Das ist entsprechender Ausdehnung der Insolvenzmasse geschuldet (LS 1.1.4 I lit b-e mit II bzw LS 2.4.4.1, 3.3.1). Diese Gläubiger bilden sodann zwar immerhin eine eigene Gruppe, die zustimmen muss (LS 2.2.16 I mit 2.2.7 I/II lit a bzw LS 2.4.4.6); rechnerisch konnte dabei trotz allem fast 1/5 der Totalsumme jedoch überstimmt werden. Jener (Einigungs-) Zwang war rechtlich neu, wirtschaftlich aber unumgänglich: wie würde denn sonst die Reorganisation überhaupt „funktionieren“?177 Dennoch waren die Einzelheiten wohl intern durchaus umstritten.178 Es gab – „abfedernd“ – aber einen garantierten Mindestwert (LS 2.4.47: „Hälfte des Wertes“). Die Regelung zum Zwangsvergleich (ZB LS 5.5, 5.6, 5.8) ist parallel ausgestaltet (dazu Rn 98). Grundpfandrechte (LS 2.4.5.1) und andere dingliche Rechte (LS 2.4.5.7) waren hingegen nicht tangiert, es sollte jedoch zusätzlich einen Vollstreckungsschutz gegen Zwangsversteigerung unentbehrlicher Betriebsgrundstücke geben (LS 2.4.5.2–5). d) Zwangsvergleich. Der Zweite Bericht („ZB“) reicht die Vorschläge für den Zwangs- 95 vergleich im Verfahren der Liquidation nach (ZB LS 5.1–8), welche sich an §§ 173–201 KO orientieren, jedoch gewisse Erleichterungen bringen sollen (LS 5.1 I Hs 2) und ferner die systematische Einpassung gewährleisten müssen. Vorgesehen wurden drei genaue Vertypungen (LS 5.1 Hs 1), die aber keine genaue Erklärung finden; ob eine Typenmischung/kombination möglich sein sollte, wird nicht so recht klar – es wurden empfohlen: Liquidationszwangsvergleich als alternative Abwicklungsform und einzige Möglichkeit für Unternehmer (als Folge aus EB LS 1.1.2 II S 2: Rn 83); Stundungszwangsvergleich als Form eines kollektiv bewilligten Aufschubs („Moratorium“), mit aber demungeachtet „voller“ Befriedigung als Ziel auf lange Frist hin; Quotenzwangsvergleich mit gleichsam „klassischen“ Kürzungen. Alle jene erlauben, dass dann jeweils Restschuldbefreiung179 erfolgt 175

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Geregelt waren außerdem: betriebliche Altersversorgung (LS 2.4.3.1–7); Mobiliarsicherheiten (LS 2.4.4.1–8 – mit Beschränkung sogar auch der Aussonderung: LS 2.4.1.1) und Grundpfandrechte (LS 2.4.5.1–6 – Analogieklausel: LS 2.4.5.7), wegen des Liquidationsverfahrens siehe bei LS 3.1–5; Begrenzung der Aufrechnung (LS 2.4.6.1 – in Abweichung zu LS 3.6.1–4). Kurz, knapp, bündig EB Mot S 96 [Mitte]: „Darin liegt eine wesentliche Änderung gegenüber dem geltenden Vergleichsrecht“ – entsprechend dann folgerichtig ZB LS 5.1 II mit Mot S 134/135.

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Wieder recht kurz nur EB Mot S 183: „Da Mobiliarsicherungsgläubiger (im Sinne des Leitsatzes 1.1.5 Abs. 2) und ungesicherte Gläubiger regelmäßig vom Reorganisationsplan betroffen werden …“. EB LS 2.4.4.6/7 einerseits, wegen dinglicher Seite (EB Mot S 257), ZB LS 9.8 andererseits, wegen schuldrechtlicher Seite (ZB Mot S 195 f) – der Leitsatz ist entlehnt § 82 VglO bzw EB LS 2.4.5.1 II/III. ZB Mot S 134.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

(Sanierungsgedanke!), die ansonsten nicht angedacht war (LS 6.3 I: keine discharge) oder nur sehr eingeschränkt (LS 6.2.6 II lit a: teilweiser Forderungserlass als Erscheinungsform „vereinfachter Schuldenregulierung“ zugunsten natürlicher Personen: LS 6.2.1–7). – Man kann wohl am Ende drei Regelungsfelder näher unterscheiden, während im Übrigen aber auch vielerlei erhalten bleiben sollte:180 96 (a) Die Umgestaltung des Konkursrechts bzw Zwangsvergleichs, vor allem durch das Wegstreichen von Unzulässigkeitsgründen und Würdigkeitsschranken181 (LS 5.4 II–IV – „Negativregelungen“). Dazu zählen jedoch auch grundlegende Neuerungen („Positivregelungen“), wie die Ermächtigung des Insolvenzgerichts zur Sistierung von Verwertungsakten (LS 5.3) und der Systemwechsel auf die Summenmehrheit (LS 5.6 II [lit b: 60 %] in Anlehnung an EB LS 2.2.17 und gegen die Regel des § 182 I KO: Köpfe [50 %] plus Summe [75 %]). Das alles dient dem Regelungsziel der Erleichterung (LS 5.1 I Hs 2). 97 (b) Die Bestätigung konkursrechtlicher Grundvorgaben, welche noch einmal per „Leitsatz“ eigene Betonung finden, hierbei en passant aber doch wichtige Änderungen erfahren: schuldnerische Antragstellung (LS 5.1 I S 1 [§ 173 KO] – aber: Verwalterrecht bei Liquidationen182 [S 3]; Koppelung mit Schuldnerantrag auf Eröffnung [LS 5.2] – die Folie für § 218 I S 2 InsO), keinerlei gesetzliche Mindestquote (LS 5.4 I [in Anlehnung an EB LS 2.4.7.1 bzw als Einschränkung von § 187 KO]), Beschreibung des Weges der Befriedigung (LS 5.1 IV S 1 [§ 174 KO] – aber: Einbeziehen künftigen Einkommens183 [S 3]); Möglichkeit zur Wiederholung der Abstimmung (so wie nach EB LS 2.2.18 bzw § 182 II KO). 98 (c) Die Einbeziehung dinglicher Gläubiger falls diese Mobiliarsicherheiten iSv EB LS 1.1.5 II innehalten (LS 5.1 II – als pragmatisch erforderliche Erweiterung des § 173 KO184), genauso wie es zuvor beim Reorganisationsverfahren auch schon vorgesehen wurde (EB LS 2.4.4.6–8: Rn 94). Sie bilden eine eigene neue Gruppe (LS 5.5 I – wegen akzessorischer Rechtsstellung siehe II/III) mit eigenem Mehrheitserfordernis (LS 5.6 II lit a: erneut nur Summen [80 %]) und dazuhin Minderheitenschutz falls Unterlegenheit erfolgt (LS 5.8), allein die Hälfte (!) des Wertes war hierdurch aber gesichert!

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e) Würdigung. Wenn man jene Vorschläge zusammen betrachtet, ergeben sich hieraus vier Felder möglicher Kritik: (a) Zumeist sieht man jenen Entwurf als am Ende zu unternehmens- oder sanierungslastig an – das stimmt für EB LS 2.2 („Verfahrensrecht der Reorganisation“) – ist aber letztendlich doch wenig überraschend: nomen est omen! Man kann auch die Kritik nur halten, wenn man ein Auge zukneift und nicht daneben zudem die weitere Möglichkeit gerichtlichen Vergleichens bedenkt (ZB LS 5: „Liquidationsbeendender Zwangsvergleich“), welche schon EB LS 1.1.2 II einst klar genug angekündigt hatte. Die beiden zusammen decken das insofern erforderliche Spektrum ab. Nur wird das eine „moderner“ gestaltet („Plan“), das andere „klassisch“ wie bisher („Vergleich“), dennoch wurden beide klar strukturell aufeinander abgestimmt. Damit war der Boden letzthin aber bereitet: wieso kann der Plan nicht bisherige Funktionen des Vergleichs miterledigen? Das vermeidet die Doppelung, die zugestanden etwas kompliziert anmutet.

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Siehe dazu näher ZB Mot S 132 f, 141 – ua Erfordernis gerichtlicher Bestätigung, Gleichbehandlung (§ 181 KO – indes doch nur gruppenspezifisch: EB LS 2.2.9), Benennung der Wirkungen etc. ZB Mot S 139–141 mit S 136. ZB Mot S 135.

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ZB Mot S 135/136 mit S 136. ZB Mot S 134/135: „unerläßlich, um die Funktionsfähigkeit … zu verbessern; eine umfassende und abschließende Schuldenbereinigung ist ohne Beteiligung der Sicherungsgläubiger nicht möglich.“

Joachim Münch

Vorbemerkungen

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(b) Ein beachtlicher weiterer Kritikpunkt war dazuhin der Vorwurf einer starken Gerichtslastigkeit. Dies stimmt insoweit, als die Festlegung des Zieles des Verfahrens vom Gericht im Rahmen eines eigenen Vorverfahrens bestimmt wurde (LS 1.1.1 II mit 1.3.4), das eigentlich ein Zwischenverfahren ist – nachlaufend zur Eröffnung – und gewisse Zeit braucht, die kostbar ist oder unnütz verrinnt …185 Ob jedoch das Gericht eine generell geeignete Entscheidungsinstanz darstellt, ist allerdings zu bezweifeln: es geht um grundlegende ökonomische, nicht juristische Entscheidungen. Für letztere fehlen übrigens gar entsprechende Ermächtigungen zur frühen Korrektur rechtlicher Missstände (§ 231 InsO „versus“ § 250 InsO bzw LS 2.2.21). (c) Man könnte ergänzend „Durchlöcherung“ der Gleichbehandlung vorwerfen oder genau anders herum auch „Gleichheitslastigkeit“. Beides trägt jedoch nicht (trotz der Regel bei LS 2.2.9: „Ausnahmen vom Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung“) – es gibt ja bloß (LS 2.2.16 I) konkret zwei Gruppen vergleichbarer Rechtsstellung (Normalgläubiger und Arbeitnehmer), die dritte (Absonderungsbefugte aus Mobiliarsicherheiten) hätte so oder so immer ureigene Qualität. Die par conditio creditorum blieb also recht weitgehend noch garantiert. Aber mit dem Gruppengedanken war die Saat ergänzender Differenzierung ausgestreut, die später aufgehen sollte – solche „Interessenkoordinierungen“ hatten nicht bereits denselben Stellenwert. (d) Am Ende staunt man über die materiellen Eingriffsbefugnisse – jenes Konzept erscheint uU etwas (zu) steuerungslastig. Das beginnt beim Prozess zur Feststellung der Zielvorgabe (dazu Rn 100), meint vor allem die zusätzlichen materiellen Regelungen (EB LS 2.4), welche „verfahrensbegleitend“ wirken (näher dazu bei Rn 93), indes auch am Ende die einzelnen gesellschaftsrechtlichen Eingriffe (LS 2.2.20 III: § 225a Rn 2–4) bzw den Schutz zur Umsetzung des Planes (LS 2.2.30 f). Hier war dann die Gesetzgebung deutlich reservierter (prinzipielle gesellschaftsrechtliche Neutralität!), hat aber jenen großen Geburtsfehler später reumütig korrigiert und dann mit dem ESUG das nachgebracht, was weggefallen war (dazu Rn 136, 138). Die Wertung muss demnach insgesamt differenzierter ausfallen, als dies oft bislang der Fall ist. Nicht alle der „Grundkritiken“ (Rn 99–102) sind vollauf berechtigt, und auch wenn die Ministerialentwürfe anschließend vieles grundsätzlich ändern (Rn 108–120), ist doch die prozessuale Grundstruktur in sehr vielem offenkundig vorgezeichnet – abgesehen sicher von Vorverfahrenspflicht und Gruppenbildungsrecht.186 Die Planstruktur war schon konkret angedacht (LS 2.2.5–7, 10), die meisten der Prozessabläufe sind vorgezeichnet (LS 2.2.11–19, 21, 23, 25, 28 – inbegriffen die Überwachung: LS 2.3.1–9) und ebenfalls die Wirkungen (LS 2.24, 26 f, 32); die Gleichbehandlung ist schon „prinzipiell“ etwas eingeschränkt (LS 2.2.9: Rn 101); die Absonderungsbefugten aus Mobiliarsicherheiten werden planerisch mit einbezogen (und wenn auch als „verkappte“ [Insolvenz-] Gläubiger: LS 1.1.5 II: Rn 94). Das erst öffnet der Reform die Türe.

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Trotz der Regel bei LS 1.3.4.3 [„alsbald“] und 1.3.4.4 I [„unverzüglich“] – dazu siehe auch EB LS 1.3.4 einerseits, ZB LS 5.2 andererseits – und auch des „Beschleunigungsgebots“ (EB LS 2.2.4).

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Auch uU noch die „Monopolisierung“ der Planvorlage beim Insolvenzverwalter (EB LS 2.2.3 I) – das gilt nicht mehr bei Miteinbeziehung des Zwangsvergleichs (ZB LS 5.1 III S 1 „versus“ S 3).

Joachim Münch

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2. Konzeption der Regierungsvorlage

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a) Einführendes. Die InsO-Entstehung ist beschrieben bei Einl Rn 33 ff. [Kommissionsvorlage] bzw Einl Rn 43–45 [Ministerialentwürfe und Legislativverfahren];187 die planrelevanten Regelungen sind inhaltlich zusammengefasst unter dem Titel „Sechster Teil. Insolvenzplan“ und auch schon per Trias, wie heute, weiter konkret untergliedert. Daraus ergeben sich alsdann folgende (Text-) Stufen der Genese: – Diskussionsentwurf (15.08.1988) [DiskE]:188 §§ 243–267, 268–289, 290–305; – Referentenentwurf (01.11.1989) [RefE]:189 §§ 243–267, 268–289, 290–305; – Regierungsentwurf (1991/1992) [RegE]:190 §§ 253–278, 279–300, 301–316; – Gesetzesfassung (05.10.1994) [StF]:191 §§ 217–234, 235–253, 254–269. Die von Bundestag in dritter Lesung verabschiedete Fassung (21.04.1994), welcher zum Schluss der Bundesrat auch zustimmte (08.07.1994 – Hinausschieben des Inkrafttretens!), weist noch die Paragraphenzählung der „Regierungszählung“ auf; vor Verkündung wurde „glättend“ die sog Stammfassung [StF] neu durchgezählt (Verkündung: 18.10. 1994; Gültigkeit: 01.01.1999 [Art 110 I EG]). 105 Was den Insolvenzplan angeht, unterscheiden sich indes DiskE, RefE und RegE nicht sehr grundsätzlich in der Grundkonzeption (wegen Einzelheiten siehe Rn 121–123) – dagegen zuweilen deutlich gegenüber den Leitsätzen der Kommission.192 Jene wurden nicht Normen geheißen, sondern waren ganz bewusst noch als ausfüllungsbedürftige Regelungsziele unterschiedlicher Regelungsdichte formuliert193 – namentlich der Reorganisationsteil der Kommissionsleitsätze ist aber schon inhaltlich recht ausgefeilt. Man findet trotz allem sowohl wörtliche Vorwegnahmen (zT natürlich in Anlehnung §§ 173–201 KO bzw VglO, vgl Rn 17, 83) wie mannigfach sinngemäße Anregungen der ministeriell vorgeschlagenen Formulierung – Einzelheiten müssen hier erst einmal dahinstehen; darauf ist später im Rahmen der anschließenden Einzelkommentierung zurückzukommen; zudem sind – bereits im „Vorlauf“ – auch die Kommissionsleitsätze mit der wirklichen (InsO-) Gesetzesregelung verglichen (dazu Rn 83–92). Hier geht es bloß viel abstrakter um konzeptionell vorgenommene Veränderungen, die darauf hindeuten, dass die tatsächliche „Gesetzwerdung“ mit den genauen Ministerialentwürfen beginnt, welche zT andere Schwerpunkte setzen

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Siehe auch die Darstellung bei Balz/Landfermann Die neuen Insolvenzgesetze (1995), S XXXI ff. BMJ (Hrsg) Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts mit Allgemeiner Begründung [AT] und Begründung zu den einzelnen Vorschriften [BT] – Diskussionsentwurf S 125–155. BMJ (Hrsg), Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts mit Allgemeiner Begründung [AT] und Begründung zu den einzelnen Vorschriften [BT] – Referentenentwurf S 142–177. BR-Drucks 1/92 [RV vom 03.01.1992] S 49–59 mit BR-Drucks 1/92 (Beschluß) S 40 bzw BT-Drucks 12/2443 [RV vom 15.04.1992] S 49–59 mit BT-Drucks 12/7302 [RA vom 19.04.1994] S 94–113. BGBl 1994 I Nr 70 S 2866 (2894–2901). Materialien auch abgedruckt bei Kübler/

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Prütting Das neue Insolvenzrecht I (1994) S 445–510 bzw Balz/Landfermann Die neuen Insolvenzgesetze (1995), S 322–387. Die befürwortende (SPD-) Stellungnahme (BT-Drucks 10/5814, insbes S 3 [II 1–3]) fand am Ende keinerlei Behandlung – siehe dagegen Engelhard BT-Prot 10 S 18733 („mehr Markt … weniger bürokratische Bevormundung“) mit ZIP 1986, 1287, 1290 [IV]. Es sollte gar Hilfen zu einer Restrukturierung geben, ein „Restrukturierungsinstitut“ für Beratung, Prüfung, Kontrolle und sogar (!) zur „Mitfinanzierung von Reorganisationsplänen“ (S 6 [II 9]) – hiergegen wiederum Engelhard ZIP 1986, 1287, 1288 li. Sp. [I]. EB Mot S 9: „Die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs auf der Grundlage der Kommissionsvorschläge [!] soll dadurch erleichtert werden.“ [Hervorh vom Verf].

Joachim Münch

Vorbemerkungen

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(dazu Rn 108–120 – quasi „die wilde Dreizehn der Reformen“) – und nebenbei bereits Kritik daran (Rn 106 f) konzeptionell mitberücksichtigen (textlich oder nur im Argument). Allgemeinere Kritikpunkte, welche spezifische (parallele) Planrelevanz zeigen, waren 106 vor allem (lediglich einige Beispiele): Aushöhlung der Autonomie der Gläubiger;194 Perpetuierung von Trägerschaften195 (Unternehmensträgersanierung anstatt Blick auf Unternehmenssanierung); Umverteilung von Gesicherten auf Ungesicherte;196 die einseitige Ausrichtung des Verfahrens,197 dh Vernachlässigung der Liquidation bzw Bevorzugung der Reorganisation; Missachten „übertragender“ Sanierung198 etc. Solche (unternehmensbezogenen) Themen hatte nicht zuletzt schon zuvor der 54. DJT (Gutachten K Schmidt199) de lege ferenda ganz gezielt angestoßen und vorbereitet. Eine der wohl heftigsten Kritiken formuliert der Gravenbrucher Kreis200 – fürs Plan- 107 verfahren wird ua folgendes hart getadelt (Balz: „Rundumschlag“ mit „Kampfbegriffen“201): Zum einen die gerichtliche Entscheidung zur Planerstellung, anstatt der eigenen Entscheidung der Gläubiger zu vertrauen [I 1: „ob ein Unternehmen reorganisiert oder liquidiert werden soll, ist von der Gläubigerschaft (Gläubigerausschuss) im Zusammenwirken mit dem Insolvenzverwalter festzulegen.“], dh gerichtlicher Einfluss sei deutlich zurückzunehmen – Schlagwort: Gläubigerautonomie statt „Verstaatlichung“; zum anderen die Vernachlässigung alternativer „übertragender“ Sanierungen (dazu Rn 40, 45 [2], 47 bzw 112) bei Fokussierung auf die Trägerschaft, nicht etwa das eigentliche Unternehmen, bei allemal zu starker Mitsprache des Schuldners [II 1–4]. Dazu kommt eine Reihe von Beanstandungen mangelnder Praktikabilität: Begriffsbestimmung subjektiven Anwendungsbereichs erforderlich [IV 1], keine regelmäßig frühe Einbindung des vorläufigen Insolvenz-

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Balz Sanierung von Unternehmen oder Unternehmensträgern? (1986), S 26–28 [II 3.6–8]. Ulmer ZHR 149 (1985), 541, 544 f [I 3]; Balz aaO (Fn 194), S 20–24 [II 3.3]. Drukarczyk/Duttle ZIP 1984, 280 bzw Drukarczyk Unternehmen und Insolvenz – Zur effizienten Gestaltung des Kreditsicherungsund Insolvenzrechts (1987), S 213 f – zum DiskE bereits versöhnlicher ZIP 1989, 341, 342 [II]. Sanierung war Idealbild der Reformbemühungen: Flessner ZIP 1981, 113, 116–119 [IV/V]; Henckel ZIP 1981, 1296 f [I-III]; Flessner ZIP 1981, 1283, 1287 f [VI] – zudem auch als Mitglieder der Arbeitsgruppe „Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Reorganisationsverfahren“ der Kommission: Uhlenbruck KTS 1981, 515, 517–521 [II], 544 f [VIII 1], 568 ff [XI]; Kilger ZIP 1982, 779. Balz aaO (Fn 194), S 71 ff [IV] mit ZIP 1988, 271 – warnend schon R Stürner ZIP 1982, 761, 769/779 [III 2] und dann zudem später Baur/Stürner InsR12 (1990) Rn 4.28 sowie vor allem K Schmidt in: Leipold (Hrsg) Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S 67, 75 ff [III].

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K Schmidt Möglichkeiten der Sanierung von Unternehmen durch Maßnahmen im Unternehmens-, Arbeits-, Sozial- und Insolvenzrecht – Unternehmens- und insolvenzrechtlicher Teil, 54. DJT (1982) Bd. 1, Gutachten D, S 35 ff – dazu ua etwa F Baur JZ 1982, 577; R Stürner ZIP 1982, 761; Schröter/ A Weber ZIP 1982, 1023; siehe weiter zur Rezeption des Gutachtens auf dem Juristentag K Schmidt KTS 1982, 613. BB 1986 Beilage 15 zu Heft 29, S 3 f [I 1], S 6 [I 6], S 8–11 [II 1–4], S 14 f [IV 1], S 15/16 [IV 3], S 1 f [IV 6–8] – siehe später alsdann außerdem ZIP 1989, 468, 470–473 [I 6 & II] (DiskE); ZIP 1990, 476, 477 f [4] (RefE); ZIP 1992, 657, 658 [I 1] – gar – Novum – mit einer BMJ-Erwiderung: aaO S 659 f [II]. Am Ende wollte man bloß die („kleine“) KO-Reform: ZIP 1993, 625 (sog Alternativentwurf): das Planverfahren („Planwirrwarr“) sollte demnach komplett entfallen: S 676/672 [B 5 (1)] – bei Aufhebung der Vergleichsordnung wird der alte Zwangsvergleich lediglich zum „Vergleich“ (mit Streichung von § 187 KO). Balz/Landfermann Die neuen Insolvenzgesetze (1995), S XXXIV [4.1: „interessebezogene Kritik“].

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verwalters [IV 3], Möglichkeit großzügigerer Verlängerung der Planvorlagefrist für den Insolvenzverwalter [IV 6], von Verfügungsschranken bei Planüberwachung [IV 7] und effektiver gerichtlicher Sanktionen bei Nichterfüllung geplanter Sanierungsakte [IV 8]. Die Idee im Kern (Differenzierungen statt Gleichbehandlung) überzeugte aber anscheinend doch inhaltlich.202 b) Regelungsmodell

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aa) Grundstrukturen. (1) Am augenfälligsten ist selbstverständlich erst einmal die völlig neue Benennung: aus dem Reorganisationsplan wird nunmehr ganz einfach ein Insolvenzplan. Und das verleiht wörtlichen Ausdruck für ein großes, insgesamt grundlegenderes Umsteuern: der Plan ist nun ganz „zieloffen“, erlaubt mithin nicht bloß Sanierungen von Unternehmen (LS 2.1.1–3), sondern steht beliebigen Zwecken offen – wenn sie denn die erstrebte Gläubigerbefriedigung befördern (§ 1). Er wird insoweit „unter dem Dache“ des normalen Insolvenzverfahrens geregelt. (2) Das jetzige Verfahrensmodell ist nunmehr das des Einheitsverfahren mit teilweisen Möglichkeiten abweichender Gestaltung („opt out“), welche dezidiert aufgeführt werden – anders herum gesagt: wenn weder andere Regelungen statthaft erscheinen („Rechtsgrenze“: § 217) noch solche wahrgenommen werden („Parteigrenze“: §§ 218 ff), dann verbleibt es natürlich beim gesetzmäßig vorgesehenen Regelablauf. Die Entscheidung ist gerichtlich nicht mitbestimmt, es disponieren die Beteiligten, das Gericht hat nurmehr Kontrollfunktion. (3) Die Planvorlage verlangt Initiative von insoweit befugten Personen (§ 218 – DiskE/ RefE/RegE: Verwalter, Gläubigergruppe, Schuldner), ist also nicht mehr das Proprium des Verwalters, der damit zudem einen Auftrag des Gerichts nur erfüllte … (LS 2.2.3 I). Alle Entwürfe bekennen sich dezidiert zu positiven Effekten konkurrierender Vorlagen (deswegen gibt es § 283 DiskE/RefE f § 294 RegE: „Mehrere Pläne“) – und fühlen sich bewusst einem „Wettbewerb um den besten Vorschlag“ verpflichtet. Das sollte möglichst Kreativität gestatten und Effizienz sicherstellen. (4) Das Planverfahren neuen Rechts sollte nicht bloß die gesamte VglO ersetzen (so wie es ebenso LS 1.1.2 I vorsah), sondern zudem den Zwangsvergleich (§§ 173–201 KO – hier anders noch LS 1.1.2 mit etwas dunkler Differenzierung bei „Planfähigkeit“: nur Liquidation, keine Sanierungen möglich [S 2 „versus“ S 1]). Für die nicht „unternehmerisch tätigen Schuldner“ (LS 2.1.3), nachher „Verbraucher“ genannt, war eine besondere Eigenverwaltung ohne Sachwalterschaft angedacht (§§ 336–345 DiskE/RefE f §§ 347–357 RegE), die auch zum Plan führen konnte.203 (5) Nicht geregelt, indes auch nicht verboten, wurde die Möglichkeit „übertragender“ Sanierungen – im Normtext finden sich hierzu Indizien positiver Regelung.204 Völlige

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Generell aA freilich zB Berges BB 1986, 753, 754 f [I]. § 345 DiskE (Hinweispflicht) f § 345 RefE (Beratungspflicht) f § 357 I RegE (Hinweispflicht). Siehe vor allem § 253 DiskE/RefE f § 263 RegE [Betriebsveräußerung] bzw § 296 III DiskE/RefE f § 307 III RegE [Übernahmegesellschaft], später zudem auch § 273 S 1 RegE [Finanztransparenz, vgl Rn 125 zA] (iVm § 298 S 2 DiskE/RefE f § 309 S 2 RegE

f § 262 S 2 InsO; § 299 S 1 DiskE/RefE f § 310 S 1 f § 263 S 1 InsO; § 300 I S 1 DiskE/RefE f § 211 I S 1 RegE f § 264 I 1 InsO; § 303 II Nr 1 DiskE/RefE f § 314 II Nr 2 RegE f § 267 II Nr 1 InsO. Das muss man noch zusammensehen mit der „Planpflicht“ bei Veräußerung an „Interessierte“ (§ 172 DiskE/RefE f § 181 RegE: „nur auf der Grundlage eines Insolvenzplans zulässig“).

Joachim Münch

Vorbemerkungen

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Klarheit schafft freilich alsdann die Begründung der Textierung, die dezidiert „Parität“ anerkennt: „Die Reorganisation des Schuldners und die übertragende Sanierung stehen gleichberechtigt nebeneinander“ – RegE-Vorblatt B 4 S 3205). Hier hat sich die Gravenbrucher Kritik (Rn 107) [II pr.: Begünstigung der Sanierung des Unternehmens] mithin durchgesetzt. bb) Mehrheitsfindung. (6) Es bleibt inhaltlich beim Gruppenprinzip (§ 255 DiskE/ 113 RefE f § 265 RegE) samt entsprechendem „Zurechtrücken“ des Grundsatzes der par conditio creditorum (§ 259 DiskE/RefE f § 269 RegE) – sicherlich ein recht großer Fortschritt. Und doch vollzieht sich dabei eine grundlegende Veränderung: die Abschaffung unabdingbar gesetzlich verordneter Gruppentrias (LS 2.2.16 I S 2: Gesicherte, einfache Gläubiger, Arbeitnehmer). Einerseits können Nachrangige ebenso einbezogen werden, andererseits gibt es eine Rechtspflicht, mannigfach Untergruppen abzubilden. Dies bewirkt dann größere Folgeänderungen für die Mehrheitsfindung (Rn 114) – und schafft allemal größere Flexibilität. (7) Das Abstimmungsverfahren ist deutlich nun geändert:206 es gibt allein ein Quorum 114 (50 %), nicht mehr die „Staffelung“ nach Betroffenen (LS 2.2.17 II: Rn 87); doch zählt jetzt eine doppelte Mehrheit nach Köpfen und Summen (§ 287 DiskE/RefE f § 289 I RegE). Am Ende sollte genügend sein, wenn nur eine einzige (!) Gruppe annimmt – sonst half als neue Regel das sog Obstruktionsverbot und führt zum Einigungszwang (§ 279 DiskE/RefE f § 290 RegE: „cram down“, vgl Rn 153). Flankierend wurde entsprechend individueller Minderheitenschutz zugesprochen (§ 287 DiskE/RefE f § 298 RegE). Der ganze Prozess wurde dadurch insgesamt viel komplexer (als Konsequenz aus Rn 113). (8) Als neues Element ist zudem die Zustimmung des Schuldners nun eingeführt (§ 282 115 Disk/RegE bzw § 293 RegE) – man will ihm hierdurch mithin eine Stimme verleihen (Abs 1), verkoppelt das wiederum allerdings mit Obstruktionshindernissen (Abs 2) – wer ohnedies alles verliert, der soll auch keine „Sperrbefugnisse“ haben. Besonders liegt aber die Sanierung unter Führung desselben Trägers: hier bleibt eine konkrete, höchstpersönliche Abwehrmöglichkeit bestehen (das folgt aus § 263 I DiskE/RefE bzw § 274 I RegE – praktisch die „Umsetzung“ von LS 2.4.9.3), und die Kritik aus dem Gravenbrucher Kreis (Rn 107) [II 2: Gestatten „zwangsweiser“ Sanierung]207 verhallt hier ungehört. cc) Planverfahren. (9) Der Planinhalt ist – obwohl in seiner konkreten Grundstruktur 116 identisch (LS 2.2.5–7: Darstellung/Gestaltung bzw LS 2.2.10: Plananlagen) – deutlich „bildhafter“ normiert, sowohl was die genaue Darstellung angeht (§§ 248 II, 249–253, 261 DiskE/RefE f §§ 258 II, 259–263, 272 RegE) als auch die eröffneten Gestaltungen betreffend (generell: § 243 II DiskE/RefE f § 253 II RegE – speziell: §§ 256–258 DiskE/RefE f §§ 266–268 RegE). Eingeführt wurde eine am Ende recht restriktiv ausgefallene Sonderregelung hinsichtlich „sachenrechtlicher Verhältnisse“ (§ 260a RefE f § 271 RegE f § 228, dazu näher dort Rn 5–9).

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Siehe ferner insbes unter: [A 3a bb] (DiskE Begr AT S 16 f; RefE Begr AT S 19 f; BTDrucks 12/2443 S 77 f) mit [A 4a aa] (DiskE Begr AT S 31; RefE Begr AT S 36 f; BTDrucks 12/2443 S 83 li. Sp.) und [A 4 f] (DiskE Begr AT S 67–71; RefE Begr AT S 78–83; BT-Drucks 12/2443 S 94 f). Dazu krit etwa Baur/Stürner InsR12 (1990) Rn 4.47.

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BB 1986 Beilage 15 zu Heft 29, S 9: „Die Reorganisation muß unabhängig vom Willen der Gesellschafter oder eines Einzelkaufmanns und sogar gegen deren Willen erfolgen können.“ – relativ skeptisch dagegen einstmals Baur/Stürner InsR12 (1990) Rn 4.28.

Joachim Münch

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(10) Die Einführung einer gerichtlichen Vorkontrolle (§ 264 DiskE/RefE f § 275 RegE) ist gleichsam der Ausgleich des Verzichts auf die Verfahrenssteuerung des Insolvenzgerichts (Rn 109 f); sie erlaubt die Vorwegprüfung rechtlicher Erfordernisse (I Nr 1), aber zT auch – aber nur in relativ engen Grenzen – die Einschätzung prozessualer (I Nr 2: Zustimmung/Bestätigung) und ökonomischer (I Nr 3: Erfüllbarkeit) Sinnhaftigkeit eines Insolvenzplans. Umgekehrt kann ebenfalls jedoch „Planungsschutz“ verlangt werden (§ 266 DiskE/RefE f § 277: Aussetzung von Verwertung und Verteilung). 118 (11) Sondervorschriften regeln Planmodifikationen: die Änderung von Seiten des Vorlegers (§ 273 I DiskE/RegE f § 284 I RegE – ohne größere Begrenzung; anders dann später § 240) und ebenfalls die insolvenzgerichtliche Ablehnung bei Besorgnis der Undurchführbarkeit (§ 273 II DiskE/RegE f § 284 II RegE – in Anlehnung an §§ 264 DiskE/RefE f § 275 RegE: I Nrn 2 und 3, siehe dazu bei Rn 117); entfallen ist umgekehrt die Möglichkeit nachträglicher Veränderung (LS 2.3.4, siehe dazu bei Rn 91 [c]), zumal auch die Kategorie schlicht „dargestellter“ oder lediglich bloß verkündigter Maßnahmen entfällt. 119 (12) Zentralere „neue“ Regelungen: uU Einbeziehung auch Nachrangiger (§§ 258, 280 DiskE/RefE f §§ 268, 291 RegE); Kostenzuweisungen (§§ 246, 305 DiskE/RefE f §§ 256, 316 RegE); Regeln zur Konkurrenz von Plänen (§ 283 DiskE/RefE f § 294 RegE); Formsurrogation vermittels Insolvenzplans (§ 290 I 2 RefE f § 301 I 2 RegE); Wiederauflebensklausel (§ 291 DiskE/RefE f § 302 RegE); Ermächtigung des Verwalters zur Fortführung von Anfechtungsprozessen (§ 295 III DiskE/RefE f § 306 III RegE); Möglichkeit für Verfügungsvorbehalte bei Überwachung (§ 295 I S 2 DiskE/RefE, vgl Rn 193 aE; § 299 DiskE/RefE f § 310 RegE) etc. 120 (13) Entfallene „alte“ Regelungen: Aus den Kommissionsvorschlägen fehlen ua Festschreibung des Personenkreises (LS 2.1.3: subjektive Reorganisationsfähigkeit; LS 2.2.1: beteiligte Gläubiger); Beschleunigungsgebot (LS 2.2.4); der gesamte materielle Bereich (dazu Rn 103), vor allem die Gestattung gesellschaftsrechtlicher Änderungen (LS 2.2.20 mit 2.4.9); Überleitung zur Liquidation [LS 2.2.2, 2.2.19 II, 2.2.22) bzw von Liquidation zur Reorganisation (ZB LS 9.7); Abschirmen eines Plans gegen Nachzügler, um Planung zu sichern (LS 2.2.30 f – heute: §§ 259b/a), Treuhandsicherungsfonds (LS 2.3.10) etc.

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c) Abänderungen. Die Änderungen vom DiskE zum RefE sind sorgfältigst (RefE-Unterstreichung) dokumentiert. Es geht im Wesentlichen um Feinschliff im Begrifflichen, so wird aus „Plan“ meistens „Insolvenzplan“ (und zwar bei jeder ersten Nennung in der Textierung eines Paragraphen), und einige inhaltliche Präzisierungen ohne sachlich wirkliche Neuerung; doch es gibt verstreut substantiellere Eingriffe: das stärkere Einbinden von Arbeitnehmerinteressen ins laufende Prozedere,208 die Erwähnung der persönlich haftenden Gesellschafter bei § 243 I RefE (§ 253 I RegE209 f § 217 [S 1] InsO, vor allem die Regelung

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Verfahrensbeteiligung des Sprecherausschusses (§ 244 II RefE f § 254 II RegE f § 218 III InsO; § 265 I Nr 1 RefE f § 276 I Nr 1 RegE f § 232 I Nr 1 InsO; § 268 III S 1 RefE f § 279 III S 1 RegE f § 235 III S 1 InsO) sowie vor allem die Qualifikation als „Sollgruppe“ (§ 255 III S 1 RefE f § 265 III S 1 RegE f § 222 III S 1 InsO) – aufgrund EB LS 2.2.16 I bildeten „die im Unternehmen verbleibenden [betroffenen] Arbeitnehmer“ noch eine der bloß drei (!) „Mussgruppen“:

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Rn 87, 113, dazu vgl auch Baur/Stürner InsR12 (1990) Rn 4.47. Umgekehrt wurde aber die Erwähnung des Betriebsrats bei § 284 II DiskE (f § 248 II InsO: Gerichtsanhörung vor Planbestätigung) weggestrichen. Später allerdings wieder gestrichen: BTDrucks 12/7302 S 181 re. Sp. [RA: Nr 134], dazu Rn 129.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

zur Änderung dinglicher Verhältnisse (§ 260a RefE f § 271 RegE f § 228 InsO [Ausführung] mit Folgeänderung bei § 290 I 2 RefE f § 301 I S 2 RegE f § 254 I S 2 StF f § 254a I InsO [Formersatz]), welche mittelbar sperrige Schranken aufrichtet (dazu § 228 Rn 19–24), die Erweiterung des Kreises der Anzuhörenden (§ 265 II RefE f § 276 II RegE f § 232 II InsO), die Verankerung der gerichtlichen Aussetzungsbefugnis für Verwertungsakte („Planschutz“: § 266 I DiskE [Verwalter hat auszusetzen] f § 266 I RefE [Gericht „kann“ aussetzen] f § 277 I RegE f § 233 InsO), die Neubestimmung der Terminsabfolge (§ 269 DiskE [Verbindung mit Berichtstermin] f § 269 RefE [Verbindung mit Prüfungstermin210] f § 280 RegE f § 236 InsO); Neukonzeption der Vorgaben zur Planbedingung211 (§ 285 RefE f § 296 RegE f § 249 InsO: Einbeziehung einer Drittleistung; Erfüllung immer notwendig; Fristsetzungsrecht). Weitergehend ist festzuhalten, dass – zusätzlich sehr informativ – auch vereinzelte Begründungspräzisierungen212 oder zT auch -erweiterungen stattfinden. Dogmatisch ist bedeutsam, dass man für das (gerichtliche) Bestätigen213 den Beteilig- 122 tenbegriff nun vermeidet (§ 284 I DiskE [„Nach der Zustimmung der Beteiligten …“] f § 284 I RefE [„Nach der Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger und der Zustimmung des Schuldners …“] f § 295 I RegE f § 248 I InsO). Die Begründung214 geht darüber leider mit Schweigen hinweg und verwendet den Beteiligtenbegriff nur weiterhin bezüglich des Abs 2 (der deutlich weiter abgefasst ist!). Die Änderung erheischt doppelt Beachtung. Einerseits zeigt jene die Variabilität der Definition (dazu § 221 Rn 36–38), zumal doch bei Abs 1 (DiskE) und Abs 2 (RefE) dahinter unterschiedliche Vorstellungen stecken; man wollte scheinbar nicht festgelegt wissen, dass Gläubiger und Schuldner immer im Rechtssinne auch Beteiligte seien! Andererseits ist die mühsame Problematik der Rechtsnatur (ausf Rn 210–270) berührt, zumal aus einer völlig neutralen „Zustimmung“ (von Gläubigern und Schuldner!) nun eine „Annahme“ (lediglich der Gläubiger) wird, die offenbar unterschwellig Anklänge von vertrauter Vertragsrechtsdogmatik „einspielt“. Die Wortwahl rührt insoweit von § 278 pr DiskE („Zur Annahme des Plans ist erforderlich …“), der durch § 278 pr RefE noch weitere Schärfung erfährt [„ … des Insolvenzplans durch die Gläubiger“) – ersteres ist allemal nur Formalie (dazu Rn 29 zA), letzteres spielt erneut mit vertragsrechtlichen Begrifflichkeiten. Die Änderungen vom RefE zum RegE fallen noch einmal viel zurückhaltender aus. 123 Am wichtigsten erscheint hierbei gewiss die vollständige Umformulierung des § 262 RefE durch § 273 RegE215 (heute § 229 InsO, dort Rn 7). Ursprünglich war hier nur eine ergänzende Vermögensübersicht vorgesehen (Abs 1), welche aber in kleinen Verfahren auch ganz entfallen durfte (Abs 2); jetzt wird einerseits zwar die Verpflichtung stark eingeschränkt (S 1: Befriedigung aus Erträgnissen – Näheres: § 229 Rn 7), aber doch zusätzlich noch eine belastbare Perspektivrechnung als Zukunftsprognose abverlangt (S 2: Ergebnisund Finanzplan – Näheres: § 229 Rn 7). – Außerdem: § 260a S 2 RefE (dazu § 271 RegE f § 228 InsO: dingliche Maßnahmen) wird marginal umformuliert; § 270 III RefE entfällt (dazu § 281 RegE f § 237 InsO: Stimmrecht); die Zustimmungsfiktion für Nachranggläu-

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RefE Begr BT S 281 f. RefE Begr BT S 296–298. Siehe vor allem RefE Begr BT S 250 [VB], S 251 [§ 243 RefE], S 284 [§ 270 RefE], S 286 [§ 274 RefE], S 290 [§ 279 RefE], S 294 [§ 283 RefE], S 299 [§ 288 RefE], S 299 [§ 289 RefE]. Hierzu rechnet ebenso das Ansprechen der Interessen des Pensionssicherungsvereins: RefE Begr BT S 262 [§ 255

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RefE f § 222 InsO] und S 303 [§ 291 RefE f § 255 InsO]. Nicht aber zur Bindungskraft des Insolvenzplans gegenüber den Dissentern und Absentern: § 290 I S 2 aE DiskE f § 290 I S 3 aE RefE f § 301 I S 3 aE RegE f § 254 I S 3 StF f § 254b aE InsO. RefE Begr BT S 295 BT-Drucks 12/2443 S 203.

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biger ist leicht verändert (§ 291 Nr 1 Hs 2 RegE f § 246 Nr 1 Hs 2 StF216); Möglichkeit nicht mehr nur protokollarisch217 sondern genauso schriftförmlich erklärten Widerspruchs (§ 293 I S 1 RegE f § 247 I InsO [Schuldner] bzw § 298 I Nr 1 RegE f 251 I Nr 1 InsO [Gläubiger]); deutlichere (namentlich systematisch richtigere) Platzierung der Aufgabe des Verwalters, die allfälligen Masseansprüche zu berichtigen von § 295 I S 3 RefE (Wirkungen der Aufhebung) zu § 305 II RegE (Erklärung der Aufhebung), heute geregelt durch § 258 II S 1 InsO – und noch am Ende zur Planüberwachung: das Entfallen des Planvorbehalts für sämtliche Verfügungsakte (§ 306 I 2 RegE218 f § 259 I 2 InsO) und die Ausklammerung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen vom Kreditrahmen (§ 311 III RegE219 f § 264 III InsO). 3. Veränderung im Rechtsausschuss

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a) Einführung. Der Rechtsausschuss hat anschließend die Regierungsvorlage teilweise substantiell verändert (RA-Bericht – Nrn 134–168220), dennoch blieb die Grundstruktur im Planverfahren weitgehend unangetastet, und ebenfalls die Einbindung ins Gesamtsystem. Lässt man hier kleinere Randkorrekturen beiseite (Einfügungen: § 287 II S 2 Hs 2 RegE [RA: Nr 153 {2}] f § 242 II S 2 Hs 2 InsO [Aufklärung der Gläubiger]; § 295 I RegE [RA: Nr 160 {1}] f § 248 InsO [Klammerzusatz zur Klarstellung der gerichtlichen Inzidentkompetenz bei Obstruktion]; § 279 III S 3 RegE [RA: Nr 148 {2}] f § 235 III S 2 InsO und § 299 II RegE [RA: Nr 162] f § 252 II S 1 InsO [Abdruck oder „abstract“]; § 311 I RegE [RA: Nr 168] f § 264 I InsO [Präzisieren der Verweisung] – Streichungen: § 266 III mit II RegE [RA: Nr 141 {2}] / Sicherheitentausch; § 275 III 2 RegE [RA: Nr 145 {3}] f § 231 III InsO / Verwalterbeschwerde bei „Plangutheißung“ – Verdichtung: § 279 III S 2 RegE [RA: Nr 148 {2}] f § 235 III S 1 InsO / Benachrichtigungspflicht für Absonderungsbefugte), ebenso die allein der Normästhetik dienenden Veränderungen, nämlich systematisch bedingte Verschiebung von Normen in ein ganz neues Umfeld (§ 270 III RegE [RA: Nr 143] / § 334 II InsO; § 277 II RegE [RA: Nr 147 {2}] / § 30d ZVG), terminologisch motivierte Klarstellungen221 und das Nachführen anderweiter Änderungen,222 bleiben fünf223 Gebiete (dazu Rn 125–129, vgl aber erg auch Rn 130–132), auf denen substantiell „umgesteuert“ wurde. Zum Schluss ist dazuhin die Numerierung neu erfolgt.

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Später insgesamt grundlegend verändert worden: ESUG bzw Rn 139. Betreffend des Schuldners später gestrichen worden: ESUG bzw Rn 139. Im Gegensatz zu § 295 I 2 RefE („Soweit im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist, …“) – schlussendlich bloß eine Nachkorrektur zur Festlegung individueller Bestimmung (§ 299 S 1: „Bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners … nur wirksam sind, wenn …“), vgl Rn 119 aE. BT-Drucks 12/2443 S 216 re. Sp. BT-Drucks 12/7302 S 94–113 (Synopse) bzw S 179–185 (Begründung). Einige Strukturänderungen von Seiten des Rechtsausschusses deutet Funke FS Helmrich (1994) S 627, 634/635 [VI] (Gruppenbildung: Rn 127)

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bzw S 637 [VIII] (Darstellungsteil: Rn 126) iVm S 641 aE [X] vorher sehr klar an. §§ 291 Nr 2, 311 II RegE [RA: Nr 156, 168] f § 264 II InsO; § 302 I S 1 RegE [RA: Nr 165] f § 255 I S 1 InsO (mE mehr als doch nur eine „redaktionelle Verbesserung“, vgl § 221 Rn 25); § 307 III RegE [RA: Nr 167] f § 260 III InsO. § 289 II RegE [RA: Nr 154] f § 244 II InsO; § 293 II Nr 1 RegE [RA: Nr 158] f § 247 II Nr 1 InsO; § 305 III S 2 RegE [RA: Nr 166] f § 258 III S 2 InsO. BT-Drucks 12/7302 S 153 li. Sp. [C I 4] nennt auch deren fünf – jedoch gruppiert sie insgesamt anders.

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Vorbemerkungen

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b) Schwerpunkte.

(1) Auffällig ist einleitend die Konzentration der Vorlagerechte auf Gemeinschuldner und Insolvenzverwalter (§§ 254/255 RegE [RA Nr 135 bzw RA: C I 4 (1) & (3a)] f § 218 InsO f § 218 Rn 11–17224). Ergänzend wurden die Kostentragungsvorschrift (§ 256 RegE [RA: Nr 136]) und die Regeln zum Umgang mit konkurrierenden Insolvenzplänen (§ 294 RegE [RA: Nr 159]: § 218 Rn 13 f, 112–126) vereinfachend mit weggestrichen; in einem weiteren Sinne kann man als eine Zusatzwirkung der Vereinfachung auch die Begrenzung „materieller“ Vorprüfung auf – lediglich dann noch kritische – Schuldnerpläne dazu genauso noch rechnen (§ 275 I Nrn 2 und 3 RegE [RA: Nr 145 {1}] f § 231 I Nrn 2 und 3, vgl § 231 Rn 7). (2) Der nächste Punkt, „Zurückschneiden“ der sog „Feinsteuerung“, wird nicht direkt 126 artikuliert, entspricht aber einem großen Grundmotiv. Gemeint ist hiermit insbes das Absehen von Detailregeln zu Planinhalten: aus §§ 257–264, 272 RegE werden überaus kompakte §§ 219–221 InsO (maßgeblich durch Streichung [RA: Nrn 134 {2}, 138 f, 144], vgl § 217 Rn 16–19 bzw 220 Rn 1–15; erhalten bleiben wörtlich § 257 I RegE f § 219 InsO; § 258 I RegE f § 220 I InsO; § 264 I RegE f § 221 InsO); die neue Generalnorm zur Darstellung (§ 258 II RegE [RA: Nr 138] f § 220 II InsO) soll die früheren Detailinhalte erfassen – beides geht gewiss über kleine „Schönheitskorrekturen“ hinaus,225 sondern schafft dem Gericht größere Flexibilität zur Entscheidung von Einzelfällen (dazu § 220 Rn 63); die gestrichene Aufzählung vorstellbarer Gestaltung (§ 253 II) eröffnet ergänzend dem Verfasser Freiraum. (3) Ein Kernanliegen waren Veränderungen bei Gruppenbildung und Gruppenkon- 127 sens.226 Was das Erstere angeht, ging die Tendenz klar zur Vereinfachung – hierzu war auch die Kritik bei der Anhörung besonders vehement:227 Reduzierung der Verpflichtung für Mussgruppen, die sind auch bloß bei gestalterischer Beeinträchtigung einzurichten, und Ermöglichung von Kanngruppen (§ 265 I/II RegE [RA: Nr 140 bzw RA: C I 4 (2)] f § 222 I/II InsO228). Dies schafft einerseits noch weitere Flexibilität, kann andererseits aber uU eine Planvorlage auch erleichtern – wenn und weil allein Vollrangige einbezogen werden, bedarf es keiner weiterreichenden Untergruppierung (dazu 222 Rn 52–54).229 Zum zweiten war dagegen grundlegende Verschärfung gewollt – in Anlehnung an 11 USC § 1129 lit a Nr 10 („At least one class of claims has accepted the plan“) begnügte sich insoweit noch § 290 I Nr 3 RegE („mindestens eine andere Gruppe“) mit relativ niedrigschwelligem Konsens, der dann – zutreffenderweise – aber stark qualifiziert wurde (RA: Nr 155 bzw RA: C I 4 (5) – § 245 I Nr 3 InsO: „die Mehrheit der abstimmenden Gruppen“, vgl Rn 114 bzw Rn 153 mit Fn 266). Das erst vermittelt eine recht einsichtige Grundlage für rechtlich verordneten Einigungszwang.

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Mit Folgeänderungen bei § 275 II RegE [RA: Nr 145 {2}] f § 231 II InsO; § 276 I RegE [RA: Nr 146 {1}] f § 232 I InsO; § 277 I RegE [RA: Nr 147 {1}] f § 233 I; § 295 II RegE [RA: Nr 160 {2}] f § 248 II InsO. Dies nur zu BT-Drucks 12/7302 S 181 re Sp. („dient [bloß] der redaktionellen Verkürzung“) bzw S 182 li. Sp.: „dient [bloß] der redaktionellen Straffung“; er [scil § 258 II] erlaubt es, auf die §§ 259–262 und 272 des Regierungsentwurfs zu verzichten.“ Wegen § 263 siehe Rn 131 [a].

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Funke FS Helmrich (1994) S 627, 634 f [VI] BT-Drucks 12/7302 S 182 li./re. Sp.: „bot unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität besonderen Anlaß zur Kritik. … [Abläufe] übermäßig kompliziert“. Mit Folgeänderungen bei § 266 II [RA: Nr 141 {1}] f § 223 II InsO und § 267 [RA: Nr 142] f § 224 InsO. BT-Drucks 12/7302 S 182 re. Sp.

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(4) Ein Anliegen war außerdem die Beschleunigung der Verfahrensabläufe. Hierzu zählt primär die Koppelung von Erörterung und Abstimmung zum regelmäßigen Einheitstermin230 (§§ 279/285 RegE [RA: Nrn 148 {1} und 151 bzw RA: C I 4 (4)] f §§ 235/241 InsO) und die Möglichkeit unmittelbarer Anpassungen des abzustimmenden Planvorschlags mit sofortiger Abstimmung (§ 284 I RegE [RA: Nr 150 {1}] f § 240 InsO).231 Genauso rechnet hierher der Verzicht auf mögliche Zurückweisung „in der Zwischenzeit“ (§ 284 II RegE [RA: Nr 150 {2} bzw RA: C I 4 (3b)]) sowie auf einen zweiten Abstimmungstermin nach Verfehlung der Mehrheiten (§ 292 RegE [RA: Nr 157 bzw RA C I 4 (4b)]), quasi eine Art „zweite Chance“ autonomen freiwilligen Konsenses (so, wie nach § 182 II KO und § 77 I VglO), und außerdem die Befugnis zur Fristbestimmung für Stellungnahmen (§ 276 III RegE [RA: Nr 146 {2}] f § 232 III [S 1] InsO). 129 (5) Abschließend geht es noch um eine Anerkennung gesellschaftsrechtlicher Neutralität. Hier agierte zwar bereits der Regierungsentwurf inhaltlich eher reserviert (sog „latente [Eigner-] Gruppen“: § 222 Rn 30 iVm 89), es wurden indes nahezu jegliche Anhalte noch im Text getilgt (besonders die Einfügung bei § 253 I RegE [RA: Nr 134 {1}] f § 217 [S 1 InsO]232 – siehe dazu bei § 217 Rn 20 iVm § 225a Rn 4) – doch es gibt allemal wichtige Ausnahmen mit gezielten gesellschaftsrechtlichen Anklängen.233 Hier blieb großes Sanierungspotential anfangs auf der Strecke. Erst das ESUG hat doch am Ende diese unüberlegte „Selbstkasteiung“ aufgegeben (Rn 135–139) und die erforderlichen Sanierungsinstrumente (§ 225a II/III) bereitgestellt. 130 Das alles (Rn 125–129) steht dazuhin in systematischem Zusammenhang mit dem Straffen der Präambel (§ 1): aus einer Art „Dreiklang“ (§ 1 RegE: Befriedigung [I]; Sonderkonstellationen [II]; Insolvenzplan [III]) wird jetzt eine inhaltlich kompakte Grundregel234 – Abs 1 bleibt hierbei bestehen (§ 1 S 1 Hs 1 und 2 InsO), indes dann von Abs 2 nur der Hinweis (S 2) auf die Möglichkeit „sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien“ (§ 1 S 2 InsO); Arbeitnehmerinteressen (Abs 2 S 1) werden hier nicht mehr eigens angesprochen, und ebenso der Wirtschaftsbezug des Regelverfahrens (Abs 2 S 3: „tritt das Verfahren an die Stelle der gesellschafts- oder organisationsrechtlichen Abwicklung“); Abs 3 mit dem Bezug auf das Planverfahren (S 1: Befugnis abweichender Regelung; S 2: Unternehmensfortführung mit Befriedigung aus Erträgnissen [„insbesondere“]) ist homöopathisch nur übriggeblieben als § S 1 Hs 3 InsO, der aber doch die maßgeblichen Grundanliegen nachzeichnet: das dogmatische (Normdisposition), wie auch – inhaltlich

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Nach § 286 I RegE bloß allgemeine Möglichkeit (S 1: „kann“) bzw Empfehlung bei „Bagatellen“ (S 2: „soll“ – „ … wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering sind“ – heute §§ 5 II 1, 30 II 2; einst noch zudem § 312 II 1 aF). Mit Folgeänderungen bei §§ 280, 282, 283 [RA: Nr 149] f §§ 236, 238, 239 InsO bzw §§ 285–287 [RA: Nrn 151–153] f §§ 241, 242 InsO. Mit Folgeänderungen bei § 293 I 2 [RA: Nr 158]; § 298 [RA: Nr 161] f § 251 InsO; § 300 [RA: Nr 163] f § 253 [I] InsO. – Indirekt rechnen hierher außerdem – anderweit

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bereits begründet – die Streichung von §§ 254 II 2, 255 I Nr 2 Var 2/3 (f Rn 125) und § 262 (f Rn 126). § 274 I f § 230 I InsO (Betriebsfortführung); § 274 II f § 230 II InsO (sog debt-equityswap); § 301 I [RA: Nr 164 – Einfügung!] f § 254 I InsO/aF = § 254a I/III InsO/nF (Anteilsübertragung); § 307 III f § 260 III InsO (Übernahmegesellschaft) Siehe dazu die Begründung (BT-Drucks 12/ 7302 S 155 li. Sp. [RA: Nr 1]): „[Artikulierung der Verfahrensziele] redaktionell gestrafft und dadurch auf ihre wesentlichen Elemente zurückgeführt“.

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Vorbemerkungen

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nur angedeutet235 – das ökonomische (Sanierungsoption). Aus einer stärker bildhaft beschreibenden Regelung wird jetzt eine klare Rechtsvorschrift mit der „Abstraktionshöhe“, wie für eine solche „Präambel“ angemessen. Alles in allem hält sich der Rechtsausschuss zugute, die Regeln bei bewahrter Flexibilität vereinfacht und praxisnäher ausgestaltet zu haben,236 vor allem der „nichtsanierende“ Insolvenzplan bleibt offengehalten („insbesondere“ erlaubt auch weitere Gestaltungen …). c) Spezifika. Es gibt noch vier andere, vereinzelte Anpassungen, welche sich in größere 131 Zusammenhänge stellen: (a) die Schranken übertragender Sanierung bei Insidergeschäften werden zurückgeschnitten237 (§ 181 I RegE: „Die Veräußerung eines Betriebs ist nur auf der Grundlage eines Insolvenzplans zulässig, wenn …“ [RA: Nr 100] f § 162 InsO). (b) Aufhebung der Deckelung der Ansprüche aus Sozialplänen für Abwicklungen vermittels Insolvenzplan (§ 141 II S 2 RegE [RA: Nr 77] f § 123 II S 2 InsO: „wenn nicht ein Insolvenzplan zustande kommt“), ohne dass aber hierfür nähere Gründe genannt sind. (c) Die Sonderregelung für Insolvenzpläne bei Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse (§ 323 II RegE [RA: Nr 127 aE]) wurde schließlich bewusst „erleichternd“ getilgt238 – inzwischen jedoch ähnlich wieder eingeführt (§ 210a: Rn 139). Letztlich ganz zentral aber erscheint (d) die Regelungsidee für Kleinverfahren: aus der 132 „Eigenverwaltung ohne Sachwalter bei Kleinverfahren“ (§§ 347–357 RegE), die explizit Insolvenzpläne erlaubte (§ 357 I RegE), wurde dann ein Sonderinsolvenzverfahren für Verbraucher und Kleingewerbetreibende (§§ 357a-k RA f §§ 304–314 InsO/aF), das umgekehrt Insolvenzpläne ausschloss (§ 357i III Var 2 RA). Die Stelle des Insolvenzplans sollte der – vereinfacht zu entwerfende – Schuldenbereinigungsplan einnehmen. Auch diese Planbegrenzung wurde zwischenzeitlich wieder zurückgenommen (siehe oben bei Rn 26); leider hat man jedoch dabei nur nicht bedacht, die – einst parallel gestrichene – Bagatellklausel zum Verzicht auf (separate) Darstellungen in Kleinverfahren (§ 257 II RegE [RA: Nr 137]239 – dazu vgl auch § 219 Rn 4 f) „wiederzubeleben“. 4. Umgestaltung der Stammfassung a) Überblick. Die Vorschriften zum Planverfahren, wie sie die InsO vom 05.10.1994, 133 BGBl I Nr 70 S 2866 (2894–2901) normierte (sog „Stammfassung“ [StF]) sind einmal noch vor deren Inkrafttreten marginal korrigiert worden [1], es folgten vier weitere lediglich punktuelle Korrekturen [2–5]; dies sind im Einzelnen: (1) Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung und anderer Gesetze (EGInsOÄndG) vom 19.12.1998, BGBl I Nr 85 S 3836 (3839) [in Kraft ab 01.01.1999] (Art 12)]: Art 2 Nrn 11–15 (§ 235 II S 3 angefügt; §§ 245 I Nr 1, 247

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Deutlicher die Begründung (BT-Drucks 12/ 7302 S 155 li. Sp. [RA: Nr 1]): „Als ein Weg zur Gläubigerbefriedigung wird die Erhaltung von Unternehmen durch einen Insolvenzplan hervorgehoben.“ BT-Drucks 12/7302 S 150 re. Sp. [Mitte] mit S 151 li./re. Sp. BT-Drucks 12/7302 S 175/176. „Damit wird ein kompliziertes Verfahren, das zu einer erheblichen Belastung des Insolvenzgerichts geführt hätte, vermieden.“ – mit Folgeänderung bei § 182 I [RA: Nr 101] f § 162 I

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InsO, vgl auch erg § 184 S 2 [RA: Nr 103] und „Verkoppelung mit dem Wegstreichen des § 263 [RA: Nr 139], vgl Rn 126. BT-Drucks 12/7302 S 180 re. Sp.: „Der Ausschuß überläßt diese Probleme der Rechtsprechung.“ BT-Drucks 12/7302 S 182 li. Sp.: „ist zu streichen, da bei Kleinverfahren an die Stelle des Insolvenzplans der Schuldenbereinigungsplan treten soll“. Wegen der „Bagatellformel“ schon bei Fn 230.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

II Nr 1, 251 I Nr 2 geändert, § 252 I S 2 angefügt) – Materialien: BT-Drucks 14/49 [RV] (noch nicht dort vorgesehen!) und 14/120 S 13–15 [RA]; (2) Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften vom 08.11.1999, BGBl I Nr 54 S 2384 (2384) [in Kraft ab 11.12.1999 (Art 5)]: Art 1 Nr 4 (§ 223 S 2 eingeführt) – Materialien: BT-Drucks 14/1539 S 12/13 [RV], 14/1931 und 14/1987 [RA] (keinerlei Änderungen angedacht); (3) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze vom 05.04.2004, BGBl I Nr 15 S 502 (503) [in Kraft ab 09.04.2004 (Art 13)]: Art 1 Nr 8 (§ 223 I S 2 geändert) – Materialien: BT-Drucks 15/1853 S 16 [RV] und 15/2485 [RA] (keinerlei Änderungen angedacht); (4) Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.04.2007, BGBl Nr 13 S 509 (511) [in Kraft ab 01.07.2007 (Art 6 S 2)]: Art 1 Nr 26 (§ 258 III S 3 geändert) – Materialien: BT-Drucks 16/3227 S 21 [RV] und 16/4194 [RA] (keinerlei Änderungen angedacht); (5) Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vom 19.11.2010, BGBl I Nr 58 S 1592 (1509) [in Kraft ab 30.05.2011 (Art 13 II)]: Art 2 Nr 4 (§ 223 I [S 2] Nr 1 geändert) – Materialien: 17/1720 S 47 [RV] und 17/2472 [FA] (keinerlei Befassung) bzw 17/3312 [VA] (keinerlei Befassung). Maßgebliche Veränderung erfuhr dann jedoch das Planverfahren des Insolvenzrechts mit Wirkung zum 01.03.2012 (Art 10 S 3) durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 07.11.2011 [ESUG], BGBl I Nr 64 S 2582 (2583–2587): Art 1 Nrn 15–44 (Rn 135–139).

134

b) Änderungen vor dem ESUG. Entscheidend war die Veränderung des Prüfungsmaßes für Prognoseentscheidungen des Planverfahrens (Hinzufügung von „voraussichtlich“ als Abmilderung) [1], das noch vor InsO-Inkrafttreten, und zwar bei Anwendung des Obstruktionsverbotes (§ 245 I Nr 1, dort Rn 14 ff, insb 23–26), Unbeachtlichkeit des Widerspruchs des Gemeinschuldners (§ 247 II Nr 1, dort Rn 17–20) und Begründetheit eines (Minderheiten-) Schutzantrages (§ 251 I Nr 2, dort Rn 30–32 [indes einstmals wohl vergessen bei II240 aF]): Wahrscheinlichkeit schlechterer Stellung gegenüber „liquidativem“ Ausführen (scil. ohne einen Plan)? Das sollte den Richter freier stellen („Einschätzungsermessen“) und ihm insoweit Sachverständigenbeweis ersparen,241 demnach reicht hier ein Wahrscheinlichkeitsurteil. – Die maßgeblichen weiteren Abänderungen aus der Zeit vor dem ESUG betrafen die fortlaufende Anpassung von § 223 I an europäische Anforderungen zur Insolvenzfestigkeit von Finanzsicherheiten [2/3/5] (dazu § 223 Rn 15–18) und die Regelung aller Bekanntmachungen durch Internet [4], dh nun auch der Aufhebung des Planverfahrens (das steckt hinter der Verweisung von § 258 III S 3 auf § 200 II S 2 aF).

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c) Änderungen mit dem ESUG. Das Normziel war, Sanierungen zu erleichtern und Unternehmen die Sitzverlegung (um hierdurch die Geltung des Rechts von England zu erreichen) künftig zu ersparen. Schwerpunkte waren Normalverfahren (namentlich die Auswahl des Verwalters), Eigenverwaltung und Planverfahren mit Blick auf möglichst frühzeitige Antragstellungen mit möglichst hochgradiger Sanierungschance, davon dann

240

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Dies hat erst das ESUG (Rn 137) nachträglich dann glattgezogen: Art 1 Nr 38.

241

BT-Drucks 14/120 S 14 [RA].

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

also ein Zentralbereich der Insolvenzplan: „Die Möglichkeiten der Sanierung … werden erweitert, Blockadepotential wird abgebaut.“242 Neu wurde das sog „Schutzschirmverfahren“ (§ 270b) zur speziellen Vorbereitung einer Plansanierung unter Eigenverwaltung geschaffen (vgl noch erg Rn 30), gleichsam als „Atempause“ (§ 270b I S 2: maximal drei Monate!) und Honorierung rechtzeitiger Beantragung (für Fälle „nur“ drohender Zahlungsunfähigkeit [§ 18] bzw Überschuldung [§ 19], nicht auch bei aktueller Zahlungsunfähigkeit [§ 17] – wegen „verfestigter“ [und nicht nur: strategischer] Krise!), wenn denn eine gewisse Sanierungschance besteht (§ 270b II S 1: „nicht offensichtlich aussichtslos“); man kann es also als ergänzende Einleitungsform betrachten. Weitere Veränderungen treffen das Planverfahren ganz unmittelbar [N = Neueinfü- 136 gung; V = Veränderung (s = sprachlich; i = inhaltlich); A = Altanpassung], es geht um insbesondere die Einbeziehung der Anteilsinhaber von Gesellschaften (aktuellen, aber uU auch künftigen) in eine insolvenzbeplante Umstrukturierung. Hier liegt ganz zweifelsohne der Schwerpunkt planinterner Veränderung (wegen § 270b siehe Rn 135). Dazu gab es folgende Neuerung (Art 1 Nrn 15b, 16, 18, 19, 21, 22a [bb]; 24a [aa] und b, 25–31, 33, 35, 37–40; 41b, 42): § 217 S 2 [N], § 220 II [A], § 222 [A: I 1 – N: I S 2 Nr 4!], § 225a [N], 230 I S 2 [Vs], § 231 I Nr 2 [A]; § 235 I S 1 [A] bzw III S 3 und 4 [N], § 238a [N], § 239 [A], § 241 II [Vi], § 242 II S 1 [A], § 243 [A], 244 III [N/V], § 245 [A: I – Vs: II – N: III], § 246a [N], § 248 I [A], § 250 [A], § 252 II S 2 und 3 [N], § 251 I [Vi] bzw Nrn 1–3 [Vs] und II [Vs], § 253 I [A]; § 254 IV [N], § 254a II [N]. Darüber sollte man jedoch nicht die sonstigen Eingriffe vergessen, welche sich zu drei Gruppen zusammenfassen lassen (Rn 137–139). Sie wurden ergänzend verfahrensrechtlich flankiert durch Festschreibung zwingender Richterkompetenz (Art 5 Nr 1a [aa]: § 18 I Nr 2 RpflG243); das Planverfahren ist gesetzlich dem Richter nun zugewiesen (als Vorbehaltsausübung“ gem § 3 Nr 2e RpflG). Ansonsten ist bezweckt: Beschleunigung des Planverfahrens, dies nicht zuletzt durch eine Beschneidung der 137 Rechtsmittel (§ 253 II-IV); hierzu rechnen folgende Maßnahmen: – die Klärung oder Kürzung von (Richt-) Fristen (arg „soll“ – Art 1 Nr 22a [cc], 23: § 231 I S 2 [N]); § 232 III S 2 [N]) – Ziel: rasche Abfolge anstoßen – und Einräumung weiteren Freiraums zur Straffung des Ablaufes (Art 1 Nr 24a [bb]: § 235 I S 3 [N], siehe dort bei Rn 7 mit 42); – die Einführung einer Rechtsgrundlage für Ausgleichszahlungen, um eventuelle Schlechterstellung abzuwenden (Art 1 Nr 38: § 251 III [N]) – dieses zielt auch auf Verfahrensbeschleunigung durch Verschiebung eines Ausgleichsstreits in das Normalverfahren; – die einheitliche Formulierung des „Prognosemaßstabs“ für richterliche Beurteilung zukünftiger „planmäßiger“ Entwicklung (Art 1 Nr 38: § 251 II [Vi]: „voraussichtlich“ – indes letztlich nur Korrektur eines Redaktionsversehens: Rn 134 mit Fn 240) – und überhaupt die Verschärfung der Erfordernisse sofortiger Beschwerde gegen die positive oder negative Entscheidung des Insolvenzgerichts zum Insolvenzplan (Art 1 Nr 40: § 253 II-IV [N]) mit zusätzlichen Formalerfordernissen (Abs 2/3) und Möglichkeit sofortiger Vollziehung244 (Abs 4).

242 243

BT-Drucks 17/5712 S 2 [Vorblatt: B]. BT-Drucks 17/5712 S 44 – siehe dazu auch die Bundesratskritik (BT-Drucks 17/5712 S 62) mit Gegenäußerung (BT-Drucks 17/ 5712 S 71).

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Auf RA-Initiative hin: BT-Drucks 17/7511 S 36.

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Absicherung des Planverfahrens durch Einräumung prozessualer Flexibilität, indes auch durch weiteren materiellen Flankenschutz (§ 259b); hierzu zählen: – die Möglichkeit nachträglicher, geringfügiger Anpassungen des Insolvenzplans mit Ermächtigung des Verwalters zur Umsetzung und Fehlerbehebung245 (Art 1 Nr 17, 36: § 221 S 2 [N], dort Rn 100 ff, und § 248a [N]); – die Absicherung von Sanierungen gegen gegenüber den Ansprüchen von Nachzüglern (Art 1 Nr 44), prozessual durch eine Ermöglichung vollstreckungsschützender Anordnungen (§ 259a [N] – maximal drei Jahre!), materiell über kurze Verjährungsfrist (§ 259b [N] – Jahresfrist); – die Klarstellung der Möglichkeit, die Verfahrensabwicklung planmäßig zu gestalten246 (Art 1 Nr 15a und 43a: §§ 217 S 1, Var 3 [N], § 258 I [Vi] – Verfahrensgestaltung ohne Insolvenzaufhebung: § 217 Rn 64–67); 139 Erleichterung des Planverfahrens bezwecken weitere, insgesamt technische, singuläre Regelungen („nice to have“), quasi eine Art Abrundung der sonstigen Grundanliegen, dh Beschleunigung (dazu Rn 137) und Absicherung (dazu Rn 138); es geht insoweit hier um weitergehende inhaltliche Präzisierungen (Art 1 Nr 20: § 229 S 3 [N], dort Rn 7, Nr 22a [aa]: § 231 I Nr 1 [Vi], dort Rn 8, ferner aber am Ende ebenso Nr 13: § 210a [N]: Statthaftigkeit bei Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse, dazu § 217 Rn 30, 37, 52), systematische Bereinigungen (Art 1 Nrn 32 und 42: § 246 [Nr 1 aF: Streichung – keinerlei praktische Bedeutung247]; § 254–254b [Umgruppierung] – das gilt auch für § 254 S 2 Hs 2 StF f § 254a III InsO [Vs]) und schlussendlich pragmatische Vereinfachungen (Art Nr 34 und 43b: § 247 I [Vi] – keine Protokollerklärungen mehr!248 bzw § 258 II [Vi]: Zeitpunkt der Erfüllung von Masseverbindlichkeiten). – In einem letztendlich stärker inhaltlichem Sinne („must have“) lässt sich auch die Förderung frühzeitiger Antragstellung (Begünstigung durch „Schutzschirm“, § 270b, siehe dazu näher oben Rn 135) sowie vor allem die Einbeziehung aktueller wie künftiger Anteilsinhaber („debt-equity-swap“ – insbes § 225a, siehe dazu näher oben Rn 136) hierher natürlich rechnen. III. Vergleichende Betrachtung Literatur: Bork Der Insolvenzplan, ZZP 109 (1996), 473, 480 ff [C]: Schwachstellenimport aus den USA?; Braun Eingriff in Anteilseignerrechte im Insolvenzplanverfahren – Das U.S.-amerikanische Konzept in Chapter 11 Bankruptcy Code und seine deutsche Entsprechung, FS G Fischer (2008) S 53; Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenzen (1997), S 427–438, 469–471, 491–510, 524–528; Corotto Brasilianische und Deutsche Unternehmen in der Krise: Ein Rechtsvergleich zwischen beiden Reorganisationsmodellen im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit (2009); Degenhardt Das neue französische „beschleunigte finanzielle Sanierungsverfahren“ (Sauvegarde financière accélérée), NZI 2013, 830; Deppisch Das Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG (2014) S 39 ff bzw S 265 ff [US] bzw S 329 ff [UK]; Droege Gagnier/Dust Der Debt-to-Equity Swap in französischen Insolvenzverfahren – ein Rechtsvergleich, NZI 2014, 942; Fassbach Die cram down power des amerikanischen Konkursgerichtes im Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code (1997); Flessner Sanierung und Reorganisation (1982) [AIPR 48]; Funke Der Insolvenzplan … im Lichte der Erfahrungen mit dem amerikanischen Reorganisations- und Schuldenregulierungsrecht, FS Helmrich (1994) S 627; Gräwe Der Ablauf des US-amerikanischen Chapter 11-Verfahrens, ZInsO 2012, 158, 159 ff; Heese Die Funktion des Insolvenzrechts im Wettbewerb der Rechtsordnungen – Kritische Bemerkungen zur fortschreitenden Rezeption einer Sanierungskultur US-amerikanier Provenienz [JSR 42] (2018), insb

245 246

60

Auf RA-Initiative hin: BT-Drucks 17/7511 S 35 f. Auf RA-Initiative hin: BT-Drucks 17/7511 S 35 mit S 36 aE.

247 248

BT-Drucks 17/5712 S 34 re. Sp. Im Gegensatz zu § 251 I Nr 1 (Minderheitenschutzantrag) und § 253 II Nr 1 (Beschwerdeberechtigung).

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

§ 23 ff [III]; Hinrichs Insolvenzbewältigung durch Optionen? (2002), S 57–85; Hölzle Die Sanierung von Unternehmen im Spiegel des Wettbewerbs der Rechtsordnungen in Europa, KTS 2011, 291; Hohloch Sanierung durch „Sanierungsverfahren“? – Ein rechtsvergleichender Beitrag zur Insolvenzrechtsreform, ZGR 11 (1982), 145; Kemper Die U.S.-amerikanischen Erfahrungen mit „Chapter 11“ (1996); Kramer Das anglo-amerikanische Sonderverfahren zur Reorganisation von Kapitalgesellschaften nach Abschnitt X des Bankruptcy Acts (1976) [PA 45]; Madaus Der Insolvenzplan (2011) [JP 157], S 112–163; Meyer-Löwy/Poertzgen/Eckhoff Einführung in das US-amerikanische Insolvenzrecht, ZInsO 2005, 735; Minuth Chapter 11 des U.S.-amerikanischen Bankruptcy Code: Mythos und Realität, FS Greiner (2005) S 245; Möhlmann Grundzüge der US-amerikanischen Berichterstattung im insolvenzgeldrechtlichen Reorganisationsverfahren, KTS 1997, 1; Neumann Die Gläubigerautonomie in einem künftigen Insolvenzverfahren: eine rechtsvergleichende Betrachtung (1995); Perker Das Reorganisationsverfahren im englischen Insolvenzrecht im Vergleich zur geplanten deutschen Insolvenzordnung (1994); Priebe Chapter 11 & Co.: Eine Einführung in das US-Insolvenzrecht und ein erster Rückblick auf die Jahre 2007–2010 der Weltwirtschaftskrise, ZInsO 2011, 1676; Prütting Der Insolvenzplan im deutschen und japanischen Recht, FS Henckel (1995) S 669; Riesenfeld Das amerikanische Insolvenzverfahren – ein rechtsvergleichender Überblick, KTS 1983, 85; Riesenfeld Neue Entwicklungen im Reorganisationsrecht der Vereinigten Staaten, in: Birk/Kreuzer (Hrsg), Das Unternehmen in der Krise (1986), S 135; Schlegel Das Scheme of Arrangement – global tief verwurzelter Evergreen, FS Graf-Schlicker (2018) S 381; Terhart Chapter 11 Bankruptcy Code: Eine Alternative für Deutschland? (1995), S 51 ff.

1. Grundlagen. Das US-amerikanische (Reorganisations-) Insolvenzrecht gilt als das 140 Rezeptionsmodell für das Rechtsinstitut des Planverfahrens als solches sowie auch seine Formung.249 Letztlich machte der Kommissionsentwurf daraus auch terminologisch keinen Hehl (LS 1.1.1 mit 2.3.4.4 bzw Teil 2: „Reorganisationsverfahren“)250 – mag auch heute dieser Anklang fehlen (Rn 3, 157–161). Maßgebliche Strukturelemente sind zweifelsohne dort vorgezeichnet,251 wie etwa die Planausformung (§§ 219–221 InsO252 – Rn 171 aE, § 219 Rn 6 f, § 220 Rn 16–19, § 221 Rn 10–13); die Gruppenbildung253 (§ 222 InsO, dort Rn 20–27), einschließlich der Abkehr von allumfassender Gleichbehandlung

249

Und dennoch zuerst einige Reserve bei BTDrucks 12/2443 S 105 re. Sp. – dann sehr deutlich aber doch S 106 li. Sp. („besonders hohe [Plan-] Reife“). Man redet hier gerne von „Anlehnung“ (Braun/Braun/Frank InsO7 Vor §§ 217 ff Rn 1; HambK/Thies InsO6 Vor §§ 217 ff Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 4 [Abs 2]; Bork InsR8 Rn 365) oder „Vorbild“ (Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 Vor §§ 217 ff Rn 9; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 217 Rn 3 [„Vorbildhaftigkeit“]; K Schmidt/ Spliedt InsO19 Vor §§ 217 ff Rn 7). Ganz ähnlich auch Nerlich/Römermann/Braun InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 23 („bedient sich“); Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 2 („inspiriert“). Ebenso die Praxis: BAGE 121, 309, 313 {20} [B II 1a cc (1)] („Vorbild“) = ZIP 2007, 2047 = NZI 2008, 122; BGH ZZP 123 (2010), 243, 244 {9} [II 2 vor a] = NZI 2009, 859 = KTS 2010, 327 („in wesentlichen Bereichen nachgebildet“).

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Man hatte – funktionell – sogar vor (zu) starker „Amerikanisierung des Insolvenzrechts“ gewarnt: siehe Stellungnahme Gravenbrucher Kreis ZIP 1992, 657, 658 [I 5]: „Das amerikanische Vorbild ist untauglich“ mit S 661 [III]: „Dabei kann auf Amerikanismen, … („Insolvenzplanspiele“) verzichtet werden“, aber zB auch Stürner in: Leipold Insolvenzrecht im Umbruch, S 41 (wörtliche unreflektierte Übernahme), dazu abmildernd Bork ZZP 109 (1996), 473, 474 [A]. Indes eher weniger aber die Vorlagebefugnis (Rn 13 „versus“ Rn 20) – so sieht es dann wohl am Ende auch FK/Jaffé InsO9 § 218 Rn 1–3. Inbegriffen die Darstellung: Braun/Braun/ Frank InsO7 §§ 219–221 Rn 3 bzw Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 8, 55; FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 4 („Ähnlichkeiten“) – etwas anders indes später § 234 Rn 2. Sehr ausf dazu Nerlich/Römermann/Braun InsO9 (§ 222 Rn 11–15, 19–41 (Darstellung) bzw § 222 Rn 42–46 (Unterschiede) mit Rn 63 f – vgl noch erg bei/mit Fn 275.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

(§ 226 InsO, dort Rn 4, 12 iVm § 222 Rn 24); die – nachträglich erst verwirklichte – Möglichkeit gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen254 (§ 225a InsO, dort Rn 16 f); die Statthaftigkeit einer Restschuldbefreiung255 (§ 227 I InsO, dort Fn 2 Rn 5); der Einigungszwang mit dem Obstruktionsverbot (§ 245 InsO, dort Rn 2–4), das indes aus (deutscher) Sicht des Plans viel eher ein Kooperationsgebot ist, etc. Deshalb ist wichtig, sich des Grundmodells zu vergewissern (näher: Rn 148–158); es gibt auch einige gewichtigere Unterschiede (näher: Rn 157–161) inhaltlich zu entdecken. 141 Das US-amerikanische Insolvenzrecht ist generell bundesrechtlich geregelt im Bankruptcy Code (11 USC) (spezifische verfassungsrechtliche Ermächtigung: Art I sec. 8 (4): „uniform Laws on the subject of Bankruptcies“).256 Man kann einen allgemeinen Teil (ch. 1, 3, 5: Grundlagen, Verfahren, Beteiligte) und einen besonderen Teil unterscheiden, der wiederum nach einzelnen Typen von betroffenen Gemeinschuldnern differenziert: dabei wird für Unternehmen bzw Unternehmer ein Liquidationsverfahren (ch. 7 / §§ 701–784: liquidation, dazu Rn 142 f) und ein Sanierungsverfahren (ch. 11 / §§ 1101–1174: reorganization, Rn 145 ff) vorgehalten. Es gibt ferner einzelne Modifikationen für sog small business cases (dazu Rn 156) und Sonderregeln für Verbraucher (sog consumer cases) – USC 11 § 101 Nr 8), für die zusätzliche Schuldenbereinigung (ch. 13 / §§ 1301–1330: adjustment of debts) bereitsteht. – Die (BC-) Stammfassung stammt vom 06.11.1978257 [in Kraft ab 01.10.1979] und wurde bereits mehrfach geändert,258 dieses auch um offenbaren praktischen Missbräuchen abzuhelfen. Die Regelungsstruktur ist deutlich kasuistisch angelegt (Nachzeichnung von Rechtspraxis) und oft unkomfortabel ineinander verschachtelt. 2. Strukturen amerikanischen Insolvenzrechts

142

a) Liquidationsverfahren. Im (Liquidations-) Verfahren nach ch. 7 wird zunächst vorläufig, dann endgültig die Geschäftsführung durch einen Verwalter (trustee) ersetzt, der die Abwicklung der Gesellschaft einschließlich der Erlösverteilung organisiert und verantwortet (11 USC §§ 701–704, siehe vor allem § 704 lit a Nr 1: „collect and reduce to money the property of the estate for which such trustee serves, and close such estate as expeditiously as is compatible with the best interests of parties in interest“). Seine Arbeit kann durch eine Art Gläubigerausschuss begleitet werden (§ 705: creditors’ committee), der neben die Gläubigerversammlung tritt (§ 341: creditors assembly). Für den Gemeinschuldner besteht die Möglichkeit, ins Planverfahren überzuwechseln (§ 706 lit a: „The debtor may convert …“), und ebenso mögen Dritte einen entsprechenden Antrag stellen, über welchen das Gericht dann entscheiden muss (§ 706 lit b: „On request of a party in interest … the court may convert …“). Bei möglichem Missbrauch (abuse) dieses (scil. Liquidations-) Verfahrens kann das Gericht auch von Amts wegen in jenes (scil. Reorganisations-) Verfahren hinüberleiten, allerdings nur mit Zustimmung des Gemeinschuldners (§ 706 lit b Nr 1 S 1).

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Andres/Leithaus/Andres § 225a Rn 3 („Annäherung“ [?]; FK/Jaffé InsO9 InsO8 § 221 Rn 2. FK/Jaffé InsO9 § 227 Rn 3 f; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 1 aE; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 227 Rn 3. Mit Ergänzungen durch Praxisregeln vom 01.12.2014 (Federal Rules of Bankruptcy Procedure [Fed. R. Bankr. P. bzw FRBP] – www.uscourts.gov/file/18067/download)

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und auch durch Landesgesetze einzelner Bundesstaaten (sog [Fair] Collection Laws). U.S. Pub. Law 95–598, 92 Stat. 2569. Zur Historie bei Klee De Paul LR 28:4 (1979), 941; Kennedy North Car. LR 58 (1980), 667. Aktuelle Texte verfügbar unter www.law.cornell.edu/uscode/text/11/chap ter-11.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

Möglich ist genauso, vom schuldnerseitig beantragten Reorganisations- ins Liquidationsverfahren überzugehen (§ 1112). Der trustee bekommt idR unternehmerische Geschäftsführungsbefugnis (§ 721: „to 143 operate the business“ iVm § 363 lit c) und hat umfassende Verfügungsbefugnis (§ 363: use, sell, lease) über das gesamte Vermögen des Gemeinschuldners (§ 541: estate), das von ihm bestmöglich zu „versilbern“ ist (siehe eben bei Rn 142); zum Schutz werden sämtliche schwebende Verfahren ausgesetzt (§ 362 lit a „versus“ lit b: automatic stay); dies betrifft auch materielle Handlungen, wie Mahnung, Aufrechnung, Pfandverwertung etc (umfassendes Moratorium). Der Erlös ist in einer vorbestimmten Befriedigungsreihenfolge auszuschütten (§ 726: distribution bzw § 507: priorities – quasi eine Art Masseschulden); (nur) natürliche Personen können zum Abschluss Restschuldbefreiung erlangen (§ 727: discharge). b) Reorganisationsverfahren. Nach altem Recht (bis 1978 – „Chandler Akt“259) galt 144 folgender Verfahrensablauf.260 Der Plan wurde von einem Treuhänder „gestaltend“ erarbeitet, der dazu einen erläuternden Begleitbericht präsentieren musste (§ 167 Nr 5: „brief statement … in such form and manner as the judge may direct“), der nähere „UrsachenDarlegung“ bringt. Das liegt aber wohl näher bei § 156 I InsO denn § 220 InsO; den Planinhalt (in Parallelität zu § 221 InsO) beschreibt § 216 dann freilich sehr redselig. Darauf erfolgte gerichtlich eine Erörterung mit den Gläubigern (vgl § 169: „consideration“), vor allem bei Großfirmen fachkundige Begutachtung (§ 172: SEC261) und anschließend präventive (!) Überprüfung (auf Gesetzlichkeit [§ 216], Billigkeit [§ 174: fair and equitable] und Durchführbarkeit [§ 174: feasible]); erst nach positivem Gerichtsvotum („approval“) kam es zur Abstimmungsfreigabe (§ 175), mit der Möglichkeit um Zustimmung zu werben (§ 176), und bei positiver Entscheidung („acceptance“) nach erneuter Anhörung und Kontrolle zur finalen Bestätigung des Gerichts (arg § 180: „confirmation“ – Einzelheiten: Art XI bzw § 221 – insb Nr 2: „fair and equitable, and feasible“). Treuhänder, Börsenaufsicht und Insolvenzrichter hatten demnach die Vorhand, die Gläubiger kamen erst recht spät letztlich dann zum Zuge. Unter neuem Recht (ab 1979 – 11–11 USC, dazu schon oben Rn 141) sind praktisch 145 zwei Plantypen grundlegend zu unterscheiden: die gleichsam vorgeplante („strategische“) Insolvenz, der bereits ein ausgefeiltes Restrukturierungskonzept zugrunde liegt, das uU mit wichtigen Gläubigern im Vorhinein schon abgestimmt wurde (sog pre-arranged case) und infolgedessen große Erfolgschancen hat (schnelles Verfahren, schnelle Ergebnisse); und die praktisch erzwungene („taktische“) Insolvenz, mit welcher man sich erst die Luft noch verschafft für die Konzepterstellung (vgl § 1121 lit b: bis 120. Tag) und zum Werben bei den Gläubigern (arg § 1121 lit c Nr 3: bis 180. Tag) um den Plan (sog free-fall case); die Fristen werden oftmals im Einzelfall erheblich verlängert (vgl § 1121 lit d Nr 2: 18 bzw 20 Monate); das Verfahren ist gemeinhin zäh, scheint auch weniger erfolgsversprechend. Vor allem die bereits vorgefertigte Planung (prepackaged plan) als Instrument der Kri- 146 senbewältigung und Sanierung hat dem deutschen Gesetzgeber imponiert (§ 218 I S 2, dazu vgl auch Rn 33 und 182 iVm § 218 Rn 1, 16, 18 f, 87); wenn man noch das Vorverlegen der

259 260

U.S. Pub. Law 75–696 [22.06.1938], 52 Stat. 840. Näheres siehe bei H.R. 95–595 S 224–226; Kramer Das anglo-amerikanische Sonderverfahren … (1976) [PA 45], S 76 ff und Flessner Sanierung und Reorganisation (1982)

261

[AIPR 48], S 81 ff und 270 f. Wegen des Planinhalts siehe bei § 220 Rn 16 und § 221 Rn 10. (United States) Security and Exchange Commission = Börsenaufsicht.

Joachim Münch

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Auslösezeit (§ 18) mitbeachtet, und auch die noch neu geschaffene Eigenverwaltung (§§ 270 ff) hinzunimmt, generiert man dann trotz zusätzlicher Begünstigung (dazu näher gleich Rn 147) parallele Erfolgschancen für Eigensanierung. Dabei kann – amerikanisch – aber der vorgefertigte Insolvenzplan auch schon vorher konsentiert (oder uU auch abgelehnt) werden (sog pre-voted prepack) – was sodann förmliche Verfahrensbindung entfaltet (§ 1126 lit b), während in Deutschland nur spätere Abstimmung rechnet (sog post-voted prepack).262 Im neuen „Schutzschirm-Verfahren“ (§ 270b: Rn 30) mag man demgegenüber einen Versuch sehen, die Instrumentarium „taktischer Insolvenz“ nachzuzeichnen. 147 Nötig ist immer Antragstellung. Der Eigenantrag (§ 301: voluntary case) erfordert keinen konkreten Insolvenzgrund; der Fremdantrag (§ 303: involuntary case) dagegen eine Reihe von Formalerfordernissen, welche mangels Information zumeist schwer erst nachzuweisen sind (ansonsten droht Abweisung – Kostenpflicht!) – praktisch erfolgt selten derarte Eröffnung (order for relief) auf Prüfung hin (quasi eine Art Eröffnungsverfahren). Die Praxis beherrscht mithin der Eigenantrag – was späteren Gemeinschuldnern hohe Spielräume lässt (Zweck, Zeitpunkt, Subjektivität etc – Schranke: vollkommen fehlende Restrukturierungsabsicht/-chance – „bad faith“-Einwand). Jener löst einerseits dann das umfassende Moratorium aus (automatic stay, dazu Rn 143), belässt andererseits jedoch – im Unterschied zu ch. 7 – dem Gemeinschuldner das Verfügungsrecht (§ 1107 lit a – sog debtor in possession [DIP]); ein Insolvenzverwalter wird dementsprechend nicht bestellt.263 Das Unternehmen (und hier idR das alte Management) kann demzufolge unter dem insolvenzrechtlichen „Schutzschirm“ weiterwirtschaften und drängende Umstrukturierungen vornehmen. Mittel zum Zwecke ist hierzu der Reorganisationsplan, der aber uU auch die Liquidation oder eine übertragende Sanierung favorisieren kann (§ 1123 lit b Nr 4: sale264). 3. Einzelheiten

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a) Regelungssystem. Das Reorganisationsverfahren des „Chapter 11“ hat vier Teile (subchapter), ist aber noch zudem in recht intensiver Weise mit sonstigem Insolvenzrecht und auch mit Bundesstaatenrecht verknüpft (das erschwert das Verstehen …). Teil 1 (§§ 1101–1116: „Officers and Administration“ [Rn 147] normiert Begriffe, (Amts-) Beteiligte und Prozesse, Teil 2 (§§ 1121–1129: „The Plan“) widmet sich Struktur, Inhalt, Abläufen und bildet das normative Kernstück (Rn 149–154), Teil 3 (§§ 1141–1146: „Postconfirmation matters“ [Rn 155]) beschreibt Rechtsfolgen und Durchführung; Teil 4 bringt schließlich einige spezifische Regeln zu Reorganisationsplänen für Eisenbahnunternehmen (§§ 1161–1174). Das ist historisch leicht begründbar – es war dies der Ursprung des gesamten Reorganisations- bzw Sanierungsrechts: mangelnde Fungibilität (Schienen) und besondere Spezifität (Züge) machte Liquidation unwirtschaftlich (losgelöst von konkreter Unerwünschtheit …).

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Das sieht richtig lediglich MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 170. Auf Antrag mag jedoch ausnahmsweise ein „trustee“ oder „examiner“ bestellt werden (§ 1104 – ausführlicher zur Rechtsstellung: §§ 1106–1109), vor allem bei Misswirtschaft (§ 1104 lit a Nr 1: „fraud, dishonesty, incompetence, or gross mismanagement“), indes auch bei sonstigem berechtigten Inter-

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esse (§ 1104 lit a Nr 2: „if such appointment is in the interests of creditors“). Eröffnet größeren Freiraum gegenüber dem Regelfall (ch. 7), sowohl auf Seiten des Gemeinschuldners (Selbstverwertung!), wie ebenfalls der Gläubiger (Mitbestimmung über Plangestaltung); man „spart“ sich damit Einsetzung eines Verwalters (trustee).

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

b) Planinhalte. Das Gesetz unterscheidet Mussinhalt (§ 1123 lit a [„shall“] – sog 149 mandatory provisions) und Kanninhalt (§ 1123 lit b [„may“] – sog discretionary provisions). Zum Mussinhalt zählt besonders die Gruppenbildung (lit a Nr 1, dazu näher gleich Rn 150), die Festschreibung des Betroffenseins (lit a Nr 2: „not impaired“ bzw Nr 3: „treatment“) und die Gewährung gleicher Behandlung aller einzelnen Gruppenmitglieder (lit a Nr 4), nicht etwa aller Beteiligten; der Schlüssel zur ungleichen Behandlung ist demgemäß die Gruppenbildung (ersatzweise das Einverständnis der Betroffenen, dh sie würden schlechtere Konditionen selbst akzeptieren). Und verordnet wird abstrakt noch ergänzend die Geeignetheit der Maßnahmen zur Umsetzung des Insolvenzplans (lit a Nr 4). Alles Übrige zählt dagegen zum Kanninhalt. Welche Maßnahmen getroffen werden (Rn 151), das bleibt vollständig dem individuellen Strukturkonzept des Planverfassers anheimgestellt und muss nur eben diese globalen „Rahmenbedingungen“ beachten. Zentralelement ist die Gruppenbildung (classes of claims or interests [claim = „against 150 the debtor“ = Gläubigergruppe;265 interest = „in the debtor“ = Gruppe der Eigner – ganz eingehend dazu § 222 Rn 20–27). Gläubiger mit ähnlicher Rechtsstellung können zusammengefasst werden (§ 1122 lit a: „substantially similar“ – ausgenommen zur Verfahrensvereinfachung nur Bagatellen, lit b: „amount that the court approves as reasonable and necessary for administrative convenience“). Außerdem lässt sich grundlegend auch noch zwischen betroffenen und unberührten Gläubigern unterscheiden (§ 1123 lit a Nrn 1–3 bzw lit b Nr 1 iVm § 1124). Alle Gruppenmitglieder sind gleichzubehandeln (§ 1123 lit a Nr 4: „provide the same treatment“). Für alle Gruppen sind jeweils noch die geplanten Maßnahmen anzugeben (§ 1123 lit a Nr 5: „provide adequate means for the plan’s implementation“). Der genaue materielle Inhalt ist inhaltlich kaum beschränkt; das Gesetz nennt dazu nur 151 einige Beispiele (§ 1123 lit a Nr 5: „such as“ bzw lit b Nr 6: „any other appropriate provision not inconsistent with the applicable provisions of this title“). Als Instrumente muss man hervorheben die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (sog debt-equity-swap: § 225a Rn 50–75), die quotale Kürzung der Verbindlichkeiten des Gemeinschuldners („hair cut“) und das Zuführen neuen Kapitals („inject“), dies sogar über speziell vorrangig gestellte Darlehen (sog superpriority loans, § 364 – dazu § 225a Rn 92 f) als eine Art Masseschuld bzw gar auch mit Eingriffsbefugnis in Sicherungsrechte. Möglich sind genauso Eingriffe in Verträge (§ 1123 lit b Nr 2), einzelne Regelungen für schwebende Prozesse (§ 1123 lit b Nr 3) und Umgestaltung der Sicherungsrechte von Mobiliargläubigern (§ 1123 lit b Nr 5). Meist bezwecken alle Maßnahmen, den früheren Unternehmensträger zu erhalten (sog stand-alone-plan – wegen Alternativen siehe Rn 147 aE). c) Verfahrensweise. Binnen der ersten 120 Tage (bzw einer gerichtsseitig prolongier- 152 ten Frist) hat exklusiv der Gemeinschuldner die Vorlagebefugnis (§ 1121 lit b – eine natürliche Person muss idR vorher zusätzlich eine Schuldnerberatung durchlaufen haben: § 109 lit h Nr 1), und danach erst können die Gläubiger selbst aktiv werden (Gestaltungsmacht des Gemeinschuldners!). Jeder Gläubiger erhält die Planregelungen („the plan or a summary“) samt Erläuterungen („written disclosure statement“ – näher: § 219 Rn 7, § 220 Rn 17–19) als Information zur Abstimmung (§ 1125 lit b); der genaue Inhalt ist einzelfallabhängig und wird gemäß gerichtlichem Ermessen konkretisiert (§ 1125 lit d: „contains

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Es geht um Zahlungsansprüche oder (Geld-) Schadensersatz wegen Nichterfüllung: § 101 V (Geldliquidation!) – aber nicht eine

specific performance (Insolvenzmaxime der Geldliquidation!).

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Sechster Teil. Insolvenzplan

adequate information“ – wegen Einzelheiten siehe lit a: „to make an informed judgment about the plan“ [Vermögensaufstellung, Geschäftsbericht, Strukturänderungen etc]), jene können nach Zielgruppen auch differieren (§ 1125 lit c: „differing in amount, detail, or kind of information, as between classes“). Dieses Statement bedarf gerichtlich der Bestätigung („Freigabe“), der eine allgemeine Anhörung vorausgeht; das Gericht kann ferner weitere Informationen zufügen lassen. 153 Betroffene müssen zustimmen (§ 1126 lit a: „may accept or reject a plan“); die Abstimmung erfolgt gruppenweise. Es gilt, in „Gläubigergruppen“ (classes of claims) eine doppelte Mehrheit zu erreichen (§ 1126 lit c): einfache Kopfmehrheit (½) plus qualifizierte Summenmehrheit (2⁄3); bei „Eignergruppen“ (classes of interests) hingegen genügt eine qualifizierte Summenmehrheit (§ 1126 lit d: 2⁄3), dabei kann man Störenfriede uU ausschließen (§ 1126 lit e: „whose acceptance or rejection of such plan was not in good faith“). Wer jedoch unbeeinträchtigt bleibt, der gilt per se gesetzlich als zustimmend (§ 1126 lit f). Der Plan muss wenigstens die Zustimmung einer [!] Gruppe „Außenstehender“ (und also einer „Gläubigergruppe“) finden, die beeinträchtigt ist (§ 1129 lit a Nr 10); die Bejahung aller übrigen Gruppen ist sodann ersetzbar266 (§ 1129 lit b Nr 1: cram down [„runterwürgen“] „versus“ § 1129 lit a Nr 8), wenn und weil unfaire Diskriminierung mangelt (negative Schranke: „not discriminate unfairly“) und generell angemessene Beteiligung vorliegt (positive Schranke: „is fair and equitable“ – Einzelheiten: lit b Nr 2). Darin steckt große Gestaltungsmacht des Insolvenzgerichts. Entweder werden schon vorher durch geschickte Gruppenbildung Mehrheiten „organisiert“, man kann durch einige spätere Änderungen weitere Zustimmung versuchen zu erreichen (§ 1127 lit a: modification) oder man muss im Nachhinein das Gericht eben bemühen, faktische Zustimmung herbeizuführen. Dennoch liegt hierin für die Praxis manches Problem (ein Leitmotto ist: „easy to threaten, hard to accomplish“). 154 Nötig zum Schluss ist immer gerichtliche Zustimmung, die wiederum vorher Anhörung der jeweilig Beteiligten verlangt (§ 1128: confirmation hearing); dort können dann Beteiligte Einwände vorbringen. Im Übrigen prüft das Gericht amtswegig bestimmte Kriterien (§ 1129 lit a Nrn 1–16), insb Gesetzmäßigkeit (Nrn 1–3267), Zustimmungserfordernisse (Nrn 7/8 – dies aber nur vorbehaltlich des cram down: lit b, dazu Rn 153), angemessene Beteiligung nach oben (Nr 4: „reasonable“ [Begünstigungsverbot]) wie unten (Nr 7: „not less than“ [Gleichstellungsgebot]) sowie vor allem sachliche Erfolgsaussicht (Nr 11: „not likely to be followed by the liquidation“ – wenn es denn [Regeltatbestand!] ein Sanierungsplan ist) und persönliche Würdigkeit (Nr 3: „plan has been proposed in good faith“). Das Gericht verfügt nur über repressive Kontrollmöglichkeiten, mag aber auch per cram down ausnahmsweise einmal „planerhaltend“ wirken. Schlusspunkt und gleichsam die Überleitung zur Umsetzung (§§ 1141–1146, dazu Rn 155) ist dann die formelle gerichtliche Bestätigung (§ 1129: granted confirmation – lit c: „only one plan“).

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d) Rechtsfolge. Der Plan entfaltet alle die Wirkungen, welche er angibt – verpflichtende wie verfügende (§ 1141 lit a-c iVm § 1142: implemention bzw § 1143: distribution

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Ganz genauso noch § 290 I Nr 3 RegE (dazu § 245 Rn 3 mit 50): BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp., S 195 li. Sp. und S 208 re. Sp. – hiergegen dann dezidiert aber BTDrucks 12/7302 S 153 li. Sp. („reduziert“) [RA: C I 4 (5)] bzw S 184 li. Sp. („Reduzierung“) [RA: Nr 155] – wortwörtlich dann

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anschließend: „Jedoch erscheint die Zustimmung nur einer von vielen Gruppen als eine zu schwache Grundlage für einen Plan.“ Vgl auch erg § 1129 lit d: Ablehnungsantrag bei Plänen zum Zwecke der Steuervermeidung.

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Vorbemerkungen

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[Frist: 5 Jahre!]) und begründet im Regelfall die Restschuldbefreiung (§ 1141 lit d Nr 1: discharge (als Kernelement des sog „fresh start“) – dies dann für „any debt that arose before the date of such confirmation“ – wegen Ausnahmen siehe Nrn 2–6), und zwar hier – im Unterschied zu § 727 (siehe Rn 143 aE) – dann auch für Gesellschaften, Korporationen, Vereinigungen etc. Ausgenommen ist selbstredend der Fall eines Liquidationsplans. Es sind uU noch später gewisse Plananpassungen erlaubt (§ 1127 lit b: „before substantial consummation“), es mag eine konkrete Überwachung erfolgen (§ 1106 lit a Nr 7 iVm § 1107 lit a: Berichtspflicht), und bei fraud ist die spätere Aufhebung möglich (§ 1144: revocation). Nach erfolgter vollständiger Umsetzung wird das Ende förmlich festgestellt (final decree). e) Erleichterungen. Schließlich gibt es traditionell diverse Sonderregeln für sog small 156 business cases (näher dazu siehe § 101 Nr 51C iVm Nr 51D: small business debtor bei weniger als ca. 2,5 Mio $ [sic!] Schulden), dazu zählen etwa: monatliche Berichtspflicht (§ 308 lit b) in ganz spezieller Form; Verzicht auf Einrichtung des Gläubigerausschusses (§ 1102 Nr 3), aber zusätzliche Verwalterpflichten (§ 1116), insoweit ein Verwalter bestellt ist; der Gemeinschuldner hat ausschließlich die Antragsbefugnis (§ 1121 lit e) und das Gericht die Möglichkeit, das disclosure statement wegzulassen (§ 1125 lit f). 4. Divergenzen amerikanischen Reorganisationsrechts. Trotz doch der inhaltlichen 157 Orientierung des deutschen Gesetzgebers am amerikanischen Verfahren („Blaupause“ – hierzu Rn 140, ferner: § 217 Rn 15; § 219 Rn 3 und 5; § 222 Rn 25) gibt es auch verschiedene strukturell auffallende Unterschiede, ungeachtet der vollkommen divergenten praktischen Wichtigkeit. Insbesondere drei Punkte sind anzusprechen. (a) In den USA ist eher das Modell alten (deutschen) Rechts verwirklicht mit Parallellauf genetisch verschiedener, zweckgeprägter Verfahren, welche selbständigen Regeln anheimfallen (dazu Rn 158): Konkurs (bzw Liquidation / ch. 7) und Vergleich (bzw Sanierung / ch. 11) – jeweils mit Möglichkeit des Überwechselns („H-Modell“), während §§ 217 ff InsO gezielt ins normale (einheitliche) Insolvenzverfahren integriert wurden („Y-Modell“) und auch für anderweitige Verfahrensziele (Rn 39–53) bereitstehen.268 (b) Praktisch gibt es unter amerikanischem Recht überwiegend nur Eigenanträge269 (dazu Rn 159 f), idR losgelöst von Insolvenz, rechtlich fehlt es meist an einer Kontrollinstanz wie dem Insolvenzverwalter; deshalb liegt die Herrschaft ganz maßgeblich beim Gemeinschuldner als „Massesubjekt“ (debtor in possession – „DIP“), der auch zudem weiter Verfügungsbefugnis behält. Und sein Gestaltungsspielraum ist noch immens viel größer, zumal es weder Eröffnungsgründe noch Eröffnungsverfahren gibt … Das Planverfahren ist mithin praktisch Eigenverwaltung. (c) Weitergehend scheinen auch die Zustimmungserfordernisse auf Gläubigerseite insoweit herabgesetzt (dazu Rn 161) als die Insolvenzgerichte am Ende dann (trotz allem) wohl doch meistens großzügig Zustimmungsersetzung verordnen (cram down), zumal auch die Sachkriterien schlecht justiziabel sind. Der amerikanische „Plan“ ist Mittel zur Reorganisation (Rn 157 [a]), namentlich des 158 Schuldners in eigener Verantwortung. Insgesamt greift mithin das deutsche „Modell“ deut-

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Dies sehen auch ua FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 30 und § 218 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 217 Rn 4; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 49–51; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 2; MünchKomm/Eidenmüller

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InsO3 Vor §§ 217 ff Rn 20 – konkreter zum Vergleich: Rn 19 „versus“ Rn 21. Dazu vgl auch BGH ZZP 123 (2010), 243, 245 {13–16} [II 2c] = aaO (Fn 249) mit BAGE 121, 309, 312 {15–17} [B II 1a aa/bb] = aaO (Fn 249).

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Sechster Teil. Insolvenzplan

lich weiter (§ 217 InsO!), eröffnet sogar kleinere „Normkorrekturen“ durch verfahrensleitende“ Pläne (Var 3: § 217 Rn 4, 64–67). Die „Sanierungsidee“ ist eben nicht vorweg gesetzt, muss sich argumentativ erst noch verfestigen. Überhaupt ist letztlich der rechtsmethodisch konkret zugrunde gelegte Zugang grundverschieden: im deutschen Recht die (ausnahmsweise) Möglichkeit parteiautonomer Disposition, im amerikanischen Recht die stärker materiellrechtliche Deutung jenes Rechtsinstitutes (vgl § 217 Rn 27). Dazu kommt verstärkend noch hinzu: 159 Der Gemeinschuldner steht von vornherein nicht im Mittelpunkt eines deutschen Planverfahrens (Rn 157 [b]), sondern die bestmögliche Befriedigung der anderen (arg § 1 S 1); er hat infolgedessen niemals die Vorhand (trotz des Rechts zur eigenen Planvorlage [§ 218 I S 1 Var 2] mitsamt den Chancen zeitlicher Privilegierung [§ 218 I S 2] und auch trotz Möglichkeit einer Eigenverwaltung [§§ 270 ff – als Pendant zum debtor in possession – „DIP“]270 samt Schutzschirm [§ 270b InsO], denn das sind Ausnahmen – sogar dann dominieren noch die Gläubigerinteressen [§ 270 II Nr 2 InsO] –, nicht etwa das Regelbild einer Insolvenz). Das Gericht „führt“ anfangs den Verfahrensablauf (Insolvenzeröffnung), und nachfolgend bestimmt maßgeblich die Gesamtheit der Gläubiger (Insolvenzverfahren): § 57 S 1 InsO (Verwalterwahl), aber insb hier § 157 InsO: S 1 (Stilllegungsbeschluss) „versus“ S 2 (Fortführungsplanung) – jenes belegen nicht zuletzt § 157 S 2 Hs 2 und § 233 S 2 Var 2 InsO (dort Rn 24)! Einem Gemeinschuldner fehlt auch das „Exklusivrecht“ für die Planerstellung“ (§ 218 I S 1 InsO) und gleichfalls – trotz der Vorverlagerung durch den § 18 InsO – die Rechtsmacht, den für ihn richtigen oder passenden Zeitpunkt zu bestimmen. 160 Es gilt mithin, Objektives zu betrachten (Rechtsfragen), nicht etwa nur „Atempausen“ zu organisieren. Hierzu kommt noch ein weiteres: Erst der Plan als solcher verfügt die Separierung bzw Gruppierung – und nur wenn es denn um eine unmittelbar planbezogene Abstimmung geht (§ 235 I S 1 InsO [„über den Plan abgestimmt“] iVm § 243 InsO), aber nicht schon vorher, hinsichtlich mittelbarer Zielvorgaben271 (iSv Rn 159 aE). Nur intragruppal für Fremdgläubiger ist das Mehrheitserfordernis für die Planabstimmung etwas qualifizierter (§ 1126 lit c: qualifizierte Summenmehrheit [2⁄3]) plus einfache Kopfmehrheit [½], indes doch als absolute Mehrheit! – § 244 I InsO: einfache Summen- [Nr 1] und Kopfmehrheit [Nr 2] – immer bloß als relative Mehrheit!); intergruppal genügt demgegenüber die Zustimmung allein einer Gruppe, um dann richterlichen Einigungszwang zu üben (§ 1129 lit a Nr 10 „versus“ § 245 I Nr 3 InsO – siehe: Rn 153 mit Fn 266 und Rn 157 [c] bzw Rn 114). Am Ende reicht demgemäß, falls der Gemeinschuldner nur einen Großgläubiger für sich gewinnen kann … – und hernach der Richter den anderen den vorgelegten Reorganisationsplan „hineinwürgt“. Das deutsche (Plan-) Verfahren ist demnach sehr viel stärker gläubigerorientiert. 161 Ein grundlegend wichtiger Unterschied ist außerdem das komplett andere Verständnis von Richtermacht. Der deutsche Insolvenzrichter ist Kontrolleur des Geschehens, durchaus mit der Befugnis zur richterlichen – reaktiven – Amtsprüfung (§ 231 I S 1 InsO [Vorkontrolle]; § 250 InsO [Nachprüfung]), teilweise proaktiv gestaltet (§ 245 InsO – Obstruktionsabwehr), zuweilen auch bewusst antragsgebunden (§ 251 InsO – Minderheitenschutz). Es herrscht aber durchweg jedoch (Ausnahmen: § 231 I S 1 Nrn 2 und 3; §§ 245

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Nerlich/Römermann/Braun InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 66–68. Regelfolge ist Verwertung (§ 159 Hs 1 InsO) – ihr muss somit zuerst Einhalt gebo-

ten werden: über die Gläubigerversammlung (§ 159 Hs 2 InsO) oder bei entsprechender Planvorlage per gerichtlichem Moratorium (§ 233 S 1 – aber: S 2 Var 1).

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

II Nr 3, 251 I Nr 2) eine Konzentration bei der Kontrolle auf die Rechtmäßigkeit, die Zweckmäßigkeit richtig einzuschätzen bzw subjektive Chancen und Risiken abzuwägen272, obliegt alleinig den einzelnen Gläubigern. 5. Bedeutung. Die strukturellen Divergenzen bedingen, dass man kaum einzelne „An- 162 wendungshilfen“ zur Norminterpretation bekommt, aber vielleicht doch „Verständnishilfen“ für die konkret intendierte Wirkung bzw für die Normintention – welche sich natürlich dann in völlig anderem Umfeld erst autonom noch bewähren muss. Insoweit sind skeptischere Einschätzungen eher angesagt273 als etwa die reichlich euphorische Übernahme kasuistisch geronnener Resultate, wie etwa zur Statthaftigkeit einer Gruppenbildung274 (dazu § 222 Rn 25–27). Das wäre gewiss einerseits viel zu viel abverlangt, andererseits aber inhaltlich und dogmatisch kaum haltbar – das auch im Fall einer Plansanierung bzw Reorganisation (Rn 158). Und auch die konkreten Grundeinschätzungen schwanken, welches Recht jeweils die 163 flexiblere Rahmenvorgabe bereithält:275 wer von ureigen materiellem Verständnis ausgeht, dem werden amerikanische Regeln insgesamt eher beengend sein; wer prozessuale Dispositionsmacht „freischaltet“ (so wie es der deutsche Gesetzgeber angelegt hat, vgl Rn 158 und Rn 167 mit § 217 Rn 27), sieht unfassbare Weite rezipiert … Vielleicht liegt gerade darin inhaltlich die wirkliche Botschaft: das Muster amerikanischen Rechts transportierte das Grundverständnis, dass am Ende die betroffenen Gläubiger selbst am besten zu entscheiden vermögen, was gut für sie ist – oder uU auch: was gut für andere sein sollte. Die Ermöglichung gruppenweiser Segmentierung, die Aufgabe der strikten Gleichbehandlung der Gläubigerschaft (die unter altem Recht nur allenfalls rudimentär angedeutet war: § 8 II S 1 VglO, dazu Rn 56 bzw § 226 Rn 6–8), inklusive absonderungsbefugter Gläubiger (später auch Eigner), und schließlich der Einigungszwang (§ 245) sind ausschlaggebend. Es war eher die Idee als solche, die mithin überzeugen konnte. Eidenmüller sieht noch mehr die gezielte ökonomische Analyse als Ideengeber276 – und 164 tatsächlich bemüht die Regierungsbegründung entsprechende Argumentationsmuster.277 Daraus indes dann die Auslegungsregel maximaler ökonomischer Effizienz „herauszulesen“, so wie es Eidenmüller folgert, geht mE doch zu weit.278 Sicher, Verhandlungslösung,

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Näheres siehe bei Kemper Die U.S.-amerikanischen Erfahrungen mit „Chapter 11“ (1996), S 175 f, 247 f mit S 166 ff. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 Vor §§ 217 ff Rn 20: „Wert als Hilfsmittel für die Auslegung und Fortbildung der §§ 217 ff. [sei] begrenzt.“ – indes trotz allem im Einzelfall uU hilfreich: Rn 22. So wie hier FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 21–23 (originäre Begriffspräzisierung notwendig) mit § 217 Rn 37; eher skeptisch auch Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 4 mit Fn 2 – relativ unkritisch dagegen K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 1 („dem US-amerikanischen Recht entnommen“). Sehr widersprüchlich zur Gruppenbildung etwa Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 42 („[InsO] deutlich liberaler und offener“) bzw Rn 45: („Gesamtflexibilität

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der Regelungen im amerikanischen Recht größer“). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 Vor §§ 217 ff Rn 23 ff., insb Rn 28 (Auslegungsmaxime) mit Eidenmüller Effizienz als Rechtsprinzip (20053) S 450 ff bzw auch Unternehmenssanierung (1999), S 49 ff. BT-Drucks 12/2443 S 75–77 [A 2 mit 3a]: „marktkonforme Insolvenzbewältigung ermöglichen“ (S 77 li. Sp.); „Postulat der Marktkonformität“ (S 77 re. Sp.) – Schlussfolgerungen: S 77–80. Insb S 78 li. Sp. [A 3a cc] sieht sich dem (unzitierten) Pareto-Optimum verpflichtet. Hier scheint mir eher der Wunsch der Vater des Gedankens (ohne ökonomische Realitäten abzuleugnen …), hierzu krit auch ua Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 2.39 f.

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Vor §§ 217–269

Sechster Teil. Insolvenzplan

Gruppenbildung und Ausgleichsregeln im Verhältnis von Mehrheit zu Minderheit, deuten dies an, würden aber ebenso auch tradierte Vertragssituationen betreffen – es gilt weiter das Primat des Rechts. Mir scheint nicht bedacht, dass auch in den USA – bescheiden und im Nachhinein – bloß durch nähere ökonomische Erwägungen seine Stimmigkeit untermauert wurde. IV. Normsystem

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1. Divergenzen zum Vergleichsrecht. Der Plan ist kein (Kollektiv-) Vergleich, weder materiell (§ 779 BGB) noch prozessual (§ 794 I Nr 1 ZPO) – schon von daher ist seine Rechtsnatur eigenständig auszudeuten (dazu Rn 212). Er hat – deswegen? – auch einen gänzlich neuen Namen bekommen (dazu Rn 3, 17). Und auch die Rahmenbedingungen von Plan- und (Privat-) Vergleichsverfahren (dazu Rn 80–82) sind völlig disparat konzipiert – man wollte bewusst die erkannten VglO-Mängel vermeiden.279 Zunächst gewiss noch auf Sanierungen zwar fokussiert („Reorganisationsplan“ im Kommissionsvorschlag) wird er dann als „Insolvenzplan“ einiges „zielneutraler“ ausgerichtet (insb Rn 41–43, 108). Es gibt einerseits zwar sicher Kontinuitäten in Spezialfragen, andererseits war zwangsläufig erforderliche Parallelität mit dem Konkursrecht verzichtbar (insb §§ 25 ff, 38 ff, 50–54, 56 ff, 66 ff VglO); die Grundansätze wurden jedoch völlig umgekrempelt. Es gibt manche Unterschiede, die wohl wichtigsten sind: 166 keinerlei separates Verfahren (VglO/KO – „Zweispurigkeit“), stattdessen „integriertes“ Modell mit autonomer Bestimmbarkeit jeglichen Verfahrensziels („Variabilität“); Einbeziehung gesicherter Gläubiger (§§ 217 S 1, 223 – §§ 25–28 VglO) und auch von Anteilsinhabern (§§ 217 S 2, 225a, 238a, 245 III, 246a, 254a II); Vorlagerecht von Gemeinschuldner wie Insolvenzverwalter (§ 218 – § 2 II 1 S 2 VglO, aber vgl auch § 270b); Möglichkeit gruppenspezifischer Gestaltungen (§§ 222/226 – § 8 VglO), dh „Verabschiedung“ der par conditio creditorum und ganz neues Abstimmungsprozedere (§§ 237 ff, insb §§ 243–245 – § 74 VglO) mit einem höheren „Zwangsfaktor“; Gläubigerentscheidung statt („moralisierend“) einer Schuldnerwürdigkeit (§ 235 ff – §§ 17/18 VglO), Verzicht auf konkrete Mindestbefriedigungsquoten (im Gegensatz zu § 7 VglO – siehe dazu bei Rn 80 iVm 77–79 bzw § 224 Rn 10), einschließlich der Möglichkeit zur Entschuldung (§ 227 I); privilegierter (differenzierterer) Kreditrahmen (§§ 264–266 – § 106 VglO). 2. Binnensystematik

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a) Grundstruktur. Der sechste Teil (§ 217–269) regelt das Insolvenzplanverfahren, allerdings nur im Kernbereich. Es sind dieses die „Ausführungsnormen“ zur „großen Verheißungsnorm“ des § 1 S 1 [Hs 3], wenn und weil „in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen“ werden soll (vgl § 1 Rn 7–19 [Henckel]). Die „kleine Verheißungsnorm“ des § 217 nimmt dann diesen Ball auf und eröffnet die konkrete Möglichkeit prozessualer Disposition als Ausnahmefall im Prozessrecht: einige wichtige Bereiche „können in einem Insolvenzplan abweichend von den Vorschriften dieses Gesetzes geregelt werden“ (S 1 Hs 3 aE). Was das Schiedsverfahren (§§ 1025–1066 ZPO) für das Erkenntnisverfahren, ist das Planverfahren für das (Gesamt-) Vollstreckungsverfahren – aber: es geht hier mehr um Abläufe, nicht aber die strukturelle

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EB Mot S 15–17, 91 f [LS 1.1.2], 154/155 iVm S 155 mit BT-Drucks 12/2443 S 194 re. Sp. [VB], vgl auch erg Balz Sanierung von

Unternehmen oder Unternehmensträgern? (1986), S 14–18 und BAG ZIP 2013, 2268, 2272 {44–46} [B II 2c bb] = NZI 2013, 1076.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

Verfasstheit, das Verfahren bleibt natürlich Staatsverfahren – aber als eine Art Sonderverfahren. Die Gliederung in drei Abschnitte folgt dem natürlichen Laufe des Verfahrens: von der 168 Planaufstellung (§§ 217–234: Rn 173 f) über Planannahme und -bestätigung (§§ 235– 253: Rn 175 f) bis zur Umsetzung der Wirkungen (§§ 254–269: Rn 177 f). Der Kommissionsvorschlag war ebenfalls dreischrittig: Allgemeines (LS 2.1.1–3), Verfahrensrecht (LS 2.2.1–32), Überwachung (LS 2.3.1–10), wobei die „Mitte“ den klaren „Löwenanteil“ bildet. Der Vorspann (2.1) ist entfallen, der Rest wurde ganz neu im Gesetz aufgegliedert, weithin unter Bewahren jener Reihung bzw letztlich in Anlehnung an LS 2.1.2 II: Planaufstellung (S 1: LS 2.2.1–2.2.11), Planannahme und -bestätigung (S 2: LS 2.2.12–19 bzw S. 3: LS 2.2.21–23 und 25); Umsetzung der Wirkungen (LS 2.2.24, 26–29 bzw LS 2.3.1–5 und 8). Arten (LS 2.1.1.) und Ziele (LS 2.1.2) des Reorganisationsverfahrens finden sich in § 1 S 1 und § 217 S 1 immerhin teilweise angedeutet, mit entweder noch größerer Abstraktionshöhe (§ 1 S 1 Hs 3) oder mit mehr Konkretisierung (§ 217); die Sonderregel zur subjektiven Reorganisationsfähigkeit (LS 2.1.3: „steht allen unternehmerisch tätigen [Gemein-] Schuldnern offen“) war mittelbar nur umgesetzt (über § 312 III InsO: Unanwendbarkeit der Planregeln bei Verbraucherinsolvenz), was inzwischen ganz aufgehoben wurde (dazu Rn 1, 19 und 25 f). Als Desiderat blieben letztlich die Möglichkeiten gesellschaftsrechtlicher Veränderungen (LS 2.2.20 mit 2.4.9.1–13: § 225a Rn 2–4) und Vorschläge für Absicherungen der Plandurchführung (LS 2.2.30–32) – hier hat erst das ESUG wichtige Nachbesserungen gebracht. Nachhaltig zur Effektivität des Verfahrens trägt aber die weitergehende Aufgliederung 169 in praktische Verfahrensabschnitte bei, welche sich im Normsystem nicht zwangsläufig abbilden: eigentliche Planaufstellung (§§ 217–222, 229/230), welche auch Regeln inhaltlicher Ausgestaltung präzisiert (§§ 223–227), gerichtliche Vorkontrolle (§ 231), Information der Beteiligten (§ 232–234); Mehrheitsfindung der Gläubigerschaft (§§ 235–246) und Zustimmung von Betroffenen (§§ 246a, 247) einerseits, gerichtliche Befassung andererseits (§§ 248–253), es sei im präventiven Zugriff („Planbestätigung“) oder als eine gezielt initiierte, repressive Prüfung („Minderheitenschutz“), weitere Rechtsmittel mit inbegriffen (§ 253); Planumsetzung (§§ 254–259) und deren weitere Begleitung (§§ 259a/b, 264–266) und Überwachung (§§ 260–263, 267–269). Das illustriert den Regelablauf … b) Einzelnormen. Man könnte alternativ ebenso funktional – entsprechend histori- 170 schen Vorbildern – die stärker materiellen Regeln („Planprivatrecht“ – insb §§ 223–225a, 227, 228, 230 III, 249, 254–255, 259b, 263 f) von eigentlichen Verfahrensregeln („Planprozessrecht“) unterscheiden und dort weiter gliedern – zugestanden im Holzschnitt – in Regeln zu Formen (insb §§ 219–222, 229/230, 240, 249), Verfahrensgarantien (insb §§ 226, 231, 245, 247 II, 250 f), Ablauf (insb §§ 218, 232, 234–239, 241–244, 246 f, 247 I, 248 f, 252 f, 256, 258, 260–262, 267–269), Verfahrenswirkungen (insb §§ 233, 254–254b, 257, 259, 265 f). Das Planverfahren präsentiert sich als eine offensichtlich geschlossene Gesamtregelung 171 (aber: Rn 179–183). Dennoch treten manche Normen stärker als andere ins Licht, eine Art „Leitregelungen“ bilden insbesondere: – § 217 als einleitende, grundlegende Dispositionsnorm; – § 218 (Vorlagebefugnis) mit §§ 219–221, 229/230 (Inhaltsvorgaben) – hier wird erst konstituiert, was denn ein „[Insolvenz-] Plan“ ist; – die Gruppenbildung (§ 222) als Form einer materiell modifizierten Gleichbehandlung (§ 226) und Bruch mit der Regel der par condition creditorum samt starker Änderungen im Stimmmodus (§§ 243, 244 I: Gruppe statt Plenum);

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Vor §§ 217–269

Sechster Teil. Insolvenzplan



Möglichkeit(en) gerichtlicher Überprüfung (§ 231; 248–253 – dazu vgl noch erg Rn 172); – § 245 als sog Obstruktionsverbot („cram down“: Rn 153), um bisweilen erforderliche „Gruppendisziplin“ zu erzwingen; dahinter steckt eine elegante Lösung fürs „Akkordstörerproblem“ – der Konflikt wird insoweit etwas „entpersonalisiert“; – die Festschreibung umfassender Planwirkungen (§§ 254–254b) – „für und gegen alle Beteiligten“, auch Nichtanmelder oder „Gegenstimmer“; – §§ 255–257, 259a/b, 264–266 als eine Art Störungsregeln. Dabei sind namentlich etwa das Obstruktionsverbot wie auch die Gruppenbildung in ihrer Grundform amerikanischem Reorganisationsrecht entnommen, dem auch die Idee der möglichst selbstgestalteten Insolvenzabwicklung entstammt. 172 Ein Sonderproblem bildet die rechte Balancierung der Verantwortung, dies führt zu einer mehr teleologisch geprägten Dreiteilung. Vorderhand genießt der Planersteller maximale Planautonomie; er beherrscht die Gestaltung mit „seinem ersten Aufschlag“ (§§ 218–230).280 Die Planvorlage verlagert das Gewicht stark auf die Beteiligten, welche letztlich ja zustimmen müssen281 (§§ 234–247), während danach meist dann der Verwalter gefordert ist282 (trotz § 259, wegen §§ 260–263). Gleichsam als Scharnier wirkt dazwischen gerichtliche Kontrolle, beim Übergang vom Vorleger (§ 231 – sog Vorprüfung) und nach der Beschlussfassung (§§ 248, 250–253 – sog Bestätigung).

173

3. Erster Abschnitt. §§ 217–234 regeln die „Aufstellung des [Insolvenz-] Plans“ und zielen letztlich schwerpunktmäßig auf die Begrifflichkeiten dieses neuartigen Rechtsinstituts (was macht den Insolvenz-„Plan“ aus?) – und zwar aus drei verschiedenen Blickwinkeln: prozessuale Behandlung (§§ 217, 218; 231–234), äußere Formen (§§ 219–222, 229/230), materielle Gestaltung (§§ 223–228). Sie betreffen das Intervall von der Einreichung (§ 218 – „erste Entäußerung“, diejenige von Seiten des Vorlegers) bis zur Niederlegung (§ 234 – „zweite Entäußerung“, diejenige von Seiten des Gerichtes). Eine eigene Sonderstellung erhält zugleich § 217 als eine Art Solitär oder Vorbote. Er schwebt schließlich über allen drei Abschnitten und stellt den Konnex mit § 1 S 1 Hs 3 her: Möglichkeit prozessualer Disposition.

174

Was sehr vernachlässigt wird, ist insoweit die Vorphase, dh die eigentliche Konzeptionierung des Insolvenzplans; die sog Planaufstellung findet lediglich ganz beiläufig einmal Erwähnung (§ 218 III: „wirken … beratend mit“ – und dies auch bloß bei Verwalterplänen [§ 218 I S 1 Var 1: „Initiativplan“: dort Rn 39–45] wie „Auftragsplan“: dort Rn 46–54], nicht aber bei Schuldnerplänen [§ 218 I S 1 Var 1: dort Rn 55–78]). Dennoch werden gewiss hier „die Karten gemischt“, was das Sanierungskonzept angeht: Durchführbarkeit, Planregelungen, Gruppenbildung, Konsensfähigkeit etc – darüber wird sehr früh bereits entschieden, in relativ informellem Prozess. Dies ist auch allemal gut so, um die vielbeschworene Eigenbestimmung der Gläubigerschaft herauszufordern.

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4. Zweiter Abschnitt. §§ 235–253 formulieren einen Einheitstitel mit „Annahme und Bestätigung des [Insolvenz-] Plans“ und fassen hierdurch das Kernstück dessen, was die 280

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Aber ebenso auch danach noch (§§ 233, 240, 254–254b), ferner „planberichtigend“ später § 221 S 2 iVm § 248a. Dem Vorleger bleibt freilich die Möglichkeit zur Planrücknahme (falls Änderungen nicht hinreichen): § 218 Rn 103–111.

282

Der auch vorlegen kann (§ 218 I S 1 Var 1) und dann „seinen“ Plan überwacht (Kongruenz anstatt Divergenz).

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

Insolvenzrechtskommission dezent „Verfahrensrecht der Reorganisation“ nannte (EB LS 2.2 – hier insb dann LS 2.2.12–2.2.19 bzw LS 2.2.21, 23, 25); das deckte ebenfalls jedoch die sog „gesellschaftsrechtliche[n] Änderungen“ (EB LS 2.2.20 mit 2.4.9.1–13 [„Unternehmens- und gesellschaftsrechtliche Verhältnisse“, vgl § 225a Rn 2–4), wie denn überhaupt noch ein komplettes „viertes Regelungspaket“ nachfolgte (EB LS 2.4: „Materielles Recht der Reorganisation“) und ein anderes bereits vorausging: die insoweit gerichtsseitige, formalisierte Weichenstellung zwischen Reorganisation und Liquidation (EB LS 1.1.1 – hier insb dann Abs 2: „Vorverfahren“ iVm LS 1.3.4). Ersteres hat erst das ESUG gebracht (Rn 135–139 bzw § 225a Rn 1 und 7–10) – jedoch deutlich im Normtext verdichtet –, letzteres wurde demgegenüber nicht umgesetzt (Rn 83 f und 108 f – Konzeptionsänderung!). Jenes vorausgeschickt wirkt dann die Gesetzesregelung (einstmalig 19, inzwischen 22 176 Paragraphen) gegenüber den doch nur 11 Leitsätzen zunächst eher hypertroph. Der Abschnitt ist trotz der Klammerung per Obertitel zweiteilig angelegt – es geht um perspektivisch unterschiedliche Planbeurteilung: einmal von Seiten der Beteiligten („[Plan-] Annahme“: §§ 235–247 – EB LS 2.2.12–19), dh interessengeleitet, hiernach von Seiten des Gerichts („Bestätigung“: §§ 248–253 – EB LS 2.2.19, 21, 23), mit anderem Fokus, nämlich der Rechtskontrolle. Allerdings fehlte in den Kommissionsvorschlägen das Obstruktionsverbot (§ 245), der Zustimmungsakt des Gemeinschuldners (§ 247 – sowie ergänzend in Anlehnung daran § 246a) und der Minderheitenschutz (§ 251) – alles offenbar Vorschriften, um Vorbehalte etwas abzufedern und zugleich vom intragruppalem qualifizierten Mehrheitsgebot mit zusätzlicher intergruppaler Einstimmigkeit (EB LS 2.2.17) schließlich doch noch loszukommen. Das erklärt nicht zuletzt die signifikant gestiegene Normendichte. 5. Dritter Abschnitt. §§ 254–269 beherbergen einen Doppeltitel, der deutlich hetero- 177 gene Materien verkoppelt, so wie es die InsO anderweit auch macht (§§ 35 ff, 56 ff, 103 ff). Einerseits sind Gegenstand die „Wirkungen des [bestätigten] Plans“ (§§ 254–259b), unmittelbare (§§ 254–254b, 257–259) wie mittelbare (§§ 255, 256, 259a/b, dazu zählen wohl ebenso §§ 264–266) bzw deutlich materiell geprägte (§§ 254–255, 259b) wie stärker prozessuale (§§ 256–259a, wohl wiederum auch §§ 264–266). Diese genaueren Untergliederungen schimmern etwas allenfalls durch. Dabei sind die materiellen Rechtsfolgen immer planimmanent, rühren damit also von § 217 iVm §§ 221/222 her. Vorbehaltlich von Zustimmung und Bestätigung gilt als Plan, was vorgelegt (§ 218) oder angepasst (§ 240) wurde. Die betont materiellen Folgen (man könnte ebenfalls hierher § 257 [zugunsten der 178 Gläubiger] bzw § 259 I S 2 [zugunsten des Schuldners, aber vgl auch § 263] rechnen) schlagen die Brücke zum Korrelat. Andererseits ist Gegenstand die „Überwachung der Planerfüllung“ (§§ 260–269 – indes wohl ohne die §§ 264–266 [Rn 177], dafür aber mit § 259 II), das zielt vordergründig starr auf materiell kategorisierte Umsetzung („Erfüllungsakte“), meint aber auch den Gesamtvorgang der Planumsetzung (dies erklärt etwa §§ 262/263, dann jedoch im Grunde auch §§ 264–266). Deswegen traf es die Insolvenzrechtskommission mit ihrem Titel genauer (EB LS 2.3: „Überwachung der Plandurchführung“), und der ESUG-Gesetzgeber hätte auch § 248a gewiss dann leichter hier verortet. 6. Gesamtsystematik a) Insolvenzrecht. Jenseits der direkten „Ausführungsnormen“ (§§ 218–253: Rn 167) 179 gibt es noch einige „Zuweisungsnormen“, welche dann im jeweils einschlägigen Sachzusammenhang die konkrete Gestaltbarkeit per Insolvenzplan vorsehen: Art und Weise der abschließenden Rechnungslegung des Insolvenzverwalters vor der Gläubigerversammlung (§ 66 I S 2) bzw Überschreitung der Kappungsgrenze für Sozialplanforderungen infolge BeJoachim Münch

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Sechster Teil. Insolvenzplan

triebsveränderung (§ 123 II S 2, dort Rn 49–52 [Giesen]); Festsetzung einer Nachschusspflicht für Mitglieder einer Genossenschaft (§ 105 I S 2 GenG). 180 Man findet weiterhin noch spezielle „Modifikationsnormen“, die das reguläre Regelungswerk auf Sonderumstände anpassen, insb die Vorgehensweise bei Masseunzulänglichkeit (§ 210a283 [Nachrangposition regulärer Insolvenzgläubiger] – allemal aber perplex: § 258 II [Vollbefriedigung der Massegläubiger], näher dazu siehe dort Rn 17, 26) und Eigenverwaltung (§ 284) sowie auch noch zum Insolvenzfall mit Auslandsbezug, und zwar zur Befugnis ausländischer Insolvenzverwalter (§ 357 III: Gleichbehandlung) und zu den Mehrheitsvorgaben inländischer Partikularverfahren (§ 355 II bzw Art 102 § 9 EGInsO: Einstimmigkeit für „Einschnitte“). Zu nennen ist ferner noch § 116 GenG [in Anlehnung an § 115e GenG/aF] mit besonderen Regelungen für Insolvenzpläne bei Genossenschaften (§ 222 – vgl Rn 35 und 165 f),284 die Einbeziehung des Pensions-Sicherungs-Vereins VVaG285 (§§ 7 IV S 5, 9 IV BetrAVG – vgl § 222 Rn 35 und 164; § 231 Rn 20 mit Fn 41) und die gesetzesseitig absolute Gleichbehandlung der Schuldverschreibungsgläubiger aus Gesamtemission (§ 19 IV SchVG: „gleiche Rechte anzubieten“ – in Anlehnung an § 19a I SchVG/aF); darauf wird jeweils noch im maßgebenden Sachzusammenhang hingewiesen. 181 Wichtig sind daneben zwei weitere Normen (§§ 156/157), welche man bündig „Zuführungsnormen“ heißen mag; sie erstreben, die Planidee im Normalverfahren zu aktivieren. Der Berichtstermin des Insolvenzverwalters vor der Gläuberversammlung dient dazu, die Beteiligten über Chancen und Risiken eines Insolvenzplans zu informieren (§ 156 I S 2 Var 2). Wenn es dort heißt, es seien die „Möglichkeiten für einen Insolvenzplan“ darzulegen, so zielt das in beide Richtungen: auf das Positive (Chancen) wie das Negative (Risiken) – welche sodann insgesamt gegeneinander abgewogen werden müssen. Dabei ist zudem der gesetzgeberische Gesamtzusammenhang ausschlaggebend: der Plan bringt (nur) das Mittel zum Ziel! Zweck wäre, den Schuldner zu sanieren (Var 1: im ganzen oder in Teilen [!] zu erhalten“), und als Motiv dafür wirkt, dass die Befriedigung der Gläubiger sich besser darstellt als bei Zerschlagen durch Liquidation (Var 3: „welche Auswirkungen … für die Befriedigung … eintreten würden“). Hier liegt eine verfahrensmäßig entscheidende Weichenstellung (§ 157 S 1 und 2 – näher: § 218 Rn 3), ohne dass dies als finale Entscheidung wirkte (§ 157 S 3). Die „intensivste Aktivierung“ (aber nur eine nachträgliche286) ist zweifelsohne die Ein182 führung des sog Schutzschirmverfahrens im Zusammenhang mit der Eigenverwaltung (§ 270b „Vorbereitung einer Sanierung“). Der noch nicht zahlungsunfähige Schuldner kann erreichen, auf Eigenantrag hin, über eine Vorlagefrist (von maximal drei Monaten: Abs 1 S 2) noch Zeit zu bekommen, um einen überzeugenden Insolvenzplan vorzubereiten, aber nur wenn und weil „die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos [ist]“ (Abs 1 S 1). Das verschafft ein Zeitfenster zur Planvorlage. Was § 218 I S 2 bereits im Vorfeld ermöglicht (pre packaged plan: § 218 Rn 16), soll über § 270b I S 1/2 auch noch später gestattet werden: die eigengesteuerte und -verantwortete Sanierung im Verfahren. Primär ist der Antrag auf die jeweilige Eigenverwaltung gerichtet (§§ 270 ff), welche dem Schuld-

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Art 1 Nr 13 ESUG [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3)]. Art 49 Nr 38 EG InsO [in Kraft ab 01.01. 1999 (Art 110 I], dazu BT-Drucks 12/3803 [RV] S 94 und BT-Drucks 1273/03 [RA] S 112 re. Sp. – dazu: Scheibner DZWIR 1999, 8; Beuthien/Titze ZIP 2002, 1116.

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Art 91 Nrn 2 und 4d EG InsO [in Kraft ab 01.01.1999 (Art 110 I], dazu BT-Drucks 12/ 3803 [RV] S 111 f und BT-Drucks 1273/03 [RA] S 115. Art 1 Nr 46 ESUG [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3)] – dazu: BT-Drucks 17/5712 S 12, 19, 40 f [RV: Nr 43] und BT-Drucks 17/ 7511 S 20/21, 37 [RA: Nr 46].

Joachim Münch

Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

ner die eigene Verfügungsmacht belässt, insoweit freilich sachwalterliche Aufsicht vorsieht (§ 270 I S 1); jener kann – so wie auch sonst – dann ins Planverfahren einmünden (§ 270b einerseits, § 284 andererseits), wobei eben der „Schutzschirm“ dem Schuldner ein zeitliches Prä gestattet. Die Legislative hat bei der Einrichtung gehofft, die nationale „Insolvenzkultur“ zu ver- 183 bessern, zu zeitnahen Sanierungsmaßnahmen anzuregen und nicht zuletzt damit ein sog vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren (so wie es England ua vorhält287 – sog scheme of arrangement: § 225a Rn 11 mit Fn 36) praktisch zu erübrigen.288 Ob das aber schon genügt, bleibt zunächst abzuwarten, vor allem angesichts des neuen EU-Kommissionsvorschlages für einen „Restrukturierungsrahmen“ außerhalb der Insolvenz als eine quasi weitergehende „präventive“ Sanierungsoption. Die eingehende wissenschaftliche Diskussion darüber läuft erst an (dazu Rn 20 f iVm § 270b Rn 4). b) Sondergebiete. Die Begleitgesetzgebung hat zudem diverse Sondermaterien insol- 184 venzplanbezogen weitergebildet. Einzelheiten müssen hier leider dahinstehen, bloß einige Bereiche mit bürgerlich-rechtlichem Fokus (Rn 185–187), maßgebender gesellschaftsrechtlicher Rückbindung (Rn 188–191), hinsichtlich der Versorgung der Arbeitnehmer (Rn 192 f) sowie vor allem zivilprozessualem Bezug (Rn 194 f) sollen zumindest kurz Erwähnung finden. Letzthin wurde legislatorisch damit erstrebt, das neue Rechtsinstitut gleichberechtigt zur Regelabwicklung auszugestalten. aa) Bürgerliches Recht. Was die Verjährung angeht, gilt für alle Insolvenzplanforde- 185 rungen die bürgerlich-rechtliche Höchstfrist (30 Jahre) infolge insolvenzrechtlicher Feststellung (§ 197 I Nr 5 BGB [in Anlehnung an § 218 I S 2 aE BGB/aF, der aber keine abwendenden Vergleiche miterfasste] iVm § 257 I InsO); der Wortlaut wurde insoweit offen gehalten, so dass er für alle Tabellenauszüge gilt, dh problemlos Insolvenzpläne einschließt.289 Das Planverfahren ist eben ein Teil des einheitlichen (!) Insolvenzverfahrens. Besonderheiten gelten hier aber im Steuerrecht: steuerrechtliche Unterbrechung der Verjährung durch Aufnahme in den Insolvenzplan (§ 231 I S 1 AO290) bis zur Planerfüllung oder -hinfälligkeit (§ 231 II S 1 AO291) und Neubeginn mit Jahresende (§ 231 III AO292). Der Fiskus steht mithin einerseits besser (Sicherung bis zur Erfüllung), später freilich schlechter (Fristlänge!). § 925 I S 3 BGB gestattet, die Auflassung „in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenz- 186 plan“ förmlich zu erklären (Art 33 Nr 26 EG InsO). Der Gesetzgeber sah dies als eine Art Klarstellung oder auch Weiterführen von § 228293 und § 254a I: Gestattung formgerechter Festlegung. Das präzisiert die Kompetenz (Abs 1 S 1: „vor einer zuständigen Stelle“) und spart insbesondere dabei Notarskosten (Abs 1 S 2: „jeder Notar zuständig“: § 228 Rn 32; § 254a Rn 10, 12). Der gerichtliche Vergleich war später ebenfalls hinzugesetzt (heute:

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Bork Sanierungsrecht in Deutschland und England, 2011, Rn 6.2. ff und 7.15 f mit IILR 2012, 477. BT-Drucks 17/7511 S 4/5. Jauernig/Mansel § 197 BGB Rn 8; MünchKommBGB/Grothe § 197 BGB Rn 25; BeckOGK/Piekenbrock § 197 BGB Rn 55; Staudinger/Habermann BGB2014 § 197 Rn 60 – unter altem Recht: Soergel/Niedenführ § 218 BGB/aF Rn 6 aE.

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Ebenso: § 19 I Nr 9 Var 1 BGebG; § 16p III Nr 10 Var 1 FinDAG; § 11 I Nr 10 Var 1 FMSAKost-VO. Ebenso: § 19 II Nr 4 Var 1 BGebG; § 16p IV Nr 4 Var 1 FinDAG; § 11 II Nr 4 Var 1 FMSAKost-VO. Ebenso: § 19 III BGebG; § 16p V S 2 FinDAG; § 11 III S 2 FMSAKost-VO. BT-Drucks 12/2443 S 203 li. Sp. [RV: § 271 InsO] bzw S 213 li. Sp. [RV: § 301 InsO].

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Vor §§ 217–269

Sechster Teil. Insolvenzplan

Var 1),294 und man wollte wohl keinen Umkehrschluss daraus begünstigen; deshalb wurde der Insolvenzplan eigens mitaufgeführt (heute: Var 2), zumal doch die abschließende gerichtliche Bestätigung (erst später explizit textseitig klarstellend dazugefügt) „in ähnlicher Weise wie bei einem Prozeßvergleich die gerichtliche Kontrolle der Auflassungserklärungen gewährleistet.“295 187 Was die Nachlassinsolvenz angeht, so rechtfertigen Regelabschluss wie Insolvenzplan gleicherweise die Erschöpfungseinrede gegenüber Verfahrensfremden (§§ 1989, 1973 BGB); es bedarf erst recht dann keiner Inventarerrichtung zur Abwendung unbeschränkter Haftung (§§ 2000 S 3, 2009 BGB); Miterben unterliegen außerdem nurmehr quotaler Haftung (§ 2060 Nr 3 BGB) und sind keine Gesamtschuldner (§ 2058 BGB) nun mehr – alles Vorhandene ist ja per se aufgeteilt (es geht nie hier um Bewahren oder gar etwa Sanieren – Abwicklungszweck!). Bedeutsamer als die Einzelregeln ist die ergänzend dahinterstehende Botschaft: ein Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315–331 InsO) mag auch im Übrigen in Form eines normalen Insolvenzplanverfahrens ablaufen (so wie es § 334 II InsO fürs andere Sonderinsolvenzverfahren [über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft] direkt festlegt).

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bb) Gesellschaftsrecht. Bei den einzelnen Gesellschaftsformen gestattet man, die Weiterführung per Insolvenzplan individuell im Sanierungsfall zu beschließen (§ 42 II S 1 BGB bzw Art 33 Nr 1 EG InsO [e.V.]; § 728 I S 2 BGB bzw Art 33 Nr 21 EG InsO [GbR]; § 144 I HGB [oHG] und § 161 II HGB [KG] bzw Art 40 Nr 12 EG InsO, § 274 I iVm II Nr 1 AktG bzw Art 47 Nr 12 EG InsO; § 60 I Nr 4 Hs 2 GmbHG bzw Art 48 Nr 5a EG InsO; § 117 GenG bzw Art 49 Nr 39 EG InsO; § 206 II VVaG). Das geht gemäß § 225a III Hs 2 Var 1 heute direkt mittels Insolvenzplan ohne gesellschaftsrechtlich eigene Beschlussfassung (dazu § 225a Rn 36 f). Ergänzend besteht die Pflicht zum Registereintrag der Planüberwachung (Vereinsregister: § 75 S 2 Nr 4 BGB; Handelsregister: § 32 S 2 Nr 4 HGB; Genossenschaftsregister: § 102 I S 2 Nr 4 GenG). Für Kapitalgesellschaften, aber uU auch Personengesellschaften ohne haftende natürli189 che Personen, besteht für diverse Sachverhalte eine Organhaftung. Hierzu zählt etwa bei oHG und KG die Haftung wegen verzögerter Insolvenzantragstellung und Zahlungen im Krisenfall (§§ 130a II S 1 und 2, 177a HGB – Regelungszweck: Masseerhaltung); die Regelung ist zwingend und kann also weder vorweg eingeschränkt oder ausgeschlossen werden noch ist etwa später ein Verzicht oder Vergleich darüber statthaft (§ 130a II S 3 und 4 HGB) – eine (Doppel-) Ausnahme gilt bei Zahlungsunfähigkeit des Ersatzpflichtigen, dh „Folgeinsolvenz“ (§ 130a II S 5 HGB): wenn er sich „zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht [Var 1] oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird [Var 2]“. Man will trotz allem also die zweite (drohende oder erfolgte) Insolvenz privatautonom verfügbar halten296 – indes eben nur dort, nicht hinsichtlich der Gesellschaft (oder deren Plan).

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Siehe dazu schon § 1 der 2. VO über Auflassungen vom 09.01.1940, RGBl I Nr 8 S 46 [in Kraft ab 23.01.1940 (Art 71 WRV)] – BGB-Verortung: Art 3 Nr 1 des Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 05.03.1953, BGBl I Nr 8 S 33, 34 [in Kraft ab 01.04.1953 (Art 6)]. BT-Drucks 12/3803 S 79 li. Sp. [RV: Art 31 Nr 36 EG]; aber vgl auch S 125/126 [BRat:

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Nr 18] „versus“ S 135 [BReg: Nr 18] bzw BT-Drucks 17/7303 S 111 re. Sp. [RA: Nr 21e]. BT-Drucks 12/3803 S 81 re. Sp. bringt keinerlei konkreten Gründe. Näher zum Abwendungsvergleich iSd § 93 IV S 4 Alt 1 AktG bei Hirte/Stoll ZIP 2010, 253, 255–259 [III 2].

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

Parallele „Freistellungen“ enthalten auch § 9b I S 2 GmbHG und § 50 S 2 AktG be- 190 züglich der Ersatzhaftung für Gründungsfehler (§ 9a GmbHG bzw §§ 46–48 AktG), § 93 IV S 4 AktG bezüglich der Haftung des Vorstands (§ 93 I-III AktG) und verbundene Unternehmen betreffend § 302 III S 2 AktG (Anspruch des beherrschten gegen das herrschende Unternehmen auf Verlustübernahme) bzw § 309 III S 2 AktG (Verantwortung der Organe der Konzernmutter bei Erteilung von Weisungen).297 Strukturell passt nur § 93 IV S 4 AktG aber zur vorhergehend genannten Konstellation (Rn 189) – und dies auch nur in einem kleinen Ausschnitt (§ 93 III Nr 6 iVm § 92 II AktG: Vorstandhaftung für „Insolvenzfehler“). Im Übrigen soll dazuhin insoweit die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters inhaltlich Vorrang erheischen298 – wenn dann also jene zusätzlichen Einschränkungen zurücktreten, spricht nichts gegen eine Haftungsregelung im Insolvenzplan (unmittelbar der Gesellschaft). Diverse Sonderregelungen des Insolvenzplans („Modifikationsnormen“ iSv Rn 180) für 191 Genossenschaften enthält § 116 GenG (Art 49 Nr 38 EG InsO).299 Er gewährt eine längere Vorlagefrist (Nr 1: bis zu der Beendigung des sog Nachschussverfahrens, vgl § 218 Rn 81), modifiziert die Planinhalte im darstellenden Teil (Nr 2: Angabe der bisherigen und künftigen Nachschüsse der Genossen, dazu § 220 Rn 40) und in der Ausgestaltung der Gruppenbildung (Nr 3: „Kanngruppenbildung“ für Mitglieder der Genossenschaft, dazu § 222 Rn 165 f) und erweitert den Kreis der nach erfolgreicher Vorprüfung anzuhörenden Interessenverbände (Nr 4: Prüfungsverband, vgl § 232 Rn 8 – als Mélange aus Abs 1 [„Mussanhörung“] und Abs 2 [„Drittbefugnis“]). Die Vorschrift knüpft an § 115e GenG/aF300 zur Möglichkeit des Zwangsvergleichs (Nr 1 nF bzw Abs 1 aF; Nr 3 nF bzw Abs 1 Nr 2 aF; Nr 4 nF bzw Abs 2 Nr 1 aF). cc) Versorgungsrecht (PSVaG). Die Versicherungsansprüche aus der betrieblichen Al- 192 tersversorgung werden vom Träger der Insolvenzsicherung (§ 14 I BetrAVG: Pensions-Sicherungs-Verein VVaG) um solche Beträge gekappt, welche ein bestätigter Insolvenzplan als Arbeitgeber- oder Versorgerleistung festsetzt (§ 7 IV S 2 und 3 BetrAVG); das betrifft bzw eröffnet die sog „vertikale“ [wohl besser geheißen: quotierte] Aufteilung und ebenso die sog „horizontale“ [wohl besser geheißen: temporäre] Aufteilung. Bei Folgeinsolvenz binnen drei Jahren (!) – der Zeitraum ist entlehnt von § 268 II 2 Nr 2 (Höchstfirst einer Überwachung)301 – können erbrachte Leistungen – vorbehaltlich abweichender (Plan-) Ausgestaltung – als gewöhnliche Insolvenzforderungen angemeldet werden (§ 9 IV S 1 BetrAVG). Das ist eine Art von „qualifiziertem Wiederaufleben“ (mit Blick auf § 255 II und III S 1 InsO302) ohne eine hierfür vereinbarte Klausel und ferner erweitert auf eigene Zahlungen (als Surrogat zur Entlastung des Gemeinschuldners). Weiter wird darauf gedrängt (§ 7 IV 4 S 5 BetrAVG: „Im Insolvenzplan soll vorgesehen 193 werden, …“), dass bei nachhaltig eingetretener wirtschaftlicher Gesundung (Sanierungser-

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Ergänzende aktienrechtliche Spezifika: §§ 50 S 1, 93 IV, 302 III, 309 III AktG (Minimalfrist, Hauptversammlungsbeschluss, Sperrquorum) – Verzicht nur auf die Laufzeit! Hüffer/Koch Rn 84; MünchKomm/Spindler Rn 257; Spindler/Stilz/Fleischer Rn 284 mit Rn 300 mwN; KöKo/Mertens/Cahn Rn 175; GroKo/Hopt Rn 383 – je zu § 93 AktG. BT-Drucks 12/3803 S 94 [RV: Nr 38] – Näheres siehe bei Terbrack ZInsO 2001, 1027; Beuthien/Titze ZIP 2002, 1116, 1122–1124.

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Gesetz zu Änderung des Genossenschaftsgesetzes vom 20.12.1933 (Art 1 Nr 10), RGBl 1933 Nr 145 S 1089 (1090) [in Kraft ab 01.01.1934 (Art 2 I). Vgl BT-Drucks 12/3803 S 112 re. Sp. Der wegen des Sicherungseintritts der Solidargemeinschaft hier nicht recht passt (etwas anders jedoch BT-Drucks 12/3803 S 112 re. Sp.: Konsequenz langfristiger Aufteilung).

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Vor §§ 217–269

Sechster Teil. Insolvenzplan

folg) die alte Regelzahlung wieder aufgenommen wird (Besserungsklausel!), womöglich auch bloß teilweise303 ([temporäre] Ausfallhaftung, nicht etwa ein [permanenter] Sanierungsgewinn). Es besteht keine Pflicht („soll“), aber doch eine Regelerwartung – einschließlich der Obliegenheit, Abweichendes (plausibel) zu begründen; allein insoweit könnte § 231 I Nr 1 eine Mängelrüge rechtfertigen304 (dazu § 231 Rn 20 mit Fn 41). Im Übrigen wird ergänzt (§ 9 IV S 1 BetrAVG), dass für den Träger der Insolvenzsicherung (§ 14 I BetrAVG: Pensions-Sicherungs-Verein VVaG) – indes bloß bei Fortführungsplänen – eine eigene (Singular-) Gruppe (dazu § 222 Rn 55, 102 und 164) gebildet werden kann (aber nicht muss!305). Das schafft dem PSV, soweit man das möchte, und vorbehaltlich offenbarer Obstruktion (§ 245), eine gewisse Vetoposition (arg §§ 243, 244 I).

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dd) Zivilprozessrecht. Prozessrechtlich ist erwähnenswert die Möglichkeit einstweiliger Einstellung der Immobiliarvollstreckung, wenn und weil die „Durchführung eines vorgelegten Insolvenzplans gefährdet würde“ (Art 20 Nr 4 EG InsO) – sofort auf Antrag des Insolvenzverwalters (§ 30d I Nr 3 ZVG) bzw nach inhaltlich überstandener Vorprüfung auf Antrag des Schuldners (§ 30d II ZVG). Die Regelung rundet insoweit § 233 ab („Gesamtanordnung“ vom Insolvenzgericht) und schafft ein Verwertungsmoratorium zugunsten einer möglichen Plansanierung („Einzelanordnung“ vom Vollstreckungsgericht): Erhaltung betrieblicher Grundlage wider vollstreckungsoffene „immobiliare“ Absonderungsposition (§ 165), siehe § 233 Rn 4, 15, 17, 20, 29. Beide Regelungen waren anfangs noch vereint (§ 266 DiskE/RefE bzw § 277 RegE306), und erst der Rechtsausschuss verlagerte Abs 2 ins eigentlich auch sachnähere ZVG307 (Art 20 Nr 4 EG InsO) bzw verknüpfte ihn dort systemisch noch mit § 187 RegE. 195 Daneben tritt unmittelbare richterliche Zuständigkeit für Planverfahren (§ 18 I Nr 2 RpflG). Zunächst fehlte jedoch jedweder Übertragungsvorbehalt, es galt folglich Rechtspflegerzuständigkeit (§ 3 Nr 2e RplfG bzw Art 14 Nrn 1, 5, 6), so wie in den früheren Konkurssachen (Nr 2e mit § 18 RpflG/aF) bzw Vergleichssachen (Nr 2 f mit § 19 RpflG/aF); davon ausgeklammert blieb bloß das Eröffnungsverfahren (§ 18 I Nr 1 RpflG/nF) und der explizite richterliche Vorbehalt im Einzelfall (§ 18 II RpflG/nF). Die zwingende richterliche Kompetenz ist erst ESUG-Folge308 (Art 5 Nr 2a aa ESUG) und gilt seit dem 01.03.2012 (Art 10 S 3 ESUG). Grund war dafür die offensichtlich neue Eingriffsmacht, welche möglicherweise [?] Legalitätszweifel weckte (vor allem mit Blick auf § 225a …)309 – das lässt die Spezialbegründung nur etwas erahnen: Kompetenzwechsel „Wegen der wirtschaftlichen Bedeutung und den rechtlichen Implikationen [!] des neu gestalteten Insolvenzplanverfahrens …“.310

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ee) Öffentliches Recht. Modifiziert werden schließlich einige Vorschriften zum Tatbestand persönlicher Würdigkeit als Erfordernis beruflicher Betätigung (ist abzugrenzen von

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Einzelheiten: Bremer DB 2011, 875. Sehr treffend hier BT-Drucks 12/3803 [EG InsO] S 111 re. Sp. („ohne daß dies durch besondere Umstände gerechtfertigt ist“); aA ErfK/Steinmeyer § 7 BetrAVG Rn 48: immer Besserungsklausel nötig [?]. So wie noch im RegE vorgesehen. BT-Drucks 12/2443 S 204 li./re. Sp. [RV]. BT-Drucks 12/7303 S 108/109 [RA: Nr 12b]. Siehe schon Hingerl ZInsO 2009, 759 f (pro); Endmann ZInsO 2010, 1437, 1438 f

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(contra) – nunmehr dazu: Vallender DB 2012, 1669, 1670; Frege/Keller/Riedel InsR8 Rn 220; Lissner ZInsO 2013, 2419; Büttner ZInsO 2012, 2019. Die „qualifizierte“ Klauselerteilung zur Einzelvollstreckung (§ 257) fällt aber wohl unter § 3 Nr 3a iVm § 20 Nr 12 RpflG – verdrängende bzw vorrangige Zuständigkeit (siehe dazu Näheres noch bei § 257 Rn 22). BT-Drucks 17/5712 S 19/20 [RV]. BT-Drucks 17/5712 S 44 re. Sp. [RV].

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

Rn 96, 166): eine Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit (§ 35 I GewO) und auch die Verweigerung des Zugangs zum Reisegewerbe (§§ 57, 59 GewO) oder Ausstellergewerbe (§ 70a I GewO) nur aufgrund ungeordneter Vermögensverhältnisse kommt während einer Planerstellung und auch der Planüberwachung nicht in Frage (§ 12 S 1 GewO – Ausnahme: freigegebene Tätigkeiten, § 12 S 2 GewO). Es gilt eine Priorität insolvenzrechtlicher Sanierung; sie soll durch Gewerberecht nicht konterkariert werden können. Das gilt auch für gewerberechtlich geprägte Nebenregelungen,311 nicht ohne weiteres aber für Freiberufler312 (vorbehaltlich spezieller Vorschriften – hier insb etwa einschlägig: § 12 II S 2 RDG;313 man wird die Norm zur Auslegung von §§ 7 Nr 9, 14 I Nr 7 BRAO ebenso heranziehen können314). c) Kostenrecht. aa) Gerichtskosten. Sie bestimmt das GKG (§ 1 I Nr 2), das Planver- 197 fahren wird nicht eigens genannt, dh alle Gerichtstätigkeiten sind bereits durch die allgemeinen Gerichtsgebühren abgegolten:315 Verfahrensgebühr für Eröffnungsverfahren mit Antragstellung (§ 6 I S 1 Nr 3 iVm § 23 I S 1 GKG: 0,5 [KV 2310/2311]) und zusätzlich nach Eröffnung weitere Gebührenpflichten für die Insolvenzabwicklung (2,5 [KV 2320: Schuldner] bzw 3,0 [KV 2330: Gläubiger]), jetzt aber als Massekosten (§§ 53, 54 Nr 1 InsO). Ausschlaggebend als Berechnungsgröße ist jeweils die Insolvenzmasse bei Beendigung des Verfahrens (§ 58 I GKG), für den beantragenden Gläubiger erfolgt aber hierbei eine Deckelung auf die Forderungshöhe (§ 58 II GKG). In Betracht kommen jedoch Auslagen, die speziell hier uU noch anfallen: für gerichtliche bestellte Gutachter,316 ein Rechtsmittelverfahren (§§ 231 III, 248a IV S 1, 253 I InsO – bei Obsiegen des Beschwerdeführers)317 und vielleicht – meist nicht nötig – für Zustellung (§ 8 – aber: § 9 III InsO). Das trägt ebenfalls die Masse (§§ 53, 54 Nr 1 InsO). bb) Parteikosten. Es ist zu differenzieren zwischen Massekosten und Eigenaufwand, 198 den jeder selbst zahlt (wie etwa für juristische Beratungen, aber zB auch Tatsachenklärung, Korrespondenzkosten, Terminsteilnahme etc). Hier handelt jeder jeweils allein gemäß eigenem Gutdünken, muss Kosten und Nutzen auch konkret selbst abwägen; das gilt entsprechend auch für – zugegeben altruistisch erbrachte – Mitwirkung bei Anhörungen318 (§ 232, dort Rn 25). Nur verfahrensrechtlich geschuldete Vergütungen nebst Auslagenersatz (§ 63 [Verwalter] und § 73 [Ausschuss]) gehen als „Fremdaufwand“ zur Masse (§§ 53, 54 Nr 2), hilfsweise zur Staatskasse (§§ 63 II, 73 III). Die Grundvergütung des Insolvenzverwalters wird für eine erstellte Planvorlage angehoben (§ 3 I lit a InsVV: Pauschsatz, vgl § 218 Rn 40), für den Gläubigerausschuss dürfte weiterer Zeitaufwand anfallen (§ 17 I InsVV: Stundensatz), dazu kommen in beiden Fällen außerdem Umsatzsteuer und Ausgleich planbedingter Zusatzaufwendungen (§§ 7/8, 18 InsVV).

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BT-Drucks 12/3803 S 103 re. Sp. BVerwG ZInsO 2009, 1811, 1812 [c] {7} (Architekt). BT-Drucks 16/3655 S 68 re. Sp. Alleinig im Ergebnis so BGH, B v 25.02. 2010 – AnwZ (B) 81/07 [JURIS] {10} [II 3a bb]; ZInsO 2010, 1380, 1381 f {12} [II 2b aa]; NZI 2012, 106 {8} [II 1] – als „Weiterführung“ von BGH NJW 2005, 1271, 1272 f [II 4–6] {11–17}: Wiederherstellung der Verfügungsmacht plus angekündigte Restschuldbefreiung. Ebenso hier ua Feurich/ Weyland/Vossebürger § 9 BRAO Rn 60.

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BT-Drucks 12/3803 S 72 li. Sp.: „entspricht der bisherigen Behandlung des Zwangsvergleichs“. Vgl OLG StuttgArt NZI 2010, 191, 192. Und entsprechend für Schutzantrag (§ 251), § 54 Rn 5 aE [Henckel] – aA Eidenmüller Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz S 91 (wortlautorientiert: nur ab dem Beschwerdeverfahren). Mit Ausnahme der Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses (Honorierung nach Stundensatz!).

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Vor §§ 217–269

Sechster Teil. Insolvenzplan

7. Problematiken des Steuerrechts Literatur: Bös/Schwarz Gesetzliche Neuregelungen zum Sanierungsgewinn – Grundsätzliche Freistellung, aber Beschränkungen, KSI 2017/6, 268; Bös/Schwarz Besteuerung von Sanierungsgewinnen – Ende des Sanierungserlasses und die Reaktionen der Finanzverwaltung und des Gesetzgebers, KSI 2017/4, 169; Braun/Geist Zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen – Bestandsaufnahme und Empfehlungen, BB 2009, 2508; Buschmann/Bös Liquiditätsbesteuerung im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens, KSI 2015, 219; Dziadkowski Wider die voreilige Aufhebung der Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne nach § 3 Nr. 66 EStG, DB 1997, 447; Fischer Das Sanierungsprivileg bei § 8 IV KStG, NZI 1998, 14; Hermanns/König Steuerliche Implikationen eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens, in: Paulus/Knecht (Hrsg) Gerichtliche Sanierung (2018), § 7 [S 501–557]; Hölzle/Kahlert Der sog. Sanierungserlass ist tot – Es lebe die Ausgliederung, ZIP 2017, 503; Kahlert Steuerliche Aspekte der Insolvenzplansanierung: Auflösung einer Rückstellung, eines § 7g EStG-Abzugs und einer § 6b EStGRücklage, ZIP-Beil. 2016, 38; Lautenbach/Roll/Völkner Der Sanierungserlass – Bestandsaufnahme nach dem BFH-Beschluss und seine Auswirkungen auf die Restrukturierungspraxis, BB 2017, 643; Maus Die Besteuerung des Sanierungsgewinns – ein Problem für die Sanierungspraxis, die Insolvenzgerichte und die Insolvenzverwalter, ZIP 2002, 589; Schmid/Rolle Der Große Senat des BFH kippt den Sanierungserlass – Praktische Auswirkungen auf Insolvenzplanverfahren, DZWIR 2017, 162; Schwarz/Hammerich Besteuerung von Sanierungsgewinnen – Sicherheit nach fast 100 Jahren in Sicht? – Neueste BFH-Urteile als Gegenstand eines Nichtanwendungserlasses der Finanzverwaltung und einer Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG, KSI 2018/4, 166; Sonnleitner/Strotkemper/Krüsmann Insolvenzplan und Besteuerungsverfahren, ZInsO 2016, 1545.

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a) Insolvenzrechtliche Steuerhaftung. Die Staatskasse ist mit ihren Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis in aller Regel ein besonders entscheidender Gläubiger (ähnlich den Trägern der Sozialversicherung). Dem Finanzamt, als zuständiger Verwaltungsbehörde, kommt damit insbesondere bei der Plansanierung ein erheblicher Einfluss zu. Bei Steuerforderungen ist unabhängig von der konkreten Steuerart zwischen bereits vor Verfahrenseröffnungen entstandenen Forderungen (Rn 200), im laufendenden Verfahren entstehenden Forderungen (Rn 201) sowie den von einer Planbestätigung abhängigen zukünftigen Forderung aus Sanierungserträgen (Rn 202 f, 205–209) grundsätzlich zu differenzieren. Besonders die letzteren können ein mühsam zustande gebrachtes Sanierungskonzept scheitern lassen (die „Rache“ des Erfolgs – „Bumerangeffekt“). 200 Vor Verfahrenseröffnung entstandene Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind klassische Insolvenzforderungen (§ 38 iVm § 251 III AO)319 – das „alte“ [große] Fiskusprivileg (§ 61 Nr 2 KO) hat – hoffentlich dauerhaft! – ausgespielt. Sie unterfallen der planerisch getroffenen Gestaltung (vgl § 224 Rn 24 mit § 227 Rn 8); teilweise320 wurde taktisch sogar angeraten, das Finanzamt als „Einergruppe“ (dazu § 222 Rn 55) zu isolieren, um notfalls die Einigung zu erzwingen (§ 245). Ausgenommen sind Steuerschulden, die auf Veranlassung bzw mit Genehmigung eines vorläufigen Verwalters entstanden – diese werden gemäß dem „neuen“ [kleinen] Fiskusprivileg („zur Thüre hinausgeworfen …“321) zu spezifischen Masseforderungen (um-) qualifiziert, für jene gilt daher Rn 201. Berührt ist aber ein eher kleiner Zeitraum. 201 Nach Verfahrenseröffnung entstandene Ansprüche (Fortführung des Unternehmens, Liquidation von Masseteilen) beruhen meist auf Verwalterhandeln [Var 1] oder Liquidationsakten [Var 2] und sind daher Masseschulden (§ 55 I Nr 1, aber uU auch Nr 2); der Verwalter ist derjenige, welcher im Verlauf des Insolvenzverfahrens die steuerlichen Pflichten abzuleisten hat (§ 155 I bzw § 34 III AO) und gegen den als Partei kraft Amtes Steuern fest319

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Zu verfahrensrechtlichen Besonderheiten siehe Sonnleitner/Strotkemper/Krüsmann ZInsO 2016, 1545, 1551 ff. FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 22.

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Als Anspielung auf Windscheid – zur Sache die Nachw bei Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 55 Rn 105.

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Vorbemerkungen

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gesetzt werden (Steuerschuldner ist der Gemeinschuldner). Derartige Ansprüche bleiben von jeglichen „Umgestaltungen“ per Plangestaltung verschont (dazu § 217 Rn 37) – es sei denn, es gäbe insoweit freiwilligen Verzicht (§ 230 III [§ 221 Rn 47] bzw § 249 iVm § 227 AO [§ 249 Rn 9]). – Nach Aufhebung des Verfahrens entstandene Ansprüche unterfallen wieder allgemeinen Regeln. Die Plangestaltungen in Sanierungsplänen weisen eine eigene Sonderproblematik auf: 202 auf Grund des Erlasses der Schulden entstehen steuerrechtlich Sanierungsgewinne, dh werden steuerbarer Ertrag,322 die darauf entfallenden Ertragssteuern (ESt [Bund/Land/Gemeinden], KSt [Bund/Land], GewSt [Gemeinden]) entstehen ohne weiteres Zutun mit rechtskräftiger323 Planbestätigung (§ 254 I InsO iVm § 38 AO; zum Sonderfall des debtequity-swap [„DES“]: § 225a Rn 98 f). Die hM sieht auch darin eine Masseschuld – innerhalb des laufenden Insolvenzverfahrens –, und zwar gemäß § 55 I Nr 1 Var 2: Dies vermag insoweit inhaltlich zu überzeugen, als doch die Verfahrensaufhebung erst 203 hiernach gerichtlich erfolgen kann (§ 258 I); die Steuerschuld als Masseschuld wäre darum „planerisch“ nicht weiter gestaltbar (so wie nach Rn 201) und unmittelbar zu berichtigen (§ 258 II S 1). Fraglich bleibt aber, ob wirklich „Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse“, so wie es § 55 I Nr 1 Var 2 wörtlich eben verlangt, denn betroffen sind: gegen Var 2b (Verwertung) und Var 2c (Verteilung) streitet ein bisschen die Regelung des § 1 S 1 Hs 2 (oder besser wohl: der Umkehrschluss für Hs 3); dafür anders herum jedoch § 217 S 1 Var 2a/b, wo eben später dieselben Begriffe auftauchen. Es bliebe uU ferner, am eventuellen Verwalten (Var 2a) anzuknüpfen – wobei das „und“ stört; man könnte dieses als einen „Sammelbegriff“ lesen, der dann eher das Regelverfahren sieht und nicht die Plandurchführung. Wie dem auch sei: die hM324 unterstellt die Masseschuld; ansonsten wäre das Finanzamt dann ein Neugläubiger (arg § 38 e contr) und schon deshalb nicht vom Plane berührt (oder allein über §§ 264–266). Dadurch „platzt“ meist – so oder so – indes dann das Sanierungskonzept bevor es wirkt …325 Es besteht hier spürbar ein Zielkonflikt von Insolvenzund Steuerrecht, welchen schon die Insolvenzrechtskommission (ZB LS-Anhang lit G,326 vgl auch erg H-K) erkannte – das Gesetz begnügte sich freilich später mit § 3 Nr 66 EStG/aF („Steuerfrei sind … Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schul322

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Gut zusammengefasst bei Kübler/Prütting/ Bork/Olbing InsO38 InsSteuerR Rn 22; Lautenbach/Roll/Völkner BB 2017, 643, 644. Wegen Vermeidungsstrategien siehe Stadler NZI 2018, 49, 52 ff [III]; Sistermann DStR 2017, 689, 694 [4.4]; Pöschke NZG 2017 1408, 1408 ff [II, III]; Hölzle/Kahlert ZIP 2017, 510, 511 ff; Kübler/Prütting/Bork/ Olbing InsO38 InsSteuerR Rn 23. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 78; Kübler/Prütting/Bork/Olbing InsO38 InsSteuerR Rn 22 gegen Maus ZIP 2002, 589, 592 [II] mit NZI 2000, 449, 451 (Bestätigung – zu früh!) bzw Georg ZinsO 2000, 93, 95 (Erfüllung – zu spät!). Für diese Sicht spricht außerdem der Wortlaut des BMFSchreibens vom 27.04.2017, BStBl I 2017 Nr 10, 741 = DStR 2017, 986, 986 [2] „Forderungsverzicht … endgültig vollzogen“. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 78; Kübler/Prütting/Bork/Olbing InsO38

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InsSteuerR Rn 22; Andres/Leithaus/Andres InsO3 Vor §§ 217 Rn 14; Brünkmans/Thole/ Kahlert § 36 Rn 207 ff; Schmidt/Rolle DZWIR 2017, 162, 165, 167; Kahlert/ Schmidt DStR 2017, 1897, 1899; Maus ZIP 2002, 589, 592 [IV]; Vögeli ZInsO 2000, 144, 145 [2]. So sehen es Gesetzgeber (BT-Drucks 18/ 12128 S 31 [§ 3a EStG]), Verwaltung (BMFSchreiben vom 22.12.2009, BStBl 2010 I Nr 1 S 18) und Kommentatoren aus Theorie und Praxis (zB Stadler NZI 2018, 49; Sedlitz DStR 2017, 2785; Andres/Leithaus/Andres InsO3 Vor §§ 217 ff Rn 12; Maus ZIP 2002, 589, 590 f). Näher dazu siehe ZB Mot S 236 f: umfassende Freistellung von Sanierungsgewinnen von künftiger Besteuerung – als Korrektur von BFH BStBl II 1984 S 472.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

den zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden.“), welcher vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung alsdann indes kurzerhand gestrichen wurde327 – wegen Lösungsmöglichkeiten siehe Rn 205–209. Wer wollte dem Fiskus Sanierungszugeständnisse machen anstatt dem Gemeinschuldner, um Erträge zu erwirtschaften? 204 Ergänzend muss man zwei Sonderregeln des allgemeinen Steuerrechts mitbedenken. Die eine betrifft hier die Unverjährbarkeit von Steueransprüchen bei „Aufnahme in einen [sanierenden] Insolvenzplan“ (§ 231 I Nr 6 Var 1 mit II S 1 Nr 6 AO328); das ist nicht nur die „Restforderung“ („positive Aufnahme“), sondern meint gewiss die Gesamtschuld („negative Aufnahme“ – iSv § 224 Var 1 [Kürzung] iVm § 227 I), für dann den Fall des § 255 – also: Zahlung oder Zugriff. Die andere sperrt die Weiterhaftung des Übernehmenden für alle Arten übertragender Sanierung (§ 75 II AO).

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b) Steuerliche Sanierungsmitwirkung. Den beschriebenen Zielkonflikt (Rn 203 aE) kann man kaum freilich insolvenzrechtlich auflösen – Entstehung, Festsetzung, Verfolgung der Steuern fußen nämlich auf Steuerrecht, möglich war alsdann ein individueller Billigkeitserlass (§§ 163, 227), aber erst nach Entstehen der Ansprüche, also erst nach Rechtskraft der Bestätigung (Rn 202). Damit scheiterte schon § 249, es blieb vielleicht § 230 III, wobei die Ämter sich richtigerweise sehr zurückhielten:329 ein Erlass vor Entstehung der Steuer ist begrifflich nicht vorstellbar. Statthaft war lediglich die verbindliche Vorabauskunft (§ 89 II S 1 AO) mit Ankündigung künftiger Entscheidung. Die Praxis befriedigende Rechtssicherheit schuf indes dann das BMF mit dem sog „Sanierungserlass“330 als innerbehördliche Dienstanweisung: unter gewissen, im Sanierungserlass fest vorgegebenen Voraussetzungen, war danach der Erlass der Ertragssteuern auf Sanierungsgewinne aus Billigkeitsgründen zu verfügen. 206 Dieser Praxis hat der BFH [GS] mit Wirkung zum 08.02.2017 (sog Altfälle) ein jähes Ende bereitet.331 Er sah in der generell abstrakten Ausgestaltung der Verwaltungsanweisung einen Verstoß gegen das Gebot der Gesetzlichkeit der Verwaltung332 (wird indes dann nicht mit zweierlei Maß gemessen? – cum grano salis gälte das dann zB auch der ESt-RiLi – und erst recht wohl bei „Nichtanwendungserlassen“) und führte weiter aus, jedweder Be327

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Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997, BGBl I Nr 72 S 2590: Art 1 Nr 1 [in Kraft ab 01.11.1997 (Art 14 I)] – wohl eine Idee des Vermittlungsausschusses (BT-Drucks 13/8325 S 2). Zur Historie der Regelung bei BFHE 255, 482, 489–497 [C I/II] {51–84} = aaO (Fn 331); lesenswert hierzu auch Dziadkowski DB 1997, 447 inkl Replik von Groh DB 1997, 449. Sachlich: Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999 – StBereinG 1999) vom 22.12. 1999, BGBl I Nr 59 S 2601 (2619): Art 17 Nr 15 [in Kraft ab 30.12.1999 (Art 28 II)] – BT-Drucks 14/1514 S 48 li. Sp. Förmlich: Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung … (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) vom 23.06.2017, BGBl I Nr 39 S 1682 (1885 f): Art 1 Nr 14 [in Kraft ab 25.06.2017 (Art 11 I)] – BTDrucks 18/11132 S 30.

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Auch der Fall LG Düsseldorf ZIP 2015, 2182, 2183 (krit Freitag NZI 2015, 978, 980) lag hier nicht anders: es fehlt an einer amtlichen (!) Zustimmung (lediglich Planvorschlag betroffen – heute griffe wegen Rn 206–208 jedoch gewiss gleich § 231 I S 1 Nr 3); siehe auch Schmidt/Rolle DZWIR 2017, 162, 163. BMF-Schreiben vom 27.03.2003, BStBl I 2003, 240 sowie dessen Anordnung für das Planverfahren mit BMF-Schreiben vom 22.12.2009, BStBl I 2010, 18, dazu näher etwa Kübler/Prütting/Bork/Olbing InsO38 InsSteuerR Rn 24 ff. BFHE 255, 482, 497–512 ff [GS] {87 ff} [C III] = BStBl II 2017, 340 = DZWIR 2017, 174 = ZIP 2017, 338 = NZI 2017, 163 = DStR 2017, 305 auf Vorlage von BFHE 249, 299 [X] = BStBl II 2015, 696 = ZIP 2015, 1352 = NZI 2015, 725 = DStR 2015, 1443. BFHE 255, 482, 503 {91–93} [C III 1b] = aaO (Fn 331).

Joachim Münch

Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

zug zu einer „echten“ Billigkeitsabwägung ermangle333 (das lässt sich hören: man vermag eine solche nur konkret – einzelfallbezogen und Umstände abwägend – treffen …). Der Gesetzgeber versuchte sofort ein Gegenlenken (Rn 207 mit 209), die Verwaltung wollte zusätzlich abmildern (Rn 208) – jedoch dies bisher noch leider ohne Erfolg. Um das Problem des Sanierungsgewinns abschließend zu lösen, hat die Gesetzge- 207 bung unverzüglich eingegriffen:334 § 3a EStG („Sanierungserträge“) iVm § 3c III EStG (Einschränkung des Verlustabzuges), § 8 I KStG (Anwendbarkeitsregel) und § 7b GewStG („Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bei unternehmensbezogener Sanierung“) möchten weitestgehende Steuerbefreiung bringen für solchen Sanierungsertrag, dh sanierungsbedingten Schuldenerlass (§ 3a I S 1 EStG), und zwar im Fall einer „belegten“ unternehmensbezogenen Sanierung (§ 3a II EStG). Das verlangt den Nachweis von Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit, Sanierungseignung und Sanierungsintention, was wohl ein Plan (§§ 219–221) – erfolgreich realisiert! – leicht darzustellen vermag. Das Inkrafttreten der Normänderung (Art 6 II) harrt aber gegenwärtig noch einer genauen beihilferechtlichen Prüfung (Art 107 I AEUV) der europäischen Kommission. Das würde in allen sog Neufällen gleichwertigen „Sanierungsschutz“ erreichen (aber vgl noch Rn 209!). Das BMF hat dabei in einem ersten Anlauf Altfälle „abzufedern“ versucht335 und sinn- 208 voll differenzierende Lösungsansätze gefunden (vollständige Abwicklung, bindend erteilte Zusagen [Rücknahmen?], Billigkeitsmaßnahmen unter Widerrufsvorbehalt etc) – auch dem hat sich der BFH zwischenzeitlich total entgegengestellt: alleinig der Gesetzgeber sei insoweit regelungsbefugt336 – und habe auch eine Rückwirkung nicht (explizit) beschlossen. Der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit für noch nicht völlig abgeschlossene Plansanierungen (sog „Zwischenfälle“) ist das BMF in einem zweiten Anlauf entgegengetreten. Im „Ping-Pong-Spiel“ vom Judikative und Exekutive hat es die Entscheidung, für über den konkreten Einzelfall hinausgehend nicht anwendbar erklärt337 – Begründung: im Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung (Rn 207) sei eben diese Vertrauensschutzregelung mittels beredetem Schweigen (implizit) akzeptiert worden – auch das hat aber den BFH nicht beeindrucken mögen.337a Deshalb bleibt ratsam, das Risiko zu nennen (§ 220) und eine Eventualverbindlichkeit in Höhe der Ertragssteuern auf den Sanierungsertrag in die Planrechnung aufzunehmen338 (§ 229).

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BFHE 255, 482, 501–511 {106 ff} [C III 2b-d mit 3] = aaO (Fn 331). Als „Omnibus“ diente hierfür das Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom 27.06.2017, BGBl I Nr 43 S 2074 (2076– 2079): Artt 2–4 [nicht in Kraft (Art 6 II), Näheres siehe bei Rn 209a] – BT-Drucks 18/11531 [BRat] S 4 ff mit BT-Drucks 18/12128 [FA] S 30–36, hier insb dann S 31 zA: „löst den bestehenden Zielkonflikt zwischen dem Besteuerungsverfahren und dem Insolvenzverfahren“ – zugunsten der Sanierung! BMF-Schreiben vom 27.04.2017 – IV C 6 – S 2140/13/10003, DOK 2017/0322100 = BStBl I 2017, 741 = DStR 2017, 986. BFHE 259, 20, 21 f {18 ff, 22–24 mit 28–30} [II 4] = DZWIR 2017, 586 = ZIP 2017, 2158

= NZI 2017, 936 = DStR 2017, 2322 = NZG 2017, 1358. 337 BMF-Schreiben vom 29.03.2018 – IV C 6 – S 2140/13/10003, DOK 2018/0193836 = BStBl I 2018, 588 = DZWIR 2018, 318 = NZI 2018, 347 [I], dazu Lenger NZI 2018, 347 [II]. 337a BFH [X] ZIP 2018, 1360, 1361 {7} [2] = NZI 2018, 570 = DZWIR 2018, 338 bzw BFH [VIII] DZWIR 2018, 384, 385 {7–9} [16 bb] bzw BFH [XI] DB 2018, 2473, 2474/2475 mit 2475 {34 mit 44} [II 2 mit 3e bb (3)] – angeblich bewusste [?] Anordnung: {37ff} [II 3 blr.]. 338 Genauso unter altem Recht bereits: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 78; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 229 Rn 6 mit Vor §§ 217 ff Rn 12.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

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Die gesetzliche Neuregelung (Rn 207) hätte besser Rückwirkung haben sollen. Falls sie kommt, regelt sie ferner im Gegenzug auch durchaus „fiskalische Vorteile“. So sind zunächst Verlustvorträge abzubauen (§ 3a III EStG), steuerrechtliche Wahlrechte müssen im Jahr des Sanierungsertrags und im Folgejahr steuermindernd ausgeübt werden (§ 3 I S 2 EStG – in diesem Zeitraum dürften weitere Erträge eher gering sein, dh dass in den Folgejahren am Erfolg des sanierten Unternehmens voll mitverdient wird …), Betriebsaufwendungen im Zusammenhang mit der Sanierung sind bis zur Höhe des verbleibenden Sanierungsertrags als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben qualifiziert (§ 3c IV EStG). Der Steuergesetzgeber will damit also, trotz prinzipieller Freistellung, am künftigen Sanierungserfolg des Unternehmens (überdurchschnittlich) teilhaben. – Geregelt wurde auch übrigens noch die „normale“ Restschuldbefreiung (§ 3a V EStG). 209a Inzwischen hat zwar die EU-Kommission – allerdings nur informell! (sog „Comfort Letter“) – zu verstehen gegeben, dass sie jene gesetzliche Neuregelung nicht als gegen geltendes europäisches Beihilferecht verstoßend betrachte. Damit ist jetzt der Zweck „geheiligt“, nur erweist sich allemal das angewandte Mittel als leider untauglich: Die Gesetzesregel hatte insoweit einen formellen Beschluss erwartet (§ 6 II S 1: „treten an dem Tag in Kraft, an dem die Europäische Kommission durch Beschluss feststellt, dass …“). Jener Automatismus läuft nun indes ins Leere. Deswegen soll er kurzfristig völlig gestrichen werden (scil. automatisches [rückwirkendes?] Inkrafttreten)338a. Dabei regt der Bundesrat auch an, sich ausdrücklich zur Rückwirkung für sog Altfälle (bis zum 08.02.2017) bereit zu finden, um den BFH zu befriedigen338b (expliziter legislativer Entscheid!) – hoffentlich des Dramas letzter Akt!

C Dogmatische Einordnung (Rechtsnatur) Literatur: P M Bauer Der Insolvenzplan. Untersuchungen zur Rechtsnatur anhand der geschichtlichen Entwicklung (2009) S 22–24 und 346–356 [Überblick] bzw S 241–257 [KO], S 265 f [GAVO], S 273 f, 280 f [VglO], S 292 [GesVO] und S 317–345 [InsO] m Bespr Happe KTS 2011, 522; Cohn Zur Rechtsnatur des Zwangsvergleichs (1910); Dinstühler Der Insolvenzplan gem den §§ 217– 269 InsO, InVo 1998, 333; Eidenmüller Der Insolvenzplan als Vertrag, Jb NPÖ 15 (1996), 164 ff; Fritzsche Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag [StudPriv 66] (2016) m Bespr Thole KTS 2017, 535; Gaul Zur Struktur und Wirkungsweise des Insolvenzplans als „privatautonomes“ Instrument der Haftungsverwirklichung, FS U Huber (2006) S 1187; Gaul Tradition, Stagnation und schrittweiser Fortschritt im Insolvenzrecht – Eine Zwischenbilanz der neuen Rechtsinstitute: Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren, LA Henckel (2015) S 119, 124–132 [IV 1/2]; Gottwald Die Interessengemeinschaft der Gläubiger eines insolventen Schuldners, FS Giger (1989) S 195; Grabner Die Natur des Zwangsvergleichs, ZZP 48 (1920), 198; Häsemeyer Der Insolvenzplan als vermögens- und haftungsrechtlicher Vertrag, FS Gaul (1997) S 175; Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans [KTS 17] (2004) m Bespr Chr Berger KTS 2006, 329; Heckel Der Zwangsvergleich und seine rechtliche Natur (1912), §§ 20–28; Krusch Das Wesen des Vergleichs (1933), S 125 f; Leipold Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, KTS 2006, 109; Löhr Über die rechtliche Natur des Zwangsvergleichs, ZZP 16 (1891), 335; Madaus Der Insolvenzplan. Von seiner dogmatischen Deutung als Vertrag und seiner Fortentwicklung in eine Bestätigungsinsolvenz [JP 157] (2011), insb S 173–296, 379–395; Madaus Die zeitliche Grenze des Rechts zur Rücknahme eines Insolvenzplans durch den Planinitiator, KTS 2012, 27; H-F Müller Gesellschaftliche Regelungen im Insolvenzplan, KTS 2002, 209, 210–213 [II]; Richter Die Rechtsnatur des Zwangsvergleichs, ZHR 76 (1915), 112; Schiessler Der Insolvenzplan (1997) S 17–22; Smid Wert und Unwert vertragstheoretischer Begründungen des Insolvenzplans, DZWIR 2011, 446; Thöne Die Rechtsnatur des Insolvenzplans – Plädoyer für ein verfahrensrechtliches Verständnis, KTS 2018, 151; F Wach Der Zwangsvergleich 338a BR-Drs

372/18 (Beschluss) [21.09.2018]: S 37 bzw Nr 28.

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338b BR-Drs

372/18 (Beschluss) [21.09.2018]: S 38 bzw Nr 29.

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Vorbemerkungen

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(1896), S 69–81; H Würdinger Theorie der schlichten Interessengemeinschaften (1934); Wüst Die Interessengemeinschaft – ein Ordnungsprinzip des Privatrechts (1958); Wüst Der außergerichtliche Sanierungsvergleich als realisierte Interessengemeinschaft der Gläubiger, FS Wiese (1998) S 649.

I. Einführung 1. Historie. Bereits unter der Herrschaft von Konkurs- und Vergleichsrecht war die 210 Rechtsnatur des (damaligen) Zwangsvergleichs lebhaft umstritten.339 Das Meinungsspektrum reichte von der Vertragstheorie, welche den den Inhalt des Plans bestimmenden Parteiwillen als maßgeblichen Geltungsgrund betrachtete,340 über einzelne vermittelnde Ansichten, die hier nicht vertieft seien341 (erwähnenswert die fG-Prägung als Ausformung einer „Vertragshilfe“ – dagegen standen allemal einst § 72 KO bzw § 115 VglO [jetzt: § 4 InsO] mit ihrer allemal mitgedachten Kategorisierung als prozessuales Streitverfahren), bis hin zur Urteilstheorie, die insoweit das Erfordernis einer gerichtlichen Planbestätigung in den Vordergrund rückte und in dieser einen durch Richterspruch gestaltenden Staatsakt erblickte.342 Die KO-Motive hielten sich einstig nicht mit dogmatischer Konstruktion auf, sondern 211 beriefen sich schlicht auf klassische, verfestigte Grundsätze.343 Die Rechtsprechung hat sich recht früh auf eine vertragliche Erklärung eingelassen und später durchgängig hieran festgehalten. RGZ 77, 403, 404 [V. ZS] beschrieb vor über einem Jahrhundert schon etwa den „Zwangsvergleich“ ohne größere Umschweife als „Vertrag des Gemeinschuldners mit den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern über eine bestimmte … Befriedigung … Er ist im Allgemeinen durchaus [?] nach Vertragsgrundsätzen zu beurteilen.“ Während der erste Satz prozessuale Besonderheiten reflektiert („den besonderen Vorschriften der §§ 173 flg. KO. unterworfener Vertrag“), führt der zweite zurück zum Hafen bürgerlichrechtlich geprägter Erklärungsansätze. Dies scheint deshalb sehr bemerkenswert, weil sich dies kurz davor noch bei RG WarnR 4 (1911) Nr 353 S 394 [VII. ZS] deutlich anders anhörte: trotz grundsätzlich anzunehmender Vertragsnatur seien „für sein Zustandekommen und seine Wirksamkeit nicht die allgemeinen Vorschriften des Privatrechts unmittelbar maßgebend.“ Trotz allem: nur diese erste Einschätzung sollte weiterwirken344 sowie auch die Erklärung des „Privatvergleichs“ nach GA-VO345 (einzig RGZ 127, 372, 375 [VII. ZS]

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Vgl J Kohler KonkursR (1891) § 72, S 452 ff; Seuffert KPR (1899) § 53 [4], S 406 ff; Jaeger/Weber KO8 § 173 Rn 5 ff; Kuhn/ Uhlenbruck KO11 § 173 Rn 1a–e; Bley/Mohrbutter/Bley VglO4 § 8 Rn 1 ff; siehe zudem Madaus Insolvenzplan (2011), S 63 ff; Gaul FS Huber (2006) S 1187, 1194 ff – jeweils mwN; erg – lediglich als „Zeitzeuge“ – vgl Richter ZHR 76 (1915), 112, 116–120 [A]. Jaeger/Weber KO8 § 173 Rn 9 ff mwN. Das namentlich im Anschluss ans gemeinrechtliche Erklärungsmodell: Windscheid Pandekten II7 (1891) § 275 (S 89) und § 358 (S 357 f) mwN. Oetker Rostocker FG Windscheid (1888) S 30 ff, 44 und Kisch Grundriß des Deutschen Konkursrechts8/9 (1930), § 54 III (zusammengesetzter Akt); Bötticher ZZP 86 (1973), 373, 387 ff (Vertragshilfeverfahren); Baur/Stürner InsR12 Rn 24.2 mit Fn 3 (be-

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sondere Ausformung richterlicher Vertragshilfe); vgl zudem Jaeger/Weber KO8 § 173 Rn 7; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 173 Rn 1a–e – jeweils mwN. Schultze ZHR 25 (1880), 339, 350–352; Schultze Das deutsche Konkursrecht (1880), S 119–135; Pasquay ZHR 66 (1910) 34, 76, 79–81 – zur Kritik bei Löhr ZZP 16 (1891), 335, 339 ff [III/IV]. KO-Mot S 392 = Hahn IV S 350: „es ist überall geltendes Gewohnheitsrecht, daß die Gläubiger … gezwungen werden können. Die Bedürfnisse des Lebens haben die theoretischen Bedenken überwunden.“ [mit Wegfall der Fußnote]. RGZ 152, 65, 67 [VII. ZS]. RGZ 119, 391, 395 [II. ZS] (Verfügungsvertrag); RGZ 122, 361, 363 [VII. ZS] („nur Vertragsnatur“); RGZ 125, 408, 410 [I. ZS] („bürgerliches Rechtsgeschäft, dessen Ab-

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bricht noch einmal etwas hier aus …) bzw VglO346 bestimmen. Dies lag auch an der normativen Vorprägung mit § 173 KO (Vorschlag / Abschluss), die auf ein Vertragsmodell hindeutet; dagegen stand allemal indes § 193 S 1 KO, welcher die Wirkung des Vergleichs auf Dissenter und Absenter erstreckte. 212 Und auch die Literatur plädierte am Ende mit doch deutlich wahrnehmbarer Mehrheit für eine vertragliche Qualifikation des Zwangsvergleichs347 – die Rechtsnatur des Insolvenzplans lediglich durch Anknüpfen an die alte Rechtslage weiterhin zu bestimmen („Prolongation“), ist trotzdem vom Ansatz her verwehrt. Denn der Gesetzgeber der Insolvenzordnung hat unüberhörbar dagegen widersprochen: „Der Plan ist kein Vergleich.“348 Damit ist jetzt die Diskussion neu losgetreten. Präzise Aussagen freilich mangeln insoweit, man hätte sich gerne weitere Hinweise gewünscht … Allerdings sollte man ebenso gewärtigen, dass sich heute manche Parallelen nahezu von selbst aufdrängen, insbesondere was die früher vehement vorgebrachten Argumente angeht.

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2. Orientierungspunkte. Die klassischen Auslegungskanones helfen wenig weiter. Dies beginnt bereits beim Wortlaut: Dem Begriff des „Plans“ lässt sich keine eindeutige juristische Klassifizierung entnehmen (dazu Rn 2), sie setzt sich bloß gegen ein rechtsgeschäftliches Planungsverständnis ab, womit dann aber die grammatische Auslegung sehr schnell an ihre Grenzen stößt.349 Konnotiert werden gemeinhin öffentlich-rechtliche Institute (Bauleitplan, Haushaltsplan, Entwicklungsplan etc – siehe auch bei Rn 2) und derzeitig noch mangelnde volle Verbindlichkeit. Jedoch genau dies soll hier nicht gelten (arg § 221 – auch schon S 2, erst recht S 1!). Anders sieht dies uU allerdings der allgemeine Sprachgebrauch (Fahrplan, Bauplan, Zeitplan etc), der aber auch keine „rechtsdogmatischen Konstruktionsprobleme“ spürt. 214 Und auch die tradierte Normhistorie erbringt nicht viel Licht, zu diffus war bisher noch deren Ertrag (Rn 210). Dieses gilt in gleichem Maße für eine naheliegende rechtsvergleichende Anreicherung. Zwar diente das US-amerikanische „Chapter 11-Verfahren“ („reorganization“) des amerikanischen Insolvenzrechts (11 USC: „bankruptcy“, vgl Rn 140) als legislatives Vorbild für das deutsche Insolvenzplanverfahren, gleichwohl lässt sich die dort herrschende vertragliche Einordnung350 aufgrund struktureller Systemunterschiede (vgl Rn 157–161 bzw § 217 Rn 27) nicht so recht auf §§ 217 ff übertragen:351 es geht weniger dort um prozessuale Disposition als letztlich die materielle Konstruktion eines pri-

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schluß nur in besonderen öffentlichrechtlichen Formen erfolgt“); RGZ 127, 372, 375 [VII. ZS] („im allgemeinen nach Vertragsgrundsätzen zu beurteilen“ – wobei aber eben doch „der „Zwangsvergleich hinsichtlich seines Zustandekommens und seiner Wirksamkeit besonderen Vorschriften folgt, bei denen öffentlichrechtliche Belange ausschlaggebend sind.“). BGH KTS 1961, 152, 153; ferner schon wohl bei RFH JW 1928, 2657, 2658 (Nr 4). FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 39 mwN. BT-Drucks 12/2443 [RV] S 91 – sowie vor allem der eindeutig abgrenzende Folgesatz: „Vergleich und Zwangsvergleich sind in ihrer Grundstruktur Verträge …“ (der Plan also nicht!); vgl auch erg S 90 re. Sp.: „Der Plan tritt an die Stelle von Vergleich und Zwangsvergleich und gestaltet diese grundle-

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gend um.“ Dies sieht auch recht klar BGH NJW-RR 2006, 491, 492 {14} [II 2b] = aaO (Fn 352). Gaul FS Huber (2006) S 1187, 1197; Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 67 ff, 79 f, 83; Schiessler Insolvenzplan (1997) S 18; vgl zudem Maurer/Waldhoff Allgemeines Verwaltungsrecht19 § 16 Rn 13. Madaus Insolvenzplan (2011), S 142 ff mwN; Madaus KTS 2012, 27, 35; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 6 (mwN); Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 33 mwN. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 6 mit Vor §§ 217 ff Rn 20–22; Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 35– 37, 60; Dinstühler InVo 1998, 333, 333 f; siehe auch Bork ZZP 109 (1996), 473, 480 f.

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Vorbemerkungen

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vatrechtlich motivierten Abschlusszwangs. Dass man sich mit Vertragskonstruktionen bei Planannahme und -bestätigung gegen den Willen einzelner Gruppen sehr schwertun kann, ist selbst der Praxis zT bewusst, welche gewisse, „kleine“ Zweifel äußert.352 Einen kleinen Fingerzeig scheint indes doch am Ende die Gesetzesbegründung zu geben (siehe dazu – plakativ- auch bei Rn 212). Sie beschreibt den Insolvenzplan als „die privatautonome, den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Übereinkunft der mitspracheberechtigten Beteiligten über die Verwertung des haftenden Schuldnervermögens“353 (dazu Rn 4, aber erg auch Rn 5, 12). Die gezielte [?] Wortwahl („privatautonom“, „Übereinkunft“ – scil.: nicht etwa „Vertrag“! [siehe dazu schon Rn 4 aE]) sowie vor allem die erkennbar mitschwingende Intention, ein Instrument zur Privatisierung der Insolvenzabwicklung zu schaffen,354 deuten womöglich auf eine rechtsgeschäftliche Fundierung des Institutes „Insolvenzplan“ hin. Konstruktion und Konsequenzen bleiben dabei bezeichnenderweise indes nebulös. Aber: Die Berücksichtigung privatautonomer Entscheidungen muss nicht so zweifelsohne in einer klar vertraglichen Qualifikation des Insolvenzplanes münden. Ohne sich mit der Gesetzesbegründung in Widerspruch zu setzen, könnte die „Übereinkunft der mitsprachberechtigten Beteiligten“ auch als ausschließlich vorbereitende Handlung verstanden werden, die erst und bloß die Grundlage eines darauf aufbauenden Verfahrensaktes bildet. Man würde vielleicht sonst ausblenden, dass der Insolvenzplan in „ein komplexes, gerichtlich überwachtes Verfahren ‚eingebettet‘“ ist.355 Es verzichtet auf allseitige Zustimmung (§§ 243–245) und durchbricht damit signifikant das die Rechtsgeschäftslehre prägende Konsensprinzip; weiterhin knüpft es die Wirksamkeit des Insolvenzplanes an das Erfordernis gerichtlicher Bestätigung (§§ 248/251) und weist damit Merkmale auf, die gegen eine vertragliche Qualifikation des Insolvenzplanes streiten – er wirkt vielmehr als „spezifisch insolvenzrechtliches Instrument“.356 Schließlich führt das Verfahren zum Titel (§ 257 I und II), was überwiegend staatliche Beteiligung abverlangt. Was die Gesetzessystematik angeht, kommt man wenig weiter. Denn man kann den [Sechsten] Teil „Insolvenzplan“ als systematisch eigenen, „abgeschlossenen“ Komplex interpretieren. Sieht man zudem auf § 1 S 1 Hs 3 bringt dies kaum nähere Erkenntnis: es geht um eine (Alternativ-) Regelung prozessualer bzw gesetzlicher Vorgaben – also: Gestaltung des Verfahrens; das lässt auch beide Deutungsvarianten (iSv Rn 215 f) offen und vernachlässigt nun womöglich umgekehrt die gleicherweise intendierten privatrechtlichen Rechtsfolgen. So bleibt der Blick zur normierten Binnenstruktur, die aber ähnlich hybride scheint (arg § 217) und uU die Erkenntnis gewisser Parallelen zum Schuldenbereinigungsplan bei Verbraucherinsolvenz (§§ 304–310, dazu siehe gleich Rn 218) – am Ende bleibt freilich nicht mehr als deskriptiv zu verbleiben: formgemäße Verfahrensgestaltung plus materielle Rechtsveränderung. Dies hilft zugegeben wenig weiter. Man wird nicht jedoch behaupten können, das Gesetz habe selbst die nötige Klarheit geschaffen. § 308 I S 2 unterstellt den Schuldenbereinigungsplan den Vorschriften des Ver352

BGH NJW-RR 2006, 491, 492 f {15} [II 2b] = ZIP 2006, 39 = NZI 2006, 100 = ZInsO 2006, 38 = MDR 2006, 594 [siehe auch schon OLG Jena ZIP 2002, 538, 539 {22} – Vorinstanz: „Vertrag eigener Art“] und BGH NJW 2015, 2660, 2663 {26} [B II 2d bb (1)] = ZIP 2015, 1346 = WM 2015, 1291 = DZWIR 2015, 560 = KTS 2016, 221; OLG Schleswig ZInsO 2017, 1554, 1555 [II 1.2.2]: „kein Vertrag im herkömmlichen Sinne“ bzw US Bankruptcy Court, SD Florida, Re

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Hillard Development Corporation, 238 B.R. 857, 871 f. BT-Drucks 12/2443 [RV] S 91 re. Sp. Eidenmüller Jb NPÖ 15 (1996), 164. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 10. Siehe dazu die BGH-Nachw bei Fn 352, ferner Rn 232 mit Fn 398 – zur Kritik allgemein insb Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 60; Leipold KTS 2006, 109, 119, 121 f [VII].

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gleiches, woraus man zuweilen auf dessen Vertragsnatur rückschließt357 – es geht freilich dort um Ermöglichung der Vollstreckung („hat die Wirkung eines Vergleichs im Sinne des …“); ernst genommen würde dann mit § 257 I S 1 zum Insolvenzplan die überholte Urteilstheorie (dazu Rn 210) verankert („wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung … betreiben“ – als Weiterführung von § 194 KO bzw § 85 I VglO). Auffällig ist indes schon etwas die disparate „Titelanleihe“ dort (§ 794 I Nr 1 ZPO) und hier (§ 704 ZPO) – will sie unterschwellig auf ein variantes Grundverständnis hindeuten? Dort eine eher konsensuale Bereinigung, hier aber eine stärker hoheitliche Formung (aber vgl auch Rn 223aE, 231, 263) – zumal mit Blick auf § 254 I? Das erscheint doch zu weit hergeholt, zumal auch beide auf anderen Textstufen beruhen: 308 I 2 (RA: § 357e) ist nachlaufend erfolgte Hinzufügung des Rechtsausschusses – und sicher keinerlei Bekräftigung systematischer Gesamtschau! 219 Schließlich ein Wort zu Normzwecken. Diese liegen ausweislich der Gesetzesbegründung in der Schaffung eines Rechtsrahmens für eine einvernehmliche (dh auf Verhandlungen und privatautonomen Austauschprozessen beruhende) und möglichst flexible (dh abweichend von der Norm des Regelverfahrens) Bewältigung der Insolvenz358 – Näheres siehe bei Rn 55–60. Einen Rückschluss auf die Rechtsnatur des Insolvenzplanes erlaubt die teleologische Betrachtung damit indes nicht: erzielte Einigungen der Beteiligten und gemeinsam entwickelte Lösungsansätze können den Inhalt des Plans unabhängig von dessen rechtlicher Deutung prägen und damit die Grundlage erfolgreicher Insolvenzbewältigung bilden. Eine vertragliche Qualifikation des Insolvenzplans359 stellt für die Sicherstellung des Ziels bestmöglicher Haftungsverwirklichung360 damit gewiss keine notwendige Bedingung dar (dazu Rn 261).

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3. Methodik. Man mag die schwierige Bemühung, die Rechtsnatur des Insolvenzplans aufzuklären, als konstruktives Glasperlenspiel qualifizieren und gleich ohne Umwege auf praktisch handhabbare Lösungswege zusteuern. Damit wäre der Sinn jeder dogmatischen Überformung bezweifelt. Die Relevanz der Thematik liegt aber am Ende nicht so stark in einer Begründung konkreter Ergebnisse (die Divergenz ist marginal! [Rn 252 iVm Rn 239]), sondern wirkt als Bereitstellung einer „Unterfütterung“ und dient zur Kontrolle des Resultats. Fügt sich eine neue Problemlösung in die Strukturen vorhandener Denkmuster oder ist eine grundlegende Neuorientierung erforderlich? Die Abweichung vom tradierten Erklärungsansatz ist offen, steht aber unter einem eigenen, qualifizierten Rechtfertigungszwang (dazu Rn 239). 221 Zu beachten ist außerdem noch, dass immer natürlich planspezifische Gesetzesregeln Priorität haben.361 Das betrifft das Einhalten des Verfahrens (Grundsätze, Abläufe, Mehrheiten etc – wegen bzw trotz § 250 Nr 1 [„in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet“ – es geht um lediglich amtswegige Versagung!]), jedoch auch einige andere zentrale Punkte, insb Bedingungszusammenhang (§ 249), Begünstigungsverbot (§ 250 Nr 2), Schlechterstellungsverbot (§ 251), Leistungsstörungsfolgen (§ 255, hier Rn 250 f), aber zB auch Möglichkeiten der Plananpassung (§ 221 S 2 iVm § 248a362). Im Zweifel ist deshalb auch 357

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ZB K Schmidt/Stephan InsO19 § 308 Rn 4 („Vertrag eigener Art“); Uhlenbruck/Sternal InsO14 § 308 Rn 3; wohl auch FK/Kohte/ Busch InsO9 § 308 Rn 23; HK/Waltenberger InsO8 § 308 Rn 6; MünchKomm/Ott/Vuia InsO3 § 308 Rn 10 – im Anschluss an BTDrucks 12/7302 S 192 li. Sp. [RA: Nr 99]: Doppelnatur!

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BT-Drucks 12/2443 S 90 re. Sp. Vgl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 16–19 mit Jb NPÖ 15 (1996), 164, 165 ff. BT-Drucks 12/2443 S 91 li. Sp. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 34. Wurde eingeführt durch Art 1 Nrn 17 und 36 ESUG [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3)].

Joachim Münch

Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

anzunehmen, dass dies als finale Regelung gewollt ist,363 dh sie insgesamt abschließenden Charakter hat und keine Lücke besteht, die noch anderweitig auszufüllen wäre.364 II. Meinungsstand Der Meinungsstand ist vielfältig und variantenreich365 – so wie auch schon unter altem 222 Recht (Rn 211 f) lassen sich jedoch gewissermaßen Antipoden unterscheiden: die traditionell vertragsrechtlich orientierten Erklärungsversuche einerseits (Rn 223–231), die modifizierte Urteilstheorie andererseits, die „angepasst“ nun „firmiert“ als Verfahrenstheorie (Rn 234– 236), alle beide wieder jeweils mit manchen Facetten; es gibt Versuche zu versöhnen, Mischformen („auf der Linie“), und ebenfalls auch Plädoyers für dogmatisch vollständige Neuausrichtung („neben der Linie“ bzw „Modelle sui generis“: Rn 232 f, 237 f). Es wird auch zuweilen begrifflich Neuland erschlossen, ohne aber eine notwendige Systemeinpassung beizufügen, zB wenn der Plan als eine „multipolare Vereinbarung“366 oder eine „mehrseitige Verwertungsvereinbarung“367 etwa angesprochen wird. Am Ende steckt ein Suchen nach Legitimationen für den Mehrheitszwang hinter all jenem Mühen der „Aufklärung“ der Rechtsnatur368 – zusätzlich zu Sachfragen, welche praktischer Entscheidung harren (Rn 239–252). 1. Vertragstheorie a) Grundsätzliches. Im Anschluss an Aussagen der Gesetzesbegründung (hierzu Rn 215 223 „versus“ Rn 212) wird oftmals angenommen, der Insolvenzplan habe Vertragsnatur.369 Protagonisten sind insbesondere etwa Horst Eidenmüller und Stephan Madaus (aber vgl auch Rn 231), welche noch zT ergänzend ökonomisch motivieren: privatautonome Lösungsansätze gewährleisteten eine möglichst effiziente Verwertung des Schuldnervermögens,370 363

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Daraus rührt etwa die Unanwendbarkeit des § 139 BGB: BGH NJW 2015, 2660, 2663/2664 {27} [B II 2d bb (2)] = aaO (Fn 352), vgl Rn 240 aE. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 35. Siehe dazu Nachw etwa bei MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 9–13; BK/Flöther/Wehner InsO53 § 217; K Schmidt/Spliedt InsO19 vor § 217 Rn 5; HambK/Thies InsO InsO6 vor § 217 Rn 3. Andres/Leithaus/Andres InsO3 Vor §§ 217 ff Rn 10 – etwas konkreter indes hiernach § 217 Rn 17: „Die Rechtsnatur des Insolvenzplans ist str, am nächsten liegt die Annahme einer vertraglichen Vereinbarung der Beteiligten, wobei diese aber durch hoheitliche Elemente … modifiziert ist“ (Hervorh vom Verf). Braun/Braun/Frank InsO6 Vor §§ 217 ff Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 80–82; Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz S 463–469. Richtig K Schmidt 54. DJT (1982) I S D 77 f: mehrfache Legitimation notwendig. Madaus Insolvenzplan (2011), S 173 ff, 292 ff, 295, 296 f, 424 ff mit KTS 2012, 27, 35–48, 52; Hess InsO2 § 217 Rn 10, 12;

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 14 ff, 31; Fritzsche Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag (2016), S 4, 256 ff, 274, 321 ff – ferner: BK/ Flöther/Wehner InsO53 § 217 Rn 16, § 254 Rn 13 bzw ZInsO 2009, 503, 504 f; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 17; HambK/Thies InsO6 vor § 217 Rn 3; FK/ Jaffé InsO9 § 217 Rn 53 (etwas reservierter zuvor Rn 49); Bauer Der Insolvenzplan (2009), S 344 f, 355 f; Hess/Weis WM 1998, 2349, 2350; H-F Müller Verband in der Insolvenz (2002), S 373 mit KTS 2002, 209, 210 [I]; Häsemeyer InsR4 Rn 28.66 ff und FS Gaul (1997) S 175, 179 f; Gaul FS Huber (2006) S 1187, 1201 ff, 1206; ebenfalls noch so Smid/Smid/Rattunde InsO2 § 217 Rn 74. Letztendlich etwas vorsichtiger Bork InsR8 Rn 366 aE mit Fn 4 („den Rechtsgeschäften zuzuordnen“); deutlich distanziert hingegen Foerste InsR7 Rn 474; HK/Haas InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 9; KS/Spliedt InsO19 Vor §§ 217 ff Rn 5 f – indes ohne einen dogmatischen Vorschlag alternativer Erklärung. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 15, 17 unter Hinweis auf BT-Drucks 12/2443 S 78 li. Sp.; FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 46; Hess InsO2 § 217 Rn 14.

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brächten die widerstreitenden Interessen der Verfahrensbeteiligten bestmöglich zur Geltung371 und sorgten dadurch für Planakzeptanz bei den Beteiligten.372 – Grundlage sei rechtlich ein mehrseitiger Vertrag (arg §§ 244–246a, 247, 248) über eine vom Regelverfahren abweichende Form der Insolvenzbewältigung (arg § 1 S 1 Hs 3 iVm § 217) zwischen Gemeinschuldner und seinen Gläubigern (einschließlich der Anteilseigner)373 als den beiden betroffenen Verfahrenssubjekten. Er entspreche dem Muster des (materiellen) Vergleiches (§ 779 BGB – aber: Rn 244 aE!). 224 Vereinzelt vertretene Variationen hinsichtlich der Beteiligten, es handele sich statt eines Vertrages zwischen Gemeinschuldner als Passivsubjekt (und Träger der Aktivmasse) und der Gesamtheit an Gläubigern als Aktivsubjekt (und [Kollektiv-] Halter der Passivmasse), wie es die hM (Rn 223) bewertet, entweder um einen mehrseitigen Verwertungsvertrag ausschließlich zwischen den Gläubigern (E Braun: „‚Sozialakt‘ der Gläubiger“ – Aushandlungen untereinander, zum Finden der besten Verteilungslösung)374 oder aber um einen Vertrag zwischen Gläubigern und Insolvenzverwalter (Häsemeyer: zumal er jetzt das alleinige Verwertungsrecht innehält – arg § 80 I –, worüber die Gläubiger nun rechten)375 werden mit Blick vor allem auf § 247 mehrheitlich abgelehnt.376 Beide Varianten tendieren wohl unterschwellig zum Prozessvertrag mit Parteidisposition des Verfahrensablaufs (stärker prozedural [E Braun] oder materiell [Häsemeyer] gesehen). 225 Somit hält sich zwar die hM in der Adressatenfrage (Rn 223 f) an die normierten systematischen Leitplanken (§ 247), sie muss dann indes selbst insoweit bündig erklären können, wie es für sie um das Erfordernis richterlicher Bestätigung (§ 248 iVm § 254 I) steht (das trifft im Grunde die prozedurale Einbindung insgesamt). Ihm wird jeder weitergehende Aussagewert abgesprochen. Zum einen mangele dem Insolvenzgericht inhaltliche Gestaltungsmacht377 (das gilt indes auch zum Gemeinschuldner – und es ist abhängig vom Gegenstand des „Vertrags“); es handele sich lediglich um eine (vorverlagerte) Verfahrensund Lauterbarkeitskontrolle, so dass die Parallele zur gerichtlichen Feststellung des Bestehens eines Vertrages gezogen werden könne.378 Zum anderen belegten parallele Regelungen (§§ 1310, 1643, 1821 f BGB), dass eine präventive gerichtliche Kontrolle nicht den privatrechtlichen Charakter eines Vertrages bzw hier des Insolvenzplanes aufhebe.379 Un371 372 373

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 18. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 19. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 25; Madaus Insolvenzplan (2011), S 292; Madaus KTS 2012, 27, 48; Hess InsO2 § 217 Rn 10, 12. So sah es einst schon RGZ 119, 391, 395; 77, 403, 405 – wobei man gemäß § 173 KO schlecht darum herumkam („auf Vorschlag des Gemeinschuldners zwischen diesem und den … Konkursgläubigern … geschlossen“), vgl Rn 211 aE. Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz S 467 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 80 f. So Häsemeyer FS Gaul (1997) S 175, 180, 181 f bzw InsR4 Rn 28.43, 28.70; krit Gaul FS Huber (2006) S 1887, 1202 „dieses differenzierte Vertragskonzept [unterliegt] durchgreifenden Bedenken“, 1203 f; Leipold KTS 2006, 109, 120.

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 24; Gaul FS Huber (2006) S 1887, 1202 ff, 1206 f; Madaus Insolvenzplan (2011), S 244 f, 296 mit KTS 2012, 27, 48. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 20; Gaul FS Huber (2006) S 1187, 1198 f; Schiessler Insolvenzplan (1997) S 21 f; Madaus Insolvenzplan (2011), S 303 ff, 310 ff, 327; H-F Müller KTS 2002, 209, 211 [II]. So Madaus Insolvenzplan (2011), S 364 ff, 424 f; Madaus KTS 2012, 27, 36. Häsemeyer InsR4 Rn 28.67; H-F Müller KTS 2002, 209, 211 [II]; Gaul FS Huber (2006) S 1187, 1215; siehe zur alten Rechtslage Wolff KO2 § 173 Rn 2; Cahn Geschäftsaufsicht und Zwangsvergleich (1917), § 33 Anm F; krit Leipold KTS 2006, 109, 118 f; Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 203; Madaus Insolvenzplan (2011), S 363 f.

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Vorbemerkungen

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befangen muss man zugestehen, dass das eher als seltene Ausnahme scheint, nicht etwa als typischer, stilprägender Regelfall. b) Vertragskonstruktion. Der Abschluss des Vertrages („Plans“) wird durch Abstim- 226 mung (Beteiligte) und Zustimmung (Schuldner) im angesetzten Abstimmungstermin realisiert.380 Einer Unterscheidung nach der Person des Vorlegenden (vgl § 218 I S 1 Var 1 – „Verwalterplan“: § 218 Rn 33–54 bzw § 218 I S 1 Var 2 – „Schuldnerplan“: § 218 Rn 55–78) bedürfe es nicht;381 in der Planvorlage könne keine rechtsgeschäftsbegründende Willenserklärung erblickt werden. Dies folge für den Schuldnerplan bereits aus den §§ 247/248 InsO, die ein nachgelagertes Zustimmungserfordernis vorsehen und unverständlich blieben, sofern es sich bereits bei der Planvorlage um ein verbindliches Angebot im Sinne des § 145 BGB handelte. Bestätigt werde dies – ganz allgemein – durch die Änderungsmöglichkeit des § 240 InsO.382 Der Planvorlage komme damit – die Frage nach dem Ursprung der Initiative vollständig außer Acht lassend – lediglich vorbereitender, initiierender nicht aber rechtsverbindlicher Charakter zu; sie sei daher als bloße383 invitatio ad offerendum zu begreifen.384 Das Angebot sei daher erst in der „Planannahme“ durch die Gläubiger zu erblicken. 227 Man kommt insoweit jedoch nicht umhin, dogmatische Differenzierungen vorzunehmen; um die hohe prozessuale Komplexität des Vorgangs der Abstimmung (§§ 241–246a) einzufangen, muss man zwischen Stimmabgabe der Einzelperson, Gruppenmehrheit und Gesamtmehrheit unterscheiden. Durch Stimmabgabe erklärt der zustimmende Gläubiger, dass er den zur Abstimmung gestellten Plan gelten lassen will.385 An diese Stimmabgabe wird er auch im späteren Planverfahren gebunden; einer weiteren Stimmabgabe bedarf es – aus Effektivitätsgründen („reiner Formalismus“) – nicht.386 Die Stimmabgabe dient dabei sowohl der Willensbildung innerhalb der Gläubigergruppe als auch der Begründung der Bindung des Abstimmenden im Außenverhältnis, dh gegenüber dem Schuldner sowie den übrigen Beteiligten.387 Ist dann das Endresultat ein Einvernehmen (teilweise [eine Gruppe] bzw insgesamt [alle Gruppen], besteht kein Problem (möglicherweise mit Abhilfe per Obstruktionsregel, § 245 – dazu näher gleich Rn 228); ist es die Ablehnung, fehlt es so oder so an einem finalen – bürgerlichen-rechtlichen – Angebot. Unproblematisch ist auch die Einzelablehnung, welche dann in eine finale Gesamtab- 228 lehnung mündet (es mangelt am Angebot). Schwierig zu erklären ist dagegen die umgekehrte Gestaltung: was konkret erklärt der ablehnende Gläubiger wenn doch am Ende eine globale Zustimmung erfolgt? (a) Wird er in der Gruppe überstimmt, dann sei er aufgrund des Gruppenbeschlusses an die mehrheitliche Zustimmung gebunden – die Argumente variieren erheblich: gesetzliche Wirkungserstreckung (einstmals auch zur KO vertreten),388 380

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 22; Madaus Insolvenzplan (2011), S 235 f, 292 f. Vgl insoweit Häsemeyer FS Gaul (1997) S 175, 179 f mit InsR4 Rn 28.70. Madaus Insolvenzplan (2011), S 178. Darüber hinaus stellt sie – auch nach dieser Ansicht – eine Prozesshandlung dar, vgl insoweit § 218 Rn 22. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 30; Gaul FS Huber (2006) S 1187, 1202; Madaus Insolvenzplan (2011), S 175 ff, 179, 182, 247 bzw KTS 2012, 27, 47; krit hinsichtlich des vom Insolvenzverwalter vorgelegten „Verwalterplans“ Smid DZWIR 2011, 446, 449.

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Madaus KTS 2012, 27, 45. Madaus Insolvenzplan (2011), S 235 f, 236 (Zitat) bzw KTS 2012, 27, 45. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 22; Madaus Insolvenzplan (2011), S 235, 243, 292 f bzw KTS 2012, 27, 45, 46, welcher in der Stimmabgabe, aufgrund der unterschiedlichen Adressatenkreise, zwei Willenserklärungen enthalten sieht, vgl insofern Madaus Insolvenzplan (2011), S 183 f, 295 bzw KTS 2012, 27, 36 f. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 23; Gaul FS Huber (2006) S 1187, 1205, 1214 f; H-F Müller KTS 2002, 209, 211 [II]; noch zur alten Rechtslage vgl Jaeger/Weber

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quasi eine Art „beschlussrechtlich“ begründete Unterwerfungsform (Organisationsakt der Beteiligtenschaft),389 Begründung eines speziellen Kontrahierungszwanges, welcher nach richterlicher Prüfung im Wege der Fiktion – entsprechend dem Rechtsgedanken des § 894 ZPO – unmittelbar im Planverfahren durchgesetzt werde390 (mE inhaltlich arg gekünstelt). (b) Wenn er hier nicht überstimmt wurde (somit also bei „Gruppennein“), helfen letztlich dann spezielle Regeln (§§ 245–246a) mit jeweils gesetzlich expliziter Fiktion („gilt die Zustimmung … als erteilt“),391 um den Plan (gemeint: „Vertrag“) dennoch zu bejahen. 229 Die den Vertragsschluss bewirkende Annahme liegt sodann in der Zustimmung des Schuldners.392 Eine ausdrückliche Erklärung ist insoweit nicht erforderlich, bereits Schweigen gilt gem § 247 I InsO als Zustimmung; ein erklärter Widerspruch ist nicht ausnahmslos beachtlich, weil § 247 II („Obstruktionsverbot“) aus Dissens noch Konsens machen kann. Durch Mehrheitsbeschlüsse und Obstruktionsverbote werde damit – wenngleich mit unterschiedlicher Begründung – eine privatrechtliche Bindung aller, und damit auch der dissentierenden, Beteiligten an den Plan sichergestellt.393 Die notwendige „Vertragsmechanik“ entspricht mithin nicht so recht der üblichen Regelvorstellung, ist trotz allem dennoch irgendwie zu begründen. 230 Als Zwischensumme ist fünferlei doch sehr auffällig. Zum einen die Qualifikation der Planvorlage als unverbindliche invitatio ad offerendum, obgleich sie zunächst die Annahme eines verbindlichen Angebots (§ 145 I BGB) aufzudrängen scheint (Rn 226). Sodann (und insbesondere) die nähere Begründung der Bindung des Dissenters (Rn 227 f); problematisch ist dabei vor allem die erste („gruppeninterne“) Majorisierung, die zweite („gesamte“ bzw „externe“) Majorisierung hat einen festeren Stand – eigentlich indes aber auf prozessual besonders gegossenem Fundament. Die Vertreter der Vertragstheorie konzedieren zwar, dass das Abstimmungsverfahren der §§ 243 ff vom strengen Konsensprinzip abrücke, sehen hierin indes keinen grundlegend störenden Widerspruch394 (Slogan: „dem Zivilrecht nicht unbekannte Figuren“ – immer aber bloß als letzter Notbehelf gedacht!). Ähnliches gilt sinngemäß für die beiden weiteren Punkte: die fiktionale Zustimmung des Gemeinschuldners (§ 247: Rn 226) und das Erfordernis gerichtlicher Bestätigung (§§ 248–251: Rn 225). Schwierig scheint zudem, die eventuelle Änderungsbefugnis

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KO8 § 173 Rn 11; Bley/Mohrbutter/Bley VglO4 § 8 Anm 2; dagegen jedoch Madaus Insolvenzplan (2011), S 185 „Das Gebiet des Vertragsrechts wäre verlassen“. Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz S 467 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 80 f; Gottwald/Koch/de Bra InsR Hb5 § 66 Rn 20. Madaus Insolvenzplan (2011), S 239 ff, 243, 245; Madaus KTS 2012, 27, 46 f, 48; vgl auch Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 7.5 („Vertrag mit partiellem Abschlusszwang“). Nach Madaus Insolvenzplan (2011), S 268 f, 294 mit KTS 2012, 27, 42 f, 44 dient dies der Durchsetzung der bestehenden Kontrahierungszwänge. Sie werden nicht in einem Zivilprozess und anschließender Fiktion gem § 894 ZPO durchgesetzt, sondern – nach Bestätigung des Bestehens der Zustimmungs-

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pflichten durch den Beschluss gem § 248, 254 InsO – unmittelbar in einem einzigen Schritt im Rahmen des insolvenzrechtlichen Verfahrens. Vgl auch Bauer Insolvenzplan (2009), S 355 f. Vgl zum Zugang der Willenserklärungen, insbesondere bei (bewusster) Abwesenheit einzelner Beteiligter Madaus Insolvenzplan (2011), S 241 f. Madaus Insolvenzplan (2011), S 339. Ein diktierter Vertrag, der durch Hoheitsakt und unabhängig vom Vorliegen korrespondierender Willenserklärungen begründet wird, liege indes nicht vor, vgl Madaus KTS 2012, 27, 43. Madaus Insolvenzplan (2011), S 292, 296 bzw KTS 2012, 27, 36; H-F Müller KTS 2002, 209, 211 [II]; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 23; Gaul FS Huber (2006) S 1187, 1203.

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Vorbemerkungen

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des Insolvenzverwalters (§ 221 S 2) konstruktiv mit einzubinden (§§ 317–319 BGB?). Also alles in allem eine beträchtliche Anhäufung von komplizierten Spezifika, mit welchen die Vertragstheorie hier zurechtkommen muss (dieses aber zugegeben auch vermag). c) Formelkompromiss. Umstritten ist schließlich, ob es sich beim Insolvenzplan um ei- 231 nen rein materiell-rechtlichen Vertrag handele oder ob ihm darüber hinaus auch der Charakter eines Prozessvertrages zuzusprechen sei und er damit eine Doppelnatur aufweist. Namentlich Stephan Madaus negiert die Doppelnatur des Insolvenzplans vehement, da es ihm an einer prozessualen Hauptwirkung fehle; allein die Vereinigung materiell-rechtlicher und prozessualer Elemente oder die Abgabe einer Erklärung im Rahmen eines Verfahrens genügten seinem Dafürhalten nicht zur Begründung eines Prozessvertrages.395 Auf der Gegenseite stehen ua Hans Friedhelm Gaul und Horst Eidenmüller:396 Der Plan regle auch das Insolvenzverfahren im allgemeinen („opt out“) und zusätzlich im Besonderen die Besserung der Insolvenz durch zeitnahe Beseitigung ihrer Ursachen („Sanierung“). Das führt zu einer rechtsdogmatisch „biegsamen“ Kompromissformel, die schon vom Prozessvergleich (§ 794 I Nr 1 ZPO einerseits, § 779 I BGB andererseits) her geläufig ist, und leicht zugesteht, aufs „beste zweier Welten“ ohne inhaltliche Brüche zuzugreifen. 2. Rechtsinstrument sui generis. Anknüpfend an die grundsätzlich vertragliche Quali- 232 fikation des Insolvenzplanes (Rn 223–231) beschreiben Rechtsprechung397 und Teile der Literatur398 diesen als „ein spezifisch insolvenzrechtliches Instrument, mit dem die Gläubigergesamtheit ihre Befriedigung aus dem Schuldnervermögen organisiert.“ Maßgebend sei letztlich die Zwangsgemeinschaft auf Gläubigergesamtheit. Die Annahme eines Vertrages im herkömmlichen Sinne scheide aus, zumal der Wille Einzelner notfalls eben doch aufgrund Mehrheitsentscheidungen (§§ 243/244 – oder uU auch richterlichem Gestaltungsakt, § 245) überwunden werden könne.399 Das erinnert an den Beschluss im Vereins- und

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Madaus Insolvenzplan (2011), S 379 ff, 394 f bzw KTS 2012, 27, 55 f. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 13 mit Rn 14 ff und 33; FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 53; Gaul FS Huber (2006) S 1187, 1206; Flöther/Wehner ZInsO 2009, 503, 504 f; HambK/Thies InsO6 vor § 217 Rn 3; bereits altrechtlich schon eindringlich Richter ZHR 76 (1915), 112, 137 ff [B 4] – aA Madaus Insolvenzplan (2011), S 379 ff, 426 f bzw KTS 2012, 27, 53 ff. Das jetzt folgende Zitat aus BGH NJW-RR 2006, 491, 492 f {15} [II 2b] = ZIP 2006, 39 = NZI 2006, 100 = ZInsO 2006, 38 = MDR 2006, 594 [siehe auch schon OLG Jena ZIP 2002, 538, 539 {22} – Vorinstanz: „privatrechtlicher (!) Vertrag eigener Art“] und BGH NJW 2015, 2660, 2663 {26} [B II 2d bb (1)] = ZIP 2015, 1346 = WM 2015, 1291 = DZWIR 2015, 560 = KTS 2016, 221. Ferner: BAG ZIP 2013, 2268, 2269 {19} [B I 4a aa]; LAG Düsseldorf ZInsO 2014, 2378, 2381 [II 2] {58} und NZI 2014, 913, 915 [2.2.3] {58}.

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Becker InsR3 Rn 1610; Foerste InsR7 Rn 474 („Institut eigener Art“); Schiessler Insolvenzplan (1997) S 22; Dinstühler InVo 1998, 333, 344 f („Rechtsgebilde sui generis“); Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 60; Graf-Schlicker/Kebekus InsO4 § 217 Rn 4; bereits zur überkommenen Rechtslage Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 173 Rn 1e (Rechtsgebilde „eigener Art“). Siehe dazu die BGH-Nachw bei Fn 397, das „Eingeständnis“ bei RGZ 127, 372, 375 („daß der Zwangsvergleich hinsichtlich seines Zustandekommens und seiner Wirksamkeit besonderen Vorschriften folgt, bei denen öffentlichrechtliche Belange ausschlaggebend sind.“ – der Nachsatz fehlt freilich bei RGZ 152, 65, 67) sowie aus der Lit vor allem Becker InsR3 Rn 1610 und Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 60. Zum Zwangsgedanken schon eindrucksvoll bei KO-Mot S 392 = Hahn IV S 350. Wegen „Konstruktionsmöglichkeiten“ siehe zB bei Löhr ZZP 16 (1891), 335, 378 ff [VI 1–3] mit S 411 ff [VII B].

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Gesellschaftsrecht, der Archevertypung mehrseitigen Rechtsgeschäfts ist (demnach just dogmatisch kein Vertrag!), indes auch bloß die konkrete Meinungsbildung im Innenverhältnis bestimmt.400 Das fängt die Summenwirkung gleichlautender Willenserklärungen ein, erklärt bündig zudem auch die Mitbindung überstimmter (oder uU auch: schweigender) Minderheit. 233 Zwischen diesen Polen mäandert die Praxis und hält sich damit geschickt den Rückgriff auf schon bewährte vertragliche Lösungen offen, ohne sich indes in jenes konstruktive Prokrustesbett hineinzulegen (insgesamt nicht untypisch …). Prägend wirkt hierbei, die gerichtliche Beteiligung auszublenden: es gehe um bloß förmliche Kontrollbefugnisse (nicht zuletzt zum Schutze aller Überstimmten, dh ausnahmsweise unweigerlich Mitgebundenen: Beachtung von Mindestgarantien und Verfahren), nicht sachliche Gestaltungsmacht. Damit wird dann am Ende doch die privatautonome Übereinkunft der (Mehrheits-?) Beteiligten das dominierende Element des Plans401 – allerdings mit „Hintertüre“. Der Plan sei eben am treffendsten [?] als eigenes Rechtsinstitut sui generis zu qualifizieren,402 auf welches – je nach Sachlage – sowohl die Regelungen des materiellen Rechts403 als auch des Verfahrensrechts,404 wenn erforderlich, anwendbar sind. Das schafft die offenkundig gewünschte Flexibilität und vermeidet Festlegungen im Vorhinein.

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3. Verfahrenstheorie. Das Gegenstück zu den Vertragstheorien (Rn 223–233) stellt die Verfahrenstheorie dar, die auf Dieter Leipold zurückgeht: der rechtskräftig bestätigte Insolvenzplan als Endresultat ist ausschließlich privatrechtsgestaltender Verfahrensakt.405 Diese Deutung steht in der Tradition der mittlerweile nicht mehr vertretenen Urteilstheorie,406 nur rückt sie davon aus offensichtlichen terminologischen (arg § 252 I S 1 Hs 1: „Beschluß“) sowie vor allem starken konstruktiven Gründen ab. Denn im Unterschied zu einem den Streit zwischen bloß idR zwei [!] Parteien entscheidenden Urteil sei das Insolvenzplanverfahren ein „Massenverfahren“ und dazuhin praktisch von Elementen des Konsenses geprägt. Der Plan erscheint uno actu daher auch als parteiautonom gestalteter Verfahrensakt. Denn legte man den Akzent ausschließlich auf die abschließende Willensbildung des Gerichts, würde dieser Punkt (also der Weg zum Ziel, dh die Formulierung des Endresultats) ohne weitere Beachtung bleiben,407 was letztendlich kaum sachgerecht wäre. 235 Eine einseitig vertragliche Qualifikation des Insolvenzplanes habe demgegenüber deshalb auszuscheiden, weil der Insolvenzplan auch gegen den Widerspruch des Gemeinschuldners (§ 247) oder einzelner Gläubiger (§§ 243–245) zustande kommen könne und es

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Das sieht recht klar Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 81 („Beschluss“), begrifflich anders fokussiert jedoch Rn 80 („mehrseitige Verwertungsvereinbarung“) bzw Rn 82 („herbeizuführenden Verwertungsvertrag“) – jedoch immer aber mit ausschließlich wirkendem Gläubigerbezug (Rn 77 f). Dagegen steht auch nicht die Anleihe bei § 2032 ff (Rn 82) – dort handeln Schuldner, hier agieren Gläubiger. Schiessler Insolvenzplan (1997) S 21 f. Schiessler Insolvenzplan (1997) S 22; Dinstühler InVo 1998, 333, 344 f. Wie beispielsweise zur Auslegung des Insolvenzplans (dazu Rn 242: §§ 133/157 BGB):

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BGH NJW-RR 2006, 491, 492 f {15} [II 2b] = aaO (Fn 397) und BGH NJW 2015, 2660, 2663 {26} [B II 2d bb (1)] = aaO (Fn 397). Dinstühler InVO 1998, 333, 345; Becker InsR3 Rn 1610. Leipold KTS 2006, 109, 122 ff [VIII]; ähnlich zur alten Rechtslage Bötticher ZZP 86 (1973), 373, 391; ebenfalls eine verfahrensrechtliche Qualifikation befürwortend Smid/ Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 7.8; anders noch Smid/Smid/Rattunde InsO2 § 217 Rn 74. Siehe die Nachw oben Rn 210 mit Fn 342. Leipold KTS 2006, 109, 122 [VII].

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

damit an allemal unverzichtbaren Vertragselementen mangele.408 Zwar sei es unter Berücksichtigung der maßgeblichen Interessen zu rechtfertigen, dass ein Insolvenzplan auch ohne bzw gegen den Willen des Schuldners (sowie zudem als Folge eines Mehrheitswillens) zustande komme; dies ersetze indes nicht das Grundsatzerfordernis korrespondierender Willenserklärungen.409 Ein Insolvenzplan sei schlussendlich deshalb immer das „Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens“.410 Im Unterschied zu der Deutung als Rechtsform sui generis (Rn 232 f), die lediglich ne- 236 gativ abgrenzt (kein Vertrag!), gelingt Dieter Leipold positiv, die Lücke zu füllen (was denn statt dessen?). Den einheitlichen rechtlichen Geltungsgrund – bei Zustimmenden wie Dissentern (wegen diesen siehe § 254b) – bilde erst der in der Bestätigung liegende gerichtliche Ausspruch als Hoheitsakt.411 Die Wirkung der Bestätigung, die die Geltendmachung von Willensmängeln – im Gegensatz zur früheren Rechtslage412 – ausschließt (dazu Rn 244), dränge dabei noch die Bedeutung der Privatautonomie weiter zurück und führe folgerichtig damit zur verfahrensrechtlichen Qualifikation.413 Dies stelle auch den wesentlichen Unterschied zum Prozessvergleich dar, weil in diesem Fall nun gerade keine gerichtliche Entscheidung über den Inhalt der Parteieinigung ergehe414 (ein Sonderfall ist sicherlich § 1053 I S 2 ZPO). Da der gerichtlich bestätigte Insolvenzplan in die privatrechtlichen Beziehungen eingreife, stelle er sich allein öffentlich-rechtlich, und zwar als privatrechtsgestaltender Verfahrensakt dar.415 4. Rechtsnormierung sui generis. Auch Eike Happe votiert für eine öffentlich-rechtli- 237 che Qualifikation des Insolvenzplanes, ordnet diesen jedoch nicht als richterlichen, sondern als legislativen Akt, als Rechtsnorm eigener Art ein.416 Primär kraft § 1 S 1 Hs 2 iVm § 217 würde hier Normsetzungsmacht auf Private delegiert,417 die in einem formalisierten, der Gesetzgebung ähnlichen, Verfahren (§§ 218 ff) den maßgebenden Insolvenzplan beschließen.418 Der Insolvenzplan stelle damit eine von Privaten gesetzte Rechtsnorm dar, die vor Eintritt ihrer Wirksamkeit einer gerichtlichen Präventivkontrolle unterworfen sei.419 Der parlamentarische Verfahrensablauf ist zugegeben schöner Vergleich, aber vielleicht doch nicht Erklärung genug. Andere, näherliegende Bilder, wie etwa das „Subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis“ (Bucher) sowie vor allem arbeitsrechtliche Kollektivverträge mit Normcharakter (TVG)420 treten demgegenüber zurück. Zudem: schließlich kommt

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Leipold KTS 2006, 109, 119, 122 [VII]. Leipold KTS 2006, 109, 119, 122 [VII]. Leipold KTS 2006, 109, 119, 122 [VII]. Leipold KTS 2006, 109, 125; aA Madaus Insolvenzplan (2011), S 329 f; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 20. Vgl § 196 KO bzw § 69 VglO. Leipold KTS 2006, 109, 121 f [VII]. Leipold KTS 2006, 109, 125 [VIII]. Leipold KTS 2006, 109, 125 [VIII]. Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 115, 218. Ein Vorläufer ist womöglich Löhr ZZP 16 (1891), 335, 376 ff [VI/ VII]: Bindung der Konsenter per Vertrag, der Dissenter hingegen mittels Gesetz – nur wird damit dann das Bestreben einheitlicher Konstruktion hinfällig. Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 171 ff.

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Vgl auch Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 18.16; Smid DZWIR 2011, 446, 447. Diese kann mit vertraglichen Regelungen einhergehen, wenn Rechtsfolgen herbeigeführt werden sollen, die den Bereich der gesetzlich eingeräumten Rechtssetzungsbefugnis überschreiten, zB §§ 218, 225a, vgl Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans, S 218. Gegen den „Quasi-Normencharakter“ (AGB-ähnlich) en passent BGH NJW-RR 2006, 491, 493 {16} [II 2b] = ZIP 2006, 39 = NZI 2006, 100 = ZInsO 2006, 38 = MDR 2006, 594, zust FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 45 aE – freilich insoweit mit falscher Prämisse (arg § 254b): Einigungszwang (Var 2) und Drittwirkungen (Var 1) sind ganz „real“.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

auch Happe doch nicht an der Notwendigkeit richterlicher Bestätigung (§ 248) vorbei, welche sich hier zuerst nicht so recht ins gewählte Bild einfügt. 238 Diese Sichtweise vermeidet, durch eben das Abstellen auf Mehrheitsentscheidungen als maßgebend, im Ansatz Konflikte mit der Durchbrechung des Konsensprinzips, der sich die Vertragstheorien naturgemäß zu stellen haben. Die Bestätigung des Insolvenzplanes beschreibt sie als staatliche Kontrolle der privaten Normsetzung, welche als ein „wesentliches Legitimationselement der weitreichenden Bindungswirkung“ erforderlich sei, um eine Verletzung grundrechtlich geschützter Positionen der Minderheit auszuschließen421 und damit – ebenso wie die Verfahrensregelungen über die Ausformulierung, Erörterung sowie Abstimmung des Insolvenzplanes – der Kontrolle der Mehrheitsmacht diene422 (quasi also die Kontrolle der „Legitimation durch Verfahren“ [Luhmann]). Die Krux, sich am Ende doch einer stilprägenden Seite anzuvertrauen, bleibt demnach nicht erspart. Happe betont stärker den Verfahrensgang („Normsetzung“), man könnte ebenso gut jedoch den Schlusspunkt (als Rechtsgrund der „Normwirkung“) hervorheben; immerhin freilich wird eine Synthese versucht. III. Konsequenzen

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Richtigerweise können Theorien und Dogmen kein Selbstzweck sein, sondern sie sind immer bloß Prüfsteine systemkonformer Einpassung – ohne freilich Anspruch auf absolute Geltung! Diesem Theorieverständnis (siehe auch schon Rn 220 sowie noch unten Rn 252) kommt man am besten nahe, wenn man die Kärrnerarbeit der Analyse von Einzelfragen auf sich nimmt und dabei die gebotenen Erklärungsmodelle auf Praxistauglichkeit überprüft, so wie das etwa Wolfram Henckel gleichsam monographisch für die Rechtsstellung des Konkursverwalters vorexerziert hat (siehe dazu bei Voraufl § 6 KO Rn 10–164). Und gewiss ist auch die Frage nach der Rechtsnatur des Insolvenzplans keineswegs nur von theoretischem Interesse, ihr kommt eine nicht zu leugnende praktische Bedeutung zu.423 Aber mehr noch: ein stabiles dogmatisches Fundament ist unerlässlich, um die Rechtsordnung konsistent weiterzuentwickeln und Fallgestaltungen, die keine (eindeutige) legislative Regelung erfahren haben, einem gerechten und vorhersehbaren Ergebnis zuzuführen. Sieben zentrale Problemfelder sind insoweit anzusprechen:

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1. Erklärungsakt. Fraglich ist zunächst die Fassung des Erklärungsakts als solchem: Willenserklärung oder Prozesshandlung? Das spiegelt die Probleme von Auslegung (Rn 241–243) und Anfechtung (Rn 244), setzt aber schon rechtsdogmatisch eine Stufe früher an und wirkt als quasi ein Sammelbecken möglicher Problemfälle. Hierbei fällt auf, dass am Ende die Rechtspraxis, wenn es denn „zu einem Schwur kommt“, bereits unter altem Recht die bürgerlichen Anleihen lieber doch beiseiteließ; war noch einst zwar auf § 116 S 1 BGB einmal zurückgegriffen worden,424 sind doch alle Folgeentscheidungen inhaltlich

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Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 174, 212. Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 174, 212. Madaus KTS 2012, 27, 28, 58; Leipold KTS 2006, 109, 126 [IX]; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 7.7; Gaul FS Huber (2006) S 1187, 1191; H-F Müller KTS 2002, 209, 210 [I]; HK/Haas InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 9; Happe Rechtsnatur des Insolvenzpla-

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nes (2004), S 1; zur überkommenen Rechtslage, vgl Jaeger/Weber KO8 § 173 Rn 5; aA Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus/Pape InsR2 Kap 38 Rn 13; Schiessler Insolvenzplan (1997), S 22; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 59 aber Rn 61. RGZ 77, 403, 405. Der weitere Hinweis auf §§ 126/128 BGB (Formvorgaben: Rn 249) möchte keinesfalls passen.

Joachim Münch

Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

deutlich reserviert gehalten: Unanwendbarkeit von Vertretungsrecht425 (§§ 164 ff BGB); Überspielen des Erfordernisses vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung426 und – schon zum Planverfahren – vor allem die Unanwendbarkeit der Regelung zur Teilnichtigkeit427 (§ 139 BGB). Und hier wirft auch die Vertragstheorie mehr Fragen auf, als sie letztlich beantworten vermöchte. Denn abseits ausdrücklicher Planregelung bleibt regelmäßig offen, auf wessen (hypothetischen, fingierten?) Willen zur Entkräftung der gesetzlichen Vermutung abzustellen ist, insbesondere wenn und weil die Beteiligten dem Plan gar mehrheitlich widersprechen.428 2. Auslegung. Weitgehend besteht Einigkeit, dass bezüglich der Auslegung der Titel- 241 funktion des Insolvenzplans (§ 257 I S 1, dort Rn 20 iVm Rn 3429) adäquat Rechnung zu tragen ist und demnach beschränkende Sachkriterien greifen. Insoweit gelten dann prioritär vollstreckungsrechtliche Kriterien (Bestimmtheitserfordernis!430 – Näheres siehe bei § 221 Rn 72–79). Wie auch jeder andere Vollstreckungstitel ist der Insolvenzplan aus sich selbst heraus auszulegen, ergänzend vermag man alleinig offenkundige Umstände heranzuziehen.431 Das führt zu einer weitgehenden Orientierung am verwendeten Planwortlaut (scil dem gestaltenden Teil iSv § 221 S 1). Man konzediert hier allerdings ein Rückgreifen auf die Erläuterung (scil den darstellenden Teil iSv § 222)432 – so wie man beim Urteil neben dem Tenor die Gründe auch berücksichtigen kann (zu dem Bild näher § 219 Rn 17). Ähnliches gilt sinngemäß zu Rechtserklärungen im Grundbuchverfahren433 (arg § 228 S 2). Hier unterliegt jede Auslegung allgemeinen Schranken, Pläne erfahren insoweit keine Begünstigung. Betreffend sonstiger Regelungen, dh solcher ohne vollziehbaren Inhalt, rekurrieren so- 242 wohl Rechtsprechung434 wie naheliegend die Verfechter der Vertragstheorie435 auf §§ 133/

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RG WarnR 4 (1911) Nr 353 S 394/395; RGZ 119, 391, 395 bemühte dann dagegen § 185 BGB [?]. RGZ 152, 65, 70/71 (wohl anders freilich früher noch RGZ 122, 361, 364). BGH NJW 2015, 2660, 2663/2664 {27} [B II 2d bb (2)], näher dazu jüngstens noch Thöne KTS 2018, 151, 173 f [E IV]. Vor diesem Hintergrund negiert die Rspr die Anwendbarkeit des § 139 BGB, vgl BGH NJW 2015, 2660, 2663 f {27} [B II 2d bb (2)]. AA Madaus Insolvenzplan (2011), S 383 ff mit KTS 2012, 27, 56, der den Plan nicht als Vollstreckungstitel ansieht. Siehe zur Konkretisierung näher bei Münch Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch [PA 72] (1989), S 282 ff [§ 11 III 1] mit Stürner/Münch JZ 1987, 178, 181 ff [IV]. Statt (fast) aller Baur/Stürner/Bruns ZVR13 (2006) Rn 13.3; Stein/Jonas/Münzberg ZPO22 vor § 704 Rn 26 ff; Rosenberg/Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard ZVR12 Rn 43.10 mwN. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 51; siehe auch Nerlich/Römermann/

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Braun InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 84, welcher nicht zwischen vollstreckbarem und nicht vollstreckbarem Planinhalt unterscheidet. Statt (fast) aller Soergel/Stürner BGB14 § 873 Rn 20 mwN; Staudinger/Gursky BGB (2012) § 873 Rn 269; Wilhelm Sachenrecht5 Rn 553. BGH NJW-RR 2006, 491,493 {16} [II 2b] = ZIP 2006, 39 = NZI 2006, 100 = ZInsO 2006, 38 = MDR 2006, 594 [siehe auch schon OLG Jena ZIP 2002, 538, 539 {22} – Vorinstanz]; NJW-RR 2018, 817, 818 {18} [III 2b aa]; OLG Frankfurt/Main, U v 20.10.2014 – 23 U 1/14 [II] {28}; BGH NJW 2015, 2660, 2663 {26} [B II 2d bb (1)]; OLG Schleswig ZInsO 2017, 1554, 1555 [II 1.2.2] – Konsequenz: beschränkte revisionsrechtliche Überprüfung! (BGH NJW-RR 2006, 491, 493 {17} [II 3 vor a]). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 50, 52; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 84; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 217 Rn 6; Madaus NZI 2015, 702, 703; H-F Müller KTS 2002, 209, 213 [II].

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Sechster Teil. Insolvenzplan

157 BGB (obgleich Prozessverträge durchaus eigenen Regeln folgen könnten …). Danach gibt es kein Verbot der Auslegung im Nachgange436 (erläuternde, aber wohl auch ergänzende), und es ist ausgehend vom Willen des Erklärenden darauf abzustellen, wie die konkrete Regelung von den übrigen Beteiligten vernünftigerweise verstanden werden kann und muss (sog objektivierter Empfängerhorizont437); eine Auslegung nach dem „objektiven Erklärungsbefund“, wie sie bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften und Satzungen von Körperschaften stattfindet, wird bezüglich Insolvenzplänen abgelehnt.438 Erst recht scheidet natürlich die subjektiv anknüpfende Auslegung aus, welche auf die Vorstellung des Erklärenden (somit also des Planverfassers) abhebt. Maßgebend ist der Planinhalt,439 mit Priorität konsequenterweise derjenige des § 221440 (und hilfsweise des § 220). Man sollte trotz allem immer jedoch natürlich selbst proaktiv für Klarheit sorgen (siehe vor allem § 221 Rn 65–69)! Widersprüche zur hoheitlich geprägten Verfahrenstheorie ergeben sich aber hieraus – entgegen eines ersten Scheins – bei einem genauen Hinsehen nicht zwingend (dazu Rn 243). 243 Auch eine verfahrensrechtliche Betrachtung kann eine „weitgreifendere“ Auslegung gewährleisten, wenn und weil sie keinen vollstreckbaren Inhalt behandelt (hierzu besteht aber bereits ja Einigkeit: Rn 241). So mag man etwa zur Feststellung des Umfangs der Rechtskraft in einem Folgeprozess neben Tenor und Motiv zudem auf entschiedenen Falltatbestand und Parteivorbringen zurückgreifen;441 darüber hinaus untersteht ebenso jedes Prozessverhalten (richterliche Aufklärung [§ 139 I ZPO] vorbehalten) der Auslegung unter Rückgriff auf §§ 133/157 BGB.442 Größere Friktionen zwischen beiden Theorien können rechtspraktisch also ausgeschlossen werden. Und sogar die durch die Normtheorie443 erzielten Ergebnisse liegen hierzu nicht unvermeidlich im Widerspruch, wenn im Rahmen historischer und teleologischer Erwägungen auch das individuelle Parteiverständnis in die Auslegung der konkreten Regelung einfließt.

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3. Willensmängel. Die Geltendmachung von Willensmängeln durch Anfechtung der irrtumsbehafteten Zustimmungen zum vorgelegten Insolvenzplan scheiden nach allge436 437

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BGH NJW-RR 2006, 491, 492 {9} [II 2a] = aaO (Fn 434). Dieses wären Andere, somit am „eigentlichen“ Zustandekommen des Planes Beteiligte (Gläubiger, Absonderungsbefugte, Anteilsinhaber, Schuldner); diejenigen, die den Plan (auch) beschlossen haben („Vertragspartner“) – vgl Larenz/Wolf BGBAT9 Rn 28.6, 15 ff – jetzt: Wolf/Neuner BGB-AT10 § 35 Rn 7 ff, 26 ff bzw OLG Schleswig ZInsO 2017, 1554, 1555 [II 1.2.2]. BGH NJW-RR 2006, 491, 493 {16} [II 2b] mwN mit S 492 {8} [II 2 vor a = aaO (Fn 434). Nicht etwa die Zusammenfassung iSv § 235 III S 2 Var 2): BGHZ 199, 344, 349 {18} [II 1a cc (1)]. Völlig richtig insoweit LG Berlin ZInsO 2012, 326, 327 {35–37} – dies liegt auch BGHZ 199, 344, 348 f {16} [II 1 a bb] zugrunde. BGH NJW 2008, 2716, 2716 f {13}; 1987, 371; 1983, 2032; Zöller/Vollkommer ZPO31

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vor § 322 Rn 31; MünchKomm/Gottwald ZPO5 § 322 Rn 86; HK/Saenger ZPO7 § 322 Rn 23; vgl auch Rosenberg/Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard ZVR12 § 43 Rn 10. Grundlegend Baumgärtel Wesen und Begriff der Prozeßhandlung … (1957), S 114 f [§ 14] und G Wagner Prozeßverträge [JP 33] (1988), S 291 f; vgl zudem Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 Rn 277; MünchKomm/ Rauscher ZPO5 Einl Rn 409; Rosenberg/ Schwab/Gottwald ZPR17 § 65 Rn 22. Vgl Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 255 f: „Ausgangspunkt ist demnach der Wortlaut zunächst des gestaltenden Teils des Plans, ergänzt durch systematische Erwägungen, vor allem aber durch die dem darstellenden Teil zu entnehmenden Vorstellungen des Planverfassers und die teleologische Auslegung anhand des Planziels, das ebenfalls im darstellenden Teil Ausdruck findet“.

Joachim Münch

Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

meiner Auffassung – zumindest nach erfolgter Bestätigung – aus.444 Während die einer öffentlich-rechtlichen Qualifikation zuneigenden Ansichten von einer grundsätzlichen Unanwendbarkeit der §§ 119 ff BGB ausgehen (folgend dem Ausschluss der Anfechtung von Prozesshandlungen445), erreichen die Vertragstheorien, die auf der Annahme korrespondierender Willenserklärungen446 und damit der Anwendbarkeit der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre gründen (die aber nicht zwingend gleicherweise auch Prozessverträge ergreift!447), dieses Ergebnis durch eine teleologische „Korrektur“: Zweck des Bestätigungsverfahrens ist gewiss (dazu § 248 Rn 8 f), Rechtsklarheit zu gewährleisten, dh es bleibt nur die finale Möglichkeit, Einwände gegen das Zustandekommen des Planes per persönlicher sofortiger Beschwerde (§ 253 I) vorzubringen.448 Analoges gilt im Sonderfall des relevanten Vergleichsirrtums (§ 779 I BGB).449 4. Planrücknahme/-änderung. Die Antworten auf die Frage nach dem letzten Zeit- 245 punkt einer zulässigen Planrücknahme (Näheres: § 218 Rn 105–109) fallen allemal – gar innerhalb der einzelnen Meinungsgruppen – äußerst disparat aus (insb § 218 Rn 107). Jene scheinen also stärker ergebnisorientiert bedingt und nicht so stark von konstruktiver Einordnung vorgezeichnet. Das breite Spektrum reicht von restriktiven Ansätzen, die eine Rücknahme ausschließlich bis zum Zeitpunkt des Beginns450 bzw Endes451 des Abstimmungstermins zulassen, über die Maßgeblichkeit der gerichtlichen Bestätigung gem § 248 als Endfixpunkt452 bis hin zur äußerst großzügigen Ansicht, selbst noch danach Rück-

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RGZ 57, 270, 271 f mit Hinweis auf KOMot S 426 = Hahn IV S 377/378 („darf der für alle gewonnene Rechtszustand des sicheren Fortbestandes nicht entbehren“ [Zitat: S 378]), best RGZ 127, 372, 374 f; 152, 65, 67; auch künftighin noch lesenswert Richter ZHR 76 (1915), 112, 134–137 [B 3b/c] – ferner: BFH NZI 2018, 610 {10} [II 1] = DZWIR 2018, 438, 439; Hess InsO2 § 217 Rn 12; H-F Müller KTS 2002, 209, 212 f [II]; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 37; Madaus Insolvenzplan (2011), S 408; weitergehend Nerlich/Römermann/Braun InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 83 („alle Willenserklärungen der Beteiligten im Planverfahren“); Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 233 („Erklärungen [sind] nicht mehr anfechtbar, sobald der Beschluss zustande gekommen ist.“); Leipold KTS 2006, 109, 126 [IX]; Thöne KTS 2018, 151, 163 [D II]. Dazu Baumgärtel Wesen und Begriff der Prozeßhandlung … (1957), S 115–118 [§ 15]; Orfanides Die Berücksichtigung von Willensmängeln im Zivilprozeß [PA 54] (1982), S 1–22 [§§ 1/2] – indes abw P Arens Willensmängel bei Parteihandlungen im Zivilprozeß (1968), passim. Dies gilt in gleichem Maße für die Annahme der Maßgeblichkeit eines (gesellschaftsrechtsähnlichen) Gläubigerbeschlusses (vgl oben bei

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Fn 438), da auch in diesem Fall die allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre zur Anwendung gelangen, vgl MünchKomm/ Schäfer BGB6 § 709 Rn 52 mit 74; BeckOK-BGB/Schöne (Stand: 01.05.2018) § 709 Rn 30. G Wagner Prozeßverträge [JP 33] (1988), S 293 ff, der jedoch allgemein (zutreffenderweise) vertragstypenspezifische Differenzierungen anerkennt. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 37; Madaus Insolvenzplan (2011), S 408; H-F Müller KTS 2002, 209, 212 f [II]. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 47. HK/Haas InsO9 § 240 Rn 12; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 145, 150 ff, 153; Schiessler Insolvenzplan (1997), S 153; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 235 Rn 17; ebenso Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 225 f in Anlehnung an die Rücknehmbarkeit eines Rechtsnormvorschlages. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 49. Hess InsO2 § 217 Rn 12; ebenso Madaus KTS 2012, 27, 57 f, sofern nicht bereits alle Beteiligten im Abstimmungstermin zugestimmt haben, andernfalls scheide eine Bindung bereits ab dem Zustimmungstermin aus.

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nahme und Anpassung bis zum jeweiligen Rechtskrafteintritt zuzulassen453 oder sogar selbst hernach.454 Hier scheint eher demnach dogmatische Grundlegung erforderlich (Rn 246). – Abzugrenzen ist die Fragestellung von der allgemeinen Möglichkeit für den Antragsteller, vor voller Beendigung des Verfahrens seinen Insolvenzantrag – wieso auch immer – zurückzunehmen (dazu § 13 Rn 40–47), das berührt das Insolvenzverfahren als solches und also nicht bloß das Planverfahren. 246 Vorab muss man zwar sehen, dass statt des Plans (als „fertiges“ inhaltliches Ergebnis) es sich hier um „bloße“ Initiativrechte des Planverfassers (§ 218 I S 1) dreht. Die Planvorlage als solche wird jedoch einhellig als unmittelbare Prozesshandlung qualifiziert (siehe auch bei § 218 Rn 22), ohne dass hier die Rechtsnatur des „Endprodukts“ eine Rolle spielt. Naheliegend ist also daran anzuknüpfen:455 die Vorlage ist demnach Erwirkungshandlung (siehe auch bei § 218 Rn 21). Das ermöglicht interessengerechte Ergebnisse. Denn diese kann immer soweit widerrufen werden, als keinerlei schutzwürdige Interessen entgegenstehen456 – das ist abhängig von der konkreten prozessualen Situation. Mit Blick auf den Kosten- und Zeitaufwand, der mit der Durchführung eines Insolvenzverfahrens und der Vorbereitung auf den Abstimmungstermin gem § 235 InsO unweigerlich verbunden ist, sollte man solche ureigene Schutzwürdigkeit mit Beginn des Abstimmungstermins annehmen (siehe auch bei § 218 Rn 106 aE, 108 zA),457 so dass danach Planrücknahme immer ausscheidet und auch meist Planänderung (jenes aber nur vorbehaltlich von Sonderregeln: §§ 221 S 2, 240). 247 Eine Frage am Rande: Soll und kann man denn Rücknahme und Änderung überhaupt gleichbehandeln? Rücknahme betrifft das „Ob“ der Regelung – deshalb erscheinen Grenzen angebracht (Rechtssicherheit!), Änderung ist aufs „Wie“ gerichtet und wird weniger restriktiv gesehen (arg § 263 ZPO: Sachdienlichkeit bzw § 264 ZPO) – unbeschadet des Umstandes, dass uU eine parallele Teilrücknahme vorliegen kann … Dies erklärt dann einfach, wieso denn zur Rücknahme absolute Schranken bestehen (Zeitgrenze: Rn 246 aE), für eine Änderung aber ein milderes Maß eingreift bzw relative Grenzen insoweit genügen: § 240 S 1 gestattet im Interesse der Sachdienlichkeit nachträgliche Plananpassung (bis zu der Einleitung der Abstimmung; bei Bewahrung des „Plankerns“ [§ 240 Rn 10 ff] – Sachgrenze). Das passt gut somit zur prozessual vertrauten Nomenklatur und erklärt die Divergenz der „Zeitfenster“; § 221 S 2 Var 2 iVm § 248a erfährt sein Pendant hingegen eher woanders (§ 319 ZPO bzw § 221 Rn 108) – dessen Korrekturbefugnis reicht sogar über den Rechtskrafteintritt und den Verfahrensabschluss hinaus.

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5. Widerruflichkeit der Planzustimmung. Ein Widerruf der Planzustimmung scheidet nach sämtlichen Ansichten aus.458 Für die Vertragstheorie ist das bloße Konsequenz der generellen Bindungswirkung eines Vertragsantrags (§ 145 Hs 1 BGB) – „Selbstbindung“

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 218 Rn 15; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 41; HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 15. AG Frankfurt/Oder DZWIR 2006, 87; bei Zustimmung der Gläubigerversammlung: BGH ZInsO 2009, 2113, 2114 {2 f}; Paul ZInsO 2010, 1134, 1135. Ebenso MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 144 f; Thöne KTS 2018, 151, 164 [D III]. Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 Rn 308, 311; Zöller/Greger ZPO32 vor § 128 Rn 22.

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Thöne KTS 2018, 151, 164 [D III]; aA Madaus KTS 2012, 27, 34; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 218 Rn 15, der es jedoch versäumt, auf die allgemeinen, für Prozesshandlungen entwickelten Regeln einzugehen. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 41 (Vertragstheorie); Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 245 (Normtheorie). Wegen § 116 S 1 BGB siehe RGZ 77, 403, 405.

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Vorbemerkungen

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kraft Parteiautonomie –, ergänzt durch die Erwägung, dass im Rahmen des Planverfahrens aus Gründen der Rechtssicherheit keinerlei Ausschlussmöglichkeit (§ 145 Hs 2 BGB) existiert;459 für die Verfahrenstheorie ist ausschlaggebend, dass es sich bei der Zustimmung, ähnlich Planvorlage bzw -rücknahme und -veränderung als Ausformung eines actus contrarius (Rn 246), um eine Prozesshandlung in Gestalt einer Erwirkungshandlung handelt, mit Beginn des Abstimmungstermins bereits eine schutzbedürftige Rechtsposition der übrigen Beteiligten entstanden ist (dazu § 218 Rn 104) und daher ab jetzt ein späteres einseitiges Abändern ausscheidet. Das Zustimmen wird behandelt wie bereits die Vorlage – beides wirkt hier als notwendiges (nicht unbedingt auch hinreichendes) Erfordernis für die erforderliche gerichtliche Bestätigung (§ 248). Signifikant ist zwar der Unterschied, dass eine Art prozessualer Kollektivakt erforderlich ist – aber: Prozesshandlungen sind nicht zwingend isoliert vorzunehmen, sondern können auch in parallele Erklärungen einmünden, die einen solchen kumulativ gebildeten Gesamtakt ausformen.460 6. Formerfordernisse. Was die Formerfordernisse angeht, existiert nur scheinbar ein 249 wirklicher Grund zur Verwirrung: gelten bürgerlich-rechtliche Gebote, Formlosigkeit für Prozessverträge (jenseits besonderer Vorgaben: §§ 38, 1031 ZPO461) oder Anforderungen des Verfahrensrechts? Dazu hat sich der Gesetzgeber klar positioniert – zugunsten des Vorranges prozessualer Betrachtung. Dass der Plan die prozessuale Form (Verfahren [§§ 218, 222, 231–232, 234–236, 239–243, 248] bzw Resultate [§§ 244–247, 254 I]) einzuhalten hat, versteht sich geradezu von selbst natürlich, dass er auch die materielle Form miterfüllt,462 das folgt aus § 254a I und II („[Erklärung/Beschluß] in der vorgeschriebenen Form abgegeben“) bzw § 925 I S 3 Var 2 BGB („[Auflassung] in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan erklärt“). Und nur dadurch ist der Einigungsakt (nicht auch der Publizitätsakt!) zur Abänderung dinglicher Verhältnisse (§ 228 S 1, dort Rn 22) erreichbar. 7. Leistungsstörungen. Die Folgen der – dauerhaften oder zeitweiligen – Nichterfül- 250 lung der Planverbindlichkeiten sind – letztendlich nicht abschließend – in § 255 geregelt, insgesamt aber auch bloß mittelbar: andere eröffnete Vergünstigungen (Stundung, Erlass) werden hinfällig, wenn und weil der Gemeinschuldner mit der Planerfüllung „erheblich in Rückstand gerät“ (§ 255 I S 1); dies verlangt Fälligkeit, weitere schriftliche Mahnung und eigene Nachfrist463 (§ 255 II S 2, dort Rn 16 ff; alternativ: Insolvenzeröffnung, § 255 II, dort Rn 29 ff). Das besagt zweierlei: die Wirksamkeit des Planes bleibt als solche zuerst unberührt, und Durchsetzbarkeit von Primäransprüchen ist weiterhin gewährleistet (§ 257 I). Man kann (und muss) alle von § 255 nicht eigens erfassten Störungen durch normales 251 (BGB-) Leistungsstörungsrecht abdecken.464 Das ist für die Vertragstheorie natürliche, unmittelbare Konsequenz, steht aber auch nicht in Widerspruch zu der gezielt verfahrens-

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 41. Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 Rn 249, 251 f. Näher dazu siehe G Wagner Prozeßverträge [JP 33] (1988), S 287–291. Beispielsfälle: BGHZ 69, 260, 263 ff [3/4]; 202, 168, 175–180 {13–19} [II 3] (Schiedsstreit über Immobilien), siehe dazu Münch FS Klamaris (2016) S 525, 535–543. Näheres siehe bei BT-Drucks 12/2443 S 212 re. Sp. [InsO] bzw BT-Drucks 12/3803 S 79

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li. Sp. [EG InsO]. Leider einst unklar RGZ 77, 403, 405. Mindestens: zweiwöchig. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 17; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 54; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO57 § 255 Rn 3; Dinstühler InVo 1998, 333, 342; HK/Haas InsO9 § 255 Rn 2 – aA Braun/Braun/Frank InsO6 § 255 Rn 1.

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rechtlichen Deutung. Mit Beendigung des Verfahrens (§§ 258 I, 259 I: Aufhebung) „mutiert“ der Gemeinschuldner zum normalen Vollstreckungsschuldner, der dann auch unter gewohntes Regelwerk fällt (mit Einschluss von § 292 BGB und §§ 510b, 893 ZPO). Nicht anwendbar indes sind die Spezialvorschriften zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) und ebensowenig das Sonderkündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen (§ 314 BGB). §§ 248–253 vermitteln hier eine verstärkte Bestandssicherheit – durchaus auch im Angesicht des Scheiterns der Sanierung (welche das typische Risiko ist). Hier bleibt also allein, ein neuerliches Insolvenzverfahren einzuleiten (vgl insoweit § 255 II). Eine Aufhebung des Planes kann mithin nach überwiegender (und zutreffender) Ansicht nicht begehrt werden.465 Die Linien verlaufen jedoch nun einmal genau anders herum: die Vertragstheorie muss umständlich teleologisch reduzieren, die Verfahrenstheorie kann aus sich heraus schöpfen.

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8. Zusammenfassung. Trotz starker Divergenz im konstruktiven Ausgangspunkt gelangen Vertrags- und Verfahrenstheorie oftmals zu weithin identischen praktischen Ergebnissen.466 Das spricht für enormen Pragmatismus – von beiden Seiten aus. Die Vertragstheorie scheut nicht davor zurück, aufgrund systematischer und teleologischer Abwägung „unpassende“ bürgerlich-rechtliche Vorschriften auszusieben, die Verfahrenstheorie kommt nicht umhin, grundlegende bürgerlich-rechtliche Vorschriften miteinzuweben (so wie es schon die Lehre bei Prozesshandlung und Prozessverträgen tut). Es scheint wie zumeist: alle Erkenntnis liegt dazwischen. Das indes entbindet nicht, die dogmatische (Grund-) Konstruktion aufzuklären. Schwierig nämlich bleibt stets hier, die maßgeblichen Wertungskriterien im Anwendungsfalle festzulegen, für alte wie neue Streitfragen (für letztere freilich dringlicher …), und abseits eventueller legislativer Vorgabe (die immer Vorrang erheischt!) Fälle zu lösen. Es geht (iSv Rn 238 iVm 220) also um behutsame Sicherstellung homogener Rechtsfortbildung in Form bündig begründeter nachvollziehbarer Ergebnisse für das Rechtsinstitut wie den Anwendungsfall (Rn 253–270). IV. Stellungnahme

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1. Ausgangspunkt. Das Insolvenzplanverfahren weist nicht zu leugnende Elemente der Privatautonomie auf. Dies vermag allein eine vertragliche Einordnung des Insolvenzplans jedoch nicht per se konstruktiv zu rechtfertigen. Will man den Insolvenzplan als Vertrag – sei es als rein materiell-rechtlichen Vertrag (Rn 226–230), sei es als Vertrag mit Doppelnatur (Rn 231) – einordnen, muss man auch dessen Zustandekommen bündig erläutern können. Dies erfordert eine überzeugende Darlegung des Vorliegens übereinstimmender Willenserklärungen (arg § 151 S 1 Hs 1 BGB) unter Einbeziehung der Besonderheiten des Insolvenzrechts (vgl §§ 235–253 InsO – immerhin eigener Abschnitt: „Annahme und Bestätigung des Plans“ – autonome – abschließende [?] – Regelung).467

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Eine bis ins Letzte lückenlose Darlegung des Vertragsschlusses bleiben die Vertreter der Vertragstheorie indes schuldig (siehe auch schon oben Rn 225–230). Es gibt zwar

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO57 §255 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 18; Becker InsR3 Rn 1688; Braun/Braun/ Frank InsO6 § 255 Rn 1; K Schmidt/Uhlenbruck/Vallender Die GmbH in der Krise, Sanierung und Insolvenz5 Rn 8.232; aA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 54.

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Siehe auch Thöne KTS 2018, 151, 166 [D VI]. Hierzu jüngst Thöne KTS 2018, 151, 166 [E I].

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Vorbemerkungen

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durchaus Möglichkeiten der „Hilfestellung“ (Wirkungserstreckungen, Schweigen als Erklärung, Kontrahierungszwang), sie mögen aber alle nicht richtig inhaltlich überzeugen (Rn 256–259). Das Element der Willensübereinstimmung sollte immer noch der Kern reeller vertraglicher Bindung sein. Dies wird im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens (potentiell) missachtet (§§ 243–247) oder überspielt (§§ 248, 248a und 254–254b) – von dorther rührt nicht zuletzt das zusätzliche, weitergehende Erfordernis gerichtlicher Bestätigung, welches ebenso wenig zum Vertrag als Lösung passt (Rn 261–263). 2. Schwächen vertraglicher Deutung a) Vertrag ohne Konsens. Das Grundsatzerfordernis der Willensübereinkunft möchte 255 Stephan Madaus inhaltlich gegenüber dissentierenden Personen mittels eines durch Fiktion verwirklichten Kontrahierungszwangs gewährleisten.468 Diese Deutung steht infolge vorderhand gruppeninterner Abstimmung (§ 244 I) auf tönernem Fuß. Hierbei zählt die Mehrheit, es ist kein einstimmiges Ergebnis (somit ein Konsens von allen) erforderlich. Konsequenterweise unterfällt diese Konstellation auch nicht später § 245 (welcher gruppenextern ansetzt). Die (Mit-) Bindung ist Rechtsfolge der Bestätigung (§ 248 I), nicht also etwa von fingierter Zustimmung. § 244 I zielt hier von vornherein teleologisch auf „Akkordstörer“ und eventuelle Durchbrechung des Konsensprinzips (nicht bloß als „Hintertüre“, sondern „normalen“ Vorgang), weil er sich zu solchen gruppenmäßigen Majorisierungen bekennt. Und das wirkt – mittelbar – durch bis zum Schlussergebnis für den Insolvenzplan und seine präzise (dogmatische) Deutung. Daher versucht Horst Eidenmüller eine andere Erklärung, nämlich die Bindung von 256 Minderheiten vermittels gesetzlich angeordneter Wirkungserstreckung.469 Auch das kann mE eine vertragliche Qualifikation nicht plausibel unterstützen. Der Vorschlag sieht zu stark auf insgesamt erwünschte Wirkungen und vernachlässigt die notwendige tatbestandliche (das hieße nämlich: vertragsbezogene) Begründung; im Vergleich zu Rn 255 entfernt er sich noch einige Schritte mehr von eben tradiert vertragsrechtlichen Lösungen:470 jener privatautonom gebildete Wille wird mittels Gesetzes gebrochen (nicht bloß mit bekannten Mitteln [Anspruchslösung!] „konkret umgeformt“). Man würde zwar gerne die Analogie gesellschaftsrechtlicher Mehrheitsbeschlüsse mitgehen, die Eberhard Braun heranzieht471 – sie binden Minorität, erkauft indes um weitergehende konstruktive Unstimmigkeit: es fehlt an einem eigenständigen und freiwilligen Zusammenschluss (dazu § 1 Rn 6), an Geschäftsführungs- und Vertretungsregeln, an Mitgliedern, Organen, Gesellschaft (Beschlüsse bleiben juristisch Interna) etc; die Beteiligten als Gesamtheit verstehen sich nur als eine schlichte Schicksals- bzw Interessengemeinschaft,472 die Einzelgruppen gar sind fremdbestimmt von

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Madaus Insolvenzplan (2011), S 239 ff, 243, 245 und KTS 2012, 27, 46 f, 48 [V 1 e (2), V 2 a]. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 23; Gaul FS Huber (2006) S 1187, 1205, 1214 f; H-F Müller KTS 2006, 209, 211 [II] – wegen Kritik siehe Madaus Insolvenzplan (2011), S 185. So Madaus Insolvenzplan (2011), S 185; Thöne KTS 2018, 151, 167 [E I 1]. Auf welche insb Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz S 467 f bzw Nerlich/Rö-

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mermann/Braun InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 80 f zurückkommt, zust Gottwald/Koch/de Bra InsRHb5 § 66 Rn 20. Das sieht auch recht klar BGH NJW-RR 2006, 491, 492 f {15} [II 2b] = ZIP 2006, 39 = NZI 2006, 100 = ZInsO 2006, 38 = MDR 2006, 594 und BGH NJW 2015, 2660, 2663 {26} [B II 2d bb (1)] = ZIP 2015, 1346 = WM 2015, 1291 = DZWIR 2015, 560 = KTS 2016, 221: „über das Vermögen des Schuldners zusammengefügte Schicksalsgemeinschaft“.

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Gesetz (§ 222 I) und Planverfasser (§ 222 II und III). Das wird nicht bündig. Zentral stört hierbei die Vermengung von interner Willensbildung und externem Rechtsgeschäft und die Vernachlässigung der Gruppenstrukturen.473 257 Das gilt genauso für den Versuch, hier mit klassischem Gemeinschaftsrecht (§§ 741 ff BGB, mithin also insb §§ 744–748 BGB) auszuhelfen, so wie es derzeitig Matthias Fritzsche vertritt.474 Wenn man eine Gemeinschaft denn zugrunde legt (siehe dazu bei § 254 Rn 24–29), heißt das nicht, es gehe um eine Rechtsgemeinschaft (womöglich aber den Analogieschluss auf eine schlichte Interessengemeinschaft …), erst recht noch nicht, dass deren Verwaltungsregeln dafür passen. Man muss dafür erst ein globales Verwertungsrecht zunächst aus § 1 ableiten, das „Rechtsobjekt in Gläubigerhand“ ist (als eine Art „Metaebene“ zum Gefüge aus § 35 I einerseits [Inhaberschaft] und § 80 I andererseits [Verfügungsrecht] – mE ein doch äußerst „konstruiertes“ Gebilde!), um dann Regeln insoweit abzuleiten. Genau diese Situation wurde indes gerade verfahrensmäßig (!) gefasst475 – und wirkt nicht darüber hinaus!476 Es gibt materiell allein deswegen Bindung bei Konsens477 – und bloß prozessual kann man womöglich Abweichendes begründen.478 Schließlich beruhen gleichfalls Entstehung (§ 27) und Beendigung (§§ 200, 207 ff, 258) der „Gemeinschaft“ auf Verfahrensakten. Außerdem: es fehlt an einer Einzelbefugnis für Erhaltungsakte (§ 744 II BGB, vgl auch erg § 745 II BGB); neben Summen- gilt auch Kopfmehrheit (§ 244 I InsO „versus“ § 745 I BGB – was bleibt von § 244 II InsO?); kein Gläubiger kann allein verfügen (§ 747 S 1 BGB). Und ganz gravierend noch das: Es wird in gebildeten Gruppen abgestimmt (§§ 222,243) – diesen mangelt es allemal jedoch an einem gemeinschaftlichen Recht.479 Das geht nicht wirklich gut zusammen (siehe auch bei § 254 Rn 33–35).

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Einfacher scheint erklärbar, dass ein Schweigen uU Erklärung sei, da gesetzlich explizite Regelungen vorliegen (§§ 246 Nr 2, 246a, 247 I – sog normiertes Schweigen). Entweder zählt derartes Verschweigen indes bloß bei konformem gruppeninternen Verhalten (§§ 246 Nr 2, 246a) – zugestanden Ausdruck eines „Konsenses im Negativen“ – oder es gilt dem Gemeinschuldner als „Vertragspartner“ (§ 247 I)480 – beide Phänomene recht untypisch (aber konstruktiv doch vorstellbar …). Immerhin geht es – vom Normzweck her – insoweit aber um Regeltatbestände, nicht Sonderregelungen. Viel wichtiger ist letztlich, dass sogar selbst noch eine Ablehnung uU Erklärung sein kann (§ 246 Nr 1 [bezüglich nachrangiger Gläubiger: „Zustimmung … gilt als erteilt“] bzw § 247 II [Gemeinschuldner]: „Widerspruch ist … unbeachtlich“ – im Übrigen [Anteilseigner und Vollrangige] greift das gruppenorientierte Obstruktionsverbot, § 245 I). Das lässt sich kaum mehr mit einfachem venire contra factum proprium verklären.

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Thöne KTS 2018, 151, 168 [E I 1]. Fritzsche Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag (2016), S 4, 146 ff, 273, 321 ff. Das zeigt nicht zuletzt KO-Mot S 18 = Hahn IV S 47 (die sich – zugegeben – noch auf Gemeines Recht beziehen), ist auch bei BGHZ 116, 319, 323 [II 1a bb] {16} wiedergegeben. Man muss jedoch die Stelle auch mit KOMot S 392 = Hahn IV S 350 zusammensehen („rechtliche Gemeinschaft“) – es heißt dort recht nebulös: „Zwingende Mehrheitsbeschlüsse einer solchen finden selbst im formalen Recht ihre Geltung. Jedenfalls in dem

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höheren Werthe materieller Gerechtigkeit“ – das lässt alles offen! BGHZ 116, 319, 323 f [II 1a bb] {17 f} mit Hinweis auf Mühl NJW 1956, 401, 403. RG KuT 1941, 54, 55; OLG München NJW 1956, 1801, 1802; OLG Celle NJW 1965, 399; BAG KTS 1972, 193, 193; BGHZ 116, 319, 321 f [II 1a vor aa] {10}. Siehe auch den Hinweis von BGHZ 116, 319, 324 [II 1a bb] {18 aE} auf §§ 217 ff. Madaus Insolvenzplan (2011), S 191 f; Thöne KTS 2018, 151, 168 [E I 1]. Hier mag man eine Parallele zu § 663 BGB bzw § 362 HGB entdecken.

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Vorbemerkungen

Vor §§ 217–269

Auch die Einordnung der Planvorlage als invitatio ad offerendum (dazu Rn 226 aE) 259 stößt (zumindest) im Fall des schuldnerischen Meinungsumschwungs an ihre Grenzen und offenbart die Widersprüchlichkeit der Vertragstheorie. Denn sofern die hM dem Schuldner den Widerspruch gegen einen von ihm vorgelegten Plan (§ 218 I S 1 Var 1) versagt,481 spricht man der Erklärung des Schuldners die Unverbindlichkeit ab und unterwirft sie (über einen Umweg) letztlich doch der regulären Bindungswirkung (§ 145 I BGB), welche ursprünglich gerade zuvor bereits doch negiert wurde. Wie soll derselbe Akt denn solche disparaten Rechtswirkungen ausdrücken – je nach Wunsch würde wohl die Rechtswirklichkeit hier am Ende „zurechtgebogen“. b) Effizienz statt Dogmatik. Es ist eine recht schlichte Kette, die hinter jenem Willen 260 steht, zum Vertrag gefälligst finden zu sollen: Verträge verwirklichen (Partei-) Autonomie, die wiederum erscheint als Schlüssel zur Effizienz; anders – vielleicht noch prägnanter – gesagt: Stärkung der Privatautonomie zur Gewährleistung der maximal effizienten Vermögensverwertung482 (bzw Verfahrensgestaltung). Hierbei hallt das Credo der ökonomischen Rechtsanalyse. Das Ziel ist anzuerkennen, indes die Wahl des Weges durchaus nicht zwingend. Es kann in gleichem Maße erreicht werden, wenn die Verständigung der Beteiligten als Vorbereitungshandlung der (gerichtlichen) Planbestätigung verstanden wird (es geht primär hier um ausnahmsweise gestattete Normdisposition!). Ein Rückschluss auf die Rechtsnatur des Insolvenzplans ist dazu nicht erforderlich, erst recht nicht etwa überhaupt zwingend begründet. Die Einbeziehung der Beteiligten würde unabhängig vom rechtlichen Rahmen stets auf die Wahrnehmung der eigenen Interessen und damit eine maximal effiziente Vermögensverwertung (oder alternativ auch: Betriebssanierung – arg § 157) hinauslaufen. Somit ist sie nicht unlösbar mit einer vertraglichen Klassifizierung des Insolvenzplans verknüpft. Am Ende wäre infolgedessen dann noch selbst das Insolvenzverfahren als Ganzes ein privatrechtliches … c) Gericht versus Vertrag. Ferner beugt sich das Erfordernis gerichtlicher Bestätigung 261 (§ 248 I) nur schwerlich vertraglichen Kategorien, wie überhaupt die Planwerdung verfahrensrechtlich (und eben nicht: vertragsrechtlich) eingekleidet ist. Wer hier annimmt, es handele sich dabei nur um ein vorgezogenes bzw integriertes Rechtsschutzverfahren (darüber Rn 268 – dazuhin amtswegig durchgeführt!) übersieht, dass die gerichtliche Bestätigung nicht nur Beleg korrekten Verfahrensablaufes darstellt („Deklaration“), vielmehr darüber hinaus zudem auch ein originäres Wirksamkeitserfordernis verkörpert („Konstitution“), nicht zuletzt der Wirkung wegen (§§ 254 I, 254b, 257 I). Der Konsens als solcher genügt nicht, denn § 248 I verlangt drei separate, gleich wichtige Bestandteile: Annahme [der Beteiligten] / Zustimmung [des Schuldners] / Bestätigung [des Gerichtes] – ein erkennbar dreiaktiges Geschehen (wobei eben der „Vertrag“ nur zwei davon abdecken würde). Näher schiene daher noch die Einordnung der Planbestätigung als insoweit „fürsorge- 262 risch“ gebotene gerichtliche Genehmigung483 (letztlich in Parallele zu §§ 1643, 1828 f BGB). Hiermit würde der maßgebliche Charakter („Wirksamkeitserfordernis“) zutreffend

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Andres/Leithaus/Andres InsO14 § 247 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO6 § 247 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 247 Rn 3; Smid/ Rattunde InsO2 § 247 Rn 11; FK/Jaffé InsO9 § 247 Rn 9; HambK/Thies InsO6 § 247 Rn 4; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 247 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 247

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Rn 1; MünchKomm/Sinz InsO3 § 247 Rn 25. Eidenmüller Jb NPÖ 15 (1996), S 164, 166 f mit MünchKomm InsO3 § 217 Rn 16–18. Vgl zur Terminologie Staudinger/Veit BGB (2014) § 1828 Rn 6; Erman/Saar BGB15 § 1828 Rn 2.

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getroffen, aber in eine falsche Verfahrensart gestellt (arg § 4, vgl Rn 210). Dazuhin prüft der Insolvenzrichter hierbei nicht die Vereinbarkeit des Planinhalts mit sämtlichen tangierten Interessen („materielle Bewertung“ – zumal mit Blick auf gleichzeitige Interessenkonflikte untereinander), sondern allein bloß die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrensablaufes (§ 250: Nr 1 [Wesentlichkeit?] bzw Nr 2 [Lauterbarkeit!] – formelle Kontrolle“). Vertragsgenehmigung und Planbestätigung unterscheiden sich damit ganz grundlegend.484 Jener Vergleich schwächelt weiterhin darum, weil er eine unnötige Hierarchisierung grundsätzlich gleichwertiger Planerfordernisse (arg § 248 I – vgl Rn 245 aE) vornimmt.485 263 Es verbleibt die Parallele des Prozessvergleichs486 als Erscheinung mit Doppelnatur (dazu Rn 231):487 quasi eine Art Vertragsschluss mit „Richtersegen“ (§ 794 I Nr 1 ZPO „vor einem deutschen Gericht … zu richterlichem Protokoll genommen“). Diese passt von daher nicht, weil sie keine Mängelheilung kennt (Differenzierung materieller und prozessualer Fehlerfolgen – als Konsequenz der Doppelnatur); bei Abschluss ergeht keine gerichtliche Entscheidung über den Inhalt der Parteieinigung, während der Richter umgekehrt im Vorhinein durchaus inhaltlich gestaltend mitwirkt (arg § 278 I ZPO); der Prozessvergleich erwächst, anders als die gerichtliche Planbestätigung, nicht in Rechtskraft. Einzige Ausnahme hiervon ist der Schiedsvergleich (mit vereinbartem Wortlaut, § 1053 II S 2 iVm § 1055 ZPO)488 – nur fehlt ihm darum just die Doppelnatur.489 Der „Vergleich mit dem Vergleich“ ist demnach letztlich nur bildhafte Anleihe, nicht wirkliche, tragfähige Erklärung.

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3. Verlegenheitslösungen. Die Erklärung des Insolvenzplans zum „spezifisch insolvenzrechtlichen Instrument“ und damit als Rechtsfigur sui generis (Rn 232 f) wirkt eher als Verlegenheitslösung,490 weil sie sich der schweren Einordnungsdiskussion entzieht (und zwar trotz vorhandener – prozessualer – Alternative). Sie birgt Risiken durch Vermitteln inhaltlich „beliebiger“ Ergebnisse. Im Verzicht auf ein klares rechtliches Koordinatensystem liegt zwar die Möglichkeit flexibler, einzelfallorientierter Ergebnisentwicklung begründet; man zahlt nur dafür zu hohe Preise aufgrund des Verlusts an Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit, gefährdet damit nolens volens zudem auch am Ende den tatsächlichen Praxiserfolg des „Instrumentes“ Insolvenzplan. Das kann mE kaum dem legislativen Willen entsprechen, zumal doch ein geschlossenes Normgebilde (§§ 235–253 – „Zweiter Ab-

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Madaus Insolvenzplan (2011), S 363 f, 412; Leipold KTS 2006, 109, 118 f [VI]; Thöne KTS 2018, 151, 169 f [E I 2]. Das sieht man familienrechtlich übrigens ganz parallel (Zusammenkunft von Rechtsgeschäft plus Genehmigungsakt sei entscheidend): Staudinger/Veit (2014), § 1828 BGB Rn 7; MünchKomm/Wagenitz BGB6 § 1828 Rn 5; Staudinger/Heilmann BGB (2016), § 1643 Rn 46; BeckOK-BGB/Bettin (01.11.2017) § 1828 Rn 2; vgl auch Soergel/ Zimmermann BGB13 § 1828 Rn 5 f. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 31; Häsemeyer InsR4 Rn 28.67; für eine ausschließlich materiell-rechtliche Prägung Madaus Insolvenzplan (2011), S 427 ff und KTS 2012, 27, 53 [V 4] – krit Becker InsR3 Rn 1610; Foerste InsR7 Rn 474.

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Kaum relevant hier hingegen §§ 925, 1310 BGB (Häsemeyer InsR4 Rn 28.67) – ausschließlich eine Formanordnung, oder besser noch gesagt „Geschäftsformen im Verkehrsinteresse“ (Häsemeyer Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte [1971], S 183 f). Leipold KTS 2006, 109, 125 [VIII]. MünchKomm/Münch ZPO4 § 1053 Rn 38 f, 42 („die Annahme von ‚Doppelnatur‘ […] ist definitiv künftighin ausgeschlossen“); Stein/ Jonas/Schlosser ZPO23 § 1053 Rn 4; Musielak/Voit//Voit ZPO13 § 1053 Rn 12 („keine Doppelnatur“); Zöller/Geimer ZPO31 § 1053 Rn 6. Ebenso H-F Müller KTS 2002, 209, 210 [I] mit Fn 3; Madaus NZI 2015, 702, 703 [3]: „Einordnung ohne Erkenntniskraft!“.

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Vorbemerkungen

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schnitt: Annahme und Bestätigung des Plans) bereitgestellt ist, das fassbarer, konkreter, plausibler etc mit anderen Strukturmustern erklärt ist. Zugegeben: Die Bindung sämtlicher Beteiligter unabhängig jeweils des konkreten Ab- 265 stimmungsverhalten zu begründen, dieses vermag die Rechtsnormtheorie (Rn 237 f). Nach klassischem Verständnis gelten Gesetze bzw Normen jedoch abstrakt-generell, der Insolvenzplan regelt indes lediglich einen einzelnen Sachverhalt („Maßnahmegesetz“?) und adressiert vor allem nur einen von vornherein abschließend umrissenen Personenkreis (im Unterschied zu Tarifnormen).491 Dazuhin äußert sich die Rechtsnormentheorie allenfalls wirkungsbeschreibend, sie sagt jedoch nichts über die maßgebende rechtliche Einordnung des Entstehungstatbestandes,492 bleibt damit also einen großen, brisanten Erklärungsteil schuldig. Es wirkt überaus gekünstelt, hierzu auf Regeln des staatsrechtlich festgeschriebenen Normgebungsganges zurückzugreifen493 (nur wohl zur Anschauung? – oder gar etwa Begründung?). Maßstab ist doch stets noch die InsO, nicht etwa das GG! Sie fordert eigene Deutung. 4. Stärken prozessualer Deutung. Im Anschluss an Dieter Leipold494 ist zur Qualifika- 266 tion des Insolvenzplanes zuvörderst dessen Einbettung in ein detailliert geregeltes, gerichtliches Verfahren (für Inhalt [§§ 218–230] wie Formen [§§ 232–247]) sowie aber insb auch das zwingende Erfordernis (insolvenz-) gerichtlicher Planbestätigung (mit Vorsichtung [§ 231] sowie vor allem mit Nachprüfung [§§ 248–253]) rechtsdogmatisch zu berücksichtigen (Vorrang prozessualer Deutung!). Der Insolvenzplan ist folgerichtig primär ein privatrechtsgestaltender Verfahrensakt (so auch zu § 254 Rn 37 f [Piekenbrock]).495 Versuche der Vertragstheorie, die Relevanz der Bestätigung zu negieren (dazu Rn 225) und der Beteiligtenautonomie die wichtigste Prägekraft zuzuweisen,496 vernachlässigen viel zu sehr die Wirkung allseitiger Bindung vermittels rechtskräftigen gerichtlichen Bestätigungsakts (§§ 254 I, 254b). Im Übrigen ist dies am Ende der falsche Bezugspunkt – denn der Plan eröffnet privatautonome Befugnis für Normänderungen im Insolvenzrecht, dh für Abweichungen vom Regelablauf des Verfahrens (und erst darauf gründend: Sachänderungen), er wirkt zugleich somit als entscheidender verfahrensgestaltender Beschlussakt. Es ist zwar zutreffend, dass dem Gericht keine eigene inhaltliche Gestaltungsmacht zu- 267 kommt,497 trotzdem steht dahinter nicht bloß ein formaler „Automatismus“, sondern starke inhaltliche Überprüfungsmacht, und zwar auf Beachtung von Verfahren wie Billigkeit. Das allein begründet sogar dann Planwirkungen erga omnes (§ 254 I: „für und gegen alle Beteiligten“ – in Parallele zu §§ 178 III, 183 I), dh auch im Verhältnis zu Beteiligten,

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Madaus Insolvenzplan (2011), S 168 f mit KTS 2012, 27, 31 f [IV 1]; aber vgl auch Smid DZWIR 2011, 446, 449 (AGB-Parallele; insoweit wird freilich „normgemäß“ [objektiv] ausgelegt!); aus anderen Gründen dagegen Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 60 (Vernachlässigung der Gläubigerautonomie). Sehr richtig dazu Leipold KTS 2006, 109, 114 [II]; Bauer Der Insolvenzplan (2009), S 343. Siehe aber Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 180 ff, 186 bzw S 225 f. Leipold KTS 2006, 109, 122 f [VIII].

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Das untermauert auch gegenwärtig Thöne KTS 2018, 151, 172 ff [E IV]. Siehe vor allem Madaus Insolvenzplan (2011), S 301 ff, 330, 339 und KTS 2012, 27, 52 [V 2 a (2)]; H-F Müller KTS 2002, 209, 211 [II]; Hess InsO2 § 217 Rn 12; Schiessler Insolvenzplan (1997), S 21 f; FK/ Jaffé InsO9 § 217 Rn 49. HM, statt (fast) aller Madaus Insolvenzplan (2011), S 310 ff, 327; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 20; Schiessler Insolvenzplan (1997), S 21 f; Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 195 f; FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 49; HK/Haas InsO9 § 248 Rn 2.

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die stillschweigen oder widersprechen (§ 254b Hs 2) bzw das schwebende Verfahren überhaupt ignorieren (§ 254b Hs 1). Die Stellung des Gerichts zielt – inhaltlich betrachtet – nicht etwa auf aktives Gestalten, sondern reaktives Überprüfen (so wie auch sonst üblich!). Sie wirkt als zentrale Rechtfertigung globaler Planwirkungen und gibt ihnen hier die unabdingbare verfahrensrechtliche Legitimation. Das kann ein mehrseitiger Vertrag loyalerweise bloß im Fall allseitigen Konsenses leisten. 268 Es machte nun keinen Sinn, die Konstruktion bei (generellem) Einvernehmen und (partiellem) Widerspruch je abweichend zu gestalten – anders herum gesagt: Nur die Verfahrenstheorie vermag einen sehr stringenten, einheitlichen Lösungsansatz einzusetzen. Zudem muss man sehen, dass nicht bloß förmliche Überprüfung geschieht, sondern en passant zusätzlich teilweise materielle Kontrolle. Das zeigt bereits § 231 I (Nr 1 [Kontrolle] „versus“ Nrn 2/3 [Bewertung]), welcher Beurteilungsspielräume schafft („offensichtlich“ erfolgreiche Plangestaltung? – Näheres siehe bei § 231 Rn 32–34); das zeigt erst recht die Möglichkeit finaler Überprüfung mit § 250 (Nr 1 [Kontrolle] „versus“ Nr 2 [Bewertung]) bei vorlaufender Gewähr rechtlichen Gehörs (§ 248 II). Materielle Zugriffsmöglichkeiten vermitteln aber insb hier zusätzlich Obstruktionsverbot (§ 245 – für einen Plan) und Minderheitenschutz (§ 251 – wider den Plan) als Formen gewöhnlicher „verfahrensimmanenter“ Entscheidung. Die Wichtigkeit der Bestätigung zeigt sich aber auch bei Einvernehmen aller Beteiligten 269 (wie erst recht dann bei Dissens, vgl Rn 267). Sie schafft zum einen die sichere Gewissheit inhaltlich verbindlicher Gestaltung (in Parallele zu §§ 178 III, 183 I – Rechtskraft!). Sowohl formelle wie materielle Mängel im Rahmen der Planentstehung nämlich werden geheilt498 oder besser wohl gesagt: endgültig gerichtlich zugedeckt („Feststellungsakt“). Hierbei hat das Gericht dann auch noch insgesamt gewissen Spielraum zwischen offenbarer Amtsprüfungspflicht einerseits und der Grenze „wesentlicher“ Mängel (§ 250 Nr 1, dort Rn 7 f) andererseits, die erstere Pflicht relativiert. Auch jenes widerstreitet einer reinen „Formalprüfung“ … – Und dazu tritt noch die Möglichkeit hoheitlicher Vollziehung (Vollstreckbarkeit) über eine automatische Titelkraft planmäßiger Gestaltung (§ 257 I – in Parallele zu § 201 I). Die maßgebenden (Prozess-) Wirkungen entsprechen bei „Beplanung“ und insbesondere bei Sanierung damit voll dem Resultat „liquidatorischen“ Ablaufes. Das könnte ein reiner Vertrag nicht leisten.

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5. Zusammenfassung. Der Insolvenzplan zeigt doch am Ende somit Doppelnatur (Rn 266) – freilich in anderem Sinne als es die bisherige Vertragstheorie behauptet (Rn 231), ja ohne jegliche vertragliche Gründung: Er ist einerseits verfahrensgestaltender Beschlussakt und ersetzt den „Normablauf“ (gesetzlich zum Zwecke der Liquidation) durch einen autonom geformten „Planablauf“ (gemeinhin zum Zwecke der Sanierung – aber: Rn 39–43) – das zeitigt zunächst nur negative Wirkung („opt out“). Er ist andererseits privatrechtsgestaltender Verfahrensakt, der dann uno actu die privaten Rechtsbeziehungen abändert – darin gründet seine weitere, positive Wirkung („going concern“). Nicht zuletzt erlaubt diese Erklärung, die insgesamt prägende Bedeutung der gerichtlichen Bestätigung angemessen zu berücksichtigen, wenn es etwa um oktroyierte statt akzeptierter Planbindung geht (Rn 267), aber zB auch um Kontrollmöglichkeiten (Rn 268) und Prozesswirkungen (Rn 269).

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So auch zB MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 16; Madaus Insolvenzplan (2011), S 407 f, 416 f, 423.

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Grundsatz

§ 217

ERSTER ABSCHNITT Aufstellung des Plans § 217 Grundsatz 1Die

Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können in einem Insolvenzplan abweichend von den Vorschriften dieses Gesetzes geregelt werden. 2Ist der Schuldner keine natürliche Person, so können auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen werden. Materialien: EB LS 2.1.1 und 2.1.2 (Begr S 161–163); DiskE § 243 (Text: S 125, Begr: BT S 217 f), RefE § 243 (Text: S 142, Begr: BT S 250 f); RegE § 253 (BT-Drucks 12/2443 S 49, 195 [RV] mit BTDrucks 12/7302 S 94, 181 [RA: Nr 134]). – Gesetzesänderungen durch Art 1 Nr 15 ESUG, BGBl I Nr 64 S 2582 (2583) [mit Wirkung zum 01.03.2013 (Art 10 S 3)]: (a) S 1: „die Verfahrensabwicklung und“ eingefügt durch Art 1 Nr 15a ESUG: BT-Drucks 17/5712 S 53 f, 68 [BR: Nr 8] bzw BT-Drucks 17/7511 S 11, 35 [RA Nr 15a], siehe dazu bei Rn 22. (b) S 2: insgesamt neu angefügt durch Art 1 Nr 15a ESUG: BT-Drucks 17/5712 S 9, 30 [RV: Nr 14] bzw BT-Drucks 17/7511 S 11, 35 [RA: Nr 15b], siehe dazu bei Rn 23. Vorgängerregelungen: (a) Subjektiv Betroffene. GemSchO § 166 (Begr II S 146 f); KO/aF § 160 (Mot S 405 f = Hahn IV S 360 f) bzw KO/nF § 173; GesVO § 16 II; GA-VO/aF § 9; GA-VO/nF §§ 4, 13, 33, 72 (Begr: RAnz 1916 Nr 298 Beil I S 4 mi./re. Sp. = JMBl PR 1917 Nr 9 S 13, 19 f); VglO/aF §§ 2–4 (RT-Drucks III/2340 S 16 f [RV]; RT-Drucks III/3430 S 7 [I], 28 [II] [RA]); RJA §§ 25–29 (Begr S 47 f, 63 f); VglO/nF §§ 25–29 (DJZ 1935, 389, 390 re. Sp.). (b) Objektiv Betroffenes. GemSchO § 167 (Begr II S 147/148); KO/aF § 161 (Mot S 406 = Hahn IV S 361) bzw KO/nF § 174 KO; GesVO § 16 III S 1; GA-VO/nF §§ 35 I, 41 I Nr 1, 48 I. Den VglORegeln mangelt indes die klare Aussage. Literatur (a) Grundsätzliches. Braun/Heinrich Auf dem Weg zu einer (neuen) Insolvenzplankultur in Deutschland – Ein Beitrag zu dem Regierungsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, NZI 2011, 505, 515 f; Ehlers Krisenberater unter Druck, BB 2014, 131, 135–137; Flessner Sanierung und Reorganisation: Insolvenzverfahren in rechtsvergleichender und rechtspolitischer Untersuchung (1982); Frank Der verfahrensleitende Insolvenzplan, FS Braun (2007) S 219; Frank/Heinrich Ein Plädoyer für einen wirksamen Beitrag zur Gläubigerautonomie im Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2011, 858, 859 f [III]; Heinrich Der Insolvenzplan – Verfahrensbeendend! Verfahrensbegleitend? NZI 2008, 74; Heinrich Neues von „Phoenix“ – Eine Anmerkung zum Insolvenzplanverfahren, NZI 2009, 546; Horstkotte/Martini Einbeziehung der Anteilseigner in den Insolvenzplan nach ESUG, ZInsO 2012, 557; Jacobi Insolvenzplan als Qualitätsmerkmal, ZInsO 2010, 2316; Madaus Möglichkeiten und Grenzen von Insolvenzplangestaltungen, ZIP 2016, 1141; Madaus Der Insolvenzplan (2010) S 390–394; Paulus Die Rolle der Gläubiger im neuen Insolvenzrecht, DZWIR 1999, 53; Rattunde Das neue Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, GmbHR 2012, 455; Schiessler Der Insolvenzplan (1997), S 63–85; Steffan Sanierung in der Insolvenz, WPg 2003, 148; Uhlenbruck Das neue Insolvenzrecht als Herausforderung für die Beratungspraxis, BB 1998, 2009; G Wagner Prozeßverträge: Privatautonomie im Verfahrensrecht (1998).

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(b) Einzelprobleme. Breutigam/Kahlert Forderungsfeststellung im Planverfahren – eine unendliche Geschichte? ZInsO 2002, 469; Buchalik/Hiebert Insolvenzanfechtung und Insolvenzplan, ZInsO 2014,109; Frind Das hindernisreiche Insolvenz-Planverfahren für natürliche Personen, BB 2014, 2179; Frind Störeinflüsse im Privatinsolvenz-Planverfahren, ZInsO 2014, 280; Graeber Vergütungsbestimmung durch Vereinbarungen zwischen einem Insolvenzverwalter und den weiteren Beteiligten eines Insolvenzverfahrens, ZIP 2013, 916, 918 f; Haarmeyer Zur Feststellung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters im Planverfahren, ZInsO 2000, 241; Hingerl Notwendigkeit einer Vergütungsbestimmung im Insolvenzplan, ZIP 2015, 159; Kühne/Hancke Die einvernehmliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners nach § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO im Insolvenzplan, ZInsO 2012, 812; Madaus/Heßel Die Verwaltervergütung in Reorganisationsfällen – Unzulänglichkeiten und Reformansätze, ZIP 2013, 2088; Oberhofer Insolvenzplan und Arbeitsrecht ZInsO 1999, 439; Pape Zum Verhältnis von Insolvenzanfechtung und Insolvenzplanverfahren, FS Kübler (2015) S 487; Paul Die Rechtsstellung des Unterhaltsgläubigers im Insolvenz(plan-)verfahren, DZWIR 2009, 186; Paulus Ein Spannungsfeld der Praxis: Sanierung und Insolvenzanfechtung, BB 2001, 425; Reinhardt Zur Zulässigkeit von Vergütungsvereinbarungen im Insolvenzplan, ZInsO 2015, 943; Schröder Die Vergleichs- und Regelungsbefugnis hinsichtlich § 44a InsO und § 254 Abs. 2 InsO im Insolvenzplan, ZInsO 2015, 1040; Thole Die Dispositionsbefugnis über Insolvenzanfechtungsansprüche im Regelverfahren und im Insolvenzplan, ZIP 2014, 1653.

Übersicht I. Normzwecke und -systematik . . 1. Norminhalt . . . . . . . . . . 2. Binnensystem . . . . . . . . . 3. Normzwecke . . . . . . . . . 4. Gesamtsystem . . . . . . . . . II. Normgenese . . . . . . . . . . . 1. Vorgängerregelungen . . . . . a) Konkursrecht . . . . . . . b) Vergleichsrecht . . . . . . 2. Kommissionsvorschläge . . . 3. InsO-Gesetzgebungsverfahren 4. ESUG-Nachbesserungen . . . 5. Rechtsvergleichung . . . . . . III. Möglichkeit zur Disposition . . 1. Vorbedingungen . . . . . . . 2. Ermächtigung . . . . . . . . . 3. Aufgreifkriterien . . . . . . .

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Rn. 1 1 2 5 8 11 11 11 13 15 16 22 24 28 28 31 35

a) Subjektive Aufgreifkriterien b) Objektive Aufgreifkriterien . 4. Beschränkung . . . . . . . . . . a) Grundprinzip . . . . . . . . b) Beispielsfälle . . . . . . . . . 5. Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . IV. Ermächtigung im Einzelfall . . . . 1. Gläubigerbefriedigung (Var 1) . a) Objektiver Tatbestand . . . b) Subjektiver Tatbestand . . . 2. Liquidationsgestaltung (Var 2) . 3. Verfahrensabwicklung (Var 3) . 4. Schuldnernachhaftung (Var 4) . a) Juristische Personen . . . . . b) Natürliche Personen . . . . 5. Gesellschaftsänderung (Var 5) .

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Rn. 35 38 44 44 48 53 54 54 54 57 60 64 68 69 70 72

I. Normzwecke und -systematik 1. Norminhalt

1

Immer tut man gut daran, Institutszweck (Rn 6), Verfahrenszweck (Rn 7) und Regelungszweck (Rn 5) grundsätzlich zu unterscheiden. Das Rechtsinstitut des Insolvenzplans (§§ 217–269) steht im Nexus mit dem übergreifend wirkenden Prozesszweck (Gläubigerbefriedigung, nicht etwa die Schuldnersanierung!1 – arg § 1 S 1) wie auch der Gestattung planerischer Gestaltung (§ 217) als greifbarer, „unmittelbarer“, aber nachgeordneter, 1

Ganz klar BT-Drucks 12/2443 S 77 li./re. Sp mit S 83 re. Sp. – oftmals anders gesehen, zB OLG Düsseldorf NZBau 2012, 596, 597 [II 2b]; OLG Hamm, U. v. 03.12.2010 – 30 U 98/10 [II 1e] {21}: „schnelle [sic!] Sanierung“; LSG Mainz NZS 2003, 93, 94 {6}; deutlich differenzierter insoweit

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OLG Düsseldorf NZG 2010, 554, 555 [II 1b bb]. Man kann wegen § 1 S 1 Hs 3 („insbesondere zum Erhalt des Unternehmens“) allenfalls einen teilweisen Nebenzweck anerkennen (so sieht es Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 217 Rn 8 mit 21); im

Joachim Münch

§ 217

Grundsatz

Norminhalt und rechtlich, dogmatisch, konstruktiv das Eingangstor zur Durchführung eines Planverfahrens. 2. Binnensystem § 217 benennt ganz konkret fünf Regelungsfelder (S 1 Hs 1 und S 2) und eröffnet für 2 sie explizit die prozessuale – planbasierte – Disposition (S 1 Hs 2: in einem Insolvenzplan abweichend … geregelt“). Außerhalb dieses Bereiches verbleibt es beim klaren Grundsatz, dass gemeinhin Prozessrecht als indisponibel erscheint2 – es sei denn, vertragliche Gestaltung sei ausdrücklich zugelassen (wie insb mit §§ 38/40, 794 I Nr 5, 1025 ff ZPO). Anders herum gesagt: die Zulässigkeit insolvenzplanmäßiger Gestaltungen ist rechtssystematisch eine Ausnahmeerscheinung, die immer eigener Rechtfertigung bedarf! Dies genau leistet § 217, der dann damit eher eng auszulegen ist. Die ursprünglich drei Regelungsfelder sind mit dem ESUG auf nun fünf Felder erwei- 3 tert worden (dazu Rn 22 f). Planmäßig disponibel sind demzufolge lediglich die folgend genannten Normgebiete: Var 1: die Möglichkeiten zur Befriedigung der Gläubiger, und zwar von Absonderungsberechtigten (Var 1a: §§ 165–173 bzw § 223) wie Insolvenzgläubigern (Var 1b: §§ 174– 186), vollrangigen (§ 224) und nachrangigen (§ 225); Var 2: die Gestaltung der Liquidation durch Masseverwertung (Var 2a: §§ 156–164) und -verteilung (Var 2b: §§ 187–205); Var 3: die Abwicklung des Verfahrens – hinzugefügt und gedacht als Auffangnorm, um dogmatische Zweifel auszuräumen (vgl Rn 22); Var 4: die Schuldnerhaftung nach Beendigung des Verfahrens (§ 201 einerseits, §§ 286–303a andererseits bzw § 227 [Abs 1]); Var 5: die Möglichkeit zur Umgestaltung einer Gesellschaft (S 2) jenseits natürlicher Personen, die erst das ESUG neu zugelassen (S 2 – vgl Rn 23) und ausgeformt (§ 225a) hat. Dazu fehlen freilich konkrete Bezüge beim Regelverfahren. Die Übersicht offenbart, dass sich die Regelungsfelder im „Normalverfahren“ inhaltlich zT überlagern; das bleibt folgenlos, weil es am Ende keiner randscharf vollzogenen Abgrenzung bedarf. Als andere Systemfrage bleibt letztlich, wie man den Insolvenzplan zur Prozessleitung 4 einordnet – seine Neueinfügung (S 1) stört den alten systematischen Zusammenhang (Rn 17–19) und öffnet scheinbar völlig die Verfahrensabläufe der Plandisposition. Das war sicherlich nicht intendiert! Als eine Begrenzung passt allerdings auch nicht, die Einfügung als Ergänzung der gewohnten Liquidationsgestaltung anzufügen („Var 2c“) – die Regelung zielt offenbar nämlich (arg § 258 I) durchaus darüber hinaus. Man muss daher eigene Grenzen finden, wobei natürlich der Normzweck hilft (Rn 5–7). Das wäre durch eigenen (begrenzenden!) Beisatz am Ende besser angesagt worden. 3. Normzwecke § 217 spezifiziert die Alternative zum Regelmodell, welche § 1 S 1 Hs 3 öffnet („oder in 5 einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung … getroffen wird“) – mit gleich doppelGrunde ist jedoch eine einfache Mittelbeschreibung („indem … oder“) angedeutet (Münch FS Schilken [2015] S 387, 399 [V 2a] mit S 398/399 mwN).

2

Vollständig verkannt durch Graf-Schlicker/ Kebekus/Wehler InsO4 § 217 Rn 6.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

tem Zungenschlag: unmittelbar in einem positiven Sinne (was geht genau?), versteckt und wichtiger in einem negativen Sinne (was geht nicht?).3 Die Vorschrift hat einerseits Ermächtigungsfunktion, aber andererseits auch Präzisierungsfunktion. – Man muss sie mit § 1 S 1 zusammensehen (dazu Rn 10): es geht um Gestattung und Begrenzung für prozessuale parteiautonome Disposition4 (vgl Rn 2, 6, 21, 27 bzw Rn 28 ff). Sie wirkt in ihrer Totalität als eine Art „Grundnorm“5 des Planverfahrens; § 217 deutet mittelbar hierzu die zentrale Unterscheidung von plandispositiven und zwingenden („planfesten“) Regelungen (Rn 44–47) an, löst aber am Ende jene Abgrenzung doch letztlich mehr pauschal durch subjektive (Rn 35–37) sowie vor allem objektive (Rn 38 mit 54 ff) Aufgreifkriterien (Benennung von Bereichen) und nicht mittels konkreter Aussage. Verdunkelnd wirkt dabei vor allem jetzt die Hinzufügung der Verfahrensabwicklung (S 1/Var 3: Rn 4, 22 mit 64–67) als Regelungsbereich, welcher scheinbar ohne Schranken dasteht. 6 Es geht zu weit, strukturell noch verfeinernd, verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Abweichungen zu unterscheiden.6 Das gaukelt ein Phantom vor. Der Plan ist originär prozessuales Institut7 – weil Insolvenzrecht aber nicht bloß rechtliche Abwicklungsregeln bereithält (Insolvenzprozessrecht), sondern zugleich hierdurch materielle Verhältnisse beeinflusst (Insolvenzprivatrecht), mögen gewisse Reflexe auftreten. Materielle Umgestaltungen verlangten nie nach einer Dispositionsnorm (Privatautonomie!), allenfalls nach speziellem Einigungszwang („Akkordstörer“?) – und eben darin, in eben dieser Schwäche, zeigt sich die schließlich konstruktiv nicht vertraglich erklärliche Natur (siehe ausf Vor §§ 217 ff Rn 255 ff). Es geht um Dispositionsrechte und Einlassungszwang als ureigen prozessuale Figuren mit jedoch uU sodann konkreter faktischer Konsequenz fürs Materielle (so wie beim rechtskräftig gewordenen Fehlurteil …). 7 Der letztlich entscheidende Normzweck ist stärker wirtschaftlich oder ökonomisch geprägt; jene prozessual ausnahmsweisen Freiheiten sind niemals natürlich Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck: Optimierung der Befriedigung.8 Man will damit höhere indi3

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Ganz ähnlich etwa Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 1 (direkte/indirekte Inhalte); Braun/Braun/Frank InsO7 § 217 Rn 1 (eher verdunkelnd dann Rn 2–4 [siehe gleich näher Rn 6], aber vgl auch erg Rn 5: „Dieser abstrakt einfache Ansatz wirft … Probleme auf“); HK/Haas InsO9 § 217 Rn 1 mit 9; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 1; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 217 Rn 6; wohl – rücksichtlich der Zusammenschau – auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 1 iVm Rn 2. Letzthin anders im Ansatz Bork InsR8 Rn 366: konkretisierende „Programmnorm“, ganz ähnlich auch Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 217 Rn 32. Völlig anders BK/Flöther/Wehner InsO53 § 217 Rn 1 mit Fn 1: Deklaration dispositiver Vorschriften – genau anders herum! So wie hier jetzt Madaus ZIP 2016, 1141 [I]. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 1; ähnlich Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 217 Rn 1: „Basis“. Dies nur zu Braun/Braun/Frank InsO7 § 217 Rn 2–4.

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BGH NJW-RR 2006, 491, 492/493 {15} [II 2b] = ZIP 2006, 39; BGHZ 199, 344, 352 {25} [II 1b aa (3)] = NJW 2014, 1386 = DZWIR 2014, 364; NJW 2015, 2660, 2663 {26} [II 2d bb (1)] = DZWIR 2015, 560 bzw BAG ZIP 2013, 2268, 2269 {19} [B I 4a aa]; LAG Düsseldorf ZInsO 2014, 2378, 2381 [II 2] {58} und NZI 2014, 913, 915 [II. 2.2.3] {58}: spezifisch insolvenzrechtliches Instrument, vgl näher Vor §§ 217 ff Rn 216, 232, 264 bzw § 254 Rn 19. Ganz ähnlich auch BGHZ 199, 344, 348 {15} [II 1a aa]. BGH NJW-RR 2009, 839, 841 {25} [III 2b bb] = DZWIR 2009, 331; BGHZ 185, 206, 210 {21} [II 2a] = DZWIR 2010, 384 – im Anschluss an BT-Drucks 12/2443 S 195 li. Sp.: „[§ 217 ermächtigt zu] Regelungen, die das Hauptziel des Insolvenzverfahrens, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger, betreffen.“ Nur insoweit richtig deswegen die Einschätzung bei BK/Flöther/Wehner InsO53 § 217 Rn 3 mit Fn 5.

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§ 217

Grundsatz

viduelle Ausschüttungsquoten herbeiführen – alle sollen gewinnen und keiner verlieren (arg § 245 I Nr 1 bzw § 251 I Nr 2). Die Gesetzesvorlage betont darum sehr die erwarteten und erstrebten Flexibilitäten durch Deregulierung9 (im Jahr 1992 eine sicher überaus progressive Aussage). Das lässt sich nur durch die spezielle Wirtschaftsnähe des Insolvenzrechts begründen10 und eine Suche nach einem möglichst paretooptimalen Reagieren. Deswegen das Anliegen, „ein Höchstmaß an Differenzierung und Individualisierung des Planinhalts zuzulassen“11 (§§ 217, 222, 226), dem Konkurs als „größtem Wertvernichter“ (Jaeger) einiges abzutrotzen und in einen effektiven „Wettbewerb um die beste Verwertungsart“ einzutreten.12 Gemeint waren hiermit einst konkurrierende Insolvenzpläne, man kann die Botschaft aber ebenso gut aufs Verhältnis von an sich „normierter Regel“ und „geplanter Lösung“ beziehen. 4. Gesamtsystem § 217 ist Eingangsnorm zum Planverfahren, das daraufhin näher entfaltet wird (Teil 6: 8 §§ 218–269). Stillschweigend wird dabei immer jedoch vorausgesetzt, dass änderbare „Vorschriften dieses Gesetzes“ lediglich solche außerhalb eben dieses Planverfahrens sein können13 – § 217 schildert die Schranken der Autonomie („was?“ bzw „wer?“ [Rn 35–43]), ist konsequenterweise als Ermächtigungsnorm von vornherein darum nicht disponibel; §§ 218–269 benennen Formen und Inhalt planerisch möglicher Gestaltung („wie?“), bezeichnen nur infolgedessen das „Instrument“, welches systematisch genauso zwangsläufig vorgeht (Vorrang für Details – leges speciales). Möglich ist Abweichung nur nämlich „in einem Insolvenzplan“ (§ 217 S 1: Rn 34 [c]), so wie es §§ 218–269 nachfolgend näher beschreiben (vgl noch erg Rn 31 [c]: zusätzliche spezialgesetzliche Erlaubnisse). Was das „Binnensystem“ der Planregelung angeht, existiert eine besonders enge Ver- 9 knüpfung mit § 223 (Var 1a), §§ 224/225 (Var 1b), § 258 I (Var 3), § 227 (Var 4) und § 225a (Var 5) – wegen Einzelheiten unten Rn 54 ff. Nur was die Verwertung (Var 2a) und Verteilung (Var 2b) betrifft, fehlt ein Bezug offenbar. Dies erklärt sich, wenn man sich der maßgeblichen Grundregel vergewissert: § 217 ist zusammenzusehen mit § 1 S 1. Er erlaubt ganz konkret insoweit Abweichun- 10 gen vom Regelablauf der Liquidation, dh von Verwertung und Verteilung (§ 1 S 1 Hs 2). § 1 S 1 und § 217 sind insoweit systematisch aufeinander bezogen: ersterer verheißt nur abstrakt zunächst die Befugnis abweichender Regelung (§ 1 S 1 Hs 3 – Zweispurigkeit); letzterer regelt die eingeräumten Möglichkeiten abweichender Ausgestaltung. Das übergreifende Oberziel bleibt beide Male optimale Befriedigung (§ 1 S 1 Hs 1). Dies spiegelt sich übrigens direkt auch in § 217 S 1 indem dort die verfahrensexterne Forthaftung (Var 4:

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BT-Drucks 12/2443 S 78: privatautonome Entscheidung statt hoheitlicher Regulierung: Befugnis, „in jeder Hinsicht von der gesetzlichen Zwangsverwertung der Insolvenzmasse ab[zu]weichen“, vgl auch erg S 83 li. Sp., S 93 li. Sp., S 94 li. Sp., S 194 re. Sp. Nachträglich noch einmal deutlich bekräftigend BT-Drucks 12/7511 S 35 re. Sp. (RA zum ESUG): „Höchstmaß an Flexibilität für die einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz“. BT-Drucks 12/2443 S 77 („Marktkonformität der Insolvenzabwicklung“); vgl auch erg

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S 75–77 („Ordnungsaufgabe des Insolvenzrechts“) – ganz anders als üblich im Prozessrecht: Henckel Vom Gerechtigkeitswert verfahrensrechtlicher Normen (1966), S 13 ff. BT-Drucks 12/2443 S 78 li. Sp. (Hervorh vom Verf). BT-Drucks 12/2443 S 78 re. Sp. (Hervorh vom Verf). BGH NJW-RR 2018, 817, 819 {24} [III 2b vor aa]; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 2; HambK/Thies InsO19 § 217 Rn 7; HK/ Haas InsO6 § 217 Rn 2 und 9.

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„nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens“) der verfahrensinternen Befriedigung (Var 1–3: während des Laufens des Insolvenzverfahrens) noch angeschlossen wird. Beide sind immer jeweils komplementär aufeinander bezogen.

II. Normgenese 1. Vorgängerregelungen

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a) Konkursrecht. Die Einleitungsnorm des Konkursrechts zum Zweiten Buch/Sechster Titel (§§ 173–201 KO: „Zwangsvergleich“) beschrieb die Statthaftigkeit des Vergleichs in zeitlicher und persönlicher Dimension. Zeitlich (§ 173 Hs 1 KO) war ein Vergleichsschluss möglich zwischen allgemeinem Prüfungstermin (§ 141 KO) und genehmigter Schlussverteilung (§ 161 KO), personell (§ 173 Hs 2 KO) betraf das ausschließlich die Beziehungen der sog einfachen Konkursgläubiger (§ 61 I Nr 6 KO). Nur jene waren zwangsweisem Vergleich unterworfen (arg § 173 iVm § 193 S 1 KO – im Gegensatz zu § 254 InsO: „für und gegen alle Beteiligten“). Bevorrechtigte Konkursgläubiger (§ 61 I Nrn 1–5 KO) waren demnach nicht berührt (ihr Vorrang blieb gewahrt: § 191 II KO), ausgeschlossenen Konkursgläubigern (§ 63 KO) war bereits das übliche Regelverfahren versagt; die Absonderungsberechtigten blieben verfahrensmäßig ohnehin unbeeinträchtigt (§ 4 II KO, aber vgl auch erg § 64 KO); die Befriedigung der Massegläubiger musste immer vorweg sichergestellt werden (§ 191 I KO). Die Einleitung normierte zusätzlich das Vorlagerecht (heute separat normiert: § 218 InsO, dort Rn 5), das lediglich der Gemeinschuldner innehatte („auf Vorschlag des Gemeinschuldners“). § 173 KO regelte damit die Beteiligten („subjektiv Betroffene“), weniger deutlich be12 nannte das Gesetz demgegenüber die Regelungsmacht beim Zwangsvergleich („objektiv Betroffenes“). Das legt mittelbar aber die dabei zugrundeliegende Verteilungsfrage offen: Gläubiger ./. Schuldner – wer bekommt was? Infolgedessen benennt § 174 KO alsdann konsequent die Befriedigung („in welcher Weise“) und/oder Absicherung („ob und in welcher Art“) der Gläubiger als zentralen Vergleichsinhalt („Der Vergleichsvorschlag muß angeben, …“) – praktisch ist dies aber eher der Vorläufer von § 224 InsO (näher erst darum dort Rn 6 f); ebenso betonen die Motive gezielt die Befriedigung als Verfahrenszweck des Zwangsvergleichs, der nicht näheren Ausspruches bedürfe (es sei bloß Regel „dogmatischer Natur“).14 Das Institut des „Akkordes“ war gedacht als Möglichkeit, den bereits angelaufenen Konkurs in letzter Sekunde zu erübrigen (konkursbeendender Vergleich: Vor §§ 217 ff Rn 61 ff). Es unterstand so ohne weiteres der globalen Zweckbindung der Konkursmasse (§ 2 KO/aF bzw § 3 I KO/nF: „dient zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger“).

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b) Vergleichsrecht. Bereits unter Geltung der Geschäftsaufsichts-Verordnungen waren Massegläubiger, Aus- und Absonderungsberechtigte freigestellt vom Schutz vor Vollstreckung (§ 5 S 2 iVm § 9 Nrn 1–3 GA-VO/aF; § 6 II iVm § 13 I Nrn 1–4 GA-VO/nF), die privilegierten Konkursgläubiger allerdings zunächst partiell einbezogen (§ 9 Nr 4 GA-VO/aF iVm § 61 Nrn 3–5), sie wurden dann später aber – inbegriffen die Staatskasse – vollständig wieder freigestellt15 (§ 13 I Nrn 5 und 6 GA-VO/nF). Die alte Vergleichsordnung beteiligte 14 15

Mot S 408 = Hahn IV S 361 im Anschluss an GemSchO Mot II S 148/149 (Zitat: S 149). RAnz 1916 Nr 298 S 4 li. Sp. = JMBl PR 1917 Nr 13, S 13, 19/20 („bei der längeren

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Geltungsdauer der Verordnung kann den Gläubigern dieser privilegierten Konkursforderung eine weitere Hintansetzung nicht zugemutet werden.“).

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§ 217

Grundsatz

von vornherein nur einfache Konkursgläubiger (§ 2 S 1 VglO/aF: „Fiktionslösung“), die neue Vergleichsordnung dann indes „alle persönlichen Gläubiger des Schuldners …, die einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen ihn haben (Vergleichsgläubiger)“ (§ 25 I VglO: „Normativlösung“16 – aber vgl auch § 29, dazu § 227 Rn 8 f), wobei dann die scheinbar weit greifende Programmnorm sogleich einige wichtige Einschränkungen erfuhr: Aussonderungsberechtigte (§ 26 I Var 1), Absonderungsberechtigte (§ 27 VglO), Vormerkungsberechtigte (§ 26 I Var 3 VglO) und bestimmte Massegläubiger (§ 26 II VglO), aber namentlich auch bevorrechtigte Konkursgläubiger (§ 26 I Var 2) verblieben völlig unbehelligt! Im Prinzip waren damit jeweils nur unprivilegierte („einfache“) Gläubiger betroffen vom Vergleich. Letztlich führte die Vergleichsordnung zur Positivregelung, während zuvor negativ Ausschlusstatbestände griffen. Auch vergleichsrechtlich fehlte aber wieder eine offene Umschreibung „vergleichsfähi- 14 ger“ Normbereiche. Sie erfolgte nur halbwegs mit § 5 S 1 GV-VO/nF zur Geschäftsaufsicht („Die vorhandenen Mittel sind … zur Befriedigung der Gläubiger zu verwenden“), zum Zwangsvergleich mit § 35 I GV-VO/nF (S 1: Erlass oder Stundung), § 41 I Nr 1 GV-VO/nF (Vergleichsvorschlag – in Anlehnung an § 174 KO, vgl Rn 12) und § 48 I GV-VO/nF (Befriedigung oder Sicherung). Das mäandert sehr zwischen einer materiellen Betrachtung (§ 35 I) und einer stärker prozessualen Beschreibung (§ 48 I), wobei aber die Befriedigung und Absicherung als elementarer Vergleichsinhalt hervortritt (§ 41 I Nr 1). Es wundert nur allemal, dass die Folgenormen darauf nicht weiter zurückkommen (sehr allgemein etwa § 3 I VglO/nF: „Der Antrag muß den Vergleichsvorschlag enthalten“) bzw das wohl bestenfalls „über Eck“ aussprechen:17 Dieses steckte aber bereits in § 1 VglO/nF und seiner Anbindung (konkursabwendender Vergleich: Vor §§ 217 ff Rn 77 ff) bzw Zwecksetzung gemeinschaftlicher Befriedigung (§ 3 I, vgl Rn 12 aE). 2. Kommissionsvorschläge Die Insolvenzrechtskommission hatte – vielleicht amerikanisch vorgeprägt (dazu 15 Rn 27) – keine ähnliche Grundsatzregel als Programmnorm gefunden, sondern allein allgemeine Strukturen postuliert: LS 1.1.1 mit Ankündigung des „Y-Modelles“ (vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 83 f, siehe auch unten Rn 157) aus Vorverfahren (Abs 2 mit LS 1.3.3) und entweder Reorganisation oder aber Liquidation (Abs 1); LS 2.1.1 I S 1 mit Betonung der Einheitlichkeit des Modelles; LS 2.1.2 II zum Ablauf im Groben; dazu kamen jedoch – letztendlich just inhaltlich hier interessant – einige weitere Vorgaben für Ziel, Zweck, Mittel, nämlich (a) LS 2.1.2 Abs 1 S 1 [Ziel]: den weiteren Fortbestand von Unternehmen sichern, namentlich deren Ertragskraft wiederherstellen. Ziel war eindeutig also ein Alternativverfahren für die Unternehmenssanierung (arg LS 2.1.3: „steht allein unternehmerisch tätigen Schuldner offen“). (b) LS 2.1.1 Abs 1 S 2 [Zweck]: die sonstige Liquidation abwenden, „indem vor allem die Vermögensverhältnisse des Schuldners neu geordnet werden“. Primär wird mithin eine dauerhafte („nachhaltige“) Strukturänderung angestrebt, nicht etwa „nur“ Schuldenabbau. (c) LS 2.1.2 Abs 1 S 2 [Mittel]: möglich sein sollten finanzielle, organisatorische wie personelle Maßnahmen – entsprechend den Gegebenheiten des Einzelfalles und individuell 16 17

In Anlehnung an RJA-Mot S 63. Verwertbare Andeutungen beim Liquidationsvergleich (§ 7 IV VglO/nF: Verwertung),

bei Wiederauflebensklausel (§ 9 [I] VglO/nF: Stundung, Teilerlaß) und Rückschlagsperre (§ 28 I VglO/nF: Absicherung, Befriedigung).

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dem Dafürhalten der Betroffenen.18 Als Eckpfeiler gilt demzufolge die privatautonom getragene „Aushandlung“. Die konkret gewählte Abfolge verdunkelt freilich dieses Zusammenwirken leicht. Sinn war es, die Idee des vorgeschlagenen neuen Rechtsinstituts „paketartig“ zu vermitteln.19 Diese „Präambelfunktion“ wurde zwar mit § 217 aufrechterhalten (Rn 5), inhaltlich jedoch anders aufgefüllt, stärker „von Kompetenzen her“ gedacht. Indem S 1 mit subjektivem (wer darf was?) und S 2 mit objektivem (was kann man?) Impetus Befugnisse zuteilt (Rn 34, 75), macht jene Norm jetzt ausdrücklich Prozessrecht teilweise parteiseits verfügbar (dazu Rn 2 f, 5 f, 27 bzw Rn 28 ff). 3. InsO-Gesetzgebungsverfahren

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Die Grundstruktur der Vorschrift entstammt den Vorentwürfen (§ 243 DiskE/RefE), die sich im Text nur untereinander insoweit unterscheiden, als der RefE die Möglichkeit zur Ausgestaltung der Haftungsfolgen ausdrücklich auf persönlich haftende Gesellschafter erstreckt hat, was aber der DiskE offenbar schon mitdenkt (die Begründung bleibt nämlich insoweit unverändert). Als zentraler Unterschied erscheint nur, dass die Systematik zunächst „dialektisch“ angelegt war, mit allgemeiner (subjektiver) Grundsatzaussage (Abs 1 – erhalten) und erläuternden (objektiven) Regelbeispielen (Abs 2 – entfallen: Rn 17–19). Im Verhältnis von DiskE- zu RefE-Begründung werden jedoch zwei andere Punkte insgesamt deutlicher akzentuiert: Zum einen durch die verfeinerte20 Erläuterung des Sanierungsplans als Grundtypus der Plangestaltung, der übertragende Sanierung (dazu Vor §§ 217 ff Rn 40, 45, 47 f iVm 112) unbedenklich mitumfasst; zum anderen insb der Wechsel recht reservierter, defensiver Einschätzung der angedachten neuen Möglichkeit gegenüber dem Vergleich alten Rechts von Seiten des DiskE21 zu einer spürbar offeneren – realitätsnäheren – Betrachtungsweise, die bewusst vermehrte Gestaltungspotentiale zubilligt, dann im RefE.22 Das vermittelt ein selbstbewussteres Grundverständnis und motiviert erst am Ende inhaltlich die Sinnhaftigkeit jenes neuen Rechtsinstituts (wieso sollte man sonst ändern …? – aber vgl auch Vor §§ 217 ff Rn 63). 17 Im Folgenden ist ebenfalls zu differenzieren zwischen Normtext einerseits (dazu Rn 17– 19) und beigegebener Begründung andererseits (dazu Rn 20 f). § 253 RegE übernimmt den Text des RefE mit seiner Doppelung: vorweg Befugniserteilung zur Normdisposition (Abs 1: Rn 16) und sodann noch einige Regelbeispiele für die Plangestaltung (Abs 2: „kann insbesondere sein“). Angedacht war scheinbar, das insoweit neue Institut etwas „handfester“ zu illustrieren. Genannt waren hierfür: 18 als Nr 1: „daß die Gläubiger aus den Erträgen des vom Schuldner oder von einem Dritten fortgeführten Unternehmens oder aus dem Arbeitseinkommen des Schuldners befriedigt werden“. Angesprochen ist die Mittelherkunft – entweder unternehmerische Erträge oder aber arbeitsvertragliches Entgelt –, gemeint wird allemal aber die spätere Befriedigung (Abs 1 Var 1a/b: Rn 54–59); 18 19 20

Sehr lesenswert dazu namentlich Begr S 162 f. Siehe erg darum Begr S 14–17, 87–90, 152 ff. DiskE: „Wiederherstellung der Ertragskraft des schuldnerischen Unternehmens und die Befriedigung der Gläubiger aus den Erträgen des Unternehmens“ (Begr S 218) plus Ergänzung RefE: „Mit diesem Ziel kann vorgesehen werden, daß der Schuldner das Unternehmen fortführen und die langfristig

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gestundeten Insolvenzforderungen im Laufe der Jahre berichtigen soll.“ (Begr S 251 = BTDrucks 12/2443 S 165 li. Sp.) Begr DiskE S 218: „weitgehend die gleichen Gestaltungsmöglichkeiten“. Begr RefE S 251: „über die Möglichkeiten hinaus … zahlreiche weitere Gestaltungsmöglichkeiten.“

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§ 217

Grundsatz

als Nr 2: „daß ein Treuhänder im Auftrag der Gläubiger die Insolvenzmasse verwertet“. Eröffnet wird offenbar, den Insolvenzverwalter kraft Treuhänderschaft bei Verwertungen zu substituieren. Das zielt klar somit auf Liquidationspläne, hält aber dazuhin noch eine weitere eigene Nuance bereit: die Rechtsstellung der Gläubiger(schaft) als „Auftraggeber“ – das deutet auf scheinbar stärkere Bindung verglichen mit dem eigentlich klassischerweise weisungsfreien Insolvenzverwalter (aber wie so oft gilt: Nachweis der Regel durch die Ausnahme, vgl § 157 S 2). Das Regelbeispiel verdeutlicht die Möglichkeiten zur Gestaltung der Verwertung (Abs 1 Var 2a: Rn 60–62); als Nr 3: „daß die Ansprüche der Gläubiger gestundet und teilweise erlassen werden“. Das betrifft mögliche Einbußen der Gläubiger (im Unterschied zu Nr 1: Zahlungen für die Gläubiger). Reziprok ist zugleich indes auch die Haftung des Gemeinschuldners mit gemeint. Das zielt auf Art und Weise bzw Höhe der Schuldnerverpflichtung nach Verfahrensbeendigung (Abs 1 Var 4: Rn 68–71). Für jedes der ursprünglich bloß drei zugelassenen Regelungsfelder (wegen des vierten 19 siehe bei Rn 22) hatte Abs 2 somit also ein anschauliches Gestaltungsbeispiel bereitgehalten – ja gar noch mehr: Abs 2 arbeitete Abs 1 in akkurat derselben Reihenfolge ab. Der Rechtsausschuss hat die Anwendungsfälle als dogmatisch nicht notwendig alsdann gestrichen23 (Straffung des Wortlauts) – sie bieten aber weiter ein gutes Anschauungsmaterial dafür, was genau möglich erscheint … Die andere vom Rechtsausschuss vorgenommene Textveränderung ist mehr als eine 20 nur kürzende, technische „Maßnahme“: die mit § 243 I RefE propagierte und mit § 253 I RegE übernommene Ergänzung, dass neben der Haftung des jeweiligen Gemeinschuldners die Haftung „dessen persönlich haftender Gesellschafter“ genauso eigens ausgestaltet werden könne, wurde wieder getilgt24 – ohne dass aber die wirkliche Reichweite der Streichung klarliegt: Verfahrensvereinfachung braucht strukturelle, nicht etwa nur redaktionelle Kürzung (Abs 1 „versus“ Abs 2). Dafür spricht etwas wohl das „Leisetreten“ betreffend die Neuordnung von Unternehmen (siehe auch zur Streichung von §§ 262/263 bei § 220 Rn 12–15); dagegen steht indes die Behauptung, die Forthaftung sei so oder so per jeweiligem Insolvenzplan gestaltbar – und zwar gemäß § 270 [II] RegE, heute § 227 [Abs 2] InsO. Das führt zur grundsätzlich bedeutsamen Fragestellung, wie sich § 217 (Eingangsnorm) zu §§ 223–225a, 227 (Ausformungen) verhält. Hierbei fällt auf, dass bei Verwertung (Var 2a), Verteilung (Var 2b) und Abwicklung (Var 3 [neu]) solche „Bezugsnormen“ fehlen – es geht im Wesentlichen dort um eine Parteigestaltung prozessualer Verfahrensweisen, für welche das Regelverfahren (insb §§ 148 ff, 187 ff) bereits ausreichend präzise „Hilfsregeln“ vorhält; für materielle Eingriffe allerdings ist jeweils indes eine Hilfe gegeben (dazu Rn 9). Deshalb hätte man mE den Zusatz stehenlassen sollen – die Streichung ist inhaltlich ein Redaktionsversehen25 (vor allem mit Blick auf § 227 II). Was die „amtliche“ Begründung (zu § 253 RegE25a) angeht, wurde hier der tiefsinnige 21 Eingangssatz („beschreibt die Arten von Regelungen, die in einem Plan getroffen werden können“) beibehalten. Gemeint damit ist Zubilligung prozessualer Disposition – Gestattung wie Begrenzung (dazu Rn 2 f, 5 f, 27 bzw Rn 28 ff). Das wird durch zusätzliche Freistellung (erster, eigener Absatz!) prononciert. Die nähere Begründung jedoch erscheint detaillierter, weil auf zwei eventuell Betroffene zusätzlich eingegangen wird. Das sind einerseits 23

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BT-Drucks 12/7302 S 181 (Nr 134) [RA]: „Streichung … dient der redaktionellen Kürzung des Gesetzes.“ BT-Drucks 12/7302 S 181 (Nr 134) [RA]: „Um das Verfahren zu vereinfachen, …“.

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25a

Vor allem weil diese die Regelungsmacht gegenüber Dritten (persönlich haftenden Gesellschaftern) erweitert. BT-Drucks 12/2443 S 195.

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Arbeitnehmer, die damals noch erfasst waren (2. Absatz: Schuldenbereinigungsplan als Alternative zum Restschuldbefreiungsverfahren), dies waren andererseits die Aussonderungsbefugten (bzw Vormerkungsberechtigten), deren Befugnis nicht geändert würde (5. Absatz: „Rechte … können durch einen Insolvenzplan nicht beeinträchtigt werden“). Eine weitere Gruppe findet dagegen bloß beiläufig noch Erwähnung: die persönlich haftenden Gesellschafter. Waren jene einst „Anschauungsmaterial“ für die Restschuldbefreiung (was kaum passte: es fehlt an einer Gemeinschuldnerrolle), sind sie nur noch – insgesamt allemal richtiger – Gegenstand möglicher Regelungen (2. Absatz: „können … abweichend von den gesetzlichen Vorschriften geregelt werden“). Das passte gut angesichts vollmundigeren Wortlautes, der neben dem Gemeinschuldner die persönlich Haftenden einbezogen sah (hier Rn 20 bzw § 227 II [materielle Enthaftung als eine Art Auffangregel, dort Rn 14]). 4. ESUG-Nachbesserungen

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Satz 1: Hinzufügen einer Klarlegung mit einer neuen, dritten Fallgruppe auf Initiative des Bundesrates26 (Verfahrensabwicklung: Rn 64–67). Gedacht war das allemal nur als Weiterführen bisheriger Rechtspraxis, nachdem zuvor das LG Frankfurt/Main anders entschieden27 und der BGH die Frage offengelassen28 hatte. Am tradierten Grundbestand sog planfester Vorschriften sollte damit jedoch nicht weiter gerüttelt werden29 – es ging bloß um weitestgehende Rechtssicherheit, dh die Möglichkeit „verfahrensbegleitender“ Planinhalte. Man sollte ergänzend hierzu die Änderung bei § 258 I beachten: die Rechtskraft gerichtlicher Bestätigung des Insolvenzplans mündet nicht mehr notwendig in die Aufhebung des Insolvenzverfahrens30; im Plan können hiernach – gleichfalls verfahrensleitender Rechtsnatur – abweichende Regeln aufgenommen werden (Art 1 Nr 43a ESUG) – der verfahrensbegleitende Insolvenzplan muss also nicht auch ein verfahrensbeendender Insolvenzplan sein;31 § 258 I nF stellt jetzt klar, dass dafür genauso Dispositivität für den Planverfasser (dazu Rn 4) besteht. 23 Satz 2: Hinzufügen der Erweiterung um eine durch Verselbständigung formal exponierte fünfte Fallgruppe auf Regierungsinitiative hin32 (Möglichkeit gesellschaftsrechtlicher Veränderung: Rn 72–75). Dass Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte selbst direkt einbezogen werden können (Art 1 Nr 15b ESUG) – nicht mehr nur mittelbar kraft autonomen Fortführungsbeschlusses und nachfolgendem „Nachzeichnen“ aufgestellter Planvorgaben (§ 249)33 – verkehrt das gewohnte Verhältnis von Gesellschafts- und Insolvenzrecht. War früher das reguläre Gesellschaftsrecht führend (Blockadepotential!), bekommt das Insolvenzrecht nun offensichtlich den Vorrang (Einigungszwang!). Diese Grundidee formuliert jetzt § 217 S 2 – und öffnet die Pforte für nachfolgend umfangreiche Anpassungen, sei es

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BT-Drucks 17/5712 S 54 [BRat] bzw S 68 [BReg] – zu Nr 8. LG Frankfurt/Main ZIP 2007, 2229, 2230 [II] {26} = NZI 2008, 110. BGH NJW-RR 2009, 839, 842 {27} [III 2b bb] (in Rechtsbeschwerde zu Fn 27) = ZIP 2009, 480 = WM 2009, 518 = ZInsO 2009, 478 = NZI 2009, 230 = DZWIR 2009, 331 = Rpfleger 2009, 409 = MDR 2009, 590. BT-Drucks 17/7511 S 35 re. Sp. [RA – Billigung!].

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BT-Drucks 17/5712 S 58 [BRat] bzw S 70 [BReg] – zu Nr 19 bzw BT-17/7511 S 68 [RA – Billigung!]. Hier anders noch LG Frankfurt/Main ZIP 2007, 2229, 2230 [II] {26} = NZI 2008, 110. BT-Drucks 17/5712 S 30 [RV: Nr 14]. Beispielsfall (unter altem Recht): BGHZ 185, 206, 210 mit 210/211 {22–24} [II 2a/b] = DZWIR 2010, 384, hierzu kontrastierend obiter {22}: „Auf die gesellschaftsrechtlichen Strukturen des Insolvenzschuldners kann der Insolvenzplan [!] keine Auswirkungen haben.“

Joachim Münch

§ 217

Grundsatz

der Terminologie („Beteiligte“ statt „Gläubiger“), der Planinhalte (§ 225a – debt-equityswap) und -auswirkung (§ 254a II) sowie auch der Verfahrensabläufe (insb §§ 222 I Nr 4, 235 III S 3 und 4, 238a, 241 II, 244 II, 245 III, 246a, 252 II S 2 und 3). 5. Rechtsvergleichung Das amerikanische Recht (11 USC ch. 11 – Näheres siehe Vor §§ 217 ff Rn 140 ff) ver- 24 feinert nicht dogmatisch, wer subjektiv betroffen ist. Es vermittelt aber zwei Grundlagen, welche heute auch dem deutschen Recht seine Gestalt verleihen. Einerseits ist das die abgestufte Verfahrensbetroffenheit von Sicherungsberechtigten. Der Gemeinschuldner ist fürs erste sicher (§ 362: automatic stay) und kann zudem weiter handeln (11 USC § 1107 lit a: debtor in possession) – Sicherungsrechte bleiben zwar anfangs undurchsetzbar, aber allemal erst wertgeschützt;34 man denkt dennoch schon die spätere Planeinbeziehung bereits mit (11 USC § 1123 lit b Nr 1: „impair … any class of claims, secured or unsecured“ iVm lit a Nr 5D, E bzw lit b Nr 5: „modify the rights of holders of secured claims“35). National verläuft hierzu die Grenze insoweit zwischen Absonderung und Aussonderung (vgl Rn 35 und 37). Andererseits ist festzuhalten die aus einer amerikanischen Warte vollkommen problemlose Einbeziehung der Anteilseigner, welche erst das ESUG brachte (11 USC § 1123 lit b Nr 1: „impair … any class … of interests“ iVm lit a Nr 5C, I, J und Nrn 6/7: Rn 26 aE, § 225a Rn 6 f, 16). Das erweist nicht zuletzt den stärkeren U.S.-Willen, möglichst zu sanieren („reorganization“, vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 140, 145, 157–160). Und auch was dann die genaue Planausgestaltung angeht, zeigt das U.S.-Recht eher 25 pragmatische Züge, was objektiv regelbar ist – vorbehaltlich der Anwendbarkeit nichtinsolvenzlicher Sondernormen (11 USC § 1123 lit a pr.: „notwithstanding any otherwise applicable nonbankruptcy law“). Es ist bloß festzulegen, was denn gelten soll (in Parallele zu § 221), nicht abstrakt insolvenzrechtlich geregelt wurde, was genau man kann und darf. Zu regeln ist einmal die konkrete Beeinträchtigung, in zwei Stufen (arg 11 USC § 1123 lit b Nr 1): (1) wer bleibt unbehelligt? (§ 1123 lit a Nr 2: „specify any class … that is not impaired under the plan“); (2) wie werden andere betroffen? (11 USC § 1123 lit a Nr 3: „specify the treatment of any class“). Zu regeln ist ferner die Verwirklichung der Umsetzung des Insolvenzplans mit Generalklausel (11 USC § 1123 lit a Nr 5 pr.: „adequate means for the plan’s implementation“) und Fallbeispielen (so wie in § 253 II RegE [Rn 17–19] anfänglich ebenfalls vorgesehen) und ohne jeden irgendwie abschließenden Charakter („such as“ bzw lit b Nr 6: „any other appropriate provision not inconsistent with the applicable provisions of this title“: Rn 26). Hierin liegt klar der Schwerpunkt der Planregelung und die hochschwierige Gestaltungsaufgabe des Planverfassers. Nötig ist, einen mehrheitsfähigen Interessenausgleich im „magischen Viereck“ von Chance und Risiko, Opferbereitschaft und Besitzverteilung36 inhaltlich zu vermitteln. 11 USC § 1123 lit a Nr 5 A-J, Nrn 6–8 und lit b Nrn 1–5 formulieren beispielhaft nach- 26 folgende Regelungen: Neuzuteilung der Insolvenzmasse, dh welches Vermögen soll beim Schuldner verbleiben (A) bzw auf Dritte übergehen (B); freihändige Veräußerung (D) von Einzelgegenständen („Teilliquidation“), insbesondere von Grundstücken (lit b Nr 4), und auch des Gesamtunternehmens (letztlich „übertragende Sanierung“: Vor §§ 217 ff

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Weiteres bei Flessner Sanierung und Reorganisation (1982), S 133–135. Mit Ausnahme von Immobiliarsicherheiten am Familienwohngrundstück – siehe auch bei Rn 26 aE.

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Noch immer sehr lesenswert Flessner Sanierung und Reorganisation (1982), S 254 ff.

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§ 217

Sechster Teil. Insolvenzplan

Rn 45–47); Befriedigung und Veränderung jedweder Pfandrechte (E iVm 11 USC § 101 Nr 37 [„lien“] bzw lit b Nr 5 [„secured claims“] – das ähnelt der Var 1a) bzw Beendigung oder Veränderung von anderweiten treuhänderischen Sicherungen (F iVm 11 USC § 101 Nr 28 [„indenture“]), Fälligkeits- und Zinsänderungen mit inbegriffen (H); „Nichtbeachtung“ bisheriger Nichterfüllung (G – aber vgl auch erg lit d), Änderung schwebender Verträge (lit b Nr 2), Modifikation von Forderungen (lit b Nr 3) – außerdem noch speziell gesellschaftsrechtlich (Rn 24 aE) angeregt: Verschmelzung (C), Veränderungen des Statuts von Gesellschaften (I), Beteiligungen neuer Anteilseigner in jeder Art und Weise (J: „or for any other appropriate purpose“), mitumfassend die Regelung von Stimmrechten (lit a Nr 6) und Auswahl der Leitung (lit a Nr 7). Für eine Naturalperson kann man zusätzlich künftiges (Arbeits-) Einkommen verplanen (lit a Nr 8). Eigene Schutzvorschriften gelten für Wohneigentum bzw den Schutz des Familienheims sowie Renten- und Pensionsansprüche (lit c iVm 11 USC § 522). 27 Dahinter steckt eine rechtsgrundsätzlich andersartige Herangehensweise. Das U.S-Recht bewegt sich in materiellen Kategorien; im Prinzip herrscht deshalb privatautonome Gestaltungsfreiheit mitsamt materieller Grenzen (11 USC § 1123 lit a pr.), das Prozessrecht steht hierbei in zweiter Reihe (11 USC § 1123 lit b Nr 6), wirkt nur flankierend und nicht dominierend. In unseren Augen gesehen: das maßgebende Prozessrecht legitimiert allenfalls den Abschlusszwang, begrenzt jedoch nicht auch die Inhaltsfreiheit; es geht um materielle Disposition in nurmehr prozessualem Gewande. Das deutsche (Insolvenzplan-) Verständnis ist hingegen grundverschieden, es denkt in prozessualen Kategorien und sieht die prozessuale Disposition. Die Verfügbarkeit ist dementsprechend nicht vorausgesetzt (Privatautonomie), sondern vielmehr das Ergebnis ureigener Entscheidung des Gesetzgebers, die Vorgabe gemeinüblich zwingenden prozessualen Rechtes partiell zu lockern. Das erklärt den Impetus des § 217: es bedarf erst einmal im Vorhinein inhaltlich tragfähiger Ermächtigung (dazu Rn 2 f und 5 f). Mithin ist falsch, sich zu sehr am Materiellen zu orientieren37 – erst und bloß § 217 (iVm § 1 S 1 – nicht anders herum: Rn 41) eröffnet die Autonomie und Gestaltung.

III. Möglichkeit zur Disposition 1. Vorbedingungen

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Vorgelagert ist durchgängig, dass überhaupt ein Verfahren der Insolvenz auch durchgeführt wird (arg § 1 S 1 Hs 1: „Das Insolvenzverfahren dient dazu, …“). Nötig sind dafür Insolvenzfähigkeit, Antragstellung, Eröffnungsgrund (§§ 11–19), ergänzend noch materiell eine kostendeckende Insolvenzmasse (§ 26) und förmlich die Eröffnung des Verfahrens (§§ 27–33)38 – siehe auch bei § 218 Rn 18. Erst anschließend kann begrifflich eine Abweichung vom Normmodell (iSv § 1 S 1) in nähere Betracht kommen – und natürlich sind umgekehrt diese Bedingungen sämtlich unverfügbar gestellt. Nötig ist immer ein Insolvenzverfahren in jenem „rechtstechnischen“ (InsO-) Sinne.

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Was viele (allzu) gerne tun: Rn 36 bei/ mit Fn 50 bzw § 221 Rn 11. Besonders symptomatisch letztlich BK/Flöther/Wehner InsO53 § 217 Rn 2 einerseits, Rn 1 („Deklaration“) und Rn 3 (Generalklausel) andererseits.

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 217 Rn 1 Fn 1; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 217 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 217 Rn 55.

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§ 217

Grundsatz

So wie es nach wie vor kein Konzerninsolvenzverfahren gibt (§§ 269a-i39 verpflichten 29 nur zur Koordination), so gibt es erst recht kein Planverfahren bei Konzernpleite. Vorgesehen ist seit neuem allerdings die Weiterleitung vorgelegter Insolvenzpläne (§ 269b S 2 Nr 6: „muss“) und die Möglichkeit eines ergänzenden Koordinationsplans im Falle mehrerer Insolvenzen (§ 269 f I S 2: „kann“) – wegen Einzelheiten siehe §§ 269h/i. Das aber ist Koordination und Kooperation, nicht etwa ein „Einheitsverfahren für die Konzerninsolvenz“.40 Möglich ist dagegen die Verfahrenswahl der Eigenverwaltung (§§ 270–285) – dabei wird die Ausarbeitung eines Insolvenzplans durch eine Art „Atempause“ zeitlich bevorzugt (§ 270b: Schutzschirmverfahren, vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 20 und 30 iVm 135 – Abs 1 S 1: „ist die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos“), allgemein werden die §§ 157 S 2, 218 (§ 284 I: Planvorlage) bzw §§ 260–269 (§ 284 II: Überwachung) insoweit mit Blick auf § 270 I S 2 angepasst, zumal doch die Verfügungsmacht großteils beim Gemeinschuldner verbleibt. Möglich ist genauso die Einleitung eines speziellen Verbraucherinsolvenzverfahrens (§§ 304–311) – es ist ja als gesetzliches Regelverfahren ausgestaltet (§ 304 I S 1 Hs 2) und partiell nur angepasst ans Vereinfachungsbedürfnis (§ 304 I S 1 Hs 2); der einstmalige Ausschlusstatbestand ist weggefallen (vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 26)! Dabei kann der vorauslaufende außergerichtliche Lösungsversuch (§ 305 I Nr 1: „auf der Grundlage eines Plans“) erneut eingebracht werden (§ 305 I Nr 4 Hs 1: Schuldenbereinigungsplan). Regelbar ist das laufende Insolvenzverfahren, so wie es zuvor eröffnet wurde. Wenn es 30 regelhaft (§ 200 – aber: § 218 I S 3, dort Rn 79) oder irregulär (§§ 207, 212, 213 – nicht aber bei Masseunzulänglichkeit: § 211 – arg § 210a41) zu Ende kommt, bevor noch der Plan wirkt (§ 254 I – ab dann greift das „Sonderregime“ des § 258 I), tritt Überholung oder besser wohl Erledigung ein. Umgekehrt ist natürlich die spätere Folgeinsolvenz niemals mitinbegriffen,42 es sei denn man habe – insoweit rechtlich vorgesehen (insb §§ 264–266: Kreditrahmen – vgl auch erg § 255 II „versus“ III S 1) – besondere Vorsorge getroffen. 2. Ermächtigung Nötig ist immer legislativ verfügte Gestattung der erwünschten prozessualen Disposi- 31 tion, zumal Prozessrecht im Normalfalle keine autonomen Veränderungen gestattet. Das gilt umso mehr, als gezielte Grundrechtseingriffe anstehen, so wie in Vollstreckungsfällen. Der gewährte Gestaltungsfreiraum (§ 1 S 1 Hs 3 mit § 217) erscheint darum recht stattlich. Möglich sind drei Modelle: (a) Eine Generalermächtigung fürs komplette Verfahren oder größere Teile hiervon. Darauf könnten § 1 S 1 und § 217 S 1 Var 3 („die Verfahrensabwicklung“) deuten, wobei aber der letztere Ansatz erst später hinzukam (dazu Rn 4, 22, 38 aE, 64), ohne dass etwa ein prinzipieller Systemwechsel zugrundeliegt (dazu Rn 65–67). (b) Wenn man also § 217 in seinem Gesamtzusammenhang wertet, gibt er bloß Sektorenoder Bereichsermächtigungen für inhaltlich kleinere Abschnitte des Verfahrens (wegen Einzelheiten siehe Rn 54 ff). Zumindest eine muss dann zutreffen, eine Überschneidung 39

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Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen vom 13.04.2017 (Art 1 Nr 6); BGBl I Nr 22 S 866, 868 f [in Kraft ab 21.04.2018 (Art 10)]. Weiterführend: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 32–34; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 217 Rn 66–68; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 Vor § 217 Rn 37–43.

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 217 Rn 55 mit 62–65. BGHZ 199, 344, 353 {25} [II 1b aa (3)] = NJW 2014, 1386 = DZWIR 2014, 364: keine Fortwirkung einer Verwalterermächtigung für Anfechtungsstreitigkeiten.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

wäre unschädlich – es fehlt an einem „Zitiergebot“. Sie bilden gemeinsam die Ermächtigung zur Gestaltung43 (iSv § 221) per Insolvenzplan, insb für Abweichungen von §§ 159–173, 187–203, 286–303a. (c) Dazu treten noch einige Spezialermächtigungen für Gestaltungen in Sonderfällen (§ 66 I S 2 idF Art 1 Nr 11 ESUG44) und diverse Spezialregeln im Planverfahren als solchem (dazu Rn 32). Beides trägt dann einen klaren Umkehrschluss: Regelabläufe45 sowie vor allem die Planwerdung, dh §§ 2–158 einerseits (dazu Rn 48) und selbstredend §§ 217–269 andererseits (dazu Rn 8), sollten offenkundig allemal unverfügbar bleiben. 32 Das Planverfahren kennt nachfolgende direkte Spezialermächtigungen (iSv Rn 31 [c]), welche aber im gestaltenden Planteil ausdrücklich betätigt werden müssen; sie erweitern nicht lediglich die objektiven Aufgreifkriterien, sondern durch Befugnisse des Verwalters zudem die subjektive Reichweite:46 § 221 S 2 („Bevollmächtigung“ des Insolvenzverwalters für Umsetzungsakte [Var 1] und Fehlerkorrekturen [Var 2], dort Rn 100–113); § 251 III (Bereitstellung von Ausgleichsmitteln, dort Rn 59–66 iVm 40–52); § 255 III S 1 (Rechtsfolgen der Säumigkeit mit Leistung, dort Rn 55–58); § 258 I (Fortführen „regulären“ Verfahrens, hier Rn 4, 22 bzw dort Rn 16 iVm 10–12); § 259 III (Prozessführungsmacht des Verwalters für Anfechtungsprozesse, dort Rn 20 ff); §§ 260, 263 (Planüberwachung – Näheres siehe bei § 260 Rn 10 iVm 17 ff und § 263 Rn 2–5); § 264 (Vorrangigkeit eines Kreditrahmens, dort Rn 9–13). – § 66 I betrifft zudem die Rechnungslegungspflicht des Insolvenzverwalters. 33 Die vier Bereichsermächtigungen von Satz 1 erlauben ausdrücklich, „von den Vorschriften dieses Gesetzes“ [also der InsO] abzuweichen. Es geht um prozessuale Disposition, die aber nicht etwa ins „allgemeine“ Prozessrecht übergreift: ZPO und GVG bleiben darum außen vor; zur InsO existieren zusätzliche Begrenzungen von generellerer Art (Rn 44–47). Andere Gesetze (Sachenrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht etc) sind strikt hingegen zu beachten;47 das gilt indes ausnahmsweise nicht auch für spezialgesetzliche Verfügungsschranken, wenn und weil insolvenzrechtlich konkurrierende Gestaltungsmacht vorliegt (dazu Rn 61 aE). Satz 2 mit Var 5 lässt ähnliche Klarheit zwar vermissen, der Konnex mit Satz 1 liegt aber auf der Hand, und § 225a III koppelt Gestaltungen ohnehin ans jeweilig gesellschaftsrechtlich Mögliche. 34 Die „Ermächtigungsnorm“ des § 217 ist scheinbar recht akribisch, lässt indes vieles offen. Das rührt von einer komplizierten Verschränkung von subjektiven (Rn 35–37) und objektiven (Rn 38, 54 ff) Aufgreifkriterien zur Umschreibung der Autonomiebereiche48 (Spezialitätsprinzip) – quasi eine Art Kompromiss aus Generalklausel und Einzelermächtigung. Klar scheint aber zunächst doch dreierlei: (a) Wenn es hier um Abweichungen „von den Vorschriften dieses Gesetzes“ geht (Ermächtigungsprinzip), meint dies die Abänderung des gesetzlich ansonsten eingreifenden Regelverfahrens (nämlich dessen Ablaufs), nicht aber auch des grundsätzlichen Verfahrensziels, die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen (arg § 1

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AA hier BK/Flöther/Wehner InsO53 § 217 Rn 3: Reihenfolge sei Gewichtung (von einzelnen Zwecksetzungen [?]). Dazu BT-Drucks 17/5712 S 27 li. Sp. Dazu zählen auch Eigenverwaltung (§§ 270–285 – aber: § 284; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 3), Verbraucherinsolvenz (§§ 304–311; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 217 Rn 2) und Sonderverfahren (§§ 315–334; Uhlenbruck/Lüer/Streit

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§ 217 InsO14 Rn 2 aE) – jenseits der Vorgaben des § 217! Zust Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 217 Rn 56. Madaus ZIP 2016, 1141, 1146–1149 [IV 1/2] – nicht aber zur Festlegung seiner Vergütung: S 1149–1151 [I 3], siehe dazu bei Rn 48 bzw Fn 84. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 31. Madaus ZIP 2016, 1141, 1142 [II 1/2]: zweifach definierte „Plantauglichkeit“.

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§ 217

Grundsatz

S 1 Hs 1). (b) Solche Abweichungen „können“ (nicht: müssen) vorgenommen werden (Selbstbestimmung bzw Autonomieprinzip), die alternative Gestaltung obliegt dabei der Initiative des (Plan-) Verfassers (§ 218) und mittelbar (§ 157 S 2) der Gläubiger sowie vor allem der Billigung per Majorität. (c) Jene Änderungen müssen allerdings zwingend „in einem Insolvenzplan“ erfolgen, dh der Insolvenzplan ist Mittel zum Zwecke (Exklusivitätsprinzip). Das meint den Insolvenzplan als Rechtsinstitut (präziser hätte es somit geheißen: „durch einen Insolvenzplan“), Ablauf, Inhalte, Formen etc, aber zB auch Abstimmungsmodi, Mehrheitsverhältnisse, Gerichtsprüfung, nicht bloß den eigentlich „gestalterischen“ Planinhalt (§ 221), vielmehr komplett den Sechsten InsO-Teil (§§ 218–269). 3. Aufgreifkriterien a) Subjektive Aufgreifkriterien. § 217 vermittelt zuerst zweifellos einige subjektive 35 Aufgreifkriterien, wenn er hier bestimmte Sachbereiche (Rn 38) mit Parteirollen verknüpft. Genannt werden neben „klassischen“ Beteiligten – (vollrangige wie nachrangige) Insolvenzgläubiger und Absonderungsbefugte (S 1/Var 1) einerseits, Gemeinschuldner (S 1/Var 4) andererseits) – ebenso Beteiligte im Generellen (S 1/Var 2b), ferner Personen, welche an Gesellschaften eigene Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte halten (S 2/Var 5). S 2 sagt heute sehr schön, was hiermit gemeint ist: sie alle können wider ihren Willen „in den Plan einbezogen werden“. Eidenmüller unterscheidet daher grundsätzlich zwangsweise und „freiwillig“ Planunterworfene49 (das letztere ein Oxymoron), ohne dass das aber großen weiterreichenden Erkenntnisgewinn bringt, wenn man sich der maßgeblichen Grundannahme vergewissert: Natürlich kann ein Plan sämtliche Regelungen enthalten, die rechtsgeschäftlich als Ge- 36 staltung statthaft erscheinen50 – wenn sie denn insgesamt rechtsgeschäftlich gebilligt sind (Konsensprinzip). Das ist schlicht nur die Ausübung privatautonomer Freiheit. § 217 (besser gesagt: das Insolvenzplanverfahren) überwindet diese privatrechtliche Festlegung durch originär verfahrensrechtliche Lösungen: man kann unter bestimmten Voraussetzungen Plangestaltungen aufzwingen und hierdurch „Akkordstörer“ übergehen („Oktroybefugnis“ – mit Folgewirkungen zur Rechtsnatur des Insolvenzplans, vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 228–230, 234–236, 255–258, 261, 266–268). So besehen benennt die Rollenbeschreibung, wem denn genau – gemäß prozessualer (!) Sicht – solch Einigungszwang droht. Darum war weise, Satz 2 separat zu stellen, er formuliert (so wie auch § 227 II) – im Unterschied zu Satz 1 – Ausweitungen gegenüber der regulären Unterwerfung (dazu vgl noch Rn 37). Ansonsten bleibt natürlich die Möglichkeit freiwilligen Übernehmens von Belastungen (arg § 230 III InsO)51 – konsenslose Begünstigungen dagegen sind relativ unproblematisch darstellbar (arg § 328 BGB).52

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 60 mit Rn 61 ff „versus“ Rn 73 ff. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 3; HK/Haas InsO9 Vor §§ 217 ff Rn 13; Häsemeyer InsR4 Rn 28.03 und 17; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 40; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 13. Wohl sympathisierend auch BGH NJW 2017, 2280, 2282 {19} [II 2b aa] = DZWIR 2017, 334. Dunkel bleiben hingegen BT-Drucks 12/2443 S 91 re. Sp. [BReg zur InsO]: „privatauto-

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nome, den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Übereinkunft“ (Hervorh vom Verf – was ist Grundlage, was ist Schranke?) bzw BT-Drucks 17/5712 S 54 li. Sp. [BRat zum ESUG] – kryptisch mit dem Nachsatz „Gleichsam [?] ist aber der abschließende Charakter des § 217 zu beachten“. ZB Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 14 mwN („Beitritt“). AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 13 mwN (Verbot?).

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§ 217

Sechster Teil. Insolvenzplan

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Weniger Sinn macht hier dagegen schlussendlich, in den Beteiligtenbegriff (Var 2b) allzu vieles vorab „hineinzugeheimsen“53 (der berührt ein Problem von allgemeinerer Art [§ 221 Rn 36–54], nicht eins von § 217 S 1 – besser hätte man hier wohl auf jenen Zusatz komplett verzichtet …). Mir scheint untechnisch hierbei ein Sammelwort ohne Bedacht bloß eingesetzt, das alle vom Plan jeweilig betroffenen Personen mitumfassen soll. In einem anderen Sinne dagegen impliziert die Nichterwähnung die Freistellung vom Einigungszwang: das gilt für Aussonderungsbefugte54 und Massegläubiger55 (arg § 210a e contr.56), und auch den Insolvenzverwalter57 (besonders seine Vergütung, dazu Rn 48) – und erst recht auch für möglicherweise künftige Massegläubiger (daher insb keine Verpflichtung zum Vertragsschluss: Sanierungskredit, Warenabnahme, Materiallieferung etc), einschließlich der Sozialplanansprüche von Arbeitnehmern.58

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b) Objektive Aufgreifkriterien. Die objektiven Kriterien erscheinen ungleich schwieriger erfassbar, zumal offenbar keine stringente Terminologie zugrunde liegt und teilweise Überschneidungen vorkommen. Man kann sich aber etwas von der subjektiven Anknüpfung „mitziehen“ lassen. Denn für alle Betroffenen existieren Bezugsregeln, welche gleichsam den Rahmen ausfüllen: Für Insolvenzgläubiger geht es etwa im Positiven um Stundungen und Sicherungen (§ 224), jedoch natürlich im Negativen primär um Kürzungen und

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So jedoch im Ansatz vorderhand MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 59 f. BT-Drucks 12/2443 S 195 re. Sp. [{5} zu § 253], siehe auch noch bei Rn 21; OLG Saarbrücken U. v. 03.12.2015 – 4 U 42/14, BeckRS 2016, 00900 {48}; LG Düsseldorf ZIP 2015, 2182; LG Frankfurt/Main ZIP 2007, 2229, 2230 [II] {24} = NZI 2008, 110; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 2; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 217 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 6; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 217 Rn 37; HK/Haas InsO9 § 217 Rn 14; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 61 f; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 13 und 15; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 217 Rn 30; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 81 ff – hier zweifelnd, mindestens missverständlich [?] Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 217 Rn 8 mit 19 ff. Und auch für Vormerkungsberechtigte: BTDrucks 12/2443 S 195 re. Sp. [{5} zu § 253], siehe auch noch bei Rn 21; Andres/Leithaus/ Andres InsO9 § 217 Rn 2; FK/Jaffé InsO19 § 217 Rn 62 aE. BGH NJW 2017, 2280, 2282 {22} [II 2b bb (1)] = DZWIR 2017, 334; LG Düsseldorf ZIP 2015, 2182; OVG Münster, B. v. 30.06.2009 – 5A 3363/07 [1a] {5 f}; LG Dresden ZIP 2005, 1607, 1607 [II 1]; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 2 und 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 3 („grds.“); Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3

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§ 217 Rn 35; HK/Haas InsO9 § 217 Rn 11 mit § 221 Rn 2; FK/Jaffé InsO19 § 217 Rn 66 [„umstritten“?]; BK/Flöther/Wehner InsO53 § 217 Rn 4 („[nicht] gegen deren Willen“); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 13 und 19; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 217 Rn 25; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 217 Rn 30; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 74. Näheres siehe bei BT-Drucks 17/5212 S 29 re. Sp. mit S 29/30 [ESUG-RV: Nr 12] bzw BT-Drucks 12/2443 S 221 li. Sp. [InsO-RV: § 323 II]. BGH NZI 2007, 341 {7} [II 1b aa] = DZWIR 2007, 343; NJW 2017, 2280, 2282 {21} [II 2b bb (1)] = DZWIR 2017, 334; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 217 Rn 6; HK/Haas InsO9 § 217 Rn 14; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 3; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 93; Balthasar HRI2 § 26 Rn 45; wohl auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 37 („grundsätzlich“ [?]). Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 10; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 217 Rn 35; HK/Haas InsO9 § 217 Rn 4 und 11; FK/Jaffé InsO19 § 217 Rn 66; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 32; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 76 – aA Braun/Braun/Frank InsO7 § 217 Rn 8; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 217 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 21; Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 217 Rn 30–34 (mE indes letztendlich mehr Wunsch als Wirklichkeit).

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§ 217

Grundsatz

Verzichte (arg ex § 227 [vertauschte Perspektive] und § 225 I), dh Forderungsgestaltung (Var 1b: Rn 58 f), das gilt ähnlich auch für Absonderungsbefugte (§ 223 II) bzw die Änderung ihrer Befugnis, (zT) „autonom zu agieren“ (Var 1a: Rn 57); der Gemeinschuldner muss sich auf zukünftige Weiterhaftung einstellen (§ 227 I e contr. – Var 4: Rn 68–71), und alle Unternehmenseigner sind den gesellschaftsrechtlich statthaften Maßnahmen unterworfen (§ 225a III – Var 5: Rn 72–75). Nur jener Bereich erscheint nicht wirklich strikt begrenzt.59 Sonst kann man erstaunlich viel herauslesen aus dem Konnex mit der Einzelregel. Daneben hilft das Anschauungsmaterial aus § 243 II RegE (dazu Rn 18), die Möglichkeiten zu verdeutlichen. Mithin fällt bloß der sog verfahrensleitende oder -begleitende Insolvenzplan (Var 3: Rn 4, 31 [a], 64) aus eben jenem Rahmen, der – richtig besehen (Näheres siehe bei Rn 65–67) – allerdings gar keinen Eigenbereich öffnet, sondern mit den übrigen Bereichen immanent gekoppelt scheint. Das macht die Sache natürlich nicht einfacher … Ausgang wie Abläufe des Verfahrens seien disponibel,60 postulierte der Gesetzgeber – 39 doch war das eher auf die globale Zielvorgabe gemünzt,61 nicht aber auf geltendes Insolvenzrecht insgesamt. Anders gesagt: die Aussage fokussiert stärker das Verfahrensziel (§ 1 S 1 Hs 1) und die (vorläufig nur abstrakte) Möglichkeit einer Alternative zum Regelablauf (§ 1 S 1 Hs 2 und 3); was konkret möglich gemacht ist, dies präzisiert im Nachhinein erst § 217. Er ist erst normativ der „Türöffner“ (dazu Rn 8–10; § 221 Rn 15). Die Regelung ist zwingend, enumerativ, abschließend – meist wird nur letzteres eigens 40 besonders betont,62 zT aber ebenso der immanente Umkehrschluss (dazu Rn 2, 6, 21, 27) konnotiert:63 was nicht genannt wurde, ist (besser: bleibt) indisponibel.64 Das erfasst – subjektiv – sowohl den Personenkreis (Rn 35–37) wie – objektiv – die Regelbereiche (Rn 54 ff) – spezifische Sonderregeln (dazu Rn 32) vorbehalten. Eine Gegenposition will unmittelbar schutzzweckorientiert entscheiden, ob jeweils Dispositivität per Insolvenzplan besteht65 (und leugnet den numerus clausus). Dadurch würde der § 217 jedwedes Regelungspotential einbüßen, wäre quasi bloß Lyrik ohne konkrete Aussagekraft. Und auch die verstreuten zusätzlichen Spezialregeln streiten genauso deutlich dagegen – dieser hätte es sonst auch nämlich nicht bedurft!

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AA Madaus ZIP 2016, 1141, 1142 [II 3 vor 1] mit S 1143 f [3.2]. BT-Drucks 12/2443 S 80 li. Sp. BT-Drucks 12/2443 S 79/80 („Entscheidungen … insbesondere über die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens und über die Verfahrensdauer“) bzw S 90 re. Sp. („günstigste Art der Insolvenzabwicklung“). Das gilt auch für BT-Drucks 12/2443 S 78 li. Sp. („in jeder Hinsicht von der gesetzlichen Zwangsverwertung [scil.: dem gesetzlichen Regelmodell!] abweichen können“). BT-Drucks 17/5712 S 54 li. Sp. (BRat zum ESUG) – ferner: Madaus ZIP 2016, 1141 [I]; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 2; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 217 Rn 20 – ebenso (allerdings nur für die subjektive Seite!) Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 217 Rn 6 („Planbetroffene“). Wohl wie hier Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 12; Brünkmans/Thole/Brünkmans § 7 Rn 33 ff (numerus clausus).

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 96; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 12; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 7; Braun/Braun/Frank InsO7 § 217 Rn 1 mit 6; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 1. Recht lasch daher BK/Flöther/Wehner InsO53 § 217 Rn 3: Generalklausel (der Beschränkung?). HK/Haas InsO9 § 217 Rn 2 („Im InsPlan kann auch von solchen Vorschriften der InsO abgewichen werden, die nicht mit diesen spezielleren Fragen zu tun haben“) bzw Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 217 Rn 40 („nicht abschließend und ist jedenfalls kein eng auszulegender Numerus clausus zulässiger Planinhalte“). Eher beiläufig auch Paulus DZWIR 1999, 53, 58 re. Sp. [IV 2c] („Doch wird man diese Liste nicht als abschließend zu verstehen haben“ – Massesammeln sei einbegriffen!).

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§ 217

Sechster Teil. Insolvenzplan

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Vor allem kann nicht kurzerhand § 217 mittels § 1 S 1 einfach „aufgedehnt“ werden: erlaubt würde demnach jenes sein, was überhaupt Gläubigerbefriedigung (Hs 1) bzw Unternehmenssanierung (Hs 3) befördert66 – somit eigentlich alles. Das passt nicht wirklich gut zusammen. § 1 ist Programmnorm („Ziele“), sieht aufs ganze Insolvenzverfahren (nur alleinig S 1 Hs 3 betrifft das Planverfahren …), gibt jedoch noch keinen greifbaren, subsumierbaren Norminhalt – sie bedarf erst später einer konkreten Umsetzung. Dies leistet fürs Planverfahren dann § 217 (iVm §§ 218–269) – siehe schon Rn 2 f), alles andere dagegen verkehrt Zwecke (§ 1) und Mittel (§ 217). Sicher geht an, die vorhandenen Mittel im Lichte der Zwecke auszudeuten, eventuell auch großzügig, indes doch nur im eigens gesetzgeberisch dazu konkretisierten Umfang (dazu Rn 31 [b], 33: „Bereichsermächtigungen“). Alles andere sprengt das gesetzlich verordnete Normsystem (näher dazu noch bei Rn 2, 6, 21, 27), abgesehen davon, dass die Verkoppelung von S 1 Hs 1 („dient dazu, …“) mit Hs 2 und 3 („ …, indem … oder …“) dadurch total negiert würde. 42 Die hM hat also die eindeutig besseren Argumente (Wortlaut, Struktur, Dogmatik) – sie kann das eine (einen „Erlaubnistatbestand“) verlangen ohne jedoch aufs andere (eine „Einzelfallkontrolle“) inhaltlich zu verzichten. Das schafft einerseits eine gewisse normative Führung, aber andererseits auch Biegsamkeit im Einzelfalle. Man kann dies auf folgende Faustregel komprimieren, die zwar keine Darlegungs- und Beweislasten prägt (arg § 223 I S 1 pr. und § 250 pr.: „von Amts wegen“), aber durchaus doch richterliche Aktivität beschränken kann: der Bereich des § 217 ist prinzipiell frei gestaltbar, alles andere nicht – eventuelle Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel, sind allerdings im Einzelfall erst besonders festzustellen. Man kann dies als „zweistufiges Prüfverfahren“ (positive Ermächtigung der General43 norm [„Stufe 1“] und Ermangelung negativer Sperrkraft der Spezialnorm [„Stufe 2“]) tiefgründig dogmatisch überhöhen,67 im Grunde steckt allerdings die Begrenzung in der Erkenntnis, dass § 217 (dazu Rn 31 und 33) sowie insb seine Var 3 (dazu Rn 65–67) keinerlei Generalklausel darstellt und ebenso wenig einen „Blankoscheck“ begeben, sondern ferner immer noch weitere Schranken im Einzelfall greifen (Rn 44–47). 4. Beschränkung

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a) Grundprinzip. Die Rechtsprechung unterscheidet zur weiteren Beschränkung insoweit dispositive und planfeste (oder vielleicht noch treffender: planresistente) Regelungsbereiche, die „zwingend zu beachten“ seien bzw von denen rechtlich „nicht abgewichen werden“ dürfe.68 Hierher zählte die Praxis bislang das komplette Feststellungsverfahren (§§ 174–186), das zentrale Rechtschutzgarantien enthalte69 (dazu Rn 51), die Zurückerlangung der Verfügungsmacht mit Verfahrensende69a und auch die Entlohnung des Verwalters (§§ 63–65 InsO) als Ausdruck von Unabhängigkeit und Allparteilichkeit,70 wobei hier freilich schon gereicht hätte, auf das fehlende „subjektive“ Betroffensein (Masseschuld!) abzuheben.71 Trotz also einer Entscheidungsunerheblichkeit nutzt der BGH den 66 67 68

Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 40. Madaus ZIP 2016, 1141 f [I]. BGH NJW-RR 2009, 839, 841 {25} [III 2b bb] = DZWIR 2009, 331; BGHZ 185, 206, 210 {21} [II 2a] = DZWIR 2010, 384; NJW 2017, 2280, 2281/2282 {18} [II 2b aa] = DZWIR 2017, 334 – ebenso Pape FS Kübler (2015) S 487, 493 [III vor 1].

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BGH NJW-RR 2009, 839, 842 {26} [III 2b bb] = DZWIR 2009, 331, best BGH NJW-RR 2018, 817, 819 {23} [III 3a]. BGH NJW-RR 2018, 817, 819 f {23 ff} [III 3a mit 4] = ZIP 2018, 1141. BGH NJW 2017, 2280, 2283 f {27 ff} [II 2b bb (2b)] = DZWIR 2017, 334. BGH NJW 2017, 2280, 2282 {21–23} [II 2b bb (1)] = DZWIR 2017, 334.

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§ 217

Grundsatz

Anlass, „teleologische Pflöcke einzuschlagen“ – er kupiert en passant die Regelungsmacht sog „verfahrensabwickelnder“ Insolvenzpläne (Var 3).72 Auch sie sollen nie jene Grenze „planfester“ Regelungen überwinden können! – das erscheint letztlich die wirkliche Botschaft, vgl Rn 65–67 mit Rn 4, 33 [a], 64. Zu bedauern ist freilich, dass reelle Sachkriterien fehlen und mehr das eher unbestimmte Gefühl mitschwingt, manche Verfahrensstrukturen spiegelten höhere Gerechtigkeitswerte (welche denn genau?), die schlicht generelle Bewahrung verdienten. Die Lesart als solche erscheint dem ungeachtet aber billigenswert. Die Literatur folgt entweder dem BGH-Begründungsmuster73 (dazu Rn 44) oder fasst 45 aufzählend zusammen,74 versucht sich freilich zT auch an inhaltlich „angereicherter“ Begrenzung: nicht disponibel seien letztlich Normen mit wesentlichen Schutzgarantien oder konstitutiver Bedeutung75 (oder alternativ auch abgesenkt nur die „wichtigen Schutzvorschriften“76), die sämtlichen „verfahrensbezogenen ‚Grundrechte‘“ (Forderungsfeststellung, Minderheitsrechte, Rechtsmittelbefugnis)77, es wäre wohl besser hier von Strukturelementen die Rede, oder – alles fast offenlassend – der Schutzzweck im Einzelfalle.78 Die Krux liegt aber darin, dass Minderheitenschutz und Rechtsmittelrecht im Planverfahren selbst verankert wurden. Im Prinzip helfen demgemäß solche „offenen Formeln“ der Praxis ebenso wenig weiter, geben nur das Maß einer inhaltlich irgendwie „gefühlten“ Grenzlinie bzw gestatten Freiraum für mögliche Kasuistik (Rn 48–52). Sobald man erkennt, dass insoweit die allgemeinere Fragestellung nach Grundlage und Schranken prozessualer Disposition dahintersteht79 (näher dazu noch bei Rn 2, 6, 21, 27), folgt eine klare – trotzdem vielleicht vielfach als gleichwohl unbefriedigend empfundene – dogmatische Rückbindung (Rn 46 f). Materielle und prozessuale Disposition unterliegen unterschiedlichen Grenzlinien, 46 kommen zudem auch von unterschiedlichen Ausgangspunkten her: dort grundsätzliche materielle Verfügungsfreiheit (Privatautonomie), hier klassisch zwingendes Prozessrecht (Unverfügbarkeit); dort sind Schranken immer also per se Ausnahmen, hier ist eine Begrenzung der Normalfall (… und Befugnis zur Disposition die Ausnahme – siehe kontrastie-

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BGH NJW 2017, 2280, 2284 {38} [II 2b bb (2b cc)] = DZWIR 2017, 334. Braun/Frank § 217 Rn 3 aE; Graf-Schlicker/ Kebekus/Wehler § 217 Rn 6; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 217 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 12. Einerseits MünchKomm/Eidenmüller § 217 Rn 152 („Positivliste“ – freilich als Resultat umfangreicher Normbewertung), andererseits Andres/Leithaus/Andres § 217 Rn 9 (Negativliste). Wegen einer Zusammenstellung nach Normstrukturen siehe unten Rn 48–52. Recht pauschal durch Aufzählung und Gegenthese Braun/Frank InsO7 § 217 Rn 1 („soweit … der Gläubigerhoheit zugänglich“) bzw Rn 3 („nur dort …, wo die Verfahrensvorschrift der Disposition des Gläubigerbeschlusses unterliegt oder Sondervorschriften bestehen“). HK/Haas InsO9 § 217 Rn 2 iVm Rn 9 („im Zweifel“) – verschärft mit Blick auf Rn 40 iVm Fn 65, aber: am Ende fällt darunter fast

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alles: Rn 9! Ebenso im Ansatz HambK/Thies Rn 2. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 41 (Hervorh vom Verf), vgl auch erg noch Rn 47: wesentliche Verfahrensgarantien unerheblich. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 2 (iVm Rn 11: „grundlegende Teilhaberechte“) – einschließlich des Planverfahrens (das bleibt so oder so jedoch insgesamt unverfügbar [Rn 8], öffnet erst das Tor für eine solche prozessuale Disposition); siehe noch bei Fn 78. Madaus ZIP 2016, 1141, 1145 [III vor 1] – ebenso: HK/Haas § 217 InsO8 Rn 2 aE; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 4 (nur allein für Var 1); genauso en passant K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 2 (wegen der neuen Var 3 – siehe aber – anders? – auch bei Fn 77). Weiter grundlegend G. Wagner Prozeßverträge – Privatautonomie im Verfahrensrecht [JP 33] (1998), S 48 ff.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

rend schon Rn 27). Bislang fehlen leider feste Einordnungsmaßstäbe oder Abgrenzungskriterien. Die Problematik ist vorgelagert den konkreten Schranken planerisch möglicher Festlegung von Rechtsstellungen für Beteiligte iSv § 221 (dort Rn 28 mit 30 – Einzelheiten: § 221 Rn 55–80) – es geht um abstrakte prozessuale Verfügbarkeit. Prozessuale Rechtsakte sind statthaft bei gegebener Dispositionsmacht (a) allein im Rahmen der hierzu vorgesehenen prozessualen Formen und nur (b) bis zur Grenze eines ordre public als Inkarnation des prozessual Tolerierten (implizit: § 307, § 794 I Nrn 1 und 5 – explizit: § 796 III, 1053 I):80 was hier nicht einmal ein Urteil entscheiden dürfte (arg §§ 328 I Nr 4 ZPO bzw § 723 ZPO), soll erst recht auch kein privater Dispositionsakt bewirken – das wäre in sich sonst widersprüchlich. 47 Zuzugeben ist dennoch die Eigenheit, dass bisher eher Erkenntnisverfahren und Einzelvollstreckung im Fokus standen und das Insolvenzverfahren als ein Kollektivverfahren ureigene Betrachtung verdient bzw separate Bewertungen verlangt. Wo anstelle zweier Parteien mit regelmäßig konträren Interessen eine Vielzahl von Personen „im Boot sitzen“, die bisweilen Parallelinteressen verfolgen (arg § 222), wo sich jedoch zugleich uU höchstdisparate Einzelgruppen gegenüberstehen, möchte Abweichendes gelten. An die Stelle der Prozessvoraussetzungen treten daher hier konsequenterweise Prinzipien formaler Gleichheit (im Unterschied zu materieller Gleichbehandlung, arg §§ 222, 226 I81) als Garantien ordnungsgemäßen Diskurses. Deshalb erscheint richtig, die Regeln zur Forderungsfeststellung als insgesamt planfest anzusehen (sie bestimmen die Wirkmacht der einzelnen, planrelevanten Rechtsposition – arg §§ 237/238 iVm § 77) und auch die maßgebliche Begriffssetzung (Verfügungsgewalt, Organisation, Beteiligtenrolle etc) auszunehmen (ansonsten fehlte die Anknüpfung für § 217). Hierher zählt zudem das Verbot, Drittpositionen im Zwangswege zu beeinträchtigen; dadurch würde das Verfahren auf offenkundig Unbeteiligte übergreifen (möglich bleibt immer freiwillige [Sanierungs-] Beteiligung seitens des Dritten: § 230 III).

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b) Beispielsfälle. Gern werden die ersten drei InsO-Teile (§§ 1–147) en bloc als planerisch indisponibel aufgeführt.82 Das passt gewiss wohl für §§ 1–10 (Teil 1: Allgemeines) und §§ 11–34 (Teil 2: Eröffnung, vgl Rn 28), zudem auch für §§ 35–102 (Teil 2: Begriffe, Organe bzw Teil 3: Befugnis, Folgen) und wohl auch für §§ 120–128 (Insolvenzarbeitsrecht – Schutzzweckgedanke!83). Das erfasst ebenfalls Vergütungsfragen, sei es für Insolvenzverwalter84 (§§ 63–65) wie Organmitwirkende (§ 73); disponibel ist allerdings die Schlussrechnungspflicht85 (§ 66 I S 2, vgl Rn 31 [c]). Doch bleibt mE durchaus disponibel,

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Näher dazu Münch Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch [PA 72] (1989), § 10 II 3b-d, S 201 ff. Jene Normen als solche sind natürlich zwingend: Häsemeyer InsR4 Rn 28.17 u 24 – recht missverständlich daher BK/Flöther/ Wehner InsO29 § 226 Rn 3 f. Foerste InsR6 Rn 477; Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 217 Rn 9; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 7; HK/Haas InsO9 § 217 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 53; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 152. K Schröder ZInsO 2015, 1040, 1045 [IV vor 1] beurteilt § 44a als verfügbar.

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AA Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 217 Rn 30–34; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 21. BGH NJW 2017, 2280, 2282–2284 {21–39} [II 2b bb] = DZWIR 2017, 334 – aA Rattunde GmbHR 2012, 455, 458; LG München I NZI 2013, 972, 973; Hingerl ZIP 2015, 159, 162; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 19 mwN; differenzierend Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 37. BK/Paul InsO62 § 230 Rn 8, aber zB auch LG Hamburg NZI 2018, 261, 263 [II A 2b] rät zum Weg des § 230 III, dazu vgl dort Rn 36 f. AG Ludwigshafen NZI 2015, 469, 469 f [II 2] {18–20} – irrig Braun/Braun/Frank InsR7 § 217 Rn 3.

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Grundsatz

wie man mit „schwebenden“ Verträgen künftig umzugehen gedenkt86 – es wäre grober Holzschnitt, erst zu liquidieren, dann zu reaktivieren. Was aber schon Masseschuld wurde, kann nicht mehr eigens planerisch gestaltet werden (die personale Anknüpfung ist entfallen: Rn 37 aE iVm § 224 Rn 18). Das wäre dann eben doch ein Zugriff auf Rechte von Dritten, wofür Ermächtigung fehlt. Zu den Anfechtungsregeln (§§ 129–147) ist zu differenzieren. Die Anfechtungstatbe- 49 stände erlauben Eingriffe in formell schon Dritten zustehende Rechtspositionen – dies können sein schuldrechtliche Forderungsrechte, sie begründen die Stellung als regulärer Insolvenzgläubiger (§ 38) und sind insoweit auch regelbar (infolge §§ 245 I Nr 1, 251 I Nr 2 mittels Plan kürzbar indes nur bis zur Quote); dieses kann ebenso dingliche Haftungsmasse (§ 35) betreffen, welche Aussonderungstatbeständen (dazu Rn 37) ähnelt. Beide Male ist allemal aber richtig, dass die Anfechtungsgründe gesetzlich unverrückbar feststehen87 (insoweit besteht mithin „Drittschutz“! (dazu Rn 62). Es wird also eher um bloße Einschränkungen gehen, also um eine Minderung der Befriedigung der Gläubiger (scil. Anfechtungsverzicht – Grenze: Individualbegünstigung, § 250 Nr 288). Dies scheint klar gedeckt (Var 1) – entsprechend formulierte Planregelung unterstellt (inbegriffen genügende Information: § 22089), das erfordert, dass der Verwalter (arg § 129) die faktische Grundlage erforscht (insbesondere bei Schuldnerplan). Letztlich ist plausibel, denselben Maßstab anzulegen wie bei Verwalterverfügungen (Grenze ist demgemäß die eindeutige Insolvenzplanwidrigkeit – in Anlehnung an § 80 Rn 252–260) – das markiert zugleich die Demarkationslinie zwischen erlaubter und verbotener Disposition,90 ohne dass man aber immer „krämerisch“ genau nachrechnen müsste. Die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters ist disponibel kraft lex specialis (§ 259 III, vgl Rn 62 mit § 221 Rn 94). Teilweise wird ebenfalls der Vierte InsO-Teil (§§ 148–173) für insgesamt verfügbar an- 50 gesehen.91 Das passt kaum für Bestandssicherung92 (§§ 148–154), die auch erst die notwendige Informationsgrundlage verschafft; dass zB die Rechnungslegungspflichten (§ 155) völlig jenseits planerischer Regelung stehen, folgt allein schon daraus, dass dies sonstige Rechtsgebiete, nicht wirklich Insolvenzrecht, betrifft (dazu § 221 Rn 59). Die Verwertungsentscheidung (§§ 156–159) ist früher zu fällen93 (arg § 157 S 2, aber vgl auch § 233),

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Recht bemüht darum Nerlich/Römermann/ Braun InsO31 § 217 Rn 26–29; Leonardt/ Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 221 Rn 24, zust (?) auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 13 – aA (§§ 103–128) MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 121; HK/Haas InsO9 § 217 Rn 3. Korrekt deswegen der konkrete Vorbehalt bei HK/Haas InsO9 § 217 Rn 4 (nicht zu Lasten des Anspruchsgegners) – allumfassend für Zulässigkeit: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 10; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 120; Pape FS Kübler (2015) S 487, 493–495 [III –1]. Vor erfolgreicher Anfechtung fehlt es meist an einem begünstigten (arg § 144 I) Beteiligten – aA Pape FS Kübler (2015) S 487, 496 [IV 2]. Im Anschluss an BGH NJW-RR 2011, 51, 55 {58} [II 3c cc] = DZWIR 2011, 65 = ZIP 2010, 1499 = WM 2010, 1509 = ZInsO

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2010, 1448 – Näheres siehe bei Buchalik/ Hiebert ZInsO 2014, 109, 113 f [V]; Thole ZIP 2014, 1653, 1659 f [IV 3.1], hier insb auch S 1659/1660. Ebenso im Ansatz Thole ZIP 2014, 1653, 1660 f [IV 3.2], zust Pape FS Kübler (2015) S 487, 495 f [IV 1]: Insolvenzzweckwidrigkeit. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 10; viel vorsichtiger HK/Haas InsO9 § 217 Rn 9 (planfest „soweit sie in der Zeit vor dem Wirksamwerden des InsPlans anzuwenden sind“ [Hervorh. im Original), zust Foerste InsR6 Rn 476 aE. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 53. §§ 156–158 halten daher ganz für unverfügbar: Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 5; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 217 Rn 43; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217

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dagegen werden indes doch die §§ 160–164 mit Wirksamwerden des Insolvenzplans praktisch automatisch verdrängt94 (arg § 259 I 2 – aber: § 258 I einerseits, §§ 260 I, 263 andererseits). Die Planverfügbarkeit des Umgangs mit Absonderungsrechten (§§ 165–173) ergibt sich direkt aus dem Gesetz (Var 1a), ebenso die Planregelung der Verwertungszeit (§ 159 – Var 2a); im Übrigen ist das Problem der Unverfügbarkeit aller anderen Regelungen zumeist praktisch obsolet.95 51 Der Fünfte InsO-Teil birgt als Folge seines (Teil-) Titels „Befriedigung der Insolvenzgläubiger“ durchaus gewisse Probleme – er scheint vollständig planverfügbar (Var 1b), ist dies aber nicht! Die Forderungsfeststellung (§§ 174–186) bleibt zwingenden Rechts (dazu Rn 44), sie begründet die Stellung als (plan-) betroffen, hat schlussendlich eine vorhergehende Frage inhaltlich zum Gegenstand (wer nimmt prozessual wie teil? – dazu § 221 Rn 40). Das entspricht inzwischen der hM96, verwehrt materiell präklusive Klauseln97 (dazu § 221 Rn 87) und schließt auch jegliche Berechnungsmodalitäten für Forderungsanmeldungen ein;98 daran will der Gesetzgeber auch nicht etwa durch Var 3 (Verfahrensabwicklung) gerüttelt sehen.99 Die Domäne des Planes verbleibt jedoch das Verteilungsverfahren ieS (§§ 187–198), so wie in § 217 S 1 eindeutig (Var 2b mit Var 1b) verheißen (dazu Rn 63). Zumeist nennt man gleich den ganzen Abschnitt (§§ 187–206)100, was allerdings Verwerfungen verursacht: § 199 scheint mir nämlich unverrückbar (Befriedigung, nicht Bereicherung!); § 200 ist gestaltbar nur vermittels § 258 I (Umkehrschluss); § 201 I/III können natürlich „planmäßig“ (Var 4!) ebenfalls verdrängt werden101 (arg § 227 I), § 201

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Rn 2; HK/Haas InsO9 § 217 Rn 4; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 45; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 116. Wegen § 162 (Sonderfall übertragender Sanierung!) siehe Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 45. Oft liest man daher als „Kurzformel“, §§ 159–173 seien insgesamt planverfügbar: Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 5; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 217 Rn 32; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 217 Rn 4; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 116 (§§ 159–164) bzw Rn 101 (§§ 165–173). BGH NJW-RR 2009, 839, 842 {26} [II 2b bb] = DZWIR 2009, 331 = ZIP 2009, 480 = WM 2009, 518 = ZInsO 2009, 478; BGH NJW-RR 2011, 51, 51 f {9} [II 1a] = DZWIR 2011, 65 = ZIP 2010, 1499 = WM 2010, 1509 = ZInsO 2010, 1448; OLG Hamm, U. v. 03.12.2010 – 30 U 98/10 [II 1e] {22}; LAG Düsseldorf ZInsO 2014, 2378, 2381 [II 2] {56} und NZI 2014, 913, 915 [2.2.2] {54} – zuerst wohl so LG Frankfurt/Main ZIP 2007, 2229, 2230 [II] {26} = NZI 2008, 110. Für die Lit: Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 9; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 217 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 7;

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BK/Flöther/Wehner InsO53 § 217 Rn 3; HK/ Haas InsO9 § 217 Rn 2, 9; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO3 § 219 Rn 12; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 51; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 125, 152 aE mit Fn 230. Wegen abweichender Sicht Fn 97 f. AA Heinrich NZI 2009, 546, 548/549 [IV 3]. AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 13 (wider die Regel: Rn 2). BT-Drucks 17/7511 S 35 re. Sp. [RA/ESUG]. Wohl nicht anders LG Berlin ZInsO 2012, 326, 327 [II] {33} (§ 187 II) bzw BGH NJW-RR 2011, 51, 51 f {9} [II 1a] = DZWIR 2011, 65 = ZIP 2010, 1499 = WM 2010, 1509 = ZInsO 2010, 1448 (§§ 188/189). Einschr Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 6 (§§ 189, 190, 194); Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 2 Rn 11 („soweit sie nicht grundlegende Teilhaberechte beseitigen“); HK/Haas InsO9 § 217 Rn 5 (§ 197); MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 122 (§§ 194, 197) – mit Recht dagegen HambK/ Thies InsO6 § 217 Rn 5 und Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 47 (§§ 194, 197). Zumeist nennt man unrichtig § 201 insgesamt: KG BeckRS 2010, 01442 [II 1]; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 6; HK/Haas InsO9 § 217 Rn 6.

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§ 217

Grundsatz

II iVm § 202 wäre freilich unverfügbar102 (hier hilft aber § 257); die Modalität der Nachtragsverteilung (§§ 203–205) ist verfügbar, oft wird es aber gar keine Notwendigkeit geben (Sanierungsplan!);103 § 206 schlussendlich betrifft Außenstehende – für Massegläubiger fehlt es an jeder Regelungsmacht.104 Hier ist das Bild infolgedessen eher buntscheckig. Der Dritte Unterabschnitt des Fünften InsO-Teiles, der die Einstellungsregeln (§§ 207– 52 216) umfasst, grenzt sich schon im Titel klar ab zur „Befriedigung der Insolvenzgläubiger“ (Rn 51) und also gegen Var 1b. Endet etwa das Insolvenzverfahren irregulär und vorzeitig (insb §§ 207, 212, 213), entzieht dies an sich zugleich dem möglichen Planverfahren die Grundlage (dazu Rn 30); Sonderfall ist angezeigte Masseunzulänglichkeit (§§ 208–211), dafür besteht „Planungsrecht“ nämlich gemäß § 210a (Art 1 Nr 13 ESUG), freilich mitsamt einiger Maßgaben. – Verfügbar ist ebenfalls das komplette Restschuldbefreiungsverfahren (§§ 286–303a), der Plan mag direkten Schulderlass schaffen oder zumindest Haftungsbefreiung verordnen (dazu § 224 Rn 25) und tut das gar mitunter kraft Gesetzes (§ 225 I). Dass Sonderverfahren ebenso planveränderbar sind, bestätigen vereinzelte Sonderregeln mit Fokus auf Ausgestaltung per Insolvenzplan (§ 270b [vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 20 und 30 iVm 135] und § 334105). 5. Fehlerfolgen Die Überschreitung der Regelungsmacht ist nicht heilbar – eine Vorlage müsste deshalb 53 sofort zurückgewiesen werden (§ 231 I Nr 1 – es fehlt insoweit schon am Vorlagerecht [Var 1] und erst recht am zulässigen Planinhalt [Var 2], dort Rn 19, 20);106 jener Inhaltsmangel führt spätestens zur amtswegigen Verweigerung der gerichtlichen Bestätigung (§ 250 Nr 1 Var 1). Problem ist dagegen, was gilt, wenn der Mangel unentdeckt bleibt – deckt dann die Rechtskraft der Bestätigung (§ 254 I) am Ende Kompetenzmängel auch zu? Man sollte weitergehend differenzieren. Die Norm kennt gewiss genaue Grenzen, im Subjektiven („für und gegen alle Beteiligten“), wie Objektiven („die im gestaltenden Teil107 festgelegten Wirkungen“). Personelle Übergriffe werden niemals geduldet (dazu § 254 102

103

Das sehen richtig (nur jedoch für § 202) K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 16; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 6; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 48. AA Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 6. ME muss und kann der Planer vorsorgen (§ 221 S 2; Treuhandabtretung; § 258 I) – ähnlich: Kühne/Hancke ZInsO 2012, 812, 814 [II 4]; Hingerl ZInsO 2010, 1876, 1877 [III/IV]. Per Saldo trotz allem richtig Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 47 (Frage stelle sich weiter nicht) bzw HK/Haas InsO9 § 217 Rn 5 aE (schließlich bloß als Fall von Var 3 vorstellbar). Ansonsten gelten weiterhin BGH NZI 2008, 561, 562 {10} [II 2] = DZWIR 2008, 471; NJW-RR 2010, 629 [9} [I 1b] = DZWIR 2010, 199; OLG Celle ZInsO 2006, 1327, 1328, aber zB auch Häsemeyer InsR4 Rn 28.51 aE. LG Hamburg NZI 2017, 970, 971 [II 3] lässt die Frage dahingestellt, verneint aber mR

104 105 106

107

eine mögliche Treuhandlösung bei „Interessennähe“ von Treuhänder und Gemeinschuldner. Anders im Duktus nun jedoch dazu BGH NJW-RR 2018, 817, 819 f {25–31} [III 3b und 4] (Rechtsbeschwerdeentscheidung): keinerlei Verfügungsermächtigung, allein Vollrechtsübertragung statthaft – klare Planregelung nötig! (aber vgl insb erg {30} [III 4a]: Unmöglichkeit nachträglicher Verteilungen) – krit Madaus EWiR 2018, 201, 202 [3]; Martini DZWIR 2018, 451, 453–455 [II 3]; zust Tresselt/ Nagel DB 2018, 1969, 1971 f [IV 2–4]. AA HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 5. Wegen des Verbraucherinsolvenzverfahrens siehe Vor §§ 217 ff Rn 24–27. BGH NJW-RR 2009, 839, 841 {24} [III 2b bb] = DZWIR 2009, 331 bevorzugt letztere Erklärung. Unmaßgeblich ist die Zusammenfassung: BGHZ 199, 344, 349 {18} [II 1a cc (1)] = NJW 2014, 1386 = DZWIR 2014, 364.

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§ 217

Sechster Teil. Insolvenzplan

Rn 39) – sie könnten Unbeteiligte treffen („offenbarer Mangel“); sachliche Änderungen setzen ebenso sehr rechtlich vorweg Dispositionsmacht voraus. Wäre diese aber retrograd dann immer noch anzweifelbar, ist große Rechtsunsicherheit die Folge („verdeckter Mangel“). Der Plan sollte demnach mithin trotz allem „gelten“. Auch Verzichts- und Anerkenntnisurteile (§§ 306/307 ZPO) sind relevant, wenn sie etwa spezielle Dispositionsgrenzen missachten, also niemals nichtig oder gar etwa ein Nichturteil.

IV. Ermächtigung im Einzelfall 1. Gläubigerbefriedigung (Var 1)

54

a) Objektiver Tatbestand. Der Begriff „Befriedigung“ hat nicht zwangsläufig einen materiellen Fokus108 (dort meint jener primär die rechtliche Konsequenz einer vollen Haftung, sei sie nun personell [zB §§ 329, 765/767109, 778] oder allein dinglich [insb §§ 1147, 1228 I BGB] begründet). Die ureigene prozessuale Nomenklatur muss vorgehen – Befriedigung meint vorliegend daher Durchsetzung, die endgültig ist (im Gegensatz zu Sicherung, die Befriedigung temporär privilegiert110 – so wie es parallel §§ 130/131, 133, 135 erfassen). Hierfür dient das Insolvenzverfahren (§ 1 S 1 Hs 1) und insb die Insolvenzmasse (§ 38) den Insolvenzgläubigern („inbegriffene“ [interne] Befriedigung: Rn 58), wobei aber die insoweit Absonderungsbefugten (§§ 49–52) vorgehen (abgesonderte [externe] Befriedigung: Rn 57, vgl auch erg § 86 I Nr 2). Dabei soll ein Insolvenzplan die Möglichkeiten für ebensolche Befriedigung verbessern (arg § 156 S 2). 55 Das liegt nicht zuletzt schon in jener Option begründet, welche § 1 S 1 Hs 2 und 3 offenlässt (Regelabwicklung oder Plangestaltung). Im Grunde genommen besagt „Befriedigung“ letztlich mithin nichts anders als Durchführen des Verfahrens der Insolvenz – und dazu passt das gesetzliche Miterwähnen der prinzipiell Betroffenen. Das würde die ganze rechtsförmige Abwicklung des Verfahrens planverfügbar machen – und raubt der alten Var 2 (Rn 60–63 – Teilaspekt!) sowie vor allem der neuen Var 3 (Rn 64–67 – Tautologie?) fast jeden Sinn. Ersteres stört mehr als letzteres (Rn 66). Offenbar folgt freilich § 217 dem Modell beschränkter Bereichsermächtigung und will keine Generalklausel haben (so wie man es aus dem § 1 S 1 zuerst herauslesen könnte) (siehe dazu schon oben Rn 31). Man sollte womöglich anstatt eines solchen dogmatischen Befriedigungsbegriffs (iwS) einen systemischen Befriedigungsbegriff (ieS) zugrunde legen? Und dazu liegt nahe, auf §§ 174–206 als Nomenklatur zu rekurrieren (Fünfter Teil: „Befriedigung der Insolvenzgläubiger“ ./. „Einstellung des Verfahrens“ [§§ 207–216]). Dies würde aber ebenso wenig die lästigen Überschneidungen auflösen. 56 Einerseits ist der Tatbestand eindeutig um Absonderungsregeln zu erweitern (§§ 165– 173), welche aber ebenso auch spezielle Verwertungsregeln enthalten; andererseits sind im Verhältnis zu Insolvenzgläubigern die Regeln zur Feststellung (§§ 174–186) wiederum fortzulassen (Rn 58, 63). Am Ende bleibt wohl allein, die „Befriedigung“ als nebulösen Auffangbegriff anzunehmen, welcher Abgrenzungsproblemen (zwischen Var 1a/b und Var 2a/b) abhilft – aber nicht mehr!111 Vielleicht war alles nur Verwirrung; wären nämlich 108 109 110

111

AA Braun/Braun/Frank § 217 InsO7 Rn 4. Arg § 773 I Nr 4 BGB. Als aliud nicht etwa nur minus – wegen Einzelheiten siehe Baur/Stürner ZVR II12 Rn 19.35 f mit Fällen (1990) S 271 f. In diesem Sinne HK/Haas InsO9 § 217 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 3 – aA

132

MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 100 f mit Fn 170, zust Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher § 217 InsO3 Rn 42: sämtliche Regeln zur Zahlungshöhe – aber die resultiert eben aus Verwertung und Verteilung!

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§ 217

Grundsatz

unter Var 1 lediglich Absonderungsberechtige angeführt, hätte man unter Var 2 („Beteiligte“?) allein Insolvenzgläubiger gefasst, dh subjektive mit objektiver Anknüpfung wäre klar korreliert. Mit Ausnahme von Var 3 verfügte dann jede Variante über eine bestimmte personelle Zuordnung. So oder so: man sollte den Normwortlaut (bzw seinen objektiven Inhalt) hier keinesfalls also überbewerten. b) Subjektiver Tatbestand. Wer absonderungsbefugt (Var 1a) ist, das ergeben im Ver- 57 bund prozessual abstrakte Festlegung (§§ 49–51) und materielle (konkrete) Erkenntnis. Das Insolvenzrecht definiert unveränderlich, und dies heißt „insolvenzplanfest“, den Status insgesamt (Privilegierung abgesonderter Befriedigung). Das Recht konkret festzustellen („Ob“), ist allemal nicht ein Regelungsgegenstand des Insolvenzverfahrens, das erfolgt zur Not mittels der separat erhobenen Zivilklage. Ändern kann man aber den Ablauf, dh die Wege zum Ziel (§§ 49, 165 InsO iVm §§ 10 I Nr 1a, 30d-f, 153b/c ZVG für Immobilien bzw §§ 166–169, 172, 173 für Fahrnis – „Wie“), genauso gut stecken hierhinter aber Verwertung- und Verteilungsregeln für Absonderungsbefugte (Rn 61). Der Plan muss dazu konkrete Festlegungen treffen (§ 223 I S 1 und II – Schranke: Abs 1 S 2). Wer vollrangiger oder nachrangiger Insolvenzgläubiger (Var 1b) ist, das entscheidet 58 sich nach prozessualer Regel. Die Eingangsnorm erfasst beide Formen gleichermaßen, das Gesetz differenziert sie jedoch anschließend (§ 224 „versus“ § 225: Rn 59). Maßgebend dafür sind die insolvenzspezifischen Begrifflichkeiten (§§ 38–40, 47 S 1, 52) und Feststellungsregeln (§§ 174–186). Erstere schließen explizit – vorbehaltlich planrechtlicher Spezialregeln (§§ 264 f) – die Neugläubiger aus („zur Zeit der Eröffnung“),112 letztere ordnet das Gesetz just systematisch jedoch der Rubrik „Befriedigung“ zu (Rn 56, 63), was auf Planverfügbarkeit deutet. Die hM zieht diesen Schluss nicht (Rn 63) – zu Recht: Soweit jene Normen interne Verfahrensregelungen treffen (§§ 174–178, 186), formalisieren sie die Betroffenheit, vereinfachen die Bestimmung der Subjekte – das „Ob“ der Gläubigerstellung ist (so wie auch schon Rn 57) unabdingbares Erfordernis der Beteiligung (und Mitwirkung). Alles andere endete nämlich unweigerlich im Zirkelschluss. Das gilt erst recht aber dann für extern erforderliche Klagen (§§ 179–185),113 welche einen völlig normalen „unverfügbaren“ (!) Erkenntnisprozess abbilden. Ohne Planaussage erlöschen (!) Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger ohne 59 weiteres (§ 225 I, dort Rn 11), Forderungen vollrangiger Insolvenzgläubiger würden regelmäßig (§§ 187–198, 203–205) quotal befriedigt (wegen Nachhaftung siehe Rn 70) – der Insolvenzplan mag hierzu Abweichendes regeln (§ 224 II [Normalfall] bzw § 225 I/II [Sonderfall] – Schranke: III iVm § 39 I Nr 3). Die vermittelte Planidee verheißt ökonomische Befriedigungsvorteile (Verbesserung der Insolvenzquote114 iSv Rn 7) oder immerhin doch immaterielle Vorteile ökonomischen Verzichts, zB Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers, Anschlussverträge von Warenlieferanten etc); niemand soll hierbei aber zwangsweise, dh unfreiwillig, schlechter dastehen müssen als anlässlich „regulärer“ Insolvenz (arg §§ 245 I Nr 1, 251 I).

112

BGH NZI 2017, 62, 62/63 {2 f}; LG Düsseldorf ZIP 2015, 2182; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 13 und 20; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 30. Das gilt idR auch für Unterhaltsansprüche (arg § 40 S 1 e contr.) – vollständig verkannt

113 114

durch OLG Düsseldorf NZI 2008, 689, 690 m abl Bespr Paul DZWIR 2009, 186. BK/Flöther/Wehner InsO53 § 217 Rn 1 Fn 1. Im Ansatz zutreffend Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 217 Rn 4 – mit unklarer Einschränkung („zu weit geraten“?).

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§ 217

Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Liquidationsgestaltung (Var 2)

60

Die „Verwertung der Insolvenzmasse“ (Var 2a) ist regulär im Vierten InsO-Teil (§§ 148– 173: Verwaltung und Verwertung) geregelt. Zur Verwaltung zählen Sicherung (§§ 148– 155) und Entscheid (156–158115), darauf folgt erst die Normalverwertung (§ 159), flankiert von einzelnen Schutzvorschriften (§§ 160–164). Echtes Abweichungspotential bieten zunächst nur letztere, die Grundregel scheint Banalität – birgt indes aber trotz allem zwei planrelevante Besonderheiten: die Pflicht unverzüglichen Beginns (§ 159 Hs 1) könnte gemildert werden (zeitlich gestrecktes Vorgehen) oder ebensogut ganz entfallen, um Sanierung zu gestatten (Fortführungsplan; Übertragungsplan); der Vorbehalt für Beschlüsse der Gläubigerversammlung (§ 159 Hs 2) gilt zudem hier nicht (autonome Vorlagen) bzw ist über § 157 S 2 schon erfasst („Auftragsplan“). Letztlich bleiben damit die Genehmigungsvorbehalte (§§ 160–164), dazu tritt zudem eine gerichtliche Aussetzungsbefugnis, um eingereichte Insolvenzpläne abzuschirmen (§ 233). 61 Bei Massegegenständen mit Absonderungsrechten gelten spezifische Regeln (§§ 165– 173), vor allem zum Initiativrecht (§§ 165–169, 173), zur Erlösverteilung einschließlich Kostenbeitrag (§§ 170/171) und Sachnutzung (§ 172) – Sonderverwertung. Kostenquote und Erlösauskehr möchte man lieber als Regelungsgegenstand der Verteilung an „Beteiligte“ (Var 2b: Rn 63) begreifen – es geht vorrangig doch um den Betrag und Anteil am Verwertungserlös; das Inititiativrecht mag mehr als eine erwünschte Modifikation der Befriedigung erscheinen (arg § 223 I S 1), dh bereits unter die eigene „Befriedigungsregelung“ für Absonderungsbefugte (Var 1a: Rn 57) fallen. So oder so: es existiert die Erlaubnis zu planerisch abweichender Gestaltung (die genaue Grenzziehung kann darum dann offenbleiben … – es fehlt an einem „Zitiergebot“: Rn 31[b]!). Möglich sind insoweit etwa Kürzungen wie Stundungen in einem deutlich stärkeren Maße als im Regelverfahren (§ 223 II – aber: I) – ein großer Trumpf für Plansanierungen! Spezialgesetzliche, gläubigerschützende Verzichtsverbote können eigentlich so „überspielt“ werden (dazu Rn 33) – das Insolvenzrecht beansprucht die eigene Kompetenz (arg § 223 I S 2 bzw § 225 III116). Trotzdem bleibt dies relativ schwieriges Terrain: der Verfasser muss zugunsten der Sanierung um nötige prozessuale Zustimmung werben (§§ 222 I Nr 1, 238, 245 I Nr 1). 62 Die Verwertung betrifft problemlos den konkret vorhandenen Bestand, so wie er tatsächlich auch übernommen wird (§ 148 I – „Istmasse“) – indes wird die Haftungsmasse materiell ausdefiniert (§§ 35–37 – „Sollmasse“), kann Abgänge (§ 47) wie Zugänge (§ 143 I S 1) verzeichnen. Nur die Verwertung, nicht aber auch die Generierung der Insolvenzmasse ist planverfügbar. Für die Aussonderung ist das personell unzweifelhaft definiert (dazu Rn 37), die Anfechtung wird allerdings meist als durchaus ausgestaltbar gehalten117 (siehe dazu auch bei Rn 49). Das kann nicht jedoch angehen, wenn hierdurch Dritte betroffen sind, die keinem prozessualen Einigungszwang unterliegen. Allemal zählt indes der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch zur Insolvenzmasse und erscheint insoweit verfügbar;118 115

116

Deshalb ist korrekt, diese Vorschriften als indisponibel anzusehen: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 116; HK/Haas InsO9 § 217 Rn 4; FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 4; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 5. Letztlich bleibt es sonach bei §§ 9b, 19 II, 43 III GmbHG; § 93 IV AktG: Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 52 – aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 10; Horstkotte ZInsO 2014, 1297, 1308 (mit anderen Begründungen).

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 120; HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 10; FK/ Jaffé InsO9 § 217 Rn 4 – einschr HK/Haas InsO9 § 217 Rn 4 („nicht zu Lasten des Anspruchsgegners“). Nötig ist indes die Aufklärung bei der Darlegung (§ 220) – das sehen völlig richtig Buchalik/Hiebert ZInsO 2014, 109 f [I, III, IV] (eher lascher) und Thole ZIP 2014, 1653, 1658–1660 [IV 2 mit 3.1] (eher strikter).

Joachim Münch

§ 217

Grundsatz

dabei kann man aber weder tatbestandliche Voraussetzungen noch die Verwalterbindung (§ 129) lockern, regelungsfähig ist nur die Geltendmachung (ihrerseits nur seitens des Verwalters), mit einem zumeist offenen Ausgang … Das bestätigt im Grundsatz nur § 259 III, wenn er hier für anhängige (verwaltergeführte!) Anfechtungsprozesse ergänzend119 eine ureigene Spezialermächtigung zur Verfahrensfortführung vorsieht (und Kosten überwälzt); künftige Anfechtungsprozesse hingegen können nicht mittels Planklausel weiter vorbehalten werden.120 Der Insolvenzverwalter muss rechtzeitig vor Aufhebung des Verfahrens Klage erhoben haben. Die „Verteilung der Insolvenzmasse“ (Var 2b) ist Bestandteil des Fünften InsO-Teiles, 63 der unter der Rubrik „Befriedigung“ Forderungsfeststellung (§§ 174–186) und Verteilungsgeschehen (§§ 187–205) zusammenfasst. Letzteres scheint hier gemeint,121 mag auch die Überschrift anderes vorspiegeln (Var 1b). Die dogmatisch „reine“ Abgrenzung ist neuerlich vergebliche Liebesmüh (so wie nach Rn 61, vgl auch erg Rn 10, 54–56; iVm Vor §§ 217 ff Rn 55–58), weil jeweils Gestaltungsmacht besteht. Für eine Lesart, welche §§ 187–205 unter Var 2b sieht, spricht kontrapunktisch allemal, dass man die parallele Feststellung (§§ 174–186) genauso wenig bei Var 1b sieht, sondern sogar für ganz unverfügbar hält122 (dazu Rn 56, 58); dem zuzuschlagen ist aber mE noch die Fristvorgabe (§ 187 I), sie markiert den Übergang von Feststellung zu Verteilung; §§ 200, 201 II, 202 sind abgebildet über §§ 258 I und III, 257 I und darum niemals verfügbar (dazu Rn 8). Bedenken muss man wiederum die spezialgesetzliche gerichtliche Aussetzungsbefugnis (§ 233, hier Rn 60 aE). 3. Verfahrensabwicklung (Var 3) Das ESUG hat ausdrücklich hinzugefügt, dass explizit bereits direkt durch § 217 abwei- 64 chende Verfahrensabwicklung (Var 4) legitimiert sei (siehe dazu auch schon Rn 22). Das wird als eine Anerkennung sog verfahrensleitender123 oder -begleitender124 Insolvenzpläne eingeordnet, wobei sich die Diskussion unter altem Recht entwickelt hat. Der Zusatz sollte ausdrücklich eventuelle Statthaftigkeitszweifel zerstreuen. So wurde aus einer Schimäre dann am Ende Realität – gefährliche Realität! Zwar habe diese Regel bloß eine geringere praktische Bedeutung,125 sei weitgehend Ausnahmeerscheinung verblieben,126 aber: Das dogmatische Grundprinzip der beschränkten Ermächtigung (dazu Rn 55) erscheint damit verlassen: das komplette Prozedere ist Verfahrensabwicklung – was denn sonst?127 Man sollte sich hierzu vorab inhaltlich folgendes klarmachen: § 217 regelt nicht etwa 65 abstrakte Plantypen oder konkrete Planideen (die bildet die Praxis [vgl ausf Vor §§ 217 ff Rn 45 ff iVm 108] und diese genießt insoweit vollkommenen Freiraum), sondern statuiert Rechtsmacht für prozessuale Disposition (näher dazu noch bei Rn 2, 6, 21, 27 bzw Rn 28 ff).

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Um Erledigung zu vermeiden: BT-Drucks 12/ 2443 S 214 re. Sp. (abweichend zum Recht des Vergleichs). BGH NJW-RR 2010, 629 {7 mit 10} [1a mit c] = DZWIR 2010, 199 mit Hinweis {11} auf BGHZ 175, 86, 90 {10} [I 1] (obiter); LG Hamburg NZI 2017, 970, 971 [II 1], best BGH NJW-RR 2018, 817, 818 {16–18} [III 2]. LG Berlin ZinsO 2012, 326, 327 [II] (§ 187); BGH NJW-RR 2011, 51/52 mit S 52 f {9 mit 15 f} [II 1b mit 1d] (§§ 188/189). BGH NZI 2009, 230, 232 f {26}; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 12; Münch-

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Komm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 125; FK/ Jaffé InsO9 § 217 Rn 7; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO61 § 217 Rn 51; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 9; aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 13. Frank FS Braun (2007) S 219, 229 ff [5]. Heinrich NZI 2008, 74, 77. HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 8. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 16. Das wird total vernachlässigt durch BTDrucks 17/5712 S 55 [BRat: Nr 8] – aber zB auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 8 aE.

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§ 217

Sechster Teil. Insolvenzplan

Mit einem Mehr jener Rechtsmacht lassen sich sicher auch andere Plantypen noch „erfinden“, aber das wäre Wirkung, nicht Ursache. Soweit dann § 217 hier in einzelnen, bestimmten Bereichen andere Gestaltungen zulässt (scil. Abweichungen „von den Vorschriften dieses Gesetzes“ – unberührt allgemeiner Schranken: Rn 44–47), lässt er aber sinnvollerweise den Grad jener Modifikation offen, das entscheidet das Plankonzept des Vorlegenden. Das Planverfahren als Teil eines einheitlichen Insolvenzverfahrens (siehe Rn 15 sowie Vor §§ 217 ff Rn 83 [IK] bzw Rn 109 [RV] iVm Rn 157) verdrängt das Regelverfahren lediglich im Umfang seiner Abweichung – anders herum gesagt: das Regelverfahren ist weiter anwendbar, bloß modifiziert (per Planvorgabe) eben. Auch ohne § 217 S 1 Var 3 war immer schon möglich, sich auf bloß geringfügig erscheinende Abweichungen festzulegen128 – wann man denn die genannten Einzelbereiche reguliert. 66 Die Frage ist, ob sich hieran jetzt etwas ändert: Var 3 könnte problemlos jede Abweichung decken. Die Wortwahl ist freilich übers Ziel arg hinausgeschossen, der Gesetzgeber wollte offenkundig keinen generellen „Freibrief“ ausstellen. Die Regierung reduzierte den Vorschlag auf Teilpläne129 (Gestaltung nur eines Teils der Abwicklung – quantitative Beschränkung), das Parlament sah stärker die Zeitfrage130 (mit schlussendlich der Notwendigkeit, Verfahrensaufhebung aufzuschieben: § 258 I – das aber wurde eigens separat [Art 1 Nr 43a ESUG] geklärt!). Mehr war aber niemals doch gewollt: „Eine Änderung im Hinblick auf von vornherein planfeste Vorschriften … ist mit der Klarstellung [!] in § 217 InsO und der Folgeänderung [?] in § 258 InsO nicht verbunden.“ Im Prinzip hätte bereits gereicht, § 258 I „plangerecht“ zu korrigieren131 (Priorität der lex specialis: Rn 22 mit § 258 Rn 16 iVm 10–12); die neue Variante wird damit vollständig überflüssig. Der Konnex von § 217 S 1 und § 258 I macht klar, was gemeint ist: speziell Verfahrensbeendigung statt Verfahrensabwicklung generell.132 Dies lässt alles dann beim Alten, die Variante gibt insoweit keine weiterreichende Dispositionsmacht. 67 Die hL anerkennt das nur teilweise, wenn sie einerseits hier die allgemeinen Schranken (dazu Rn 44–47) heranzieht,133 aber andererseits auch konkret Gestaltungsbeispiele benennt (jene Variante „ermächtigend“ also einsetzt). Außerhalb dessen, was § 258 I nunmehr explizit erlaubt (dh Aufhebung zu verzögern), entfließt jener Variante keine Kompetenz! Innerhalb freilich der weiteren Varianten ließe sich das Verfahren nunmehr punktuell steuern, im Extremfall als (Einzel-) Korrektur ohne Planidee (rechnet der Aufwand?). Zu weit ging jedoch mE, wenn dadurch etwa nötige prozessuale Mehrheiten manipuliert würden134 (Gruppenmehrheit [§ 244 I] statt Plenumsmehrheit [§ 76] – sowie vor allem: § 245). Das wäre ein Formenmissbrauch ohne Schutzbedürfnis.

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Etwas schief wirkt Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 7: Regelung einzelner [?] Abschnitte (siehe noch bei Fn 132), aber zB auch FK/Jaffé InsO19 § 217 Rn 81 f und Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 8. BT-Drucks 17/5712 S 68 re. Sp. [BReg: Nr 8]. BT-Drucks 17/7511 S 35 re. Sp. [RA zu § 217] (nebst folgendem Zitat). Mithin genau anders herum: die Klarstellung des § 258 I führt zu einer „Folgeänderung“ bei § 217 S 1. Oder besser wohl: Nichtbeendigung. Hier aA wohl Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 7: Verlauf stehe damit zur Disposition (siehe auch bei Fn 128).

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ZB Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 9; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 217 Rn 6 (planfeste Vorschriften zwingend!); HK/Haas InsO9 § 217 Rn 7 („[nur] in den … bezeichneten Grenzen zulässig“); FK/Jaffé InsO19 § 217 Rn 82 aE („keine Änderung der planfesten Vorschriften“); am Ende so auch Madaus ZIP 2016, 1141, 1144 f [II 4] (trotz krit Sicht) – recht „locker“ dagegen K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 15; Jacobi ZInsO 2010, 2316, 2319. Ein Gedanke von K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 14.

Joachim Münch

§ 217

Grundsatz

4. Schuldnernachhaftung (Var 4) Die „Haftung des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens“ (Var 4) ist ei- 68 nerseits primär materielle Domäne, sie wird trotz allem jedoch dazuhin prozessual entscheidend überlagert (Rn 70 f). Was meint die Regel? Die personale Begrenzung („Haftung des Schuldners“) erscheint hierbei letztlich weniger bedeutsam (arg § 227 II: Rn 70 mit Rn 59) – wichtig ist die Haftung iSv materiell-rechtlich begründeter Einstandspflicht anlässlich persönlichen Anspruchs oder aufgrund dinglichen Zugriffs, dh das objektive Aufgreifmerkmal. Bis zum Verfahrensende ist das Haftenmüssen nur Spiegelbild verfahrensinduzierter Befriedigung (iSv Var 1: Rn 54–56). „Beendigung des Insolvenzverfahrens“ meint dann „technisch“ klar die Aufhebung des Insolvenzverfahrens – förmlich per Gerichtsakt alsbald nach Eintritt der Rechtskraft des Insolvenzplans (§ 258 I statt § 200 I). Planerisch besteht allerdings die Möglichkeit, die rechtsförmliche Aufhebung hinauszuzögern. Dazu befugt § 258 I (idF Art 1 Nr 43a ESUG: Rn 22 mit Rn 66) heutig explizit. a) Juristische Personen. Diese genießen immer Schuldbefreiung bei Untergang des 69 Rechtsträgers, und dies würde auch bei übertragender Sanierung helfen, die Restschuld zu vernichten. Dafür bedarf es keines Plans. Bedeutung erlangt die Vorschrift dagegen für Reorganisation bzw Eigensanierung. Das gilt sinngemäß auch für Unternehmen in der Form sog Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit iSv § 11 II Nr 1 (arg § 227 II) und ebenfalls für das Gesamtgut von Gütergemeinschaften (vgl § 334 II), während alle übrigen nach § 11 II Nr 2 insolvenzfähigen Gebilde stark auf zügige Abwicklung zielen – und dann „enden“ sollen. b) Natürliche Personen. Für jene wirkt nach dem Regelverfahren entweder – prinzi- 70 piell – unbeschränkte Nachhaftung (§ 201 I) oder aber – tatsächlich – Nachhaftung mit Begrenzung (§§ 1 S 2, 201 III, 286–303a) in zeitlicher Reichweite (§§ 287 II, 300 I – „Wohlverhaltensfrist“) wie sachlicher Ausprägung (§ 301 I und III – „Naturalobligation“) – soweit man denn das auch möchte (fristgebundene Antragspflicht! – §§ 20 II, 287 I S 1 und 2). Der Insolvenzplan öffnet insoweit interessante Möglichkeiten, Restschuldbefreiung leichter zu bekommen (ohne Antrag, Wartefrist, Wohnverhalten etc, dazu vgl auch erg § 247 II Nr 1: Schlechterstellungsverbot).135 Dabei geht sogar § 227 I (im Unterschied zu § 223 I S 1 und II) leicht darüber hinaus: Freistellung ist Regelwirkung von jeglicher Befriedigung der Gläubiger, nunmehr sogar für Verbraucher (dazu Rn 29 mit Vor §§ 217 ff Rn 24–27, vgl noch erg § 227 Rn 10–12); möglich sind genauso auch sog „Nullpläne“ ohne jede Befriedigung (dazu § 221 Rn 97, 227 Rn 6), aber zB auch Stundungsregeln und „Zahlungspläne“. Man kann diese Wertung nicht dadurch konterkarieren, dass man hier rechtzeitigen Restschuldbefreiungsbefreiungsantrag voraussetzt.136

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Recht dezidiert schon BT-Drucks 12/2443 re. Sp. [§ 253 {2}], so wie hier nun auch HK/ Haas InsO9 § 217 Rn 6 mit Fn 10 – einschr Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 8. So aber AG Hamburg NZI 2017, 567–569 [II 1] = ZInsO 2017, 1376 (fehlendes [Rechtsschutz-] Bedürfnis) m abl Bespr Madaus NZI 2017, 697 f [I]; m krit Anm Grote ZinsO 2017, 1380; m abl Bespr Foerste ZinsO 2017, 2424 und 2601 und A Schmidt ZVI 2018, 41. Die Entscheidung wurde zu Recht aufgehoben: LG Hamburg ZinsO

2018, 331, 335 f [II B] (in überzeugender sachlicher Nüchternheit). Es ist eine grobe Ungehörigkeit, dass der entscheidende (Amts-) Richter meint, aus seiner Amtsstellung heraustreten zu können, um den literarischen Diskurs weiterzuführen (Frind NZI 2017, 862 [zu Madaus] bzw ZinsO 2017, 2601 [zu Foerste]). Das sprengt – bewusst? – die Grenzen neutralen Auftretens (besonders pikant letztlich ZInsO 2017, 2601, 2602 [3]).

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§ 217 71

Sechster Teil. Insolvenzplan

Die Möglichkeit zur Gestaltung der Nachhaftung führt zur Frage, ob denn dieses nur das konkrete „Wie“ betrifft oder das „Ob“ gleichfalls noch einschließt – etwas anders gefragt: darf man bloß den einzelnen Anspruch schwächen (Durchsetzungssperre für Naturalobligationen – so wie im gesetzlich geregelten Normalfall: § 227 Rn 24) – oder ihn auch direkt gleichsam erlöschen lassen? Er wäre demgemäß kein Behaltensgrund bei Rückforderung mehr. Hierhinter steckt materiell die grundsätzliche Unterscheidung von Schuld und Haftung der Person – die Wortwahl („Haftung“) begrenzt die (Zwangs-) Befugnisse des Verfassers, dh die Schuld bleibt unberührt;137 siehe dazu auch bei § 254 Rn 44. 5. Gesellschaftsänderung (Var 5)

72

Bei der InsO-Diskussion war die Zeit nicht reif dafür, dem Insolvenzrecht bereits den Vorrang vor Gesellschaftsrecht einzuräumen. Freilich: man hatte Unternehmenssanierungen vor Augen (§ 1 S 1 Hs 3: „insbesondere zum Erhalt des Unternehmens“), und zwar durch „übertragende“ (Fremd-) Sanierung wie auch durch „festhaltende“ (Eigen-) Sanierung (vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 45 iVm 47 f). § 262 RegE („Sanierung des Schuldners“) sah einen Maßnahmenbericht dafür vor („im darstellenden Teil … hinzuweisen“), die Regierungsbegründung zum Gestaltungsteil (§ 264 RegE) wollte zudem auch die „am Schuldner beteiligten Personen“ den Planvorgaben mit unterwerfen;138 gemeint waren die an juristischen Personen beteiligten natürlichen Personen (arg § 255 I Nr 2 RegE: § 218 Rn 56 und §§ 298 I pr., 300; vgl auch erg § 1 II S 3 RegE) – somit also (folgend neuer Diktion) eben die Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten. Das wurde letztendlich vom Gesetzgeber nicht gewollt, demzufolge § 262 RegE gestrichen bzw die Begründung an recht versteckter Stelle korrigiert.139,140 73 Demnach blieb der Praxis oftmals nur, eine kaschierte Treuhandübertragung vorzusehen bzw sich für eine freiwillige Beteiligung einzusetzen, welche man offen als eine notwendige Planbedingung abforderte (§ 249 S 1) – jenes in einer doppelten Weise: zum einen als Mitwirkungsakt bei Umgestaltungen, zum anderen als Beschluss, die maßgebliche werbende Unternehmenstätigkeit überhaupt fortzuführen (dazu § 225a Rn 5). Die Plansanie-

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In jenem Sinne ua BGH NJW-RR 2011, 1142, 1143 {7 f} [II 2] = DZWIR 2011, 423; BGH NJW-RR 2012, 1255 {9} [II 2] = DZWIR 2012, 465; BAG ZIP 2013, 2268, 2270 12 {28} [B II 2a]; BFH ZIP 2013, 1732, 1733 [II 2a/b] {12 f} – offenlassend BFHE 247, 300, 304 f [II 2a aa] {20} = DZWIR 2015, 236. Das passt gut auch zur Unstatthaftigkeit sog „anspruchsvernichtender Präklusionsgestaltungen“: BGH NJW-RR 2012, 1255 {10} [II 3] = DZWIR 2012, 465; NJW 2015, 2660, 2662 {14–16} [II 2b bb] = DZWIR 2015, 560 = KTS 2016, 221; NJW-RR 2016, 372 {2} = DZWIR 2016, 145 = KTS 2016, 231 bzw BAG ZIP 2013, 2268, 2270 {31 f, 35} [B II 2b] = NZI 2013, 1076; BAGE 153, 271, 278 {25} [III 2] = NZI 2016, 175 = KTS 2016, 242. BT-Drucks 12/2443 S 199 li. Sp. [§ 264] mit S 109 li. Sp. [§ 1 {7}] – ferner: S 78 re. Sp.

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[AT], S 195 re. Sp. [§ 253 {4}], S 199 li. Sp. [§ 265 {1}]. BT-Drucks 12/7302 S 184 re. Sp. [Nr 161 zu § 298: „Wenn die Rechtsstellung der am Schuldner beteiligten Personen außerhalb des Plans bleibt …“ bzw Nr 163 zu § 300: „Wenn durch den Plan nicht die Rechtsstellung der am Schuldner beteiligten Personen eingegriffen werden kann …“] – der Bezug auf Nr 134 zu § 253 bleibt dunkel. Das sah der spätere ESUG-Gesetzgeber genauso, BT-Drucks 17/5712 S 18 li. Sp.: „Das geltende deutsche Insolvenzrecht lässt die Rechte der Anteilseigner des insolventen Unternehmens bei einer Sanierung durch Insolvenzplan unberührt … Künftig soll die strikte Trennung von Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht überwunden werden.“ MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 67 mwN jedoch sieht dies etwas anders.

Joachim Münch

Vorlage des Insolvenzplans

§ 218

rung mit Erhalt des Rechtsträgers war allerdings dem Wohlwollen der „Eigner“ (zur Begriffsbildung bei § 225a Rn 20) ausgeliefert. Damit verband sich alsdann ein starkes Blockadepotential, und die „übertragende“ (Fremd-) Sanierungsform war praktisch der leichtere Weg. Der theoretisch gewollte Dualismus lief faktisch dann letzthin leer. Mit der ESUG-Einführung wurde alsdann diese Unwucht korrigiert und dem Insol- 74 venzrecht nunmehr der Vorrang zugesprochen. Die allgemeine Gesetzesbegründung beschönigt das (strikte Trennung aufgeben [?]), sieht mehr (bzw bloß) die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (sog debt-equity-swap).141 Zu § 217 liest sich das alsdann aber viel offener: der debt-equity-swap ist insoweit nur Beispiel für Kapitalmaßnahmen („insbesondere“ – vgl § 225a II), genannt werden genauso Gesellschafterwechsel und Fortsetzungsbeschlüsse,142 und wohl spätestens seit der Suhrkamp-Insolvenz143 (dazu § 225a Rn 41) weiß man um die sehr weitreichenden insolvenzrechtlichen Umstrukturierungsbefugnisse (vgl § 225a III). § 217 S 2 macht mithin die „Eigner“ apodiktisch zu Betroffenen, Folgevorschriften geben ihnen Beteiligtenstatus (dazu Rn 23). Die Regelung steht zu Recht getrennt von Satz 1, sie begnügt sich nämlich mit subjektiven Aufgreifkriterien (dazu Rn 35) und verzichtet auf objektive Einschränkungen. Die Einbeziehung steht nur unter dem Generalziel bestmöglichster Befriedigung (§ 1 S 1 Hs 1). Vier nähere Hinweise zum Wortlaut: (a) Die Regelung erfasst nicht bloß die juristi- 75 schen Personen, die Begriffsbildung nämlich folgt dem § 11, dh die Negativformulierung lässt alle Insolvenzfähigen (mit Ausnahme natürlicher Personen, inbegriffen die Verbraucher) darunterfallen, also insb auch Gesamthandsgemeinschaften (§ 11 II). (b) Anteilsrechte sieht mehr auf kapitalistisch, Mitgliedschaftsrechte zielt mehr auf personalistisch strukturierte Zusammenschlüsse. (c) Wer beteiligt ist, wird inhaltlich nicht näher präzisiert, das mögen demnach natürliche oder juristische Personen sein (GmbH & Co. KG). (d) Die Einbeziehung ist Zusatzoption („können … einbezogen werden“), die bewusst betätigt werden muss (§ 225a I), um später zu wirken.

§ 218 Vorlage des Insolvenzplans (1) 1Zur Vorlage eines Insolvenzplans an das Insolvenzgericht sind der Insolvenzverwalter und der Schuldner berechtigt. 2Die Vorlage durch den Schuldner kann mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden. 3Ein Plan, der erst nach dem Schlußtermin beim Gericht eingeht, wird nicht berücksichtigt. (2) Hat die Gläubigerversammlung den Verwalter beauftragt, einen Insolvenzplan auszuarbeiten, so hat der Verwalter den Plan binnen angemessener Frist dem Gericht vorzulegen. (3) Bei der Aufstellung des Plans durch den Verwalter wirken der Gläubigerausschuß, wenn ein solcher bestellt ist, der Betriebsrat, der Sprecherausschuß der leitenden Angestellten und der Schuldner beratend mit.

141 142

BT-Drucks 17/5712 S 18 li. Sp. [AT]. BT-Drucks 17/5712 S 30 [BT: Nr 14].

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Insbesondere BVerfG ZIP 2015, 80, 81 {15}; BGHZ 202, 133, 149 f {40–42} = NZI 2014, 751, 755 f.

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§ 218

Sechster Teil. Insolvenzplan

Materialien: EB LS 2.2.3 (Begr S 165–167); DiskE §§ 244/245 (Text: S 125 f, Begr: BT S 218– 221), RefE §§ 244/245 (Text: S 143 f, Begr: BT S 252–255); RegE §§ 254/255 (BT-Drucks 12/2443 S 49/50, 195 f [RV] mit BT-Drucks 12/7302 S 94 f, 181 f [RA: Nr 135]) – Stammfassung. Vorgängerregelungen (Abs 1): GemSchO §§ 166, 167, 233 (Begr II S 141–146, 147 f, 218 ff); KO/aF §§ 160, 200 I (Mot S 403–405, 406 = Hahn IV S 359 f, 361) bzw KO/nF §§ 173, 211 I, 236b I1; GesVO § 16 I; GA-VO/nF §§ 33, 72 I, VglO/aF § 1 (RT-Drucks III/2340 S 15 f [RV]), RJA § 2 I S 2 (Begr S 54), VglO/nF § 2 I S 2 . Literatur Antoni Die Haftung des Insolvenzverwalters für unterlassene Sanierungsmaßnahmen und gescheiterte Sanierungspläne, NZI 2013, 236; Berscheid Beteiligung des Betriebsrats im Eröffnungsverfahren nach Verfahrenseröffnung und im Insolvenzplanverfahren, ZInsO 1999, 27, 28 f; H Gilles Die Beteiligung des Betriebsrates im Insolvenzplanverfahren unter besonderer Berücksichtigung des § 218 Abs. 3 InsO (2009); Haberhauer/Meeh Handlungsspielraum des Insolvenzverwalters im eröffneten Insolvenzverfahren, DStR 1995, 2005, 2010 f; Hamberger Der Betriebsrat im Insolvenzverfahren (2010), S 303–318; Hänel Gläubigerautonomie und Insolvenzplanverfahren (2000), S 107 ff; Herzig Das Insolvenzplanverfahren (2001), S 95 ff: Das Planinitiativrecht des Insolvenzverwalters; Hölzle Insolvenzplan auf Initiative des vorläufigen Sachwalters im Schutzschirmverfahren – Oder: Wer erstellt und wer bezahlt den Insolvenzplan im Verfahren nach § 270b InsO? ZIP 2012, 855; Krings Arbeitsrecht im Insolvenzplanverfahren – so geht das (nicht), ZInsO 2017, 577; Kußmaul/Steffan Insolvenzplanverfahren: Der prepackaged Plan als Sanierungsalternative, DB 2000, 1849; Lüke Zur Haftung des Insolvenzverwalters im Planverfahren, FS Uhlenbruck (2000) S 519; Madaus Der Insolvenzplan (2010), S 174–182; Madaus Die zeitliche Grenze des Rechts zur Rücknahme eines Insolvenzplans durch den Planinitiator, KTS 2012, 27; Martini/Horstkotte Häufige Fehler bei der Aufstellung von Insolvenzplänen und der Durchführung von Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2017, 1913, 1913–1915 [II 1–3]; Paulus Die Rolle der Gläubiger im neuen Insolvenzrecht, DZWIR 1999, 53, 58 f; Schiessler Der Insolvenzplan (1997), S 86–103; Schluck-Amend/Walker Neue Haftungsrisiken für GmbH-Geschäftsführer durch Pflicht zur Erstellung eines Insolvenzplans, GmbHR 2001, 375; Schmelzer Die Position des Arbeitnehmers im Recht des Insolvenzplanes (2002), S 49–72; Smid Zum Recht der Planinitiative gem. § 218 InsO, WM 1996, 1249; Ströhmann/Längsfeld Die Geschäftsführungsbefugnis in der GmbH im Rahmen der Eigenverwaltung NZI 2013, 271; R Stürner Aufstellung und Bestätigung des Insolvenzplans, in Leipold (Hrsg.), Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S 41; Vogl Die Einreichung mehrerer Insolvenzpläne durch den Schuldner DZWIR 2004, 490; Warrikoff Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzplan KTS 1997, 527.

Übersicht I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Normgenese . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konkursordnung . . . . . . . . . . . 2. Vergleichsordnung . . . . . . . . . . 3. US-Reorganisationsrecht . . . . . . . 4. Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . a) Grundkonzeptionen der Vorlagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . b) Modifikationen bei der Normenwerdung . . . . . . . . . . . . . .

1

Rn. 1 5 5 6 9 11 11

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. . . . . . . .

15

Wegen § 236b KO siehe Art 3 Nr 5 des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18.06.1957, BGBl I Nr 26 S 609, 635 [in

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Rn. III. Wirkung und Qualifizierung der Planvorlage . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung des Planverfahrens 2. Rechtsfolge der Planvorlage . 3. Rechtsnatur der Planvorlage . 4. Formalien für die Einleitung . a) Traditionelle Schriftform . b) Umfang und Anzahl . . . . c) Elektronische Surrogation

Kraft ab 01.07.1958 (Art 8 II Nr 4 Hs 1)] (BT-Drucks II/3409 S 45 [RA-Begr]).

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18 18 19 21 23 23 25 27

§ 218

Vorlage des Insolvenzplans

IV. Bedeutung und Bewertung . . . . 1. Gestaltungsfreiraum des Planverfassers . . . . . . . . 2. Blockademöglichkeit . . . . . . 3. Eigensanierungsform . . . . . . 4. Zukunftsperspektive des Planverfahrens . . . . . . . V. Verwalterplan (Abs 1 Satz 1 Var 1) 1. Personenkreis . . . . . . . . . . 2. Zeitschranken . . . . . . . . . . 3. „Initiativplan“ . . . . . . . . . a) Initiativbefugnis . . . . . . . b) Planhierarchie? . . . . . . . c) Einschränkung . . . . . . . d) Vorlagepflicht? . . . . . . . 4. „Auftragsplan“ . . . . . . . . . a) Wechselwirkung . . . . . . . b) Weisungsrechte . . . . . . . c) Weisungsdichte . . . . . . . d) Umsetzungsfrist . . . . . . . VI. Schuldnerplan (Abs 1 Satz 1 Var 2) 1. Personenkreis . . . . . . . . . . 2. Juristische Personen . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . b) Außenverhältnis . . . . . . . c) Innenverhältnis . . . . . . . 3. Sonstige Gesellschaften (iSv § 11 II Nr 1) . . . . . . . . 4. Weitere Sondervermögen (iSv § 11 II Nr 2) . . . . . . . .

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Rn. 28

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28 30 31

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 33 33 37 39 39 41 42 45 46 46 48 49 51 55 55 58 58 61 65

. . .

68

. . .

71

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII. VIII.

IX.

X.

XI.

5. Sonderkonstellationen . . . . . 6. Vorlageprivileg . . . . . . . . . 7. Vorlagepflicht . . . . . . . . . . Zeitschranke (Abs 1 Satz 3) . . . . Befugnisse beratender Mitwirkung (Abs 3) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . 2. Verpflichtete . . . . . . . . . . . 3. Berechtigte . . . . . . . . . . . 4. Beratungsaufgaben . . . . . . . a) Beratende Mitwirkung . . . b) Rahmenbedingungen . . . . c) Zwingende Mitwirkung . . Planrücknahme . . . . . . . . . . . 1. Objektive Statthaftigkeit . . . . 2. Zeitliche Möglichkeit . . . . . . 3. Subjektive Rechtsmacht . . . . a) Verwaltervorlagen . . . . . . b) Schuldnervorlagen . . . . . Planmehrheiten . . . . . . . . . . . 1. Fallgruppenbildung . . . . . . . 2. Wiederholte Planvorlage . . . . 3. Gleichzeitige Planvorlagen . . . 4. Verfahrensprobleme . . . . . . Haftungsfragen . . . . . . . . . . . 1. Grundproblematik . . . . . . . 2. Schuldnervorlage . . . . . . . . 3. Verwaltervorlage . . . . . . . .

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Rn. 73 75 77 79

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82 82 85 88 94 94 96 100 103 103 104 110 110 111 112 112 113 116 120 127 127 128 129

I. Normzweck § 218 beantwortet eingangs ganz zentrale Grundfragen nach dem Wer, Wann und Wie 1 einer Planvorlage, als „Auslöser“ des Insolvenzplanverfahrens. Abs 1 begrenzt zunächst mit S 1 den potentiellen Personenkreis von unmittelbar Vorlageberechtigten: entweder Insolvenzverwalter („Verwalterplan“ [Var 1]: Rn 33–54) oder aber Gemeinschuldner („Schuldnerplan“ [Var 2]: Rn 55–78). Ergänzend ist mittelbar die Gläubigerschaft noch initiativbefugt (arg Abs 2 Hs 1 iVm § 157 S 2: „Planauftrag“) – anders gesagt: der Verwalterplan mag eigeninitiativ angefertigt oder fremdbestimmt aufgestellt werden. Vor dem Berichtstermin hat der Verwalter Chancen und Risiken konkreter aufzuklären (arg § 156 I S 2), während der Gemeinschuldner oft bereits mit einer fertig geplanten Lösung aufwartet (sog pre-packaged-plan, dazu Rn 16, 18, 19, 87 iVm Vor §§ 217 ff Rn 146, 182; vgl auch erg § 270b). Zudem werden durch Satz 2 und Satz 3 die zeitlichen Schranken festgelegt (von dem Er- 2 öffnungsantrag [Schuldner] bis zum Schlusstermin: Rn 75 f, 79–81), wobei sich der Gesetzgeber den natürlichen Gegebenheiten des Regelablaufs anschließt. Vom Ursprungsgedanken eines „Wettbewerb[s] um die beste Art der Masseverwertung“2 durch ein großzügiges Vorlagerecht ist nicht mehr Substantielles noch groß übriggeblieben. „Verfahrensvereinfachung“ und Vermeidung „praktischer Schwierigkeiten“ erschienen letztendlich dem Gesetzgeber vorrangig.3 Verfahren, bei denen tatsächlich zwei unterschiedliche Pläne um die Gunst

2

BT-Drucks 12/2443 S 92 li. Sp.

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BT-Drucks 12/7302 S 181 re. Sp. [Nr 135].

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§ 218

Sechster Teil. Insolvenzplan

der Gläubigerschaft buhlten (dazu Rn 112–126), sind nicht weiter bekannt geworden – man kann daher mithin sagen, dass der Gesetzgeber sein primäres (Vereinfachungs-) Ziel erreicht hat und praktische Schwierigkeiten bei einer Mehrzahl von Plänen vermieden wurden. 3 Die Weichenstellung zwischen Liquidation (bzw Regelverfahren) und Sanierung (bzw Planverfahren) obliegt jedoch immer ganz maßgebend den Gläubigern als Betroffenen (Gläubigerautonomie). Diesen Gedanken reflektiert § 157: die Gläubigerschaft entscheidet zur Einstellung oder Fortführung eines Unternehmens (S 1) und ob sie sich ggf hierfür eines Plans bedient (S 2) – jeweils jedoch ohne finale Bindung (S 3). § 218 II (dazu Rn 46–54) nimmt dies auf (Halbs 1: mittelbare (Gläubiger) Initiative) und setzt dem Verwalter (als unmittelbar Initiativbefugtem: Abs 1 S 1 Var 1] kraft Gesetzes Frist („angemessen“ – dazu Rn 51– 54) zur Erfüllung des „Auftrages“ (Halbs 2: Verpflichtung – „hat nachzukommen“). Damit wird klargestellt, dass das Insolvenzgericht bei Ausbleiben fristgerechter Vorlegung zu regulären Aufsichtsmaßnahmen (§§ 58/59) schreiten kann.4 4 Abs 3 (dazu Rn 82–102) schließlich gewährt bei Verwalterplänen (Abs 1 S 1 Var 1) entscheidenden „Playern“ Mitwirkungsrechte im Entwicklungsgang des Insolvenzplanes („wirken … [proaktiv] beratend mit“); die Norm korrespondiert klar mit § 232 I Nrn 1 und 3 (Stellungnahme zum „Endprodukt“), welcher später noch reaktiv greift. Es fehlt bewusst jedoch an einem Einvernehmenserfordernis. Dennoch ist es von allemal bedeutender Wichtigkeit, die Beteiligten mitzunehmen (letzten Endes nur eine „praktisch-psychologisch“ pure Selbstverständlichkeit5). So lässt sich deren Akzeptanz zu einem solchen Planvorhaben stärken, und man hat gleich zu Anfang alle „mit im Boot“. Die Erfolgsaussichten zum Schluss hin werden hierdurch deutlich erhöht. Dazuhin hilft das Wissen der Mitarbeiterschaft und des Gemeinschuldners oft, um das Unternehmen wieder zukunftsfähig auszugestalten.

II. Normgenese 1. Konkursordnung

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§ 173 KO sah (so wie auch schon § 166 GemSchO-Entwurf) ausschließlich den Gemeinschuldner als vorlagebefugt an; der Vergleichsschluss war noch zudem begrenzt auf den Zeitraum zwischen allgemeinem Prüfungstermin (§ 141 KO) und Genehmigung der Schlussverteilung (§ 161 II KO), die Vergleichsvorlage konnte hingegen schon früher erfolgen (arg § 110 II Var 2 KO, vgl auch erg § 133 Nr 1 aE KO) und selbst vor dem Antrag auf Konkurseröffnung (aber nur als eine „Ankündigung des Anerbietens“6 – „konkursbeendender Vergleich“!). Konkret bindende Wirkung (dazu Rn 103–111) entfaltet der Vorschlag aber so oder so erst bei Beginn der Abstimmung während des Vergleichstermins.7 Als Konsequenz des mangelnden Verwaltervorlagerechts wurde von einer zwingenden Mitwirkung der Gläubiger- und Arbeitnehmerschaft abgesehen. § 173 KO nahm zudem auch noch den Platz des heutigen § 217 InsO ein, indem er den Kreis möglicher Planunterworfener fixierte (dazu § 217 Rn 11, 35–37).

4 5

BT-Drucks 12/2443 S 196 li. Sp. Warrikoff KTS 1997, 527, 531 – leicht verklausuliert ebenso BT-Drucks 12/2443 S 196 li. Sp. („[bilden] faktisch ein eigenes Gre-

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6 7

mium, einen ‚Beirat‘ neben dem Gläubigerausschuß“). Jaeger/Weber KO8 § 173 Rn 23. Jaeger/Weber KO8 § 173 Rn 26.

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Vorlage des Insolvenzplans

§ 218

2. Vergleichsordnung Auch § 2 I S 2 VglO befugte (im Anschluss an § 1 Vergl/aF) lediglich den Schuldner 6 zum Vergleichsantrag; die Regelung war glasklar („Der Antrag kann nur vom Schuldner gestellt werden.“). Nötig zur Vergleichseröffnung war zudem noch als objektives Erfordernis das Vorliegen eines regulären Konkurseröffnungsgrundes (§ 2 I S 3 VglO: „unter den gleichen Voraussetzungen zulässig“), als inhaltliches Erfordernis die Hinzufügung des eigentlichen Vergleichsvorschlags (§ 3 I VglO mit Mindestquote des § 7 VglO: 35 % bzw 40 %; wegen weiterer Formalia siehe § 3 II–IV VglO [Antrag] bzw §§ 4–6 VglO [Anlage]) und als subjektives Erfordernis die sog Vergleichswürdigkeit (§ 18 VglO: „Die Eröffnung ist … abzulehnen“ [dazu näher gleich Rn 7]; weitere [Formal-] Gründe benennt § 17 VglO). Ziel war („konkursabwendender Vergleich“), das ja gesetzlich nun anstehende Konkursverfahren tunlichst doch am Ende zu vermeiden. Das führte zur „Zweispurigkeit der Insolvenzverfahren“ (dazu Vor §§ 217 ff Rn 17, 61, 67, 166) und brachte zeitlichen Abstimmungsbedarf (dazu Rn 8). Es gab auch keine gesetzlich vorgeschriebene alsbaldige Konsultation weiterer Beteiligter (es war ja ein Eigenantrag – siehe eben bei Rn 5 aE). Der damalige Vergleichsakt war Ausnahme und alleinig als Rechtswohltat gedacht 7 („Abwendung des Konkurses“ – scil. eines schlimmeren Übels). Von daher rührt die Würdigkeitsprüfung,8 die zunächst abstellt auf früheres Benehmen (Nr 1 [Gründe] und Nr 2 [Schuld]), indes auch das Verhalten im Verfahren (Nr 3: „sei es daß der Schuldner zu wenig oder zu viel bietet“) und bei Unternehmensfortführung (!) die Prognose künftigen Erfolges (Nr 4) zusätzlich mit einbezieht. Das gründet nicht zuletzt auf dem Vorgange der früheren Geschäftsaufsicht als „Kriegsnothilferegel“9 (dazu Vor §§ 217 ff Rn 71–74 – Hilfe in einer eigenen schicksalhaften Notlage), die dann auf „abwendende“ Zwangsvergleiche durchschlägt (§ 42 II Nr 1 GA-VO/nF: „zurückzuweisen … wenn Tatsachen vorliegen, welche die Vertrauenswürdigkeit des Schuldners in Frage stellen“). Das rechtfertigt die Weite des Tatbestandes im Verhältnis zu § 175 KO.10 Von dort aus ging das Kriterium ein in § 22 Nr 4 VglO/aF11 („Unredlichkeit oder Leichtsinn“; „böswillig verzögert“) und über12 auf § 18 VglO/nF (Nr 1: „Unredlichkeit, Preisschleuderei oder Leichtsinn“; Nr 2: „schuldhaft verzögert“). Der Vergleich war insoweit nur gedacht als originär schuldnerstützendes Privileg; mithin hatte – konsequenterweise – dafür auch lediglich der Schuldner die entsprechende Antragsbefugnis (als Dokumentation „wirklicher“ Bedürftigkeit). Das wird heute – naturgemäß – indes anders gesehen (als Abwickeln der Insolvenz [arg ex § 1 S 1] – siehe Vor §§ 217 ff Rn 7, 42–44,59 mit § 217 Rn 6–10). Aufgrund der parallel geführten, objektiven Auslöseerfordernisse (§ 2 I S 3 VglO: kon- 8 kursrechtlich geregelter Eröffnungsgrund, vgl Rn 6) waren dann beide Verfahren gegeneinander anderweit abzugrenzen: die Konkurseröffnung bekam Zeitpriorität erteilt (§ 2 II VglO), es ging ja ausdrücklich auch um eine Abwendung des Konkurses (§ 1 VglO): Der –

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Vgl RT-Drucks III/2340 S 19 li. Sp. Alte GA-VO: §§ 1 und 3 I (RGBl 1914 Nr 57 S 363) bzw neue GA-VO: § 1 (RGBl 1916 Nr 283 S 1303) – Zubilligung eines Moratoriums gemäß freiem Gerichtsermessen (§ 3 II aF; § 21 I nF); siehe dazu Breit JW 1915, 161, 162. Beil 2 zu RAnz 1916 Nr 298 S 1 li. Sp. = JMBl PR 1917 Nr 9 S 13, 27. Zunächst in der Vorlage § 18 Nr 7 – dazu RT-Drucks III/2340 S 21 li. Sp. („Der Ent-

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wurf legt insbesondere einen größeren Nachdruck auf die Vertrauenswürdigkeit des Schuldners“) mit S 21/22 [RV] bzw RT-Drucks III/3430 S 11 li. Sp. [RA]. Ein „Zwischenglied“ ist § 17 RJA (Amtl Begr S 59 f) – siehe aber die ZAkDR-Kritik: Schubert XVII (2008) S 56, 58, 59/60, 61 f iVm S 96, hier insb auch S 58/59 (Preisschleuderei).

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Sechster Teil. Insolvenzplan

eigene wie fremde – Konkursantrag entfaltete indes noch keine Sperrkraft, der davon Betroffene konnte deswegen während des Laufens des Eröffnungsverfahrens seinen persönlichen Vergleichsantrag nachschieben; alsdann wurde die konkursrechtliche Entscheidung ausgesetzt (§ 46 VglO: „von der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren abschließt“ – sog Konkursverbot oder Konkursschutz). Solange Konkurseröffnung mangelt, konnte das Vergleichsverfahren seinen Sinn und Zweck noch entfalten, danach nicht mehr. Zu Recht wurde freilich als teleologisch motivierte Beschränkung vorgebracht, dass dies nicht auch für eigene Konkursanträge greife13 (venire contra factum proprium – aber: Rücknahme des Konkursantrages war statthaft!). 3. US-Reorganisationsrecht

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Das Reorganisationsverfahren von (ganz allg dazu 11 USC ch. 11 bzw Vor §§ 217 ff Rn 140 ff) billigt sowohl Schuldner als auch Gläubigern ein Planvorlagerecht zu. Es greift allerdings nicht zeitgleich, sondern gleichsam stufenweise. In den ersten 120 Tagen nach Verfahrenseröffnung (auf Eigen- wie Fremdantrag hin: 11 USC § 1121 lit a) besitzt der Schuldner ein exklusives Planvorlagerecht (11 USC § 1121 lit b „versus“ lit c) und hat hernach eine erneute Frist von 60 Tagen, um sich die benötigten Zustimmungen einzuholen (11 USC § 1121 lit c (3)). Beide Fristen dehnt idR jedoch die Praxis aus (11 USC § 1121 lit d (1): „on request of a party in interest“14), zT bis zu der Höchstgrenze von 18 bzw 20 Monaten ab Eröffnung (11 USC § 1121 lit d (2)).15 Schafft es der Schuldner nicht, innerhalb dieser Fristen ein Planverfahren erfolgreich zur Abstimmung zu bringen, erlangen die Gläubiger ein subsidiäres Planvorlagerecht (11 USC § 1121 lit c). Statt indirekter Mitwirkung kommt es – allerdings nur „hilfsweise“ – zu einer unmittelbaren gläubigerseitigen Gestaltungsmacht. Gewissen Einfluss auf die schuldnernische Plangestaltung können sonst auch die obligatorisch einzusetzenden Gläubiger- und Teilhaberausschüsse (11 USC § 1102) nehmen, welche aber primär Überwachungsfunktionen innehaben.16 10 Der Schuldner mag weiterhin selbst einen Plan einreichen, er verliert infolge Fristablaufs ausschließlich das „Exklusivrecht“ (arg 11 USC § 1121 lit c: „including the debtor“). Diese anfangs herausgehobene Stellung rührt von einer wichtigen amerikanischen Eigenheit: einer „Abneigung“ gegen Verwalter. Der Gemeinschuldner bleibt verfügungsbefugt (sog debtor in possession, vgl Vor §§ 217 ff Rn 142, 157), bloß selten wird in solchen Planverfahren vom Gericht ein trustee bestellt (bei akuter Gefährdung: 11 USC § 1104) – wenn jedoch, dann fallen auch sofort alle Zeitschranken (11 USC § 1121 lit c (1)). Ein vergleichend gerne beschworener intensiver Wettbewerb um die inhaltlich beste Planlösung17 folgt daraus mE jedoch nicht, oder nur sehr eingeschränkt. Nimmt man nämlich mit hinzu, dass Schuldneranträge (voluntary cases) im Verhältnis zu Gläubigeranträgen (involuntary cases) allgemein weiter begünstigt werden (ua keinerlei Eröffnungsgrund notwendig, siehe

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Böhle/Stamschräder VglO15 § 46 Bem 2; Bley/Mohrbutter VglO4 § 46 Rn 2. Ebenfalls Verkürzung statthaft, um Missbrauch zu begegnen, Hinrichs Insolvenzbewältigung durch Optionen (2002), S 61; Kemper Die U.S. -amerikanischen Erfahrungen mit „Chapter 11“ (1996), S 154. Eingeführt durch den Bankruptcy Abuse Prevention and Consumer Protection Act 2005

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16 17

(Pub. L. 109–8, 119 Stat. 23, 106 f), in Kraft getreten am 17.10.2005. Sonderregeln gelten ferner für sog small business cases: § 1121 lit e iVm § 101 Nr 51 C/D (Schuldengrenze: 2.000.000 USD). Ausführlich Riesenfeld KTS 1983, 85, 91 f. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 2.

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Vorlage des Insolvenzplans

§ 218

Vor §§ 217 ff Rn 142, 157), dominieren die ersteren die Abwicklung. Regelmäßig kommt es zu einem Wetteifern nur nach der Prioriätsschutzfrist und bei Verwalterbestellung. Der Regelfall wird gemeinhin somit wohl ohne konkrete Plankonkurrenz ablaufen, trotz einiger Ausnahmen (zB Lehman Brothers, Tribune).18 4. Insolvenzordnung a) Grundkonzeptionen der Vorlagebefugnis. Die InsO rückt von einer lediglich schuld- 11 nerseitigen Initiative ab, die beide Vorgängerregelungen prägt (dazu Rn 5 f), und gibt auch dem Verwalter die Vorlagebefugnis (wegen des Initiativrechts siehe bei Rn 40). Einher geht es, dass das Planverfahren nicht mehr als „wohltätige“ Vergünstigung für den Gemeinschuldner einzuordnen ist (es ist ja „Spielart“ förmlicher Insolvenz: § 1 S 1!); folgerichtig entfällt die Prüfung persönlicher Würdigkeit des Schuldners – ausschlaggebend ist allein der Gläubigerentscheid, was jeweils individuell am günstigsten scheint (Mehrheitswille).19 Nach heutigem Wortlaut sind nur Schuldner und Verwalter zur Vorlage berechtigt. Die Genese der Vorschrift war jedoch um einiges komplizierter und verlief mäandernd. Die Konzeption der Kommission war zuerst eine ganz andere. Sie gab ursprünglich nur 12 dem Verwalter als „Neutralem“ ein Vorlagerecht, das schlussendlich aber eine Vorlagepflicht war (LS 2.2.3 I);20 die Entscheidung traf das Insolvenzgericht („Ob“), bloß und erst die konkrete Gestaltung oblag dann dem jeweiligen Verwalter („Wie“): „Nach Einleitung … hat … [er] … einen Plan … aufzustellen.“; der Gemeinschulder bekam die Rolle des „Unterstützers“ (LS 2.2.3 II: „wirken … beratend mit“ – ferner der sog Beirat: LS 1.3.1.5). Das sog Reorganisationsverfahren wurde nicht durch zeitgleiche Planvorlage eingeleitet, sondern vom Gericht unmittelbar selbst beschlossen (LS 1.3.4.4 I), jenes in einem gestuften Verfahren: zuerst ein Zulassungsverfahren über Insolvenzeröffnung als solche (LS 1.2), sodann ein Vorverfahren zur Präzisierung des Verfahrensziels (LS 1.1.1 Abs 2: Liquidierung oder Reorganisation? – letzteres war sogleich abzulehnen bei fehlender Reorganisationsfähigkeit [LS 1.3.4 pr] bzw – nach Anhörung des Verwalters – einzuleiten bei bestehender Reorganisationsmöglichkeit [LS 1.3.4.4 I]). Das Gericht hatte darüber gar amtswegig zu befinden.21 Diese (umständliche, auch zu sehr gerichtshörige) Zweistufigkeit wurde konzeptionell nicht weiterverfolgt. Die Vorüberlegungen formulierten konkurrierende Vorlagerechte von (primär?) dem In- 13 solvenzverwalter (§ 244 DiskE/RefE) und bestimmten („anderen“) Beteiligten, einschließlich des Gemeinschuldners (§ 245 I Nr 3 Var 1 DiskE/RefE; § 255 I Nr 2 Var 1 RegE – je mit II S 2). Vorlagebefugt waren hier zudem noch Gläubigergruppen (§ 245 I DiskE/RefE: Nr 1 [Absonderungsbefugte] und Nr 2 [Insolvenzgläubiger] – beide zusammengefasst durch § 255 I Nr 1 RegE), qualifiziert mittels doppelten Quorums (5 Köpfe/1/5 Summe) und ebenso die Anteilsinhaber (§ 245 Nr 3 Var 2 DiskE/RefE; § 255 I Nr 2 Var 2 RegE: 1/ Summe). Zweck war dabei, die wirtschaftliche Effektivität durch einen Wettbewerb kon5 kurrierender Insolvenzpläne auszureizen,22 die kein Übel waren, sondern geradezu erwünscht (arg § 283 DiskE/RefE; § 294 RegE). Dazuhin war wichtig, dass der Verwalter auch weiterhin nur ein abgeleitetes Vorlagerecht zugesprochen erhielt – nur an die Mehrheit der Gläubigerschaft (nicht mehr den Gerichtswillen) nun gebunden (§ 244 I S 1 DiskE/RefE; § 254 I RegE: „Hat die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter beauftragt, …“).

18 19 20

Siehe hierzu Schaible/Vonnegut NY LJ 246 (2011), No. 118. BT-Drucks 12/2443 S 194 re. Sp. EB Mot S 166.

21 22

EB Mot S 149. BT-Drucks 12/2443 S 196 li. Sp. („Die wirtschaftlich Effektivität … wird dadurch erhöht, daß zusätzlich …“).

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Der Rechtsausschuss hat diesen ausdifferenzierten Ansatz neuerlich stark verändert, in zweifacher Beziehung. Vor allem wurde der maßgebliche, vorlagebefugte Personenkreis eingegrenzt auf Verwalter und Schuldner (§ 218 I S 1 – wegen Einzelheiten siehe Rn 12 einerseits, Rn 17 andererseits iVm Vor §§ 217 ff Rn 125); dazuhin steht der Insolvenzverwalter nun freier, ohne dass dies letztlich eingehender motiviert wäre. Nach den Kommissionsempfehlungen (dazu Rn 12) war er „fremdgesteuert“ vom Gerichtswillen, nach den Vorüberlegungen (dazu Rn 13) beauftragt von der Gläubigermehrheit (siehe noch heute § 157 iVm § 76 II [relative Summenmehrheit der Abstimmenden]), wobei aber die qualifizierte Gläubigerminderheit selbst tätigwerden konnte. Jetzt entsteht jenes „Mischsystem“ aus Eigeninitiative (§ 218 I S 1 Var 1) und Fremdsteuerung (§ 218 II) mit Unterscheidung von Initiativ- und Vorlagerecht (dazu Rn 36) – oder wohl besser so gesagt: es entfaltet nun erst seine Wirkungen (zuvor lagen beide in jeweils verschiedenen Händen!). – Die Zeitspanne zulässiger Planvorlage (Eröffnungsantrag bis Schlusstermin) wurde inhaltlich nicht abgeändert,23 hingegen (zutreffend!) prominenter platziert (§ 218 I S 2 und 3 – siehe auch bei Rn 2).

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b) Modifikationen bei der Normenwerdung. aa) Verwalterplan (§ 244 DiskE/RefE; § 254 RegE). Mitberücksichtigung des Sprecherausschusses der leitenden Angestellten bei den Beratungen zur Aufstellung des Insolvenzplans (§ 244 II S 1 RefE – § 218 III); die Eingangsregel (Abs 1) ist zurückgesetzt (§ 218 II), der freie Platz genutzt, die Vorlagebefugnisse komprimiert zusammenzufassen (§ 218 I StF – ausf dazu Rn 33–54, 55–78); die Möglichkeit für Anteilseigner, auf eigene Kosten einen Vertreter zu entsenden (Abs 2 S 2 DiskE/RefE/RegE) musste letztlich darum entfallen, weil am Ende diese Gruppe keine nähere Berücksichtigung erfuhr (die Konsequenz aus Rn 17).

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bb) Schuldnerplan (§ 245 I Nr 3 Var 1 mit II S 2 DiskE/RefE; § 255 I Nr 2 Var 1 RegE). Der Gemeinschuldner wird nicht bloß „anderer Beteiligter“ genannt, sondern jetzt als gleichwertig vorlageberechtigt angesprochen24 (§ 218 I S 1); diese Regelung rückt richtigerweise in den Eingangssatz auf (dazu schon eben Rn 15), beschreibt und beschränkt die maßgeblichen Vorlagebefugnisse gleichzeitig (nur jene, nicht andere Personen können vorlegen). Die Möglichkeit des Gemeinschuldners zur Verbindung mit dem Antrag auf die Eröffnung des Verfahrens (pre packaged plan) hingegen bleibt erhalten (Abs 2 S 2 – § 218 I S 2) und ebenso allgemein ferner die Zeitschranke (Abs 2 S 3 – § 218 I S 3); sie rücken ebenso in den Eingangsabsatz auf.

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cc) Gläubigerplan (§ 245 I Nrn 1 und 2 DiskE/RefE; § 255 I Nr 1 RegE) und Pläne von Anteilseignern (§ 245 I Nr 3 Var 2 DiskE/RefE; § 255 I Nr 2 Var 2 RegE) entfallen hingegen ersatzlos als mögliche weitere Variante25 (siehe schon Rn 14); man hätte sie gleichfalls frühzeitig vorlegen können (Abs 2 S 1), indes wohl aber erst nach dem Eröffnungsantrag (arg Abs 2 S 2 e contr). Der Rechtsausschuss begründet die Streichung nur recht lapidar damit, das sei der notwendigen Verfahrensvereinfachung geschuldet; man wolle zudem den praktischen Schwierigkeiten gegenwirken, die konkurrierende Pläne (§ 283 DiskE/RefE; § 294 RegE – siehe dazu auch noch bei Rn 13 f) heraufbeschwören.26

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AA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 8 – siehe aber zuvor: § 245 II S 2 und 3 DiskE/RefE bzw § 255 II S 2 und 3 RegE. Deutlich anders noch BT-Drucks 12/2443 S 194 re. Sp. („In erster Linie soll der Insolvenzverwalter …“).

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BGHZ 163, 344, 345 [III 1] {7} = NJW-RR 2005, 1638 = DZWIR 2006, 74. BT-Drucks 12/7302 S 181/182 [Nr 135] mit S 184 [Nr 159] – vgl auch erg RA-Prot [12. Periode/74. Sitzung] S XII [Frage 26]: „Sollte das Recht zur Vorlage eines Insol-

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III. Wirkung und Qualifizierung der Planvorlage 1. Einleitung des Planverfahrens Das Planverfahren ist in das Insolvenzverfahren integriert (dazu Vor §§ 217 ff Rn 157 18 bzw 166), das erstere bedarf indes doch zur Einleitung (in Kontrast zu späterer Durchführung – siehe dazu bei § 217 Rn 28 und 30) nicht auch der Eröffnung des letzteren; lediglich der Eröffnungsantrag muss vorliegen, ansonsten fehlt jeglicher Anlass, eine prozessuale Gesamtvollstreckung vorzunehmen (davor bleibt alles Domäne freiwilliger außergerichtlicher Vereinbarung: „Sanierungsvergleich“: Vor §§ 217 ff Rn 13 f). Der Schuldner kann bereits im Eröffnungsverfahren, gar sofort mit seinem Eröffnungsantrag (Abs 1 S 2: „kann … verbunden werden“ – sog pre-packaged plan: Vor §§ 217 ff Rn 146), eine vollendete Planvorlage einreichen; sie wird meist als Start des konkreten Planverfahrens angesehen.27 Für den Verwalter ist die Möglichkeit aber natürlich noch verschlossen: er wird erst aufgrund Eröffnungsbeschlusses bestellt (§ 27 II Nr 2) … und sich danach auch erst einmal einarbeiten müssen (vgl auch erg §§ 156/157, mag aber als vorläufiger Verwalter „inoffiziell“ ebenfalls tätigwerden (Rn 35). Die Planeinreichung bei Gericht28 beinhaltet sozusagen den Antrag auf Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens, sie steht aber unter dem besonderen Vorbehalt wirklicher (erfolgter bzw künftiger) Eröffnung. 2. Rechtsfolge der Planvorlage Die Planeinreichung ist der außenwirksame, rechtsförmliche Auslösetatbestand für das 19 Insolvenzplanverfahren. Sie initiiert das formelle Vorprüfungsverfahren (§ 231) als maßgebenden nächsten Schritt und führt zur Auslösung der „Sollfrist“ (§ 231 I S 2: innert zweier Wochen), die selbst natürlich vorweg die erfolgte Insolvenzeröffnung verlangt (dazu Rn 18, 37, 76 iVm § 231 Rn 41). Es ist eine gewiss schwierige, taktische Frage, wann konkret Planvorlage erfolgt; es macht meistens mehr Sinn, zunächst informelle Zustimmungen einzuholen oder entsprechend den Verhandlungen inhaltliche Modifikationen vorzunehmen – zumindest mit Rücksicht auf maßgebende Beteiligte (Hausbanken, Hauptabnehmer/-lieferanten, Sozialkassen, Finanzamt etc), um bereits beizeiten spätere Billigung zu sichern (aber vgl auch § 240). Dieses kann aber auch bereits vor einem geplanten Insolvenzantrag geschehen (sog pre-packaged plan: Vor §§ 217 ff Rn 146), dann mag eine Planvorlage bei Antragstellung durchaus einmal sinnig sein. Mit der Planeinreichung selbst sind unmittelbar noch keine konkreten rechtlichen Wir- 20 kungen für das – anhängige oder eröffnete – Insolvenzverfahren verbunden (kein automatic stay). Es gibt jedoch insoweit mittelbare Auswirkungen zusätzlich zu gewärtigen. Wenn ein Plan komplett fertig vorliegt, dann bedarf eine eventuelle Betriebsstillegung inhaltlich zusätzlicher Rechtfertigung (§ 158), und die Sachdarlegung des Insolvenzverwalters zum Berichtstermin (§ 156) hat auch insb den Plan selbstredend zu reflektieren; planwidriges Vor-

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venzplans stärker beschränkt werden …“ mit S 254, 263/264 [BA: Gres] bzw S 254 f [SV: Uhlenbruck], S 256 f [SV: Grub & Schmidt], S 260 [SV: Gross], S 264 [SV: Lindemeyer], S 264/265 [SV: Weber]. Bereits davor R Stürner Insolvenz im Umbruch (1991), S 41, 42. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218

28

Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 1; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 218 Rn 1. Gemeint ist hiermit – so wie auch sonst – Erlangung tatsächlicher Verfügungsgewalt (idR unproblematisch mangels Fristbindungen – hier ausgenommen bloß: Abs 1 S 3, vgl Rn 79–81).

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gehen wäre per se „bedeutsame“, infolgedessen zustimmungspflichtige, Rechtshandlung29 (§ 160 I S 1 – zumeist decken das jedoch schon § 158 [Betriebsveräußerung] bzw § 160 II Nr 1 [Katalogtatbestand]). Der unmittelbare Eingriff ins laufende Insolvenzverfahren erfordert insolvenzgerichtliche Anordnung auf Antragstellung des Planvorlegers30 (§ 233 InsO bzw § 30d ZVG [Abs 1 Nr 3] – dazu Rn 30 mit § 233 Rn 4, 17, 25, 29): Möglichkeit der Aussetzung der Liquidation, um Durchführung zu gewährleisten. – Im Übrigen wirkt das Planverfahren erst mit Rechtskraft der Bestätigung auf Verfahren (§ 258 I: Aufhebung – im Regelfall) und Rechtslage (§ 254 I: Gestaltung). 3. Rechtsnatur der Planvorlage

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Die Planvorlage könnte man als eine materielle Willenserklärung auffassen (Abgabe eines Vertragsangebots durch Planeinreichung [uU vertreten durch Verwalter] an die Gesamtheit möglicher Beteiligter [ad incertas personas] auf Abschluss des Insolvenzplans, so wie er jetzt vorgelegt wurde – aber: § 240) und auch – alternativ/kumulativ – als eine prozessuale Erwirkungshandlung einstufen (Einreichung zur Ingangsetzung der Vorprüfung [vgl Rn 19] bzw dadurch des Planverfahrens als solchem). Praktische Relevanz erfährt diese Entscheidung durch die anzuwendenden Rechtsnormen zur Überprüfung der Wirksamkeit der Planvorlage, dogmatische Bedeutung erheischt sie bezüglich der Bestimmung der Rechtsnatur des Insolvenzplans (siehe allg dazu Vor §§ 217 ff Rn 210 ff). Die sog Vertragstheorie verweigert sich allerdings – um konstruktiven „Untiefen“ auszuweichen) – einer derartigen „frühen“ Festlegung, verneint Bindungen und bejaht die Befugnis zur Abänderung (die Planvorlage wirke ausnahmslos als invitatio ad offerendum – siehe dazu Vor §§ 217 ff Rn 226 mit 245); sie teilt deshalb (nur insoweit!) die Deutung der Verfahrenstheorie (dazu Rn 22). Die Planvorlage leitet das Verfahren ein, sie ist infolgedessen unausbleiblich als ein An22 trag an das Gericht auf Einleitung des Planverfahrens zu verstehen (dazu Rn 18/19); im Unterschied zu der Ursprungskonzeption des Kommissionsvorschlags (dazu Rn 12) erfolgt keine Prüfung von Amts wegen, sondern es verbleibt beim regulären Dispositionsgrundsatz (erweitert auf den Verwalter). Die Planvorlage wirkt konstitutiv als Prozesshandlung,31 wofür hier Abs 1 S 1 dann die konkrete Antragsbefugnis bestimmt. Dabei kann auf allgemeine Regelungen für Prozesshandlungen und bestimmende Schriftsätze leicht zurückgegriffen werden (als Ausdruck prozessualer Allmende – arg § 4) – indes aber nur (Vorrang spezieller Vorgabe!), insoweit nicht schon die §§ 217 ff eine abschließende Regelung bereithalten (wie etwa zur Möglichkeit freier Veränderung: § 240) oder sich aus anderweitigen InsO-Vorschriften Erkenntnisse ziehen lassen. Und bloß „entsprechend“ wird auf zivilprozessuale Regeln bei Lücken zurückgegriffen (unbeschadet des Streits zur Rechtsnatur: Rn 21), nicht ganz willkürlich etwa auf Planvorlagen 1:1 übergestülpt.32

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MünchKomm/Görg/Janssen InsO3 § 160 Rn 10 („wenn ein Insolvenzplan durch sie vereitelt würde“); wohl auch HK/Haas InsO9 § 218 Rn 19. AA die hM, die beschränkend zusätzlich positive gerichtliche Vorprüfung verlangt, vgl § 234 Rn 12. Erschöpfend hierzu Madaus Insolvenzplan (2011), S 174–182 mwN (von Vertragstheorie aus!) mit MünchKomm/Eidenmüller

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InsO3 § 218 Rn 10, vgl noch erg Schiessler Insolvenzplan (1997), S 86; Gaul FS U Huber (2006) S 1187, 1197; Smid/Rattunde/ Martini Insolvenzplan4 Rn 3.1 – aA Häsemeyer InsR4 Rn 28.42a und Hess/Weis WM 1998, 2349, 2350. So ebenfalls MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 11 mit Fn 13 – skeptisch demgegenüber Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 3.1.

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4. Formalien für die Einleitung a) Traditionelle Schriftform. §§ 219–221 bezeichnen nur die zwingenden Inhaltsbe- 23 standteile, nicht aber auch Formerfordernisse der „Insolvenzbeplanung“33 (ieS, dh Planinhalte ohne Plananlagen, vgl Rn 25). Man kann aber aus §§ 232, 234 verpflichtende Schriftform herauslesen – möglich wäre heute wohl allemal elektronische Planvorlegung (§ 218) und Weiterleitung (§ 232), sie indes war einstig nicht gewollt (zur gegenwärtigen Eröffnung elektronischer Surrogate bei Rn 27). Erst recht ist keine wirkliche Niederlegung (§ 234) ohne schriftliche Planausarbeitung vorstellbar (aber vgl auch § 234 Rn 17). Klassische Schriftform – entsprechend „originalem“ Grundkonzept – impliziert Unterschrift34 (bestimmender „Schriftsatz“ – in Anlehnung an Rn 22). Der Plan ist eigenhändig vom Planvorleger unter Namensnennung zu unterschreiben (und zwar am Ende der inhaltlichen Ausführungen35). Ohne Unterschrift liegt bloß ein Planentwurf vor. Als Äquivalent wirkt uU dafür allerdings die Erklärung des Planerstellers zu Protokoll 24 der Geschäftsstelle (zweifelsohne höchst unpraktisch!36), die auch sonst für derartige bestimmende Schriftsätze ausreicht (arg § 4 InsO iVm § 496 ZPO – AG-Kompetenz! [§ 2 I InsO]; dann gilt konsequenterweise auch noch § 129a I ZPO: „Allkompetenz“ zur Protokollierung – aber: Abs 2!). Dagegen spricht allemal, dass der InsO-Gesetzgeber solche Erklärungen zuerst vereinzelt zuließ, sie dann indes weiter zurückführte und – gleichzeitig – neu einige benannte Formen schaffte37 (dieses just im Planverfahren: §§ 251 I Nr 1, 253 II Nr 1). Das spricht für Spezialität und Sperrwirkung der einschlägigen insolvenzrechtlichen Vorschriften (und gegen die Regel des § 4 – schon mit Blick auf § 234 bzw Rn 23). b) Umfang und Anzahl. Einzureichen ist allein der Insolvenzplan; das Gesetz unter- 25 scheidet strikt zwischen Inhalt (§ 219: „besteht aus …“ iVm §§ 220/221) und Anlage(n) (§§ 229/230: „beizufügen“); zur Verfahrensauslösung muss demnach bereits der Plan als solcher genügen. Die nächsten Verfahrenshürden (gerichtliche Vorprüfung [§ 231 – dazu vgl dort Rn 40 f]; Übermittlung zur Stellungnahme [§ 232 – dazu vgl dort Rn 17, 21] bzw Niederlegung zur Einsichtnahme [§ 234 – dazu vgl dort Rn 17]; Erörterung und Abstimmung [§ 236 S 1]) können erst im eröffneten Verfahren und mit kompletten Anlagen überwunden werden. Soweit Anlagen fehlen, liegt zwar ein vorprüfungsrelevanter, zweifelsohne jedoch behebbarer, Mangel vor (§ 231 I S 2 Nr 1: Fristsetzen, um nachzuholen). Bis dann müssen also die Anlagen zwingend vorliegen. Bestimmenden Schriftsätzen „sollen“ genügend Abschriften zur Zustellung beigefügt 26 werden (§ 133 I ZPO), eine Klage ist somit also in mindestens zwei Exemplaren einzureichen. Dennoch ist Urschrift und Abschrift rechtstechnisch zu differenzieren – ein Original ist notwendig und hinreichend! Es kommt zu den Akten (und kann zudem später – alle Vorprüfungen [§ 231] sind abgeschlossen – selbst niedergelegt [§ 234] werden). Es gibt mithin keine Regel, welche die Einreichung von sechs Planstücken abverlangen würde (für Gericht,

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Missverständlich HK/Haas InsO9 § 219 Rn 1. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 46; HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 30; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 142. So sieht es die hM – aA Münch Die Reichweite der Unterschrift im Wechselrecht (1993) S 75 ff [§ 4 III].

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Ganz ähnlich auch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 142 („eher theoretisch von Bedeutung“). Abschaffung: Art 1 Nrn 13 und 34 ESUG mit BT-Drucks 17/5712 S 30 („Zur Vereinfachung der Abläufe bei Gericht …“) bzw BTDrucks 17/7511 S 30/31 („sollte als Instrument einer bürgernahen Justiz erhalten bleiben“ [Zitat: S 30]) – Einführung: Art 1 Nrn 38 und 40 ESUG.

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Geschäftsstelle und „Kommentatoren“ iSv § 232 I38); dafür spricht nicht zuletzt der Normwortlaut von § 218 I S 1 („eines Insolvenzplans“). Die Praxis tut dennoch gut daran, Mehrstücke mit einzugeben, das bringt Zeitvorteile und erspart eventuelle Kostennachteile.

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c) Elektronische Surrogation. § 130a ZPO erlaubt wider den Wortlaut39 sogar für bestimmende Schriftsätze, auf deren Grundsätze bei der Planvorlage grundsätzlich zurückgegriffen werden kann (dazu Rn 22 – arg § 4), die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, um der vorgeschriebenen Schriftform zu genügen. Die eigenhändige Unterschrift wird dabei durch eine formelle elektronische Signatur ersetzt (§ 130a III ZPO), muss indes auf einem sog „sicheren Übermittlungsweg“ einkommen (§ 130a IV ZPO) (Zeitkorridor: 01.01.2018–2020); Abschriften in Schriftform sind aber bereits jetzt obsolet (§ 133 I S 2 Hs 1 ZPO); später kommt dazu die Nutzungspflicht für Rechtsanwälte40 und Behörden (§ 130d ZPO – Zeitkorridor: 01.01.2020–2022). Um eine Printversion, gefertigt von Seiten des Gerichts41 oder des Antragstellers, kommt man indes mit Blick auf § 234 trotz allem letztlich nicht herum (siehe dazu näher § 234 Rn 17).

IV. Bedeutung und Bewertung 1. Gestaltungsfreiraum des Planverfassers

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Das Gesetz überlässt dem Ersteller rechtlich weiten Spielraum, was Ziel, Mittel, Wege etc angeht, vorbehaltlich der „gläubigerseitigen Auftragsbestimmung“ zum Verwalterplan (§ 157 S 2 bzw § 218 II). Sonst begnügt sich die InsO jeweils damit, bedeutsame Rahmenbedingungen vorzugeben (für Inhalt [insb §§ 222, 226 I, aber zB auch §§ 223 II, 224, 225 II] wie Formen [§§ 219–221, 228/229]); ferner gibt es noch einige Gestaltungsschranken (§§ 223 I S 2, 225 III) und Hilfsregeln mangels Gestaltung (§§ 223 I S 1, 225 I, 227), wie dies auch das bürgerliche Vertragsrecht charakterisiert; nur § 225a und § 228 entziehen sich letztlich etwas solcher Typik, es sind komplexe Regelungswerke mit Scharnierfunktion zwischen dem Insolvenzplan- und dem Gesellschafts- bzw Sachenrecht. Jenseits rechtlicher Vorgaben muss der Planersteller tatsächliche Gegebenheiten einberechnen (Kalkül, Strategie, Taktik), insbesondere die schließliche Mehrheitsfindung (§§ 237–246) vorausplanen;42 das letzthin zielt proaktiv auf sinnvolle, strategische Gruppenbildung (§ 222, dort Rn 121–125) und reaktiv auf konkrete Vergleichsrechnung (§ 220 II, dort Rn 78 ff iVm § 245 Rn 14 ff und § 251 Rn 35 ff). Bei insgesamt fortführungsfähigen Betrieben entsteht so mächtige Gestaltungsfreiheit, da die Liquidationswerte hier zumeist deutlich unter den Fortführungswerten liegen (und übertragende Sanierung zu der Zeit gemeinhin ausscheidet, wenn bereits Plansanierung ansteht – jene Weiche wird früher gestellt!).

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So sehen es MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 142 („Ausfertigungen“ [?]) und Uhlenbruck/Lüer/Streit Inso14 § 218 Rn 31. MünchKomm/Wagner ZPO3 § 130a Rn 3; Stein/Jonas/Leipold ZPO22 § 130a Rn 7; Thomas/Putzo/Reichold ZPO31 § 130a Rn 2. Nachfolgend allerdings ist die Rechtslage beschrieben, welche das Gesetz vom 10.10.2013, BGBl I Nr 62 S 3786 (Art 1 Nr 2) [in Kraft ab 01.01.2018 (Art 26 I) – vorbehaltlich landesspezifischer Eigenrege-

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lung: Art 24 iVm Art 26 VIII (zweifacher Zeitkorridor: 2018–2022)] bringt. Und zwar auch als Insolvenzverwalter (arg § 4) – sonst aber mE wohl nicht! Es fehlt an einer Kostenpflicht für den Planvorleger: Musielak/Stadler ZPO13 § 133 Rn 4; MünchKomm/Fritsche ZPO5 § 133 Rn 5). Aber uU auch vereinfachte Mehrheitsfindung durch Zusammenfassung einer „vermutungsweisen Störergruppe“, siehe dazu § 222 Rn 125.

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§ 218

Aus Gläubigersicht ist derartig gestalterischer Freiraum bei Verwalterplänen idR un- 29 problematisch. Der befasste Verwalter ist ihnen ein neutraler Sachwalter, er wäre es auch bei andernfalls unvermeidlicher Liquidation; er wägt objektiv vorurteilsfrei, ohne jede Scheuklappen ab. Das Gesetz zollt dem Tribut durch Begrenzung der Vorprüfung auf Formfehler (§ 231 I Nr 1) und Entsagung inhaltlicher Kontrolle (§ 231 I Nr 2/3: lediglich Schuldnerpläne betroffen). Er wird ferner aufgrund insgesamt masseabhängiger Vergütung (§ 63 I S 2 bzw § 1 I InsV-VO) an einer möglichst umfänglichen Insolvenzmasse interessiert sein (und infolge beachtlichen [Plan-] Mehraufwands weniger auf mögliche Zuschläge [§ 3 I lit e InsV-VO] schielen). – Das kann (und wird) bei Schuldnerplänen häufig freilich anders aussehen, zumal wenn zuvor einschlägige Sanierungsbemühungen scheiterten (und frühzeitige förmliche Insolvenz verzögerten …). Der Gemeinschuldner wird leichterdings das „Sanierungsauge“ aufreißen und demgegenüber das „Liquidationsauge“ zukneifen, um doch noch einmal persönlich größten Schaden abzuwenden. Am Anfang steht mithin vielleicht nicht so stark das Gläubigerwohl im Vordergrund (auch wenn es dann am Ende noch zur nötigen [Gläubiger-] Mehrheit reichen muss). Der Schuldner wird gemeinhin seine Sanierung im Blickfeld haben und dementsprechend dazu verleitet sein, dass sein Planangebot nicht zu einer Maximalbelastung führt. 2. Blockademöglichkeit Ein Plan kann per § 233 InsO bzw § 30d [I Nr 3] ZVG ins fortlaufende Regelverfahren 30 hineinwirken (dazu Rn 20). Dahinter steckt eine Blockademöglichkeit, die konstruktiv (Sicherung sanierender Umsetzung) wie destruktiv (Verzögerung der Liquidation) zugleich wirken kann. Sie tritt aber nicht von selbst ein (im Unterschied zu 11 USC § 362: automatic stay), sondern wird allein auf Antrag erst gewährt (lediglich ein solcher des Verfassers [str, vgl § 233 Rn 10]) und bloß auf gerichtliche Entscheidung hin. Alles ist Frage achtsamer gerichtlicher Abwägung (Plangefährdung [S 1] ./. Massenachteile [S 2 Var 1]), trotzdem begünstigt die Regelung Aussetzung (dazu § 233 Rn 1–5) – vorbehaltlich des Einvernehmens von Insolvenzverwalter und Gläubigermehrheit, ungeachtet der Planvorlage die Insolvenzmasse zu liquidieren (S 2 Var 2). Letzteres zielt natürlich gegen Blockadezwecke eines Schuldnerplans, birgt aber immer noch gewisses Gefährdungspotential bei Uneinigkeit der gesamten Gläubigerschaft; das kann am Ende einen günstigen Liquidationszeitpunkt verwehren (bzw später „plangeneigter“ [mit Blick auf Rn 29 (zweite Hälfte)] machen). 3. Eigensanierungsform Dem Gemeinschulder wurde schon immer zugestanden, Eröffnungsantrag und Insol- 31 venzplanung zeitgleich miteinander vorzulegen (Abs 1 S 2), was aber nicht die erwünschte frühzeitige Beantragung beförderte – zu stark schreckt ersichtlich der dadurch drohende Verlust von Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§§ 21 II Nr 2, 80 I – im Unterschied zu 11 USC § 1101: debtor in possession). Mit Schaffung von §§ 270a-c brachte das ESUG nun Abhilfe:43 Planaufstellung in Eigenverwaltung – vermittels „Schutzschirms“ (§ 270b) begünstigt. Ein Unternehmer (arg § 270 I S 3) behält nunmehr demgemäß das Heft

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Art 1 Nr 46 ESUG [in Kraft ab 01.03. 2012 (Art 10 S 3)] – näher dazu siehe BTDrucks 17/5912 S 1 mit S 39 re. Sp.

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des Handelns, für Betriebsführung wie Planaufstellung. Dies bringt enormen Zeitvorsprung („Poleposition“) und außerdem zusätzliche Qualität bei Hinzuziehung fachkundiger Hilfestellung (arg § 270b III). Der Schuldner erhält hierdurch nun eine deutlich verbesserte Position und kann auch im Insolvenzverfahren eine eigene Strategie verfolgen, ohne dem Willen eines Insolvenzverwalters ausgeliefert zu sein – mit allen Stärken wie Risiken.44 4. Zukunftsperspektive des Planverfahrens

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Der Planarchitekt kann entscheidend das weitere Verfahren gezielt verändern und muss dabei wenige wirkliche (strategische!) Inhaltsvorgaben beachten (dazu Rn 28). Die wechselvolle Entstehungsgeschichte des § 218 (dazu Rn 11–17) zeigt die Brisanz der Befugnis zur Planvorlage. Überaus knapp hat schlussendlich der Rechtsausschuss ein breiteres Vorlagerecht abgelehnt (um letztlich unerwünschte Plankonkurrenz zu vermeiden45); Gläubiger und Anteilseigner fielen diesem Anliegen zum Opfer. Die Wirklichkeit war jedoch eine andere: es erschien schon ziemlich bemerkenswert, wenn überhaupt ein Plan vorgelegt wurde („Dornröschenschlaf“ des Rechtsinstitutes). Gefahr war stärker die fehlende praktische Akzeptanz46 als rechtlich die Situation von „verwirrender Vielfalt und Verfahrenshemmung“ durch mehrere Planvorlagen47 (ein Erfolg dieser Kürzungen?). Man darf gespannt sein, wie sich das ESUG zukünftig darauf auswirkt. Letztlich könnten just gerade auch mehrere Pläne, die um die jeweilige Gläubigergunst streiten, tatsächlich einen Wettbewerb um die beste Verwertungsstrategie im Insolvenzverfahren befeuern.

V. Verwalterplan (Abs 1 Satz 1 Var 1) 1. Personenkreis

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§ 218 I S 1 spricht schlicht, und deswegen eindeutig, vom „Insolvenzverwalter“ und seiner Berechtigung „zur Vorlage eines Insolvenzplans“. Damit scheint alles gesagt. Der Insolvenzverwalter (also nur er, und zwar: persönlich!48), nicht auch ein vorläufiger Insolvenzverwalter (dazu Rn 34), indes aber auch ein endgültig bestellter, ausländischer Insolvenzverwalter (dazu Vor §§ 217 ff Rn 180), darf einen Plan vorlegen. Das setzt alsdann natürlich vorher Insolvenzeröffnung voraus (§ 27 I S 1 und II Nr 2); dass eine Ersternennung unter Vorbehalt steht (§ 57), stört demgegenüber nicht: der Ernannte hat alle Kompetenz, solange seine Abwahl nicht erfolgt (oder spätere Entlassung: § 59). – Befugt ist

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Insb Verhinderung krisentypischer Zerschlagung; leichterer Zugang auf Binnenwissen des Unternehmens; Motivierung frühzeitiger Beantragung etc einerseits, Sanierung nur allein auf dem Rücken der Gläubiger andererseits. BT-Drucks 12/7302 S 181 re. Sp. (inhaltsleer gerechtfertigt mit „praktischen Schwierigkeiten“). Kranzusch ZInsO 2012, 683, 687 (jedoch nur mit Zahlen vor dem ESUG!). So die Befürchtung von R Stürner Insolvenz im Umbruch (1991), S 41, 42.

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BFHE 232, 162, 171 [II 3c dd] {46} = NJW 2011, 1628; BGHZ 198, 225, 228 {9} [III 2b aa] = NJW 2013, 2103 = DZWIR 2014, 40 („unbeschadet etwaiger Zulieferungs- und Hilfsarbeiten seiner Mitarbeiter“) NJW-RR 2016, 686, 688 {22} [III 2a bb (2c)] = KZS 2017, 236 = DZWIR 2016, 576; NJW-RR 2016, 1447, 1448 {13} [III 2a cc] = ZIP 2016, 2127 = DZWIR 2017, 188 („wenn auch der Einsatz von Mitarbeitern in größeren Verfahren praktisch unvermeidbar oder gar geboten sein kann“). Vgl auch erg BVerfGE 141, 121, 138 {52}.

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ebenso der Sachwalter49 bei angeordneter Eigenverwaltung – indes bloß auf „Auftragserteilung“ hin (arg § 284 I S 1 Var 1). Dort gibt es wohl zwar keinen Insolvenzverwalter, freilich: dessen Funktionen teilen sich Sachwalter und Schuldner – und beide haben das Recht einer Planvorlage. Die Frage nach der rechtlichen Vorlageberechtigung eines vorläufigen Insolvenzver- 34 walters ist im Zusammenhang mit dem Zeitfaktor zu sehen. Dürfte er bereits im Eröffnungsverfahren einen Plan vorlegen? Hiergegen spricht dreierlei: (1) Das Gesetz differenziert durchweg klar zwischen vorläufig und endgültig bestelltem Verwalter; meint es daher ersteren, wird dies explizit dann auch geäußert (sonst aber nicht, so wie in § 218 I S 1 Var 1: „beredtes Schweigen“). (2) Demgegenüber wird ausdrücklich dem Gemeinschuldner extra zugestanden, einen Plan vor Eröffnung eines Verfahrens schon anzubringen (§ 218 I S 2); das rechtfertigt den Umkehrschluss. (3) Der vorläufig eingesetzte Verwalter (§ 21 II Nr 1) hat alleinig bewahrende Funktion, darf somit gemeinhin noch nicht gestalten (arg § 22 I S 2 [hier insb auch Nr 2 Hs 1: „Unternehmen … fortzuführen“] bzw II S 250). Normativ spricht also alles gegen eine Zubilligung solch einer Rechtsmacht zur Planvorlage.51 Trotz allem wird diese Frage heiß diskutiert,52 ja manchenorts gar umgekehrt auch beantwortet;53 rechtspraktisch ist sie ein Scheinproblem. Es fehlt an einem echten Dilemma, wenn man Vorlegung und Vorarbeit nur klar von- 35 einander hier unterscheidet: rechtlich ist ersteres nur maßgebend (dazu Rn 18), praktisch freilich hindert nichts, alsbaldig Planausarbeitung anzugehen, zumal ja meist der vorläufige Verwalter sein Amt als endgültiger Verwalter weiterführt. Das jedoch erfolgt auf eigenes Risiko (und zielt schon auf § 156 I S 2), ist während des Eröffnungsverfahrens doch nur eine behutsame „Konservierung“ des Massebestands angezeigt (mit alleinig einer Ausnahme [§ 22 I S 2 Nr 2 Hs 2: Betriebsstillegung – dafür Gerichtszustimmung nötig!], welche letztlich die Regel nur bestätigt), und bereits die Prognose zur Fortführungsfähigkeit fordert einen eigenen gerichtlichen Auftrag (§ 22 I S 2 Nr 3 Hs 2 Var 2: „als Sachverständiger“). Die Befugnis zur internen Planvorbereitung („SWOT-Analyse“), möchte niemand in Zweifel ziehen.54 Trotz wortgemäß („der Insolvenzverwalter“) eindeutiger Sicht (vgl Rn 33) stecken da- 36 hinter disparate Grundkonzeptionen – man muss nämlich noch die zugebilligte Außenmacht von Innenbindung unterscheiden bzw Initiativrecht und Vorlagerecht. Der RegE zur InsO (§ 254 I) formulierte noch gegenläufig (Planvorlage in Beauftragung) und begründete: „Ohne Auftrag der Gläubigerversammlung ist der Verwalter nicht berechtigt, einen

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Sogar nach BGH NZI 2016, 963, 967 {75–77, insb 77} auch der vorläufige Sachwalter – bei Veranlassung durch einen vorläufigen Gläubigerausschuss und Zustimmung des Schuldners; hierzu auch Hölze ZIP 2012, 855, 859. BT-Drucks 12/2443 S 117 li. Sp.: „Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen“ – und auch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis dient nur dem „Zweck der Vermögenssicherung bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung“ (S 116/117 [Zitat: S 117]). K Schmidt/Spliedt InsO19 § 218 Rn 8; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 7; GrafSchlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 218 Rn 3;

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 34; Hölzle ZIP 2012, 855, 858. Sehr unklar früher Smid WM 1998, 2489: S 2493 [dagegen] „versus“ S 2499 [dafür], inzwischen aber klargelegt: Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 3.12. Sehr eingehend etwa MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 32–36. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 218 Rn 31: Plädoyer für die Analogie; Gottwald/ Koch/De Bra InsRHb5 § 67 Rn 13 (unnötiger Formalismus). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 6; HambK/Thies § 218 InsO6 Rn 3; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 218 Rn 8; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 35.

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Plan vorzulegen“;55 just daran knüpft heute noch § 157 S 2 (einst wortgleich schon § 176 S 2 RegE). Der Rechtsausschuss hat diese Bindung gelockert (dazu Rn 14), dh den Verwalter bei § 218 I S 1 insoweit freier gestellt (Vorlage statt Auftrag, der bloß noch als ergänzende Spielart aufscheint: § 218 II). Je nachdem, ob Initiative und Vorlegung zusammenbleiben oder auseinanderfallen, sind heute zwei Arten an Planvorlagen zu unterscheiden: Verwalterpläne aufgrund Beauftragung von Seiten der Gläubigerversammlung („derivativer Verwalterplan“ bzw „Auftragsplan“: Rn 46–54) und Verwalterpläne aus Eigeninitiative („originärer Verwalterplan“ bzw „Initiativplan“: Rn 39–45).56 2. Zeitschranken

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Normativ ist der Zeitraum, in dem eine Planvorlage möglich ist, allemal klar bestimmt:57 von der Verfahrenseröffnung (scil. mit Bestellung des Verwalters: Rn 33), insoweit Amtsannahme vorliegt,58 bis zur Beendigung des Schlusstermins (§ 218 I S 3: Rn 79– 81). Praktisch gesehen gilt anderes, mindestens für die Sanierung – hier zählt Zeit (im Unterschied zu Verfahrensgestaltung und Liquidationsplan – je nach Anlass). Der Verwalter wird hier versuchen, einen Insolvenzplan zeitig auszuarbeiten, um Klarheit zu schaffen (für alle Beteiligten samt den Betroffenen, auch als Signal für den „Markt“). Spätestens zum Berichtstermin muss inhaltlich die Grundlinie ohnehin feststehen (§ 156 I S 2 Var 2 [Verwalterbericht] bzw § 157 [Gläubigerantwort]); informell schließlich kann auch ein vorläufiger Verwalter mit gewissen Vorbereitungen beginnen (dazu Rn 35 f). 38 Obwohl das Gesetz eine Planeinreichung zum Schlusstermin ganz allgemein noch gestattet (§ 218 I S 3: Rn 79–81), macht jene – „sanierungstechnisch“ – wenig Sinn. Die Planvorlegung als der „Auslöser“ für das Planverfahren (dazu Rn 18) kommt zu einem Zeitpunkt, in welchem bloß formale Entscheidungen (und zwar zum Regelverfahren) noch offen stehen; der Massebestand ist vorher natural verwertet und daraufhin verteilt worden (§§ 159, 196, 197 I S 1). Ein Unternehmen wurde also schon stillgelegt, und dessen Substanz (Waren, Vorräte, Maschinen etc) ist längst verloren (genauso wie der Kontakt zu Abnehmern und Lieferanten). Für den Insolvenzverwalter ist das sicher keine Option59 – außer womöglich bei anderweit nicht verwertbaren Massegegenständen (dann wird er aber auch keinerlei Schlusstermin anstreben) und natürlich für spezielle andere Planziele (so wie etwa § 66 I S 2). 3. „Initiativplan“

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a) Initiativbefugnis. Abs 1 S 1 stellt die Planvorlage von Insolvenzverwalter (Var 1) und Gemeinschuldner (Var 2) als völlig gleichwertig berechtigt nebeneinander, gibt beiden im selben Atemzuge rechtlich die Kompetenz. Angesprochen ist das Vorlagerecht, das natürlich beim Schuldner das Initiativrecht zugleich miteinschließt. Weswegen sollte dieses beim Insolvenzverwalter sich insgesamt anders verhalten? Abs 1 S 1 ist inhaltlich allum-

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BT-Drucks 12/2443 S 196 li. Sp. Die ersteren Begriffe bei Eidenmüller Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S 64. Dazu immer noch recht lesenswert Mot S 403 f = Hahn IV S 359 f mit GemSchO Mot II S 141 f. Uhlenbruck/Zipperer InsO14 § 27 Rn 7. Ist der vorläufige Verwalter, der die Verfahrens-

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eröffnung empfohlen hat, ernannt worden, ist in der Eröffnung im Zweifel auch die bedingte Annahme durch den Verwalter zu sehen, MünchKomm/Schmahl/Busch InsO3 § 29 Rn 30. Im Regelfall beginnt das Verwalteramt somit mit Eröffnung. AA Schiessler Insolvenzplan (1997), S 103 – unklar hier leider MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 116.

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fassend formuliert (Eigeninitiative jeweils unterstellend) und bekommt systematisch den Vorrang vor Abs 2 (Eigeninitiative der Gläubigerschaft, der dann indes eigene Vorlagebefugnis abgeht bzw die darum einen Umweg benützt – betreffend des Verwalters: „Fremdsteuerung“ bzw „Auftragsarbeit“). Anders gesagt: Das Gesetz gibt beiden das Vorlagerecht ohne weitere Voraussetzung (Abs 1 S 1 – durchweg mit „Außenwirkung“), losgelöst von der möglichen weiteren Pflicht für den Verwalter zur Ausarbeitung eines Insolvenzplans (Abs 2 iVm § 157 S 2, vgl auch erg § 284 I S 1 – manchmal mit „Innenbindung“60). Hieraus folgt dann ein originäres Initiativrecht des Verwalters:61 es hätte seiner (scil. des 40 Verwalters) Nennung in Abs 1 S 1 allemal denn bedurft (bzw allein Abs 2 genügt), wenn hiermit nicht auch ein eigenes Initiativrecht denn zugesprochen wäre. Dies entspricht auch faktischen Notwendigkeiten.62 Ansonsten könnte der Verwalter erst nach Abhaltung der ersten Gläubigerversammlung mit der Ausarbeitung eines Plans beginnen, vorherige Aktivitäten erfolgten auf eigenes Risiko in der Hoffnung, dass die Gläubigerversammlung nachträglich „seinen Plan“ übernimmt und ihn formal mit der (ergänzend [§ 3 I lit e InsVV: Zuschlag] vergüteten, dazu vgl Vor §§ 217 ff Rn 198) Ausarbeitung beauftragt. Folge wäre eine große Zeitverzögerung (uU fast 1⁄2 Jahr? – vgl § 165 I SGB III und § 29 I Nr 1 aE InsO) und lange Unsicherheiten63 – beide Gift für gelungene Sanierung. Dem vorläufigen Verwalter jegliches Vorlagerecht abzusprechen (dazu Rn 34), dem endgültigen Verwalter indes dann ein autonomes Initiativrecht zuzubilligen (dazu Rn 40), entspricht „fairer“ (und klarer) Abgrenzung. b) Planhierarchie? Fraglich wird, wie sich „Auftragsarbeit“ und Initiativplan des Ver- 41 walters letztlich zueinander verhalten. Die Gläubigerautonomie (dazu Rn 3) spricht für den Vorrang der ersteren, die Initiativbefugnis (dazu Rn 39 f) für Erlaubnis des letzteren – offenbar steht aber der Wortlaut (S 1: „Zur Vorlage eines Insolvenzplans … befugt“) zwei Plänen einer Person entgegen. Der Widerspruch löst sich grammatikalisch: „eines“ ist nämlich unbestimmter Artikel, aber nicht etwa insoweit begrenzendes Zahlwort. Der „Konflikt“ muss folglich nicht weiter entschieden werden (aber: Rn 42–44): der Verwalter darf rechtlich neben einem „derivativen“ zudem auch selbst noch einen „originären“ Plan vorlegen.64 60

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Jene Regelung muss § 160 I vorgehen (mittels § 218 I S 1 bewusst zugebilligte eigenständige Handlungsmacht – im Unterschied zu § 158 [Stillegung eines Betriebes]). HM: Eidenmüller Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz S 64 bzw MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 27; Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz S 568; Warrikoff KTS 1997, 527, 530; Landfermann BB 1995, 1651, 1654; Graf/Wunsch ZIP 2001, 1029, 1030; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 4; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 218 Rn 25; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 8; FK/Jaffé InsO9 § 218 Rn 34; HK/Haas InsO9 § 218 Rn 10; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 3.7. – AA: Schiessler Insolvenzplan (1997), S 88; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 218 Rn 3; Obermüller WM 1998, 483, 484. So auch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 27: Zeitvorteil im Interesse der Gläubiger.

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Etwas anders R Stürner Insolvenz im Umbruch (1991), S 41, 42. ME genügt nicht, dass der Verwalter recht spät und im Nachhinein sich „einen Auftrag holen“ kann. Vgl auch erg Pape Kölner Schrift3 Rn 24.76; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 284 Rn 8. So wie hier insb Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 11; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 5; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 218 Rn 8; HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 11; Braun/Braun/Frank InsO7 § 218 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 218 Rn 10; Mohrbutter/Ringstmeier/Bähr Hb InsVw9 Kap 14 Rn 144. Wohl auch Rendels HRI2 Rn 24.33 (arg drei Pläne – aber verdunkelnd dann Rn 34). AA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 29; FK/Jaffé InsO9 § 218 Rn 40; Smid/ Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 3.6; Paulus DZWIR 1999, 53, 58 f; Foerste InsR6 Rn 495 (Bindung an einen Negativauftrag der Gläubigerversammlung): Priorität der Gläubiger statt Herrschaft des Verwalters.

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Dies mag auch einmal Sinn machen, denn es kann uU von Vorteil sein, wenn die Gläubigerschaft zum Schluss verschiedene Pläne mit unterschiedlichen Ausrichtungen (Eigensanierung, übertragende Sanierung, Liquidation) zur Auswahl hat, um den für ihre Bedürfnisse optimalen Plan auszuwählen („Wettbewerb“ um die beste Lösung). Ob ein solches Abdriften praktischen Nutzen bringt, steht auf einem anderen Blatt – rechtspraktisch wichtiger erscheint allemal, im Vorfeld die Chancen und Risiken gemeinsam zu ergründen. Indes kann der „ungefilterte“ Mehrheitswille (es fehlt – noch – an einer Gruppenbildung) mitunter Ergebnisse präferieren, die maßgebliche Beteiligte verweigern; ihnen bliebe alsdann nur Destruktion (mit § 245 als Schranke).

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c) Einschränkung. Angesichts des offenbaren Spannungsfeldes zwischen Gläubigerautonomie und Verwaltungsfreiraum (insb Rn 39 f, 41, 46–50) könnte man aber daran denken, das originäre Vorlagerecht teleologisch einzuschränken. Macht man bei Verwalterbeauftragung Ernst mit der begrenzten Befugnis der Gesamtgläubigerschaft, die grobe Richtung vorzugeben (dazu Rn 49), wird das hier unmittelbar spürbare Rückwirkung zeitigen – man kann neben konkret beschriebener Vorgabe („Positivauftrag“) sich nämlich auch genauso eine ablehnende Festlegung vorstellen („Negativweisung“). Das beweist nicht zuletzt die Dialektik bei § 157 S 1 („stillgelegt“ ./. „fortgeführt“), die § 157 S 2 inhaltlich wohl nicht klar genug ausdrückt.65 Anders gesagt: der „Auftrag“, „einen Insolvenzplan auszuarbeiten“ umschließt zudem die Entscheidung zum actus contrarius, dh die „Weisung“, keinen Insolvenzplan auszuarbeiten (so wie es § 157 S 3 als spätere „Rücknahme“ des Auftrages erlaubt). In diesem ihrem Willen muss sich die Gläubigerschaft präventiv auch gegenüber einem initiativ handelnden Verwalter durchsetzen können.66 43 Bedenkt man nämlich die anfänglich einmal angedachte Kompetenzverteilung (§§ 254/ 255 RegE – siehe oben bei Rn 13), hätte es keine Initiativpläne, sondern ausschließlich Auftragspläne gegeben – in der Nichtbeauftragung lag dann zugleich auch der Negativentscheid. Dies ist nach der Gesetzesfassung jedoch jetzt anders (siehe oben bei Rn 14), es ergab sich ungewollt eine Lücke – der Rechtsausschuss hat leider vergessen, die Möglichkeit zur verbindlichen Untersagung eines Planvorhabens wie bislang im Wortlaut zu verankern. § 157 S 2 ist daher „zweistufig“ zu lesen: es gibt erst einmal hier eine binäre Entscheidung zu Planarbeiten (Hs 1), bejahendenfalls eine Zielbestimmung (Hs 2). Und dies entspricht auch der generellen Bedeutung der Vorschrift insgesamt (entsprechend amtlicher Überschrift: „Entscheidung über den Fortgang des [Regel-] Verfahrens“ – praktisch [S 1 und 3] wie rechtlich [S 2 und 3]). Einem Verwalter bleibt allein letztlich übrig, die Aufhebung des (Negativ-) Beschlusses zu betreiben (§ 78 I).67 44 Dies bedarf freilich noch gewisser faktischer Klarstellungen. Gemeint ist hierbei explizite, ausdrückliche Äußerung (im Negativen), aber nicht auch Verzicht auf Äußerung

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… und dies nach der RegE-Konzeption (dazu Rn 13) auch nicht musste (der Verwalter war [eigen-] initiativ nicht vorlagebefugt!). Wohl wie hier Rendels HRI2 Rn 24.33–35 (eher verdunkelnd aber Rn 34) – gegen solche Bindung Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 10; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 218 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 218 Rn 8; HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 11; HK/Haas InsO7 § 218 Rn 11; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 218

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Rn 35, 40; Herzig Das Insolvenzplanverfahren S 128; Warrikoff KTS 1997, 527, 530. Der Verwalter mag uU plausibel machen bzw aufzeigen können, dass ein Planverfahren einen Mehrwert gegenüber dem Regelverfahren aufweist und somit ein Negativbeschluss „dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger“ widerspricht – dazu vgl auch erg Smid WM 1996, 1249, 1253 unter anderen Prämissen (hinsichtlich fehlerhafter Detailweisung – dagegen siehe bereits Rn 34).

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(„Schweigen“) oder Entscheidung für die Planvorlage („Auftrag“) – diese beiden Fälle würden einem eigeninitiativ erarbeiteten Verwalterplan grundsätzlich nicht entgegenstehen. Äußert sich nämlich die Gläubigerversammlung nicht ausdrücklich zu einer Planerstellung von Verwalterseite aus, lässt sich darin noch keine unterschwellig geäußerte „Sperrerklärung“ erblicken; vorstellbar wäre demgegenüber ein Positivauftrag (für „Fremdplan“) mit Negativweisung (für „Eigenplan“), jedoch dann klar so, dh demgemäß „gedoppelt“, angesagt. Auch dann dürften sich kaum größere Verwerfungen ergeben, zumal doch die Gläubigerversammlung nur allgemeine Zielvorgaben formuliert (dazu Rn 49) und kein praktisch orientierter Verwalter entgegen dem ausdrücklichen Willen der Gläubigerversammlung einen Plan anfertigen wird. Die theoretisch offenen Möglichkeiten reichen am Ende weiter als es die praktischen Erfordernisse letztendlich abverlangen. d) Vorlagepflicht? Das Initiativrecht des Verwalters mündet in keiner Vorlagepflicht 45 (grundsätzlich im Unterschied zu „Auftragsplänen“: § 218 II im Regelverfahren [Rn 46], aber erg auch § 284 I S 1 Var 2 bei Eigenverwaltung); ein Verwalter hat aber immer die beste Befriedigung zu gewährleisten (arg § 1 S 1), was optimalste Masseverwertung einschließt.68 Das jedoch generiert neben Verhaltens- uU zudem Verfahrenspflichten, wie etwa gegen offenkundig gläubigerschädliche Beschlussmehrheiten anzukämpfen (§ 78 I – dort Rn 669); Schadensersatz ist gemeinhin die Sanktionsfolge (§ 60 I). Angesichts konkurrierender Befugnisse von Gläubigern und Verwalter zu Planvorlage bzw -initiative, würde dies das Ziel gewiss insgesamt weit verfehlen. Mit Blick auf § 157 kann man mE hier dem Verwalter keinen konkreten Pflichtverstoß vorwerfen, wenn er eine Entscheidung im Berichtstermin abwartet; er muss allenfalls über die anstehenden (Plan-) Möglichkeiten informieren. Zuweilen wird jedoch – ausnahmsweise – eine ebensolche (Plan-) Vorbereitungspflicht angenommen, wenn ein Abwarten auf den Berichtstermin zu das Planverfahren gefährdenden Verzögerungen führen würde und damit eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung torpediert wird.70 Dies geht mE sehr weit. 4. „Auftragsplan“ a) Wechselwirkung Die Gläubigerversammlung kann den Insolvenzverwalter mit der 46 Ausarbeitung eines Insolvenzplanes beauftragen (§ 157 S 2 Hs 1: „Positivweisung“), und die „Vorgabe“ hat der Insolvenzverwalter fristgemäß dann umzusetzen (§ 218 II: „binnen angemessener Frist“ – Näheres siehe bei Rn 51–54). Insoweit wird er fremdbestimmt von der Gläubigerschaft (in ihrer Gesamtheit, nicht in diverse Interessengruppen „zerlegt“!). Man darf das keinesfalls nun etwa als bürgerliches Auftragsverhältnis mit Möglichkeit für Einzelweisungen missverstehen. Es geht um verfahrensinterne Ablaufplanungen, das Grundgerüst der Planstruktur als Ausgangspunkt der Planbemühung, und dabei vor allem das Planziel (§ 157 S 2 Hs 2: Rn 49). In bürgerlich-rechtlicher Terminologie – wenn man

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Per saldo ähnlich zB Mohrbutter/Ringstmeier/Voigt-Salus Hb InsVw9 Kap 21 Rn 126; Gottwald/Klopp/Pechartscheck InsRHb5 § 22 Rn 1. Ferner: Uhlenbruck/Knof InsO14 § 78 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Kübler InsO67 § 78 Rn 17; Pape ZInsO 2000, 469, 475 – aA MünchKomm/Ehricke InsO3 § 78 Rn 4.

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 140; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 218 Rn 8; HK/Haas InsO9 § 218 Rn 15; FK/Jaffé InsO9 § 218 Rn 36; Lüke FS Uhlenbruck (2000) S 519, 524, 527; K Schmidt/Uhlenbruck/Vallender Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz5 Rn 8.47. AA HambK/ Thies InsO6 § 218 Rn 3.

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denn solchen Vergleich bemühen will – mithin eher um werkvertragsähnliche Verwaltertätigkeit (der Plan als Zielvorgabe bzw das „Werk“ als Endergebnis). 47 Vor allem sind dabei die wechselseitigen Abhängigkeiten miteinzubeziehen. Die Gläubigerschaft bestimmt den Fortgang des Verfahrenslaufs im Berichtstermin (§ 157 S 1) als wichtige Äußerung der Gläubigerautonomie71 (es geht um ihre womöglich disparaten, aber ureigenen Interessen – infolgedessen Mehrheitsfindung notwendig!). Sie erhält einerseits zum Schluss das ganz entscheidende Wort zum Insolvenzplan (§§ 235–245 – jetzt „mediatisiert“ durch Gruppenbildung – darin liegt die recht große Gestaltungsmacht des Planverfassers), der Insolvenzverwalter mag auch andererseits eigenständig tätig werden („Initiativplan“: Rn 39 f) bzw die Beteiligten in der Gesamtheit zum Besseren noch bekehren (§ 157 S 3) – am Ende müssen Plankonzept und Plankonsens jedenfalls jedoch zueinander finden. Es zeigt also Sinn, sich schon zeitnah miteinander gründlich abzustimmen, ohne dass man aber hier rechtlich „Herren und Diener“ gleich unterscheiden müsste.

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b) Weisungsrechte. Den „Auftrag“ als solchen formuliert jeweils die Gläubigerversammlung (§ 157 S 2 [„sie“] iVm S 1), dh das „Gesamtorgan“ der Beteiligten des Verfahrens. Gemeint ist hiermit der Mehrheitswille der Gläubigerschaft; hierfür gelten dann die allgemeinen Vorschriften (§§ 74 ff – dh insbesondere die Summenmehrheit der Abstimmenden, § 76 II Hs 2). Wohl mag eine Gläubigerversammlung die Kompetenz dem (endgültigen) Gläubigerausschuss delegieren,72 mittels § 160 S 1 (Handlungen „besonderer Bedeutung“) bekommt indes der Ausschuss keine Kompetenz; § 160 passt wohl eigentlich zwar vom Tatbestand, nicht aber vom Normsystem her: sowohl § 218 I S 1 (eigenständiges Initiativ- und Vorlagerecht) wie § 157 (Zuständigkeit der Versammlung) nämlich erheischen Vorrang. Darum kann erst recht auch kein vorläufiger Gläubigerausschuss (§§ 21 II Nr 1a, 22a, 67 I) entscheiden, auch wenn dies tatsächlich gewisse Zeitvorteile brächte. Es bleibt daher bloß die Möglichkeit, auf frühzeitige Gläubigerversammlung hinzuwirken (§ 75 I), sei es vom Verwalter (lediglich ab Eröffnung, vgl Rn 18), sei es vom vorläufig eingesetzten Ausschuss (§ 68 I) oder durch eine spezifisch qualifizierte Minderheit.73

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c) Weisungsdichte. Der Wortlaut von § 157 S 2 erscheint eigentlich eindeutig, vor allem durch die Dialektik beider Halbsätze: sie bezeichnen die „Weisungsmacht“ der Gläubigerversammlung für „einen“ (nicht: welchen) Insolvenzplan (Hs 1), und weil das ihre Interessenlage nicht genug widerspiegelt, außerdem das Planziel (Hs 2). Das festzulegen wäre überflüssig bei grundsätzlicher („dichterer“) Weisungsbefugnis (siehe auch bei Rn 50). Es geht um bloße Zielbestimmung, nicht Inhaltsvorgabe (dazu Rn 46) – alles andere bleibt frei! –, dh ob der Plan eine Eigensanierung, übertragende Sanierung, Liquidation, lediglich verfahrensleitende Funktionen oder womöglich eine Mischform dieser vorstellbaren Plangestaltungen beinhalten soll. Die Zulässigkeit genauerer Vorgaben,74 ggf sogar das

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BT-Drucks 12/2443 S 173 re. Sp. mit S 80 li. Sp. MünchKomm/Görg/Janssen InsO3 § 157 Rn 28; FK/Wegener InsO8 § 157 Rn 8; Nerlich/Römermann/Balthasar InsO1 § 157 Rn 17; HK/Ries InsO9 § 156 Rn 10; Heukamp ZInsO 2007, 57, 59. Der RegE sah dieselben Hürden für Einberufung (§ 86 I Nr 3 [blieb erhalten]) und Planvorlage (§ 255 I Nr 1 [wurde gestrichen, siehe Rn 14]) vor.

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So aber die hL: Schiessler Insolvenzplan (1997), S 99; Warrikoff KTS 1997, 527, 530 („weitergehende Beschlüsse […] sich […] kaum vermeiden lassen“); Riggert WM 1998, 1521, 1522; Herzig Das Insolvenzplanverfahren S 128; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO61 § 218 Rn 17; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 218 Rn 9; Uhlenbruck/Zipperer InsO14 § 157 Rn 12.

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Aufoktroyieren eines ausgearbeiteten Plans,75 lässt sich mE also dem Normwortlaut nicht unterstellen. Dies sieht jedoch die hL anders.76 Sie verkennt den riesigen Unterschied zwischen Initiativrecht (iSd Majorität der Gläu- 50 biger) und Vorlagerecht (iSv Ausarbeitung) [siehe dazu schon oben Rn 36]. Dies steckt auch hinter § 218 II, der ursprüngliche Beauftragung (Hs 1) und schließlichen Vorlegungsakt (Hs 2) bewusst voneinander absetzt – dazwischen existiert Freiraum (sonst wäre § 218 III bloß Farce77). Der Insolvenzverwalter ist niemals nur „Marionette“ jeweiliger Mehrheiten, sondern immer eigenständig tätig (und dann dafür ebenso verantwortlich, § 60 I). Es fehlt an einer allgemeinen Weisungsbefugnis der betroffenen Gläubigerschaft78 – weswegen sollte dies hier anders sein (jenseits der Regelung des § 157 S 2, die sich genau daraus erklärt)? Die Gläubigerschaft sollte nicht direkt vorlagebefugt werden (dazu Rn 17), die „Detailweisung“ ist wird so also zum „Schleichweg“. Normtelos und Wille der Verfasser passen zum Wortlaut und System. d) Umsetzungsfrist. Die Kommission wollte ursprünglich quasi eine Art gerichtliche Be- 51 schleunigungsverantwortung festschreiben (EB LS 2.2.4: „Das Gericht hat auf eine zügige Erstellung des Plans hinzuwirken. Es hat für die Vorlage des Plans eine angemessene Frist zu setzen, …“79). Die Gerichtsmacht ist geschwunden, damit aber auch die Rechtsklarheit gerichtlicher Fristfixierung (bei Möglichkeit zur Verlängerung: „aus zwingenden Gründen“ – das führt zum Rechtfertigungszwang für Einzelfallabweichung!). Die Frist ist jetzt gesetzlich vorgegeben (§ 244 I DiskE/RefE, § 254 I RegE), dh am unbestimmten Rechtsbegriff „Angemessenheit“ jeweils im Einzelfall (und: im Nachhinein) zu konkretisieren.80 Auf das zuerst vorgeschlagene Modell hat später der ESUG-Gesetzgeber wieder zugegriffen (§ 270b I S 1), und zwar mit festgelegter verbindlicher Höchstgrenze (§ 270b I S 2: 3 Monate), allerdings für Planvorlagen des Schuldners (Zeitbegrenzung des „Schutzschirms“81). In der Literatur finden sich verschiedenste Vorschläge möglicher Konkretisierung: bloß 52 wenige Tage,82 regelmäßig83 oder mindestens84 1–2 Monate oder etwas weiter 1–385 oder 2–386 Monate bis hin zu minimal zwei und maximal sechs Monaten;87 teilweise erfolgt 75

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So aber die hL: Smid WM 1996, 1249; 1253; Paulus DZWIR 1999, 53, 58; Maus Kölner Schrift InsO2 S 931, 940 [Rn 32]; Lüke FS Uhlenbruck (2000) S 519, 534; Kersting Die Rechtsstellung der Gläubiger im Insolvenzplanverfahren S 95; Gottwald/Koch/de Bra InsRHb5 § 67 Rn 15; Braun/Braun/Frank InsO7 § 218 Rn 4; Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 218 Rn 45; HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 10; Kübler/Prütting/Bork/ Onusseit InsO61 § 157 Rn 15. Siehe die Nachw bei Fn 74 und 75 – so wie hier: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 16, 18; MünchKomm/Görg/Janssen InsO3 § 157 Rn 19; Mohrbutter/Ringstmeier/Bähr Hb InsVw9 Kap 14 Rn 126; Rendels HRI2 Rn 24.30; Delhaes NZI 1999, 47, 51. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 19. Pape NZI 2006, 65, 70; MünchKomm/Ehricke InsO3 § 74 Rn 18; Uhlenbruck/Knof InsO14 § 74 Rn 13; Kübler/Prütting/Bork/ Kübler InsO44 § 74 Rn 6; aA Oelrichs Gläu-

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bigermitwirkung und Stimmverbote im neuen Insolvenzverfahren S 67. EB Mot S 167 f. BT-Drucks 12/2443 S 196 li. Sp.: „nach den Umständen angemessene Frist“. BT-Drucks 17/5712 S 40 li. Sp.: „für einen begrenzten Zeitraum … entzogen“. Maus Kölner Schrift InsO2 S 931, 940 [Rn 33]: „[wird] in Tagen zu bemessen sein“. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 218 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 218 Rn 53; HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 12; Engberding DZWIR 1998, 94, 97. Kaltmeyer ZInsO 1999, 316, 323 („kaum unter vier bis acht Wochen“). Grundsätzlich 4–12 Wochen: Lüke FS Uhlenbruck (2000) S 519, 531; FK/Jaffé InsO9 § 218 Rn 35. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 19; Mohrbutter/Ringstmeier/Bähr Hb InsVw9 Kap 14 Rn 126 Fn 215; HK/ Haas InsO9 § 218 Rn 12. Hess/Obermüller/Hess Insolvenzplan3 Rn 18.

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keinerlei Versuch, orientierende Rahmenvorgaben festzustellen.88 Richtig daran ist, dass Sonderumstände jeweils Sonderbehandlung erheischen können und müssen – das entbindet aber letztlich nicht, handfeste Richtwerte für Regelfälle anzugeben. Gedacht wird dabei immer aber an Zeiträume, niemals bestimmte Termine; zumeist wird der Auftrag nach dem Sachbericht auch erst beschlossen (§ 157). Käme er aber schon früher, erscheint Großzügigkeit angezeigt, bei späterem Beschluss (grundlegender Sinneswandel ausgenommen), greifen hingegen mE knappere Fristen. Und immer rechnet die Frist ab Auftragsempfang (nicht etwa schon: Beschlussfassung der Gläubigerschaft – arg § 74 I S 2: mangelnde Verpflichtung des Verwalters teilzunehmen). Mathematisch exakte Feststellungen werden insoweit keine erwartet; wohl aber Rahmenvorgaben (gleich näher dazu Rn 53), insb angesichts drohender Sanktionen (gleich näher dazu Rn 54). 53 Der Mittelwert pendelt sich bei zwei Monaten ein und deckt insgesamt einen Zeitraum von 1–3 Monaten, jeweils abhängig von der Größe des Unternehmens und der damit regelmäßig einhergehenden Komplexität der Planungen;89 einfließen mögen zusätzlich die derzeitige wirtschaftliche Lage des Unternehmens und die damit einhergehende Eilbedürftigkeit des Verfahrens.90 Als Wendepunkt wirkt zweifellos der Berichtstermin, nach ihm scheint zumeist wohl die großzügige Mitberücksichtigung von Einarbeitungszeiten deplatziert. Bleibt indes noch die Orientierung am Schutzschirm (§ 270b I S 2: drei Monate als Maximum)91 – der aber hat komplett andere Funktion (Möglichkeit des Gemeinschuldners für frühzeitige Planausarbeitung) und variable zeitliche Spannweite (Gerichtsanordnung!). Besser hilft wohl als Faustregel: angemessen sind regelmäßig (wenn nicht etwa spezielle Umstände vorliegen) zwei Monate vor bzw ein Monat nach dem Berichtstermin. 54 Durch Abs 2 normiert wird eine Rechtspflicht, ohne eine Sanktion eigens zu nennen. Dies ist auch unnötig, weil schon dazu allgemeine Sanktionsformen (§§ 58–60) vorgesehen sind, die sicher zureichen. In Betracht kommen insoweit Möglichkeiten naturalen gerichtlichen Beistands („Aufsichtsmaßregeln“:92 Auskunftserteilung [§ 58 I]; Zwangsgeld [§ 58 II]; amtswegige Entlassung [§ 59] – diese wohl nur in klaren, „offensichtlichen“ Fällen,93 dh sinnvollerweise in Stufenabfolge); die Entlassung als ultima ratio bringt weiteren Zeitverlust, ist bisweilen aber notwendig, eine Blockade des Verfahrens zu beenden.94 In Betracht kommt außerdem – letztendlich viel effektvoller – die repressive Verpflichtung zum Schadensersatz unmittelbar gegenüber allen materiell Beteiligten (§ 60 I). Das ist ein überaus scharfes Schwert, trotz Unwägbarkeiten auf Tatbestandseite, nicht bloß zur Pflichtverletzung (dazu Rn 51–53), sondern ebenso auch für Verschulden und Nachweis kausalen Schadens (Stichworte: Zeitverlust = Geldverlust?; Verschlechterung der Sanierungschance;95 wie lässt sich die Masseschmälerung konkret quantifizieren?) – und zugleich auch ein sehr dorniger Weg.

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 21. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 22: Praxiswerte außergerichtlicher Sanierungen. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 218 Rn 4. So K Schmidt/Spliedt InsO19 § 218 Rn 2. BT-Drucks 12/2443 S 196 li. Sp. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 22.

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Beispiel: AG Göttingen DZWIR 2003, 260, 261 (ergebnislose 1 ½ Jahre seit der Beauftragung). Antoni NZI 2013, 236, 237; Lüke FS Uhlenbruck (2000) S 519, 525 f; Münch/Komm/ Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 22; HK/Haas InsO9 § 218 Rn 13.

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VI. Schuldnerplan (Abs 1 Satz 1 Var 2) 1. Personenkreis Neben dem Insolvenzverwalter (Var 2: Rn 33–54) billigt das Gesetz auch dem Gemein- 55 schuldner ein Vorlagerecht zu. Das gehorcht der Tradition (§ 173 KO bzw § 2 I S 2 VglO: Rn 5–8)96 bzw ermöglicht dem Schuldner, aus eigener Initiative mit den Gläubigern eine Übereinkunft zur Lösung seiner wirtschaftlichen Krise zu treffen und erscheint als Restbestand unternehmerischer Verantwortung (dazu Rn 57). Ist der Schuldner eine natürliche Person (§ 11 I S 1 Var 1), ist die Frage nach der Vorlageberechtigung schnell beantwortet: die Person selbst ist vorlegungsbefugt, insoweit Prozessfähigkeit vorliegt (ansonsten: gesetzlicher Vertreter); es ist aber keine höchstpersönliche Rechtsangelegenheit, und also kommt insoweit ohne weiteres auch gewillkürte Vertretung in Betracht.97 Schwieriger gestaltet sich die Rechtslage bei juristischen Personen (§ 11 I S 1 Var 2 und 56 S 2: Rn 58–67) und den weiteren insolvenzfähigen Gebilden (§ 11 II und III: Rn 68–74). Der RegE hatte noch die Anteilseigner als eigenständig antragsbefugt98 hinzugefügt (§ 255 I Nr 2 RegE: Rn 13) – daraus folgt – gegenschließend –, dass die Rechtsstellung als Anteilseigner als solche heute nicht genügt. Und dies bestätigt das ESUG mit §§ 222 I Nr 4, 225a: Anteilseigner sind Planbetroffene (aber nicht selbst -akteure). Es bleibt infolgedessen bei der gesellschaftsrechtlich festgelegten Kompetenzverteilung: die Vorlage ist demnach als Aufgabe der aktuellen Geschäftsleitung anzusehen99 (Außenverhältnis), die demungeachtet aber „eignerabhängig“ ist (Innenverhältnis). Der Gemeinschuldner bekommt Zeitvorteile gewährt (dazu Rn 18), er kann Eröff- 57 nungsantrag und Planvorlegung nämlich synchron vornehmen (Abs 1 S 2) und beide möglicherweise noch kombinieren mit einem Zusatzantrag auf Eigenverwaltung (§ 270 II Nr 1), der ihm weithin Verfügungsmacht belässt (§§ 270a I S 1, 270 I S 1). Das ähnelt dem debtor in possession des amerikanischen Reorganisationsrechts (siehe dazu Vor §§ 217 ff Rn 147, 157) – und die Planvorlage sollte begriffen werden als unternehmerisch interessante Handlungsoption zu einem Weg aus der Krise („verfahrensförmige Umstrukturierung“).100 Man kann sie zeitlich sehr früh ausüben (arg § 18), aber uU auch mit Hilfe des neuen ESUG-Schutzschirms (§ 270b) später doch ebenfalls noch ziehen. 2. Juristische Personen a) Anwendungsbereich. Was dazu zählt, folgt gesellschaftsrechtlicher Regel (§ 11 I S 1 58 Var 2: dort Rn 16 ff), in erster Linie kommen in Betracht GmbH und AG, die „Unternehmergesellschaft [UG] (haftungsgeschränkt)“ (§ 5a GmbHG) ist eine GmbH mit gemindertem Stammkapital; weiter zählen hierzu Stiftung, e.V., KGaA, eG (§§ 98 ff, 116 GenG!), VVaG und ebenso europäische Formen: Europäische Gesellschaft (Societas Europaea [SE] –

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Unter Verzicht einer „Würdigkeitsprüfung“ (ausf Rn 11) – krit R Stürner Insolvenzrecht im Umbruch (1990), S 41, 42; Grub AnwBl 1993, 458, 459 und ZIP 1993, 393, 398. Immer aber auf eigene Kosten (Vor §§ 217 ff Rn 198): BGH NJW 2008, 659, 661 {21} [II 2] = DZWIR 2008, 127 – so noch explizit: § 256 I S 1 RegE!

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Und reziprok als mitwirkungsbefugt bei Plänen des Insolvenzverwalters (§ 254 II S 2 RegE, siehe oben bei Rn 15 aE). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 71. Mit Recht mahnend Foerste InsR6 Rn 496: „Nötig ist freilich Realismus“ [hinsichtlich der Aufstellung].

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„Europa-AG“: Art 1 III VO101) und Europäische Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea [SCE] – „EuGen“: Art 1 V iVm Art 18 I VO102); beachte aber dazuhin noch Rn 73 f (Sonderregelungen für Versicherungen und Kreditinstitute!). Erweiternd werden nichtrechtsfähige Vereine einbezogen103 (§ 11 I S 2), begrenzend öffentlich-rechtliche Rechtsgebilde teilweise ausgeklammert (§ 12). 59 Erfasst werden ebenso Vorgesellschaften, dh Gebilde im Zeitraum von der satzungskonformen Errichtung bis zur letztlichen Registereintragung (im Unterschied zu Vorgründungsgesellschaften – hierzu siehe aber bei Rn 69): sie gelten als bereits körperschaftlich strukturierte Gebilde,104 eine durchaus handlungsfähige Vorstufe zur später entstehenden juristischen Person; man kann sie also als bereits insolvenzfähig105 und auch als vorlagebefugt106 ansehen (der Sinn einer Sanierung allerdings scheint besonders fragwürdig …). Die vor Eröffnung schon aufgelösten, jedoch noch in Abwicklung begriffenen juristischen Personen bleiben insolvenzfähig (§ 11 III InsO) und also damit vorlagebefugt, sie handeln dann durch ihre Liquidatoren,107 praktisch kann es bloß um einen Liquidationsplan gehen, ein „Neustart“ erscheint insoweit kaum mehr sinnvoll („Hin und Her“). 60 Juristische Personen werden scheinbar durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgelöst108 – es ist dies indes nur der erste Schritt zur Liquidation hin (Veränderung des Geschäftszwecks: von der „werbenden“ zur „sterbenden“ Gesellschaft), die erst mit Registerlöschung (formaliter) bzw Vollbeendigung (materiell) ihr wahres Ende findet. Die juristische Person hört also mit Eröffnung des Verfahrens nicht auf zu existieren109 (arg § 49 II BGB: „gilt … als fortbestehend, soweit der Zweck der Liquidation es erfordert“), ihre Organstruktur bleibt erhalten, dh die Geschäftsführungsorgane nehmen die Rechte des Unternehmensträgers innerhalb des Insolvenzverfahrens wahr.110 Wird das Verfahren nach der gelungenen Planvorlage aufgehoben (§ 258 I), bedarf es hierzu uU (Sanierungsplan) eines entsprechenden Fortsetzungsbeschlusses111 (aber: § 225a III Hs 2 Var 1!).

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b) Außenverhältnis. Das Außenverhältnis betrifft Vorlagebefugnis bzw Vertretungsmacht. Gesellschaftsrechtlich gilt gemeinhin eine Gesamtvertretungsregel (§ 78 II S 1 iVm I S 1 AktG [Vorstand]; § 35 I S 1 mit II S 1 Hs 1 GmbHG [Geschäftsführer], § 24 I S 1 und II

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VO (EG) Nr 2157/2001 vom 08.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft, ABl Nr L 294 S 1 [in Kraft ab 08.10.2004 (Art 70)]. VO (EG) Nr 1435/2003 vom 22.07.2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), ABl Nr L 207 S 1 [sie gilt seit dem 18.08.2006 (Art 80 II)]. Dieser ist im Insolvenzverfahren der juristischen Person gleichgestellt: § 11 Rn 36; MünchKomm/Ott/Vuia InsO3 § 11 Rn 21; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 11 Rn 229; Mohrbutter/Ringstmeier/Homann Hb InsVw9 Kap 26 Rn 156. Ausdrücklich zum Antragsrecht MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 79. BGHZ 80, 129, 132 ff; 117, 323, 326 f; NJW 1998, 1079, 1080. BGH NZI 2004, 28 – wegen Einzelheiten siehe § 11 Rn 19.

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Steenken Die Insolvenz der Vor-GmbH vor dem Hintergrund der Gründerhaftung (2002), S 140; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 79. Steenken Die Insolvenz der Vor-GmbH vor dem Hintergrund der Gründerhaftung (2002), S 126. § 42 I S 1 BGB [eV]; § 262 I Nr 3 AktG; § 289 I AktG iVm § 131 I Nr 3 HGB [KGaA]; § 60 I Nr 4 Hs 1 GmbHG; § 101 GenG. Statt aller Henssler Kölner Schrift3 Rn 30.8. Beispielhaft Hüffer/Koch AktG11 § 264 Rn 8 [AG]; MünchKomm/K Schmidt HGB3 § 158 Rn 46 [KGaA]; K Schmidt/Uhlenbruck/ K Schmidt Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz5, Rn 7.6 [GmbH]. § 42 I S 2 BGB [eV]; § 274 II Nr 1 Var 2 iVm I; § 289 I AktG iVm § 144 I HGB [KGaA]; § 60 I Nr 4 Hs 2 Var 2 GmbHG; § 117 I S 1 Var 2 GenG.

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iVm § 25 I S 1 und 2 GenG [Vorstand] – Sonderfälle: § 26 BGB [eV: Mehrheit im Vorstand] bzw § 278 II AktG iVm §§ 161 II, 125 I HGB [KGaA: Einzelvertretung persönlich haftender Gesellschafter), die aber meist vertraglich stark modifiziert wird. Insolvenzrechtlich bestehen „Überlagerungen“ bezüglich des Antrags auf Eröffnung bei Antragspflicht (§ 15 InsO – Einzelvertretung bei Zahlungsunfähigkeit bzw Überschuldungsfall), nicht auch bei Antragsrecht (§ 18 III InsO – Fall lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit). Für den konkursbeendenden Zwangsvergleich (§ 173 KO) und auch den konkursabwendenden „Privatvergleich“ war demgegenüber ein gemeinsames Handeln eingefordert,112 bezüglich des letzteren kannte § 111 Nr 1 VglO113 ferner zudem eine Sonderregelung für die Antragstellung bei der Genossenschaft (jegliches Vorstandsmitglied kompetent), die hier einen Umkehrschluss trägt. Man könnte heute daran denken, mit Blick auf § 218 I S 2 (dazu Rn 57) die Berechti- 62 gung für Eröffnungsantrag und Planvorlegung vereinfachend zu harmonisieren. Das wird indes zu Recht zumeist verworfen:114 das Antragsrecht reflektiert die strafbewehrte, persönliche Antragspflicht115 – die Planvorlage erfolgt dagegen ungezwungen (arg Abs 1 S 1: „berechtigt“), mindestens straf- und insolvenzrechtlich betrachtet (wegen gesellschaftsrechtlicher Sanierungspflichten116 siehe Rn 78). Anders gesagt: § 15 I dient (extern) dem Schutz der Gläubiger, während die aus § 93 I S 1 AktG117 und § 43 I GmbHG118 abgeleitete Sanierungspflicht (intern) dem Schutz des Unternehmens gilt (und auch „nur“ haftungsbewehrt ist119). Das Insolvenzgericht muss also nicht etwa eine konkrete Binnenverpflichtung abklären (eine zweifellos zeitraubende, auch verzichtbare Betätigung), sondern nur gezielt die reguläre Vertretungsregelung anwenden. Das gilt jetzt allgemein, somit auch für Genossenschaften, weil § 116 GenG heute nun keine Sondernorm mehr hinzusetzt (das trotz oder wegen eines offenbar bekannten Problems …). Die regulären Vertretungsregeln angewandt, ergibt sich jedoch möglicherweise doch 63 Konfliktpotential bei Gestattung mehrfacher Vertretung bzw Rücknahme eines ersten Plans mit Vorlage eines zweiten Plans (dazu Rn 11). Hier hilft § 18 III offenbar nicht weiter:120 bei Handeln aller (Hs 1) mangelt das Problem, bei existentem Vertretungsrecht (Hs 2) beschreibt die Vorschrift inhaltlich keinen Lösungsweg – sie betrifft ohnedies alleinig den Eröffnungsantrag („der Antrag“ … auf Eröffnung iSd § 13 I S 1/2), nicht auch noch die Planvorlegung (genau wie zuvor § 15, vgl Rn 62); jener Weg führt nur unnötigerweise also in eine Zusatzschleife. Die wirkliche Frage ist somit folgende: bedarf es weiter (so wie zu KO und VglO, vgl Rn 61 aE) prozessrechtlich der Konzentration des Vorlage-

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Jaeger/Weber KO8 § 173 Rn 21 [2. Abs] bzw Bley/Mohrbutter VglO4 § 109 Rn 72. Recht klar zur AG RT-Drucks III/2340 S 36 li. Sp. [VglO/aF]: „Den Antrag können nur die zur Vertretung berechtigten Vorstandsmitglieder stellen … Kommt keine Einigung zustande, so muß der Antrag unterbleiben.“ In Anlehnung an § 91 I Nr 1 VglO/aF bzw Art 10 Nr 1 RJA. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 74; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 27; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 218 Rn 5; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 218 Rn 6; HK/Haas InsO9 § 218 Rn 7; Rendels HRI2 Rn 24.24 – aA Vogel DZWIR 2004, 490, 491.

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Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 218 Rn 12. Darauf beruft sich Vogel DZWIR 2004, 490, 491. RGZ 159, 211, 223. BGH NJW 1974, 1088, 1089. Wegen Verhaltensempfehlungen bei Minderheitenposition siehe zB MünchKomm/Spindler AktG4 § 93 Rn 166–170 bzw Münch/ Komm/Fleischer GmbHG2 § 43 Rn 249– 254. AA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 75; HK/Haas InsO9 § 218 Rn 7; GrafSchlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 218 Rn 4.

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rechts? Dafür streiten nicht zuletzt Praktikabilität und Rechtssicherheit. Zumeist wird deshalb doch einheitliches Handeln („eine Stimme“) eingefordert121 (Konsequenz ist Zurückweisung bei Vorprüfung, § 231 I Nr 1 Hs 1 Var 1122) oder zT auch weitergehend versucht einzugrenzen durch Anwendung des Grundsatzes der Priorität123 (Verbrauch der Befugnis zur Vorlage – was aber wäre bei vorheriger Rücknahme?). 64 Allemal taugt nicht dafür das Wortlautargument:124 „der Schuldner“ meint lediglich das Rechtssubjekt, nicht etwa den juristisch hierfür Handelnden (ansonsten müsste sämtliche Stellvertretung scheitern: Rn 56); ebenso wenig sollte man den unbestimmten Artikel („Vorlage eines Insolvenzplans“) zum Zahlwort uminterpretieren (ansonsten würde es keine Konkurrenz von Auftragsplan und Initiativplan des Verwalters geben: Rn 41). Man kann somit bloß die prozessuale Unzweckmäßigkeit konkurrierender Schuldnervorlagen heranziehen. Hiergegen spricht indes der Mangel planwidriger Lücken; das Problem war bekannt und es ist weder insolvenzrechtlich (einst: § 111 Nr 1 VglO; jetzt: § 15 InsO) noch gesellschaftsrechtlich (so wie etwa durch § 78 Hs 2 GmbHG) eigens angegangen worden. Das muss man schlichtweg so respektieren125 – und verschafft den Gläubigern ganz nebenbei noch möglicherweise verbesserte Auswahlchancen („Planwettbewerb“). Zuzugeben ist lediglich, dass Rücknahme bloß derjenige noch vornehmen kann, der einstmals selbst vorgelegt hat (nur das ist sein „eigener“ Plan) bzw lediglich alle gemeinsam – Näheres siehe bei Rn 111.

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c) Innenverhältnis. Das Innenverhältnis betrifft Planausgestaltung bzw Geschäftsführung. Die Geschäftsführer einer GmbH unterliegen den Weisungen der Gesellschafter (§ 37 I GmbHG), welche somit eine Art „übergeordnete“ Geschäftsführungskompetenz zurückbehalten. Die Kapitalmehrheit der Gesellschafter (§ 47 I/II GmbHG) kann damit also durch Beschluss der Gesellschafterversammlung (§ 48 I GmbHG) die „eigentliche“ Geschäftsführung mit einer Planvorlage beauftragen oder eine solche untersagen (unabhängig von eventueller Insolvenzantragspflicht). Fraglich bleibt insoweit, ob gar eine konkrete „Detailweisung“ erfolgen kann oder nur eine eher allgemeiner gehaltene Zielvorgabe (entsprechend dem „Auftragsplan“ des Insolvenzverwalters iSv Rn 46–54). Die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen und auch Vorgaben zu Kerndaten oder Eckwerten (insb mit Blick auf § 225a) letztendlich mit einschließen; man muss aber sehen, dass hier die Gesellschafter (nur) die strategischen Unternehmensziele vorzeichnen und die Geschäftsführung die spezifische Ausführung verantwortet126 – untereinander enger Meinungstausch wird so oder so eine – hoffentlich – pure Selbstverständlichkeit sein … 66 Insolvenzrechtlich herrscht Streit dazu, ob die Geschäftsführung quasi von sich aus einen ermächtigenden Gesellschafterbeschluss herbeiführen muss.127 Im Grunde ist das je-

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 76; HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 4; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 218 Rn 4; Foerste InsR6 Rn 496. Das sieht total richtig Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO61 § 218 Rn 27. So will es Rendels HRI2 Rn 24.24 (die erste Einzelvorlage wirkt alsdann!). AA HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 4. Sehr deutlich HK/Haas InsO9 § 218 Rn 7 und Mohrbutter/Ringstmeier/Bähr Hb InsVw9 Kap 14 Rn 134. Per saldo ähnlich: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 218 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 9; Ren-

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dels HRI2 Rn 24.24; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO61 § 218 Rn 27; Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 218 Rn 6. ZB MünchKomm/Stephan/Tieves GmbHG2 § 37 Rn 61 ff. Bejahend: Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 29; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 81 („unverzüglich eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung herbeizuführen“); Götker Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH, Rn 549. – Verneinend: HK/Haas InsO9 § 218 Rn 7.

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doch eine reine gesellschaftsrechtliche Frage – legt die Geschäftsführung den Plan vor, ist dieses – prozessual – gültig geschehen (Vertretungsmacht: Rn 61–64), möglich aber ist eine Haftung (§ 43 II GmbHG128). Bei außergewöhnlichen (bzw den sog Grundlagen-) Geschäften ist also gewiss derartige „Rückversicherung“ angezeigt und wohl gesellschaftsrechtlich auch nötig129 (arg § 49 II GmbHG: „im Interesse der Gesellschaft erforderlich“); fällt aber die Planvorlage denn ebenso darunter? Tatsächlich bewirkt allemal bereits die Insolvenzeröffnung eine Zweckveränderung130 (alleinig kraft Gesetzes), und wenn sich also die Geschäftsführung in diesem Rahmen bewegt (scil. einen eigenen Liquidationsplan vorlegt), bedarf es keines neuerlichen bestätigenden bzw deklaratorischen Beschlusses.131 Anders dagegen bei Vorlage eines Sanierungsplans, der erneutes konstitutives „Umschwenken“ („Rolle rückwärts“) bedeutet, sogar wenn (§ 218 I S 2) dies als bewusste Handlungsoption (dazu Rn 31) gedacht war. Die Entscheidung zur Planvorlage ist gleichsam als vorgezogener Fortsetzungsbeschluss anzusprechen, daran sollten sich demnach die notwendigen Mehrheiten orientieren. Das letzte Wort hatten bis zum ESUG immer noch die GmbH-Gesellschafter: sie muss- 67 ten letztendlich Fortsetzung beschließen (§ 60 I Nr 4 Hs 1 GmbHG: Kapitalmehrheit132 – „gesellschaftsrechtliches Primat“). Inzwischen ist allerdings die notwendige Beschlussfassung nun alternativ per Insolvenzplan erreichbar (§ 225a III Hs 2 Var 1 InsO: Gruppenkonsens – „insolvenzrechtliches Primat“ [§ 225a Rn 7]). – Entsprechendes zu Planaufstellung wie Fortführung des Unternehmens gilt cum grano salis für alle weiteren juristischen Personen, zT bei etwas anderen Mehrheitsquoren: beim eV genügt einfache Mehrheit (§ 42 I S 2 BGB – alternativ: S 3); bei der AG ist die ¾-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals erforderlich (ungeschriebene ausnahmsweise Ermächtigung133 bzw § 274 I S 2 AktG), ebenso bei der eG (§ 117 II iVm § 79a II-IV GenG – höheres Satzungsquorum möglich!); bei der KGaA gilt für die Komplementäre sogar Einstimmigkeit (§ 278 II AktG iVm §§ 161 II, 164 S 1, 116 II HGB). 3. Sonstige Gesellschaften (iSv § 11 II Nr 1) Für alle nicht rechtsfähigen Gesellschaften (zur Begriffsklärung bei Rn 69) mit Gesamt- 68 handsvermögen gelten ähnliche Regeln: ausschlaggebend für die Planvorlagebefugnis ist die Vertretungsmacht im Außenverhältnis, mag auch die Gemeinschuldnerrolle den gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftern anheimfallen. Die Spezialregelungen zum Antragsrecht sind bewusst beschränkt auf den Eröffnungsantrag (§ 15 I S 1 Var 2: „jeder persönlich haftende Gesellschafter“ iVm II S 2: bei Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrundes) und normgenetisch nicht erstreckbar: die Beschränkung des § 109 Nr 1 S 1 VglO

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Zum Parallelproblem beim Eröffnungsantrag siehe OLG München NZG 2013, 742, 745 [II B 4], sehr krit dazu Saenger/Al-Wraikat NZI 2013, 1201; vgl auch erg § 18 Rn 19. HM, vgl zB BGH NJW 1984, 1461, 1462; Hommelhoff ZIP 1983, 383, 385; Roth/Altmeppen/Altmeppen GmbHG82 § 37 Rn 22 mwN bzw MünchKomm/Liebscher GmbHG2 § 49 Rn 51 – aA aber zB Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbH75 § 37 Rn 7.

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Darauf stützt sich HK/Haas InsO9 § 218 Rn 7. AA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 81 mit Hinweis auf § 199 S 2 – aber: allemal sollte § 251 als Schutz genügen. Im Unterschied zu einer Antragstellung gemäß § 18 InsO: ¾-Mehrheit in Anlehnung an § 60 I Nr 2 Hs 2 (Saenger/Al-Wraikat NZI 2013, 1201, 1204 [III 3] mwN). BGHZ 83, 122, 140 [III 3]; 159, 30, 45 [III 2b].

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(von allen) ist ebenso unterblieben wie die Erweiterung des § 255 I Nr 2 Var 2b RegE (von jedem), der Rechtsausschuss hat die Vorlagebefugnis schließlich lediglich dem Schuldner gegeben – ohne spezifische insolvenzrechtliche Überformung. Das wirkt etwas misslich, man wird indes doch die Entscheidung des Gesetzgebers hierzu respektieren müssen und kann damit durchaus praktische Ergebnisse erzielen: Rn 17 und 70. 69 Was genau darunterfällt klärt die Definition (§ 11 II Nr 1) per Enumeration: GbR und Handelsgesellschaften (oHG/KG/EWiV) sowie noch die altrechtlichen Partenreedereien (§§ 489–509 HGB/aF134); die EWiV ist europäisch als juristische Person konzipiert, wird national – zulässigerweise – trotzdem aber wie eine oHG behandelt (§ 1 EWiV-AG – zum „regulären“ Eröffnungsantrag ist aber auch der Geschäftsführer berechtigt: § 11 S 1 EWiV-AG); die KGaA ist selbst unmittelbar juristische Person (§ 278 I S 1 AktG). Erfasst werden ebenso die sog Vorgründungsgesellschaften juristischer Personen, dh die Zeit vom informellen Gründungswillen bis zum förmlichen Vertragsschluss (wegen sog Vorgesellschaften in der Zeit von Vertragsschluss bis Registereintrag siehe Rn 59), die man als GbR oder oHG einordnet.135 Die vor Eröffnung schon aufgelösten, jedoch noch in Abwicklung begriffenen Personengesellschaften bleiben insolvenzfähig (§ 11 III InsO), sie handeln dann durch ihre Liquidatoren (dazu § 11 Rn 97), praktisch kann es bloß um einen Liquidationsplan gehen. 70 Es gelten insgesamt allein die Grundregeln gesellschaftsrechtlicher Organisation, sei es die normativ ausgeformten Vorgaben oder – regelmäßig wohl festgelegt – eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Modifikation. Im Innenverhältnis (Geschäftsführung) gilt gemäß Gesetz das Einstimmigkeitsprinzip (§§ 709 I BGB; 116 II, 161 II HGB), handelsrechtlich aber nur, wenn ein Grundlagengeschäft vorliegt. Der Gesellschaftszweck würde bei einem Sanierungsplan geändert, nicht hingegen bei einem Liquidationsplan (dazu Rn 66). Im Außenverhältnis (Vertretungsmacht) besteht im Zweifel aber Einzelberechtigung (§§ 714 BGB; 125 I, 161 II HGB). Danach könnte mithin jeder persönlich haftende Gesellschafter einen „eigenen“ Insolvenzplan vorlegen. Das wäre wenig praktikabel („Ping-Pong“ aus Vorlegung und Rücknahme? – wegen Abhilfe siehe Rn 64 aE mit 111) und rechtlich zudem auch nicht fundiert: es geht um Zwecksetzung und Organisation der Gesellschaft, und also ein sog Grundlagengeschäft, welches auch im Außenverhältnis regelmäßig Einstimmigkeit abverlangt136 (selbst bei großen praktischen Hindernissen: „Abtauchen Einzelner“137]). Das entspricht der Einschätzung zum Zwangsvergleich (§ 173 KO).138

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Wegen Partenreedereien siehe Art 71 I EG HGB (Weitergeltung alter Vorschriften – Stichtag: 25.04.2013), vgl Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts vom 20.04.2013 (Art 2 Nr 4), BGBl I Nr 19 S 831 (864) [in Kraft ab 24.05.2013 (Art 15 I)]. BGH WM 1984, 1507 bzw BGHZ 22, 240, 243 – Abgrenzungsfrage: führt sie schon ein Handelsgewerbe? Als teleologische Einschränkung von § 126 I/II HGB: RGZ 52, 161, 162 f; 91, 412, 415 (Gesellschafterbeitritt); RGZ 162, 370, 374 f (Abwicklungsbestimmung); BGH NJW

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1952, 537, 538 (Firmenänderung); BGH WM 1962, 1353, 1354 [II 1] (Gesellschaftereintritt); BGH NJW 1995, 596 [I 1] (Betriebsveräußerung) – einschr BGH NJW 1991, 2464/2465 [I 1b] (Gesamtvermögensübertragung). Zusf OLG Stuttgart ZIP 2010, 474, 475 [B I 1]. Es fehlt an einer Erweiterung, wie sie § 109 Nr 1 S 2 VglO vorsah (Nachbringung bei Verhinderung). Jaeger/Weber KO8 § 173 Rn 21 [2. Abs].

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4. Weitere Sondervermögen (iSv § 11 II Nr 2) Bei der Nachlassinsolvenz (Var 1) ist unproblematisch der Alleinerbfall. Der Erbe hält 71 dabei getrennte Vermögensmassen in einer Hand – für den Nachlass vermag bloß er Gemeinschuldner und planvorlagebefugt zu sein. Schwierigkeiten macht aber der Miterbenfall, welchen zunächst § 372 RegE deswegen regelte (Beschränkung des Vorlagerechts auf Beteiligung von minimal ein Fünftel139). Aus jener Nichtübernahme ist heute aber komplementär noch herauszulesen, dass bloße Anteilsinhaberschaft die Planvorlagebefugnis nicht zuweist. Vielmehr sind die ganz normalen materiellen Vertretungsregelungen bei Erbengemeinschaften einschlägig, dh es ist also hierfür gemeinsames Handeln erforderlich140 (§ 2038 I S 1 BGB), denn es fehlt an einer prozessualen Ausnahmeregelung (so wie in § 317 I bezüglich des Antrages auf Eröffnung [Var 1: „jeder Erbe“]). Das mag dann am Ende auf ein kaschiertes Mehrheitsvotum im Binnenverhältnis hinauslaufen (§ 2038 II S 1 iVm § 745 I BGB141 – infolgedessen dies beschränkend [!] die Regeln alten Rechts: § 113 I Nr 1 S 3 VglO [„nur gemeinschaftlich“] bzw § 230 I KO [„nur auf den Vorschlag aller“]). Dazu muss aber eine reguläre (scil. „ordnungsgemäße“) Verwaltungsmaßnahme anstehen: das ist für Liquidation zu unterstellen (arg § 2042 I Hs 1 BGB) – ausgenommen befugte Retardation (§ 2014 I Hs 2 iVm §§ 2043–2015 BGB) –, indes aber für Sanierungen zu bezweifeln. Dazu wäre immer dann also letztlich Einstimmigkeit notwendig. Bei Gütergemeinschaft ist unproblematisch der Fortsetzungsfall (Var 2): hier haftet al- 72 lein der überlebende Ehegatte (§ 1489 BGB) oder eingetragene Lebenspartner (§ 7 S 2 LPartG), er wird mithin also in Alleinstellung zum Gemeinschuldner (arg § 332 III S 1) und also auch zum Vorlagebefugten.142 Im Regelfall kommt es zu einer Gesamthandshaftung beider Ehegatten (§ 1419 I BGB) bzw eingetragenen Lebenspartner (§ 7 S 2 LPartG), die nur nicht mit der entscheidenden Gemeinschuldnerrolle korrespondiert (arg § 37). Bei allein verwaltetem Gesamtgut (§ 1421 S 1 BGB) ist juristisch von vornherein der Verwaltende der Gemeinschuldner und also darum allein vorlagebefugt; bei gemeinschaftlich verwaltetem Gesamtgut (§ 1421 S 2 BGB) werden die beiden gemeinschaftlich zum Gemeinschuldner143 (Var 3), sie sind allerdings jeder allein antragsberechtigt (§ 333 II S 1 und III – aber: II S 2 und 3!). Wer planvorlagebefugt ist, wird nicht gesagt (der Fall wurde jedoch gesehen: arg § 334 II – dazu: § 227 Rn 19); hierzu differenzieren einige nach Globalwirkung und Einzelwirkung144 (Planvorlage [§ 218] und -zustimmung [§ 247] fiele offenbar unter ersteres), näher liegt indes wohl, die getroffene Verwaltungsregelung anzuwenden (Gemeinschaftshandeln) – und allenfalls im Einzelfall uU Ausnahmen zu gestatten

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Entsprechend der Quote für Anteilseigner (§ 255 I Nr 2 Var 2a vgl Rn 13): BTDrucks 12/2443 S 232 re. Sp. Die Vorschrift wurde gestrichen (BT-Drucks 12/7302 S 194 re. Sp. [Nr 207]): „infolge der Beschränkung des Planinitiativrechts auf den Schuldner und den Verwalter“ – an sich mithin deswegen aus falschem Grunde! (das sieht richtig MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 84). HM: Gottwald/Döbereiner InsRHb5 Rn 116.2; HK/Marotzke InsO8 Vorb §§ 315 ff Rn 4; MünchKomm/Siegmann InsO3 Vorb §§ 315 ff Rn 10; Häsemeyer InsR4 Rn 33.10.

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Umständlicher die Argumentation bei MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 85. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 87. Schelo NJW 1958, 1609, 1610; FK/Schallenberg/Rafiqpoor InsO8 § 333 Rn 12; Uhlenbruck/Lüer InsO14 § 333 Rn 4; MünchKomm/Schumann InsO3 § 333 Rn 8. Vgl einerseits MünchKomm/Schumann InsO3 § 333 Rn 8, andererseits Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier InsO3 § 333 Rn 5.

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(so wie § 333 II S 1 es tut). Es fehlt am letztlich stichhaltigen Sachgrund, vom (Insolvenz-) Antragsrecht hier rückzuschließen, dass zugleich Alleinbefugnis zur Planvorlegung bestehen müsse145 (in Anlehnung an Rn 62). 5. Sonderkonstellationen

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Einschränkungen der Möglichkeit zum Insolvenzantrag bestehen insb bei Versicherungsunternehmen (§ 312 I iVm § 1 I VAG – Vorfeldschutz: § 314 VAG146), Kreditinstituten147 (§ 46b I S 4 iVm § 1 I KWG148) und Krankenkassen (§ 171b III S 1 iVm § 4 II SGB V149 – Schließung hat hier aber die Präferenz: S 2); insofern ist entgegen § 13 I S 2 InsO (insolvenz-) antragsbefugt alleinig die Aufsichtsbehörde bzw Bundesanstalt (das meint die BaFin: § 320 I VAG bzw § 1 II S 2 KWG – aber zB auch BVA), und also fragt sich, ob das auch für § 218 I S 1 InsO präjudiziert, wer (plan-) vorlagebefugt ist. Vereinzelt wird konkurrierende Vorlagebefugnis hier angenommen,150 vereinzelt die jeweilige Behörde für zuständig gesehen;151 gemeinhin bleibt der Gemeinschuldner selbst in Person vorlagebefugt. Das folgt aus § 218 I S 1 Var 2,152 nicht aber auch aus § 218 I S 2153 – zumal doch hier das allgemeine Antragsrecht jedenfalls schon woanders liegt (wenn dann würde dies also letztlich Gleichlauf nahelegen … – aber: Zusatzoption, und eben keine Verpflichtung [„kann“]). 74 Die Spezialregeln modifizieren Insolvenzrecht – aber nur im vorweg definierten Rahmen. Das regelmäßige Eröffnungsrecht ist dem Gemeinschuldner weggenommen – letztlich „öffentlichen Interessen“ geopfert –, nicht aber die Vorlagebefugnis für Insolvenzpläne. Dabei muss man sehen, dass parallel die einstige Vergleichsschranke (§ 112 VglO) für Versicherungen und Kreditinstitute nicht weitergeführt wurde – eine Regelung hätte offenbar also nahegelegen, wenn man denn solche Planverfahren ganz ausschließen oder „fremdsteuern“ wollte. Sie aber fehlt! Im Grunde ist wieder hier prozessuales Außenver-

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IE so wie hier MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 88. Die Regelung entstammt der VAG-Stammfassung: Gesetz [Nr 2761] über die privaten Versicherungsunternehmungen vom 12.05.1901, RGBl Nr 18 S 139: § 68 I (Hintergrund war die besondere Sachkunde für die Überprüfung); es gab kein Vergleichsverfahren: § 112 I VglO. Die Bindung des Gerichts ist entfallen (BT-Drucks 12/3803 S 108 re. Sp.), § 88 I VAG idF Art 87 Nr 12a EGInsO [in Kraft ab 01.01.1999 (Art 110 I)], und genauso der formale Sanierungsausschuss. Vgl ganz parallel dazu Fn 148. Trotz des Restrukturierungsgesetzes (BGBl I 2010 Nr 63 S 1900) bleibt das Planverfahren zumindest für kleinere Bankinstitute von Interesse, vgl Schipke Die Weiterentwicklung des Bankeninsolvenzrechts durch das Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (2015), S 36. Ausgiebig zum Planverfahren bei Bankinstituten Beger Bankenkrisen und Insolvenzrecht (2013), S 233–324.

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Gemäß ergänzendem Regelungsvorschlag des Finanzausschusses hinzugefügt durch Art 1 Nr 21 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen vom 24.03.1976, BGBl I Nr 31 S 725 (730) [in Kraft ab 01.05.1976 (Art 6)], einschließlich des Zustimmungsvorbehalts für Vergleichsverfahren: § 112 I VglO idF Art 3 § 3 Nr 2. Sinngemäße Anpassung (so wie in Fn 146) erfolgt durch Art 79 Nr 5 EGInsO [inKraft ab 01.01.1999 (Art 110 I)] (BT-Drucks 12/3803 S 105 re. Sp.). In Anlehnung an Versicherungen und Kreditinstitute: BT-Drucks 16/9559 S 20 li. Sp., vgl auch erg S 12 li./re. Sp. Vogel DZWIR 2004, 490, 493 MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 80. Speziell für Krankenkassen Hengst Insolvenzfähigkeit von Krankenkassen (2012), S 175. So auch Braun/Braun/Frank InsO7 § 218 Rn 2. So aber Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 12.

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Vorlage des Insolvenzplans

§ 218

hältnis (Vorlagebefugnis des Gemeinschuldners) und behördliches „Innenverhältnis“ (Regelungsmacht der Aufsichtsbehörde) grundlegend zu unterscheiden. Die BaFin mag schon beizeiten Sanierungsbemühungen befördern (vermittels ihres speziellen „Sanierungsinstrumentariums“!), dazuhin den Kriseneintritt als solchen selbst unabhängig registrieren (Eröffnungsantrag)154 und womöglich weitere Bindungen bemühen (Miteinbeziehung bei der Planausgestaltung?155) – aber sie kann inhaltlich insoweit prozessual nicht selbst handeln.156 6. Vorlageprivileg Der Gemeinschuldner hat zeitlich ein Privileg (Abs 1 S 2): er kann (nicht: muss) Eröff- 75 nungsantrag und Planpräsentation dezidiert miteinander verbinden – eine wichtige strategische Handlungsoption, zumal wenn man zusätzlich § 18 (frühzeitige Beantragung) und §§ 270 ff (Eigenverwaltung) mit hinzunimmt; er kann – anders gesagt – sofort loslegen („Poleposition“ – siehe auch schon oben Rn 18/19) und muss nicht erst das positive Eröffnungsverfahren abwarten (wegen des Insolvenzverwalters siehe bei Rn 33). Der Weg in die Insolvenz ist verknüpft mit der Botschaft des Weges aus der Krise („Signal an den Markt“). Das entspricht hinsichtlich der Konsequenz dem alten Recht157 mit Alleinantrag des Betroffenen (§ 1 I S 2 VglO) und nachfolgend sog Konkurssperre (§ 46 VglO). Der Gemeinschuldner mag auch zum späteren Zeitpunkt vorlegen, und zwar bis zum Ende des Schlusstermins (Abs 1 S 3) als allgemeiner Zeitschranke (dazu Rn 79–81). Der Wortlaut158 erlaubt freilich nun weitergehend die Kombination von Gläubigeran- 76 trag (auf Insolvenzeröffnung) und Planvorlegung (zur Insolvenzgestaltung),159 das wird indes faktisch selten relevant werden – nicht etwa wegen derart „konzertierter Aktion“, sondern weil alsdann naheliegt, dass der Gemeinschuldner selbst den Antrag miteinreicht. Fest steht, dass schuldnerische Planvorlage keine Insolvenzeröffnung voraussetzt (indes aber das weitere Planverfahren hiervon logischerweise abhängt, vgl Rn 18) und auch meist zeitig erfolgt. Falsch wäre umgekehrt aber ebenso, wenn man eine Planvorlage bloß zeitgleich erlauben wollte160 – die Regelung gewährt Optionen („kann“), errichtet nicht Schranken („muss“); Gesetzeszweck und Normsystematik streiten genauso vehement dagegen (§ 218 I S 3 [Rn 79–81] träfe dann nur Verwalterpläne, wofür die Regel – anfänglich [§ 255 II S 3 RegE] – indes gar nicht gelten sollte!).

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RT-Drucks 10/II/1 (1901) Nr 5 S 154, 198 re. Sp. [VAG] – alsdann ganz ähnlich BTDrucks 7/4631 S 11 [KWG]. Die BaFin hat bereits frühzeitig die Möglichkeiten eines Planverfahrens in ihre Planungen einzubauen: Amend ZIP 2009, 589, 586; Beger Bankenkrisen und Insolvenzrecht (2013) S 244. Für Bankinstitute Beger Bankenkrisen und Insolvenzrecht (2013) S 243. BT-Drucks 12/2443 S 196 re. Sp. Noch weitergehend wohl § 255 II S 1/2 RegE – BT-Drucks 12/2443 S 196 re. Sp.

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beschränkt S 2 allerdings – entgegen dem Wortlaut – auf Gemeinschuldnervorlagen. HL: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 26; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 91; FK/Jaffé InsO9 § 218 Rn 12; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 218 Rn 6; Müller Verhandlungsgesteuerte Sanierung durch den prepackaged plan (2013), S 27. So nur eine vereinzelt gebliebene Gegenstimme: Smid WM 1996, 1249.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

7. Vorlagepflicht

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Einem Gemeinschuldner eröffnet das Planverfahren mit eigenem Vorlagerecht die Möglichkeit, „sein“ eigenes Insolvenzverfahren nach eigenen Vorstellungen zu beeinflussen, gestalten, beenden (soweit denn später die Gläubiger auch mitmachen …). Er ist dazu verfahrensrechtlich ermächtigt, selbst einen (Rn 116–119 „versus“ Rn 41) Plan vorzulegen, aber weder gezwungen noch verbunden, einen Plan schlussendlich auch auszuarbeiten161 (aber: Privileg frühzeitiger Vorlage! – dazu: Rn 75 f). Das bestätigt die Abfassung des § 218 I S 1 („berechtigt“) und weitergehend der Umkehrschluss aus § 284 I S 1 Var 2 mit S 2 („Auftrag“) – nur in der Eigenverwaltung ist die nämliche Verpflichtung geregelt. Das spiegelt insoweit die dort typische Mischung aus fortbestehender Handlungsmacht und lediglich moderater Kontrolle (§ 270c: Sachwalter162 – siehe dazu bei Rn 33 aE); der Gemeinschuldner übt hier lediglich eine Art „Verwalterrolle“ aus.163 78 Die präzise insolvenzrechtliche Vorgabe (iSv Rn 77), wird uU noch zusätzlich gesellschaftsrechtlich überlagert (bzw „verengt“). Die einzelne Unternehmensleitung ist durchweg zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung verpflichtet (zB §§ 93 I S 1 AktG,164 § 43 I GmbHG,165 § 34 I S 1 GenG166), was allemal eine Pflicht beinhaltet, in Krisen Sanierungsmöglichkeiten zu prüfen.167 Daher ist in einer vorinsolvenzlichen Situation für die geschäftsleitenden Organe angezeigt, sich mit den Möglichkeiten eines Insolvenzplanverfahrens auseinanderzusetzen und ggf Vorbereitungen für ein solches Verfahren zu treffen.168 Ein Insolvenzplan öffnet die Chance, den Rechtsträger zu erhalten – was aber am Ende nur gelingen kann, wenn außerdem die Gläubiger bestmögliche Befriedigung erreichen. Dann (und nur dann) kann die (interne) Pflicht zur (eigenen) Vorlage eines Insolvenzplans kraft Organbindungen überhaupt erst entstehen.169

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 138. Näher dazu siehe noch BT-Drucks 12/7302 S 186 li. Sp. [Nr 178]. BT-Drucks 12/2443 S 226 re. Sp. [§ 345]: „Es entspricht der allgemeinen Aufteilung der Befugnisse …“. ZB Spindler/Stilz/Fleischer AktG3 § 93 Rn 12; MünchKomm/Spindler AktG4 § 93 Rn 22. ZB MünchKomm/Fleischer GmbHG2 § 43 Rn 12; Roth/Altmeppen/Altmeppen GmbHG8 § 43 Rn 6; Bork ZIP 2011, 101 f. ZB Henssler/Strohn/Geibl GenG2 § 34 Rn 2; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Fandrich GenG4 § 34 Rn 5. Drenckhan Gläubigerschutz in der Krise der GmbH (2006) S 66; Schluck-Amend/Walker GmbHR 2001 375, 376; Veil ZGR 2006 374, 379; Kebekus/Zenker FS Maier-Reimer (2010) S 319, 332.

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Schluck-Amend/Walker GmbHR 2001, 375, 378; Veil ZGR 2006, 374, 379. Siehe auch schon K Schmidt ZIP 1988, 1497, 1504 [KO/VglO]. Vgl Götker Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH (1999), Rn 536 (allerdings zu weitgehend, da er eine Vorlagepflicht als Regelfall ansieht); SchluckAmend/Walker GmbHR 2001, 375, 380; Drenckhan Gläubigerschutz in der Krise der GmbH (2006), S 161; K Schmidt/Uhlenbruck/Spliedt/Vallender Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz5 Rn 8.46; Mohrbutter/Ringstmeier/Plössner Hb InsVw9 Kap. 26 Rn 68; Gottwald/Koch/de Bra InsRHb5 Rn 92.311; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 139 (setzt ebenfalls ausdrücklich voraus, dass der Insolvenzplan die bestmögliche Gläubigerbefriedigung darstellt).

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§ 218

VII. Zeitschranke (Abs 1 Satz 3) Letzte Möglichkeit, einen Plan vorzulegen, ist der Schlusstermin des Regelverfahrens 79 (§ 197),170 oder ganz präzise gesagt: sein Ende. Näheres sagt darüber § 4: die Schließung des Termins ist Formalakt (§ 136 IV ZPO) und wird zudem protokolliert (§ 160 I Nr 1 ZPO); Wiederaufnahme der Verhandlungen (§ 156 ZPO) scheint ausgeschlossen. Spätere Insolvenzpläne bleiben unberücksichtigt.171 Wieder aber steckt der Teufel im Detail: es rechnet der Eingang bei Gericht (iSv Zugang; das kann zusammenfallen [Übergabe in der Sitzung], nur muss es dies nicht zwangsläufig, vgl Fn 18). Deswegen kann sich durchaus einmal eine förmliche Wiedereröffnung des Schlusstermins nahelegen (mindestens zur Gewähr rechtlichen Gehörs) – die Planvorlage war schließlich bereits zeitgerecht erfolgt und somit deshalb rechtlich zu beachten gewesen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 4 iVm §§ 233 ff ZPO) scheidet mangels 80 Notfrist aus.172 Es geht eigentlich auch um Termine, nicht Fristen, die hier einzuhalten sind, obwohl das Gesetz das vielleicht etwas abweichend sieht (arg § 186: Wiedereinsetzung bei Versäumung des Prüfungstermins – allemal führt jenes zum Umkehrschluss aus fehlender expliziter Anordnung). Jedwede verspätete Vorlage ist ohne weiteres also damit ausgeschlossen bzw präkludiert (arg § 230 ZPO). Die Frist ist nicht vom jeweilig Vorlegenden (Verwalter oder Schuldner) abhängig,173 81 zusätzlich wirkt zwar noch die Vorlagefrist (§ 218 II: Rn 51–54) betreffend die „Auftragspläne“ des Verwalters, sie aber führt bloß zur Innenverpflichtung ohne Präklusivwirkung.174 Auch spielt die Person des Gemeinschuldners keine besondere Rolle – mit zwei marginalen gesetzlichen Ausnahmen: Genossenschaftsinsolvenz (§ 116 Nr 1 GenG)175 und VaG-Insolvenz (§ 209 II S 2 aE VAG). Demnach würde ein Insolvenzplan bis zur Beendigung des Nachschussverfahrens berücksichtigt, sofern eine solche Nachschusspflicht überhaupt denn existiert und nicht ausgeschlossen wurde (§§ 6 Nr 3, 105 I S 1 GenG). Die Ausnahme tradiert die einstige Regelung zum Zwangsvergleich176 (§ 115e I aE GenG aF), sie erlaubt den Zugriff auf Nachschussleistungen (§ 114 GenG).

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Anders (plausibler!) früher § 173 KO: die [gerichtliche] Genehmigung der Schlussverteilung (in Anlehnung an § 166 GemSchO), vgl dazu Mot S 404 = Hahn IV S 359/360 mit GemSchO Mot II S 142 – die InsO-Verfasser wähnen sich jedoch hier offenbar im Einklang (BT-Drucks 12/2443 S 196 li. Sp. aE: „vgl“ [?]). Dieses bedeutet Präklusion – aA Häsemeyer InsR4 Rn 28.09 Fn 32: „ist wenig klar“. Häsemeyer InsR4 Rn 28.09 Fn 32; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 117. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 116; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 25 f; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 45; FK/Jaffé InsO9

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§ 218 Rn 14; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 218 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 218 Rn 3 – hier anders noch § 255 II S 3 RegE: nur Pläne anderer Beteiligter (nicht solche eines Verwalters!). Anders im Ansatz Schiessler Insolvenzplan (1997), S 103 – kein Schlusstermin infolge der Pflicht, alternativ zu verfahren (entsprechend dem Insolvenzplan); alsdann fehlt der Auslösetatbestand für Präklusionsfolgen. Hierzu Beuthien/Titze ZIP 2002, 1116, 1122; Terbrack ZInsO 2001, 1029. BT-Drucks 12/3803 S 94 re. Sp. Wurde eingeführt durch Art 1 Nr 10 des Gesetzes vom 20.12.1933, RGBl II Nr 145 S 1089 (1090) [in Kraft ab 01.01.1934 (Art 2 I)].

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VIII. Befugnisse beratender Mitwirkung (Abs 3) 1. Anwendungsbereich

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Hinter Abs 3 steckt der Appell wechselseitig intensiver Kommunikation als Schlüssel zur Annahme des Plans (siehe auch schon oben Rn 4). Das ist zunächst nur ein bloßer informeller Aspekt mit – entsprechend den Berechtigten (dazu Rn 88–93) – inhaltlich zwei Richtungen: einerseits erscheint sinnvoll, bereits im Vorfeld (!) maßgebliche Verfahrensbeteiligte einzubinden, die später zustimmen sollen (Gläubiger [Var 1: Rn 89–91]: §§ 237– 246, Schuldner [Var 4: Rn 93]: § 247),177 andererseits dienen Informationen „aus erster Hand“ (Insiderwissen von Arbeitgeber [Var 4: Rn 93] und Arbeitnehmern [Var 2 und 3: Rn 92]178) dem Verwalter als Grundlage erfolgreicher Sanierung, dh der Ausarbeitung eines schlüssigen, eigenen Plankonzepts. 83 Die Insolvenzrechtskommission hatte hier die frühzeitige179 Installierung eines permanenten sog „Beirates“ anempfohlen (EB LS 1.3.1.5), bestehend aus Gläubigern und Mitgliedern des Betriebsrats (Abs 2 S 1), der „an der Prüfung der Aussichten einer Reorganisation und bei der Aufstellung des Reorganisationsplans beratend mit[wirkt]“ (EB LS 1.3.1.6); Gemeinschuldner und Anteilseigner wurden – hinsichtlich der Aufstellung – ebenso beteiligt (EB LS 2.2.3 II). Man kann also die „groben Umrisse“ von Abs 3 bereits erkennen, hinsichtlich der Beteiligten (der Sprecherausschuss ist dazugekommen [§ 244 II S 1 RefE]; die Anteilseigner wurden „fallengelassen“ [§ 254 III RA gegen § 254 II S 2 RV] – siehe oben bei Rn 15) und genauso der Aufgabe (Festlegung beratender Mitwirkung). Es fehlt freilich die geplante Institutionalisierung als Planverfahrensorgan180 (das schafft größere Flexibilität) und die systematisch scharfe Grenzziehung zwischen sog stakeholdern (EB LS 1.3.1.6) und shareholdern (EB LS 2.2.3 II); entfallen ist ebenfalls die Verpflichtung förmlicher Stellungnahme zur Planung als solcher (iSv zwingender Plananlage: EB LS 2.2.10 lit d Var 1). 84 Abs 3 versieht die „informelle Wahrheit“ (dazu Rn 4 und 82) – aber erstaunlicherweise bloß betreffend die Planaufstellung des Verwalters (dazu Rn 85–87) – mit prozessual verpflichtendem Charakter (arg „wirken … mit“ – siehe dazu bei Rn 100). Mitwirkung bedeutet laufende Einbeziehung bei der Ausarbeitung („dynamische – proaktive – Beteiligung“); sie wird ergänzt durch später (nach erfolgreich durchlaufender gerichtlicher Vorprüfung – die aber nicht auch die stattgefundene Beteiligung miteinschließt, vgl § 231 Rn 19) die Möglichkeit, das „Endprodukt“ zu kommentieren (§ 232 I: Stellungnahme – quasi eine Art „statische – reaktive – Beteiligung“). Die folgende Offenlegung (§ 234) ergibt dann für alle im Rückschuss meist auch die verfolgten Mitwirkungsanliegen. 2. Verpflichtete

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Der Normwortlaut verpflichtet eindeutig nur den Verwalter. Er knüpft an die Person, nicht ans Objekt. Es wird demgemäß nicht zwischen Initiativplänen und Auftragsplänen (dazu Rn 1) weitergehend noch unterschieden. Dies erklärt sich dadurch, dass der RegE

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Siehe dezidiert schon EB Mot S 131/132. Auch uU nach Var 1 (§ 67 II S 2). Zumeist schon mit Verfahrenseröffnung – „es sei denn, daß offensichtlich keine Aussicht auf Reorganisation besteht“ (Abs 1 S 1 Hs 2).

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Eine Brücke versucht BT-Drucks 12/2443 S 196 li. Sp.: „[dürfte] faktisch ein eigenes Gremium, einen ‚Beirat‘ neben dem Gläubigerausschuß bilden.“ – dies wirkt schief, vgl Rn 47.

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zwar schon jene Mitwirkung, nicht aber die beiden Plantypen kannte – anders gesagt: die geregelte Mitwirkungslast konnte allein „Auftragspläne“ betreffen; Pläne anderer Vorleger waren ohnehin freigestellt (siehe noch bei Rn 87). Liegt also ein Redaktionsversehen vor? Muss man vielleicht hier den Wortlaut teleologisch noch reduzieren? Nein, der Sinn (dazu Rn 4, 82) trifft beide Pläne gleich, außerdem ist der Wortlaut insgesamt recht eindeutig und passt genau zur jetzigen systematischen Stellung (Abs 3 zielt auf alles Vorstehende [dh Abs 1 und 2]). Darum sind zweifelsohne auch die „originären“ Verwalterpläne mitumfasst.181 Schnelligkeit ist entscheidend, daher mag schon der vorläufige Verwalter im Eröff- 86 nungsverfahren mit entsprechenden Vorarbeiten beginnen (dazu Rn 35) und dann der endgültige Verwalter dessen Früchte ernten (was kaum stört – praktisch besteht nahezu immer Personenidentität!) und sehr früh „seine“ fixfertige Planvorlage einreichen (rechtlich ab erfolgter Insolvenzeröffnung statthaft: Rn 37). Dann indes wäre keine Mitwirkung effektiv ermöglicht, sondern man erzeugt sozusagen vollendete Tatsachen – was uU die spätere Annahmebereitschaft mindert (bezüglich der Gläubiger; abzuwägen gegen den Zeitvorteil) und selbst bei förmlicher Nachholung kein wirkliches Surrogat bietet: das wäre keine aktive (Mit-) Gestaltung der Berechtigten (iSv Rn 94–99) bei Plangenese (sondern nur spätere Stellungnahme [iSv § 232 I] oder gar bloß ein „formales Abnicken“, dh nicht eine echte Mitwirkung [iSv § 218 III bzw Rn 94]). Die Lehre verweist meist auf freiwillige informelle Beteiligung bereits im Verlauf des Eröffnungsverfahrens (als Ausfluss von Rn 82), die formelles Nachholen nach Eröffnung (als Anwendung von Rn 84) erübrige.182 Das erscheint zunächst charmant (Zweckerreichung), verklärt jedoch eine freiwillige Beteiligung zur zwingenden Mitwirkung. Wenn man aber die konkrete Planaufstellung als Prozessentwicklung begreift und zeitige Vorbereitung wünscht, sollte man gleich unmittelbar Abs 3 heranziehen, entweder direkt (endgültiger Verwalter) oder eben analog (vorläufiger Verwalter183). Im zweiten Falle wirkt der vorläufige Gläubigerausschuss (§§ 21 II Nr 1a, 22a) surrogativ mit und bringt Gläubigerinteressen ebenso ein. Unerfasst bleiben indes Gemeinschuldner bzw Schuldnerpläne. Es fehlt an einer füllbe- 87 dürftigen planwidrigen Regelungslücke,184 bereits § 255 RegE schrieb keine Beteiligung dafür vor (wieso auch immer185). Möglicherweise war an die Beschleunigung gedacht (Abs 2 S 1 und 2 RegE – sog pre-packaged plan186), vielleicht auch daran, dass die Pläne bewusst „von außen“ (Abs 1 Nr 1 RegE: Gläubiger) bzw „von innen“ (Abs 1 Nr 2 RegE: Schuldner) jeweils kommen sollten und nicht von – schlussendlich besonders verpflichteten – Verfahrensorganen (§ 254 I RegE: Gläubigerschaft beschließt Verwalteraktion), was eher nach einer prozessualen Einbindung verlangt. Das trifft aber allein das rechtsförmlich garantierte Teilnahmerecht (dazu Rn 84), nicht auch die Notwendigkeit umfassender und frühzeitiger Abstimmungen, um wirkliche Zustimmungsfähigkeit zu erreichen187 (dazu Rn 82).

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 34; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 38; FK/Jaffé InsO9 § 218 Rn 50. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 39; HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 14 – aA Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 218 Rn 6. Der Wortlaut scheint flexibel („Verwalter“) – und doch wird der vorläufige Verwalter gemeinhin als solcher gezielt bezeichnet. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 41; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 34; Warrikoff KTS 1997, 527, 531.

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Die Konzeption der Kommission kannte ausschließlich bloß Verwalterpläne (EB LS 2.2.3 I)! Es fehlt auch (noch) an einem Gläubigerausschuss (MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 41) – freilich wortlautgemäß ein überwindbares Bedenken (arg „wenn ein solcher bestellt ist“). Per saldo ähnlich (und richtig) Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 34: „informeller Normzweck“.

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3. Berechtigte

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Abs 3 nennt hier einen privilegierten Personenkreis, welcher prozessuale Mitwirkungsrechte (Näheres siehe bei Rn 94–99) zugesprochen bekommt („geborene Mussbeteiligte“). Der Planvorlage zugrunde liegt freilich immer aber ein hochkomplizierter informeller Aushandlungsprozess. Man kann trotzdem kaum sagen, die Relevanz der Vorschrift sei marginal188 – Abs 3 beschreibt die Planentwicklung als Kommunikationsablauf und setzt hierfür Wegmarken; er hat aber keine Ausschlusswirkung189 (es fehlt am „nur“). Der Verwalter kann (und wird gemeinhin) auch andere maßgebliche Personen(gruppen) einbeziehen (zB mit Blick auf § 222), um eine – juristisch sowie vor allem ökonomisch – erfolgreiche Sanierungsplanung einzubringen („gekorene Kannbeteiligte“). Er wird kaum eigens rechtfertigen müssen, wen er zur Aufstellung der Planvorlage noch hinzuzuziehen für erforderlich hält.190 89 Für die Gläubiger wirkt der Gläubigerausschuss (Var 1) mit, somit bewusst nicht die Gläubigerversammlung als Gemeinschaftsorgan bzw von ihr bestimmte einzelne Vertreter. Sie kann nicht dessen Position kurzerhand selbst übernehmen (eigene autonome Organe).191 Sie hat nur indirekt ihren Einfluss durch erstmalige Einrichtung, späteren Verzicht bzw (Ab-) Wahl der Mitglieder (§ 68); vor der ersten Gläubigerversammlung jedoch ist die gerichtliche (Ermessens-) Entscheidung maßgeblich (§ 67 I: Ob [„kann einsetzen“] bzw § 67 II: Wer [„sollen … vertreten sein“; „soll angehören“]); beteiligt sind gemeinhin auch Absonderungsberechtigte (§ 67 II S 1 Var 1) und ein Arbeitnehmervertreter (§ 67 I S 2), fachkundige Dritte (zB Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Unternehmer, Steuerberater, vereidigte Buchprüfer oder, je nach Verfahren, auch Techniker192) können zusätzlich einbezogen werden (§ 67 III), vor allem Letzteres macht den ganz besonderen Reiz aus. 90 Man unterscheidet gern terminologisch den vorläufigen Gläubigerausschuss (man sollte ihn besser als einstweiligen Gläubigerausschuss beschreiben – arg § 22a), der zuvor gerichtlich installiert wurde (§ 67) und den endgültigen Gläubigerausschuss entsprechend der Beschlussfassung der Gläubigerversammlung (§ 68) – ihre Funktionen sind identisch (§ 69). Beide fallen unter Abs 3 (lediglich, wenn vorhanden: „falls ein solcher bestellt ist“) – das Gesetz wählt selbst keinerlei verschiedene Formulierung, dh verordneter („einstweiliger“) wie gewählter („endgültiger“) Ausschuss sind gleicherweise mitwirkungsberechtigt (beide werden nämlich „bestellt“). Wichtig ist hierbei, ein frühzeitiges Forum einzurichten, um insbesondere Initiativpläne rückzuspiegeln. Das gilt – analog (iSv Rn 86 aE) – auch für einen gerichtlich vorab verordneten Gläubigerausschuss im Eröffnungsverfahren (§ 21 II Nr 1a iVm § 22a – zutreffend der vorläufige Gläubigerausschuss geheißen!). Die Mitwir-

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So aber K Schmidt/Spliedt InsO19 § 218 Rn 13 aE. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 53. In diese Richtung auch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 4 („außerhalb dieses Verfahrens“), wobei auch diese Ansicht als zu eng erscheint, da auch Dritte am „selben Tisch“ sollten sitzen dürfen! AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 35 aE („Weitere Personen sind nicht zur Mitwirkung befugt“). Zuständigkeit kraft Vorlagemacht! Anders uU soweit erhebliche Kosten verursacht werden: Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 218

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Rn 70; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 53. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 35 – es fehlt an einer Weisungs- bzw „Ersetzungsbefugnis“ (overruling), vgl § 67 Rn 7 [Gerhardt]; Frege NZG 1999 S 478, 482; Pape/ Uhlenbruck/Voigt-Salus/Pape InsR2 Kap 16 Rn 3; Marotzke FS Kirchhof (2003) S 321, 351; Graeber FS Runkel (2009) S 70, 73 f; Kübler/Prütting/Bork/Kübler InsO62 § 69 Rn 7; Uhlenbruck/Knof InsO14 § 69 Rn 14; LG Göttingen ZInsO 2000, 349. Uhlenbruck/Knof InsO14 § 67 Rn 19.

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Vorlage des Insolvenzplans

§ 218

kung geschieht im Kollektiv per Beschluss (§ 72), wobei es indes möglich ist, singuläre Aufgaben einzelnen Mitgliedern zu übertragen (vgl § 69 Rn 4). Hält man sich die „Aufgreifkriterien“ dafür vor Augen, reicht diese von einer Pflicht- 91 einsetzung (§ 22a I „versus“ III) über Sollregeln (§ 22a II: auf Antrag hin) bis zum Ermessen (§ 67 I, dort Rn 17193) oder sogar zur freien Willkür (§ 68 I). Die Gläubigerversammlung wird man voll in ihrer größeren Eigenverantwortung belassen mögen (sie muss proaktive Beteiligung anfordern per Einsetzung bzw Bestätigung des Ausschusses), das gerichtliche Ermessen ist pflichtgemäß gebunden. Die Pflichteinsetzung im Eröffnungsverfahren ab bestimmten Betriebsgrößen dürfte freilich dieses Ermessen reduzieren (und zwar auf null), sinngemäß sollte man intendierte künftige Planvorlage bewerten – die Gläubigermitwirkung ist inhaltlich ja willkommen. Daher gilt zutreffend auch die Unternehmensfortführung als wichtiges Indiz zugunsten frühzeitig einstweiliger Bestellung.194 Für die Arbeitnehmer wirken – falls konkret vorhanden (§ 1 BetrVG; § 1 SprAuG) – 92 der Betriebsrat (Var 3) und der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten (Var 4) mit. Für beide handelt außenwirksam der Vorsitzende innerhalb der von den Organen gefassten Beschlüsse (§ 26 II BetrVG; § 11 II SprAuG); mitzuwirken hat trotzdem insolvenzrechtlich offenbar das Gesamtorgan (arg „der“) – und zwar als eine Ausformung des Grundprinzips vertrauensvoller Zusammenarbeit (§ 2 I iVm §§ 74 I, 80 I sowie vor allem § 111 BetrVG; § 2 I S 1 iVm §§ 25, 32 SprAuG). Nicht umfasst werden dagegen Sonderkonstellation wie Gesamt- und Konzernbetriebsrat (§§ 47–59a BetrVG), Jugend- und Auszubildendenvertretung (§§ 60–73b), Wirtschaftsausschuss (§§ 106–110) bzw Gesamt-, Unternehmens-, Konzernsprecherausschuss (§§ 16–24 SprAuG). Der Gemeinschuldner (Var 4) vermag in Person mitzuwirken (keinerlei Vertretung 93 statthaft). Dies passt ohne weiteres hinsichtlich natürlicher Personen, insolvenzfähig sind jedoch auch Gesellschaften, Vereinigungen und Gemeinschaften (§ 11), zuweil auch solche ohne Rechtsfähigkeit. Und dort sind dann die organschaftlich berufenen Vertretungsorgane zur beratenden Mitarbeit aufgerufen,195 nicht aber die Anteilseigner (so wie es § 254 II Nr 2 RegE zuerst noch vorsah: „durch einen … Vertreter auf eigene Kosten“196). Das kann man nach dem ESUG (arg §§ 217 S 2, 225a) durchaus kritisch bewerten,197 ist aber Konsequenz eben der Trennung von Organen und Inhabern (die sich ja auch bei Haftungsfragen voll niederschlägt! – nicht nur alter ego). Dass man auch die maßgeblichen Anteilseigner (kaum alle – „zu viele Köche verderben den Brei“) oder mindestens einen Vertrauten (Praktikabilität!) informell tunlicherweise beteiligt, steht auf einem total anderen Blatt, vor allem mit Blick auf zukunftsfähige Umstrukturierung. Doch besteht kein solch unmittelbarer Rechtsanspruch. Demnach müssen sich die Eigner per Weisung wie üblich durchsetzen oder Organe tauschen.198

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Ferner zB hierzu Uhlenbruck/Knof InsO14 § 67 Rn 8; FK/Schmitt InsO8 § 67 Rn 2. Frank FS Braun (2007) S 31, 34; Pape, Gläubigerbeteiligung im Insolvenzverfahren (2000), Rn 298; MünchKomm/Haarmeyer InsO3 § 22a Rn 166. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 218 Rn 63; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 42 – Das gilt auch für Personenge-

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sellschaften – aA HK/Haas InsO9 § 218 Rn 16 (betroffene Gesellschafter gemeinsam). Wohl heute ähnlich noch FK/Jaffé InsO9 § 218 Rn 50 („Sprecher“ [?]). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 43. Beispielsfall: OLG Düsseldorf NZI 2013, 504 (AG) – Sonderfall: § 276a!

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Sechster Teil. Insolvenzplan

4. Beratungsaufgaben

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a) Beratende Mitwirkung. Die Mitwirkung impliziert regelmäßig die Möglichkeit aktiven Einbringens. Das geht über die nackte Information hinaus („Unterrichtung“, wie etwa gemäß § 158 II [konzipiert zur Vorwarnung]), ist auch mehr als einfach passives Anhören („Stellungnahme“, wie später bei § 232, indes auch sonst etwa gemäß §§ 14 II, 15 II S 3; §§ 59 I S 3, 70 S 3 Hs 1; §§ 248 II, 248a II usw). Man soll nicht bloß vor vollendete Tatsachen gestellt werden oder lediglich ohne Rückmeldung seine Vorstellungen äußern. Es geht um wechselseitige – inhaltlich möglichst fruchtbare – Dialogprozesse im Weg aufs Ziel hin (Erörterung, Kommunikation, Diskussion), eigentlich das „klassische“ Gegenstromprinzip der Managementlehre („discourse [mixed] planning“ – im Unterschied zu „top-down“ und „botton up“). Also ergibt es guten Sinn, wenn die Materialien hier neben „unterrichten“ auch „konsultieren“ sagen199 und damit das Prozesshafte gut herausheben. 95 Eröffnet wird aber alleinig beratende Mitwirkung. Und sie zielt auf die fundierte Auseinandersetzung mit dem Verwalter, nicht aber auf Mitbestimmung („Benehmen“) oder gar etwa Mitentscheidung („Einvernehmen“). Die Entscheidungsmacht (und eben auch die Planverantwortung) hält letztlich der Verwalter inne;200 der Gemeinschuldner mag selbst aktiv werden (§ 218 I S 1 Var 2), die Gläubiger können später anders abstimmen (§§ 237–246) – aber nicht vorweg bestimmte Detailregelungen festlegen (wegen allgemein formulierter Planziele siehe Rn 49 f). Dieser letztere Aspekt kann in eine faktische Gebundenheit einmünden,201 und überhaupt wird sich letztlich entgegen dem Willen der gesamten Stellungnahmeberechtigten (§ 232) kaum ein Plan jemals durchsetzen lassen. Der Verwalter wird sich gemeinhin schon aus Eigeninteresse ausgiebig mit den vorgebrachten Vorschlägen beschäftigen – und gute Gegenargumente bei Nichtberücksichtigung haben müssen.

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b) Rahmenbedingungen. Generell darf der Mitwirkungsprozess nicht zu sehr unter dem Aspekt „Verwalter ./. Beratende“ gesehen werden – die Beteiligung ist gedacht als Unterstützung! Jene vollzieht sich nicht in einem insgesamt formalisierten Verfahren, sondern es ist im Grunde die Gewähr rechtlichen Gehörs (trotz oder wegen just des gewollten informellen Verlaufes). Dabei muss man auch sehen, dass konträre Interessenlagen der „Mitwirkungslager“ bestehen: der Gläubigerausschuss sieht auf Anspruchserfüllung (somit eine gute Quote – sofort oder später?), der Gemeinschuldner schielt gemeinhin stärker auf Sanierungserfolg und Erhalt des Rechtsträgers, für die Arbeitnehmer hat die Bewahrung der Arbeitsplätze (ggf auch in Form übertragender Vollsanierung) oberste Priorität. Es gibt folgerichtig kein Gremium („Beirat“), das sich auf eine Linie festlegen müsste, sondern lediglich einzelne Stimmen (so wie auch gemäß § 232). Die „Interessenlager“ müssen daher also untereinander auch nicht weiter zusammenwirken, es geht an, sie nacheinander und jeweils zu konkret als geeignet erscheinenden Zeitpunkten einzubeziehen. Dies erscheint sehr sinnreich, um gezielt gegensätzliche Ansätze durchzusprechen. Die Mitwirkenden müssen allerdings überhaupt erst in die Position versetzt werden, 97 um dem Verwalter geeignete Vorschläge oder zumindest Kommentare zu unterbreiten. Da-

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BT-Drucks 12/2443 S 196 li. Sp. ZB Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 474; Warrikoff KTS 1997, 527, 531; Kersting Die Rechtsstellung der Gläubiger im Insolvenzplanverfahren (1999), S 98; Madaus Insolvenzplan (2011), S 177.

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In diese Richtung auch schon der EB Mot S 166 („gebührend Rücksicht nehmen, damit sein Plan sich auch durchsetzen läßt“).

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für hat der Verwalter sie mit ausreichend Informationen über das Planvorhaben zu versorgen. Er hat zu Anfang der Ausarbeitung (jedenfalls möglichst frühzeitig) über seine Planidee zu informieren, dh zu Grobstruktur (Sanierung, übertragende Sanierung, Liquidation, Mischplan, verfahrensleitender Plan iSv Vor §§ 217 ff Rn 45–49) und maßgeblichen Planregelungen (insb und auch zur Gruppenbildung – falls bereits jetzt möglich). Unnötig ist dagegen, Einzelheiten zu diskutieren, welche gemeinhin auch noch ausstehen werden. Die weitere Mitwirkung ist verlaufsabhängig, nicht zeitpunktbezogen.202 Die Verfah- 98 renshoheit hat natürlich der Verwalter als Vorlagebefugter, demnach trägt er Sorge, die Beteiligung ergebnisorientiert einzubringen. Inwiefern nach erfolgter Erstinformation (gem Rn 97) konkrete Folgetreffen (wann? mit wem? wo?) erforderlich scheinen, ist sehr stark einzelfallabhängig203 (Interessenkonflikte, Komplexität des Verfahrens, Planmodifikationen etc). Es scheint aber allemal verlangt, dass mindestens ein Folgetermin stattfindet – nur nach der erfolgten Erstinformation und Verstreichenlassen einer „Einlassungsfrist“ kann man eine fundierte Rückmeldung erwarten („Konsultation“); der Verwalter sollte ebenfalls bei grundlegenden Veränderungen ergänzende Treffen anberaumen („Information mit Diskussion“). Unnötig scheint dagegen, das „Endprodukt“ noch vorzustellen (das kann man wohl aus taktischen Gründen empfehlen, aus rechtlichen genügen demgegenüber die nachträglichen Stellungnahmen: § 232).204 Auch ist eine tatsächlich erfolgte, direkte Rückmeldung nicht durchweg nötig205 – sie kann auch darin bestehen, dass der Plan am Ende das vorgebrachte Anliegen beiseitelässt. Zu weit geht aber die Forderung, der Verwalter habe zumindest den Diskussionsver- 99 lauf (Vorschlag ./. Bewertung) nach § 220 II dem Plan hinzuzufügen206 – das konterkariert die Nichtübernahme des sinngemäßen Kommissionvorschlags (dazu Rn 83 aE) samt Schaffung eines Surrogats (§ 232) und die (Letzt-) Verantwortung des Planvorlegers. Von daher ist indes die gerichtliche Vorprüfung tatsächlich beschränkt (§ 231 I Nr 1 Hs 1 – es fehlen die Fakten!) und allenfalls nachträgliches Überprüfen vorstellbar (§ 250 Nr 1 Hs 1 Var 1 – Wesentlichkeit?) – das greift aber wohl allein bei offensichtlicher („willkürlicher“) Nichtmitabwägung und erlaubt niemals Zweckmäßigkeits- oder Inhaltsprüfungen.207 c) Zwingende Mitwirkung. Auf der Verwalterseite (scil. vom Verpflichteten aus) ist die 100 Mitwirkung zwingend anzubieten. Sowohl der Gesetzeswortlaut („wirken … mit“) als auch die Gesetzesbegründung208 („hat einzuholen“) lassen keinerlei Zweifel aufkeimen. Der Verwalter hat die benannten Personenkreise an seinen Ausarbeitungen zu beteiligen. Insofern steht allen jeweilig Berechtigten – idR lediglich als Kollektiv209, vorbehaltlich des Gemeinschuldners (diesem in Person) – gegenüber dem Verwalter ein Anspruch auf Mit-

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BT-Drucks 12/2443 S 196 li. Sp. („immer wieder [unterrichten] … erneut [konsultieren]“). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 54; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 56. So auch Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 218 Rn 57/58. Ähnlich MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 54, der allerdings unter Umständen einen einmaligen Informationsaustausch schon ausreichen lässt. Weitergehend HK/Haas InsO9 § 218 Rn 17 („Rat … muss deshalb wieder und wieder eingeholt werden“).

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AA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 53 (substantiierte [?] Auseinandersetzung unausweichlich – mE recht formale Sicht!). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 53 – zu Recht aA Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 218 Rn 60a; FK/Jaffé InsO9 § 218 Rn 51 f. AA wohl am Ende MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 56 (jegliche denkbaren Verstöße) iVm Rn 53. BT-Drucks 12/2443 S 196 li. Sp. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 35. Speziell für den Gläubigerausschuss Ampferl HRI2 Rn 36.13.

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wirkung zu.210 Daneben können zudem noch spezielle Aufklärungs-, Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte gegenüber dem Verwalter aus sonstigen Gründen verbleiben, ua insolvenzrechtlich für den Gläubigerausschuss (§ 69 S 1: unterstützen/überwachen) und arbeitsrechtlich betreffend die Mitwirkung bei Betriebsänderung (§ 111 BetrVG, § 32 II SprAuG) oder generell hinsichtlich der Aufgaben der Arbeitnehmervertretungen (§ 80 II BetrVG, § 25 II S 1 SprAuG), wobei hier die Beschäftigungssicherung und Förderung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens sicherlich von besonderer Bedeutung ist (§ 80 I Nr 8 BetrVG); dem Gemeinschuldner steht hingegen kein besonderer insolvenzrechtlicher Informationsanspruch gegenüber dem Insolvenzverwalter zu.211 101 Schwieriger erscheint andersherum, ob die „Gegenseite“ (scil. wer mitwirkungsberechtigt ist) auch reziprok eine Verpflichtung hat (Pflichtrecht zur Wahrnehmung) oder ihr nur eine bevorzugte Position eingeräumt wird (Rechtsmacht zur Beteiligung), welche man ausübt, wenn man will (oder jenes eben lässt …). Die Frage zielt hierauf: hat der Verwalter auch umgekehrt einen Anspruch auf Beratung und Teilnahme? Das wird teilweise behauptet,212 teilweise geleugnet;213 eine Mittelmeinung sieht bloß den Gemeinschuldner als Verpflichteten (arg §§ 97, 101),214 die anderen durchgängig nur als Berechtigte (wegen § 284 I siehe dort bei Rn 4). Die Verpflichtung für eine Seite bedeutet indes – prozessual betrachtet! – nicht zugleich immer auch die Pflichtigkeit der anderen (wie zB die Gewähr rechtlichen Gehörs untermauert). 102 Der genaue Gesetzeswortlaut deutet ein Pflichtrecht an („wirken … mit“ ist härter als „können … mitwirken“ – und dennoch weicher als zB „haben mitzuwirken“ [als Anspielung auf § 69 S 1]), die Normbegründung zielt aber erkennbar bloß auf Verwalterhandeln bzw auf Geben („zu unterrichten“, „einzuholen“, „zu konsultieren“215), nicht Nehmen! Alles andere wäre auch allemal recht unpraktisch und verzögerlich216 – müsste der Verwalter Gehör nun einklagen? Er muss bloß später dokumentieren können, dass er die konkrete Möglichkeit der Mitwirkung eröffnet hat, mehr indes auch nicht. – Wieder mögen jedoch zusätzlich spezielle – überlagernde – Pflichten eingreifen, vor allem die unmittelbar insolvenzrechtlich durchsetzbare (!) Auskunfts- und Unterstützungspflicht des Gemeinschuldners (§§ 97/98 iVm § 101), die aber stark repressive Züge beinhaltet,217 oder zB

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 56; FK/Jaffé InsO9 § 218 Rn 50; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 218 Rn 7; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 218 Rn 6; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 218 Rn 11; HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 14; Graf-Schlicker/Kebekus/ Wehler InsO4 § 218 Rn 5. Sehr eingehend dazu Gilles Die Beteiligung des Betriebsrates im Insolvenzplanverfahren (2009), S 42–50. AA Haarmeyer/Wutzke/Förster Hb InsO3 Kap 9 Rn 32 (bei gleichzeitiger Verpflichtung des „Beirats“ zur Mitwirkung, wenn der Verwalter dazu auffordert; so kaum mit dem Gesetzestext vereinbar und daher auch Einzelansicht geblieben). Insoweit ausf Gerhardt ZIP 1980, 941. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 48; HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 14; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 218 Rn 8; Hess/Obermüller/Hess Insolvenzplan3

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Rn 20a; Gilles Die Beteiligung des Betriebsrates im Insolvenzplanverfahren (2009), S 56. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 57; Braun/Braun/Frank InsO7 § 218 Rn 6; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Silcher InsO3 § 218 Rn 10; Mohrbutter/ Ringstmeier/Bähr Hb InsVw9 Kap 14 Rn 130; Frank FS Braun (2007) S 519, 533. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 218 Rn 13; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 36; HK/Haas InsO9 § 218 Rn 18; SanRKomm/ Friel InsO § 218 Rn 19. BT-Drucks 12/2443 S 196 li. Sp. AA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 48 („vertretbar“). Während der Gemeinschuldner ein eigenes konkurrierendes Planvorlagerecht (§ 218 I S 1 Var 2) bekommt, also selbst eine aktive Gestaltungsbefugnis hat – anders im Ansatz

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auch spezifische arbeitsrechtliche Mitwirkungspflichten (namentlich des Betriebsrats, arg § 80 BetrVG).

IX. Planrücknahme 1. Objektive Statthaftigkeit Eine Planvorlage bedeutet prozessual eine Erwirkungshandlung (Einleitung des [Plan-] 103 Verfahrens), ob sie eine zusätzliche materielle Bedeutung hat, ist umstritten (vgl Rn 21). Als Prozesshandlung ist eine Planvorlage auch rücknehmbar, wenn und weil der Gegner (wer wäre das hier?) in noch keiner schützenswerten Rechtsstellung steht218 (arg §§ 269, 516 I ZPO). § 99 VglO219 statuierte für „Privatvergleiche“ die allgemeine Rücknehmbarkeit (S 1: „wenn der Schuldner … zurücknimmt“ – S 2: „bis zur Beendigung der Abstimmung … zulässig“); beim Zwangsvergleich fehlte eine Regel, man bejahte gleichwohl die Rücknehmbarkeit mindestens bis Beginn der Abstimmung.220 Heute bestätigt recht versteckt § 231 II Hs 1 Var 3 („vom Schuldner … zurückgezogen“) die Erlaubnis freier Rücknahme221 – vorbehaltlich des Zeitpunktes (dazu Rn 104–109) –, und das auch für den Verwalter;222 anders gesagt: nicht bereits mit Vorlage begründet sich eine schützenswerte Position eines anderen Beteiligten. 2. Zeitliche Möglichkeit § 231 II Hs 1 Var 3 verrät nicht allein, dass Rücknahme möglich erscheint (siehe eben 104 bei Rn 103), sondern nennt auch einen allemal insgesamt unkritischen Zeitpunkt (bis zur öffentlichen Bekanntmachung des Erörterungstermins [§ 235 I] – unbeschadet erfolgreicher gerichtlicher Vorprüfung!). Frühester Zeitpunkt ist notwendig natürlich die tatsächlich erfolgte Einreichung (dazu Rn 18, 23–27 – hiervor nur Entwurf); eine gewisse Sollbruchstelle markiert die Vorprüfung: die bindende Zurückweisung (§ 231 III: sofortige Beschwerde statthaft) entzieht dem Plan anderweit seine Grundlage; der späteste Zeitpunkt hingegen ist überaus umstritten (näher dazu bei Rn 105–109). Gibt es denn überhaupt ein insgesamt schutzwürdiges Gegenüber? Die normale Prozesshandlungsdogmatik versagt die klare Antwort, zudem ist die Frage mit dem generellen „Rechtsnaturproblem“ (dazu Vor §§ 217 ff Rn 210 ff, insb 245–248) verkoppelt.

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 49. Vgl dazuhin im Übrigen § 80 I Nr 8 BetrVG (Betriebsrat) und § 25 I S 1 SprAuG (Sprecherausschuss) – die aber mE bloß als spezielle Kompetenznormen fungieren (und keinerlei „Beteiligungsanspruch“ begründen). Allg Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 Rn 311 bzw Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR18 Rn 65.46. In Anlehnung an § 56 GA-VO nF (RAnz 1916 Nr 298 Anl II, 3. Sp.: „ebenso wie im Konkurse“); vgl auch erg § 15 II VglO. Jaeger/Weber KO8 § 173 Rn 26; Uhlenbruck/Uhlenbruck KO11 § 174 Rn 4; Krusch JW 1936, 1157.

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So die hM, teilweise ohne Argumente: BGH NZI 2007, 521 {7}; ZInsO 2009, 2113, 2114 {3}; Madaus KTS 2012, 27, 28; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 218 Rn 15; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 235 Rn 15; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 5 – mit Begründung: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 41; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 148; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 47; HK/Haas InsO9 § 240 Rn 12. AA aber uU wohl Häsemeyer InsR4 Rn 28.30 („soll“). Der Schuldner ist lediglich als konkreter „Sanktionsadressat“ angeführt (BTDrucks 12/2443 S 204 re. Sp.).

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Die Rechtsprechung ist insoweit weitgehend am Einzelfall ausgerichtet. Der BGH hat zuerst Planrücknahme nach Gläubigerannahme und vor Planbestätigung ohne größere Widerworte erlaubt – wenn und weil es bloß um eine schlussendlich „faktische“ Plananpassung gehe („bisherigen Diskussionsstand“ abgebildet), das Gericht keinen Einwand (§ 231) erkenne und die Gläubiger erneut mehrheitlich wieder zustimmen (Gewähr rechtlichen Gehörs);223 er hat sich argumentativ dabei jedoch vornehm zurückgehalten: es fehle jedenfalls an einem „wesentlichen“ Rechtsverstoß gemäß § 250 Nr 1. Das kann man indes durchaus kritisch sehen: gegen den ersten Plan war ein Schutzantrag (§ 251) anhängig, der zweite lediglich per gesetzlichem Obstruktionsverbot (§ 245) erfolgreich. Die Chance, Klarheit zu schaffen, war vertan. Danach hat der BGH jedoch ohne weiteres und nebenbei eine Rücknahme bis zur bindenden (scil. rechtskräftigen) Planbestätigung akzeptiert, die aber zuvor Billigung der Gläubiger (erneute Versammlung!) erhielt;224 erneut fehlt eine vertiefende grundsätzlichere Diskussion, weil nur noch die billige Kostenentscheidung zur Rechtsbeschwerde anstand (§ 91a). Wieder bleiben Zweifel bestehen: kann man denn die dezidierte gruppenspezifische Zustimmung im „actus positivus“ (§ 244) durch schlichten „actus negativus“ vermittels Mehrheitsentscheids (§ 76 II) verdrängen? Schließlich hat noch das AG Frankfurt/Oder eine inhaltliche Abänderung nach Rechtskraft zugelassen, so wie es nun § 221 S 2 iVm § 248a explizit auch vorsieht225 (allerdings nicht etwa als Rücknahme!). 106 Und auch die Literatur konnte bislang keinen Konsens finden: Manche sind höchst großzügig und gestatten die Rücknahme bis schlussendlich bindende Planbestätigung vorliegt, dh die Rechtskraft eingetreten ist;226 die meisten wollen weitaus restriktiver die einseitige Rücknahme nur bis zur Abstimmung erlauben, sei es ihr Beginn227 oder gar auch ihr Ende228. Dafür spricht scheinbar die Zweiteilung im Terminzweck, anberaumt wird ein Termin für zwei Anliegen: Erörterung und Abstimmung (§ 235 I S 1), dazwischen kann (und soll) der Vorlegende jedoch nachsteuern können (§ 240 S 1) – allerdings nur per Abänderung und auch bloß was „einzelne Regelungen“ betrifft; das letztere als wichtige zusätzliche Schranke, welche noch in § 284 I S 1 RegE fehlte229 und hier offenbar zusätzliche Kontinuität schaffen will, begleitet von der Erklärung: „der Kern muß erhalten bleiben.“230 Jenes Regelungsanliegen würde jedoch konterkariert werden, wenn man hier stattdessen völlige Rücknahme zuließe (und anschließend die Neuvorlegung). Ist also die Änderung bloß beschränkt noch eröffnet, kann man erst recht dann keine grenzenlose Rücknahme offenlassen. Die freie Rücknehmbarkeit endet dementsprechend schon mit Beginn des Erörterungstermins (was sehr gut auch mit § 269 I ZPO zusammenpasst: „bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung“).

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BGH NZI 2007, 521 {7} [II 3] = ZinsO 2007, 713. BGH ZInsO 2009, 2113, 2114 {4} [II] = ZVI 2010, 22, hierzu vgl Madaus KTS 2012, 27, 29. AG Frankfurt/Oder DZWIR 2006, 87 (Vereinsfortführung als Voraussetzung für Registereintragung). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 41; HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 15. Die Einschränkung bei BGH ZInsO 2009, 2113, 2114 {4} [II] = ZVI 2010, 22 (Billigung der Gläubiger), würde hiermit hinfällig. Schiessler Insolvenzplan (1997), S 153; Happe Rechtsnatur des Insolvenzplans

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(2004), S 225; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 235 Rn 17; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 151–153. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 49. Es war aber im RegE keinerlei Terminverbindung verordnet (§ 285 I „versus“ § 286 I): Ankündigung (§ 284 I S 2), Fristsetzung (§ 284 I S 3), Terminierung (§ 286 II S 1) – es sei denn jeder Betroffene wäre erschienen (§ 286 II S 3): BT-Drucks 12/2443 S 207. BT-Drucks 12/7302 S 183 re. Sp. [Nr 152]. Siehe dazu insb auch Vor §§ 217 ff Rn 89 [2], 247; § 221 Rn 109; § 240 Rn 10–12 sowie auch hier bei Rn 118.

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Weitere differenzierende Ansätze verwässern die Klarheit der Lösung des „fixen Punk- 107 tes“, auf den sämtliche Beteiligte von vornherein abstellen können. Daher zählt nicht, wie jene Gruppenmehrheiten konkret zustande gekommen sind,231 da die InsO zudem auch die Abwehrmöglichkeiten von Abstimmungsminderheiten ausdrücklich festlegt. Man sollte genauso wenig es etwa am Vorlegenden (§ 218 I S 1 bzw § 284) festmachen, wer genau wie lange noch zurücknehmen darf: § 240 S 1 trifft jede Person, und prozessrechtlich zählt doch eher die erweiterte Schutzwürdigkeit des Gegenübers gegenüber dem „Aktionsradius“ des Planenden. Eine andere Lösung wäre an einschlägigen Planregelungen auszurichten: hätte die Regelung nun schon endgültig Rechtsfolgen gezeitigt? Damit wäre das Zeitfenster weit aufgemacht, mindestens bis zur Rechtskraft für die Bestätigung (arg § 254 I), möglicherweise noch weitergehender, und außerdem noch uU eine relative Betrachtung eröffnet (letztendlich recht unpraktisch). Das verwischt die Unterscheidung von (teilweiser) Anpassung und (kompletter) Rücknahme auf andere Art. Was zuletzt den Plantyp als solchen betrifft, liefert er auch keinen brauchbaren Anhalt. Man könnte womöglich zwischen materiellen und prozessualen Plänen unterscheiden, dh zwischen der Gestaltung von Rechtspositionen und Verfahrensabläufen (vgl allgemeiner zur Typisierung Vor §§ 217 ff Rn 28 ff), was aber zu sehr auf individuelles, subjektives Betroffensein hinausläuft. Das „Gegenüber“ ist nicht ein Einzelner, sondern aufaddiert die „Gesamtheit des Kollektivs“. Dies verlangt nach genereller, objektiver Anknüpfung. Nach dem Annahmeakt ist eine einseitige Planrücknahme ohnehin logischerweise ver- 108 hindert (zuvor auch schon Rn 106 aE): der Planersteller für sich hat offensichtlich seine eventuelle Dispositionsbefugnis eingebüßt, die Erwirkung ist nämlich parteiseits verbindlich gemacht; durch eben die Zustimmung der Beteiligten wurde hier die Situation neu gestaltet – sie kann nur noch gemäß gesetzlicher Regel (§§ 248, 250/251, 253) vom Gericht (einseitig!) verhindert werden. Das sagt die prozessuale Betrachtung. Unter materieller Sicht (Vertrag? – dazu vgl oben Rn 21) gibt es aber immer auch noch die Möglichkeit der zweiseitigen Planaufhebung („contrarius consensus“). So mag eine (Plan-) Anpassung unvorhergesehene Massezuwächse erreichen oder gar eine Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren infolge veränderter Umstände vielleicht alsdann inhaltlich vorteilhafter erscheinen etc. Auf dieser Linie liegen die BGH-Entscheidungen bei Rn 105: der erste Fall232 würde als verkappte Änderung durchgehen (inzwischen gesetzlich gestattet: §§ 221 S 2, 248a233), der zweite Fall234 sollte auf vollständige Aufhebung hinauslaufen, die allseitig offenbar gewünscht war.235 Indes kann dafür nicht das Votum der Gläubigerversammlung entscheidend sein, son- 109 dern es muss vielmehr in denselben Gruppen über eine Aufhebung der Planungen erneut abgestimmt werden, um nicht die besonderen Mehrheitsregelungen des Planverfahrens zu unterlaufen – dabei muss nicht etwa jeder Gläubiger neu abstimmen oder auch nur etwa jede Gruppe die vorher zugestimmt hatte nun reziprok negativ votieren (sowie umgekehrt herum). Sinnvoll ist vielmehr, die Abstimmungsregeln gleichsam spiegelbildlich anzulegen

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AA Madaus KTS 2012, 27, 57 f: Rücknahme weiter statthaft bei Mehrheitsvotum oder Abwesenheiten (letzteres völlig unsicher!) – Zeitschranke: Rechtskraft. BGH NZI 2007, 521 {7} [II 3]. Eingeführt gemäß RA-Empfehlung (BTDrucks 17/7511 S 35 f: „Nachbesserungsrecht“) durch Art 1 Nr 17 und 36 ESUG [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3)].

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BGH ZInsO 2009, 2113, 2114 {4} [II] = ZVI 2010, 22. Durch das Aufzeigen einer Planlösung lässt sich unter Umständen der Preis für die übertragende Sanierung in die Höhe treiben, da nun der Interessent an dem schuldnerischen Unternehmen unter Entscheidungsdruck gerät, da auch ohne ihn der Fortführungswert realisiert werden kann.

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(§ 244 I), einschließlich des Verbots von Obstruktionen (§ 245); vor allem die Verschlechterung gegenüber der planlosen Regelabwicklung (§ 245 I Nr 1) kann nach status quo eine neue, veränderte Bewertung erheischen. Anders gesagt: entscheidend ist ausschließlich das Gruppenvotum – entsprechend der Planstruktur, die aufzuheben ist. 3. Subjektive Rechtsmacht

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Die Planrücknahme stellt den actus contrarius zur Planvorlage dar, dh wer vorgelegt hat, der vermag dann seinen Plan selbst auch wieder rückzunehmen (funktionale Identität erforderlich). Verwalterpläne können nicht etwa vom Gemeinschuldner mithin zurückgezogen werden und genauso anders herum. Weitergehend muss man unterscheiden: a) Verwaltervorlagen (§ 218 I S 1 Var 1). Die Amtsperson kann gewechselt haben, die Funktion übt derjenige aus, der in dem Moment der Aktion als Insolvenzverwalter bzw Sachwalter rechtsförmlich bestellt ist (§ 56 II – nicht unwichtig wegen § 57 S 1/2 und § 59 I); das Institut des Sonderinsolvenzverwalters bei Interessenkollisionen (dazu § 56 Rn 76 ff) dürfte insoweit kaum relevant werden. Die Gläubigerversammlung mag zwar die „Beauftragung“ (§ 218 II: Rn 46–54) – wieso auch immer – zurückziehen, ist aber weder selbst vorlageberechtigt noch – komplementär – dann rücknahmebefugt. Der Verwalter kann letztlich den Plan als eigenen „Initiativplan“ (dazu Rn 39–41) weiterverfolgen (vorbehaltlich einer Negativweisung: Rn 42–44) – fraglich bleibt aber, ob wirklich Annahmechancen bestehen … b) Schuldnervorlagen (§ 218 I S 1 Var 2). Schwierigkeiten können bei juristischen Per111 sonen und den sonstigen insolvenzfähigen Sondervermögen eintreten, da für jene aufgrund gesetzlicher Organstellung oder aber satzungsgemäßer Vertretungsmacht uU gleich mehrere natürliche Personen handeln können (dazu Rn 61–64, 70, 71–74). Bleibt man streng bei lediglich funktionaler Identität (vgl Rn 110 [vor a]), dh der Vertretung des Schuldners, könnte ein unschönes „Ping-Pong“ entstehen (mit hohem Preis bezahlt: § 231 II Var 3!). Hier muss man wohl ergänzend personelle Identität einfordern (siehe auch schon Rn 64); das kann man auch funktionell dadurch untermauern, dass gesetzlich konkurrierende „Teilrollen“ zwar zugelassen sind, man sich dann indes – positiv (Vorlegung) wie negativ (Rücknahme) – auch jeweils darin bewegen muss. Unberührt bleibt die Rechtsbindung im Innenverhältnis (dazu Rn 65, 70: „Absegnung“ durch Beschluss – Sanktionsfolge: Schadensersatz!), die Möglichkeit gesellschaftsrechtlichen Abberufens von „widerspenstigen“ Vertretungsorganen und genauso gemeinsames Auftreten aller Vertreter.

X. Planmehrheiten 1. Fallgruppenbildung

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Die Möglichkeit von gleichzeitig mehreren Planvorlagen (dazu Rn 116–119) ist gesetzlich klar mitgedacht, da Abs 1 S 1 zwei abstrakt vorlageberechtigte Personen kennzeichnet, dabei ist zudem der Insolvenzverwalter236,237 in einer doppelten Rolle angerufen (vgl Rn 36), weiteres mögen bei juristischen Personen und Sondervermögen als Gemeinschuld-

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 126, 130; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 39; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 218 Rn 15; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 218 Rn 12; Smid WM 1996, 1249,

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1254; ebenso wohl ferner Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 218 Rn 47. UU gar auch der Gemeinschuldner: § 284 I S 1.

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ner die Vertretungsregeln rechtlich konkurrierende Planvorlagen erlauben (dazu Rn 64, 70). Es kann mithin durchaus sein, dass am Ende drei oder gar noch mehr Plankonzepte miteinander letztendlich wetteifern. Hierin liegt nichts Anstößiges, sondern inhaltlich gesunder Wettbewerb um das bestmöglichste (scil. gläubigerfreundlichste) Verfahrensende. § 294 RegE hatte hier dezidiert noch gemeinsame Erörterung und Abstimmung angemahnt („Liegen mehrere Insolvenzpläne vor, so soll das Insolvenzgericht …“), dabei aber offenbar mehr die Beschleunigung als Hintergedanken;238 wichtig ist dazuhin der Hinweis, die Abstimmungsreihenfolge sei „nach dem Inhalt der Pläne und den sonstigen Umständen des Einzelfalles vom Gericht festzulegen“239. Beides dürfte weiter gelten (letzteres240 gedeckt durch die Prozessleitungsmacht: Rn 125), ist inhaltlich doch jene Streichung als lediglich redaktionelle Straffung begründet,241 zumal auch die Vorlagerechte weiter eingeschränkt wurden (vgl Rn 14) – man wollte derartige Plankonkurrenzen indes keineswegs total verhindern!242 – Vorstellbar ist auch der Fall von sukzessive mehreren Planvorlagen (dazu Rn 113–115), arg § 231 II. 2. Wiederholte Planvorlage Der Planersteller mag trotz Zurückweisung (Gericht: § 231), Ablehnung von Seiten der 113 Gläubiger (§§ 237–246) bzw ausnahmsweise von Gemeinschuldner (§ 247) bzw Anteilseignern (§ 246a) oder Nichtbestätigung (Gericht: §§ 248–251) einen „zweiten Anlauf“ wagen, erst recht nach einer statthaft erfolgten, autonomen Rücknahme (gem Rn 103). Für den Gemeinschuldner ist das zweifellos so vorgesehen (arg § 231 II, dazu Näheres dort Rn 36–39), und wenn man dazu bedenkt, dass diese Regel bloß möglichem (Schuldner-) Missbrauch vorbeugen will (daher [Verwalter-] Antrag nötig!),243 ist hierdurch implizit grundsätzliche Erneuerbarkeit generell bestätigt.244 Mithin steht auch dem Verwalter eine Wiederholung frei. Dies sah auch der Rechtsausschuss245 anlässlich der Streichung des § 292 RegE (Möglichkeit zweiter Abstimmung!) so, wenn er ganz allgemein dazu festhielt: „Unberührt bleibt die Möglichkeit, nach der Ablehnung eines Plans einen neuen Plan vorzulegen, der inhaltlich weitgehend [!] mit dem abgelehnten Plan übereinstimmen kann.“ Worin letztlich solche Ablehnung wurzelt, erheischt dabei erkennbar keine Bedeutung! Genannt werden dabei aber nur abgeänderte (Rn 114), nicht etwa zudem auch identische (Rn 115) Pläne. Eine „Novation“ wird namentlich etwa naheliegen, um bestehende Ablehnungsmotive 114 zu beseitigen (insb wo eine Modifikation nicht weiterhelfen kann (vgl Rn 106 iVm § 240 Rn 10–12). Es gibt – jenseits der Regelung § 231 II – jedoch durchaus gewisse Grenzen. (a) Nach Annahme eines ersten Plans mitsamt gerichtlicher (rechtskräftiger) Bestätigung, ist die „abweichende Regelung“ (iSv § 1 S 1 Hs 3) festgezurrt; es kann dann alleinig anpassende „Fehlerkorrektur“ nachfolgen (§§ 221 S 2, 248a). Nach positiver Beschlussfassung

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BT-Drucks 12/2443 S 210 re. Sp. BT-Drucks 12/2443 S 210 re. Sp. Wegen ersterem siehe Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO68 § 235 InsO Rn 8; FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 43; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 10; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 197 bzw MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 30. BT-Drucks 12/7302 S 184 re. Sp. [Nr 159]. Dennoch sind bislang parallele Planvorlagen unbekannt, und insofern ist folglich die ge-

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setzgeberische Streichung der Vorschrift nachvollziehbar. BT-Drucks 12/2443 S 204 re. Sp.: Schutzmittel gegen Verschleppung – siehe auch bei § 231 Rn 3. So die hM: Schiessler Insolvenzplan (1997), S 153; Happe Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 252; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 218 Rn 1; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 122. BT-Drucks 12/7302 S 184 li. Sp. [Nr 157].

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der jeweiligen Gruppenmehrheit kommt aber immerhin noch die Aufhebung der Planungen (iSv Rn 109) insoweit in Betracht (quasi inhaltlich als actus contrarius): damit kann es auch keine anschließende „Sperrwirkung“ geben. Vor Beginn des Erörterungs- und Abstimmungstermins ist sowieso jederzeit aber noch eine Rücknahme möglich (vgl Rn 104). 115 (b) Fraglich ist außerdem, inwieweit eine inhaltsgleiche Neuvorlegung statthaft wäre, es sei nach einer erfolgreichen, intensiven „Werbekampagne“, die einen Meinungsumschwung verheißt, oder aufgrund abgeänderter wirtschaftlicher Verhältnisse (zB: Erwerber wird gefunden, aber genauso auch denkbar: er springt ab). Man hält dies für möglich und erlaubt246 – muss dabei indes zwei wichtige Kautelen beachten: Der Verwalter sollte, ja müsste, zusätzlich ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis vermitteln (ansonsten könnte dieser uU endlos abstimmen lassen … – als vorschneller Gegenschluss aus § 231 II), und zudem darf keine sperrende gerichtsseitige Abweisung entgegenstehen. Vorprüfungsvotum wie Nichtbestätigung erwachsen in formelle Rechtskraft (§§ 231 III, 253 Var 2) und begründen sanktionsähnliche Wirkungen, auch wegen tatbestandlich hoher Hürden (§ 231 I S 1 Nr 1 [Nachholbarkeit bzw Fristversäumnis] bzw § 250: Wesentlichkeit bzw Behebbarkeit [Nr 1]; Unredlichkeit [Nr 2]). In einer Versagung wegen konkreten Mängeln liegt die verbindliche gerichtliche Feststellung, dass solch eine Gestaltung rechtlich unzulässig erscheint. Das wirkt alsdann materielle Rechtskraft.247 3. Gleichzeitige Planvorlagen

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Problematisch ist dagegen die Ermöglichung zeitgleicher Planvorlagen gestützt auf dasselbe Initiativrecht (besonders wichtig wegen Rn 41). Dazu besteht eine Vielfalt an Lösungsvorschlägen. Befürworter bemühen den Wettbewerbsgedanken248 (Finden bester Lösung) und den Gleichheitsgedanken249 (Organstellung vervielfache Vorlagerechte, vgl Rn 64, 70), Skeptiker verweisen auf das mangelnde Bedürfnis250 (zuvor „eigenständige autonome Bestenauslese“ nötig) und auf Verwerfungen im Normensystem251 (§§ 157 S 2, 218 I S 1, 231 II – „Grundprinzip der Einmaligkeit“252). 117 Vermittelnd wird einerseits etwa anempfohlen, eine Kakophonie vor der Abstimmung noch rechtzeitig zu beseitigen253 (Erörterung in Vielfalt, Abstimmung in Klarheit). Dagegen streitet mE relativ deutlich, dass auch das Vorprüfungsverfahren (§ 231) und der Stellungnahmeprozess (§ 232) möglichst strikt verlaufen sollen. Es ist eben etwas völlig anderes, ob man in einem Planvorschlag mögliche Variationen zeigt oder konträre Konzepte eröffnet. Letzteres untergräbt bisweilen zusätzlich die Glaubwürdigkeit des Planvorschlages (zuwenigst bei geteilter Initiativrolle iSv Rn 36). § 240 [S 1] lässt zwar nur Anpassun-

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Happe Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 252; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 123. AA Happe Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 252 (offenbar ganz generell – „Plan als Norm“) bzw MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 123 (Eintritt geänderter Umstände erforderlich). HambK/Thies InsO6 § 218 Rn 5; wohl iE auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 218 Rn 5. Vogel DZWIR 2004, 490, 492 (zumindest Eventualvorschläge von Naturalpersonen statthaft).

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 37. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 218 Rn 47. Das auch dem motivierenden „Wettbewerbsgedanken“ zugrundeliegt (BT-Drucks 12/ 2443 S 92 li. Sp.: Recht mehrerer Personen, „einen Plan vorzulegen“ – ersteres wurde später zudem begrenzt, letzteres dabei doch nicht etwa erweitert!). Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 37.

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gen „auf Grund der Erörterung im Termin“ zu, es gibt jene jedoch auch vorher aufgrund anderer Umstände (arg § 231 I S 1 Nr 1: Abhilfefrist, dort Rn 23–25). Demnach bedarf es keiner extra Rücknahme mit Neustart des Verfahrens (dazu Rn 113–115), sondern lediglich transparent gemachter Variationen (Zeitgewinn!). Letzthin demnach ist es ein falsches Etikett, das hier verwendet wird: es geht um bloße Variation eines Plans, nicht vielfache Pläne. Dagegen wird man kaum jemals ernsthaft rechtliche Vorbehalte einwenden. Andererseits wird vorgeschlagen, Alternativpläne (verboten) und Eventualpläne (eröff- 118 net) grundsätzlich zu unterscheiden;254 die Kritik (dazu vgl eben Rn 116) treffe lediglich „kumulative“ Vorlegung, nicht aber die dezidiert „eventuelle“ Vorlegung – hier sei klar der prozessuale Bestimmtheitsgrundsatz eingehalten (zulässige innerprozessuale Bedingung) und gleichsam nur wiederholter Planvorlage (iSd Rn 113–115) vorgegriffen. Das schafft ohne Zweifel einen prozessual unschätzbaren Zeitgewinn und schleift die Grenzen aus § 240 („der Kern muß erhalten bleiben“255 – vgl Rn 106 iVm § 240 Rn 10–12). Die Planvorlegung als Prozesshandlung (dazu Rn 22) unterliegt von vornherein nicht 119 etwa der Stufungsvorgabe für Klageerhebungen, denn es sind ja zweifelsohne mehrere Planvorlagen (verschiedener Initiatoren) möglich; dann könnte man ebenso über weitere Vorschläge desselben Verfassers mitbefinden. Die betroffenen Beteiligten entscheiden vom Ergebnis her, dh subjektiv nur motiviert. Nach der KO wurden eventuelle Zwangsvergleichsvorschläge zugelassen256 im Unterschied zu Privatvergleichsvorschlägen257 nach der VglO (arg § 7 I S 1 VglO: „Der Vergleichsvorschlag muß bestimmt sein.“); das amerikanische Recht toleriert jedwede mehrfache Vorlage (arg 11 USC § 102 Nr 7: „the singular includes the plural“). Unter neuem Recht fehlt hierzu glasklarer Anhalt; auch § 294 RegE (vgl Rn 13, 112, 120) traf insoweit keinerlei Aussagen – trotzdem deutet alles auf Einmaligkeit: die Verminderung der Zahl der Vorlagerechte würde nämlich ansonsten nutzlos verpuffen, wenn nicht auch zeitgleiche selbständige Planvorlagen damit beschränkt wären. 4. Verfahrensprobleme In Anlehnung an § 294 RegE ist weiterhin ein einheitlicher Erörterungs- und Abstim- 120 mungstermin prozessual zu bevorzugen258 (dieses begünstigt echten Wettbewerb). Notwendig war aber einst dezidiert, dass „mehrere Insolvenzpläne vor[liegen]“; Ziel ist hier die Parallelisierung für „zeitähnliche“ Planvorlagen – zu Recht wird daher verlangt, dass hinsichtlich der Erstvorlage keine größeren Verzögerungen eintreten.259 Der Gesetzgeber

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Erschöpfend dazu MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 125–136. BT-Drucks 12/7302 S 183 re. Sp. [Nr 150]. Jaeger/Weber KO8 § 174 Rn 1 aE; Uhlenbruck/Uhlenbruck KO11 § 174 Rn 1e; Kilger/K Schmidt InsG17 § 174 KO Anm 2 – aA Schumann KuT 1941, 51, 52. Bley/Mohrbutter VglO4 § 66 Rn 19 (bezüglich beider Varianten – demnach eventuelle wie alternative Vorlage); Kilger/Schmidt InsG17 § 7 VglO Anm 1; Vogels/Nölte VglO3 § 3 Anm II/2; Uhlenbruck/Uhlenbruck KO11 § 174 Rn 1e (zum Privatvergleichsvorschlag). Wegen ersterem siehe Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO68 § 235 InsO Rn 8; FK/Jaffé

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InsO9 § 235 Rn 43; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 10; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 197 bzw MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 30. HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 7; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 197 – eher rigider noch Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 235 Rn 13 [1. Abs] („keine qualitativen [!] Verzögerungen“), dagegen wohl lascher K Schmidt/Spliedt InsO19 § 235 Rn 10 (möglichst noch Vertagung). Wobei dieser Aspekt nicht gänzlich unumstritten ist, da teilweise dem Gericht kein Beurteilungsspielraum bzgl einer einheitlichen Ladung zugebilligt, sondern darin

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will zwischenzeitlich noch etwas weiter beschleunigen und taktet einen zeitlich engen Rahmen (§ 231 I S 2 [Vorprüfung: zwei Wochen, dort Rn 40]; § 232 III S 2 [Kommentare: zwei Wochen, dort Rn 18–20]; § 235 I S 2 [Erörterung und Abstimmung: vier Wochen bzw ein Monat, dort Rn 48 f], aber vgl auch § 236 – alles aber nur Sollvorschriften!). Langes Zuwarten dürfte demzufolge also ausscheiden, ansonsten könnte die späte Vorlage auch allein Verzögerungszwecken dienen (gegen die sonst nur Zurückweisen der Zweitvorlage [§ 231 I S 1 Nrn 2 und 3 – jedoch selbständig beschwerdefähig: Abs 3] helfen könnte. Man sollte sich jedoch überhaupt sämtlicher „subjektiver“ Motiverforschung verweigern und lediglich objektiv bzw zeitlich anknüpfen: Erfasst sind regelmäßig bloß solche Planvorlagen, die alsbaldig hintereinander einkommen (vielleicht als Richtwert: 10 Tage) oder bei denen die spätere Möglichkeit besteht, sie ohne einen Verzug verfahrensmäßig zu parallelisieren. 121 Auch auszuschließen sind konfligierende mehrere Insolvenzpläne. Bloß ein Plan vermag zum Schluss verfahrensbestimmende (arg § 1 S 1 Hs 3: „in einem Insolvenzplan“ [offenbar darum hier ein Zahlwort]) wie privatrechtsgestaltende (arg § 254 I S 1: „für und gegen alle Beteiligten“) Wirkungen zu begründen. Fraglich ist freilich, wann man bzw wer denn wie ebensolche Konflikte verhindert: das Gericht bei Vornahme der Bestätigung der Planvorlage (in Anlehnung an 11 USC § 1129 lit c: abzuwägen sind Interessen der Gläubiger und Kapitaleigner) oder vorlaufend die Gläubigerschaft bei Abstimmung? Einige favorisieren die „späte“ Gerichtslösung, indes ohne sich auf Sachfaktoren zu verständigen.260 Das passt schwerlich aber zum Normsystem, wonach strategische Planentscheidungen der Gläubigerschaft anheimfallen und dem Gericht nur die spätere Rechtmäßigkeitskontrolle zufällt (§§ 248–251), dh jenes eben nur Rechts- keine Fachaufsicht übt bzw lediglich retrospektiv (!) die Rahmenvorgabe überprüft. Das Gericht kann deshalb keine letztverbindliche (zweckorientierte!) Auswahlbefugnis haben.261 122 Man müsste also schon der Gläubigerschaft die sachliche Priorisierung gestatten. Das eröffnet subjektive Maßstäbe. Es kommt zu gleichsam einer doppelten Abstimmungsrunde: der „Einzelabstimmung“ (welche Pläne sind mehrheitsfähig) folgt dann noch eine Art „Gesamtabstimmung“ (welcher dieser Pläne wäre mehrheitswürdig) – die jedoch das Gesetz nicht so kennt (nicht einmal unter der Herrschaft von § 294 RegE kannte). Auch dann bleibt noch viel unklar. Sollte Gruppenmehrheit zählen?262 Das erscheint kaum sinnvoll, kann doch jeder Plan hier seine ureigenen (sachlichen: § 222) Kriterien zugrunde legen; am Ende könnte „belohnt“ werden, wer möglichst viele Gruppen gebildet hat. Und auch der Vorschlag, beide Pläne abzuweisen,263 liefert keinen rechten Ausweg (Übermaßverbot): Welche Mehrheiten rechnen: Kopf- und/oder Summenmehrheit? Für die Kumula-

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eine Pflicht gesehen wird, vgl: HK/Haas InsO9 § 235 Rn 10; Ahrens/Gehrlein/RingstmeierSilcher InsO3 § 235 Rn 60. Henckel KTS 1989, 477, 482 (wirtschaftlich günstigste Ausgestaltung [Gläubigersicht]); Engberding DZWIR 1998, 94, 96 (geeignetes Fortführungskonzept [„Sanierungsbias“]); Happe Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004), S 249 (geringste Eingriffe enthalten [Schuldnersicht]). So wie hier Hess/Weis WM 1998, 2349, 2359; FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 45; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 9. Generell zur

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mangelnden materiellen Prüfungskompetenz des Gerichts: Madaus Insolvenzplan (2011), S 362 f. Braun/Braun/Frank § 218 InsO7 Rn 12; Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 643; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 218 Rn 49 („unter Berücksichtigung deren Größe und wirtschaftlicher Betroffenheit“). HK/Haas InsO9 § 248 Rn 5 (der zugleich erneut einzeln über die Pläne nach Versagung der Bestätigung abstimmen lassen will [letzter Versuch]).

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tion264 spricht § 244 I, für die Summenmehrheit265 dagegen § 76 II; man will zT266 zwar die „planaffine“ Abstimmung (§ 244 I), löst ein Patt letztendlich indes doch übers Aufsummieren (§ 76 II), dh den „Plenumsmodus“ der Gläubigerschaft. Die Anknüpfung erscheint ambivalent. Schließlich: Gelten nicht auch die Einschränkungen des Obstruktionsverbots (§ 245)? Dies würde doch irgendwelche gerichtliche Hilfestellung abverlangen. Jener Konflikt ist auf formaler Ebene zweifellos besser (und dies heißt: verfahrensförmig) aufgehoben. Wenn man also objektive Maßstäbe abfordern muss, kann man eine zeitliche Priorisie- 123 rung vornehmen – gewiss kaum im Sinn von Rechtskraftpriorität267 (in Orientierung an § 580 Nr 7a bzw § 328 I Nr 3 Var 1 ZPO). Dies verführte bloß zu „Spiegelfechtereien“ im Beschwerdeverfahren, provozierte wechselseitige Konkurrenz und schaffte ungewolltes Sperrpotential. Wenn, kann nur eine vollkommen „objektive Priorität“ überzeugen – und das zielt auf den ersten268 oder letzten269 aller konkurrierenden Pläne. Am Ende macht Sinn allein, an erstmalige Planannahme anzuknüpfen: sie lässt den Gläubigern die Freiheit der Wahl, eröffnet rasche Klarheit (Erledigung alternativer Vorschläge: Rn 124) und entspricht der Erwartung, dass das attraktivste „Angebot“ am schnellsten „Annehmer“ finden dürfte. Gelöst wird ferner die Problematik bei mehr als zwei Planvorlagen (man kann nämlich auch streiten, ob man eine dritte oder vierte etc überhaupt noch abstimmen lässt …). Eine Wirksamkeit letzter Planannahme wäre am Ende „verdrehte“ Priorität. Damit rückt zur Kernfrage auf, in welcher Reihenfolge die Abstimmung erfolgt (dazu Rn 125). Die hM toleriert die Annahme von mehreren Planvorlagen und schafft sich erst da- 124 durch diese komplizierten Folgeprobleme. Dagegen zeigt schon die Überschrift des zweiten Abschnitts (§§ 235–253: „Annahme und Bestätigung des Plans“) das Grundprinzip der Singularität. So wie bloß ein Plan später Bestätigung finden kann (dazu Rn 121), so sollte auch nur ein Plan vorher angenommen werden. Nur das belässt die Verantwortlichkeit dort, wo sie auch hingehört: bei den Beteiligten! Sie suchen die eigene „planoptimale“ Lösung (im hierfür festgelegten Abstimmungsmodus, dh jeweils nach Gruppen). Hierhin weist nicht zuletzt § 248 I, welcher doppelt den Singular ansetzt, und zwar für Annahme (Hs 1 Var 1: „des Insolvenzplans“) wie Bestätigung (Hs 2: „der Plan“), und damit implizit auf einen Gleichlauf setzt. Zugegeben: disparate Gruppenbildung erlaubt im Prinzip mehrfache Planzustimmung, oft sind zudem Folgefragen zu entscheiden (§ 245?). Daher die Regel: Die Annahme einer Vorlage bewirkt ganz zwangsläufig bereits eine Erledigung sonstiger Vorschläge.270 Damit ist jedes mögliche „plan shopping“ im Ansatz verhindert – Vergleichsmaß ist immer nur der Erlös bei Liquidation (§§ 245 I Nr 1, 251 I Nr 2 – ist gegenüber § 78 I lex specialis!), nicht etwa ein womöglich konkurrierender Zweitplan.

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Kübler/Prütting/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 37 (soweit nicht bereits ein Plan eine vollständige Gruppenzustimmung vorweisen kann); Braun/Braun/Frank InsO7 § 248 Rn 6. Riggert WM 1998, 1521, 1525; Mohrbutter/ Ringstmeier/Bähr Hb InsVw9 Kap 14 Rn 255; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 9; HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 5. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO61 § 218 InsO Rn 43 und K Schmidt/Spliedt InsO19 § 235 Rn 10. Lösungsweg von MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 201 und Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 218 Rn 19 – mR hier aA Ner-

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lich/Römermann/Braun InsO9 § 218 Rn 49 („unhaltbar“). Lösungsweg von Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 235 Rn 60. Lösungsweg von Schiessler Insolvenzplan (1997), S 155. Jenes betont richtig MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 201 (Fn 267) – bei falschem Bezugspunkt (scil. Rechtskraft); Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 218 Rn 49 setzen überflüssigerweise ebenso Rechtskrafteintritt voraus. Auch MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 32 sieht hier keine Erledigung.

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Weil es eine reguläre Gläubigerversammlung betrifft (§ 235 I S 1: Erörterungs- und Abstimmungstermin; möglicherweise auch Prüfungstermin: § 236 S 2), gelten allgemeine Regeln (§§ 74 ff) soweit „planspezifische“ Ausgestaltungen (§§ 237 ff) fehlen. Terminierung wie Tagesordnung rechnen dabei zur richterlichen Leitungsmacht (arg § 74 II S 1 [dort Rn 20–22] iVm § 76 I). Einerseits ist maßgeblich, dass die Tagesordnung die Eingeladenen zuverlässig informiert,271 dh bei Mehrheit von Plänen das benennen muss; andererseits ist unmittelbare Reaktion auf die Erörterungen erwünscht (§ 240). So wie es vorheriger Leitungsmacht entspricht, die Tagesordnung gerichtsseitig festzusetzen, so sind ebenso spätere Modifikationen erlaubt, was die Abstimmungsreihenfolge angeht. Das Gericht sollte hierbei der gewohnten Übung gehorchen, weitgehendere Anträge voranzustellen,272 was jedoch bei Plänen mit oftmals komplexen Gefügen sehr schwerfallen kann (vielleicht als Faustregel: Sanierung vor Liquidation – bei notwendiger Rückkopplung mit § 157 S 1). Dadurch erhält das Gericht mithin doch eine starke Stellung, freilich nur im Formalen. Wenn man will, kann man dies die „frühe“ Gerichtslösung heißen, muss aber sehen, dass das alleinig Vorstrukturierung des Abstimmungsmodus bedeutet, niemals inhaltliche Wertung (sie obliegt den konkret Beteiligten). 126 Zugestehen wird man hier allerdings, dass die Versammlung eine autonome Abstimmungsreihenfolge festlegt, dh den gerichtlichen Vorschlag gleichsam zurückweist („Geschäftsordnungsantrag“) und eigene Regeln aufstellt. Dafür gilt die reguläre „Plenumsregelung“ bzw einfache Summenmehrheit273 – die Vorhand hat allemal das Gericht (dazu Rn 125), daher ist nicht die Gläubigerversammlung zwingend zu befragen, in welcher Reihenfolge die Abstimmung erfolge – das kann (nicht: muss) das Gericht aber dennoch tun, zumal hier eine recht wichtige Weichenstellung vorliegt (dazu Rn 124). Im Abstimmungstermin ist letzthin die Stellung des Gerichts eine rein formelle, mögen auch viele plantaktische und psychologische Überlegungen auf Gläubigerseite mit hineinspielen; die materielle Prüfung (§ 250: Bestätigungsverfahren) ist bewusst abgetrennt – das schließlich unterscheidet Nachprüfung von Vorprüfung (§ 231: Zurückweisungsverfahren), wo Rechtskontrolle (Abs 1 S 1 Nr 1) und Gerichtsprognose (Abs 1 S 1 Nrn 2 und 3) gerade zusammengefasst werden.

XI. Haftungsfragen 1. Grundproblematik

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Fortführungspläne sind wie alle Sanierungskonzepte ein „Wechsel auf die Zukunft“. Ihr Ziel ist, Entwicklungen zu antizipieren, darauf beizeiten zu reagieren, um sie so inhaltlich zu bewältigen. Sie beruhen auf Prognosen, Hoffnungen, Erwartungen etc, welche fehlgehen können, sei es aus internen Gründen („Zweckoptimismus“), sei es aus einem externen Anlass (zB Technologiewechsel, Marktverhalten, Exporthindernisse etc). Das sind alles normale unternehmerische Risiken, und eine Weiterführung per Insolvenzplan ist eine grundlegende unternehmerische Entscheidung. Das muss den einzelnen Beteiligten bei spä-

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BGH NZI 2008, 430 {3} („schlagwortartige Bezeichnung“ … [Insolvenz]) mit BGHZ 99, 229, 122/123 (… „[um] vor Überraschungen … zu schützen“ [Verein]). Dieses meint wohl Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 235 Rn 13 [2. Abs] – anders im Ansatz MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 197 und MünchKomm/Hintzen

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InsO3 § 235 Rn 31: Zeitpunkt fehlerfreien Planeingangs maßgebend. So wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 235 Rn 10; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO68 § 235 Rn 8; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 14; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 31 aE; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 196.

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terer Stimmabgabe klar sein! Es ist doch am Ende allzu leicht, ex post die ex ante benötigten Angaben inhaltlich zu widerlegen – man kann gewiss später Prognose an Realität messen (bloße „Erfolgskontrolle“), jedoch sicher nicht darauf pochen, dass auch genau sodann erfolgt, was geplant war (keine „Erfolgsgarantie“). Die materielle Haftungsverantwortung bei (allgemeiner) Sanierungsberatung ist hier nicht weiterreichend zu thematisieren274 – nur kurz so viel zur Vorlegendenhaftung des Planaufstellers bei insolvenzrechtlicher (besonderer) „Sanierungsbeplanung“: 2. Schuldnervorlage Bei Planvorschlag des Gemeinschuldners (§ 218 I S 1 Var 2) ist schlussendlich die Haf- 128 tungsfrage kaum weiterführend. Rechtlich müssen für Eigenvorschläge letztlich wohl geringere Pflichtmaßstäbe gelten: die Beteiligten kennen „ihr“ Risiko, dass nämlich mehr oder weniger alles mit „rosaroter Brille“ angesehen ist. Einer solchen Planung steht das Risiko „auf die Stirne geschrieben …“; das kennt ein jeder Beteiligte von vornherein (bzw sollte es kennen!) und muss sich zum Eigenschutz angemessen vorsichtig verhalten. Dazu kommt faktisch zudem eine simple Grenze: scheitert die Sanierung, geht es in eine Folgeinsolvenz, dh es fehlt an erforderlicher substantieller Haftungsmasse. 3. Verwaltervorlage Anders der Ansatz bei Verwalterplänen (§ 218 I S 1 Var 2): Insoweit gibt es eine urei- 129 gene Haftungsnorm (§ 60 I S 1, dazu vgl dort Rn 88–91 [Gerhardt]) bei Missachten insolvenzrechtlicher Pflichten, und der Insolvenzverwalter (oder seine Haftpflichtversicherung) ist ein solventer Schuldner. Es geht hier um sog Vorbereitungspflichten im Aufstellungsprozess275 – immer mit Blick auf einen allemal gemilderten Haftungsmaßstab (§ 60 I S 2): er muss bloß „für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters“ einstehen, dh sich dabei insgesamt „lege artis“ verhalten (Zeitdruck!). Es geht einerseits hier um Prognosen (dazu Rn 127), welche ohnehin nur haftbar machen, wenn sie sich auf falsche Annahmen gründen („Kunstfehler“)276; es geht andererseits aber um Pflichtwidrigkeit, dh Sorglosigkeit bzw Blauäugigkeit277. Der Verwalter darf keinen Plan befördern (bzw muss einen „Auftrag“ gemäß § 157 S 2 entsprechend kritisch kommentieren), soweit er selbst nicht Erfolgsaussichten sieht. Man kann ihm eine planwidrige Entwicklung wohl selten anlasten278,279 … Das letztlich muss scheitern, wenn und weil die Darstellung mögliche Risiken deutlich verzeichnet280. 274

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Vertiefend hierzu siehe Ehlers BB 2014, 131; Frege NZI 2006, 545; Berger/Frege/Nicht NZI 2010, 321; Beck/Depré/Zimmer PdI3 §§ 47–50; K Schmidt/Uhlenbruck/K Schmidt Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz4 Rn 11.1 ff. Im Unterschied zu Vorlagepflichten und Durchführungsakte – Trennung im Anschluss an W Lüke FS Uhlenbruck (2000) S 519, 522. Dazu näher Antoni NZI 2013, 236, 238 f [IV 2]; sehr abgewogen auch BK/Flöther/ Wehner InsO42 § 220 Rn 1 aE. Scheitern der Planung ist nicht als solches ein Haftungsfall: FK/Jaffé InsO2 § 220

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Rn 78–80; Warrikoff KTS 1996, 489, 502; Antoni NZI 2013, 236, 237; Uhlenbruck/ Sinz InsO14 § 60 Rn 52; Jaeger/Gerhardt InsO § 60 Rn 89. So auch Antoni NZI 2013, 236, 237 f [IV 1]. Indes aber durchaus etwa ein Ablehnen offenkundig besserer Alternativen: BGH ZIP 1995, 422, 423 f [II 1b bb] = WM 1985, 422 (anderweit „übertragende“ Sanierung). FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 81–83; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 60 Rn 52; Kübler/Prütting/Bork/Lüke InsO35 § 60 Rn 68; Jaeger/ Gerhardt InsO § 60 Rn 90; HambK/Weitzmann InsO6 § 60 Rn 46.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Daneben besteht übliche Haftung bei Verletzen insolvenzunspezifischer Pflichten (Vertragsrecht [§ 311 III BGB], Deliktsrecht [§§ 823 I/II, 826 BGB]; Steuerrecht [§ 69 AO] etc – näher dazu bei § 60 Rn 150 ff). Man kann hier aber nicht dieselben Rechtsgrundsätze wie für Prospekthaftungen anlegen281 – die Planvorlage ist erkennbar insolvenzspezifische Tätigkeit (§ 218 I Var 1), dann besteht insolvenzspezifische Haftung, mitsamt aller ihrer eigenen Implikationen. Es ginge freilich, die Sachkriterien zu parallelisieren (Investitionsentscheidung: Rn 78), indes sind einerseits die originär insolvenzrechtlichen Vorgaben am Ende viel härter, vgl dazu bei § 220 Rn 45–48 – und andererseits ist die Krise jedem bekannt.

§ 219 Gliederung des Plans 1Der Insolvenzplan besteht aus dem darstellenden Teil und dem gestaltenden Teil. 2Ihm sind die in den §§ 229 und 230 genannten Anlagen beizufügen.

Materialien: EB LS 2.2.5 (Begr S 168); DiskE § 247 (Text: S 127, Begr: BT S 222), RefE § 247 (Text: S 145, Begr BT S 255 f); RegE § 257 (BT-Drucks 12/2443 S 50, 197 [RV] mit BT-Drucks 12/7302 S 95, 182 [RA: Nr 137]) – Stammfassung. Literatur Bilgery Der schlanke Insolvenzplan, DZWIR 2001, 316, 317 f; Bork Der Insolvenzplan, ZZP, 109 (1996), 473; Hermanns/Buth Insolvenzplan als Sanierungsplan – Grundzüge und betriebswirtschaftliche Aspekte, DStR 1997, 1178–1184; Hess Vom Sanierungskonzept zum Insolvenzplan, WPg 2009, 299–304; Martini/Horstkotte Häufige Fehler bei der Aufstellung von Insolvenzplänen und der Durchführung von Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2017, 1913, 1915–1921; Rattunde Sanierung von Großunternehmen durch den Insolvenzplan – Der Fall Herlitz, ZIP 203, 596; Smid Sanierung durch Insolvenzplan – Bemerkungen über praktische Fragen, NZI 2000, 454; Stapper/Jacobi Der Insolvenzplan – Was prüft das Gericht?, ZInsO 2014, 1821; Warrikoff Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzplan, KTS 1997, S527; Westrick Die Anlagen zum Insolvenzplan, DStR 1998, 1879–1883. Siehe noch die Angaben bei § 220 und § 221. Beispiele: IDW S2 (Gliederungsvorschlag), ZIP 1999, 500 (Vorentwurf) bzw IDW-FN 2000, 81 und Wpg. 2000, 285 (Endfassung) – ferner: Allemand/Dobiey/Henning Musterinsolvenzplan, ZVI 2014, 296; Beck/Depré Praxis der Insolvenz (20173) Rn 43.234; Beyer Insolvenzplanverfahren bei natürlichen Personen (Teil I), ZIV 2013; 334–338; Beyer Insolvenzplanverfahren bei natürlichen Personen (Teil II), 2014, 289–295; Braun/Uhlenbruck Muster eines Insolvenzplans (1998); Breuer Insolvenzrechts-Formularbuch (20073) S 447–456; Buth/Hermanns Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz (20032), § 27; Ehlers/Schmidt-Sperber Musterinsolvenzplan für Freiberufler bei Vermögensverfall, ZInsO 2008, 879; Frege/Keller/Riedel Handbuch der Rechtspraxis – Insolvenzrecht (20158) Rn 2015; Haarmeyer/Wutzke/Förster Handbuch der vorläufigen Insolvenzverwaltung (2011) § 14 Rn 55; Hess Insolvenzrecht (20132) § 219 Rn 5 f; Hess/Obermüller Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz (20033) S 283–291, Muster 1; Horstkotte/Martini Die Einbeziehung der Anteilseigner in den Insolvenzplan nach ESUG: Muster-Arbeitshilfen …, ZInsO 2012, 557; Lauscher/Weßling/

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So sehen es indes W Lüke FS Uhlenbruck (2000) S 519, 529 f [III 3] Berge/Frege/Nicht NZI 2010, 321, 330 [IV 2 a] mit Fn 89; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 4; aber

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uU auch Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 11 – so wie hier Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1; HambK/ Weitzmann InsO6 § 60 Rn 46.

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§ 219

Gliederung des Plans

Bange Muster-Insolvenzplan, ZInsO 1999, 500; Mohrbutter Muster von Vergleichsvorschlägen in Vergleichsverfahren, KTS 1967, 32 ff; Mundt DStR 1997, 620, 621 f [2]: [in Anlehnung an IDW]; Nerlich/Römermann/Braun Insolvenzordnung9 §§ 219–221 Rn 19–21 mit Braun/Braun/Frank Insolvenzordnung (20177) §§ 219–221 Rn 8–10; Runkel/Frank Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht (20082) Rn 13.184; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan (20144) Anhang 1–3; Wiedenhaupt Standardisierter Insolvenzplan in den Insolvenzverfahren natürlicher Personen – Das Beste aus zwei Welten, ZInsO 2018, 306 – vgl auch erg IDW-FN 1991, 319, 321–324 (Anlagen 1 bis 4).

Übersicht I. Normzweck und -genese 1. Systematik . . . . . . 2. Normentwicklung . . 3. Rechtsvergleich . . . . 4. Teleologie . . . . . . . II. Planteile . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . .

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Rn. 1 1 3 6 8 10 10

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a) Zweiteilung ieS (Satz 1) . b) Mehrteilung iwS (Satz 2) 2. Regelhafte Angaben (Satz 1) 3. Ergänzende Anlagen (Satz 2) 4. Fehlerfolgen . . . . . . . . . III. Planaufbau . . . . . . . . . . . IV. Planinhalte . . . . . . . . . . .

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Rn. 11 13 15 19 22 23 29

I. Normzweck und -genese 1. Systematik § 219 schafft eine formale Textstruktur für den Insolvenzplan (quasi „kleine Klam- 1 mer“ bzw „erste Stufe“), bevor noch § 220/221, 229/230 dann die einzelnen Bestandteile allgemein vorbestimmen („zweite Stufe“ bzw Generalklausel); nach der anfänglich vorgelegten Konzeption standen danach als „dritte Stufe“ noch nachgelagert, besser gesagt: eingeklammert, eine Reihe vieler Detailregeln zur Darstellung (§§ 259, 261–263 RegE) wie Gestaltung (§§ 265–272 RegE). Jenes ist heute insgesamt schwerer erkennbar: alle „konkretisierenden“ Darstellungsregeln sind nämlich gestrichen (Bedürfnis redaktioneller Straffung1), die – weitgehend Gesetz gewordenen (§§ 222–228 – bloß ausgenommen hier § 272 RegE, vgl § 221 Rn 71) – Gestaltungsregeln als solche nicht eigens benannt. Damit wird die „Dialektik“ nicht mehr recht erkennbar, obwohl sie das System nach wie vor noch immer inhaltlich stark beherrscht. Wenn man jene freilich wieder aufdeckt, ergibt sich daraus zum ersten Abschnitt des 2 Planteils (§§ 217–234: „Aufstellung des Plans“) eine offenkundig zugrundeliegende Dreiteilung („große Trias“): Eingangsnormen (§ 217–219), die sich mit nötigen Grundlegungen des Insolvenzplans befassen; Ausführungsnormen (§§ 220–230), die inhaltliche Hilfestellung vermitteln, und Verfahrensnormen (§§ 231–234) zum Vorverfahren, um nachfolgend durchzuführende Gläubigerbeteiligung (§§ 235–253: „Annahme und Bestätigung des Plans“) zu ermöglichen. Die Ausführungsnormen ieS (§§ 222–228) rechnen jedoch immer noch zum Gestaltungsteil; sie werden eingefasst von Ausführungsnormen iwS, welche das Plankonzept einleitend programmatisch definieren (§§ 220/221) bzw ausleitend rechnerisch präzisieren (§§ 229/230). Daraus folgt eine zusätzliche (Binnen-) Dreiteilung („kleine Trias“) der Regelungen zum Planinhalt.

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BT-Drucks 12/7302 S 182 li. Sp. [RA: Nr 138].

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§ 219

Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Normentwicklung

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Satz 1 mit der Differenzierung von darstellendem und gestaltendem Teil entspricht schon frühzeitigen Festlegungen der Kommission für Insolvenzrecht, mag jene auch den „Gestaltungsteil“ zunächst umständlicher als den „Forderungen und Rechte verändernden bzw begründenden Teil“ bezeichnen (ganz ähnlich noch alsdann EB LS 2.2.7 I S 1, vgl § 221 Rn 2).2 Das ist natürlich – unschwer erkennbar – Rezeption amerikanischer Vorbilder (dazu Rn 6 f). Satz 1 indes entspricht aber dann weitgehend EB LS 2.2.5, die Anlagen sind indes noch nicht separat unmittelbar erwähnt – ein Pendant für Satz 2 taucht erst später dann in § 247 I S 2 DiskE auf. Die Ursprungskonzeption hat Anlagen zwar allemal schon mitgedacht (EB LS 2.2.10: „sind als Anlagen beizufügen …“), sie aber nicht gleich zu Anfang prominent mit aufgeführt. Namentlich die Motive zu EB LS 2.2.5 sind weiterhin aber bedeutsam, wobei unglücklich nicht offengelegt wurde, wie es zur „Programmnorm“ kam.3 4 § 219 entspricht nahezu wortgleich § 247 I DiskE: in S 1 war erst nur vom „Plan“ die Rede (§ 247 I S 1 DiskE), jenes hat schon § 247 I S 1 RefE ausformuliert als „Insolvenzplan“ (vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 121); in S 2 musste man zudem die Verweisungen numerisch berichtigen. Die wirklich relevante Änderung ist somit die Streichung der Bagatellklausel von Seiten des Rechtsausschusses. In § 257 II RegE war (im Anschluss an § 247 II DiskE/RefE) für den Planvorleger noch ein gebundenes („wenn“) Ermessen („kann“) vorgesehen [Hs 1], um auf eine Darstellung im Einzelfalle zu verzichten, dh unnötigen, kostenträchtigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden:4 Auf den darstellenden Teil kann verzichtet werden, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering sind.

Die tatbestandlichen Begrenzungen [Hs 2] verwendet die Insolvenzordnung augenblicklich in § 5 II S 1 (Gestattung schriftlichen Verfahrens) und § 29 II S 2 (Verzichtbarkeit des Berichtstermins)5 – der Grund für einstig die Streichung war jedoch ganz profan:6 die Ausschließung des Planverfahrens für Bagatellfälle mit einer eigenen Sonderregelung für Kleinverfahren (§§ 304 ff); wichtig waren hierbei § 304 aF (Aufgreifkriterien – etwas anders gefasst!) und § 312 III aF (Ausschlussklausel – nunmehr aber obsolet: Vor §§ 217 ff Rn 25 f). Anders herum gesagt: bei diesen Kleinverfahren sollte ein Schuldenbereinigungsden normalen Insolvenzplan ersetzen („kleine Münze“). 5 Die Botschaft der Vorschrift ist danach eindeutig: wenn Satz 1 sagt, der Plan bestehe aus zwei Teilen, dann duldet dies keinen Ausnahmetatbestand (mehr) – beide sind somit folglich gleichermaßen zwingend; wenn Satz 2 sagt, ergänzend müssten Anlagen beigefügt werden, betont jenes ebenso einen insgesamt bindenden Charakter (Imperativ!). Hierzu

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AP XI/1 auf den 01.–03.10.1980 [S 20] bzw AP XV/2 vom 18.12.1981 [S 19]: 8.231 [Abs 1]. Freilich erscheint verfehlt, „urdeutsche Wurzeln“ anzunehmen (Näheres gleich unten Rn 6 f). So aber zB Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 13 („dem deutschen Rechtsverständnis entspringenden Trennung“) und Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 3 („deutsche Rechtsverständnis und der damit verbundenen Trennung“).

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BT-Drucks 12/2443 S 197 li. Sp. [RV]. Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.07.2013 (Art 1 Nrn 3 und 8), BGBl I Nr 38 S 2379 [in Kraft ab 01.07.2015 (Art 9 S 1)] mit BT-Drucks 17/ 11268 S 20 f bzw S 21 f. Siehe einst schon § 312 I und II InsO/StF. BT-Drucks 12/7302 S 182 li. Sp. [RA: Nr 137].

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Gliederung des Plans

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passt bündig, wenn § 262 II RefE zur Vermögensübersicht eine parallele Verzichtsklausel vorschlug, die aber schon § 273 RegE nicht übernommen hatte (dazu § 229 Rn 7). Die Anlagentatbestände sind daher zu Recht auch selbst wiederum sämtlich zwingend formuliert (dazu § 229 Rn 1 [S 1: „ist beizufügen“ bzw S 2: „ist darzustellen“] bzw § 230 Rn 14, 19, 26, 35). Man muss indes weitergehend bzw relativierend hier noch berücksichtigen, dass jeweils §§ 229/230 gezielt anlassbezogene Aufgreifkriterien „vorschalten“ – demnach also Anlagen deshalb schlussendlich unnötig sein könnten, weil deren Tatbestandserfordernisse schon fehlen.7 3. Rechtsvergleich Die Zweiteilung des Insolvenzplans ieS ist keine deutsche Eigenheit, sondern US-ame- 6 rikanische Anleihe,8 die aber nicht derart offen zutage liegt. Das US-Recht unterscheidet nicht „folgebezogen“, sondern schlicht und einfach zwischen Mussinhalt (11 USC § 1123 lit a [„shall“]) und Kanninhalt (11 USC § 1123 lit b [„may“]) als Grundlage der Planungen (dazu Vor §§ 217 ff Rn 149 iVm 151). Zwingend wird verlangt: Gruppenbildung (Nr 1), gruppenweise Festschreibung des inhaltlichen Betroffenseins (Nrn 2/3) und gruppeninterne Gleichbehandlung (Nr 4 – so wie auch gemäß § 226). Dazu kann der Plan dann jegliche angemessene Regelung postulieren (Nr 5: „provide adequate means for the plan’s implementation“), muss sich zudem noch als gänzlich systemkonform erweisen (Nr 7: „contain only provisions that are consistent with the interests of creditors and equity security holders and with public policy“). In der Summe geht es hier somit inhaltlich um Gestaltung, die spezifische Gruppenbildung mit inbegriffen. Was „fallangemessen“ (Nr 5) und „systemkonform“ (Nr 7) ist, bedarf aber sicher – an- 7 gesichts intensiver Kontrollen (11 USC § 1129) – der proaktiven begleitenden Begründung. Sie erfolgt separat im sog disclosure statement9 (siehe dazu Vor §§ 217 ff Rn 152) und mithin – das ist eigentlich nur die Divergenz! – bewusst außerhalb jenes (ausschließlich dann konstitutiven!) Plans (11 USC § 1125 lit b S 1: „the plan or a summary of the plan, and [!] a written disclosure statement“). Es muss eine angemessene Information („adequate information“) ermöglichen (gerichtliche Vorkontrolle!), wobei aber für Kleinverfahren (sog „small business claims“) einige Ausnahmen gelten (11 USC § 1125 lit f – so wie es § 257 II RegE ebenso noch vorsah: Rn 4). Hierbei verfügt das Gericht alsdann über großes Ermessen zu bewerten, was angemessen im Einzelfall ist. Abverlangt wird insoweit breite Aufklärung zu Elementen und Konzepten der Sanierung (11 USC § 1125 lit a Nr 1: „to make an informed judgment about the plan“).10 4. Teleologie Im Anschluss an die Begründung der Regierungsvorlage11 („dient … der vollen Infor- 8 mation der Beteiligten“, vgl Rn 14, 16) wird teilweise ganz undifferenziert der Informati-

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Das sieht richtig Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz (1997), S 475 – noch stärker hier Bilgery DZWIR 2001, 316, 317 [II] („nur in Ausnahmefällen“). AA Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 13, anders indes dann für § 220 Braun/Braun/Frank InsO7 § 221 Rn 3.

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Das sieht total richtig FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 4 f. … nicht aber die Präsentation von Alternativen. BT-Drucks 12/2443 S 197 li. Sp.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

onszweck12 (und hier zT auch der Beteiligtenfokus13) hervorgehoben. Beides passt jedoch nicht so recht. Die formale Gliederung (§ 219) nützt lediglich noch mittelbar dem Transport sachlicher Information; sie schafft eine Rahmung, das „Wissenswerte“ bringt erst später die „Füllung des Gefäßes“ (§§ 220/221). Deshalb ist auch etwas stärker zwischen Darstellung (§ 220) und Gestaltung (§ 221) teleologisch zu unterscheiden. Zu kurz greift außerdem die Ausrichtung auf alle Beteiligten im technischen Sinn (zum Begriff Näheres bei § 221 Rn 36–46). Es geht ebenso um Dritte, welche unmittelbar doch kommentieren dürfen (§ 232 I und II), aber zB auch übergreifend den Rechtsverkehr (Änderung dinglicher Position – arg § 228) und dazuhin das Gericht als Kontrollinstanz (nunmehr inhaltsbezogen gesehen – zur Form siehe Rn 22). 9 § 219 bringt eine formal aufsetzende erste Strukturierung der Bestandteile (Näheres: Rn 16–20) des Insolvenzplans. Letztlich trifft mithin die Begründung im Kommissionsbericht14 den besseren Ton mit Annahme doppelter Zweckrichtung (dazu Rn 14): äußere Standardisierung („dient nicht nur der Übersichtlichkeit, …“) gekoppelt mit Gewährung von Rechtssicherheit („ …, sondern trägt auch der unterschiedlichen rechtlichen Tragweite des Planinhalts Rechnung.“). Daher kann man auch einen formalen und materialen Telos unterlegen bzw von konkreten („Aktion“ des Planverfassers) und abstrakten („Reaktion“ des Rechtsverkehrs) weiteren „Schutzhorizonten“ sprechen. Man darf aber nicht übersehen, dass Formen hier Inhalt befördern, dh sie auch die Informationen (vor-) strukturieren, für Darstellung (§ 220: was war?/was ist?/was muss?) wie Gestaltung (§ 221: was soll/was wird?). Anders gesagt: es geht um Formalisierung – und einen klaren Schnitt zwischen diesen beiden Ebenen (arg § 254 I).

II. Planteile 1. Allgemeines

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Man streitet gut darüber, ob der Plan zwei Teile umfasst15 (Zweiteiligkeit) oder alternativ sich aus mehr eigenständigen Teilen zusammensetzt; alsdann werden die Anlagen eigens mitgezählt, entweder als bloße „abstrakte“ Größe16 (Dreiteiligkeit – iSv Gattung), wohl wissend, dass uU auch mehrere Einzelstücke obligat sind, oder aber in ihrer „kon-

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HambK/Thies InsO6 § 219 Rn 1; BK/Flöther/Wehner InsO36 § 219 Rn 2; MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 219 Rn 1; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 219–221 Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 1. FK/Jaffé InsO9 §§ 219–221 Rn 1; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 §§ 219–221 Rn 1; BK/Flöther/Wehner InsO36 § 219 Rn 2; BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO8 § 219 Rn 1; MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 219 Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 1. EB Mot S 168 [zu LS 2.2.5]. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 219 Rn 1 und 4; HambK/Thies InsO6 § 219 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 219 Rn 2 mit Rn 1; Geiwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 6 –

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wohl implizit auch Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 13 aE; Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 1; BeckOK/ Geiwitz/Danckelmann InsO8 § 219 Rn 2; MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 219 Rn 1; Foerste InsR6 Rn 477 aE; Becker InsR3 Rn 1622. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 219 Rn 1; wohl auch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 219–221 Rn 1 – recht offen K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 219 Rn 1 und Brünkmans/ Thole/Brünkmans § 5 Rn 1: für Dreiteilung mit „ggf den Anlagen“). Leider etwas unklar Bork InsR8 Rn 369: Aufgliederung (scil. Zweiteilung iSv S 1!) „zusammen mit den nachfolgend beschriebenen Pflichtangaben [S 2?]“.

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kreten“ Menge (Mehrteiligkeit – iSv Quantum). S 1 spricht für ersteres, es scheint demzufolge nämlich so, als ob der Plan aus nichts anderem bestünde; S 2 spricht für letzteres, zumal dort ein ebenfalls recht klarer Zwang aufgebaut ist („[zusätzlich] sind beizufügen“ – soweit eine solche Norm greift … – siehe oben schon Rn 5 aE). Man kann indes vielleicht so vermitteln: der Insolvenzplan ieS umfasst Darstellung und Gestaltung (S 1: Rn 11 f, 15–18) als beides ausnahmslos nötige Planteile, der Insolvenzplan iwS bezieht die Anlagen ein, die man weitergehend noch unterscheiden kann in uU notwendige Pflichtanlagen (S 2: Rn 20) und von vornherein ausschließlich ergänzende Optionsanlagen (S 2: Rn 21). Dafür spricht nicht zuletzt, dass man trotz der Regel des § 234 („Der Insolvenzplan … mit seinen Anlagen“) bei § 231 I S 1 („den Insolvenzplan“, dort Rn 40) und § 232 I („ihn“, dort Rn 21) naheliegend die Anlagen genauso mit einschließt. a) Zweiteilung ieS (Satz 1). Die Zweiteilung des Insolvenzplans im engeren Sinne (mit 11 Blick auf Rn 10) ist gesetzlich zwingend angeordnet,17 das impliziert zugleich die eindeutige Trennung jener beiden Teile18 (sog Selbständigkeit bzw Trennungsgebot), nicht aber deren Reihenfolge (obwohl insoweit inhaltlich Darstellung vor Gestaltung naheliegt!19) oder deren Umfang.20 Man sollte die beiden Bestandteile aussagekräftig kennzeichnen, am Ende jedoch entscheiden die Sachinhalte, nicht die Wahl der Worte. Es bedarf auch keiner Regelung, die den dogmatischen Gestaltungsvorrang festschreibt, das ordnet die Natur der Sache von selbst (dazu Rn 17) – anders herum gesagt: der Planverfasser muss entsprechend seiner Planintention die Verortung bewusst vornehmen; es gibt keinen Gestaltungsinhalt im Darstellungsteil, ebenso – konsequenterweise – anders herum keinen Darstellungsinhalt im Gestaltungsteil (was jedoch zugegeben „harmloser“ erscheint). Jenes Formalkriterium sorgt hier für Inhaltsklarheit. Es ist also weniger Standardisierung, welche gern betont wird,21 die zugrunde liegt, vielmehr – mit Blick auf Rn 9 bzw Rn 17 – wichtige Formalisierung. Das gilt nicht allein bezüglich der Gläubiger (ein Verstoß ist nämlich ein Formalmangel iSv § 231 I Nr 1 Hs 1 Var 2: Rn 22) und auch bloß für S 1,22 es ist dies Strukturprinzip aus Gründen der Rechtssicherheit. Etwas dunkel bleibt dagegen, wo denn insoweit die Gruppenbildung (§ 222) unterzu- 12 bringen ist. Das US-Recht sieht sie „im Plan selbst“ (demzufolge als Gestaltung, vgl Rn 6), die RegE-Systematik deutete Ähnliches an: § 257 RegE [§ 219 InsO] als „Klammernorm“;

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HM: MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 219 Rn 10; BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO8 § 219 pr. bzw Geiwitz/Käfferlein HRI § 25 Rn 6; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 219–221 Rn 2 und 13; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 219 Rn 1; FK/Jaffé InsO9 § 219 Rn 2 und 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 219 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 219 Rn 2; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Silcher InsO3 § 219 Rn 1 und 4; Brünkmans/Thole/Brünkmans § 5 Rn 1 und § 7 Rn 100. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 219 Rn 4 („klar“); HambK/Thies InsO6 § 219 Rn 2 („deutlich“); HK/Haas InsO9 § 219 Rn 2 aE („klar getrennt“); FK/Jaffé InsO9 § 219 Rn 12 („klar und eindeutig“); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 219 Rn 2: („deutlich erkennbar getrennt“);

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MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 219 Rn 10 („eine klare Trennung […] erforderlich“). EB Mot S 168 zu LS 2.2.5: „erster Teil“/zweiter Teil – „Beide Teile bilden zusammen den einheitlichen Reorganisationsplan“; vgl auch erg Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 219–221 Rn 13. Ausdrücklich dies klarstellend K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 219 Rn 1. MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 219 Rn 1 (einfache Beurteilung eröffnet); HambK/ Thies InsO6 § 219 Rn 1; Brünkmans/Thole/ Harmann § 6 Rn 4; wohl auch Andres/Leithaus/Andres §§ 219–221 Rn 1 (Übersichtlichkeit). Zu beiden Punkten aA FK/Jaffé InsO9 § 219 Rn 12.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

§ 258 RegE [§ 220 InsO] zur Darstellung mit Folgeregeln (§§ 259–263 RegE), welche gestrichen wurden; § 264 RegE [§ 220 InsO] zur Gestaltung – mithin liegt nahe, dass man die darauffolgende (!) Gruppenbildung (§ 265 RegE [§ 222 InsO]) dem konkreten Gestaltungsinhalt zuordnete. Die heutigen Einschätzungen schwanken.23 Als Schlüssel ist § 221 S 1 iVm § 222 I S 1 anzusehen: die Gruppenbildung ist Vorbereitung der Rechtsänderung (dazu § 222 Rn 8) und folglich mittelbar Gestaltung, weil sie eine ungleiche Rechtsveränderung gestattet (arg § 226).24 Doch ist solche wie jede andere Gestaltung bei der Darstellung zuerst einmal eingehend zu begründen. Faktischer Schwerpunkt ist also damit doch die begründende Darstellung.25

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b) Mehrteilung iwS (Satz 2). Die Mehrteilung des Insolvenzplans im weiteren Sinne (mit Blick auf Rn 10) ist eine sinnvolle pragmatische Ergänzung. Was also weder Gestaltung ist noch als Teil kompakter Darstellung erscheint, sollte „ausgelagert“ werden. Die Botschaft ist scheinbar ein ebenfalls zwingender Charakter („sind beizufügen“ – aber: Rn 19 und 21) – doch es geht um mehr: im Prinzip ist hiermit eine autonome Kategorie („Anlage“) geschaffen, die weiter reicht als §§ 229/230 (arg § 226 II), welche dem Planer sachbezogen Textentlastung ermöglicht. Das lässt die Kernaussagen stärker hervortreten und hilft dem Leser, sich aufs Wesentliche zu fokussieren, ohne dabei aber Informationen zu unterdrücken. Weil es immer um eine Überzeugung der Beteiligten geht (dazu Rn 8 f), macht auch Sinn, die dogmatische Plandefinition auszuweiten. Dafür scheint müßig, darüber zu rechten, welchem Planteil ieS Anlagen zufallen: eher Darstellung (wie es die hM sieht26 – was zT für § 229 passt, dort näher Rn 1, 3), oder Gestaltung (wenn man an §§ 226 II, 230 denkt).27 14 Trotz nahezu gleichen Wortlauts von EB LS 2.2.5 und § 257 I S 1 RegE (dazu Rn 4 f) offenbaren System und Motive ein disparates Grundverständnis. Die Kommission meint eher den Planbegriff ieS:28 das belegt die gezielte systematische Trennung von Planung (EB LS 2.2.5) und Anlagen (EB LS 2.2.10) bzw das Mangeln einer „Klammer“, so wie dies zwischenzeitlich S 2 bewerkstelligt. Von selbst folgt daraus (bzw erklärt sich) die wichtige – als (Schluss-) Absatz eigens freigestellte – Botschaft: „Beide Teile bilden zusammen den einheitlichen Reorganisationsplan.“ Als Zwecke angegeben sind Übersichtlichkeit und Rechtssicherheit („trägt auch der unterschiedlichen rechtlichen Tragweite des Planinhalts Rechnung“). – Das Ministerium sieht aber mehr den Planbegriff iwS im Mittelpunkt;29 das

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Wird idR zwar der planerischen Gestaltung zugeschlagen (Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 14 [aber vgl auch Rn 25]; Foerste InsR6 Rn 480 ff; Bork InsR8 Rn 376; Becker InsR3 Rn 1624; HK/Haas InsO9 § 219 Rn 2 und § 221 Rn 1) – aber zT auch anders verortet: Geiwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 11 (Darstellung); Häsemeyer InsR4 Rn 8.23 ff (eigenständig); Martini/ Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1917 [III 2a] (Wahlrecht) – siehe auch bei Rn 24 f bzw Rn 26 f. Dies sieht auch HK/Haas InsO9 § 221 Rn 4 – mit allerdings anderer Begründung: (unmittelbare?) Rechtsveränderung per Änderung der Mehrheitsverhältnisse. Richtigerweise: „darstellende“ Begründung (dazu § 220 Rn 77) für die „gestaltende“

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Gruppierung (dazu § 221 Rn 83), je entsprechend der Teilfunktion, welche genau zum Tragen kommt. Ähnlich: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 22; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 46 f. Allzu verschachtelt bzw duplizierend indes DW S2 4.2 Rn 17–20 einerseits [§ 220] bzw 5.2 Rn 38–42 andererseits [§ 221]), vgl Rn 25. HK/Haas InsO9 § 219 Rn 2 mit § 220 Rn 1; praktisch wohl auch Häsemeyer InsR4 Rn 28.18: „(erläuternde) Anlagen“ – Foerste InsR6 Rn 478 und Bork InsR8 Rn 370 Fn 11 nennen dagegen allein § 229. Differenzierend neuerdings auch BK/Paul InsO62 § 230 Rn 1. EB Mot S 168 zu LS 2.2.5. BT-Drucks 12/2443 S 197 li. Sp.

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Gliederung des Plans

§ 219

zeigt die Trias der Aufgliederung des Insolvenzplans „in den darstellenden Teil [1], den gestaltenden Teil [2] und die Anlagen [3]“ und natürlich die Neuerung des § 257 I S 2 RegE. Der Normzweck wird zugleich dabei verändert auf „Information der Beteiligten“ (dazu Rn 8 f, 16) – wobei die Trias praktisch „gespiegelt“ erscheint: es geht um Information „über die Grundlagen [1], den Gegenstand [2] und die Auswirkungen [3]“. Hier kann man doch alle Bestandteile fast wiederfinden (mit Ausnahme der §§ 226 II, 230). 2. Regelhafte Angaben (Satz 1) Es kann hier allein darum gehen, die Grundanliegen von darstellendem Teil (vgl Rn 16 – 15 die Einzelheiten bei § 220) und gestaltendem Teil (vgl Rn 17 – die Einzelheiten bei § 221) bildhaft zu umreißen; die Ausfüllung im Einzelfall ist abhängig vom Konzept des Planes (vgl ausf Vor §§ 217 ff Rn 149 iVm 151 bzw Rn 45–50). Der Vergleich beider Planteile offenbart deren disparate Funktionsweise. Trotz formaler strikter Trennung (dazu Rn 11) sollte man jedoch die grundsätzliche materielle Interdependenz30 insgesamt nicht aus den Augen verlieren: der Plan steht schließlich als Ganzes zur Abstimmung, muss inhaltlich mithin als Ganzes überzeugen. Es geht um eine schlüssige Begründung für die notwendige Veränderung. Demungeachtet wird differenziert: Darstellung (Var 1). Diese hat einen „primär unterrichtenden Charakter“ (Entwick- 16 lung und Erläuterung) und vermittelt den Beteiligten (und genauso dem Gericht) die maßgebende Beurteilungsgrundlage31 – sog deklarative Präsentation. Gerne wird dabei dann die grundlegende Informationsfunktion angesprochen32 (vgl Rn 8 f und 29–31) und sogar von einer eigenen „Informationsebene“ geredet,33 aber zT auch die genaue Vermittlung der Zielsetzung zum Mittelpunkt erhoben.34 Als Bild dient ebenfalls der Vergleich zur Klagebegründung und zu den Urteilsmotiven35 – was jedoch mE schief ist, weil kein Erkenntnisverfahren vorliegt. Eine immer noch recht gute Erklärung liefert Häsemeyer (InsR4 Rn 28.18), wenn er dazu das dynamische Element stärker hervorhebt: es gehe schlicht hier um „alle Angaben, welche zum Verständnis des Plans, zur Vertrauensbildung und Werbung um Zustimmung zu dem Plan erforderlich sind“. Gestaltung (Var 2). Sie will die konkrete Rechtsstellung der Planbetroffenen abändern 17 und wird daher auch auf zukünftige Rechtskraftwirkung (§ 254 I) und Vollstreckbarkeit (§ 257 I und II) projiziert36 – sog konstitutive Konsequenzen. Der darstellenden Informa-

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MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 219 Rn 5. MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 219 Rn 2 [Zitat] und Rn 6 bzw Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 219 Rn 1. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 219 Rn 1; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher § 219 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 219 Rn 2; HK/ Haas InsO9 § 219 Rn 2; Foerste InsR6 Rn 478; Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 2 und 4. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 219 Rn 1 und Braun/Braun/Frank InsO7 §§ 219–221 Rn 2. Geiwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 7 (… und wie dieses Ziel erreicht werden soll); ganz ähnlich Bork InsR8 Rn 369 („Konzept“).

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FK/Jaffé InsO9 § 219 Rn 12 aE; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 6.4; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 221 Rn 1 – ganz ähnlich wohl Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 13 („Sachverhalt“ – es geht aber um Objektives und Subjektives, dh auch um eine Bewertung). So mit eher marginalen (Sprach-) Variationen: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 219 Rn 4; HambK/Thies InsO6 § 219 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 219 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 219 Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 13; MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 219 Rn 5; Geiwitz/Käfferlein

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§ 219

Sechster Teil. Insolvenzplan

tionsebene wird eine „Vollzugsebene“ gegenübergestellt37 bzw in Anlehnung des Prozesses von einer Art „Klageantrag“ oder „Urteilstenor“ gesprochen.38 Sehr konsequent unterscheidet allerdings Haas (HK InsO9 § 219 Rn 2) Planvorlage einerseits (Ankündigung der Abänderung) und Planwirkung andererseits (Eintreten des Vollzuges), die erst noch die mehrheitliche Planannahme mitsamt gerichtlicher Bestätigung fordert. Dies führt zu einem eher statischen Element. Der Plan müsse alle und dürfe bloß die erwünschten „Bewirkungen“ verzeichnen39 – anders gesagt: Gestaltung und Darstellung müssen konzeptionell bündig zusammenpassen. 18 Man kann zusammenfassend auch sagen:40 „Der Plan legt die Situation offen [Darstellung: Rn 16] und regelt sie [Gestaltung: Rn 17].“ Falsch wäre jedoch, differenzierend etwa einen Teil hervorzuheben – alle beide zeigen Teile Seiten derselben Münze! Die Allianz muss stimmen (dazu Rn 15). Weder ist somit die Darstellung das „Kernstück“, das allein „systematischer Komplettierung“ bedarf41 noch bedarf jene prozessuale Umgestaltung daher etwa eines materiellen Rechtsgrunds;42 die Umgestaltung ist Rechtswirkung auf Grundlage des gestaltenden Teils (der viel eher daher – metaphorisch – als „Kernstück“ anzusehen ist, dazu § 221 Rn 15). 3. Ergänzende Anlagen (Satz 2)

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Die Vorschrift ist verpflichtend (mit Blick auf §§ 229/230), aber nicht etwa abschließend (arg § 226 II e contr). Jede dieser (Bezugs-) Normen regelt autonom, inwiefern Rechtspflichten für den Planverfasser bestehen. Es kann am Ende mithin zweifellos genauso ein Weniger Planinhalt werden. Statthaft ist ebenfalls, dass umgekehrt auch ein Mehr dazukommt. Die Kategorie „Anlage“ gestattet vielfältige Erleichterung (dazu Rn 13). Ihr Zweck ist: (a) Verdichtung (vor allem der Darstellung), die Anlage fördert demzufolge Kenntnis, Verständnis, Lesefluss etc und hierdurch die Vermittlung der Planideen an die „Entscheidungsträger“; (b) Untermauerung für das Gesamtkonzept, wie etwa durch nähere Dokumentationen (zB Vertragsurkunden) oder insb auch Plausibilisierung erhoffter Planentwicklungen (zB Proberechnungen – § 229!); (c) Verkopplung von Planrechnungen (§ 229) und Bestandsdaten (§§ 151–153) zur Darlegung der „Passigkeit“ der Sanierung samt innerer Konsistenz (schlussendlich ein „Realitätstest“). Weitergehend ist zu unterscheiden: 20 Pflichtanlagen. Darunter fallen entweder Planrechnungen und Aufstellungen, welche das Gesetz bei zukünftiger Firmenfortführung unter Gewinnbeteiligung vorschreibt (§ 229) – Präsentation prognostizierter Auswirkungen43 (was aber uU auch sonst Sinn

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HRI2 § 25 Rn 7; Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 3 und 4 bzw Brünkmans/Thole/Brünkmans § 7 Rn 2; Foerste InsR6 Rn 470; Bork InsR8 Rn 369; Häsemeyer InsR4 Rn 28.18. Siehe oben bei Fn 33 bzw Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 221 Rn 1. Siehe oben bei Fn 35 – insoweit variierend wiederum Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 13 („Gestaltungs-/‚Urteils‘Umsetzung“ – was immer das genau heißen möchte: Gestaltungsurteile sind selbstvollziehend!). HK/Haas § 221 Rn 3 – verdunkelnd der „Nachklapp“: „so konkret formuliert …,

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dass ein klagbarer Anspruch … besteht“ – das vernachlässigt dingliche Rechtsänderung! Becker InsR3 Rn 1622. So sieht es Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 4 – aber: das verkehrt die Methode des Gesetzes; ganz ähnlich auch Geiwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 12. Das meinte womöglich MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 219 Rn 6 (arg „Grundlage“). MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 219 Rn 1 mit 6: die Anlagen sollten jeweils die wirtschaftlichen (Fortführungs-) Konsequenzen plausibilisieren.

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Gliederung des Plans

§ 219

macht …) –, und Planerklärungen des Schuldners (§ 230 I), einzelner bestimmter Gläubiger (§§ 226 II, 230 I) oder sogar zuweilen Dritter (§ 230 III), welche Grundlage eines Vollzuges sind (quasi eine Art „Geschäftsgrundlage“ – vgl auch erg dazu § 249). Optionsanlagen. Was keine Pflichtanlage iSv Rn 20 ist, kann trotzdem immer angefügt 21 werden – das ginge infolge formwahrender hinweisender Bezugnahme44 vom „Hauptteil“ aus am Ende so oder so, wird durch die Figur „Anlage“ allerdings direkt zugelassen (dazu Rn 19). Dabei kann man naheliegend zeitlich aufgliedern: vergangenheitsbezogene Dokumente (Betriebsstruktur, Gesellschaftsvertrag, Jahresabschlüsse, Grundbuchauszüge etc [IDW S2: 3.1]); verfahrensbezogene Dokumente, sei es zum Zeitpunkt der Eröffnung (§§ 151–153 [IDW S2: 3.2.1]) oder aufs Inkrafttreten des Insolvenzplans gestellt (Eröffnungsbilanz [IDW S2: 3.2.2.2]), letztlich insolvenzplanbezogene Dokumente, die künftige Entwicklungen prognostizieren (Planfolgebilanzen [IDW S2: 3.2.2.4]). Das IDW empfiehlt für die Pflichtanlagen dieselbe Grundrasterung, separiert aber benötigte zusätzliche Erklärungen (IDW S2: 3.3). Gläubigerverzeichnis (in Anlehnung an § 152) und Massebewertung (in Anlehnung an § 151) stehen aber auch öfters eigenständig zu Anfang oder am Schluss des Anlagenteils. 4. Fehlerfolgen Ist die Struktur nicht geachtet, darf der Plan die Vorprüfung nicht überstehen (§ 231 I 22 Nr 1 Hs 1 Var 1: Inhaltsmangel, dort Rn 20), und später existiert ein gerichtsseitiger Versagungsgrund (§ 250 Nr 1 Var 1: „Zentralmangel“, dort Rn 13 ff). Es gibt keinen Grund einer Begrenzung der Kontrollen auf allein „grobe“ Mängel45 – jedoch sind Mängel idR leicht noch später behebbar (Nachfrist!) – hierbei (und nur hierbei!) mag die Schwere jedoch konkret ins Gewicht fallen und sofortige Abweisung begründen.

III. Planaufbau Die gesetzlich verordneten Planteile iSv § 219 formen gleichsam das Skelett einer jeden 23 Vorlage – darüber hinaus benützt die (professionelle) Praxis jedoch gerne erprobte, verfeinernde Gliederungsmuster,46 wobei sich hier etwa der IDW-Standard „Anforderungen an Insolvenzpläne“ (IDW S2) vom 10.02.200047 größter Beliebtheit erfreut. Gemeinhin wird zugeraten, sich an der IDW-Mustervorgabe modellhaft zu orientieren,48 dh die eigene Plan-

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Näher vgl Münch Die Reichweite der Unterschrift im Wechselrecht (1993) [SGK B 87], S 55–57 sowie erg zudem S 161 Fn 120/121. So aber ua Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 219 Rn 4; FK/Jaffé InsO9 § 219 Rn 2; Brünkmans/Thole/Brünkmans § 5 Rn 1 – mit Recht neutral: Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 219 Rn 1 aE. Siehe dazu die Literaturnachweisung. IDW-FN 2000, 84, 89 f: Anlage: Muster-Insolvenzplan. Geiwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 7; Gottwald/Koch/de Bra InsRHb5 Rn 67.75; Uh-

lenbruck/Luer/Streit InsO14 § 219 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 219 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 219 Rn 3; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 219–221 Rn 1; BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO8 § 219 Rn 1; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 6.14; Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 36. Die unterschiedliche Herangehensweise von Betriebswirten und Juristen ist thematisiert bei Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 219–221 Rn 15–18.

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§ 219

Sechster Teil. Insolvenzplan

struktur hieran auszurichten. Dies ist aber nur eine Empfehlung („good practice“), aber nicht etwa Zwang (IDW S2 Rn 2 aE) – maßgebend bleiben immer die Anforderungen des Einzelfalles. 24 Der IDW-Gliederungsvorschlag sieht hier grob die folgende (Grob) Struktur vor:49

25

Grobgliederung

Feingliederung

Besonderheiten

1. Darstellung

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Ziele Gruppenbildung Sanierungskonzept Zusammenfassung Antrag

2. Gestaltung

2.1 2.2 2.3. 2.4 2.5.

Allgemeines Gruppenbildung Veränderungen Besonderheiten Spezifika

generelle Wirkungen siehe auch bei 1.1. gruppenspezifisch generelle Wirkungen Zusatzklauseln50

3. Plananlagen

3.1 3.2 3.3 3.4

Allgemeines §§ 153, 229 Ergänzendes Gläubigerliste

erg „Arbeitspapiere“ §§ 226, 230

siehe auch bei 2.2

Näheres siehe bei Rn 27

Einige Besonderheiten fallen dabei doch auf: die Doppelnennung der Gruppenbildung (1.2 und 2.2), das Zwischenschieben einer Kurzzusammenfassung (1.4 – mit Blick auf § 235 III S 2?), eine Antragstellung als eine Art „Bindeglied“ zwischen Darstellung und Gestaltung (1.5), der Versuch, die vorgenommenen Gestaltungen weiter strukturell eigens noch zu untergliedern in allgemeingültige (2.1 und 2.4) und gläubigerspezielle (2.3 mit 2.4) bzw unmittelbare (2.1–4) und nachlaufende (2.5), zudem die Dichte der Anlagen (3.1–4), die Vergangenes und Zukünftiges bzw Pflichtanlagen (dazu Rn 20) und Optionsanlagen (dazu Rn 21) nicht schlüssig unterscheidet. – Was insb die Gruppenbildung angeht, liegt sicherlich nahe, die benötigte Einteilung vor der Gestaltung vorzunehmen (arg § 226), weil sie ja spätere gruppenübergreifende ( ! ) Ungleichbehandlung erlaubt. Verwirrend wirkt allerdings, den Vorgang der Gruppenbildung als solchen bei Darstellung (4.2: Rn 17–20, insb Rn 17: Überblick und Hinweis auf Folgeteil) und Gestaltung (5.2: Rn 38–42 [2.2 im Muster] bzw 5.3: Rn 43 [2.3 im Muster], quasi mit der Trias: Begründung – Beschreibung – Behandlung) inhaltlich zu verdoppeln. Jene Verschachtelung über mehrere Ebenen scheint eher verwunderlich und überraschend, dazu Rn 12 mit Fn 25.

49 50

Dazu vgl auch HambK/Thies InsO6 § 219 Rn 3–5. Hierher rechnen: § 255 [Rn 46], § 259 III [ungenannt], §§ 260–262, 263 [Rn 47],

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heute (scil nach dem ESUG) zudem: § 221 S 2, 251 III, 258 I. § 264 [Rn 45] zählt man unter 2.4.

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§ 219

Gliederung des Plans

Es gibt deswegen stärker juristisch überformte Modelle, wie etwa das folgende:51 Grobgliederung

Feingliederung

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Besonderheiten

A. Deckblatt

Schuldner, Verwalter; Gericht, Aktenzeichen

B. Zusammenfassung

=/ § 235 III S 2!

C. Darstellung

D. Gestaltung

Sanierungskonzept Gruppenbildung Vergleichsrechnung

Begründung

Gruppenbildung Veränderungen [Vorrangregelung]

Festlegung

E. Antragstellung F. Plananlagen

Unterschrift mit Datum Anlagenverzeichnis Pflichtanlagen Optionsanlagen Vollständigkeitserkl.

§§ 229/230

Dieser Vorschlag gibt sich insgesamt klarer durchstrukturiert, hat aber ebenso gewisse 27 Eigenheiten hierbei aufzuweisen. Am auffälligsten erscheint die Separierung von lediglich zusätzlichen (Normaldruck) und gesetzlichen (Fettdruck) Planteilen: Deckblatt und Überblick machen für die rasche Information einen sehr guten Sinn, begründen klare Zuordnung (Deckblatt) bzw nützen „eiligen Lesern“ („executive summary statement“); die sog Antragstellung hat sich ersichtlich rechtstatsächlich eingebürgert, mag sich auch ihr Sinn nicht so recht erschließen52 – die Planvorlage fungiert ihrerseitig als eigenständige Prozesshandlung (vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 246; § 218 Rn 22), so dass es keiner klarstellenden (?) Antragstellung bedarf. Wichtig ist dagegen die persönliche Verantwortungsübernahme des Vorlegenden, wie sie idR die finale Unterschrift belegt (dazu § 218 Rn 23), die Datierung (mit Ortsangabe) scheint demgegenüber bloß zusätzliches Beiwerk zur Individualisierung bzw Konkretisierung. Auffällig wirkt neuerlich die Parallelführung der Gruppenbildung (dazu Rn 25 bzw Rn 12 mit Fn 25), und dazu kommen noch die empfohlenen Zusatzklauseln: die sog „Vorrangregelung“ deucht mir jedoch übervorsichtig (dazu Rn 11), mit der sog „Vollständigkeitserklärung“ bezeugt der Vorleger seine Dignität (und Haftung?). Die bisher vorgestellten Muster intendieren die Sanierung von Unternehmen, ohne da- 28 bei jedoch einzelne subjektive (wer ist Gemeinschuldner?) oder objektive (was ist Gestaltungsziel?) Umstände ausreichend zu reflektieren. Das obliegt dem Planverfasser und seiner Erfahrung (Näheres: Rn 29–31). Wirklich umgesetzte Vorlagen variieren deshalb mehr oder weniger.53 Mit Wegfall des Verbots von Planvorlagen bei Insolvenz von Verbrauchern (dazu

51

Brünkmans/Thole/Brünkmans § 5: Bestandteile des Insolvenzplans – Alternative: Braun/ Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz S 3–9 bzw Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 19–21 mit Braun/Braun/ Frank InsO7 §§ 219–221 Rn 8–10.

52 53

Ein Erklärungsversuch bei Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 53 f. Praxisbeispiel bei Rattunde ZIP 2003, 596, 598 f [3] („Herlitz“). Dies meint im Grund auch FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 9: es gebe keinen „verbindlichen Musteraufbau“.

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§ 219

Sechster Teil. Insolvenzplan

Vor §§ 217 ff Rn 25 f – Stichtag: 01.07.2014, Art 103h S 2 EGInsO) kommt ein neuer Typus ins Spiel: Verbraucher-Sanierungen54 (oder praktisch wohl: sofortige Schuldbefreiung).

IV. Planinhalte 29

Folgt man jenen bereits beschriebenen Mustern (sub III bzw Rn 23–28), wird der Plan gemeinhin recht voluminös – das bindet Arbeitskraft und bringt beträchtliche Kosten für erforderliche professionelle Unterstützung. Das Gesetz selbst stellt insgesamt aber doch eher marginale, materielle Forderungen55 (sub II bzw Rn 10–20), beschreibt die Strukturen, während sich alle Inhalte vom Einzelfall her bestimmen.56 Für weltweit agierende Konzerne gelten deutlich andere Maßstäbe als für kleine regionale Unternehmen, Handwerker, Dienstleister etc – entscheidend ist immer die Zielrichtung, Zustimmung zu erheischen; demnach muss das Konzept des Planes abgewogen, informativ und überzeugend sein (transparente Darstellung) und sich zudem sachlogisch geben (erforderliche Gestaltung). Oft wird daher gelten, was schon der Volksmund weiß: „Weniger wäre Mehr gewesen.“ 30 Wie man sich vor der allzu ausufernden Weite besser hüten sollte („information overload“), so kann ebenso extreme Kürze schaden („lacking information“). Die Überzeugungskraft steigt erfahrungsgemäß, je mehr der Plan dem konkreten „Fall“ nachkommt. Es ist darum schief, möglichst „schlanke“ Plantexte als Idealbild zu verklären:57 geringer Umfang, einfache und klare Regelungen, Verständlichkeit („Jeder Gläubiger muss seinen Inhalt ohne weiteres verstehen können … ohne Hinzuziehung sachverständiger Dritter“) mögen wohl als abstrakte Postulate herhalten, stehen indes immer im Dienst einer Lösung, dh müssen konkrete Problemfelder beackern. Komplexe Sachverhalte bedürfen gemeinüblich allerdings komplexer Gestaltungen und dann meist auch der insgesamt komplex(er)en Erklärung. Es ist eine Kunst, „verlustfrei“ zu vereinfachen. Außerdem gibt es Hilfestellungen: förmlich, indem das Gesetz ergänzend Anlagen zugesteht (dazu Rn 13);58 faktisch mittels einer umfassenden vorbereitenden Beteiligung von Betroffenen („ins Boot holen“), die über das gesetzlich Nötige (§ 218 III, dort Rn 85) hinausgeht. 31 Praktisch werden als ergänzende Hilfestellungen mitgegeben: möglichst allgemeinverständliche Darlegung,59 Orientierung am Verständnishorizont eines Durchschnittsgläubigers60 und lesbare, verständliche, zusammenhängende Formulierung.61 Wenn man sich des 54

55 56

57

Vorschläge dazu vermitteln Beyer ZIV 2013, 334; 2014, 289 und Allemand/Dobiey/Henning ZIV 2014, 296. Das sieht richtig Bilgery DZWIR 2001, 316, 317 [II]. Ganz ähnlich auch BGH NZI 2010, 101 {3} [II] = WM 2010, 225 = ZIP 2010, 134 = ZInsO 2010, 85 in Betreff der Anlagen (Übersichten und Rechnungen) bzw BGH NJW-RR 2011, 51, 54 {43} [II 2c] = WM 2010, 1509 = ZIP 2010, 1499 = NZI 2010, 734 = DZWIR 2011, 65 = KTS 2011, 239 = ZInsO 2010, 1448 bezüglich der Darlegung. So aber am Ende Bilgery DZWIR 2001, 316, 317 f [II und IV] (das Zitat auf S 317 li. Sp. – vgl auch erg S 317 re. Sp.: „je kürzer, einfacher und klarer die Regelung formuliert, umso besser.“) – richtig da-

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gegen Geiwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 8: „auf die wesentlichen Informationen beschränkt“. Wegen „Herlitz“ siehe Rattunde ZIP 2003, 596, 599 [3.1.]: Darstellung (20 S), Gestaltung (10 S) plus ausführliche neun (!) Anlageordner. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 219 InsO Rn 2; wohl auch FK/Jaffé InsO9 § 219 Rn 3. FK/Jaffé InsO9 § 219 Rn 1 aE; mit Recht – betreffend die Adressaten (arg §§ 231 I, 232 I und II, 235 III 1) – weiter gehalten Geiwitz/ Käfferlein HRI2 § 25 Rn 8. Ganz ähnlich etwa (hinsichtlich der Darstellung) Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 219–221 Rn 14 und Geiwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 8.

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Darstellender Teil

§ 220

zentralen Informationszwecks (vgl Rn 8 f) erinnert, scheint das stimmig. Zu weit geht jedoch der Aufruf, der Plan müsse „jede von einem Beteiligten zu seinem Verständnis des Plans geforderte Information“ vermitteln.62 Das setzt zu stark auf individuelles Verstehen oder gar noch Verlangen. Dafür dienen Gespräche im Vorhinein (die dem vorlegenden Planverfasser den vorhandenen „Wissensdurst“ zeigen …) sowie vor allem der Erörterungstermin (§ 235 I S 1 Hs 2 Var 2) – der Plan geht an ein Kollektiv und darf sich daher an objektiven, kollektiven (Verständnis-) Maßstäben orientieren.

§ 220 Darstellender Teil (1) Im darstellenden Teil des Insolvenzplans wird beschrieben, welche Maßnahmen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen worden sind oder noch getroffen werden sollen, um die Grundlagen für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten zu schaffen. (2) Der darstellende Teil soll alle sonstigen Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten, die für die Entscheidung der Beteiligten über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind. Materialien: EB LS 2.2.6 (Begr S 168–171); DiskE § 248 (Text: S 127/128, Begr: BT S 222 f), RefE § 248 (Text: S 145, Begr: BT S 256 f); RegE § 258 (BT-Drucks 12/2443 S 50, 197 [RV] mit BTDrucks 12/7302 S 96, 182 [RA: Nr 138] – siehe noch bei Rn 5–14). Abs 2 wurde geändert durch Art 1 Nr 16 ESUG [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3)]: BT-Drucks 17/5712 S 30, Näheres siehe bei Rn 15. Literatur Antoni Die Haftung des Insolvenzverwalters für unterlassene Sanierungsmaßnahmen und gescheiterte Sanierungspläne, NZI 2013, 236; Berger/Frege/Nicht Unternehmerische Ermessensentscheidung im Insolvenzverfahren – Entscheidungsfindung, Kontrolle und persönliche Haftung, NZI 2010, 321; Burger/Schellberg Der Insolvenzplan im neuen Insolvenzrecht, DB 1994, 1833; Ehlers Krisenberater unter Druck, BB 2014, 131; Engelhardt Politische Akzente einer Insolvenzrechtsreform, ZIP 1986, 1287; Frege Grundlagen und Grenzen der Sanierungsberatung, NZI 2006, 545; Fischer Fortbestehensprognose und Sanierung, NZI 2016, 665; Groß Grundsatzfragen der Unternehmenssanierung, DStR 1991, 1572; Hess Vom Sanierungskonzept zum Insolvenzplan, WPg 2009, 299; Horstkotte Der Insolvenzplan in der gerichtlichen Vorprüfung, ZInsO 2014, 1297; Institut der Wirtschaftsprüfer IDW Standard 2: Anforderungen an Insolvenzpläne (IDW S2), FN-IDW 3/2000, 81 ff; Institut der Wirtschaftsprüfer IDW Standard 6: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S6) – aF [20.08.2012], WPg Supplement 4/2012, 130 ff bzw FN 2012/12, 719 – nF [16.05.2018], IDW Life 2018/8, 813 iVm F&A zu IDW S6, IDW Life 2018/8, 826; Hermanns/Buth Der Insolvenzplan als Sanierungsplan DStR 1997, 1178; Paulus § 1 InsO und sein Insolvenzmodell, NZI 2015, 1001; Paulus Gutwetter-Insolvenzrecht und Schlechtwetter-Insolvenzrecht, ZIP 2016, 1657; Schmittmann Sanierung mittels Insolvenzplanverfahren, VR 2009, 289; Skauradszun/Spahlinger/Tresselt Insolvenzpläne auf dem Prüfstand, DZWIR 2015, 539; Steffan Sanierungskonzepte quo vadis?, ZIP 2016, 1712; Warrikoff Die Möglichkeit der Unternehmenserhaltung nach dem neuen Insolvenzrecht, KTS 1996, 489; Warrikoff Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzplan, KTS 1997, 527, 532–535. Siehe noch die Angaben bei § 219.

62

Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 219 Rn 1 [Hervorh vom Verf] – dies sei eine „Pflichtangabe (iwS)“ [was immer das heißt].

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203

§ 220

Sechster Teil. Insolvenzplan

Übersicht I. Normzweck und -entstehung . . . 1. Normgenese . . . . . . . . . . . a) Vorschläge der Kommission b) Ministerialentwürfe . . . . . c) Legislative Umgestaltungen . 2. Rechtsvergleich . . . . . . . . . 3. Normzwecke . . . . . . . . . . a) Personelle Komponente . . . b) Inhaltliche Komponente . . II. Grundregel (Abs 2) . . . . . . . . 1. Formulierungsdefizite . . . . . 2. Erläuterungsbedürfnis (Hs 1) . 3. Entscheidungsrelevanz (Hs 2) . 4. Systemzusammenhang . . . . . III. Darstellungsmaximen . . . . . . . 1. Grundproblem . . . . . . . . . 2. Objektive („inhaltsbezogene“) Kriterien . . . . . . 3. Subjektive („leserbezogene“) Kriterien . . . . . . 4. Anwendungen . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1 1 1 5 12 16 20 21 25 28 29 34 37 41 42 42

. . .

45

. . . . . .

49 53

. . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . .

IV. Ergänzungsregel (Abs 1) . . . . . . . . 1. Grundsatz oder Detailregel? . . . . 2. Zeithorizonte . . . . . . . . . . . . 3. Maßnahmenbeschreibung . . . . . 4. Sachrelevanz . . . . . . . . . . . . V. Einzelprobleme bei der Darstellung . . 1. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . 2. Sanierungskonzept . . . . . . . . . a) Vorbedingungen . . . . . . . . . b) Rückschau (Diagnose) . . . . . c) Maßnahmenpaket . . . . . . . . d) Projektion (Prognose) . . . . . . 3. Gruppenbildung . . . . . . . . . . 4. Vergleichsrechnung . . . . . . . . . a) Ausgangssituation . . . . . . . . b) Rahmenbedingungen . . . . . . c) Inhaltserfordernisse . . . . . . . 5. Miszellen . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsfolgen mangelhafter Darstellung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 56 57 60 61 62 63 66 67 67 71 72 76 77 78 78 81 84 88 93

I. Normzweck und -entstehung 1. Normgenese

1

a) Vorschläge der Kommission. Der Kommissionsleitsatz zum Regelungskomplex (EB LS 2.2.6: Inhalt des darstellenden Teils) zeigt eine etwas eigenartige Struktur mit Grundmaxime (Abs 1 S 1: „ist darzulegen, …“), Veranschaulichung (Abs 1 S 2: „Dabei ist auszuführen, …“) und Ergänzungen (Abs 2: „Ferner ist anzugeben …“), die sich in eine zweite Reihe gesetzt sehen (eigener Absatz!). Dagegen hätte mE näher gelegen, den Grundsatz einleitend besonders herauszustellen (Abs 1 statt Abs 1 S 1) und die Erläuterungen separat anzuschließen (Abs 2 statt Abs 1 S 2 und Abs 2 – aber: Rn 4). Doch wiederholt sich dieselbe Struktur beim gestaltenden Teil (EB LS 2.2.7 – dazu: § 221 Rn 1), sie scheint demzufolge also gezielt eingesetzt. Jenes gründet vielleicht einfach darin, dass die Kommission zunächst hier bloß eine, kompakte Leitmaxime zum Planinhalt andachte (AP XI/1 auf den 01.–03.10.1980 [S 20] bzw AP XV/2 vom 18.12.1981 [S 19/20]: LS 8.231 „Abs 2“), die erst später faktisch geteilt wird, zuerst bloß intern (AP XX/1 vom 15.02.1983 [S 26/27]: LS 8.51 II: „Im darstellenden Teil ist darzulegen …“ – „Ferner ist anzugeben …“), hierauf auch extern (EB LS 2.2.6); ansonsten sind aber jene Fassungen weitgehend sprachlich identisch. Als Grundmaxime war „darzulegen, wie der Fortbestand des Unternehmens gesichert 2 und seine Ertragskraft [wieder] hergestellt werden soll“ (Abs 1 S 1). Die Formel verpflichtet zur Erklärung des erfolgreichen (Plan-) Konzepts der Sanierung – und nähert sich diesem von gleich zwei Seiten aus: Ursache (Herstellung der Ertragskraft) und Wirkung (Fortbestand des Unternehmens) – und alles andere ist Mittel zum Zweck. Anders gesagt: Dies formuliert ein deutliches Ziel (ähnlich heute nun § 1 S 1 Hs 3 InsO – arg „insbesondere“), und die nachfolgenden Einzelpunkte konturieren den Weg. Die weitere Diskussion (§ 248 I DiskE/RefE; § 258 I RegE) ist aber davon wieder abgekommen. Die schließlichen Vorgaben des Gesetzes in Abs 1 („Maßnahmenpaket“: Rn 56–62) und Abs 2 („Auskunftspaket“: Rn 28–40) setzen jenes Ziel nicht voraus, was damit gleichermaßen heute nunmehr Liquidations- oder Abwicklungspläne vgl insb Vor §§ 217 ff Rn 3 und 19 iVm 39–50) erlaubt.

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Darstellender Teil

§ 220

Dagegen hat sich die Technik, Unterpunkte zu präzisieren, zunächst (§ 258 II RegE) er- 3 halten, indes doch mit insgesamt anderem Zuschnitt. Die Kommission forderte hierbei – durchaus geschickt verdichtet1 – folgende Angaben, wenn und weil der Plan insoweit Änderungen andachte [Abs 1 S 2]: – zur Kapital- und Finanzstruktur (insb über „frisches“ Geld) [lit a], – zu organisatorischen und personellen Maßnahmen [lit b], das meint vor allem Teilstilllegungen und Personalentlassung, – zu den rechtlichen Verhältnissen des jeweiligen Unternehmens [lit c]. Diese Punkte zielten auf die Plankonzeption, waren somit zukunftsbezogen. Dazuhin wurden – vergangenheitsbezogen – ferner Angaben zu Sozialplanansprüchen [lit a] und Masseverbindlichkeiten [lit b] abverlangt – und dies erklärt wohl das erwähnte räumliche Absetzen: jenes markiert einen Perspektivwechsel. Interessant ist zudem der feine Unterschied hinsichtlich der Formulierung: zukunftsbe- 4 zogen („ist auszuführen“ – es geht um Reform bzw Veränderung) „versus“ gegenwartsbezogen („ist anzugeben“ – es geht um Fakten bzw Verändertes). § 248 II DiskE/RefE bzw § 258 II RegE jedoch gibt später noch einige Regelbeispiele („Insbesondere …“). Dabei wird die ursprünglich größere begriffliche Schärfe per „Paarformel“ leider verwässert („ … sind anzugeben und zu erläutern“) – ein hoher Preis, die Abtrennung zu überwinden. Die Entwürfe übernehmen insoweit Abs 1 S 2 lit b (Nr 1 – präzisiert um eventuelle Betriebsänderungen) und Abs 2 lit a (Nr 2); dazu kommt eine recht eigenartige „Melange“ aus Abs 1 S 2 lit a und Abs 2 lit b: Benennen aufgenommener bzw aufzunehmender Darlehen (nicht aber mehr von sonstigen vorrangigen Verpflichtungen2). Doch folgten dann weitere Detailregeln: §§ 249–253, 261 DiskE/RefE bzw §§ 259–263, 272 RegE – Einzelheiten: Rn 6–11. b) Ministerialentwürfe. Die ministeriale Konzeption war darauf ersichtlich zugeschnit- 5 ten, die Norminhalte durch „Leitplanken“ dogmatisch zu konturieren – es war ja allemal „deutsches Neuland“ insoweit zu betreten … Das erklärt die Technik der Regelbeispiele (§ 258 II RegE: Rn 3 f) wie auch die darauf folgenden Vorschriften zwingenden Charakters für einzelne, spezielle Bereiche (§§ 259–263 RegE: Rn 6–11): „ist […] anzugeben“ (§§ 259, 261 S 1, 272 RegE), „ist [darauf] hinzuweisen“ (§§ 260 I, 262 RegE), „sind anzugeben“ (§ 263 I RegE). Sie werden auch weiter gerne als nützliche Anhaltspunkte angesehen, was denn ein Darstellungsteil regelmäßig vernünftigerweise vermittelt.3 Alles in allem kann man auch sagen, dass hier der RegE ein insgesamt exemplarisches Regelungskonzept verfolgte. – Einzelheiten: § 259 RegE verlangte bewusst die Vergleichsrechnung von regelhafter und planmäßi- 6 ger Verfahrensabwicklung. Dahinter stand wohl offenbar auch das Anliegen, weitestgehend zu quantifizieren – das sollte jedermann eingängige Argumente beisteuern (Vorteil

1

2 3

EB Mot S 169: „Die Darstellung des Reorganisationskonzepts wird auf die finanziellen, organisatorischen, personellen und rechtlichen Rahmenbedingungen eingehen müssen“. Näher dazu siehe noch EB Mot S 170/171. HK/Haas InsO9 § 220 Rn 3 (Anhaltspunkte für den Mindestinhalt); Häsemeyer InsR4 Rn 28.18 Fn 49 (Darstellungsanleitung);

MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 220 Rn 2 (wertvolle Hinweise); HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 6 (unter Berücksichtigung); Smid/ Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 6.3 (beispielhaft); Schiessler Insolvenzplan (1997), S 127 (orientieren müssen); Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 220 Rn 2 (Anhaltspunkte).

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§ 220

Sechster Teil. Insolvenzplan

oder Verlust?), steht aber unter dem Vorbehalt verlässlicher Schätzung4 – dazu siehe noch näher Rn 78–87. Die Regel lautete: Im darstellenden Teil [DiskE: des Plans] ist anzugeben, in welchem Umfang die Gläubiger voraussichtlich bei einer Verwertung der Insolvenzmasse ohne einen Insolvenzplan [DiskE: Plan] befriedigt werden könnten.

7

§ 260 RegE sah außerdem vor, maßgebliche Insolvenzstraftaten darzulegen – aber doch nur dann, wenn der Schuldner selbst fortführen sollte. Es ging folglich (im Unterschied zu §§ 17 Nr 3, 79 Nr 2 VglO; § 175 Nrn 2 und 3 KO) um keine Klärung einer eigenen „Planwürdigkeit“, sondern darum, die individuelle Zuverlässigkeit bei „Eigenverwaltung“ offenzulegen5 – dazu siehe noch Rn 89 f. Nichterwähnung wirkte quasi hier als Positivtestat! Eine Erwähnung zwang umgekehrt dazu, das Risiko bewusst abzuwägen. – Die Regel lautete: (1) Soll der Schuldner das Unternehmen fortführen und ist gegen den Schuldner wegen einer Straftat nach den §§ [RefE: 265b, ] 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs eine gerichtliche Untersuchung oder ein wiederaufgenommenes Verfahren anhängig oder der Schuldner wegen einer solchen Straftat rechtskräftig verurteilt worden, so ist im darstellenden Teil darauf hinzuweisen. (2) Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt Absatz 1 entsprechend für die organschaftlichen Vertreter des Schuldners.

8

§ 261 RegE verpflichtete dazu, spezifische Doppelrollen offenzulegen (Interessenkonflikt!): Beteiligung von Gläubigern – direkt oder über Umwege – zeitgleich auf Seiten des Schuldners. Aktionäre könnten womöglich etwa doppelte Belohnung erfahren6 – durch Absicherung des Aktienwerts („Schuldnerseite) und durch Zuteilung auf die Forderung („Gläubigerseite“). – Die Regel lautete: Ist der Schuldner keine natürliche Person, so ist im darstellenden Teil [DiskE: des Plans] anzugeben, inwieweit dem Vorlegenden bekannt ist, daß absonderungsberechtigte Gläubiger oder Insolvenzgläubiger am Schuldner beteiligt sind. Ein Gläubiger ist auch insoweit im Sinne des Satzes 1 am Schuldner beteiligt, als ein von dem Gläubiger abhängiges Unternehmen oder ein Dritter für Rechnung des Gläubigers oder des abhängigen Unternehmens am Schuldner beteiligt ist. [statt S 2 im DiskE: auch eine mittelbare Beteiligung ist anzugeben.]

9

§ 262 RegE betraf alsdann explizit die Möglichkeit der Fortführung von Unternehmen („Fortführungsplan“: Vor §§ 217 ff Rn 48 „versus“ Rn 47), insb die erfolgte bzw geplante Umstrukturierung in rechtlicher oder personeller Hinsicht. Eventuell wären hierdurch schon gestaltende gesellschaftsrechtliche Eingriffe legitimiert, welche erst das ESUG später alsdann möglich machte (§ 217 S 2). Offen blieb indes, ob gar etwa Zwang ermöglicht wurde oder man nur an freiwillige Umgestaltungen appellierte (was eher nahe liegt7 – Darstellungsteil!). – Die Regel lautete: Soll der Schuldner das Unternehmen fortführen, so ist im darstellenden Teil [DiskE: des Plans] auf Änderungen der Rechtsform, des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung sowie der Beteiligungsverhältnisse hinzuweisen, wenn solche Änderungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind oder noch vorgenommen werden sollen.

4 5 6

BT-Drucks 12/2443 S 197 re. Sp. BT-Drucks 12/2443 S 198 li. Sp. BT-Drucks 12/2443 S 198 li./re. Sp. – ergänzend mit „abfedernd“ dem Ratschlag: eigene (Plan-) Gruppe bilden!

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7

BT-Drucks 12/2443 S 198 re. Sp. – im Kontrast zu EB LS 2.2.6 I lit c iVm LS 2.2.20 (Begr S 189–192).

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Darstellender Teil

§ 220

§ 263 RegE eröffnete übertragende Sanierungen an nahestehende oder interessierte 10 Personen unter Offenlegung von Erwerber und Bedingungen an die Gesamtheit der Teilnehmer des Verfahrens. Sie sollen hierdurch „in die Lage versetzt [werden], die Vor- und Nachteile der Veräußerung selbst zu bewerten“8 – denn der Plan war hier der einzige Weg dorthin. – Die Regel lautete: (1) Im Falle der [DiskE: einer] Veräußerung eines Betriebs sind im darstellenden Teil [DiskE: des Plans] die Bedingungen der Veräußerung und die Person des Erwerbers anzugeben. (2) Sind die Voraussetzungen des § 181 Abs. 1, 3 [DiskE: § 172 I; RefE: § 172 I/III] gegeben, so sind diese im Einzelnen darzulegen. Ist nicht bekannt, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, so ist darauf hinzuweisen.

In einem weiteren Sinne ist auch § 272 RegE noch hierher zu rechnen, der sich zwar 11 nicht ähnlich deutlich erklärt (es heißt insoweit allgemeiner: „im Plan anzugeben“) und zudem systematisch selbständig steht (nach den „Gestaltungs-“ und vor den „Anlageregeln“). Dies war auch allemal so gewollt: bestehende Vollzugshindernisse (behördliche Genehmigungen, drittseitige Zustimmungen) mussten offengelegt und eingeschätzt werden, um Planrisiken zu verdeutlichen; es konnte jedoch um sowohl angekündigte (freiwillige) wie gestaltete (erzwungene) Maßnahmen dabei offenbar gehen9 (anders wohl noch im EB-Vorschlag: LS 2.2.810). Die genaue Nachricht als solche (Erteilung, Zusage, Erwartung), erging zu dieser „Geschäftsgrundlage“, dh also war dann als Teil der Darstellung zu „vermitteln“. – Die Regel lautete: Ist zur Wirksamkeit einer Maßnahme, die im Insolvenzplan vorgesehen ist, die Genehmigung einer Behörde oder die Erklärung eines Dritten erforderlich, so ist im Plan anzugeben, ob die Genehmigung oder die Erklärung vorliegt, ob sie verbindlich zugesagt ist oder aus welchen Gründen mit ihr gerechnet werden kann.

c) Legislative Umgestaltungen. Der eher recht weitschweifige (oder „vornehmer“ 12 eben erläutert: exemplarische, siehe dazu oben bei Rn 5) Ministerialvorschlag hat nicht die Ausschussberatungen überstanden und wurde ins Gegenteil quasi umgekehrt: am Ende ist eine deutlich minimalistische Konzeption herausgekommen. Sie sollte vermutlich die generelle Konzeptionsschelte im Anhörungsverfahren11 („zu kompliziert und zu wenig praktikabel“) abmildern. Regelbeispiele (§ 258 II RegE: Rn 3 f) und Zusatzvorgaben (§§ 259–262 RegE: Rn 6–9) sollten demgemäß entfallen – freilich nicht komplett:12 stattdessen wurde § 258 II als neue Auffangregel („Generalklausel“) für alle Darstellungen geschaffen: „Statt detailliert aufzuzählen … wird allgemein bestimmt, welchen Inhalt dieser Teil haben sollte.“ Das kann man zwar als „redaktionelle Straffung“ gesetzgeberisch verklären, es ist aber ein schlussendlich grundlegender Systemwechsel, der insoweit dem Vorleger verstärkte Eigenverantwortung überbürdet. Er muss eben hinreichend inhaltlich informieren. Die neue Klausel brachte aber einen ergänzenden personellen Fokus: sie zielt – insge- 13 samt womöglich ungewollt – nämlich lediglich auf die Gläubiger (vgl Rn 38 iVm 15). Die einstmals objektive Anknüpfung, die auch noch bei § 220 I zugrunde liegt („Im darstellenden Teil wird beschrieben, …“), bekommt dann dadurch eine subjektive Kompo-

8 9 10

BT-Drucks 12/2443 S 198 re. Sp. BT-Drucks 12/2443 S 203 li. Sp. EB-Begr S 172 f.: primär Gestaltungen erfaßt [?].

11 12

BT-Drucks 12/7302 S 151 li./re. Sp und S 181 re. Sp. („Prolog“). Näheres (samt Zitaten) bei BT-Drucks 12/ 7302 S 182 [RA: Nr 138].

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Sechster Teil. Insolvenzplan

nente beigegeben („für die Entscheidung der Gläubiger“) – der Plan wird hier also somit zielgruppenorientiert(er). 14 Gestrichen wurden ebenfalls § 263 RegE (dazu Rn 10) und § 272 RegE (dazu Rn 11), ersterer zusätzlich deswegen, da auch dessen Bezugsnorm (§ 181 RegE) der „verschlankenden“ Streichung anheimgefallen war13 (Insiderveräußerungen auch ohne Insolvenzplanvorlage eröffnet), letzterer alleinig infolge des grundsätzlichen, allgemeinen Konzeptwechsels (dazu Rn 12).14 Das bestätigt die Zuordnung zum Darstellungsteil (dazu Rn 11) trotz räumlicher Ferne. 15 § 220 entspricht beinahe total der Stammfassung. Durch Art 1 Nr 16 ESUG [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3)] hat sich nur eine kleinere Änderung ergeben: nicht mehr die „Gläubiger“ (siehe oben bei Rn 13), sondern die „Beteiligten“ (zum Begriff bei § 217 Rn 35–37; § 221 Rn 36–46; § 234 Rn 10–13) sind inzwischen in Abs 2 als unmittelbare „Informationsadressaten“ angesprochen. Das zielte darauf, die Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten gleichfalls zu informieren15 – sie können eingezogen werden (§ 217 S 2) und dürfen sodann abstimmen (§ 238a); die Darstellung hat demzufolge auf sie mit einzugehen (so wie es einst EB LS 2.2.6 I lit c iVm LS 2.2.20 anfänglich schon vorgesehen hatte – die Leitsätze waren neutraler gefasst!). Anders herum gesagt: „Beteiligter“ ist, wer (materiell) betroffen ist (einschließlich des Gemeinschuldners, vgl Rn 38) bzw wer hiernach (prozessual) abstimmt. Dies war der Sinn der alten Wendung („Gläubiger“), die nur – inhaltlich neutraler formuliert – auf das ESUG-bedingt nun erweiterte „Instrumentarium“ anzupassen war. 2. Rechtsvergleich Nach altem Recht (bis 1978 – „Chandler Akt“16) lag der Fokus weniger stark auf der Information von Seiten des Vorlegenden. Überhaupt war einstmals das Verfahren stärker „hoheitlich“ geprägt (Einzelheiten: Vor §§ 217 ff Rn 144). Der Sachbericht des Treuhänders (§§ 167/168: „brief statement … in such form and manner as the judge may direct“ [§ 167 Nr 5]) diente aber allein als Ursachenanalyse (so wie nach § 156 I InsO), eine offizielle Stellungnahme kam später nur uU von Seiten der zuständigen Börsenaufsicht (§§ 173/174) – und erst die Information der Gläubiger zur Abstimmung (Übersendung an jeden konkret Betroffenen!) konnte entsprechend angereichert werden (§ 175 Nr 4: „such other matters as the judge may deem necessary or desirable for the information“). Dies war dann ein Bestandteil des Werbens um Zustimmung, welches anschließend geschah (§ 176: Solicitation of acceptances). So kam man ohne formalisierte (Verfasser-) Informationen aus. 17 Die Novelle (ab 1978 – Bankruptcy Reform Act17) setzte dagegen auf größere Gläubigerautonomie und weniger Präventivkontrolle (Flexibilisierung und Selbstbestimmung (vgl zur Einführung bei Vor § 217 ff Rn 152–154). Die Gläubiger sollten vorrangig ihr Schicksal selbst bestimmen – was ausführliche Information voraussetzte.18 Unter eben jenem Verfahrensleitbild bekommt damit die Darstellung einen völlig anderen Stellenwert!

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BT-Drucks 12/7302 S 182 li. Sp. [RA: Nr 139]: „überflüssig geworden“. BT-Drucks 12/7302 S 182 re. Sp. [RA: Nr 144]: „[nur] Folgeänderung“. BT-Drucks 17/5712 S 30 re. Sp. Pub. Law 75–696 [22.06.1938], 52 Stat. 840.

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Pub. Law 95–598 [06.11.1978], 92 Stat. 2549. Näheres siehe bei Hinrichs Insolvenzbewältigung durch Option (2002) S 57 ff. Flessner Sanierung und Reorganisation (1982) [AIPR 48], S 117/118 bzw H.-R. 95–595 S 226 [Zitat].

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Sie mutiert zur „formalisierten“ Werbung um spätere Zustimmung. „If adequate disclosure is provided to all creditors and stockholders whose rights are to be affected, then they should be able to make an informed judgment of their own, rather than having the court or the Securities and Exchange Commission inform then in advance of whether the proposed plan is a good plan. Therefore, the key to the consolidated chapter is the disclosure section.“ – Information als Fundament des Umschwunges, als Schlüsselstelle jener Neuausrichtung, die das Verfahren privatrechtsorientiert gestaltet und versucht, frühzeitige Planbeurteilung weitmöglich zurückzudrängen. Dahinter steht letzthin die Erkenntnis, dass Prognosen und Bewertung wohl aufzubereiten sind (Darstellung des Vorlegenden), dass aber die Einschätzung von Chancen und Risiken die Gläubiger eigenverantwortlich selbst vornehmen sollen (Abstimmung der Beteiligten). Es wäre aber falsch, die Richtermacht als insgesamt zurückgedrängt anzusehen. Viel- 18 mehr werden insoweit allein Prüfinhalt und -gegenstand rechtlich neu definiert – es geht jetzt um eine Gerichtskontrolle des Informationswerts: das sog „disclosure statement“ (siehe hierzu schon § 219 Rn 7) bedarf nämlich zuerst der gerichtlich erklärten Bestätigung (11 USC § 1125 lit b: „approval“) bevor dann die einzelnen Gläubiger ins Verfahren eintreten („solicitation procedure“). Das Gericht muss hierbei feststellen, dass das Statement genügende Informationen beibringt (S 1: „containing adequate information“19). Die nähere Umschreibung dieser Generalklausel (11 USC § 1125 lit a Nr 1) bringt vielfache Flexibilität: bezüglich der bei dem Schuldner ermittelbaren Informationen („as far as is reasonably practicable“ – Aufwand ./. Ertrag!) und der von Gläubigern erwarteten Information zur Planvorlage. Ziel ist, dass ein „normaler“ (hypothetischer) Investor (dazu Rn 19) eine begründete Planentscheidung entwickeln kann („to make an informed judgment about the plan“). Die Darstellung ist daran konkret auszurichten, nach Qualität („information of a kind, …“ – Darstellungsfakten bzw „Ob“) wie Quantität („,… and in sufficient detail“ – Darstellungsdichte bzw „Wie“) der schriftlich vermittelten Offenlegung („disclosure“). Den Bezugspunkt bildet individuell der „typische Investor“ in der konkreten jeweiligen 19 Situation20 (Einzelfallbezug! bzw „standard, which is flexible on a case-by-case basis“). Hiermit meint man nicht etwa bloß das jeweilige Planverfahren, sondern auch jeweils die betroffene Plangruppe (so mag etwa am Ende ein Arbeitnehmer oder Kleinaktionär stärkerer „Plan-Aufklärung“ bedürfen als zB ein Lieferant und auch die Hausbank). Dieser sog „investor typical … of the relevant class“ wird ergänzend eigens definiert (11 USC § 1125 lit b); maßgeblich sind namentlich individuelle Gruppenzugehörigkeit (lit A) und durchschnittlicher Kenntnishorizont, mitsamt der Möglichkeit des Zugangs zu anderen Informationsquellen (lit C). Dabei ist nicht von einer besonderen Nähebeziehung auszugehen (lit B). Es wird mithin außerdem Eigeninitiative erwartet. Die Informationspflicht umfasst nie jedoch die Aufklärung darüber, ob alternative Plankonzepte existieren oder naheliegen. 3. Normzwecke Die Regelung ist Ausprägung der von § 219 S 1 vorgegebenen strukturellen Trennung 20 (dazu § 219 Rn 1) zwischen Information (§ 220) und Gestaltung (§ 221) und zielt wesentlich daher auf Informationsvermittlung, dh die Erläuterung von Grundlagen, Gegenstand

19

Hier mag uU auf eine Vermögensbewertung verzichtet werden (S 2).

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H.R. 95–595 S 226 [Zitat] sieht hier die entscheidende Flexibilisierung.

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und Auswirkungen des vorgelegten Insolvenzplans21 (namentlich des „Komplementärteils“ der Gestaltung: § 221 S 1 iVm § 254 I – zur deren funktioneller Unterscheidung siehe bei § 219 Rn 9, 17). Sie will allen förderhin prozessual Beteiligten den gleichen Zugang zu Informationen über das erdachte Sanierungskonzept schaffen und bringt hierdurch Transparenz für die Betroffenen (und dazuhin das Gericht). Das soll einer möglichen Informationsasymmetrie vorbeugen (dazu Rn 38), die natürlich bei Insolvenzplänen noch einiges stärker durchschlägt als in der principal/agent-Situation,22 und hierdurch den möglicherweise drohenden Einigungszwang entbehren.

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a) Personelle Komponente. Unmittelbar schafft und bewirkt die Darstellung hierdurch insb viererlei, entsprechend den Zielgruppen: (a) Die Abstimmenden werden in die Lage versetzt, eine sachgerechte Entscheidung über die Annahme des Plans zu treffen (Abs 2 Hs 2 Var 1: „Entscheidung der Beteiligten“ bzw „informed consent“ – vor allem mittels Vergleichsrechnung zum Liquidationsfall [Rn 78–85], indes auch durch Darlegung und Erklärung eventuell ungleicher Behandlung [§ 222 II S 3 – vgl § 222 Rn 117]). Sie erhalten zugleich die Möglichkeit auf zusätzliche Planmodifikationen hinzuwirken (§§ 232, 234, 235 I, 240 – „Vorwirkung“), aber später ihre Rechte auch – falls nötig – unter Zuhilfenahme gerichtlichen Schutzes zu wahren (§ 251 – „Nachwirkung“). Angelpunkt ist aber immer doch die Abstimmung: „nur auf der Grundlage einer solchen Darstellung lassen sich die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens und damit die Erfüllbarkeit des Insolvenzplans einigermaßen sicher beurteilen.“23 Dass einige wichtige „Player“ aufgrund informeller oder förmlicher (§ 218 III) Beteiligung an der Planentwicklung uU ergänzend Sonderwissen aufhäufen, steht auf einem anderen Blatt – genau dies ist auszugleichen! 22 (b) Die Planwerdung erfordert im Idealfall gleichfalls das Einverständnis des Gemeinschuldners. Und auch darum wirbt wohl die Darstellung (zumindest die des Verwalters: § 218 I S 1 Var 1), wenn auch – angesichts eines harten Verbots obstruktiven Verhaltens (passives Fernbleiben [§ 247 I] wie aktiver Widerspruch [§ 247 II]) – vielleicht nicht mit einer besonderen Verve24 (aber vgl doch § 232 I Nr 2). Man sollte dies jedoch nicht unterschätzen: der offene Widerspruch müsste gerichtlich vorab ausgeräumt werden – was ebenso parallele Vergleichsrechnung erfordert (§ 247 II Nr 2 bzw Rn 40, 78). Praktisch besser ist mithin eindeutig auf alle Fälle, wenn der Gemeinschuldner – überzeugt eben durch gute Argumente – still bleibt oder konsentiert. Beim Schuldnerplan (§ 218 I S 1 Var 2) entfällt natürlich dieses besondere Anliegen („Selbstläufer“). 23 (c) Zielgruppe sind eigentlich auch diejenigen, welche innerhalb des Verfahrens eigene, ergänzende Expertise einbringen sollen, besonders der Verwalter bei Schuldnerplänen (§ 232 I Nr 3). Hierher zählen zudem auch Gläubigerausschuss und Mitarbeitervertretung (§ 232 I Nr 1) als weitere „verfahrensnahe“ Stellen, Berufsvertretungen (§ 232 II) und uU

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BT-Drucks 12/2443 S 197 li Sp. Grundlegend zur Problematik Fleischer Informationsasymmetrie im Vertragsrecht (2000), S 138 f. BT-Drucks 12/2443 S 197 re. Sp. [§ 258 {5}]. BGH NZI 2012, 139, 140 {9} [II 2b aa] = DZWIR 2012, 197 = WM 2012, 180 = ZIP 2012, 187; WM 2012, 1640, 1641 {9} [III 1]; NJW 2015, 2660, 2664 {29} [II 2e aa] = DZWIR 2015, 560 = WM 2015, 1291 = ZIP 2015, 1346 = NZI 2015, 697 = KTS 2016, 221; NJW-RR 2018, 817, 820 {38} [III 6a

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vor aa] verkürzte den Impetus en passant auf Gläubiger. Die hL kaschiert das geschickt (Information der Beteiligten, vgl § 221 Rn 36 ff iVm § 217 Rn 35–37 bzw § 234 Rn 10–13): HambK/ Thies InsO6 § 220 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 3 mit § 219 Rn 1; HK/Haas Inso9 § 220 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 219 Rn 1; Smidt/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 6.2. Etwas dunkel dagegen MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 220 Rn 1.

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Darstellender Teil

§ 220

der Prüfungsverband der Genossenschaften (§ 116 Nr 4) als Außenstehende. Dabei muss man zT Vorkenntnisse (arg § 218 III) zugrunde legen, es geht hier aber um Kommentare im Nachhinein (Einschätzung des „Endproduktes“), um Kontrolle, Nachprüfung, Bewertung von total anderer Warte aus – und damit nicht zuletzt um Objektivierung und Sicherung der Plankonsistenz („Qualitätskontrolle“). Und das wieder wirkt zurück auf die Entscheidungsfindung (dazu Rn 21). (d) Darüber hinaus richten sich die Angaben ans Insolvenzgericht und unterstützen 24 dessen Einschaltung innerhalb der einzelnen Ablaufstadien des Planverfahrens (Abs 2 Hs 2 Var 2: „gerichtliche Bestätigung“ bzw „judicial confirmation“). Auf einer frühen Stufe (§ 231 I) meint dies die proaktive (antizipierende) Bewertung der notwendigen Sachinformation (Nr 1: „Inhalt des Plans“: Rn 34–40) wie auch der praktischen Durchführbarkeit (Nr 2/3), es meint vor allem dann den Bestätigungsakt mit Rückgriff auf Einigungszwang (§ 248 iVm §§ 245 I Nr 1, 246 Nr 1, 247 II Nr 1 – Inzidentprüfung auf Obstruktionsakt), als dezisiver (verpflichtender) Ausspruch, sowie auch auf dann quasi letzter Stufe die eigentlich kontrollierende Betätigung, sei sie nun präventiv (§ 250 Nr 1: „Inhalt … des Insolvenzplans“) verordnet oder uU bloß repressiv (§ 251 I Nr 2 mit II: „voraussichtlich schlechtergestellt“) angelegt. Das steht bei §§ 231, 250 nur scheinbar im Gegensatz zum Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 I), der Beibringung nicht ausschließt (dazu etwa § 231 Rn 42, wohl auch § 250 Rn 56); außerdem erfolgt insoweit eine Rechtsprüfung „genügender“ Informationen im und mit dem Plan (siehe noch näher Rn 93 f mit 53–55). b) Inhaltliche Komponente. Mittelbar kann man noch gleichsam Reflexwirkungen des 25 darstellenden Teils identifizieren, und zwar trotz strikter struktureller Trennung von Darlegung und Bewirkung (dazu § 219 Rn 11, § 221 Rn 34). Was dargelegt ist, wirkt prägend bei einer Unklarheit der Gestaltung, welche konkrete Auslegung erheischt (siehe dazu Vor §§ 217 ff Rn 241–243), bevor jegliche Wirksamkeit entfällt. Das Dargelegte ist Hintergrund der Gestaltung und darum prädestiniert dafür, das Dunkle aufzuhellen. Das wird nicht zu einem Freibrief für schludrig formulierte Planfassungen, sondern ist nur kleiner Notbehelf bei Unglücken (neben der Regel des § 221 S 2), und zwar für Plangestaltung (§ 254 I) wie auch für Titelwirkungen (§ 257 I 1 und II). Als wesentliche Informationsquelle der Verfahrensbeteiligten im Verfahrensgang taugt und dient hier der Plan (scil. sein darstellender Teil) als ein Hilfsmittel für die „Konkretisierung“ entsprechend Empfängerhorizont. Und dazu tritt noch die Gewährleistung der Qualität der Planerstellung. Hier setzt 26 Abs 1 vorweg gewisse Referenzmarken – die Darstellung bislang ergriffener Maßnahmen gestattet die Bewertung ihrer (auch künftigen) Zweckmäßigkeit und eröffnet Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten des gesamten Planvorhabens.25 Das ist die einzig mögliche Nagelprobe, alles andere ist dagegen Hoffnung und Prognose. Das gilt indes auch für Abs 2, wenn und weil man umfassende Offenlegung versuchter Krisenabwehr abverlangt (dazu vgl auch Rn 71 f iVm 35), denn auch daraus lässt sich lernen. Ergänzend gilt folgendes: Jede Darstellung erlaubt selbstredend eine Binnenkontrolle der Planinhalte,26 dh ver- 27 hilft zur Möglichkeit, einzelne Szenarien, Berechnungen und Prognosen aus sich heraus auf ihre inhaltliche Richtigkeit bzw planerische Schlüssigkeit zu beleuchten, hinterfragen, überprüfen etc. Hierzu dient auch die Bewertung anhand externer Quellen, wie beispielsweise ergänzend vom Verwalter herausgegebener Informationen oder Erläuterungen sowie auf 25

Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 25 – ferner: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1.

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Herausgestrichen von Brünkmans/Thole/ Harmann § 6 Rn 11: Kontrollfunktion.

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§ 220

Sechster Teil. Insolvenzplan

Basis von angeforderter weiterer Kommentierung (§ 232 I/II). Dies bewegt sich selbst noch im Verfahren und seinem normierten Ablauf. Daneben tritt die Außenkontrolle auf Eigeninitiative hin (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Fachabteilung etc), um – soweit gewünscht – ökonomisches Fremdwissen rückzufragen (Prinzip „zweiter Meinung“) und individuelle Befangenheit wegzublenden. Kann der Plan für sich selbst sprechen …? Gerichtskontrolle ist demgegenüber nur Rechtskontrolle!

II. Grundregel (Abs 2) 28

Abs 2 formuliert als Grundregel die Kernanforderungen an den darstellenden Teil jedes Insolvenzplans27 („Maßnahmenpaket“: Rn 2). Sie soll einen transparenten Mindestgehalt an Informationen sicherstellen28 (dazu Rn 54) und ist bewusst nur als allgemeine Generalklausel konzipiert.29 Dieses zeigt sich methodisch sehr weise (dazu Rn 33), bürdet damit aber dem Planverfasser (besonders dem Verwalter: Rn 98) ein großes Risiko auf, er muss zwischen Scylla (Scheitern) und Charybdis (Haftung) am Ende schadlos hindurchkommen. Die Anforderungen orientieren sich maßgeblich am auch im Gesetzgebungsverfahren im Fokus stehenden Sanierungszweck (arg § 1 S 1 Hs 3); keinerlei Bedeutung erheischt, wer Planverfasser ist30 (§ 218 I – Ausnahme: § 116 Nr 2 GenG). 1. Formulierungsdefizite

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Die vom Gesetzgeber gewählte Regelungskonzeption erschließt sich nicht ohne weiteres einem eiligen Leser aus Systematik und Textierung – man hätte gewiss die Informationsbereitstellung als Regelungszweck des darstellenden Teils und Hauptanliegen von Abs 2 klarer herausstreichen können. Am Ende gewann das fadenscheinige Bestreben redaktioneller Straffung offenbar indes dann die Oberhand.31 Der Normtext (Hs 1: „sonstige Angaben“) sowie die konkrete Reihung der Absätze erweckt zunächst einmal den Eindruck, das nach Abs 2 Hs 2 Geforderte stelle nur Beiwerk dar, obwohl es sich tatsächlich doch genau anders herum verhält (vgl Rn 28 iVm Rn 57–59). Eine (vermeintliche) Abwertung lag indes keineswegs in der Absicht des Gesetzgebers; der Normaufbau folgt vielmehr der Chronologie der Geschehnisse (Näheres: Rn 30 und 32). Dazu kommt jene recht unglücklich erscheinende Etikettierung als „Anstandsregel“ (Hs 1: „soll … enthalten“), was auch nicht stimmt (Näheres: Rn 31). Womöglich aber war es umgekehrt: der Gesetzgeber

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Ähnlich HK/Haas InsO9 § 220 Rn 1 („Grundgedanke“); Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO61 § 220 Rn 1 („grundlegende Anforderung“). BGH NJW 2015, 2660, 2664 {29} [II 2e aa] und NZI 2012, 139, 140 {9} [II 2b aa] („gewisser Grundbestand“ an Informationen) = Fn 33. Ganz ähnlich früh bereits Bork ZZP 109 (1996), 473, 475/476 [B II 1]: Vorgeben „grobe[r] Richtung“ – unverblümt so inzwischen: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219– 221 Rn 8–10, 42, 44; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 220 Rn 1; Kübler/Prütting/

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Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 6; Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 27. Überaus verhalten anfangs BK/Flöther/Wehner InsO42 § 220 Rn 2 („erste Konkretisierung“), dann wie hier Rn 2 („Generalklausel“). Uhlenbruck/Lüer/Streit § 220 Rn 1 – im Unterschied zu Abs 1 (siehe dazu bei Rn 61). BT-Drucks 12/7302 S 182 li. Sp. [RA: Nr 138] – mit Blick auf „Anhörungsfrage Nr 27“ (RA-Prot 12/74 [1990] S 7): „Halten Sie die im Entwurf vorgesehenen Anforderungen an den darstellenden Teil des Insolvenzplans für überzogen?“

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Darstellender Teil

§ 220

wollte hinsichtlich der Informationsbereitstellung als Kontrollobjekt Gerichten Beurteilungsermessen einräumen und allzu starker legislativer Korsettierung gegensteuern (vgl Rn 54). Drei Punkte sind danach aber „zurechtzurücken“: (a) § 220 II nimmt die Perspektive des Plans („Angaben zu den Grundlagen und Auswirkungen des Plans“ [als Vorschlag] – ausf Rn 34–36) – im Unterschied zu Abs 1, welcher vom Verfahren ausgeht und insoweit parallele (planexterne32 – dh an sich doch „planbezogen“ viel eher gerade: „sonstige“) Maßnahmen betrifft (ausf Rn 60–62, 75). Gemeint ist hiermit die Darstellung planinterner Tatbestände – und also die unabdingbar planprägende Information (Transparenz; Offenlegung), die für die angestrebte Veränderung und damit auch das Abstimmungsverhalten der Beteiligten maßgeblich ist. Der Zusatz „sonstige“ erscheint überschüssig, war gewiss niemals beschränkend gemeint, sondern sollte immer bloß das Nebeneinander beider Regeln verdeutlichen und deren weitere Selbständigkeit betonen (iSv „alle nötigen [weiteren] Angaben“ – Ubiquitätsformel!). (b) Unglücklich gewählt ist daneben die Einkleidung als Sollvorgabe, welche das Bestehen eines Entscheidungsspielraums zugunsten des Planerstellers nahelegt. Falls denn überhaupt so angedacht, dann ist lediglich Gerichtskontrolle gemildert (dazu Rn 39 f, 54, 93 f). Die Billigung gestalterischen Ermessens würde klar den allumfassenden Informationszweck (dazu Rn 20–24) konterkarieren und hierdurch dem Verfahren dessen Legitimität rauben (Bindungskraft eigenverantworteter Entscheidung!) Die Regelung ist daher – das vor allem mit Blick auf die ausgreifenden Planwirkungen, objektiv (§ 254 I) wie subjektiv (§ 254b) – als zwingende Vorschrift zu verstehen und „soll“ mithin als „muss“ zu lesen (hM33). (c) Das Verhältnis von Abs 2 zu Abs 1 ist zudem auch deshalb vertrackt, weil beide Regeln zugleich Vergangenes wie Zukünftiges erfassen. Bei Abs 1 macht dies der Wortlaut schon deutlich (Var 1 und 2), er hat aber einen beschränkten („kleinen“) Zeithorizont (Näheres siehe bei Rn 60); Abs 2 erscheint zunächst dagegen allein zukunftsgerichtet. Sieht man näher hin, wird rasch klar, dass ein Plan, welcher losgelöst vom Herkommen agierte, auf Sand baute: er muss vielmehr auf eingetretene konkrete Insolvenzursachen Antworten finden! Abs 2 hat darum einen immens erweiterten („großen“) Zeithorizont, von einst „guten Tagen“ über erste Krisen („Ursachenanalyse“: Rn 35) bis zur möglichen künftigen Lösung („Insolvenzbewältigungskonzept“: Rn 36). Die Planung zielt wohl auf Zukunft, lernt aber zweifellos doch aus Vergangenem. Kein Formulierungsdefizit, sondern besonders guter Schachzug, ist es, bei Abs 2 einen speziellen Spannungsbogen aufzubauen: Hs 1 (dazu Rn 34–36) formuliert erst einleitend

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So wohl am Ende Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 4 („insbesondere“?). BGH NZI 2012, 139, 140 {10} [II 2b aa] = DZWIR 2012, 197 = WM 2012, 180 = ZIP 2012, 187 und BGH NJW 2015, 2660, 2664 {29} [II 2e aa] = DZWIR 2015, 560 = WM 2015, 1291 = ZIP 2015, 1346 = NZI 2015, 697 = KTS 2016, 221; zust LG Wuppertal NZI 2016, 494, 494 [II 1]; AG Köln NZI 2017, 664, 665. En passant wohl bereits früher BGH NJW-RR 2009, 1347, 1349 {27} [II 3c] („muss“) = DZWIR 2009, 463 bzw DZWIR 2011, 65, 67 {42} [II 3c] („muss“) = NJW-RR 2011, 51.

Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1 aE; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 6; HK/Haas InsO9 § 220 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 4; HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 5; Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 27; Bork InsR8 Rn 370 bei/mit Fn 10; Stephan NZI 2017, 666, 667; Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1916 [III 1a]. Indifferent hier Häsemeyer InsR4 Rn 28.18 [Abs 1]; anders einst aber Kübler/Prütting/ Bork/Otte InsO24 § 220 Rn 12 und HambK/ Thies InsO3 Rn 5.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

eine relativ umfassende Pflicht, Information zu vermitteln (Vollständigkeitsgebot: Rn 49); Hs 2 (dazu Rn 37–40) setzt danach indes gleich einen Filter, welcher es erlaubt, zielgerecht zu informieren, entsprechend dem Zweck der Ausführungen (Erheblichkeitsschwelle: Rn 51). In hernach wechselseitig geschicktem Zusammenspiel gelingt es zumeist ganz elegant, den maßgeblichen Informationsgehalt hochzuhalten. Man kann ja auch durch zu viele, aufgebauschte Aussagen desinformieren (dh den Plan desavouieren …). 2. Erläuterungsbedürfnis (Hs 1)

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Die Vorschrift verlangt mit Abs 1 Hs 1 die Schaffung einer insgesamt selbsterklärenden, umfassenden Informationsbasis34 („alle … Angaben“: Rn 49). Angesichts der Vielzahl möglicher Planinhalte formuliert sie die Anforderungen an den darstellenden Teil abstrakt und schafft auf diese Weise eine letztendlich begrüßenswerte Flexibilität für den Einzelfall (siehe vor allem Rn 12, 33, 39, 51, 54 – aber „antagonistisch“ auch Rn 31 iVm 49), allerdings weniger auf Rechtsfolgeseite (Ermessen35), sondern mediatisiert auf Seite des Tatbestandes (Hs 2: Rn 37 und 39 – Einschätzungsprärogative, Beurteilungsspielraum). Verlangt wird hiernach eine aussagekräftige, möglichst holistische Abbildung der Situation des Gemeinschuldners aus retrospektiver, aktueller wie prospektiver Sicht. 35 Der Normwortlaut verdeutlicht eindringlich („Grundlagen“), dass die erfolgreiche Gestaltung der schuldnerischen Zukunft eine handfeste Zustandsbeschreibung erfordert. Erst die tiefgehende Analyse der Insolvenzursachen („Schwachstellenanalyse“; IDW S6/aF Rn 81–83: „Analyse der Krisenursachen“ bzw F&A zu IDW S6/nF 4.6)36 schafft das notwendige Verständnis für die jeweilige Situation und sichert die Wahl der geeigneten Gegenmaßnahmen und das Erreichen des Planziels (dazu Rn 66). Frühere Fehler soll man tunlichst doch vermeiden! Grundlagen meint allerdings im ersten Zugriff sicher anderes: das Erklären der Planidee, dh von Konzeptinhalt, Veränderungen bzw Systemwechsel (das induziert den Rückblick!), Planstrategie etc. Ziel ist es, die maßgebenden Entscheider mitzunehmen oder besser wohl: aufzuklären. 36 Daneben tritt die Umschreibung der Konsequenzen („Auswirkungen“), welche sich an die mögliche Umsetzung des Vorschlags anknüpft. Das meint die klare Präsentation geplanter Gestaltungen; von zentraler Bedeutung ist dafür vor allem die Darstellung des Sanierungskonzepts (Einzelheiten: Rn 66–76). Der Plan hat zu erläutern, wie er die Insolvenzgründe nachhaltig beseitigen möchte.37 Gefordert ist insofern eine ebenso schlüssige

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MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 220 Rn 69 („Herstellung einer breiten Informationsbasis und einer ausreichenden Transparenz“); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1 („Planinitiator muss diesem Informationsbedürfnis Rechnung tragen“); FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 82 („offene Informationspolitik des Planverfassers“). So sieht es indes Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 6 aE. Man formuliert oft vornehmer: Ursachenanalyse (MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 220 Rn 7 f; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 5; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 6.2) bzw Unternehmensanalyse (Nerlich/

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Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 49; FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 62 ff). Eher wie hier Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 14 („Ursachen der Insolvenz“) bzw HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 5 („Analyse der Ursachen der Insolvenz“); Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 34 („Analyse der Krisenursachen“); Geiwitz/ Käfferlein HRI2 § 25 Rn 41 („Ursachen seiner Insolvenz“). In Anlehnung an EB Mot S 169 [zu LS 2.2.6 I pr.] („Mindestinhalt“!): „wie das Unternehmen erhalten und seine die Ertragsfähigkeit wiederhergestellt werden kann.“

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wie kohärente Lösung, die Chancen und Risiken (iSv Rn 47, 64) bzw Stärken und Defekte als sog „SWOT-Analyse“ (dazu vgl auch § 233 Rn 22) unverblümt im Plan selbst präsentiert. Auswirkungen umfassen sowohl dabei die Rechtsfolgen (rechtlich transparente Erklärung) wie auch den ökonomischen Zusammenhang (Ursache/Wirkung), einschließlich prognostizierter Fortentwicklung. 3. Entscheidungsrelevanz (Hs 2) Das umfassende Gebot, alles darzulegen (Hs 1: Rn 34–38), erfährt durch Hs 2 seine 37 Bindung – in sogleich mehrfacher Hinsicht. (a) Vor allem die Entscheidungserheblichkeit grenzt die Weite ein (nicht alle planrelevanten Informationen sind nötig) und legt zugleich auch einen Mindestinhalt fest38 (indes doch alle zur Urteilsbildung maßgeblichen Informationen). Das beschreibt ein generelles Spannungsverhältnis (dazu Rn 33 iVm 49 und 51) und konturiert die notwendige Darstellungstiefe („quantitative Beschränkung“).39 Dabei darf man aber nicht übersehen, dass es um eine selbstredend binäre Entscheidung geht: es kann ein Nein am Ende ebenso natürlich herauskommen – Billigung oder Ablehnung in Kenntnis entscheidungserheblicher Umstände! Daneben tritt (b) die Zielgruppenorientierung („subjektive Beschränkung“) – die Präsentation ist (primär zumindest) auszurichten auf diejenigen, die entscheiden (Planunterworfene und Insolvenzgericht, gleich näher dazu Rn 38), und es ist (c) das Planungsziel zu reflektieren (Liquidation, Sanierung, Übertragung oder zB bloß Verfahrensbegleitung). Dieses prägt dann die Darstellungsweite („qualitative Beschränkung“) – die Erheblichkeit ist also auch ein relatives, plangeprägtes Kriterium40 (siehe noch bei Rn 66). Kernanliegen ist natürlich die Ermöglichung mündigen Entscheidens (dazu Rn 20 f, 31, 38 37, 40, 42–44, 51) in Kenntnis sämtlicher (plan-) relevanter Umstände.41 Als Adressaten waren anfänglich genannt nur Gläubiger und Gericht, erst das ESUG wandelte die ersteren zu Beteiligten (Art 1 Nr 16, dazu vgl oben Rn 15), aber ersichtlich bloß, um die stimmbefugten Anteilseigner (§ 246a) einzubeziehen.42 Das umgrenzt den direkten Adressatenkreis. Der Wortlaut erlaubt freilich nunmehr weitergehende Assoziationen (zum Beteiligtenbegriff bei § 217 Rn 35–37, § 221 Rn 36–45, § 234 Rn 10–13), erschließt quasi nebenbei einen indirekten Adressatenkreis, dabei vor allem den planbetroffenen Gemeinschuldner (§ 247 bzw Rn 22). Ferner sind uU auch Dritte, die weitere Unterstützungsleistungen zusagen („Plangaranten“), per Darstellung mit einzubinden. Fakultativ Beteiligte (iSv § 221 Rn 46–53) sind für den Plan (scil. seinen Erfolg) regelmäßig ganz essentiell (und vice versa: die Beteiligung motiviert häufig überhaupt zur Zustimmung!). Eine unmittelbar subsumtionsfähige Normvorgabe schafft Hs 2 damit (ganz bewusst 39 übrigens: Rn 12, 33 f, 39, 51, 54) nicht: Vorzugswürdigkeit einzelfallabhängiger Inhalts-

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Anders im Ansatz BK/Flöther/Wehner InsO42 § 220 Rn 2 (nur unverbindlich als „Richtschnur“). BGH NZI 2010, 734, 737 {42}; 2012, 139, 140 {8 f}; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 1, 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1 (Ermöglichung „sachgerechte[r] Entsch[eidung]), ganz ähnlich auch HK/ Haas InsO9 § 220 Rn 2.

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Beispielsfall: BGH NZI 2012, 139, 140 f {8 mit 12–14}= WM 2012, 180 = ZIP 2012, 187 = DZWIR 2012, 197 = ZInsO 2012, 173 = ZVI 2012, 56 – festgestellte Insolvenzstraftat nur bei Fortführungsplan offenzulegen, dazu näher noch Rn 89. Darauf zielt vor allem etwa BGH NJW-RR 2011, 51, 54 {51} [II 3c bb] = Fn 43. BT-Drucks 17/5712 S 30 re. Sp. [RV: Nr 15].

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Sechster Teil. Insolvenzplan

bestimmung43 (siehe vor allem Rn 63), ohne textliche formale Präzision, sondern materiell wertend. Die Praxis hat hierzu als Faustregel folgendes festgelegt:44 all jene Angaben seien danach unverzichtbar, welche die Beteiligten für eine sachgerechte Entscheidung über den Plan, nach Maßgabe ihrer eigenen Interessen, benötigten – oder vielleicht noch verkürzter: es geht um eine begründete Auswahl entsprechend eigenen Interessen („Befähigung zum Selbstschutz“). Für den Planvorlegenden wirkt dies nur entgegengesetzt (verschiedenartigste Interessenhorizonte), er muss auf alle achten, somit also den geeigneten Kompromiss entwickeln und sich mühen, dabei dann ein – gegenwärtig noch unkonkretes – Mindestmaß zu beherzigen. Das scheint so besehen oft am Ende Vieles schwieriger, als etwa einen Lagebericht zu formulieren (§ 289 HGB). 40 Die Ausrichtung des Erheblichkeitsbegriffs an der (subjektiven) Interessenlage der Beteiligten schafft Flexibilität, verlangt aber zugleich nach Objektivierung. Den Ausgangspunkt der Darstellung bilden stets dann diejenigen Informationen und Erklärungen, die den Beteiligten in jedem Insolvenzverfahren (scil. im Regelinsolvenzverfahren) ebenso zugehen müssen (§§ 151–153, 156 – IDW S2 Rn 14: „vielfältige Verzahnungen und Interdependenzen“), dazu kommen speziell planspezifische Vorgaben (§§ 222 II S 3, 229 bzw § 116 Nr 2 GenG: Darstellung zu Nachschüssen). Eine Leitplanke vermittelt zudem das Verbot der unfreiwilligen Schlechterstellung (§§ 245 I Nr 1, 247 II Nr 1 bzw §§ 251 I Nr 2, 253 II Nr 3), meist der Anlass zur Vergleichsrechnung (dazu Rn 78–87). Die Aufnahme einzelner Angaben ist danach zwingend, sofern und soweit sie potentiell Entscheidungseinfluss erheischen45 und im Umkehrschluss dementsprechend verzichtbar, sofern sie zur Überprüfung einer etwaigen Schlechterstellung einzelner Beteiligter nicht erforderlich sind. Maßgeblich für Umfang und Ausführung ist namentlich die Komplexität der Insolvenzbewältigung, die freilich mit der Relevanz des schuldnerischen Unternehmens korreliert46 (also selbst auch wieder durchaus variiert …).

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BGH NZI 2010, 101 {3} [II] = ZIP 2010, 341 = WM 2010, 225 = ZInsO 2010, 85; NJW-RR 2011, 51, 54 {43} [II 3c] = DZWIR 2011, 65 = ZIP 2010, 1499 = WM 2010, 1509 = NZI 2010, 734 = ZInsO 2010, 1448; NJW 2015, 2660, 2664 {29} [II 2e aa] = DZWIR 2015, 560 = WM 2015, 1291 = ZIP 2015, 1346 = NZI 2015, 697 = KTS 2016, 221. Die Praxis hat jedoch inzwischen durchaus Kriterien ausgefällt – Näheres unten bei Rn 53–55. Ebenso: Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 8 und 10; Jaffé FK InsO8 § 220 Rn 2 [siehe dazu noch unten Rn 41 aE bei/mit Fn 25] iVm Rn 7–9, 37; BK/Flöther/ Wehner InsO42 § 220 Rn 2 bzw Geiwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 8; Brünkmans/Thole/ Harmann § 6 Rn 23 und 37. Eher zurückhaltend demgegenüber HK/Haas InsO9 § 220 Rn 3: §§ 258 II, 259–263, 272 RegE als „Anhaltspunkte für den Mindestinhalt“.

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BGH NZI 2012, 139, 140 {9} [II 2b aa] = DZWIR 2012, 197 = WM 2012, 180 = ZIP 2012, 187; WM 2012, 1640, 1641 {9} [III 1]; NJW 2015, 2660, 2664 {29} [II 2e aa] = Fn 43 – zust HK/Haas InsO9 § 220 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1 bzw Geiwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 9; Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 28, 30. Ohne ausdrücklichen „Interessenbezug“ hier Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 219–221 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 6; stärker einschränkend dagegen FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 3 („soweit vorhersehbar“). Ähnlich Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 6 mwN (Fn 5 und 6) – siehe noch bei Rn 93 f. BGH ZIP 2010, 341, 341 {3} [II] = NZI 2010, 101 = WM 2010, 225 = ZInsO 2010, 8.

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4. Systemzusammenhang § 220 II ist letztlich die Hauptnorm. Das folgt aus ihrer Genese („Straffung“ des 41 Normtexts: §§ 258 II, 259–263, 272 – siehe Rn 12, 57) und auch ihrer zentralen systematischen Bedeutung (siehe dazu schon dazu Rn 12, 28 f, 32 – ferner: Rn 56). Im Verhältnis zu § 220 I ist dieser Absatz eindeutig „wesentlich wichtiger“47 bzw „grundlegende Anforderung“48 und demnach am ehesten Abs 1 die „Verfeinerung“ von Abs 249 – nicht umgekehrt herum. Man kann auch nicht § 220 in Inhaltsvorgabe (Abs 1 und Abs 2 Hs 1) und Zweckerklärung (Abs 2 Hs 2) kurzerhand quasi „zergliedern“:50 der Zweck nämlich reicht – persönlich (dazu Rn 22–24, 38) und inhaltlich (dazu Rn 25–27) – weiter, Abs 2 erzeugt seinen eigenen „Spannungsbogen“ (dazu Rn 33), welcher das weitere Normverständnis vorgibt (bzw der ansonsten ganz zerrissen würde), und Abs 1 hat grundsätzlich andere Zeithorizonte (dazu Rn 32, 60). Das geht nicht bündig demnach zusammen. Konzediert sei allerdings, dass Abs 1 sich natürlich viel konkreter gibt.51 Im Verhältnis zu § 221 sind indes die Dinge ganz offenkundig: Erfordernis strikter Bezeichnung (bzw Trennung – arg § 219 bzw dort Rn 11). Allein dort gibt es Gestaltungsfreiheit (dazu § 221 Rn 55), hier dagegen die Bindung an Mindesterfordernisse52 (vgl Rn 5 [mit Fn 3], 28, 32, 37, 39 f, 53–55).

III. Darstellungsmaximen 1. Grundproblem Nur wenn die Willensbildung aller Akteure auf einheitlicher Grundlage erfolgt, dh die 42 relevante Verfahrensgrundlage feststeht („Perpetuierung“: Rn 43), erscheinen die mit dem Planverfahren verfolgten Ziele realisierbar. Oder anders gewendet: Ohne gesicherte und geordnete Angaben, wäre jede Information doch bloß inhaltsleer. Im Grunde steckt der Versuch dahinter, amerikanisches Vordenken („adequate information“: 11 USC § 1125 lit a Nr 1, vgl Rn 18 f mit 54) einzudeutschen: Übermittlung entscheidungserheblicher Planumstände (Abs 2 Hs 2). Das führt auf schlussendlich starke Richtermacht in jedem einzelnen Falle. Die Rechtsprechung hat sich jener großen Aufgabe lobenswert sorgsam und tastend angenommen, verharrt dabei freilich naturgemäß im Einzelfall (dazu Rn 39). Es erscheint überaus schwierig, dogmatische „Passepartouts“ für Darstellungen vorzu- 43 geben, hierzu sind Krisensituationen wie Problemlösungen viel zu vielfältig – und genau das macht die Stärke des Planes: er ist eine Möglichkeit individueller, mehrheitlich anerkannter Insolvenzbewältigung. Inhalte („was“?) sind deshalb kaum vorherzusehen und auch allzu vielschichtig, man muss sich mit Struktur (Mustern: § 219 Rn 23–28) begnügen als eine Art tatsächliche Handreichung. Hilfe bringt eine höhere Ebene: die Darstellung ist natürlich nie Selbstzweck („warum“? – siehe dazu bei Rn 20–27), sondern dient der umfassenden, gleichmäßigen Information: es geht präzise besehen dann um inhaltsbezogene Dokumentation („Perpetuierung“ der Bezugsmaterie) und adressatenbezogene Legitimation („Kommunikation“ mit den Entscheidern). Hierbei steht die Form („wie“) eher einer

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Jauernig/Berger ZVR/InsR22 Rn 69.4. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 1. Bork InsR8 Rn 374 („insbesondere“); HK/ Haas InsO9 § 220 Rn 1. So sieht es HambK/Thies InsO7 § 220 Rn 1.

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Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 42; Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 24; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 4. Dies verwechselt wohl FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 2 („bewusst Raum für kreative Lösungsvorschläge“ – im Darstellungsteil?).

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Konkretisierung offen. Die Zeit scheint allemal nun reif, allgemeiner in Darstellungsmaximen zu postulieren, was verlangt ist, wohl wissend, dass solches auf andere Abstraktionsebenen leitet, welche sich im Konkreten dann natürlich „am Plan“ wieder bewähren müssen. Ein erster Versuch hierzu fordert: Vollständigkeit und Wesentlichkeit, Verlässlichkeit und Übersichtlichkeit;53 besser sollte man jedoch direkt – jenen doppelten Fokus spiegelnd – nach inhalts- und leserbezogene Kriterien unterscheiden und gruppierend weiter aufgliedern. 44 Die IDW-Empfehlungen beschränken sich ersichtlich auf „leserbezogene“ Anforderungen (dazu Rn 49–52), fassen diese indes leider in einer einzigen Regel zusammen (IDW S2 Rn 22), die man erst entsprechend „entschlüsseln“ muss, aber leicht auch kann: „Alle für die Entscheidungsfindung der Gläubiger erforderlichen Informationen [Rn 49] sind in einer strukturierten Form [Rn 50] bereitzustellen; dabei ist dem Aspekt der Entscheidungserheblichkeit [Rn 51] besondere Bedeutung beizumessen. Die entsprechenden Äußerungen … sollen insbesondere [!] übersichtlich, straff gegliedert und klar verständlich sein [Rn 52].“ Wohl als Selbstverständlichkeit sind die flankierenden „inhaltsbezogenen“ Anforderungen (dazu Rn 45–48) nicht eigens weiter erwähnt. 2. Objektive („inhaltsbezogene“) Kriterien Wahrheit.54 Über allem steht klar die Richtigkeit und Wahrhaftigkeit der Darstellung. Dies verlangt nach tatsachenbasierter Wiedergabe der verfahrensrelevanten Verhältnisse. Zum einen sind objektiv nachprüfbare Inhalte, wie vergangenheits- oder gegenwartsbezogene Daten, gänzlich fehlerfrei darzustellen (Nachprüfbarkeit!). Zum anderen müssen prognose- bzw bewertungsbasierte Angaben auf eine korrekte Grundlage gestellt, dh gehorchend einschlägiger Fachregeln („lege artis“) an Fakten verankert werden. Tatsachen und Prognosen sind ferner als solche klar inhaltlich zu bezeichnen, damit sich von vornherein keinerlei falschen Eindrücke festsetzen. Siehe auch – verstärkend – noch bei Rn 49. 46 Transparenz. Die jeweils erforderlichen Angaben müssen einen inhaltlich geschlossenen und dauerhaft fixierten Bestandteil der gesamten Planvorlage ausmachen (dazu vgl auch § 218 Rn 23: Schriftform!); die Kernaussage ist Bestandteil der Darstellung (möglichst verständlich abgefasst iSv Rn 52), Rechenwerke (§ 229) und Detailwissen kann zu Erleichterungszwecken in eine Anlage ausgelagert werden (dazu Rn 91). Man muss mit „offenen Karten“ spielen – und zwar allen möglichen Adressaten gegenüber (Gleichheitsgebot, Publizitätsgebot55) – ansonsten nämlich würde das Verfahren ganz grundlegend dann desavouiert.

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Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 13 ff (Darstellungsteil) im Anschluss an Hess/ Groß/Reill-Ruppe/Roth/Groß Insolvenzplan, Sanierungsgewinn …, Rn 450 ff (Krisenschilderung). Etwas anders en passent letztens Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1916 [III 1a aE]: „Er muss informativ sein, transparent, richtig, klar und übersichtlich.“ Ähnlich Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 19 („Richtigkeit“); Mohrbutter/Ringst-

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meier/Bähr Hb InsVw9 Kap 14 Rn 21 („wahrheitsgemäß“); Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 12 aE und 14 („vollständig und richtig …“); W Lüke FS Uhlenbruck (2000) S 519, 528/529 [III 1]. BT-Drucks 12/2443 S 77 li. Sp.: „Ungleicher Zugang … zur Information … behindert wirtschaftlich sinnvolle Ergebnisse … Offenlegung … Transparenz … schaffen hier Abhilfe.“

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Neutralität.56 Die Darstellung ist nur ein Sachbericht, weder Kommentar noch Emp- 47 fehlung; sie soll die benötigte Tatsachenkenntnis schaffen, niemals Meinungsäußerungen kundtun (darf Fakten aber werten – Erfolgsprognose!). Dieses scheint insoweit schwierig, als gemeinhin der Verfasser (§ 218 I S 1), von seinem Planvorschlag völlig überzeugt, andere ebenfalls dafür gewinnen möchte. Dieser Versuchung sollte niemand erliegen: man darf weder übertreiben noch beschönigen und lediglich nüchtern berichten – im Positiven (gesehene Chancen) wie Negativen (mögliche Risiken). Die Verwaltervorlage genießt hier allemal wohl gewisse Vorschusslorbeeren. Siehe auch – abmildernd – noch bei Rn 51. Klarheit.57 Der Plan muss sich als konsistentes Gesamtkonzept präsentieren, folgerecht 48 im Ablauf, stringent im Aufbau (das korreliert mit Rn 50), durchdacht im Ansatz. Die Kernprobleme sind eindeutig also anzusprechen, Unbestimmtheiten möglichst zu vermeiden. Wahlweise (Einzel-) Angaben sind deshalb untunlich,58 möglich und erwünscht ist dagegen, grundsätzliche Alternativszenarien durchzuspielen (dazu Rn 85–87) oder Korridore für Prognosen zu beschreiben (best/real/worst case). Ein Plan, der etwa widersprüchlich oder pointilistisch wäre, hat wohl darum allein bereits verloren (Ausnahme: § 217 [S 1] Var 3). 3. Subjektive („leserbezogene“) Kriterien Vollständigkeit.59 An das Gebot inhaltlicher Richtigkeit (dazu Rn 45) schließt sich die 49 Notwendigkeit umfassender Darstellung nahtlos an (auch arg § 220 II Hs 1: „alle … Angaben“ – aber: Rn 51 iVm Rn 34–36), die aber schon spürbare subjektive Einschläge aufweist, weil natürlich Planrelevanz (!) gefordert wird. Und die kann sich aus der Perspektive unterschiedlicher Adressanten differenziert darstellen. Im Grundsatz gilt insgesamt hierzu: nicht bloß die unwahrhafte, auch eine lückenhafte Präsentation wirkt verfälschend und führt zu einer fehlerhaften Entscheidung. Vor allem sollten sämtliche ergebnisrelevanten Tatsachen komplett erwähnt werden60 – jene motivieren eine Entscheidung ganz maßgeblich (Quotenhöhe, Fälligkeit). Uferlose Ausführungen um ihrer selbst willen (gemäß dem Motto: „lieber zu viel, als zu wenig“), meint dies aber nicht, schreckt eher ab. Weniger kann also allemal eben doch schließlich Mehr sein61 und besser erläutern. Strukturiertheit. Textstruktur eröffnet Orientierung, so dass man auch in kurz bemes- 50 sener Zeit nötige Informationen findet und sich ein richtiges Gesamtbild einstellt (IDW S2 Rn 22: „in einer strukturierten Form … straff gegliedert“). Wo muss man noch etwas ver-

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 3: „nicht darauf beschränken, den Beteiligten (nur) diejenigen Inf zu geben, die ‚seinem‘ Plan zum Abstimmungserfolg verhelfen“, dazu vgl auch Rn 37; Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 12 aE („ … statt interessenorientiert“); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 4 („Der Planersteller kann sich nicht darauf beschränken, nur diejenigen Informationen mitzuteilen, die „seinem“ Plan zum Erfolg verhelfen.“). Ähnlich Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 19–21 („Klarheit und Übersichtlichkeit“), HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 8 („Nachvollziehbarkeit“).

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 3 aE. Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 15 f; HK/Haas InsO9 § 220 Rn 2 „vollständig und klar“); Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 12 aE und 14 („vollständig und richtig“). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1. BGH NJW-RR 2011, 51, 54 {48} [II 3c aa] = DZWIR 2011, 65 = ZIP 2010, 1499 = WM 2010, 1509 = NZI 2010, 734 = ZInsO 2010, 1448: „Umfassende Ausführungen zu Details sind dagegen nicht zu verlangen.“

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tiefen, was kann man überspringen? Vor allem für regelmäßig befasste Beteiligte (Gerichte, Finanzämter, Sozialkassen, Kreditinstitute) bringt das einige Erleichterung im Tagesgeschäft („Vergleichbarkeitshilfe“). 51 Wesentlichkeit.62 Aufgabe des Verfassers ist dazuhin, Wichtiges von Belanglosem zu unterscheiden, er muss genau die Mitte finden zwischen Vollständigkeit und Wesentlichkeit (auch arg § 220 II Hs 2: „erheblich sind“ – aber: Rn 49, 65 iVm Rn 37–40 bzw § 217 Rn 30). Eine Information muss geeignet und benötigt sein, um sachgerecht zu entscheiden. Das erscheint ein Kernpunkt (IDW S2 Rn 22: „besondere Bedeutung“). Wesentlichkeit ist eine Frage mehr des „Ob“ (Berücksichtigung eines Themenkomplexes?), Komplettheit eher nachgelagert eine des „Wie“ (Vollständigkeit des Themenkomplexes!). Darin steckt gewiss großer Abwägungsspielraum, umgekehrt genauso große Verantwortung des Planverfassers.63 Dieses wird sich kaum je abstrakt gut auflösen. Orientierung für den Einzelfall bietet daher letztlich nur die Frage, welche Bedeutung der konkreten Information mit Blick auf das Planziel vor dem Hintergrund gemeinschaftlicher Befriedigung (§ 1 S 1) zukommt. 52 Verstehbarkeit. Alle Angaben sollten auch nachvollziehbar und verständlich sein64 (IDW S2 Rn 22: „übersichtlich … und klar verständlich“ – siehe auch bei Rn 46). Dies verlangt nach prägnanter, möglichst präziser Darstellungsweise,65 ohne allzu großes „Fachlatein“. Den „Empfängerhorizont“ markiert insoweit ein Durchschnittsbeteiligter, welcher Bilanz- bzw Buchführungsangaben zu erfassen vermag, jedoch nicht über vollumfängliche Kenntnis der üblichen Fachterminologie verfügt.66 4. Anwendungen

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Die Rechtsprechung hat bislang zB moniert: Unvollständigkeit von Sachinformationen67 (insbes rechtliche/wirtschaftliche Grundlagen68) oder Vernachlässigung möglicher Anfechtungsklagen;69 Nichtangeben künftiger Steuerlasten (Sanierungsgewinne)70 oder

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Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 17 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219– 221 Rn 14 („zur angemessenen Information“). Dies sieht auch BK/Flöther/Wehner InsO42 § 220 Rn 1 („Selektion“ notwendig). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1 („für die Beteiligten verständlich“); HambK/ Thies InsO6 § 220 Rn 8 („weder zu betriebswirtschaftliche noch zu juristische Sprache“); Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 14 („in sich zusammenhängend verständlich und lesbar“) bzw Rn 51 („Aus Gründen des inhaltlichen Verständnisses, der Lesbarkeit und der stringenten Informationsvermittlung“); HK/Haas InsO9 § 220 Rn 2 („verständlich … und klar“). Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 20. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1 mit Hinweis auf W Lüke FS Uhlenbruck (2000) S 519, 530 [III 2] („muß zwar eine

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Bilanz lesen können, aber nicht mit der in eingeweihten Kreisen gebräuchlichen Schlüsselsprache vertraut sein“), zust BK/Flöther/ Wehner InsO42 § 220 Rn 1. BGH NJW 2015, 2660, 2264 {30} [II 2e bb] = DZWIR 2015, 560 = ZIP 2015, 1346 = WM 2015, 1291 = NZI 2015, 697 = ZInsO 2015, 1398 = KTS 2016, 22: „unvollständig und nicht geeignet, den Beteiligten die Entscheidung über den Plan zu ermöglichen“ – aktuelle Beispiele: AG Köln NZI 2017, 664, 666 (Vorliegen selbständiger Tätigkeit); LG Wuppertal NZI 2016, 494, 494 f [II 1] (Verheimlichen von Masseobjekten). Stephan NZI 2017, 666, 667. BGH NJW-RR 2011, 51, 54 f {55–59} [II 3c cc] = Fn 61: „wenn sie für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind“ {56} bzw „wahrscheinlich bestehen“ {57}. Hier aA wohl LG Berlin DZWIR 2015, 35, 41 [II 7c].

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wesentlich erscheinender Massewerte;71 kriterienlose (Kann-) Gruppenbildung72 (§ 222 II S 3! – wegen Einschränkungen siehe § 222 Rn 117), Ähnliches dürfte bei unreflektiertem Verzicht auf mögliche Sollgruppierung gelten (§ 222 III S 1?) und auch bei Nichtnennung „anlagenrelevanter“ Sachverhalte (§§ 229/230); ebenfalls ist inbegriffen die mangelnde Vollständigkeit und Richtigkeit von Plananlagen;73 verboten ist noch zudem jegliche Behauptung ohne Begründung (erwartet wird insoweit Nachvollziehbarkeit).74 Zur Offenlegung strafgerichtlicher Verurteilung vgl Rn 89 f. Es scheint so, als habe die Praxis „ihre“ Lösung per doppelter Generalklausel offen- 54 bart. Denn sie fordert, dass ein „gewisser Grundbestand an Informationen im darstellenden Teil grundsätzlich enthalten sein muss [a] und nur ausnahmsweise entfallen darf [b]“.75 Es gibt mithin offenbar einen – spezifisch (noch?) nicht definierten – Minimalstandard, welcher aber relativ zurückgenommen scheint („gewisser Grundbestand“) [a]); selbst dieser kann jedoch weiter unterschritten werden, wenn und weil besondere Umstände vorliegen („ausnahmsweise entfallen“) [b]). Das deutet darauf hin, dass man wohl großzügig Darstellungsermessen toleriert und nur gröbste Fehler moniert. Dies kommt amerikanischen Verhältnissen (dazu Rn 18 f) recht nahe: hinreichend beachtete Genauigkeit („in sufficient detail“) gleichsam als Grundnorm mit Abmilderung im Einzelfalle („as far as is reasonably practicable“). Wieviel Zeit und Geld braucht oder bringt jene weitere Information? – das erscheint die Kernfrage. Zu weit geht freilich, alles Offenkundige76 oder Unstreitige77 für obsolet zu erklären; das erschüttert die Grundfesten der Transparenz78 – wo anfangen, wo aufhören? Das gilt erst recht dann auch zur Gruppenbildung79 (siehe dazu unten Rn 77 mit § 222 Rn 119). Umgekehrt wurde toleriert: Nichtauflistung einzubringender80 oder weiterzuführen- 55 81 der (§ 259 III) Anfechtungsklagen (nötig mE indes die Abschätzung der „Quotenfolge“), fehlende Wiederholung gesetzlicher Bestimmungen,82 Plananlagen in Tabellenform.83 Der Masseumfang ist abschätzbar (vermittels der Faktenlage: §§ 151–153),84 möglich ist genauso, abweichende Wertschätzungen vorzunehmen85 (sachliche Begründung notwendig)

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Einerseits BGH WM 2012, 1640, 1640 {9} [III 1]: „Unrichtige Angaben über Einkommen oder Vermögen“. Andererseits: BGH NJW-RR 2011, 51, 54 {45} [II 3c] = Fn 61: „im Verhältnis zur Größe des Verfahrens von Bedeutung“. BGH NJW 2015, 2660, 2661 {10} [II 2a] = Fn 67. BGH NJW 2015, 2660, 2661 {8} [II 2a] = Fn 67. BGH NJW 2015, 2660, 2664 {30} [II 2e bb] = Fn 67 zur Quotenerwartung bei Regelinsolvenz: „nicht nachvollziehbar begründet“. BGH ZIP 2012, 187, 187 {9} [II 2b aa] = DZWIR 2012, 197 = WM 2012, 180 = NZI 2012, 139 = ZInsO 2012, 173 (mit nicht konkret tragenden [Lit-] Hinweisen); BGH NJW 2015, 2660, 2664 {29} [II 2e aa] = Fn 67; LG Wuppertal NZI 2016, 494, 494 [II 1]. HK/Haas InsO9 § 220 Rn 2: „Nicht erläutert werden müssen solche Informationen, die ‚auf der Hand liegen‘.“

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 6 aE: „[In diesem Fall] bedarf es keiner umfangreichen Erläuterungen.“ Siehe immerhin indes reziprok Rn 65 iVm 49 aE („Kürze ist Würze“), aber dazu erg eben auch § 217 Rn 30. AA BGH NJW 2015, 2660, 2663 {20 f} [B II 2c] = Fn 67. BGH NJW 2015, 2660, 2664 {34} [II 3a aa] = Fn 67: ausreichende „abstrakte“ Ermächtigung, vgl § 221 Rn 94. BGH NJW 2015, 2660, 2664 f {35} [II 3a bb] = Fn 67. BGH NJW-RR 2006, 491, 493 {21 f} [II 3b] (§ 259 III). BGH ZIP 2010, 341, 341 {3} [II] = NZI 2010, 101 = WM 2010, 225 = ZInsO 2010, 85. BGH NJW-RR 2011, 51, 54 {45} [II 3c] = Fn 61. BGH NJW 2015, 2660, 2665 {37 f} [II 3b aa] = Fn 67: 50 % (Verwalter) ./. 0 % (Schuldner)? – „Erinnerungswerte“.

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§ 220

Sechster Teil. Insolvenzplan

oder Kleinbeträge ganz offenzulassen;86 was noch nicht präzis quantifizierbar erscheint, ist zumindest offenzulegen87 („Erinnerungswert“). Der Verfasser mag die Gläubiger zwischen schleuniger Planumsetzung und langwieriger Planaufstellung selbst entscheiden lassen.88 In Großverfahren ist ausführlicher zu berichten als im kleinen „Bagatellfall“.89

IV. Ergänzungsregel (Abs 1) 56

Abs 1 wird ganz bewusst hier nach Abs 2 gesetzt: er ist „nur“ eine Ergänzungsregel (vgl Rn 57–59 mit 41) – allerdings eine viel konkretere und ferner eindeutig zwingenden Charakters (darstellend „wird beschrieben …“). Sie findet ihre größte Bedeutung als Referenzmarke für den Planvorschlag („Auskunftspaket“: Rn 2): passen Verfahrensakte und Plankonzeption inhaltlich bündig zueinander? Er gestattet ein stückweit noch ergänzend eine quantifizierbare Erfolgskontrolle (wirken die bisher eingeleiteten Maßnahmen wie angedacht? – vgl auch erg Rn 26), besonders angesichts volatiler Unternehmenssituation. Die Regel stellt damit das Bindeglied zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der mit Planwirksamkeit eintretenden Rechtsgestaltung dar. 1. Grundsatz oder Detailregel?

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Der Wortlaut von Abs 1 entspricht § 258 I RegE – aber war dort (parallel zur Regelung des § 264 RegE = § 221 S 1 InsO) als insgeheime Generalnorm konzipiert, die bloß noch näher präzisiert (§ 258 II RegE: „insbesondere“: Rn 3) und ausgefüllt (§§ 259–263, 272 RegE: Rn 5–11) wurde? Hierauf deuten die Motive, indem sie reichlich vollmundig kurzerhand verkünden: „im darstellenden Teil [wird] das Konzept dargelegt und im Einzelnen erläutert, das diesen Rechtsänderungen [scil. jenen des Plans] zugrunde liegt (Absatz 1).“90 Liest man heute die Regel unbefangen vor eben jenem Hintergrund, ergeben sich drei Inhalte (ebenfalls in Parallele zu § 221 S 1 – dazu näher dort Rn 15–19): 58 (1) Hs 1: Verknüpfung von Begriff („Im gestaltenden Teil …“) und Aufgabe („ … wird beschrieben“) in schlichter – abschwächender – Passivform (Indikativ – im Unterschied zu EB LS 2.2.6: „ist darzulegen“ – Imperativ!). (2) Hs 2: Beschreibung der Zeithorizonte (dazu Rn 60) mit rückschauender Erinnerung („getroffen worden sind …“) und vorgezeichneter Perspektive („ … oder noch getroffen werden sollen“).91 Diese Funktion ist freilich unter der schließlich verabschiedeten Normfassung mit dann einem völlig neuen Abs 2 systemgerecht zu harmonisieren (dazu Rn 12 f). (3) Hs 3: Zweckbestimmung der Berichtspflicht („um die Grundlagen … zu schaffen“) bzw Präzisierung der Sachrelevanz (dazu Rn 62) – es ging um eine Flankierung der Gestaltung („für die geplante [!] Gestaltung“).

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BGH NJW 2015, 2660, 2665 {39} [II 3b bb] = Fn 67: Kunstgegenstände, nicht mehr als 1.750 EUR. BGH NJW-RR 2011, 51, 54 {51} [II 3c bb] = Fn 61. Als Quintessenz aus BGH NJW-RR 2011, 51, 54 {52} [II 3c bb] = Fn 61: „Es ist Sache der Gläubiger, die dargestellten Vorteile und Risiken eines Plans zu einem frühen Zeitpunkt abzuwägen und … zu berücksichtigen.“

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BGH ZIP 2010, 341, 341 {3} [II] = Fn 83 „vom Umfang und der jeweiligen wirtschaftlichen Bedeutung des Unternehmens abhängig“. BT-Drucks 12/2443 S 197 li. Sp. Vielleicht so verstehbar BK/Flöther/Wehner InsO42 § 220 Rn 1. Ähnlich zweigleisig alsdann § 262 Hs 2 RegE zur Darlegung bei Sanierung.

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Darstellender Teil

§ 220

Diese Strukturierung zeigt, dass schon damals Textierung und Begründung offensicht- 59 lich doch nicht bündig zusammenpassten. Der Wortlaut zieht insoweit Grenzen, welche die Motive schlicht verdrängen. Es ging (und geht) im Text um Grundlagen der Gestaltung („um … zu“), welche losgelöst davon eintreten sollen (§§ 80 I, 148 I, 157), dennoch unentbehrliche (Plan-) Vorbedingungen schaffen; das erklärt den Nachsatz der Beispiele (§ 258 II – vgl Rn 3 iVm Rn 61), die alle genau darauf jeweils abzielen (Betriebsänderungen, Sozialplan, Brückenfinanzierung). Die einstige Begründung passt punktgenau hingegen – Ironie der Genese –, wenn man nur jene auf den neuen (heutigen) Abs 2 münzt! 2. Zeithorizonte Der Beginn scheint explizit festgezurrt: „Maßnahmen nach der Eröffnung des Insol- 60 venzverfahrens“ (§ 27 II Nr 3 bzw III!); man wird indes bei einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsmacht (§ 21 II Nr 1 mit § 22 I/II bzw § 55 II S 1) auch diese Zeit analog mitberücksichtigen müssen92 (Vorschlag teleologischer Extension; zu Recht so IDW S2 Rn 30). Den Schluss bildet nun aber nicht schon etwa der Erörterungs- und Abstimmungstermin93 (§ 235 I 1), sondern erst der Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans, so wie in § 229 S 1 („bei einem Wirksamwerden des Plans“) dezidiert auch angeführt: dieses macht erst die angeplante (§ 220 I) zur wirklichen (§ 254 I) Gestaltung. – Innerhalb dieses Zeitraums („kleiner“ Horizont iSv Rn 32) gilt es dann, vergangenheitsbezogen (Var 1: „Report“) wie zukunftsorientiert (Var 2: „Vision“) das „Begleitende“ zu beschreiben (Einzelheiten gleich bei Rn 61); man wird es auch zweckmäßig entsprechend deklarieren um Klarheit zu schaffen, was erfolgt und was Planung ist. Den nötigen Abgrenzungsstichtag liefert der Zeitpunkt der Planvorlage (§ 218 I94). 3. Maßnahmenbeschreibung Meist geht es wohl um einen Verwalterplan; ein Schuldnerplan kann nicht ohne weite- 61 res Verwalterhandeln vorgeben (allemal aber anregen). In Anlehnung an § 258 II RegE (dazu Rn 6), welcher gesetzgeberischer Straffung zum Opfer fiel95 (dazu Rn 59), allemal demungeachtet aber gute Anhaltspunkte liefert,96 sind insoweit regelmäßig folgende Maßnahmen darzustellen: Betriebsänderungen ([Teil-] Stilllegung einzelner Betriebe), einschließlich der dafür maßgeblichen Gründe97 (§§ 157 S 1, 160 II Nr 1) sowie alle (damit einhergehenden) organisatorischen wie personellen Maßnahmen (Nr 1).98 Weiterhin dar92

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So ohne jegliche teleologisch begründete Beschränkung: Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 4 aE; Smid/Rattunde/ Martini Insolvenzplan4 Rn 6.13 und 24 – aA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1 und Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 25. AA Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 25; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1. Beim prepackaged plan (§ 218 I 2) entfällt natürlich der Rückblick komplett (Var 1); der Ausblick (Var 2) ist dann quasi eine Art Anregung des Schuldners für sinnvolles [?] nachfolgendes Verwalterhandeln. Das Streichen dieses Absatzes ist nicht konkret motiviert: BT-Drucks 12/7302 S 182 li. Sp. [RA: Nr 138]: „Der neue § 258 Abs. 2 …

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erlaubt es, auf die §§ 259–262 und 272 des Regierungsentwurfs zu verzichten.“ Bork InsR8 Rn 374; HK/Haas InsO9 § 220 Rn 3; BK/Flöther/Wehner InsO42 § 220 Rn 2; MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 220 Rn 12; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 6.3. Nicht etwa nur extern (somit: fremd-)verursachte Gründe, so allerdings uU Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 219–221 Rn 43. Bedeutsam ist insofern namentlich die Einsetzung von Beschäftigungs- wie Qualifizierungsgesellschaften: Brünkmans/Thole/ Krings § 37 Rn 10; Geiwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 34.

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§ 220

Sechster Teil. Insolvenzplan

stellungsbedürftig sind bereits entstandene Sozialplanforderungen sowie getroffene Vereinbarungen für zukünftige Sozialpläne (Nr 2: Gesamtbetrag) und finanzwirtschaftliche Maßnahmen, wie insb die – vorgenommene oder beabsichtigte – Aufnahme von Darlehen (Nr 3: Höhe und Zins) als Spezialfall einer Masseschuld99 (§ 55 I Nr 1 – auch: § 160 I Nr 2): Brückenfinanzierung. Das wird auch für andere Masseverbindlichkeiten gelten100 (arg § 258 II), vor allem mit Blick auf §§ 103 ff (Wahlrechtsausübung/-prognose). Hier „verzahnt“ sich tradierte Verwaltertätigkeit mit konkreten Planintentionen. Ebenso rechnen deshalb hierher sonstige Masseveränderungen im Positiven wie Negativen, insbesondere Abreden zur Verwertung von Sicherheiten und Schätzungen (nicht etwa die Enumeration: Rn 55) eingeleiteter oder einzuleitender Anfechtungs- (§§ 129 ff) wie Haftungsverfahren (§ 64 GmbHG, § 15a I InsO iVm § 823 II BGB) sowie auch Aktiv- oder Passivprozesse (arg § 160 II Nr 3). 4. Sachrelevanz

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Die Formulierung des Normtextes ist „zielneutral“, entfaltet aber ihre Wirkungen vor allem bei Sanierungsplänen. Mitzuteilen ist hier alles Wissenswerte, um „die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens und damit die Erfüllbarkeit des Insolvenzplans einigermaßen sicher [zu] beurteilen.“101 Gegenstand der Darstellung nach Abs 1 sind Maßnahmen, welche die mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geänderte Unternehmenswirklichkeit betreffen (Var 1: „getroffen worden sind“) und notwendig sind, um sich die Möglichkeit zur Abstimmung über den Insolvenzplan zu erhalten (Var 2: „getroffen werden sollen“).102 Dies gewährleistet eine aktualisierte Unternehmensbeschreibung und trägt der Tatsache Rechnung, dass regelmäßig Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die wirtschaftliche Grundlage für ein aussichtsreiches (insbesondere Sanierungs-) Verfahren zu schaffen. Man darf aber auf keinen Fall gleich eine hypothetische Planbestätigung vorwegnehmen103 (schlicht: Fakten schaffen). Das würde für einen Insolvenzverwalter reziprok Haftungsfolgen zeitigen, soweit dadurch Chancen entgehen.

V. Einzelprobleme bei der Darstellung 63

Das Gesetz verzichtet auf die Angabe einzelner Punkte für die Ausgestaltung eines Insolvenzplanes. Das entspricht der Normgenese (Abs 2 statt §§ 259–263 RegE, vgl auch erg § 1 S 1 Hs 3) und ihrem Vorbild („adequate information“: Rn 18), zollt auch insbesondere

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MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 220 Rn 13 f; HK/Haas InsO9 § 220 Rn 3; Smid/ Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 6.3. BT-Drucks 12/2443 S 197 re. Sp.: „Risiko für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger“ – Informationspflicht! BT-Drucks 12/2443 S 197 re. Sp.: „Über die beispielhaft genannten Maßnahmen hinaus …“. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1 („um den Plan überhaupt eine Chance zu geben“); Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 43 („auf den im Zeitablauf sich ständig ändernden Istzustand des Unter-

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nehmens auf[ge]setzt“); weniger vorsichtig dagegen MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 220 Rn 12 und K Schmidt/Spliedt InsO19 Rn 2. Siehe noch die Fn 103! Warikoff KTS 1997, 527, 534 [III] („suggeriert“ die Erlaubnis vorbereitender Maßnahmen); Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 43 und Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 220 Rn 1 (insoweit missverständlicher Wortlaut); Brünkmans/Thole/ Harmann § 6 Rn 26 („Alleinzuständigkeit der Gläubigerversammlung“). Das folgt vor allem aus § 157 S 2.

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Darstellender Teil

§ 220

der zu regelnden Lebenswirklichkeit Rechnung – zu vielfältig sind die zu bewältigenden Krisensituationen, zu unterschiedlich die jeweils betroffenen Schuldner, zu verschieden die einzelnen Interessen der Betroffenen.104 Die Plangestaltung erfolgt mithin immer einzelfallabhängig (siehe schon Rn 39). Darin steckt große Verantwortung, und dieses verlangt reziprok großes Gespür des Vorlegenden für den notwendigen Informationsbedarf aller Beteiligtengruppen (die Gruppenbildung mit eingeschlossen, vgl Rn 77). Jedoch hat die Praxis gewisse Muster erprobt (dazu § 219 Rn 23–28), welche häufig doch am Ende bündig („falladäquat“) passen, zumindest brauchbare Fingerzeige bereithalten, um Planentwürfe richtig darzustellen105 (aber vgl auch erg noch Rn 65). Der Wechsel im Konzept des Gesetzgebers (näher: Rn 12 gegen Rn 5), welches „Mini- 64 malismus“ oder „Pragmatismus“ erlaubt, war zentral durch das Eigeninteresse des Planvorlegers motiviert, die für erforderlich eingestufte Information vorzubringen.106 Jenes scheint relativ blauäugig – mindestens für Pläne des Schuldners (§ 218 I S 1 Var 2)! Er will seinen Plan am letztendlich einfachsten durchbringen (scil. seine „zweite Chance“ suchen) und wird daher vieles aufhübschen, „idealisieren“, schönfärben etc, dh Positives herausstreichen und Negatives herunterspielen.107 Hiermit muss jeder wohl rechnen (vgl Rn 97), daher auch die Kontrollbemühungen von Gericht (§ 231 I) und Insolvenzverwalter (§ 232 I Nr 2). Und auch ein Verwalter (§ 218 I S 1 Var 1) wird davor nicht immer ganz gefeit sein (§ 3 I lit e InsVV), mag auch die starke Haftpflicht im Hintergrund lauern (dazu Rn 98). Deshalb ist wichtig, objektive Kriterien anzulegen, die flexibel genug scheinen, die jeweiligen Einzelfallumstände abzubilden. Maßstab ist allemal das Gläubigerinteresse (arg § 1 S 1 Hs 1: bestmöglich „zu befriedigen …“), nicht der Weg dahin („ …, indem … oder …“). Daran muss sich immer Inhalt und Umfang aller benötigten Sachinformation ausrichten. Der Teil „Darstellung“ ist kein „Verkaufskonzept“, sondern – im Notfall – Rechtfertigung prozessualen Konsenszwanges. Es gilt deswegen, Chancen und Risiken gleicherweise ehrlich offenzulegen,108 nicht etwa bloß die geplante Gestaltung vorzustellen. Am Ende sollte der Vorleger selbst erkennen, dass man nur so eine Mehrheit würde gewinnen können („ehrlich währt am längsten“ – siehe auch bei Rn 45–47). Jene Darstellung muss nicht sehr umfangreich sein, obwohl die Praxis meist anderes 65 lehrt und vor allem Verwalter gerne umfassende Erläuterungen hinzufügen, um allfälligen Eventualitäten vorzubeugen. Auch das kann freilich schaden und Wesentliches allzu leicht dadurch zurücktreten. Die Erläuterung darf tatsächlich niemals verknappend oder geschwätzig, sondern muss schlüssig und stringent sein, so wie gute Urteilsgründe auch (in Anlehnung an § 313 III ZPO: „kurze Zusammenfassung der Erwägungen“). Die kurze Darstellung ist nicht als „Plan light“ mithin abzutun, der allein ausnahmsweise greife,109 son-

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FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 9; Geitwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 2; Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 27. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 10; Geitwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 7, 16; Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 28 f; 32 ff. BT-Drucks 12/7392 li. Sp. [Nr 138 aE], zust Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 1; Uhlenbruck/Maus InsO13 § 220 Rn 1; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 220 Rn 2. Ähnlich skeptisch bereits Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 12

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(„Wer Zustimmung will, trägt das ihm Günstige vor“) mit Rn 8 f bzw Gottwald/Braun InsRHb5 § 67 Rn 25. Darin besteht Einigkeit: HK/Haas InsO9 § 220 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1 [Mitte] mit Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 7; FK/ Jaffé InsO9 § 220 Rn 79. So sehen es Braun/Braun/Frank InsO7 §§ 219–221 Rn 4: „[nur] wo die grundsätzlichen Zusammenhänge für alle Beteiligten klar sind und wo die Alternativentscheidung nur einen überschaubaren Sachbereich als änderungsnotwendig kennzeichnet“.

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§ 220

Sechster Teil. Insolvenzplan

dern die wahre Kunst des Könners: Notwendigkeit „verlustfreier“ Vereinfachung (siehe auch bei § 219 Rn 30). Zugegeben: die recht umfangreichen (alten) IDW-Anforderungen110 besagen scheinbar anderes, übersetzen aber am Ende inhaltlich oft nur Juristisches für den Betriebswirt – aber teilweise auch umgekehrt: Ökonomisches für den Fachjuristen. Das sollte nicht bange machen vor möglicher textlicher Verdichtung, dort wo jene einen Sinn macht. 1. Zielsetzung

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Allgemein sollte die Formulierung eines konkreten Planziels stets den Ausgangspunkt der Darstellung bilden.111 Dessen Voranstellung schafft Orientierung hinsichtlich Plangestaltung112 (Präambel, „abstract“, Leitbild). Aus ihm ergibt sich direkt sodann der Plantypus, ob man also plant, den Gemeinschuldner zu zerschlagen (Liquidationsplan: Vor §§ 217 ff Rn 46), zu veräußern (übertragende Sanierung: Vor §§ 217 ff Rn 47) oder saniert fortzuführen (Sanierungsplan: Vor §§ 217 ff Rn 48); möglich sind genauso bloß punktuelle Verlaufsregelungen (abgeändertes Verfahren [§ 217 S 1 Var 3]: Vor §§ 217 ff Rn 49 mit § 217 Rn 64–67). Letzteres wäre gewiss simpel darlegbar, ein Sanierungsplan (dazu Rn 67–76) gilt demgegenüber als besonders anspruchsvoll und aufwendig. Vorschnell ist indes die Behauptung, aus dem Planziel ergebe sich die (weitere) inhaltliche Gestaltung, es verhält sich genau anders herum: Der Planersteller wird sich regelmäßig zunächst Gedanken darüber machen, wie er den Plan konzipiert („Planmotiv“), ehe er ein genaues Planziel festlegt und die Maßnahmen zur Umsetzung konsequent daran ausrichtet – das Vorausschicken des Ziels in der Plandarlegung ändert hieran nichts (siehe auch bei § 224 Rn 22).113 Die Planidee prägt das ganze Vorhaben auch gleich von Beginn an.

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Ganz ähnlich auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 3: „Konzept mit geringerer Informationsvermittlung“ – genau anders herum! Sehr großzügig hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 6 aE: allein „Ergebniskonsens“ reiche bzw ein deutliches Überschreiten der Regelquote (dann „bedarf es keiner umfangreichen Erläuterungen“). Es gibt aber auch andere wichtige Informationsempfänger! Institut der Wirtschaftsprüfer: (a) IdW S2: Anforderungen an Insolvenzpläne [10.02.2000] = FN-IDW 2000:3, 81 = WPg 2000:6, 285 (b) IdW S6/aF: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten [20.08.2012] = FN-IDW 2012:12, 719 bzw IdW S6/nF: Anforderungen an Sanierungskonzepte [16.05.2018] = IDW Life 2018/08, 813. Die Neufassung versucht sich immerhin aber an gewisser Straffung – krit Hillebrand ZInsO 2018, 80; zust Steffan/Solmecke Wpg 2017/23, 1412 bzw KSI 2018/1, 5 mit Steffan ZIP 2018, 1967 re. Sp. [I] – eher ambiva-

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lent wohl Jung/Ringelspacher/Meißner KSI 2018/3, 101. Siehe auch die „Öffnungsklausel“ (aF: Rn 5 S 2 bzw nF Rn 39 S 1), welche indes bloß die kleineren Unternehmen „beschenkt“ („an die [ggf.] geringere Komplexität des Unternehmens anzupassen“). Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 219– 221 Rn 45, vgl auch erg IDW S2 Rn 16: „Angaben über grundsätzliche Ziele und die Regelungsstruktur“ – leicht anders Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 3 (Zentralbestandteil des Sanierungskonzepts); Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 229 Rn 8 (Orientierung am „Businessplan“); BK/Flöther/Wehner InsO42 § 220 Rn 4 („in einer Präambel“). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 3 („in allen Einzelheiten klar erkennen lassen“), zust Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 43. Relativ missverständlich anfangs FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 7 – deutlich anders dann Rn 8!

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2. Sanierungskonzept a) Vorbedingungen. Es geht primär hier um „überformende“ Sanierung, dh ein Um- 67 strukturieren der Betriebsführung unter der Ägide des alten Rechtsträgers („interne“ Sanierung – wegen Vorteilen siehe § 225a Rn 6). Die „übertragende“ Sanierung auf einen letztendlich neuen Rechtsträger kann Veräußerung sein („Gesamtliquidation“) oder auch eine künftige Erträgnisbeteiligung vorsehen („externe“ Sanierung: § 229 Rn 19). Der mittlere Fall spielt hier freilich selbstredend keine Rolle, genauso wenig wie etwa ein Liquidationsplan oder ein Plan zum Verfahrensverlauf – betroffen sind lediglich Sanierungspläne mit Befriedigung aus Erträgnissen („Wechsel auf die Zukunft“), wobei dann aber der Rechtsträger nicht entscheidend ist (arg § 229 S 1 Hs 1). Abgefordert ist Plausibilisierung der Erwartungen. Das wird bei Übertragung auf einen „gesunden“, neuen Inhaber zweifellos leichter fallen (und weniger Aufwand verursachen) als bei Sanierung im „Altumfeld“.114 Hierauf namentlich zielt das vorgeschlagene Sanierungskonzept des Planverfassers (Einzelheiten: Rn 68–75). Die Entscheidung zur Unternehmensfortführung trotz Insolvenz hängt zum einen vor- 68 rangig und ausschlaggebend vom Vorliegen der Sanierungsfähigkeit ab (IDW S6 Rn 18– 22) – man beurteilt insoweit objektiv das Unternehmen als solches („share holder value“): legen denn die planerisch präsentierten Änderungen stringent, nachvollziehbar, schlüssig etc eine insgesamt nachhaltige Gesundung nahe? Es muss gewährleistet sein, dass durch geeignete Maßnahmen die bestehenden Insolvenzgründe (§§ 17–19) beseitigt sowie die Wettbewerbs- und Renditefähigkeit des Unternehmens wiederhergestellt werden kann. Indes wird die positive Fortführungsprognose auch selbst nun wieder beim Überschuldungsstatus relevant (§ 19 I S 1); man wird hier also einen längeren Prognosezeitraum ansetzen als jene 12–24 Monate115 (vgl § 19 Rn 37, aber zB auch IDW S11 Rn 61), welche man dort veranschlagt (Bedürfnis langfristiger Besserung). Und auch die Interessenlage der Betroffenen ist rückzuspiegeln („stake holder value“). Sanierungswürdigkeit (IDW S6 Rn 22 f) fordert zum anderen – subjektiv und ergänzend –, dass weitere Opferbereitschaft (scil. Einigungspotential) besteht. Bei allem Wunsche nach weicher, sanierender Insolvenzbewältigung, gilt es, zwei harte 69 Fakten nicht rechtspraktisch zu vernachlässigen: (a) Die Sanierung mit der Insolvenz wird nicht der erste Versuch sein, das Steuer umzulegen, also eine sich andeutende Schieflage abzuwenden.116 Zumeist ist die Insolvenz nur die höchste „Eskalationsstufe“ nach mehreren (vergeblichen) Versuchen mit internen Mitteln oder – später – auch externen Hilfen zur Sanierung vor der Insolvenz (Näheres siehe bei IDW S6117 Rn 31–33 iVm Rn 62 bzw F&A 4.5 [Krisenfeststellung], Rn 61 bzw F&A 4.6 mit 4.2–4 [Ursachenanalyse], Rn 68–71 bzw F&A 6.1 [Krisenbewältigung]). Diese Vorgeschichte muss selbstredend die Darstel-

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Dies meint wohl HK/Haas InsO9 § 220 Rn 5 mit § 217 Rn 17–19 und glättet die scheinbare Divergenz zwischen Brünkmans/Thole/ Harmann § 6 Rn 57 (auch „übertragende“ Sanierungen) und Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO61 § 220 Rn 9 (bloß „überformende“ Sanierungen). Uhlenbruck/Mock InsO14 § 19 Rn 218 mwN. Das wirkt schon als deutliche Verschärfung gegenüber § 252 I Nr 1 HGB: MünchKomm/Ballwieser HGB3 § 252 Rn 10

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mwN. Vgl auch erg IDW S6/aF Rn 84 ff bzw IDW S6/nF Rn 13–17 mit F&A 2.8. Mögliche monokausale Ursachen ausgenommen (Finanzkrise, Marktversagen, Insolvenzen etc). Betrifft Sanierungen generell – zur sinngemäßen Orientierung der Darstellung: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO3 § 220 Rn 3; Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 31 ff; HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 5; FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 35 ff.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

lung ebenfalls ehrlich offenbaren – lohnt denn überhaupt noch ein letzter Versuch? (b) Insolvenz dient auch dem regulären „Ausleseprozess der Marktwirtschaft“118 – Sanierung hat niemals Selbstzweck, sondern ist – insolvenzrechtlich! – der bessere Weg, den Wertverlust zu minimieren.119 Vor dieser Alternative stehen die Betroffenen – und das allein ist der maßgebliche „Lackmustest“. 70 Das IDW (S2 Rn 64 ff) unterscheidet verschiedene Krisenstadien: von der Führungskrise über eine Strategie-, Produkt- Absatzkrise bis zur Erfolgs- und Liquiditätskrise – wobei aber der Ablauf durchaus variabel erscheint und nicht unbedingt so eskaliert (IDW S2 Rn 64). Typologisch kann man nach Herkunft der Faktoren dann folgendermaßen auch differenzieren (IDW S2 Rn 83): unternehmensinterne Auslöser (zB Qualitätsmängel, Produktpalette, Managementfehler) und unternehmensexterne Ursachen (zB Konjunktur, Nachfrage, Wettbewerb); ersteres ist leichter behebbar als letzteres. Unternehmenskrisen sind meist eher multikausal, dh Ergebnis komplexer Verkettung (IDW S2 Rn 82). Dies ist oft sehr schwierig zu entwirren – und inhaltlich die Erkenntnis der halbe Weg schon zur Sanierung. Monokausale Störungen sind insoweit viel leichter beherrschbar (und ebenso vorher erkennbar). Man kann dementsprechend auch näher singuläre, unvorhersehbare Ereignisse (zB Forderungsausfall, Prozessverlust, Bilanzmanipulation) und sich langfristig abzeichnende Entwicklungen (zB Technologiewandel, Markteintritte, Internetplattformen, Besteuerungen) als häufige Auslöser unterscheiden.

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b) Rückschau (Diagnose). Sie hilft, die Vorschläge am objektivsten zu beurteilen. Die Sanierung wirkt natürlich zukunftsorientiert, um freilich profund ihr Konzept zu bewerten, sollte man genau den Anlass kennen. Und deshalb zählt hierher die Beschreibung des Unternehmens mit einer gehaltvollen, aussagekräftigen Chronologie der Krise. Nur einige Schlagworte: Ausgangssituation des Gemeinschuldners (Rechtsverhältnisse, Betriebskennzahlen; Marktverflechtung), Ursachen des wirtschaftlichen Abschwungs, bereits ergriffene (erfolglose?) Abhilfe etc. Eine gelungene Zukunftsbewältigung fordert stets ein umfassendes Verständnis der Vergangenheit, genauer des eingeschlagenen Wegs und der möglicherweise verbundenen Fehlsteuerungen. Man muss (total „schonungslos“120) dabei dann die entscheidenden Hintergründe der Insolvenz identifizieren und sodann daraus die notwendige Ursachenanalyse (IDW S2 Rn 27) entwickeln. Ziel ist es, ein möglichst realistisches Schuldnerbild zu vermitteln. Das geht über den regelhaften verwalterseitigen Sachbericht iSv § 156 I S 1 inhaltlich deutlich hinaus und erfordert tiefergehende Recherche.

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c) Maßnahmenpaket. Auf der Grundlage des beschriebenen Ist-Zustandes sowie der Analyse der Insolvenzursachen (gem Rn 71) nimmt das Sanierungskonzept das zukünftige, von Insolvenzgründen befreite und in den Markt reintegrierte Unternehmen als Endpunkt des Strebens und beinhaltet – darstellend (§ 220) oder zugleich auch gestaltend (§ 221) – die zur Krisenbeseitigung geplanten umstrukturierenden Maßnahmen (Überblick: Rn 73– 75) idR finanz- und leistungswirtschaftlicher Art121 (IDW S2 Rn 3 iVm 8). Hierbei steht

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FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 63 mit Verweisung auf Engelhardt ZIP 1986, 1287, 1288 und 1290 [II und IV]. Jaeger InsR8 S 216 [§ 38 I]: „Der Konkurs ist ein Wertvernichter schlimmster Art und obendrein das teuerste Schuldentilgungsverfahren.“

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So noch explizit FK/Jaffé InsO8 § 220 Rn 64 demgegenüber nun abschwächend InsO9 § 220 Rn 62. Umfassende Aufzählung: FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 69 ff (Planungen) bzw Rn 75–77 (Maßnahmen).

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§ 220

das Leitbild des „neuen“ Unternehmens im Mittelpunkt122 (IDW S2 Rn 28, IDW S6 Rn 63–67). Dabei wird das zunächst abstrakte Planziel (iSv Rn 66) für die Situation „vor Ort“ gleichsam konkret umgesetzt. Das meint vor allem ein „realisierbares, zukunftsfähiges Geschäftsmodell“ (IDW S6 Rn 65), das weitergehend dann im Plan aufzufächern ist. Bei der finanzwirtschaftlichen Sanierung liegt der Schwerpunkt auf der Beschaffung 73 neuer Geldmittel, sei es als Fremdkapital (Erlasse, Stundungen, Kredite etc) oder Eigenkapital (Rangabreden, Hinzutreten neuer Gesellschafter, Nachschüsse etc). Ist das operative Geschäft rentabel, gilt es „bloß“ am Ende, die Liquidität wiederherzustellen. Man kann dazu die Schuldenlast schlicht minimieren (§ 224), aber andererseits auch zusätzliche Finanzierung ermöglichen: seitens der Gesellschafter (dazu § 225a Rn 65) oder Dritter (§§ 230 III, 264) und namentlich durch ergänzende Umstrukturierung des Rechtsträgers (§ 225a III) sowie auch die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (§ 225a II: DebtEquity-Swap [DES]). Hierzu zählt mittelbar auch die Bereitstellung „neuen“ Sicherungsguts ([als praktische „Konsequenz“ aus] § 223 II), die weitere Fremdfinanzierung erlaubt. Die leistungswirtschaftliche Sanierung ist demgegenüber viel komplizierter. Sie nimmt 74 das operative Geschäft in den Fokus und zielt auf die unternehmerische (Neu-) Ausrichtung im Planverfahren. Die auf diesem Wege eingeleiteten Veränderungen sind häufig langfristiger Natur; sie bezwecken die Hebung bestehender Potentiale und auch ein Beseitigen ineffizienter Strukturen. Das kann in Form der Reduzierung unternehmerischer Tätigkeiten auf einen zentralen Kernbereich („Markenkern“) geschehen, Schließung verlustbringender Betriebsteile, Optimieren von Prozessen (Einkäufe, Produktion, Produkte etc), aber zB auch Neubesetzung des Managements. Hierzu zählen genauso gezieltes Marketing, Stärkung von Forschung und Entwicklung sowie – mit Blick auf Rn 76 – zudem die Etablierung effektiven Controllings. Jene Reihe ließe sich nahezu beliebig fortsetzen … Daneben tritt die Eröffnung insolvenzrechtlicher Sanierung. Das soll das Instrumenta- 75 rium „normalen“ Insolvenzrechts benennen, das natürlich auch ebenfalls einem Insolvenzplan – zusätzlich – zugutekommen würde, vor allem die Beendigung und Neuverhandlung von kostenintensiven Verträgen und Dauerschuldverhältnissen einerseits (§§ 103 ff), die Änderung von belastenden Betriebsvereinbarungen und Massenentlassungen andererseits (§§ 120 ff). Das passiert zwar jenseits der Möglichkeiten des Insolvenzplans, wirkt darauf indes zurück (Abs 1!). Werden betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen, Sanierungstarifverträge geschlossen und Betriebsvereinbarungen ausgehandelt oder Sozialpläne zum Zwecke des Abbaus von Personal entwickelt, sind diese in ihrer Ausgestaltung mit darzustellen123 („sanierendes Gesamtpaket“). d) Projektion (Prognose). Am ehesten überzeugen präzise Kennzahlen, die aber zukunfts- 76 bezogen eben nur Abschätzungen darstellen können. Die (Sanierungs-) Praxis versucht je-

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MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 220 Rn 30a; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 2 („Der Insolvenzplan ist in weiten Teilen auch ein Unternehmenskonzept.“); Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 50 mit Rn 38 („Wer nicht weiß, wohin die Reise führt, kann den Weg nicht beschreiben.“); FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 73 („realistische … Zielvorstellung“); BK/Flöther/Wehner InsO42 § 220 Rn 27 („muss unabdingbar

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auch ein Sanierungskonzept enthalten sein“); Bork InsR8 Rn 373 („muss natürlich … erläutert werden“); Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 108–110; Geiwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 46; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 6.23, 6.31 ff, die allerdings zwischen autonomen und heteronomen Maßnahmen differenzieren. Dazu beispielhaft bloß MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 100.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

doch, Erfolgsrechnungen zu quantifizieren – und wird dazu auch von § 229 angehalten.124 Gemeint ist Planung, welche neben qualitativen Meilensteinen auch die quantitativen Ergebnisse prognostiziert (IDW S6 Rn 5 [„im Rahmen einer integrierten Liquiditäts-, Ertrags- und Vermögensplanung (integrierte Planung)“] iVm Rn 72 ff, insbes Rn 72–74, 78 iVm F&A 7.2). Kennzahlen lassen sich in Anbetracht der Krisenlage gerade nicht mit Blick zurück interpolieren, sondern bedürfen eigener Untermauerung. Hier empfiehlt sich, disparate Szenarien anzulegen (best/real/worst case) und auch einen Risikopuffer vorausschauend einzuplanen. Die Rechnung solcher Annahmen („Verprobungsrechnung“) ist eine Wissenschaft für sich125 und soll die Durchführbarkeit „mathematisch“ plausibilisieren. Gefragt ist hierbei die Abschätzung künftiger Entwicklung auf Basis des umzusetzenden neuen Plankonzeptes. Letztlich sollte die Darstellung das Ergebnis des Rechenwerks (Anlage?) halbwegs (laien-) verständlich erklären. 3. Gruppenbildung

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Die Gruppenbildung ist, als Abstimmungsgrundlage (vgl § 222 Rn 2) und zentrale Vorbedingung für konkrete Ungleichheit (vgl § 222 Rn 9; § 226 Rn 12), Bestandteil jedes Insolvenzplans und letztendlich der Schlüssel zum Erfolg (Gestattung differenzierender Behandlung). Sie zählt dogmatisch zur Gestaltung (§ 222 I S 1 Hs 1: „Bei der Festlegung der Rechte der Beteiligten [iSv § 221 S 1]“), wirkt als Vorstufe der Veränderung (dazu § 222 Rn 8) und mithin quasi selbst als mittelbare Gestaltung.126 Das gilt nicht bloß für Mussgruppen, sondern für Kanngruppen (§ 222 II und III S 2) und Sollgruppen (§ 222 III S 1) genauso, verbietet allerdings die ergänzende Aufnahme in den darstellenden Teil nicht – justament im Gegenteil: die Gruppenbildung liefert die Grundlage für spätere Planwirkungen (ist mithin erheblich iSv § 220 II aE [hier Rn 39] und spiegelt quasi reziprok das Betroffensein gem § 222 I S 1 aE [dort Rn 66]). Das beweist nicht zuletzt der § 222 II S 3 bei ermessensgeprägter (!) Kanngruppenbildung: Darlegung abgrenzender Kriterien erforderlich („Transparenzprinzip“: § 222 Rn 117–119). Die Gruppierung rechnet ebenso darum pragmatisch zur Darstellung,127 das führt zu einer Art Zwitterstellung (siehe auch bei § 219 Rn 12; § 222 Rn 120), die aber jede Form einer Veränderung der „Rechtsstellung der Beteiligten“ (§ 221 S 1 Hs 2) prägt: was wird im Plan warum planerisch wie festgelegt? Dieses gilt hier in ganz besonderem Maße.

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FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 73; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 41 – siehe auch noch bei Rn 91 mit Fn 164! Siehe dazu den IDW-Praxishinweis 2/2017: Beurteilung einer Unternehmensplanung bei Bewertung, Restrukturierung, Due Diligence und Fairness Opinion, IDW Life 2017, 348, dazu BB 2017, 552 und Zwirner/Zimny DB 2017, 1732. So formuliert es HK/Haas InsO9 § 221 Rn 4. Sehr eingängig – differenzierend – begründet dies MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 22; überaus vorsichtig dagegen BK/Flöther/Wehner InsO42 § 220 Rn 27 („sollten die

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Beteiligten … informiert werden“). Per Saldo genauso Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO61 § 220 Rn 19; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 47; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 5; Geiwitz/Käfferlein HRI2 § 25 Rn 111, 113; Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 178 („auch“). Vgl auch erg IDW S2 Rn 17: „überblicksartig auf Aspekte der Gruppenbildung … einzugehen“. Völlig anderer Ansatz dagegen bei HambK/ Thies InsO6 § 220 Rn 4 (dies ein Fall von Abs 1?).

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Darstellender Teil

§ 220

4. Vergleichsrechnung a) Ausgangssituation. Das Planverfahren soll autonome Befriedigungsoptimierung er- 78 öffnen (näher dazu Vor §§ 217 ff Rn 6–8 iVm 55–59). Den Betroffenen wird der Wert ihrer Rechtsposition im Regelverfahren garantiert („Untergrenze“: § 220 Rn 40; § 221 Rn 70) und dementsprechend die Alternative des Insolvenzplanes (§ 1 S 1 Hs 3) einem materiellen Rechtfertigungszwang unterworfen. Dieser manifestiert sich im darstellenden Teil in Form der sog Vergleichsrechnung (zumindest im Regelfall – aber: Rn 81), welche die Ergebnisse der Masseverwertung im Plan- und Regelverfahren gegenüberstellt und damit die Nachprüfbarkeit (oder wenigstens doch: Nachvollziehbarkeit) behaupteter Planvorteile rechnerisch ermöglichen soll.128 Es geht um eine – fachlich untermauerte – Prognose aus einer Sicht ex ante (vgl Rn 80) mit allen ihren eigenen Unwägbarkeiten. § 259 RegE (dazu Rn 6) sah dies noch als unverzichtbaren (zwingenden) Planbestandteil („ist anzugeben“) mit gleichsam oberster Priorität,129 die Streichung hat hieran sachlich nichts geändert. Der Vergleich motiviert zur Planannahme (oder alternativ auch -ablehnung): Ermöglichung informierter (Investitions-) Entscheidung (Rn 20, 28, 34, 37), sei sie nun positiv oder negativ, als Grundprämisse im Planverfahren. Die Verbesserung gegenüber dem Normalablauf ist für einen homo oeconomicus im- 79 mer eine unabänderliche „plankonzeptionelle Grundbedingung“.130 Dennoch sehen schon die Motive die ausnahmsweise Relevanz nichtmonetärer Vorteile.131 Die kann man aber nicht irgendwie quantitativ umrechnen, sondern allenfalls qualitativ anführen. Die Vergleichsrechnung kann daher nie alles sein, es bedarf zusätzlich der Erläuterung der Konzeptidee. Allgemein sollte man keinerlei „Kennzahlenmagie“ verfallen (schon mit Blick auf Rn 80) und sorgfältig die jeweiligen Prämissen überprüfen anstatt blind auf Zahlenwerke zu spekulieren. 128

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Schiessler Insolvenzplan (1997), S 127; HK/ Haas InsO9 § 220 Rn 3 und 5; HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 5, 7; MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 220 Rn 4 mit Rn 31 („unabdingbar“); FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 10; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 6; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 219–221 Rn 26 f; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 7 („in der Regel … erforderlich“) mit Rn 20; Bork InsR8 Rn 372 („nicht ausdrücklich vorgeschrieben, gehört aber zu den wesentlichen Entscheidungsgrundlagen“); Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 196; Burmeister/Schmidt-Hern HRI2 § 43 Rn 61. Platzierung im Anschluss an § 258 RegE = § 220 I InsO – dennoch insgesamt auffällig verhaltener BT-Drucks 12/2443 S 197 re. Sp. [§ 259]: „ein wichtiger Bestandteil des darstellenden Teils“. Überzogen Horstkotte ZInsO 2014, 1297, 1306: „Herzstück“ – arg Drucks 12/2443 S 198 re. Sp. [§ 262]: Sanierung als „Kernstück“; vgl auch erg § 219 Rn 18 – treffend aber durchaus auch Martini/Horstkotte, ZInsO 2017, 1913, 1920 [III 2 f]: „Achillesverse“.

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Dies attestiert auch neuerdings BGH NJW-RR 2018, 817, 820 {33} [III 5a]. Aus der Lit: Brünkmans/Thole/Harmann § 13 Rn 102 („zentrale Entscheidungsgrundlage“); Eilenberger MünchKomm InsO3 § 220 Rn 4 („wesentliche Bedeutung“); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 6 („Entscheidender Bestandteil“); Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 20 („wesentlich“); HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 7 („Schwerpunkt der Darstellung“); Martini/ Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1920 [III 2 f] („sollte … stets enthalten“). Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 219– 221 Rn 26. BT-Drucks 12/2443 S 197 re. Sp.: „etwa in dem Fall, daß die Mehrzahl der Gläubiger sich aus einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit dem Schuldner künftige Gewinne verspricht.“ Dazu vgl auch FK/Jaffé InsO9 § 229 Rn 17 („nur in seltenen Ausnahmefällen“) einerseits, Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 220 Rn 4 (Anerkennen nichtmonetärer Interessen) andererseits. Weiteres „schlagendes“ Beispiel: § 217 [S 1] Var 3.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Kernproblem der Gegenüberstellung von Regel- und Planverfahrenserlös ist die zwangsläufig dafür nötige Auseinandersetzung mit hypothetischen Geschehensabläufen. Ausgenommen die Gläubigerbefriedigung aus vorhandenen (entbehrbaren) Geldmitteln (sicher seltene Ausnahme!), wird jede Vergleichsrechnung auf starken Ungewissheiten beruhen, die am Ende in ein höchst komplexes Prognosemodell einmünden (dazu Rn 85–87). Dabei besteht auch allemal ein beträchtlicher Beurteilungsspielraum des Planerstellers132 (vgl Rn 51 „versus“ Rn 49). Herrscht unter den Beteiligten Konsens über die Planlösung oder/ und beinhaltet diese eine weitaus größere Erlöskraft als die Variante des Regelverfahrens, sind allzu umfangreiche und detailverliebte Erläuterungen praktisch nicht notwendig133 („Wie“) – das stellt das „Ob“ aber nicht in Frage; nur mit dem Wissen von Art und Umfang der Benachteiligung gibt es eine verbindliche „mündige“ Entscheidung – daraus folgt dann: keine Entbehrlichkeit oder Verfügbarkeit der Vergleichsrechnung!134 – zumindest im Regelfall (aber: Rn 81). Ob jemand trotzdem später zustimmt (kein § 245) oder auf eine folgende Gegenwehr verzichtet (kein § 251) steht auf einem anderen Blatt.

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b) Rahmenbedingungen. aa) Inhaltlich. Die Notwendigkeit genauen Vergleichens ist primär vom Plankonzept (siehe vor allem Vor §§ 217 ff Rn 45–50) geprägt. Die reine Verfahrensgestaltung (§ 217 [S 1] Var 3) braucht keinerlei Vergleichsrechnung, und auch bei bloß modifiziert durchgeführter Liquidation (Art, Zeit, Weise etc) ist allemal kaum Aufwand nötig, allenfalls mit Blick auf ergänzende Prognoseerwartungen temporärer Betriebsfortführung („cool down“ – im Unterschied zu „shut down“); dieses zählt aber auch schon zu § 229135 (dort Rn 15). Hauptfall ist natürlich die „festhaltende Sanierung“ (dazu Rn 28 aE), in Eigenherrschaft (auch: § 270b) oder Fremdbestimmung (etwa: § 225a II/III) – es geht um Fortführungswerte „versus“ Zerschlagungswert –, gezielt wird aber genauso auf „übertragende“ Sanierung. Schon § 259 RegE (dazu Rn 6) erfasste beide Optionen. 82 bb) Personell. Prinzipiell gelten sinngleiche Anforderungen bei Vergleichsrechnungen für natürliche und juristische Personen (§ 11 I) sowie auch die anderen insolvenzfähigen Gebilde (§ 11 II); Nachlässe und fortgesetzte Gütergemeinschaften tendieren zumeist indes auf Abwicklung (dazu Rn 84), dh unmittelbar insolvenzrechtliche Liquidation. Bei natürlichen Personen wirken ergänzend zwei Spezifika. Zum einen ihre ganz freie Entscheidung zum Fortführen oder Übernehmen unternehmerischer Betätigung (arg Art 12 II Hs 1 GG), auch deren Firmenfortführung wäre immer freiwillig erfolgende Betätigung (arg § 230 I). Dennoch gilt eine gewisse insolvenzrechtliche Bindung mit einerseits § 35 II (Freigabe selbständigen Handelns?) oder alternativ eben liquidative Stilllegung136 (§ 157 S 1) und andererseits § 295 I Nr 1 (abhängige Tätigkeit) bzw § 295 II (alternative selbständige Betätigung). Dieses erfordert wieder Prognosen und könnte dazu führen, Neuerwerb nicht anzusetzen – hätte dann aber zur Konsequenz, dass auch keine potentielle Restschuldbefreiung im Regelverfahrensgang offen stünde! Das berührt das weitere Spezifikum: das Verhältnis von § 301 (Regelverfahren) und § 227 (Plangestaltung) hinsichtlich der Fort-

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Das sieht richtig (wenngleich zu vorsichtig) Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 21 („hat … einen gewissen Beurteilungsspielraum“); stärker „faktenorientiert“ dagegen Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 29: prognostische Unsicherheiten. Wichtiger bleibt als letzte Kernfrage: wer bestimmt die Prognose? Das kann man hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 6 aE konzedieren.

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AA aber uU Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 4 (Individualentscheid). Der aber nicht etwa die generelle Vergleichsrechnung begründet: Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 229 Rn 5. Dazulegen ist demzufolge die Entwicklung des „Normalganges“: BGH NJW 2015, 2660, 2664 {30} [II 2e bb] = DZWIR 2015, 560 = WM 2015, 1291 = ZIP 2015, 1346 = NZI 2015, 697 = KTS 2016, 221.

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Darstellender Teil

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haftung. Nach „normalem“ Gang würde man vergleichsrechnend von einer Gläubigerbefriedigung auf der Grundlage eines bestimmten, im Rahmen einer angemessenen Anstellung erwirtschafteten, pfändbaren Einkommens mit späterer Restschuldbefreiung ausgehen, was dann oft kaum einen Unterschied zur Fortsetzung der selbständigen Tätigkeit ausmachen wird. Das setzt jedoch einen eigenen formgerechten und rechtzeitigen Antrag (§ 287 I) voraus (idR gleicherweise hypothetische Einschätzung!).137 – UU sind auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des geschäftsführenden Gesellschafters offenzulegen.137a cc) Förmlich. Hinsichtlich der Ausgestaltung (Fließtext, Tabellen, Übersicht etc) ent- 83 hält jedoch das Gesetz keine weiteren Vorgaben,138 oft wird die Form einer Textdarlegung mit Bezug auf einen Tabellenanhang (dazu § 219 Rn 15) die informativste Aussage bereitstellen. Leitmotiv ist hierbei wie immer Klarheit und Wahrheit in Neutralität und mit Transparenz inhaltlich zu vermitteln (dazu Rn 45–48). Recht viel spricht also für Entlastung des Fließtexts und weitergehende graphische Unterstützung.139 Das hilft vor allem bei möglichen alternativen Szenarien, der Verkoppelung mit Prognosen (best/real/worst case) und Planannahmen (§ 229) sowie soweit im Rahmen eines Liquidationsvergleichs die Vorteile längerer bzw kürzerer Liquidationszeiträume (Liquidationsgeschwindigkeit, -intensität, -chancen) tiefgehendere Betrachtung oder Vergleichung verlangen.140 c) Inhaltserfordernisse. Die Vergleichsrechnung des § 259 RegE war eindimensional 84 ein Vergleichen mit der Liquidation bei durchaus prognostischem Freiraum141 („in welchem Umfang … voraussichtlich … befriedigt“). Das harmoniert mit der Formulierung von §§ 245 I Nr 1 bzw § 251 I Nr 2142, die ähnliche Bedenken auffängt143 und praktisch damit gekoppelt ist (dazu Rn 21, 40). Die ganze Idee des Plans (siehe vor allem Vor §§ 217 ff Rn 55–59 iVm 6–8) hängt schließlich daran (Verbesserung der Befriedigung). Die Angabe des Erlöses im Rahmen eines hypothetischen Regelverfahrens (Liquidationswert) hat demnach zentrale Bedeutung. Bei der Ermittlung der Vergleichswerte kann man aber auf vorhandene Verzeichnisse zugreifen (§§ 151–153 – vor allem helfen insoweit §§ 151 II S 1, 153 I S 2 Hs 1144). Die Bewertung der Aktiva soll insoweit auf den (erwarteten) Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Plans erfolgen145 (scil. Rechtskraft seiner Bestätigung: § 229

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HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 7a; solche Möglichkeit sehend BGH NZI 2015, 697, 701 {30 aE}; aA LG Wuppertal NZI 2016, 494, 495 (mit der Forderung, die unternehmerische Tätigkeit sowie die für ihre Nichtfortführung maßgeblichen Gründe darzulegen). 137a AG Köln ZInsO 2018, 1633, 1634 [I 2] (Bonitätsprüfung von Gegenansprüchen). 138 Ausgenommen nur die Schriftform, vgl 218 Rn 23. 139 Aber vgl auch BGH NZI 2010, 101 {3} [II] = ZIP 2010, 341 = WM 2010, 225 = ZInsO 2010, 85 (für § 229 S 1 – vgl hier Rn 55, dort Rn 2): Formspielräume des Planverfassers. 140 Brünkmans/Thole/Harmann § 13 Rn 103 f. 141 BT-Drucks 12/2443 S 197 re. Sp. [RV]: „Selbstverständlich kann dabei das Ergebnis der Verwertung der Insolvenzmasse ohne einen Plan nur geschätzt werden.“

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Das aber erst seit dem EGInsOÄndG vom 19.12.1998 (Art 2 Nr 12 und 14) [in Kraft ab 01.01.1999 (Art 12), dh mit der InsO]. BT-Drucks 14/120 S 14 re. Sp. [RA]: „Prognoseentscheidung … genaue Vorausschau zukünftiger Entwicklungen gerade in wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht möglich“. … und bei Schwierigkeiten ist ein besonderes Fachgutachten einzuholen (§ 151 II S 3): HK/ Haas InsO9 § 220 Rn 5; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 22 – ganz eingehend dazu MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 220 Rn 27 ff. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 21; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 4 aE; HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 7; Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 200.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Rn 27) – das scheint mir ungenau: denn führt eine Liquidation zu rascherer Befriedigung, wäre dies – aufzinsend – eben auch korrigierend mit einzurechnen, um ebenbürtige Verhältnisse zu garantieren. 85 Entscheidend ist demnach der hypothetische Verlauf des Regelverfahrens, dh insoweit zählten dann Erlössummen und Zeitpunkte für die Verwertung entsprechend Erfahrungswissen bzw überwiegender Wahrscheinlichkeit.146 Natürlich besteht immer die Möglichkeit einer Folgeinsolvenz, was aber wohl keine greifbare Gefahr darstellt (… falls dies die bisherige Entwicklung bestätigt147). Für ähnlich wahrscheinliche Abläufe soll man dann jedoch weitergehend Alternativszenarien durchrechnen müssen.148 Das wird sich nur jedoch tatsächlich voll durchhalten lassen, wenn es denn um eine grundsätzliche Weichenstellung (zB Teilstillegung149) geht, nicht aber bei kompliziert verschachtelter Kausalität (keine „Entscheidungsbäume“ nötig). Vollends unpraktisch wäre schließlich freilich, gewisse Wahrscheinlichkeit bereits für genügend zu erachten.150 Natürlich sind Schätzungen hier gestattet (entsprechend aber offenzulegen151), vor allem was mögliche Nachforderungen betrifft;152 bei unklarer Sach- und Rechtslage können auch Erinnerungswerte (zB von einem EUR) angesetzt werden153 (dazu Rn 55). Das US-Recht (siehe oben bei Rn 18) lehrt, die Relation von Kosten und Nutzen parallel zu beachten. 86 So betrachtet wird dann allerdings eine eher mehrdimensional angelegte Vergleichsrechnung notwendig („Vergleichsmatrix“), welche ihrerseits allerdings selbst allemal durchschaubar bleiben sollte (dazu Rn 46–48, 50, 52). Gerade gegenüber vorgelegten Konzepten „festhaltender“ Sanierung (iSv Rn 28 aE) bildet die übertragende Sanierung einen relevanten Vergleichsmaßstab und stellt durch die Zugrundelegung des im Regelverfahren zu erzielenden Kaufpreises einen echten „Stresstest“ dar. Dabei muss man aber sehen, dass sich zwei Parameter gleichzeitig verändern:154 Gesamtveräußerung zum Fortführungswert („Birne“?) „versus“ Einzelveräußerungen zu Liquidationswerten („Äpfel“?), indes doch eben über die kalkulierten Geldwerte vergleichbar („Gewichtsvergleich“!); eine Prognose „über die Zeit“ (scil. hinsichtlich der Nachhaftung155) erscheint dann demgegenüber viel komplexer. Man wird aber ein ernsthaftes Kaufangebot abverlangen,156 ansonsten näm-

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HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 7; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 220 Rn 6 („das überwiegend wahrscheinliche Szenario“); Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 21. LG Traunstein ZInsO 1999, 577, 580 [II 1b cc] = DZWIR 1999, 464 = NZI 1999, 461 = WM 2000, 680. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 21; HK/Haas InsO9 § 220 Rn 5. Besonders komplizierte Bewertung, vgl MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 220 Rn 56. AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 6: „bei mehreren Szenarien mit nicht nur geringfügiger Wahrscheinlichkeit“. Die wirtschaftliche Bewertung ist folgerecht Gläubigersache: LG Hamburg ZinsO 2018, 331, 335 [II A 3a]. Drei Szenarien vorstellbar: sofortige Schuldbefreiung (§ 227) / spätere Schuldbefreiung (§ 301 I – aber: § 302) / reguläre unbegrenzte Nachforderung (§ 201 I) – insoweit richtig

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durchaus AG Hamburg NZI 2017, 567, 569 [II 2] mit LG Hamburg ZInsO 2018, 331, 335 f [II A 3b]: offene Chancen-/Risikoabwägung nötig! (aber eben auch hinreichend), extrem vereinfachend Madaus NZI 2017, 697, 699 f [II 3]: § 309 I Nr 2 S 2 analog. BGH NJW 2015, 2660, 2665 {36–38} [II 3b] = Fn 136 – zust HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 7. Eindringlich Braun/Uhlenbruck/Braun Unternehmensinsolvenz, S 612. Siehe eben bei Rn 85 aE mit Fn 152. AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 6 mit Hinweis auf BT-Drucks 12/2443 S 95 (Das betrifft freilich die glaubhaft gemachte (plausible) Verschlechterung, nicht etwa die Verpflichtung, hypothetische Nichtverschlechterung nachzuweisen. Eher passt noch BT-Drucks 12/2443 S 211 re. Sp., wo aber mE genauso konkrete Anhalte verlangt sind!), aber uU auch HK/Haas InsO9 § 220 Rn 5.

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lich baut man auf Sand – interessante Planideen könnten uU (zu) einfach blockiert werden (Angabe „ins Blaue“ hinein). Notwendig dürfte letztlich auch immer sein, asset deal und share deal gegeneinander zu vergleichen. Am Ende sind demgemäß verschiedene Zukunftsprognosen erforderlich, die in der Ver- 87 gleichsrechnung bloß zusammengeführt sind (vgl auch erg IDW S2 Rn 32): (a) Die Perspektivrechnung erläutert, wie sich das weitergeführte Unternehmen fortentwickelt. Das wird großteils über die zwingende Anlagepflicht abgedeckt (§ 229, dazu vgl dort Rn 15–18), welche weitergehend zur Verfeinerung zwingt (Verlaufsprognose, nicht etwa nur Zielerwartung!) – was wäre die Erwartung „über den Plan“? (b) Die Liquidationsrechnung iSv Rn 84) sieht bloß die normale, planlose Situation als Messgröße („ohne einen Plan“) – das kann über ein insoweit konkurrierendes Übernahmeangebot geschehen („konkrete Berechnung“/Fortführungswerte), alternativ durch Abschätzung von Einzelerlösen („abstrakte Berechnung“/Zerschlagungswerte). (c) Die Alternativrechnung (gem Rn 85) versucht, zusätzliche Varianten einzufangen: positive oder negative Entwicklungen, konkurrierende Planvorschläge,157 externe Einflüsse und interne Reaktion etc. 5. Miszellen Einzelfallabhängig ist das vorangestellte Grundgerüst des darstellenden Teils aus Ziel- 88 vorgabe (dazu Rn 66), Plankonzept (dazu Rn 71–76) und Gruppierung (dazu Rn 77), einschließlich des Vergleichs zum Regelverfahren (dazu Rn 78–85), verfeinernd um zusätzliche Angaben zu ergänzen. Das lässt sich nicht umfassend hier aufzählen (siehe insofern schon Rn 12, 28, 54) – nur einige Beispiele erforderlich erscheinender Offenbarung: Betriebsveränderungen (§ 258 II Nr 1 RegE) und Rechtsformanpassungen (§ 262 RegE); Sozialplanbelastungen (§ 258 II Nr 2 RegE), Masseverbindlichkeiten (arg 258 II bzw § 210a), Brückenfinanzierungen (§ 258 II Nr 3 RegE); Näheverhältnisse zu Planbeteiligten (§ 261 RegE). Zu erläutern sind sämtliche liquiditätsschaffende oder sonstwie sanierungsrelevante Umstände. Hierher zählen neben gewöhnlichen Außenständen sowie auch der Sicherheit künftigen Einkommens158 dann zB auch anhängende oder eventuelle Anfechtungsstreitigkeiten oder uU auch Haftungsfolgen für Gesellschafter – sofern (Verität/Bonität) und soweit (Quantität) sie von Bedeutung für das Verfahren sind159 („Sonderaktiva – Prozessrisiko?“). Für Passiva hilft zumeist der Tabelleneintrag (§ 175 I). Zu denken ist ferner an öffentlichrechtliche Rahmenbedingungen, insbesondere die Konsequenzen des Steuerrechts (siehe allg Vor §§ 217 ff Rn 199 ff, 202–209), Mangeln oder Verlust einer notwendigen fortführungsrelevanten Genehmigung (zB § 40 GWB bzw Art 8 FKVO; §§ 2 I S 1, 3 I GrdstVG),

Sehr praktische Ratschläge gibt Grub FS Uhlenbruck (2000) S 501, 509 f [III 3] zur Anlasssituation (S 509) und Vorgehensweise (S 510). So wie hier: Brünkmans/Thole/Harmann § 6 Rn 198; Mohrbutter/Ringstmeier/Bähr Hb InsVw9 Kap 14 Rn 42 („konkrete Anhaltspunkte“); HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 21 (allerdings „negativ“ formuliert: „soweit … mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht in Betracht kommt“). Vgl noch erg § 245 Rn 16 mwN.

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 7 („gegebenenfalls“); HK/Haas InsO9 § 220 Rn 1 – eher weitergehend noch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1 („Alternativvorschläge“). LG Hamburg NZI 2017, 970, 972 [II 4c]. BGH NZI 2010, 734, 738 {56–58} [II 3c cc]; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 8; HK/ Haas InsO9 § 220 Rn 2; Brünkmans/Thole/ Harmann § 6 Rn 67 f; Buchalik/Hiebert ZInsO 2014, 109, 113 f [VI]; Thole ZIP 2014, 1653, 1659 f [3.1].

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§ 220

Sechster Teil. Insolvenzplan

gewerberechtlich drohender Untersagungsakt (§ 35 GewO160) etc. Last not least sind die gesamtwirtschaftlichen ökonomischen Entwicklungsprognosen einzuspielen. 89 Teilweise nur geklärt ist, inwieweit solche Gründe offengelegt werden müssen, die gemäß § 290 I einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ebenso rechtfertigen würden. Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Der BGH hat das für Nr 2 (Falschangabe) verneint161 – indes für einen Schuldnerplan, und nur deshalb mit Hinweis auf die Darlegungs- und Beweislast plausibel zu begründen (Unzumutbarkeit einer Selbstbelastung); bei Verwalterplänen hilft er durch Ablehnung der Verpflichtung zur Amtsermittlung. Das lässt sich hören, erlaubt aber mE doch niemals dem Verwalter, ohnedies bereits bekannte Tatsachen schlichtweg zu verschweigen. Für Nr 1 (Straftaten) wurde später etwas anders differenziert:162 prinzipielle Offenlegung bei Fortführung erforderlich, nicht aber bei Restschuldbefreiungs- bzw Liquidationsplänen. Es geht um Sicherstellung der Eignung zur Betriebsführung (mit Verpflichtung zur Selbstbelastung). Dahinter steht letztlich § 260 RegE (dazu Rn 7), welcher eben diesen Fall erfasste – und bei Insolvenzstraftaten existiert nun zweifelsohne ein mächtiges Fortführungsrisiko. Im Lauf der Zeit könnte sich dieses eventuell verflüchtigen (§ 260 RegE kannte hier im Unterschied zu § 290 I Nr 2 keine beschränkende Frist! – vgl auch erg § 46 BZRG), aber nicht etwa schon in fünf Jahren. 90 Sieht man indes von diesem Fall (besondere insolvenzspezifische Straftaten: §§ 283– 283c StGB) ab, dringt man sofort zur eigentlich entscheidenden Problematik vor: ist § 290 auf §§ 217 ff überhaupt denn anwendbar? – JEIN. Die Regel enthält eine Wertung betreffend die Würdigkeit des Schuldners, von unbegrenzter Nachhaftung freizukommen (arg § 1 S 2). Das hat nichts mit der Plangestaltung generell zu schaffen, die heute allemal keinerlei Schuldnerwohltat darstellt (siehe dazu Vor §§ 217 ff Rn 11 „versus“ Rn 7 bzw § 218 Rn 7), vielmehr Erscheinung „besserer“ Befriedigung für sämtliche Gläubiger ist. Die Regelung ist folglich unmittelbar nicht einschlägig. Sie kann indes Orientierungshilfe geben. Zum einen wirkt sie gleichsam eher mittelbar kraft § 227 I: insofern eine Restschuldbefreiung erfolgen soll, ist die Offenlegung bekannter (!) Versagungsgründe letztlich nur mehr ein Element der – ohnehin immer nötigen (vgl Rn 82) – Vergleichsrechnung zwischen Sanierung und Liquidation (mit ebenfalls möglicher Schuldbefreiung). Zum anderen scheint mir – soweit bekannt geworden – eine Verkürzung, Unlauterkeit oder Nichtmitwirkung (in Anlehnung an § 290 I Nr 2–6) mitteilungsbedürftig – es sind sämtliche abwägungsrelevante Umstände für die Bewertung der Gläubiger (also „erheblich“ nach Rn 39, 51), ob man denn einem Schuldner „Fortführungseignung“ zubilligt.163 91 Von wesentlicher Bedeutung sind noch zwei primär strukturelle Fragen: (a) Sachlich das Verhältnis der Darstellung zur Plananlage. Hierzu muss man weiter unterscheiden zwischen (1) persönlicher Versicherung individueller Bereitschaft (§ 226 II S 2 [dort Rn 25]

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Beispielhaft K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 9 (mwN). BGH NJW-RR 2009, 1347, 1349 {27} [II 3c] = WM 2009, 1336 = ZIP 2009, 1384 = NZI 2009, 515 = DZWIR 2009, 463 = ZInsO 2009, 1252 = ZVI 2009, 468. BGH NZI 2012, 139, 140 f {8 mit 12–14} = WM 2012, 180 = ZIP 2012, 187 = DZWIR 2012, 197 = ZInsO 2012, 173 = ZVI 2012, 56.

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Siehe mit Blick auf § 290 I Nr 1 BGH NZI 2012, 139, 140 f {11 ff, 14} [II 2b bb] = DZWIR 2012, 197 = WM 2012, 180 = ZIP 2012, 187; MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 220 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 24; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 7; HK/Haas InsO9 § 220 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 220 Rn 9; FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 45; HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 6; Brünkmans/Thole/Thole § 19 Rn 17.

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Darstellender Teil

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bzw § 230 [dort Rn 1]), die maßgebliche Umsetzungsbedingungen verifiziert, (2) rechnerischer Plausibilisierung eines Plankonzepts (Weiterführen des Unternehmens) durch Proberechnungen (§ 229, dort Rn 3 f) und (3) sog Optionsanlagen (dazu § 219 Rn 19–21; § 229 Rn 1). Letztere gestatten, komplexere, zusätzliche Detailinformationen auszulagern. Rechtlich rechnen die Anlagen nicht mehr zum Insolvenzplan, sondern stehen daneben (arg § 219: S 1 „versus“ S 2, dort Rn 10–14), faktisch stützen sie allemal jedoch die Tragfähigkeit des Planentwurfes – sei es in qualitativer Beziehung (Var 1) oder quantitativer Hinsicht (Var 2). Vor allem durch die Vermögensübersicht und die „Perspektivrechnung“ erhält jener Plan erst seine Erdung.164 Alle intendieren eine informierte Entscheidung der Beteiligten zur Planlösung, dh über Billigung oder Ablehnung (IDW S 2 Rn 48), und erleichtern die Planlektüre (Fokussierung aufs Wesentliche!). Man darf aber die große Wechselwirkung mit der Plankonzeption nicht vernachlässigen: Die Darstellung selbst sollte ihrerseits die Anlagen niemals völlig separat stellen, sondern sie bewusst motivierend mit einbeziehen.165 Die Anlagen haben demnach Entlastungsfunktion, verschaffen aber auch Transparenz und substantiieren den Planvorschlag. (b) Zeitlich ist außerdem der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt festzulegen. Dabei ist 92 nicht zweifelhaft, dass die Darstellung mit der Planvorlage (§ 218 I) erst relevant wird (vorher sind es Entwürfe unterschiedlichster Stadien – § 218 III: „Planaufstellung“), immer aber schon zukunftsbezogen wirkt (dazu Rn 76, 87) – mit dem „kurzen“ Zeithorizont des Planverfahrens (§ 220 I, aber zB auch § 229 S 1: „bei dem Wirksamwerden des Plans“) bzw dem „langen“ Zeithorizont der Planumsetzung (§ 220 II, aber zB auch § 229 S 2: „Zeitraum, während dessen die Gläubiger befriedigt werden sollen“). Die Frage ist daher, wie man reagieren soll oder muss, wenn sich die Wirklichkeit anders entwickelt als prognostiziert; soweit sich der Plan selbst dagegen ändert (§§ 231 I Nr 1 aE, 240, 250 Nr 1 aE, dazu § 218 Rn 32, aber vgl auch § 232 Rn 17 aE) und hierbei Gestaltungsänderung erfolgt, ist auch die Darstellung darauf abzustimmen. Nachträge kommen lediglich vor Eintritt der Rechtskraft in Betracht: kleinere Änderungen zu berichten, genügt der Erörterungstermin (§ 235 I S 1 Var 1a – Protokollierung! –, vgl § 235 Rn 15), größere sollten mittels Nachtrag demgegenüber mE Richtigstellung erfahren.166 Das gilt insb auch für Abweichungen im Tatsächlichen (aufgrund neuer Kenntnis oder anderer Entwicklung der Geschehnisse). Wer doch verschweigt läuft Gefahr, dass der Plan zurückgewiesen wird, wohl nicht nach § 250 Nr 2167 (individuelle Begünstigung erforderlich), sondern gemäß der Grundregel des § 250 Nr 1 (kollektive Benachteiligung einschlägig: Rn 93 f).

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Implizit wohl aA Andres/Leithaus/Andres InsO3 §§ 219–221 Rn 2: § 220 iVm § 230 – was aber ist dann mit § 229? (siehe dazu bei Rn 76). So wie hier am Ende Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 229 Rn 14. Sehr treffend hier Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 229 Rn 15 („schlüssig und plausibel vorzustellen“) bzw Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 52 (mit Blick auf § 229): „zumindest insoweit in

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ihren Grundzügen zu erläutern, dass [sie] auch ein … Laie … nachvollziehen und bewerten kann.“ Wie hier wohl HK/Haas InsO9 § 240 Rn 8 – aA HambK/Thies InsO8 § 240 Rn 6; Hiebert ZInsO 2015, 113, 114 [II]. So sehen es indes K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 11; Hiebert ZInsO 2015, 113, 114 [II]; HK/Haas InsO9 § 250 Rn 6 aE mit § 220 Rn 1 aE.

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§ 220

Sechster Teil. Insolvenzplan

VI. Rechtsfolgen mangelhafter Darstellung Fehlt etwa die textliche Darstellung insgesamt168 oder ist jene nicht klar vom gestaltenden Teil abgekoppelt169 (arg § 219 S 1) existieren unstreitige Formalfehler; sie scheinen mir derartig fundamental, dass regelmäßig von vornherein eine nachgeholte Verbesserung ausscheidet. Weist der darstellende Teil demgegenüber nicht die erforderliche Vollständigkeit auf, das gilt für Abs 1 wie auch für Abs 2170 (arg Rn 31), leidet dann der Plan an – allerdings wohl behebbaren (nachträglich allemal Verbesserung möglich) – Inhaltsmängeln: er kann folglich, falls Abhilfe fehlt, also zurückzuweisen sein (§ 231 I S 1 Nr 1 Var 2: Vorkontrolle171) oder es wird im Nachhinein, sofern die mangelhafte Darstellung Einfluss auf die Abstimmungsentscheidung gehabt haben könnte172 („in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet“ [§ 250 Rn 7 f]), die gerichtliche Bestätigung verweigert (§ 250 Nr 1 Var 1: Nachprüfung173). 94 Das Insolvenzgericht prüft insoweit „unter Berücksichtigung sämtlicher rechtlicher Gesichtspunkte“ (Vollprüfung! [§ 231 Rn 14]), ob der vorgelegte Plan die konkret erforderlichen Mindestangaben: Rn 45 ff) enthält174 – welche allemal das Gericht vorweg erst einzelfallbezogen konkretisieren wird! Mit Blick auf das Merkmal der Entscheidungserheblichkeit (dazu Rn 37–39), welche sich im Regelungszweck mit jener Wesentlichkeit

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 15 f. MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 11; HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 7; Jaffé FK InsO8 § 220 Rn 4. Anders (nur allein für § 231) jedoch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 17. MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 220 Rn 3 mit 26; HK/Haas InsO9 § 220 Rn 1; BK/Flöther/Wehner InsO42 § 220 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 5 f; FK/ Jaffé InsO9 § 231 Rn 9; HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 8; Braun/Braun/Frank InsO InsO7 § 231 Rn 3; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 231 Rn 2. Nr 1 geht Nr 2 vor! (insoweit irrig deswegen AG Hamburg ZInsO 2014, 2530 [I]). So lautet die Formel nach BGH NZI 2010, 101 {3} [II] = ZIP 2010, 341 = WM 2010, 225 = ZInsO 2010, 85 (Planrechnungen, vgl Rn 76); NJW-RR 2011, 51, 54 {44} [II 3c] = DZWIR 2011, 65 = NZI 2010, 734 = ZIP 2010, 1499 = WM 2010, 1509 = ZInsO 2010, 1448 = KTS 2011, 239 (Vergleichsrechnung, vgl Rn 84–87); NZI 2012, 139, 140 {9 und 11} [II 2b aa/bb] = DZWIR 2012, 197 = WM 2012, 180 = ZIP 2012, 187 (Insolvenzstraftaten, vgl Rn 90); WM 2012, 1640, 1641 {9} [III 1] (Einkünfte und Vermögen, vgl Rn 53). BGH WM 2012, 1640, 1641 {9} [III 1] bzw HK/Haas InsO9 § 220 Rn 3; K Schmidt/

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Spliedt § 220 Rn 4 aE; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO61 § 220 Rn 3, 26 f – MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 12; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 3; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 250 Rn 6; FK/Jaffé InsO9 § 250 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 4, 8; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 250 Rn 3 – aA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 14, die hier nur Änderungen gem § 240 zum Prüfungsgegenstand erheben. Sehr prosaisch etwa BGH NJW 2015, 2660, 2661 {8} [B II 2a] = Fn 177 („ob die Informationen im darstellenden Teil für die Entscheidung der Beteiligten und des Gerichts ausreichen“). Ferner: MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 17; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 231 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 4 f; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 231 Rn 7; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 231 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 231 Rn 12; Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 543 [II 1]; Brünkmans/ Thole/Laroche § 14 Rn 20. Leider etwas unklar K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 3, 13; aA aber offenbar Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 17 (arg Beibringungsgrundsatz); HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 26.

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Darstellender Teil

§ 220

deckt, auf die § 250 Nr 1 Var 1 abhebt, kommt letztlich dem Verfasser große Einschätzungsprärogative zu (siehe dazu schon Rn 34, 43). Es geht durchweg aber um Rechtskontrolle, nicht etwa die ökonomische Angemessenheit des Ergebnisses175 (vgl § 231 Rn 10; § 250 Rn 57), vorbehaltlich freilich offenkundiger (Plausibilitäts-) Defizite. Als störend wurden gesehen, Verschweigen von Einkommen und Vermögen,176 mangelnde Angabe zur Verfahrensweise bei Regelabwicklung,177 sowie auch zum Vorliegen einzelunternehmerischer Tätigkeit,178 gröbliche Fehler der Vergleichsrechnung,179 Nichtangabe von Insolvenzstraftaten (bei Fortführung),180 fehlende Ausführungen zum Umgang mit Nachzüglern,181 keine Verzeichnisse gemäß §§ 151–153,182 nicht aber das Fehlen tabellarischer Anlage iSv § 229.183 Ein parallel einklagbarer Anspruch der Beteiligten aus § 220 besteht indes daneben 95 nicht – die Information wird „kollektiv“ quasi offengelegt184 (spezifisch prozessualer Lösungsweg), es fehlt an einem zusätzlichen individuellen Schutzbedürfnis: der Plan als solcher ist „Bringschuld“.185 Das sperrt natürlich keinen separaten bürgerlich-rechtlichen Anspruch, der auch sonst bestehen würde (zB §§ 666, 675 BGB), vorbehaltlich insolvenzrechtlicher Überlagerungen. Insoweit gibt es Auskunftspflichten des Insolvenzverwalters aufgrund seiner Stellung und Mitwirkungspflichten des Gemeinschuldners (§ 97) mit eigenen Zwangsmitteln (§ 98). Der Erörterungstermin (§ 235 I S 1 Var 1a) ist der Ort, eine Unklarheit zu beseitigen oder auch eine Veränderung zu veranlassen (§ 240). Mit einer eigenen prozessrechtlich begründeten Auskunftsklage bereits im Vorfeld würde ein unnötiger Sonderweg eröffnet und generelle Transparenz konterkariert.

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BT-Drucks 17/5712 S 32/33 [§ 231 {1}]; BGH NJW 2015, 2660, 2661 {8} [B II 2a] = Fn 177, best BGH NJW-RR 2018, 817, 818 {14} [III 1]; LG Hamburg ZinsO 2018, 331, 335 [II A 3a/b] – je zu § 231, ferner: FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 13; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 13, § 250 Rn 2; HambK/ Thies InsO6 § 231 Rn 18, 250 Rn 4; HK/ Haas InsO9 § 231 Rn 12, § 250 Rn 1; Brünkmans/Thole/Laroche § 14 Rn 22 bzw Brünkmans/Thole/Thole § 19 Rn 6. BGH WM 2012, 1640, 1641 {9} [III 1]; LG Wuppertal NZI 2016, 494, 495 (§ 231). BGH NJW 2015, 2660, 2664 {29 f} [B II 2e aa/bb] = DZWIR 2015, 560 = WM 2015, 1291 = ZIP 2015, 1346 = NZI 2015, 697 m Anm Madaus = KTS 2016, 221 (§ 231). AG Köln NZI 2017, 664, 665 (§ 231). BGH NJW-RR 2011, 51, 54 {45} [II 3c] = DZWIR 2011, 65 = NZI 2010, 734 = ZIP 2010, 1499 = WM 2010, 1509 = ZInsO 2010, 1448 = KTS 2011, 239; ebenso wohl jüngst LG Hamburg ZIP 2017, 1920, 1921 f

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[II 5]: wenn und weil „Besserstellung nicht nur ganz unerheblich vermindert [ist]“ bzw [II 4]: „erhebliche Fehler“ – in Abgrenzung zu LG Hamburg ZinsO 2018, 331, 335 [II A 3b/c]: mangelnde, ergänzbare Information. BGH NZI 2012, 139, 140 {9 iVm 11 ff} [II 2b aa/bb] = DZWIR 2012, 197 = WM 2012, 180 = ZIP 2012, 187. LG Hamburg ZinsO 2018, 331, 335 [II A 4] (behebbar) mit AG Hamburg NZI 2017, 567, 569/570 [II 4] (unbehebbar – insoweit fragwürdig!) – leicht konzilianter Madaus NZI 2017, 697, 700 [II 4]: konkrete Offenlegung der Problematik genügend. BGH WM 2012, 1640, 1641 {9} [III 1]. BGH NZI 2010, 101 {3} [II] = ZIP 2010, 341 = WM 2010, 225 = ZInsO 2010, 85. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 220 Rn 1 aE („Die Grenzen der Verfahrensökonomie würden damit weit überschritten“), zust HK/ Haas InsO9 § 220 Rn 2. Dies meint wohl FK/Jaffé InsO9 § 220 Rn 6.

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§ 221

Sechster Teil. Insolvenzplan

§ 221 Gestaltender Teil 1Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans wird festgelegt, wie die Rechtsstellung der Be-

teiligten durch den Plan geändert werden soll. 2Der Insolvenzverwalter kann durch den Plan bevollmächtigt werden, die zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und offensichtliche Fehler des Plans zu berichtigen. Materialien: (a) S 1: EB LS 2.2.7 (Text: S 38/39, Begr: 171 f); DiskE § 254 (Text: S 130; Begr: BT S 227), RefE § 254 (Text: S 148, Begr: BT S 260/261); RegE § 264 (BT-Drucks 12/2443 S 51, 199 [RV] mit BT-Drucks 12/7302 S 95, 182 [RA: Nr 137]) – Stammfassung. (b) S 2: Wurde angefügt durch Art 1 Nr 17 ESUG (BGBl 2011 I Nr 64 S 2582, 2583) mit Wirkung zum 01.03.2012 (Art 10 S 3 ESUG) (BTDrucks 17/7511 S 11 re. Sp. [Text] und S 35 [Begr]). Literatur Adam Die Auflassung in gerichtlichen Vergleichen und Insolvenzplänen, NJW 2016, 3484–3489; Bork Der Insolvenzplan ZZP 109, 473; Brünkmans Präklusions- und Ausschlussklauseln in Insolvenzplänen, ZInsO 2016, 245; Brünkmans Sanierungstransaktionen in Insolvenzplänen – gilt die Formfiktion des § 254a InsO für Erklärungen außenstehender Dritter?, ZIP 2015, 1052; Heerma/ Bergmann Zur vollstreckungsrechtlichen Zulässigkeit von sog. Gesamtabgeltungsklauseln in Insolvenzplänen – Zugleich eine Beitrag zum vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot, ZIP 2018, 949; Herzig Das Insolvenzplanverfahren (2001), S 18–39: Verfahrensgrundsätze; Madaus Möglichkeiten und Grenzen von Insolvenzplanregelungen, ZIP 2016, 1141; Madaus Was tun mit Mindestoder Flexi-Quoten? – Zur Bestimmtheit von Planregelungen und Vollstreckung aus Insolvenzplänen, FS Graf-Schlicker (2018) S 337; Madaus/Heßel Die Verwaltervergütung in Reorganisationsfällen – Unzulänglichkeiten und Reformansätze, ZIP 2013, 2081; Paul Die Rechtsstellung des Unterhaltsgläubigers im Insolvenz(plan)-verfahren, DZWIR 2009, 186; Rose/Tetzlaff/Wollstadt Die Einleitung eines Insolvenzplanverfahrens als Möglichkeit zur Bereinigung von Produkthaftungsansprüchen, ZInsO 2005, 673; Schiessler Der Insolvenzplan (1997) S 72, 104–125; Schöttler Gerichtliche Bindung an Vergütungsvereinbarungen im Insolvenzplan?, NZI 2014, 852; Schreiber/Flitsch Geltendmachung von Forderungen nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens, BB 2005, 1173; Skauradszun/Spahlinger/Tresselt Insolvenzpläne auf dem Prüfstand, DZWIR 2015, 539; Stephan Die „vergessenen Gläubiger“ im Verbraucherinsolvenzplan, NZI 2014, 539; Takjas/Kunkel Forderungen von Nachzüglern bei rechtswidrigen Präklusionsklauseln in rechtskräftig bestätigten Insolvenzplänen, ZInsO 2017, 1196; Tresselt/Kamp Der Umgang mit Nachzüglern im Insolvenzplan, DZWIR 2017, 501; Tresselt/ Nagel Gestaltung von Insolvenzplänen, DB 2018, 1969; Warrikoff Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzplan, KTS 1997, 527, 535–537. Siehe noch die Angaben bei § 219.

Übersicht I. Normzweck und -entstehung . . . 1. Normgenese . . . . . . . . . . . a) Vorschläge der Kommission b) Ministerialentwürfe . . . . . c) Legislative Umgestaltungen . 2. Rechtsvergleich . . . . . . . . . 3. Normzwecke . . . . . . . . . . a) Satz 1 . . . . . . . . . . . . b) Satz 2 . . . . . . . . . . . . II. Grundregel (Satz 1) . . . . . . . . 1. Veränderung der Rechtsstellung 2. Strukturelle Normanalyse . . . a) Grundlagen (§ 221 S 1) . . . b) Ausführung (§ 254 I) . . . .

240

. . . . . . . . . . . . . .

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Rn. 1 1 1 4 8 10 15 15 20 21 22 27 28 32

3. Rechtsstellung der Beteiligten . . a) Prinzipielles . . . . . . . . . . b) Spezifisches . . . . . . . . . . c) Strukturelles . . . . . . . . . . d) Begrenzendes . . . . . . . . . 4. Kopplung der Begriffe? . . . . . . III. Gestaltungsgrenzen . . . . . . . . . 1. Gestaltungsfreiraum . . . . . . . 2. Begrenzungsmöglichkeiten . . . . 3. Systematisierungsversuch . . . . . a) Materiell wirkende Schranken b) Ureigene prozessuale Kriterien c) Sonstige rechtliche Schranken 4. Bestimmtheitserfordernisse . . . .

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. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

Rn. 36 36 39 43 50 54 55 55 56 59 59 62 71 72

§ 221

Gestaltender Teil

a) Strukturelle Bestimmtheit . b) Funktionelle Bestimmtheit 5. Schlussfolgerungen . . . . . . IV. Gestaltungsvarianten (insbesondere §§ 221–228) . . . 1. Allgemeine Grundlagen . . . 2. Ausschlussklauseln . . . . . . 3. Planbedingungen . . . . . . . 4. Verwalterrechte . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . .

. . . . .

Rn. 73 75 80

5. Heilungsklauseln . . . . . . . 6. Anderweite Regelungen . . . V. Gestaltungskontrolle . . . . . . . VI. Hilfsregel (Satz 2) . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . 2. Umsetzungsbefugnis (Var 1) . 3. Berichtigungsbefugnis (Var 2) 4. Ausdehnung . . . . . . . . . .

81 81 85 89 92

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

Rn. 95 97 98 100 100 105 108 113

I. Normzweck und -entstehung 1. Normgenese a) Vorschläge der Kommission. Als „Schnittbogen“ der Stammfassung (§ 221 S 1) 1 diente recht klar EB LS 2.2.7 I S 1: „Im gestaltenden Teil des Reorganisationsplans sind die Forderungen oder sonstigen Rechte, die durch den Plan geändert oder begründet werden sollen, festzulegen“ (siehe noch näher Rn 7). Der Leitsatz präzisierte die Regelung anschließend freilich, mit Beispielen (Abs 1 S 2 [Erfüllung/Sicherung]: „Vor allem ist anzugeben, …“ – heute: § 224 InsO; Abs 3: „ … ist ferner anzugeben …“1), ergänzend per (Detail-) Ergänzung (Abs 2) für betagte Ansprüche, aufschiebend bedingte Forderungen und Leistungen zur Wiederkehr (heute gelten hierfür § 238 I S 3 iVm § 41 bzw § 46). Die Begründung der Grundregel fällt beachtlich kurz aus:2 „keine gesetzliche Fixierung des Planinhalts …, weil sie zu starr wäre. Es ist Sache des Insolvenzverwalters [der ausschließlich vorlagebefugt war], die im Einzelfall sachgemäßen und durchsetzbaren rechtlichen Maßnahmen auszuwählen, die nach dem materiellen Reorganisationsrecht möglich sind.“ Das sagt alles. Im Verlaufe der Beratung wurde der Titel bereits verändert – die doch recht artifiziell 2 wirkende und sperrige Bezeichnung des „Forderungen oder Rechte verändernden bzw begründenden Teil[s]“ mutiert zum knappen Wort „gestaltender Teil“ (vgl § 219 Rn 3), was inhaltlich allerdings der angedachten Funktionalität (vgl Rn 5) zuwiderlief. Erhalten hatte sich aber der Wortlaut als weithin paralleler Normtext bei EB LS 2.2.7 I S 1, gleichfalls mit den Doppelungen von „Forderungen oder sonstigen Rechten“ bzw „geändert oder begründet“. Der Titel wurde quasi zum Programm umfunktioniert, das deutlich per Imperativ: „Im gestaltenden Teil … sind festzulegen.“ Hiermit war gemeint,3 dass sämtliche dieser Maßnahmen sofort mit der Rechtskraft gerichtlicher Bestätigung Wirkung entfalten sollten (EB LS 2.2.24 I). Als Erscheinung regelhafter Überwachung (EB LS 2.34) wollte man damals großzügig 3 bereits Anpassung erlauben (EB LS 2.3.4) – mutmaßlich amerikanisch beeinflusst (dazu Rn 14). Nötig war sachlich dafür die wesentliche Veränderung der maßgebenden Verhältnisse (S 1: „wenn dies erforderlich ist, um den Zweck der Reorganisation zu erreichen“) und förmlich die Zustimmung von Insolvenzverwalter (letztlich der Verfasser: EB LS 2.2.3 I),

1

2 3

Wegen lit a heute § 264 InsO [Kreditrahmen], wegen lit b heute § 260 I InsO [Überwachung]). EB Mot S 171. EB Mot S 171 mit S 168 einerseits [LS 2.2.5] und S 197 andererseits [LS 2.2.24].

4

Kontrollgegenstand war die „Plandurchführung“ [ein stärker prozessualer Begriff!], der [materielle?] „Planerfüllung“ einbegreift (EB LS 2.3.1).

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§ 221

Sechster Teil. Insolvenzplan

Gläubigerausschuss und Insolvenzgericht (S 2), nicht mehr aber der Gesamtgläubigerschaft und ebensowenig der Reorganisationsgruppen. Dennoch geht diese Idee weder konform mit 11 USC §§ 1127–1129 (viel weiter) noch § 217 S 2 [Var 2] InsO (sehr schmal). Sie wurde stärker tatbestandlich gefasst (Wesentlichkeitserfordernis), reagiert dabei aber auf die Änderung der Umstände – sowie vor allem: sie wurde begrenzt auf lediglich „dargestellte“ (also nicht etwa unmittelbar selbst „gestaltende“) Maßnahmen,5 hatte also einen entscheidend anderen Zielhorizont (vgl Rn 5).

4

b) Ministerialentwürfe. Die Entwicklung der Norm – schon systematisch vorab angekündigt durch § 219 – gestaltet sich im Vergleich zur Historie des darstellenden Teils (näher dazu bei § 220 Rn 1–15) als recht unaufgeregt, der Wortlaut bleibt in seinen Textstufen (§ 254 DiskE/RefE, § 264 RegE, § 217 [S 1] InsO) fast völlig konstant. Wieder fällt aber die Einzelbegründung6 wegen der extremen Kürze auf – es geht um „Rechtsänderungen, die durch den Plan verwirklicht werden sollen“ [S 1] und darum, wer inhaltlich davon betroffen ist (siehe noch bei Rn 7: „Die ‚Beteiligten‘, deren Rechtsstellung geändert werden kann, sind …“ [S 2]), dh um objektive (Rechtsänderung: Rn 22–27) und subjektive (Beteiligtenrolle: Rn 36–46) Anknüpfung geplanter Gestaltung. Die Stammfassung besticht als schlanke Programmnorm mit ihrer eleganten Kürze. Alle wichtigen Veränderungen erfolgten schon vor jenem Stadium, im Übergang vom Kommissionsmodell (hierzu siehe gleich Rn 5–7) zum Diskussionsentwurf. Drei Veränderungen sind insoweit ganz entscheidend:

5

(a) Umfunktionierung. Gestaltung (EB LS 2.2.7 [Abs 1 S 1] – heute: § 221 [S 1]) und Darstellung (EB LS 2.2.6 [Abs 1 S 1] – heute: § 220) bilden nicht mehr nur „formale“ Trennglieder (EB LS 2.2.5 – heute: § 219), beschreiben vielmehr verschiedene Funktion. Die Kommission hatte gedanklich nämlich dargestellte „intentionale“ Planwirkungen und vollzogene „konstitutive“ Planfolgen – zugegeben eher beiläufig7 – noch anerkannt, also nicht klar genug materiell differenziert. Diese „Verschränkung“ wurde zu Recht fallengelassen. Heute bilden beide gemeinsam den Planinhalt, wirken aber in ihrer ureigenen Weise zusammen.

6

(b) Umstrukturierung. Die Norm wurde ferner entschlackt und verschlankt. In § 221 [S 1] wird inhaltlich bloß EB LS 2.2.7 I S 1 übernommen. Alles „Beiwerk“ wurde verschoben (vgl Rn 1 mit Fn 1) und damit die Regel stärker programmatisch gesehen („Kürze mit Würze“). Während daher der Kommissionsleitsatz eine kompakte Lösung versuchte, kehrt dann der Ministerialentwurf den Strukturentwurf um, und zwar durch nachfolgend „rollenspezifische“ Detailregeln (§§ 223–2278). Insoweit läuft die Linie parallel zur Darstellung (dazu § 220 Rn 5–11) – nur dass sie hier die folgende Ausschussarbeit „überlebt“ hat.

5

6 7

EB Mot S 210: wider die Folge, „daß die im darstellenden Teil aufgeführten Bestandteile des Reorganisationsplans starr fixiert würden.“ BT-Drucks 12/2443 S 199 li. Sp. (9 Zeilen, 2 Sätze!). Man kann das zwar aus EB Mot S 168 [LS 2.2.5] wohlwollend schon herauslesen – es wird leicht angetönt bei S 169 [LS 2.2.6 I: Maßnahmenbezug] und S 171 [LS 2.2.7 I:

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8

Planwirksamkeit] – ganz explizit dann freilich EB Mot S 210 [LS 2.3.4: Anpassung von Maßnahmen bei alleinig dargestellter Änderung! – vgl Rn 3). Abgeformt ist lediglich § 226 (EB LS 2.2.9 bzw § 269 RegE), abgeformt war ergänzend EB LS 2.2.8 durch § 272 RegE (gestrichen vom Ausschuss: BT-Drucks 12/7302 S 182 re. Sp. [RA Nr 144]).

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Gestaltender Teil

§ 221

(c) Umformulierungen. Im Vergleich zu EB LS 2.2.7 I S 1 ist dann aber der Text noch 7 einmal nachhaltig verdichtet worden. Die beiden Doppelformeln entfallen entsprechend: Die (relativen) Forderungen und (absoluten) Rechte werden zusammenfassend und neutraler nun „Rechtsstellungen“ geheißen – gemeint sind hiermit alle subjektiv-rechtlichen Rechtspositionen; die gezielte Bezugnahme auf die Begründung entfällt, es geht alleinig noch um Abänderung. Damit ist indes aber ebensowenig eine sachliche Verschiebung verbunden, zumal der Fokus zeitgleich von der Rechtsposition auf den Rechteinhaber umschwenkt („Rechtsstellung der Beteiligten“). Eine solche „Globalstellung“ schließt inhaltlich „unter ihrem Dache“ die einzelne Rechtsneubegründung unschwer ein. Am folgenschwersten ist dementsprechend eine Zeitpunktänderung: es „wird festgelegt“ wie, aber auch was (später im Verlauf) „geändert werden soll“. Das reflektiert die intendierte Monopolisierung der Gestaltungsakte bei § 221 (iSv Rn 5, 34 iVm 15–17). c) Legislative Umgestaltungen. Mit Art 1 Nr 17 ESUG hat der Gesetzgeber, auf Initia- 8 tive und Empfehlung des Rechtsausschusses, der Norm einen zweiten Satz verpasst. Er wird verkürzt „Nachbesserungsrecht für den Insolvenzverwalter“9 geheißen und bezwecke die Korrektur „offensichtliche[r] Fehler“ [S 3] bzw von „etwaige[n] Unzulänglichkeiten“ [S 35] im Plan selbst (scil. in seinem Gestaltungsteil). Der Normtext spricht insoweit von der „Bevollmächtigung“ des Insolvenzverwalters (was irreführend ist: Rn 100), die Begründung verweist zusätzlich als normative Vorbilder auf Durchführungs- und Vollzugsvollmachten bei notarieller Abwicklung von Geschäftsvorgängen. Man kann im Text zudem unbefangen zwei Varianten klar erkennen (aber siehe gleich Rn 9): „Bevollmächtigung“ zur Umsetzung notwendiger Maßnahmen (Var 1: Rn 105–107) und zur Berichtigung offensichtlicher Planfehler (Var 2: Rn 108–112). Die Vorschrift ist verkoppelt mit § 248a [neu], hätte aber wohl auch bei § 259 II [alt] eigener Erwähnung bedurft. Die Besondere Begründung verharrt leider diesbezüglich aber im nebulösen Ungefäh- 9 ren. Sie scheint eher beinahe von einem normierten Einheitstatbestand (arg „Nachbesserungsrecht“) auszugehen, zumal auch die Realisierung des Planinhaltes den klaren Begründungsfokus bildet und eine Formlässlichkeit bei Registervollzug bloß als konkretes Anwendungsbeispiel angeführt ist; ich beziehe das stärker auf Var 110 – es sei denn, es wäre Beleg für einen Einheitstatbestand … Dafür spricht nicht zuletzt die Erläuterung des parallelen § 248a (Art 1 Nr 36 ESUG: Gerichtliche Bestätigung einer Planberichtigung) sogleich im Anschluss11 („Eine solche [!] Korrektur …“), der gezielter anspricht, was scheinbar Var 2 darstellt. Ich würde trotz allem den Wortlaut großzügig auslegen, also das „und“ hier alternativ statt kumulativ deuten (hM: Rn 101, 103). Zudem wird die Fehlerbehebung in der Allgemeinen Begründung am Ende – freilich nur nebenbei – doch eigens aufgeführt. Und dazu passt gleichfalls doch auch die Überschrift des § 248a. 2. Rechtsvergleich Unter altem Recht (bis 1978 – „Chandler Akt“12 [Art X: „Provisions of Plan“]) bein- 10 haltete § 216 eine ausgedehnte kasuistische Beschreibung eventueller, tauglicher Planin-

9 10

BT-Drucks 17/7511 S 3 [AT] bzw S 35 re. Sp. [BT]. AA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 69: Var 2 – bzw Verschweigen des Gesetzgebers bei Var 1. Eher wie hier FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 13 aE.

11 12

BT-Drucks 17/7511 S 3 [AT] bzw S 36 li. Sp. [BT]. Pub. Law 75–696 [22.06.1938], 52 Stat. 840, dazu näher Kramer Sonderverfahren zur Reorganisation (1977), S 90–93.

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§ 221

Sechster Teil. Insolvenzplan

halte. Gemeint waren hiermit Regelungsoptionen verstärkter („shall provide“ – Mussinhalt) oder schwächerer („may include“ – Sollinhalt) Verbindlichkeit – allesamt gedacht als einzelne Optionen gestaltender Regelung ohne enumerativ-abschließenden Charakter. Das zeigen besonders Nr 10 (weitausgreifende – wiederum detailreich und kasuistisch erklärte – Vollzugsregelung:13 „shall provide adequate means for the execution of the plan, which may include …“) sowie vor allem die Schlussklausel der Nr 14, die höchste Gestaltungsfreiheit gewährt („may include any other appropriate provisions not inconsistent with the provisions of this chapter“). Das Gericht hielt dennoch eine allumfassende Kontrollmacht inne (§ 221: „satisfied that – … [Nr 2] … the plan is fair and equitable, and feasible“ – entsprechend die Vorkontrolle: § 174). 11 Das wurde unter dem neuem Recht (ab 1978 – Bankruptcy Reform Act14) weitgehend so übernommen. Die Nachfolgeregel des § 216 aF ist 11 USC § 1123, der mögliche Planinhalte auflistet (vgl zur Einführung bei Vor §§ 217 ff Rn 149–151) – als solcher nun seinerseits das Vorbild der Grundregel des § 221 S 1 InsO. Die Norm ist zugestanden anders strukturiert, gleicherweise aber exemplarisch aufgebaut – wieder findet man jedoch ebenso Vollzugsregelung (lit a Nr 5: „adequate means for the plan’s implementation“) und Generalklausel (lit b Nr 6: „include any other appropriate provision not inconsistent with the applicable provisions of this title“). Die Variation möglicher Maßnahmen ist überwältigend und außerdem weitergreifend mit der Gruppenbildung verknüpft. Unter deutschem Recht verbindet man allerdings den Regelgehalt heute eher mit § 217 S 1 (als generelle Kompetenznorm, dort Rn 31–34), jetzt auch mit § 225a III (als spezielle Konkretisierung, dort Rn 31–38)15 – im Grund fußt alles jedoch auf legislativer Ermächtigung zu prozessualen Gestaltungen (und zwar gemäß § 217 S 1 und S 2). Dahinter steckt – doppelt gleich – eine dogmatisch völlig andere Konzeption: § 221 ist Programmnorm und gibt keine Regelbeispiele (das besorgen zT freilich dann §§ 223–225a, 227), § 217 ist Führungsnorm, hat aber – gegenläufig zu dem US-Verständnis – eben keine materielle Sicht (dazu § 217 Rn 27). Was den § 221 S 1 angeht – jedenfalls seinen Kerngehalt (ausf Rn 21 mit 28–32 bzw 55 und 80) – ist folgendes zu beachten: 12 Das US-Recht kennt eine deklaratorische Abgrenzungsregel, wann es denn an einer Beeinträchtigung von Rechtspositionen fehlt (11 USC § 1124) – offenbar die Ausnahme, die sich wiederum erst durch materielle Erwägungen erschließt16 (wegen deutschem Recht vgl Rn 22–27): entweder man regelt das explizit durch klarstellende Regel (Nr 1: „leaves unaltered the legal, equitable, and contractual rights to which such claim or interest entitles the holder“) oder aber der Plan gewährt eine Art „Wiedereinsetzung“ durch Heilung erfolgter Leistungsstörungen (Nr 2: „cures any such default“ [lit a], „reinstates the maturity“ [lit b], „compensates the holder“ [lit c/d]) – das immer bloß unter dem Vorbehalt dezidierter positiver Planklausel (lit e: „does not otherwise alter“). Das zielt auf § 1123 lit a Nrn 2 und 3, die jeweils klassenweise Feststellung fordern, dh welche Klassen unbeeinträchtigt bleiben (Nr 2: „not impaired under the plan“) und welche wie beeinträchtigt werden (Nr 3: „specify the treatment“). 13 Indes hält sich das US-Recht weniger damit auf, festzulegen, wer Beteiligter ist (wegen deutschem Recht: Rn 36–46). Das System besagt folgendes: es muss offenbar nicht tan-

13

14

Hiermit verglichen scheint § 221 S 2 Var 1 (siehe dazu bei Rn 9 und 20 mit Rn 105–107) recht beschränkter Natur. Pub. Law 95–598 [06.11.1978], 92 Stat. 2549.

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15 16

MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 10. H.R. 95–995 S 408: „to indicate when contractual rights … are not materially affected.“

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Gestaltender Teil

§ 221

gierte Beteiligte geben.17 Das Gesetz bemüht nur Sammelbegriffe für Gläubiger („classes of claims“ [against the debtor]) und Eigner („classes of interests“ [in the debtor]), ist aber bei Gewähr rechtlichen Gehörs begrifflich dann letztlich insgesamt viel großzügiger (11 USC § 1109 lit b: „party in interest“). Ausgangspunkt ist die Gläubigerliste (11 USC § 1111 lit a), gebunden werden auch Dissenter (11 USC § 1141 lit a) – zweifelhafter scheint die Bindung von Unbeteiligten; diese dürften jedoch genauso unter die breite Nichtannahmeklausel fallen („whether or not … has accepted the plan“). Das ergibt sich ferner für Insolvenzgläubiger, wenn und weil globale Schuld- und Haftungsbefreiung erfolgt (11 USC § 1141 lit d Nr 1A: „any debt that arose before the date of such confirmation“ – sog discharge vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 155 bzw § 227 Rn 2), hier kommt es nicht mehr auf Beteiligung an! Anderes gilt für alle Inhaber von Sicherungsrechten (scil. „Absonderungsbefugte“): sie werden nur betroffen, wenn der Plan das verordnet (11 USC § 1141 lit d Nr 1B: „terminates all rights and interests … provided for by the plan.“). Insoweit kann man also deutsche Parallelitäten erkennen: die regelhafte (Schuldner-) Befreiung einerseits (§ 227 I), andererseits das Unberührtbleiben von Absonderungsrechten (§ 223 I S 1). Was außerdem den § 217 Satz 2 betrifft, so ist jene Umsetzungsbefugnis im Plan inso- 14 weit schlussendlich viel wirkmächtiger (11 USC § 1123 lit a Nr 5 pr.) als etwa unter deutschem Recht und auch nur beispielhaft näher konkretisiert („such as“ – wegen deutschem Recht: Var 1 bzw Rn 105–107) – über alles andere entscheiden die Umstände der Einzelfälle („adequate means“ – Zweckmäßigkeitsgedanke!). Daneben hält das Gericht fortwährend starke Kompetenzen zur Absicherung der Durchführung, sogar Dritten (sic!) gegenüber (11 USC § 1142 lit b: implementation). Weiterhin besteht ebenso eine Ergänzungsbefugnis (11 USC §§ 1127–1129 – insb § 1127), die weit über unser beschränktes Berichtigungsrecht (Var 2 bzw Rn 108–112) hinausreicht und substantielle Änderungen miteinbegreift. Nötig ist dafür Abänderung der Gestaltung (lit b S 1) und ergänzend darstellende Erklärung (lit c); das Gericht muss solches bestätigen (lit b S 2 mit 11 USC §§ 1128/1129); Betroffene mögen opponieren (lit d – „Widerspruchslösung“). 3. Normzwecke a) Satz 1. Die Regel wird gerne als eigentliches Kernstück (des Insolvenzplans)18 bzw 15 Grundnorm (für Gestaltungen)19 angesehen – ersteres trifft wohl zu (vgl § 219 Rn 18), letzteres allerdings erscheint fragwürdig: die prozessuale Gestaltung wird einleitend zugebilligt durch § 217! Ihm gebührt (iVm § 1 S 1 Hs 3) der Vorrang, hierauf beruht alles! Man muss die Norm als folgendes „Kettenglied“ ausdeuten, welches jetzt die rechtliche „Verheißung“ ins Praktische überleitet, somit handhabbar macht. Entscheidend ist aber immer bloß der Parteiwille, so wie im gestaltenden Planteil niedergelegt (S 1 Hs 1 bzw Rn 29, 32 mit 16–18). Aufgrund des Konnexes mit § 254 I (als dann quasi „letztes Glied“) scheint hier dennoch ganz richtig, den gestaltenden Teil im Plan hervorzuheben als doch wesentlicher Keim jeder alternativen, privatautonomen Insolvenzbereinigung.20

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18

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Die aber nicht weiter zustimmen müssen: 11 USC § 1129 lit a Nr 8 (als Vorlage für §§ 237 II, 238 II, 238a II). Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 2 aE; HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 1. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 2 aE, wohl auch MünchKomm/Ei-

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denmüller InsO3 § 221 Rn 2 (aber vgl auch Rn 3). Formuliert in Anlehnung an Schiessler Insolvenzplan (1997), S 104 („Kern“), zust MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 4, viel verhaltender aber demgegenüber BK/Flöther/Wehner InsO42 § 221 Rn 3.

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§ 221

Sechster Teil. Insolvenzplan

16

Prozessual hat die Vorschrift Formalisierungsfunktion: sie konzentriert nicht etwa nur dogmatisch, sondern pragmatisch (örtlich und optisch), die planerisch angestrebte Veränderung (Hs 3: „wie geändert werden soll“, dazu Rn 31). Das erinnert an die Teilung von Klageantrag bzw Urteilstenor und -begründung (vgl § 219 Rn 16 f) – bei allerdings härterer Konsequenz falscher Platzierung (dazu Rn 17). Darstellung und Gestaltung sind gegenseitig lupenrein abzugrenzen (vgl § 219 Rn 9, 11, 16–18), gerade wegen eben jener völlig verschiedenen Planwirkungen; das dient vor allem der Rechtssicherheit im Umgang mit Insolvenzplänen. 17 Zentral ist allemal die Gestaltungsfunktion: bloß das dezidiert „gestaltend“ Plazierte ist auch überhaupt planerisch umsetzbar (arg § 254 I: Rn 32–35), vereinzelte Fehlerkorrekturen (S 2 Var 2: Rn 20) vorbehalten (die auch indes – indirekt – Beleg sind für zwingende gestaltende Verortung). Der Planvorschlag als „Prozessauftakt“ führt bei einem insgesamt erfolgreich verlaufenden Verfahren – das wird gerne unterschlagen, ist aber selbstredend doch immer vorausgesetzt – zur Veränderung „der Rechtsstellung der Beteiligten“ (Hs 2).21 Ohne Gestaltungsinhalt kein Regelungseffekt. Insoweit werden zugleich mit Rechtsveränderung (Näheres siehe bei Rn 22–27) und Beteiligtenstatus (Näheres siehe bei Rn 36–46) bedeutende Zentralbegriffe des Planverfahrens angedeutet. 18 Dahinter steckt eine weitere wichtige Aussage: Verheißungsfunktion. Der Spannungsbogen vom Aktuellen (S 1 Hs 1 „wird festgelegt, wie …“ bzw Rn 29) zum Künftigen (S 1 Hs 3: „ … geändert werden soll“ bzw Rn 31) beschreibt sehr plastisch nicht bloß das Prozedurale und Prozesshafte der Entwicklung, sondern betont zudem die selbständige Entscheidungsfindung der Beteiligten und den Einfluss auf die weiteren Gestaltungsfolgen. § 221 S 1 verheißt am klarsten die Vielfarbigkeit autonomer Ausgestaltung; er verpflichtet aber unausgesprochen auch andersherum zu entsprechender Eigenverantwortung. 19 Materiell wird noch eine Botschaft mit S 1 versendet: Freistellungsfunktion. Es fehlt nämlich an jeder inhaltlich bevormundenden Begrenzung. Alles scheint damit möglich (was aber nicht stimmt, vgl Rn 56–71). Jene wichtige Aussage verbirgt sich im Negativum fehlender positiver Schranken.22 Gefragt ist demnach zuallererst die Kreativität des Vorlegenden,23 der „freies gestalterisches Ermessen“ ausübt24 und dem „erhebliche Freiräume“ zukommen;25 am Ende können sich die Beteiligten – bildlich gesprochen – „ihr eigenes Gesetz geben“26 und auch ihrer Phantasie freien Lauf lassen27 (die Mittel „heiligen“ die Zwecke …). Wenn es auch verdeckte strukturelle Schranken gibt, kann man dies trotz allem mit gutem Grund als generellen Planungsgrundsatz maximaler Gestaltungsfreiheit bezeichnen28 – S 1 steht dabei genau für diese weite Sicht.

20

b) Satz 2. Satz 2 erscheint im Vergleich zu Satz 1 (dazu Rn 16–19) schlussendlich deutlich kleinteiliger. Die Platzierung durch Art 1 Nr 17 ESUG (dazu Rn 8 f) stört infolgedessen den sehr eleganten Wurf (dazu Rn 4 aE) des bloßen „einen Satzes“ mit Programmcharak21

22 23 24

BT-Drucks S 197 li. Sp. (Abänderungen „konstitutiv verwirklicht“ [§ 220]) bzw S 199 li. Sp. (Abänderungen „durch den Plan verwirklicht“ [§ 221]). Sehr schlicht dazu HK/Haas InsO9 § 221 Rn 3. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 221 Rn 6; HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 7. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 6 mwN; ganz ähnlich wohl Nerlich/Römermann/Braun §§ 219–221 InsO9

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Rn 63 („Die Planregelung ist prinzipiell offen.“ [ohne Hervorh des Originals]). FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 2 (Zitat) mit Rn 7 (Beispiele). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 1. In etwa so Bork ZZP 109 (1996), 473, 477 [B II 2]. Schiessler Insolvenzplan (1997), S 104/105 für § 217 iVm § 221 [S 1], zust Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 219–221 Rn 58 und 60.

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ter. Die Norm hätte besser ins Umfeld der §§ 260 ff gepasst, ist hier auch darum schließlich ein Fremdkörper, weil sie auf eine planerische Drittverpflichtung hinausläuft. Das Nachbesserungsrecht des Insolvenzverwalters beseitigt technische Hemmnisse, welche möglicherweise die Planumsetzung stören – sei es als Umsetzungsbefugnis (Var 1: Rn 105–107) für bewusst offengehaltene oder offenstehende Fragen, sei es als Berichtigungsbefugnis (Var 2: Rn 108–112) zum Tilgen unbewusster Fehler. Das alles dient der Verfahrensökonomie,29 erspart wird nämlich eine Planergänzung mittels eines zweiten, umständlichen Abstimmungstermins, und erleichtert rasche Vollziehung des Plankonzepts („Zeit ist Geld“): Grundsatz effektiver Umsetzung.30 Bereits unter altem Recht wurde erwogen, den Verwalter mit notwendigen Vollzugsvollmachten (iSv Var 1) auszustatten, insoweit solle dann die Regelung allein deklaratorisch für Rechtsklarheit sorgen31 und lediglich die Korrektur wirkliches Neuland darstellen. Das sieht aber weder die Drittwirkung der Planklausel (Verwalterpflicht!) noch das doch gewaltige Potential (iVm §§ 217 S 1 Var 3, 258 I „kontra“ § 259 I S 2, dazu vgl noch Rn 107) gleichsam gesteuerten Vollzuges.

II. Grundregel (Satz 1) Die in § 221 S 1 (Hs 2: Rn 30 mit 28) abgebildete Grundregel kann man auf zwei (sub- 21 stantielle) Bestandteile herunterbrechen: die Festschreibung der Veränderung der Rechtsstellung (objektive Komponente: Rn 22–27) und parallel die Aufforderung zur Bestimmung der Betroffenen (subjektive Beziehung: Rn 36–46). Beides zielt zusammenwirkend dann auf Optimierung regulärer Bewältigung der Insolvenzsituation (letztlich die Metaebene) mit noch am Ende einem tragbar glimpflichen Verlust (materielle Komponente). Hierfür dient die aufgrund § 1 S 1 Hs 3 erlaubte Modifikation der Regelabläufe (prozessuale Bewirkung). Das Planziel wird insoweit total freigestellt. Man kann also alles denkbare Potential schöpfen, freilich auch schlicht Prozessrecht punktuell korrigieren (§ 217 [S 1] Var 3: Verfahrensabwicklung). 1. Veränderung der Rechtsstellung Änderung ist zT als Eingriff gelesen worden.32 Dies trifft die Regel, aber greift trotz- 22 dem am Ende zu kurz: damit wird die Plangestaltungsmacht unbedacht auf rechtlich Vorhandenes und Verfügungen reduziert! Der Plan kann indes genauso völlig neue Rechte kreieren, ist auch nicht etwa auf materielle Regelungen beschränkt. Das galt schon zur Stammfassung (§ 217 [S 1] Var 2) und gilt erst recht nach dem ESUG (§ 217 [S 1] Var 3], dazu vgl dort Rn 22). Von Flessner stammt die bessere Formel, Änderung der Rechtsstellung sei jegliche Regelung „der Rechte oder Pflichten eines Beteiligten, die abweicht von dem, was sonst nach materiellem Recht und InsO für ihn gelten würde“.33

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BT-Drucks 17/7511 S 35 re. Sp.: „praktikable Lösung geschaffen“. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 32 (indes dort bloß für Var 2). HK/Haas InsO9 § 221 Rn 8; HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 12; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO61 § 221 Rn 3, 29. FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 1 mit Rn 3 pr.; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 219–221 Rn 4 aE.

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HK/Flessner InsO6 § 221 Rn 7, gleich dann später HK/Haas InsO9 § 221 Rn 3, zust HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 7 und Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 221 Rn 5; ganz ähnlich auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 3 („jede Abweichung von dem, was … [siehe dazu bei Fn 35] … im Regelverfahren gelten würde“). Beide Formeln koppelnd Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 6.

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Änderung meint also nur Regelung in ihrem weitesten Sinne, dh Abweichung von der Normalität (das meint die spezifische Insolvenzsituation [nicht etwa den status quo ante], und dabei den Regelablauf mit Liquidation – arg § 1 S 1), materiell und prozessual, positiv wie negativ (oder uU auch neutral), einbezogen die Neubegründung von Rechtspositionen (siehe auch schon oben Rn 7 aE) und die Veränderung von Verfahrensrechten.34 Selbstredend ist durch das Bezugsobjekt „Rechtsstellung“ klargestellt, dass es bloß um rechtliche Regelungen geht,35 die aber immer wirtschaftliche Auswirkungen haben. Der Planverfasser muss diese mehr im Auge haben (Endziel bleibt immer doch die bestmögliche Befriedigung, arg § 1 S 1 – hieran wird der Plan später nämlich gemessen …), sie aber als eine rechtliche Regelung inhaltlich abbilden. Anders gesagt: Der Planverfasser denkt „von hinten her“, der Betroffene eher gegenläufig, quasi „von vorne“. Die Abweichung ist vorderhand von primär prozessualem Gehalt (das folgt aus § 1 S 1 iVm § 217: Zubilligung prozessualer Disposition bzw § 217 Rn 6), führt über § 217 [S 1] (Normendisposition) und § 221 [S 1] (Rechtedisposition [iSv Rn 27]) aber auf ureigen materielle Gebiete. Alle hängen zusammen und greifen insoweit geschickt ineinander36 (gleichsam wie Zahnräder). Die Planung erlaubt dadurch schließlich, Fakten in Zukunft zu ändern. Es geht um eine Abwandlung individueller Positionen lediglich kraft und durch Verfahren (dazu Rn 27–35 iVm 55 ff). 24 Dabei wird noch immer gern eine entbehrbare „privatrechtliche Rückspiegelung“ vorgenommen. So heißt es, gestattet sei alles, was materiellrechtlich genauso auch möglich wäre, dh „jede Regelung, die auch außerhalb des Verf[ahrens] getroffen werden könnte“.37 Das versucht den Schulterschluss mit der Privatautonomie – führt aber auf leicht schiefe Ebene. Richtig ist allemal, dass der Plan nicht an allen rechtlichen Maßstäben vorbeikommt (siehe dazu bei Rn 56 ff), Abschlusstatbestand und Wirksamkeitsprüfung dürfen freilich nicht vermengt werden: der Plan ersetzt das erstere (die Formvorgabe mit inbegriffen: § 254a I und III), er kann aber über eine originär privatautonome Regelung hinausreichen. 25 Grundmaxime ist Freiraum für Gestaltung, ohne dass man dazu etwa konkrete privatrechtliche Vorgänge exakt nachzeichnen müsste („konstitutive“ Gestaltung – arg § 228 S 1 e contr – siehe vor allem Rn 25, 57, 64 aE iVm § 224 Rn 23 bzw § 228 Rn 2, 15 f, 22).38 Die Kürzung etwa wird bewirkt durch lediglich prozessuale Anordnung (§ 224 Var 1), nicht etwa durch Nachbildung einer Erlassabrede (scil. konkordante, „passige“ Willensakte, § 397 I BGB39: § 224 Rn 24 f; § 227 Rn 22). Das verschleiert leider etwas sehr unglückselig der § 254a III, den man leicht missverstehen möchte (dazu Rn 61) – er meint die Verpflichtungswirkung als Ganze, aber nicht alle materiell vorgeschriebenen

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 22; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 3. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 219 Rn 3 („jede Abweichung von dem, was rechtlich – nicht vom wirtschaftlichen Ergebnis her – im Regelverfahren gelten würde“ [Hervorh vom Verf]. Diese „Zuspitzung“ wirkt etwas zweifelhaft wegen § 245 I Nr 1 bzw § 251 I Nr 2). Ähnlich, freilich in falschem Kontext (Beteiligtenbegriff), FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 4. Per Saldo genauso wohl am Ende MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 21. HK/Flessner InsO6 § 221 Rn 7, gleich dann später HK/Haas InsO9 § 221 Rn 3, zust HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 7 und Ahrens/

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Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 221 Rn 5. Total dunkel bleiben insoweit BK/Flöther/ Wehner InsO42 § 221 Rn 7: „In Interesse einer umfassenden Information … zwar nicht auf juristische Einzelheiten einzugehen … die geplanten Änderungen jedoch … vollständig darzustellen“ [mit eigenen Hervorh]. Dies verkennt auch VG Stuttgart NZI 2018, 30, 31/32 [1a]. Jenes Beispiel hinkt freilich etwas: korrekt wäre nämlich Haftungsverzicht (Ausschließung einer actio acquirendi) statt Anspruchsverzicht (Ausschließung einer causa acquirendi), vgl § 227 Rn 24.

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einzelnen Willenserklärungen! Regelfall ist Festlegung des Resultats in einem materiellen Sinne, niemals aber des Wegs dorthin (der prozedural umgesetzt ist – „freitragende Konstruktion“). Er betrifft alle Personen, welche es angeht und so, wie es sie konkret auch angehen soll. Es wäre sicher ein Unding, ungezählte Erklärungen stumpfsinnig nachzuzeichnen (oder besser wohl: schlichtweg zu unterstellen). Der Plan ist kein Vertrag (dazu Vor §§ 217 ff Rn 253 ff), und seine Wirkung kann man erst recht hierdurch nicht einfangen. – Eine Ausnahme gilt freilich: die Veränderung sachenrechtlicher Verhältnisse (§ 228 [Rn 48, 57, 64] iVm § 254a I). Hier zwingt nun ausnahmsweise das Gesetz dazu, die bürgerlichen Rechtsvorgänge nachzubilden („deklarative“ Gestaltung), wohl mit Rücksicht auf alle hiervon betroffenen Dritten. Die Sondernorm bestätigt aber letztlich bloß den Normalfall! Man darf aber auch die Flessnersche Umschreibung (vgl Rn 22) keineswegs so über- 26 deuten, dass es bloß um eine Abweichung des Verfahrens gehe. Das würde ebenfalls den Punkt verfehlen – und umgekehrt nun Materielles voreilig ausklammern. Es gibt strikt prozessual motivierte Änderungen (§ 217 [S 1] Var 3, aber zB auch Var 2 bzw § 217 S 2), ebenso auch primär materielle Umgestaltung (§ 217 [S 2] Var 5); meist jedoch wird beides eng zusammenhängen (§ 217 [S 1] Var 1 und 4). Der Plan gibt materiell aber eine große Änderungsmacht: das Planverfahren eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten, für die das Regelverfahren schon keinen Regelungsrahmen vorhält (zB § 225a III). 2. Strukturelle Normanalyse Das „Umschwenken“ in der Normgenese des § 221 (siehe dazu bei Rn 7 aE) glättet 27 auch eine gewisse Divergenz des Ausdrucks bei § 221 [S 1] einerseits („Rechtsstellung … geändert“) und andererseits § 220 I („Gestaltung der Rechte“) bzw § 222 I S 1 („Festlegung der Rechte“). Alle hängen zusammen, denn die informative Darstellung erklärt die weitere gestaltende Veränderung, die regelmäßig „gruppenbezogen“ umzusetzen ist. § 220 I sieht wohl tatsächlich eher die materielle Rechtsposition, § 221 [S 1] formuliert dagegen behutsamer; die Rechtsstellung scheint umfassender gemeint, um etwa ebenso Variationen im Prozessualen zu ermöglichen (dazu Rn 23). Das passt auch gewiss viel eher zur Aufzählung der Grundregel (§ 217 [S 1]). „Rechte“ kann man in diesem Sinne auch gewiss weiter, und mithin neutraler, inhaltlich verstehen – aber trotzdem gilt: Endpunkt sämtlicher prozessualer Plangestaltung bleibt immer doch die materielle Rechtslage. § 221 tut gut daran, den Weg dahin terminologisch nicht einzuschränken. a) Grundlagen (§ 221 S 1). Man kann die Norm in drei einzeln sinnvolle Satzteile se- 28 zieren, die auch immer eigene Schwerpunkte setzen (Rn 29–31). Man darf darüber bloß nicht vernachlässigen, dass zudem hinter allem eine gemeinsame Grundidee zum Ausdruck gelangt, welche sich in Hs 2 (Rn 30) reichlich „unspektakulär“ verankert. Er bezeichnet nur vorderhand zwei kumulative Anknüpfungspunkte, einen objektiven (Rechtsstellungen: Rn 22–27), einen subjektiven (Beteiligtenrollen: Rn 36–46), die aber geschickt verknüpft sind mit Hs 1 und 3: es wird im Plan „festgelegt, wie … [die dadurch inhaltlich beschriebene Rechtsposition] … geändert werden soll“ – als insoweit gemeinsames Anliegen: Abänderung subjektiver Positionen. Relevant ist hierfür der Konnex mit § 254 I, was die konkrete Ausführung betrifft (Rn 32). Es ist zu unterscheiden: 1. Hs („Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans wird festgelegt, …“): Die Einleitung 29 nimmt pragmatisch auf, was zuvor § 219 schon aussagt: die Zweiteilung der Planinhalte – ohne dass § 219 auf eine wirkliche Reihung hindeutet. Formell gilt systematisch zwar allemal Darstellung vor Gestaltung (scil. Tatbestand vor Rechtsfolge), materiell aber ist es natürlich genau umgekehrt – insofern zählen Effekte (vgl Rn 15, 17, 19, 23). Joachim Münch

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2. Hs („ … wie die Rechtsstellung der Beteiligten …“): Dieser Satzteil vermittelt die Notwendigkeit inhaltlicher Ausgestaltung – ohne freilich das konkrete Ziel (der abstrakte Hauptzweck folgt dogmatisch natürlich aus § 1 S 1) gesetzlich irgendwie vorzugeben. Jede Regelung wäre zulässig, wenn und weil sie alle Grenzen prozessualer Disposition einhält (§ 217 – dort Rn 44–53, hier Rn 62–70) [Ermächtigung] und planerisch ordnungsgemäß festgelegt ist [Verfestigung]. Dazu zählen dann Formalien (§ 221), Argumente (§§ 220, 229/230) und Verfahren (§§ 222/226). Ob Begründung (§ 220) und Gestaltung (§ 221), jeweils allein im Ganzen gesehen, wirtschaftlich bündig zusammenpassen (förmlich gilt das ohne weiteres: § 219) entscheiden später die Beteiligten allein. 31 3. Hs („ … durch den Plan geändert werden soll.“): Der Schlusssatz betont nachhaltig die Wirkungsweise der Plangestaltung – es geht um eine Veranlassung von Veränderung (Intention), was vorab Hs 2 bereits ankündigt, und zwar „durch den Plan“; möglich bleiben – allemal in Grenzen (näher dazu bei Rn 62–70, insb: § 226 III) – konsensual auch alternative Wege („neben dem Plan“). Der Plan ist also Träger und Mittel der Veränderung (Kausalität).

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b) Ausführung (§ 254 I). Die angestrebte Planwirkung wird letztlich bloß angekündigt oder verheißen, das macht § 221 S 1 in seiner Gesamtschau („festgelegt, wie … geändert werden soll“ – schon eben bei Rn 28) überaus plastisch. Sie kann grundsätzlich erst mit Eintritt der Rechtskraft der gerichtlich erteilten Bestätigung eintreten. Erst § 254 I schafft dem Plan die Wirkung. Dazwischen stehen Vorkontrolle (§ 231), Information (§§ 232–234) und Diskussion (§ 235), sodann Mehrheitsfindung (§§ 236–246) und Einvernehmen von Betroffenen (§§ 246a/247), danach gerichtliche Bestätigung (§§ 248, 249, 250, 252) und Einzelrechtsschutz (§§ 251, 253), soweit konkret verlangt, dh das gesamte Planverfahren als solches. § 221 benennt den Auftakt, § 254 I bewirkt die Effekte. Von ebenjenem Rückblick her erscheint wiederum jedes Satzstück wichtig: 1. Hs („Mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans …“): Er konkretisiert 33 die Planwirkungen für die zeitliche Dimension durch Nennung des frühest möglichen Zeitpunktes. Es gibt insoweit weder Vorwirkungen noch Rückwirkungen hinsichtlich des Eintritts der Rechtskraft,40 freilich die planerische Möglichkeit des bewussten Hinausschiebens einer Planrechtsfolge41 (zB Stundungsregelung, Besserungsklausel). 34 2. Hs („ … treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen …“). Das Mittelstück transportiert die entscheidende Kernaussage. Dahinter steckt ein gleich Doppeltes. Das ist zusammenzulesen mit der Gliederungsregel (§ 219) und beschreibt einerseits die geforderte formale Platzierung (und zugleich die Trennung von Darstellung und Gestaltung: § 219 Rn 9, 11, 16–18). Andererseits ist wesentlicher, was denn genau „festgelegt“ wurde, dh die bestätigte materielle Gestaltung. Durch diese Formel nimmt quasi § 254 I den Ball auf, den zuvor bereits § 221 S 1 spielte (dazu Rn 29 und 31). Planvorlage (§ 218) und Rechtskraft (§ 253) markieren die Eckpunkte des Planverfahrens (und zwar trotz §§ 258/259 [Überleitung] bzw §§ 260 ff [Nachwirkung]). 35 3. Hs („ … für und gegen alle Beteiligten ein.“): Er präzisiert die Planfolgen im Anschluss an § 221 S 1 in wichtiger personeller Beziehung – erfasst sind gleichermaßen „alle“

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BGH NJW-RR 2011, 51, 52 {12–14} [II 1d] = DZWIR 2011, 65 = KTS 2011, 239 = NZI 2010, 734. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 10; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 44 und § 221 Rn 29; Brünk-

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mans/Thole/Brünkmans § 8 Rn 470. So auch uU Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 219–221 Rn 90. Daher auch die Empfehlung IDW S2 Rn 46 zum „Klarstellen“ des Zeitpunktes.

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hieran „Beteiligten“ (subjektive Universalgeltung) – im Guten („für“) wie im Bösen („gegen“) (objektive Universalgeltung). Das trifft dezidiert Fernbleibende (§ 254b Hs 1) und Widersprecher (§ 254b Hs 2) in einer vollkommen parallelen Weise. 3. Rechtsstellung der Beteiligten a) Prinzipielles. Das Gesetz verwendet den Beteiligtenbegriff an vielen Stellen, ohne ihn 36 zu definieren – das gilt zum Regelverfahren wie auch zum Insolvenzplan. Einen Anhalt gibt jedoch die Überschrift des Zweiten InsO-Teiles („Verfahrensbeteiligte“ iVm §§ 38 ff [„Einteilung der Gläubiger“] bzw §§ 56 ff [„Insolvenzverwalter“/„Organe der Gläubiger“]). Schon das zeigt die Heterogenität der Begrifflichkeit – es sind ebenso Aussonderungsbefugte (§§ 47/48) und Massegläubiger (§§ 53–55) erfasst, ferner Insolvenzverwalter (§§ 56–66 – aber dort auch § 60 I S 1 Hs 1: Verwalter haftet „allen Beteiligten“ gegenüber) und Gläubigerorgane (§§ 67–79). Die Beteiligten werden insb als potentielle Informationsempfänger angesprochen (§§ 66 II 1 Hs 1, 150 S 2, 154, 175 S 2, 188 S 2, 194 III 1, 214 I 2 Hs. 1). Das alles spricht insgesamt bereits gegen den vermeintlichen Einheitsbegriff mit fest vorgegebenem Inhalt, welcher gleich alles löst,42 fordert vielmehr jeweils spezifische teleologische Betrachtung. Was das Planverfahren angeht, bemühte schon die Stammfassung die Umschreibung 37 als Beteiligter (§§ 217 [S 1], 220 I, 221 [S 1], 222 I 1, 226 I-III [Überschrift!], § 228 S 1, § 231 I Nr 3, 234, 245 I Nr 2, 254 I [heute: §§ 254 I, 254a I, 254b]), aber alternativ auch diejenige als Gläubiger (§§ 220 II, 222 I 1 und II 1, 231 I Nr 2 und II, 235 I, 239, 241 II 1, 242 II 1, 243, 245 I Nrn 1 und 2, 248 I, 250 Nr 1 und 2); letzteres sollte schlichte [Insolvenzgläubiger] wie dingliche [Absonderungsbefugte] Gläubiger terminologisch offenbar zusammenfassen. Mithin liegt nahe, dass von disparaten Begriffsinhalten auszugehen ist, etwa eine mehr prozedurale Sichtweise („Beteiligter“) oder materielle Betrachtung („Gläubiger“). Das wird heute leider weniger deutlich, weil das ESUG aus den „Gläubigern“ fast immer43 hier „Beteiligte“ machte, um die Anteilseigner (§ 217 S 2) ins Verfahren mit einzubeziehen. Die meisten Anpassungen treffen dabei die Teilnahme am Verfahren (§§ 235 ff; das gilt auch für § 231 I Nr 2, der insoweit nur „Vorgriff“ ist). Hier mag man dann zwischen der förmlichen Verfahrensbeteiligung und wirklicher Verfahrensbetroffenheit weiter unterscheiden können, wie es der tradierten fG-Betrachtung entspricht44 (siehe auch bei § 234 Rn 10–13); am Ende fließt trotzdem mutmaßlich gemäß § 254 I (= § 254 I S 1 aF) alles ineinander. So scheint es sinnlos, einen Metabegriff dafür auszufällen. Der Beteiligtenbegriff ist ein 38 Spezialbegriff mit Bezug auf Einzelprobleme (siehe auch bei § 217 Rn 37; § 222 Rn 62 f). Man muss ihn also nicht zwanghaft einheitlich verstehen. Vielmehr sind durchweg die genauen Funktionszusammenhänge wichtig. Drei Angelpunkte sind auszumachen: (a) die Möglichkeit Beteiligung abzuzwingen (Rn 39–41); (b) die Rechtsstellung, am Verfahren zu partizipieren (insb Information [§ 234 – näher dazu noch bei § 234 Rn 10 ff, 11–15], Erörterung [§ 235 III], Abstimmung [§§ 237–238a], Überprüfung [§ 251]); (c) die Reichweite der Planwirkung (Rn 42–49). Hiernach erst wird bestimmt, ob es einen Sinn macht, etwa Insolvenzverwalter, Gemeinschuldner oder uU noch sonstige Gruppierungen (sehr weit zB geht

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Solchen Eindruck erweckt FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 6. Ausnahme: § 245 I Nrn 1 und 2 – einst: „die Gläubiger dieser Gruppe“; jetzt: „die Angehörigen dieser Gruppe“.

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Schiessler Insolvenzplan (1997) S 72, zust HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 2; eher andeutungsweise auch MünchKomm/Eidenmüller § 217 InsO3 Rn 60.

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hier § 235 III) einzubeziehen. Der Beteiligtenbegriff hat also etwas Chamäleonhaftes, ist flexibel, wandelbar, schillernd und ersetzt daher niemals das sachlich begründende Argument.

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b) Spezifisches. Dennoch fällt auf, dass jener Begriff schon seit jeher Plangestaltung („Gestaltung der Rechte der Beteiligten“ [§ 220 I];45 „Rechtsstellung der Beteiligten … geändert“ [§ 221 (S 1)]), aber insb auch Gruppenbildung („Bei der Festlegung der Rechte der Beteiligten“ [§ 222 I 1];46 „Gleichbehandlung der Beteiligten“ [§ 226 – Überschrift!]) prägt; demgegenüber stört dann die Nennung en passant bei § 217 [S 1] („Verteilung an die Beteiligten“) weniger das Gewicht (dazu § 217 Rn 37), und doch liegt dort der Schlüssel zur Lösung des Problems. 40 Plangestaltung kommt inhaltlich von vornherein immer eben nur insoweit in Betracht, als prozessuale Dispositionsbefugnis „zugeteilt“ ist – und dafür normiert vorab bereits § 217 (einschließlich punktueller gesetzlicher Erweiterungen! [§ 217 Rn 32]) Erlaubnis und Schranken in einem Atemzug. Die Ausformungen „rollenspezifischer“ Planregelung (wessen Rechtslage wird gestaltet?) sind inhaltlich eine Spiegelung allgemeingültiger subjektiver Aufgreifkriterien (dazu § 217 Rn 35–37 iVm 27 [b]); sie werden dort jedoch mit weiteren objektiven Merkmalen verkoppelt (dazu § 217 Rn 38–43), was vielleicht den Konnex leicht verwischt. Die abstrakte – normative – Erlaubnis erfährt durch § 221 S 1 jetzt nur planerisch – konkrete – Ausfüllung (wie soll genau denn nun dessen Rechtslage über den Plan gestaltet werden?).47 Mit „Beteiligten“ kann folglich jene Vorschrift nur diejenigen meinen, welche auch gesetzlich „planbetroffen“ (iSv Rn 42) sind: die Adressaten der eröffneten Normdisposition. Man redet dann gerne von „zwangsweise Planunterworfenen“48 (Unterwerfung bedeutet aber immer doch reziprok Zwangsmacht!) und auch – passender und neutraler – noch von originären Beteiligten oder Beteiligten in einem „engeren“ Sinne.49 Der mittlere Begriff trifft den Ton sicher am besten. 41 Gemäß dieser Sicht impliziert der Beteiligtenstatus die normative Betrachtung, wer abstrakt-generell denn Gestaltung überhaupt befürchten muss. Es geht an dieser Stelle allein um hypothetisch festgemachtes Betroffensein,50 nicht etwa die tatsächliche reale Planregelung. Einzelne Beteiligte mögen vielleicht trotzdem – nunmehr konkret besehen – ganz „ungeschoren“ noch davonkommen (arg § 223 I und § 225a I bzw §§ 237 II, 238 II, 238a II). Das spiegelt die Realität iSv schlussendlich „effektiver“ Betroffenheit (wirkliche Veränderung).

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§ 220 II meint dagegen Stimmende (vgl § 220 Rn 37) – aF: „Entscheidung der Gläubiger“; nF: „Entscheidung der Beteiligten“ (Art 1 Nr 16 ESUG). Das können nur solche iSv Rn 44–46 (gesetzlich Betroffene) sein, nicht jene gemäß Rn 47–49 (freiwillig Betroffene). Vorausschauend ist Zuordnung per Namensnennung (OLG Schleswig ZIP 2017, 1075, 1076 [II 1.2.1) – doch genügt auch abstrakte Benennung. Diesen Zusammenhang vernachlässigt leider MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 20 mit § 217 Rn 59. So wie hier Nerlich/ Römermann/Braun §§ 219–221 InsO9 Rn 56 bzw Braun/Braun/Frank InsO7 § 219–221 Rn 7, aber ebenfalls so beiläufig Bork ZZP 109 (1996), 473, 476 [B II 2].

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 20 mit § 217 Rn 61 ff; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 2. Brünkmans/Thole/Brünkmans § 7 Rn 24 ff, 26–28. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 221 („geregelt werden können“); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 2 („eingegriffen werden darf“) – aA HambK/Thies InsO6 § 221 2 aE („geändert wird“); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 2 („berührt bzw geändert werden“); wohl auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 §221 Rn 4 („muss sich eindeutig aus dem Plan ergeben“) und Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 2 (betreffend den Schuldner!).

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Die Praxis hilft sich meist jedoch nur mittels mehr oder weniger detailliert ausfallender 42 Aufzählung bzw Abgrenzung,51 die binär erfolgt: (a) Originär sind beteiligt (siehe auch schon § 217 Rn 35): vollrangige wie nachrangige Insolvenzgläubiger (§ 217 [S 1] Var 1b iVm §§ 224/225); Absonderungsbefugte (§ 217 [S 1] Var 1a iVm § 223); Anteilseigner (§ 217 [S 2] Var 5 iVm § 225a) und – reziprok – der Gemeinschuldner52 (§ 217 [S 1] Var 4 iVm § 223). Sie profitieren von Verwertung und Verteilung (§ 217 [S 1] Var 2) – oder anderweit erfolgter Befriedigung bzw müssen (Gemeinschuldner) solche hinnehmen. (b) Nicht hierzu rechnen (siehe auch schon § 217 Rn 37): Insolvenzverwalter; Aussonderungsbefugte, samt Vormerkungsberechtigten53 bzw Anwartschaftsinhaber; Massegläubiger, bisweilen werden Sozialplanberechtigte und Neugläubiger eigens angeführt; vereinzelt freilich finden sich Absonderungsbefugte und Anteilseigner hierher noch gestellt, „wenn ihre Rechte in den Plan [nicht] einbezogen werden“54 (arg § 223 I bzw § 225a I) – dieses ist falsch (dazu Rn 41). (c) Gegenausnahme: Alle könnten wohl autonom kraft freiwilligen Aktes unterstützen, so wie auch jeder Dritte (vgl § 230 III) – aber „mutieren“ sie deswegen dann im Rechtssinne zu Beteiligten? (dazu Rn 43 ff). c) Strukturelles. Dieser binäre Ansatz (iSv Rn 42) malt zu sehr in Schwarz und Weiß 43 (originär ./. autonom Beteiligte bzw gesetzlich ./. freiwillig Beteiligte). Man sollte – das lehrt die dogmatisch „geerdete“ Herleitung (vgl Rn 40 iVm 62–64; § 217 Rn 35–37) – besser im Ansatz (mit Blick auf § 221 S 1 iVm § 217) drei Gruppen klar trennen (Einzelheiten gleich bei Rn 44–49), und dies ohne den Beteiligtenbegriff irgendwie „überzustrapazieren“ – er ist kein Einheitsbegriff, ersetzt auch niemals eine funktionale (Norm-) Betrachtung.55 Viel brisanter ist letztlich, ob (mit Blick auf § 221 S 1 iVm § 254 I, vgl Rn 28–36) die prozessuale Bindungswirkung eingetreten ist („Wirkungen für und gegen alle Beteiligten“ – § 193 S 1 Hs 1 KO: „nicht bevorrechtigen Konkursgläubiger; § 82 I Hs 1 VglO: „Vergleichsgläubiger“). Wem gegenüber wirkt was genau wie? Die Wirkung gründet auf Prozessrecht (abgesichert durch Rechtskraft!), nicht etwa auf Privatrecht. (a) Regelhaft Betroffene. Das sind die nach § 217 unmittelbar Betroffenen, die in der 44 Regierungsbegründung zu § 264 RegE (= § 221 S 1) – trotz ihrer Kürze – sämtlich bereits genannt werden:56 „die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger, der [Gemein-] Schuldner und, wenn dieser keine natürliche Person ist, die am Schuldner beteiligten Personen“. Zugegeben spielt der Zufall mit hinein und macht das Zitat stimmig. Denn einerseits sind die Anteilseigner („latent vorhandene Gruppe“: § 222 Rn 30 iVm 89) vom Rechtsausschuss damals herausgenommen worden und erst mit dem ESUG wieder hineingekommen (§ 217 [S 2] Var 5!), andererseits fehlte einst noch die Möglichkeit, das Verfahren an sich zu verändern (§ 217 [S 1] Var 3: „Verfahrensabwicklung“). Dahinter

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 2; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 221 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 2 mit § 217 Rn 3 f; BK/Flöther/Wehner InsO53 § 217 Rn 6; FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 3–5; Nerlich/Römermann/Braun §§ 219–221 InsO9 Rn 56 f; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 4 f; Brünkmans/Thole/Brünkmans § 7 Rn 31 f. Eher verdunkelnd dazu HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 3 aE: Was wäre bei Schweigen (§ 247 I)? Und was bei beachtlichem Wider-

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spruch (§ 247 II)? Soll er dann Unbeteiligter sein? Zu rigide zusätzlich Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 221 Rn 2 (notwendig sei Abweichen von § 227). Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 2; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 20. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 4. Das sieht richtig MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 20 bzw § 217 Rn 60. BT-Drucks 12/2443 S 199 li. Sp.

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steckt (vgl § 217 Rn 65) gerade aber keine autonome Befugnis, alles Prozessrecht schlicht „wegzuplanen“. Vielmehr ist das nur ein Notanker im Objektiven (explizite Ausweitung), wenn und weil jedenfalls subjektive Anknüpfung existiert (implizite Begrenzung), dh die Norm wirkt lediglich im Verhältnis zu Beteiligten. Dies bestätigt ihre Verortung im Anschluss an Var 2a/b („sowie“), die ähnlich ansetzt und deshalb gezielt den Beteiligtenbegriff „in den Mund nimmt“57 – anders gesagt: Var 3 ist unmittelbar die Fortsetzung und quasi zu lesen als Var 2c, die ebenfalls per Beteiligtenanknüpfung mit eingehegt ist, dh nicht „ausweitend“ wirkt. 45 Der BGH teilt im Grund en passant genau diese Sicht, wiewohl er stärker auf die „Gläubigergesamtheit … [als eine durch Insolvenzeröffnung] … zusammengefügte Schicksalsgemeinschaft“ abhebt58 – gemeint sind nämlich Betroffene oder eben Beteiligte (der Plan sei eine „Willensübereinkunft der Beteiligten“). Eigner waren noch nicht selbst planbetroffen, und der Schuldner als „Gegenpart“ (wenn man denn ein Vertragsbild überhaupt zulässt – Einzelheiten: Vor §§ 217 ff Rn 253–270) wurde einfach hierbei vergessen. Es ging allein dort um Mehrheitszwang innerhalb dieses konkreten Betroffenseins (Unterwerfung einer Minderheit durch Mehrheitsakt – arg § 245), nicht etwa die (separat nötige!) Zustimmung des Schuldners (§ 247), schon gar nicht die „Unterwerfung“ für Unbeteiligte (arg § 254 I). Dies passt zu einem doch wohl eher engen (Grund-) Verständnis der Rolle als Beteiligter.

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(b) Ergänzend Betroffene. Ergänzend sind betroffen alle, gegen die sonst noch einzelne Kompetenzen zur Plansetzung bestehen (vgl § 217 Rn 32). Das sind im Fall von § 210a ausnahmsweise die Massegläubiger, das mag – entgegen dem BGH59 – uU auch einmal der Insolvenzverwalter sein (§§ 66 I 2, 221 S 2, 258 I, 259 III, 260 I, 263) und uU ein Neugläubiger (§ 265).60 Nur gilt dies auch bloß für speziell jenen Bereich, nicht allgemein. Diese Erweiterung im Subjektiven ist abzugrenzen von Ausdehnung im Objektiven hinsichtlich „regelhaft“ Betroffener: Insolvenzgläubiger, Absonderungsbefugte, Anteilseigner (§ 251 III); Gemeinschuldner (§ 255 III); Altgläubiger (§ 264). Das zielt auf Veränderungen im Planverfahren (das eigentlich unverfügbar ist: § 217 Rn 40) und auch im Fall einer Folgeinsolvenz (sog Nachrangklausel, §§ 264/265).

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(c) Freiwillig Betroffene. Wer nicht „originär“ kraft Gesetzes von einem Insolvenzplan betroffen wird, hat dann immer noch die Möglichkeit, das Plankonzept auf einer freiwilligen (!)61 Basis weitergehend zu unterstützen (als Fall von Rn 42 [c]). Sinn macht dies vor allem bei Sanierungsplänen zur Weiterführung von Unternehmen (iSv § 1 S 1 Hs 3). Die Maßnahmen sind als Teil des Konzeptes selbstredend mit darzustellen (§ 220 II), können zwangsweise aber nicht auch abgewickelt werden (§ 221 S 1) – es sei denn, man gestattet solchen „Förderern“ fakultatives Beitreten. Das können die ganz unmittelbar Betroffenen 57 58

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Dies vernachlässigt wohl MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 60, 153. BGH NJW-RR 2006, 491, 492/493 {15} [II 2b] = ZIP 2006, 39 = WM 2006, 44 = NZI 2006, 100 = MDR 2006, 594, best BGH NJW 2015, 2660, 2663 {26} [B II 2d bb (1)] = ZIP 2015, 1346 = WM 2015, 1291 = DZWIR 2015, 560 = KTS 2016, 221 (nach dem ESUG). BGH NZI 2007, 341 {7} [II 1b aa] = DZWIR 2007, 343 = ZIP 2007, 784 (ebenso nur obiter).

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Das sieht richtig HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 7. Steht völlig außer Streit: MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 20 und § 217 Rn 60, 153, 159; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO61 § 221 Rn 5; Nerlich/Römermann/Braun §§ 219–221 InsO9 Rn 85; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 2 und 13; HK/Haas InsO9 § 221 Rn 2 aE; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 5 f; FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 7; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 221 Rn 4.

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sein, wenn und weil sie über die Planquote zusätzlich mitwirken,62 die lediglich mittelbar von der Insolvenz Berührten63 (als Fall von Rn 42 [b]) und Investoren oder andere neue Gläubiger – sie könnten als Dritte auftreten (§ 230 III). Aber macht sie jenes zu Beteiligten? Das bejaht die hL64 – jedermann könne beitreten („gekorene“ Beteiligung) und müsse 48 alsdann dieselben Rechtswirkungen gewärtigen, die regulär „Planbeteiligte“ treffen („geborene“ Beteiligung), also ein opt in – die konkrete Benennung schwankt, gängig dafür sind Planunterwerfung,65 -beitritt66 oder -einbeziehung.67 Das Gesetz gibt hierzu indes Lösungshinweise. Einmal: Gegenüber geborenen Beteiligten scheint es beinahe so, als könne solche Planwirkung tatsächlich ausgeweitet werden (§§ 225a II, 230 I/II) – die Bestätigung wirkt aber genau gegenläufig, als exzeptioneller Ausschluss zwangsweiser Maßnahmen insoweit Einvernehmen aussteht. Sodann: Klassische gekorene Betroffene sind jeweils alle Dritten, welche eindeutig (§ 230 III – Wortlaut [Hs 1]: „Dritter“ ./. „Gläubiger“ bzw System [Hs 2]: nur Regelung als Anlage68) außerhalb stehen. Das spricht gegen weitere Ausdehnung: das „Problem“ scheint begrifflich allemal gesehen. Eine dritte Botschaft sendet noch § 228 S 1 (vgl Rn 57 bzw 64), der einerseits auf jeweilig „Beteiligte“ abstellt, andererseits dingliche Veränderung gestattet. Der Normtext scheidet nur Erklärungen und Faktenlage, die Motive wollen eindeutig planerisch dingliche Einigungen (!) ebenfalls tolerieren69 – gemeint waren hierbei aber allemal nur „Insider“, dh planerisch „regelhaft“ Betroffene70 (iSv Rn 44). Daher spricht – normgenetisch – manches dafür, den maßgebenden Beteiligtenbegriff eng auszudeuten. 62

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Sehr plastisch hier MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 153: „nicht oder nicht so“ Betroffene gelten inhaltlich gleich – Beispielsfall: Unterhaltsgläubiger (arg § 40) – total verkannt durch OLG Düsseldorf NZI 2008, 689, 690 {16} m abl Bespr Paul DZWIR 2009, 186, 187 [II]. So ganz dezidiert Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO61 § 221 Rn 5; HambK/ Thies InsO6 § 221 Rn 5 mit § 217 Rn 3 aE; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 6. Siehe dazu die Nachw bei Fn 65 und 67 – ferner: Eidenmüller ZGR 2001, 680, 689–691 [II 2a]; HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 6 („jegliche Eingriffe“ eröffnet); Balthasar HRI2 § 26 Rn 34. AA Bork InsR8 Rn 375; Braun/Braun/Frank InsO7 § 219–221 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 5 aE (anders wohl später § 254 Rn 10 f); BK/Flöther/Wehner InsO42 § 221 Rn 2 mit § 220 Rn 21 sowie vor allem Brünkmans ZIP 2015, 1052, 1054–1056 [II 2] bzw Brünkmans/Thole/Brünkmans § 7 Rn 12–14, 22 ff (26–28), 75 f, 119 (wegen Alternativlösungen siehe Rn 7.78 ff bzw ZIP 2015, 1052, 1059–1061 [V]). Eher rigide auch HK/Haas InsO9 § 221 Rn 7 mit § 228 Rn 4 (nur eröffnet im Hinblick auf § 228) bzw Rn 2; unklar K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 2 (mit Blick auf Rn 6). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 20 und § 217 Rn 60, 153; Uhlenbruck/

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Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 2 und 13; HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 5. Eher andeutend bloß Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 14: „Über § 217 hinaus könnten Dritte dem Plan durch ihre Zustimmung ‚beitreten‘ [!] bzw sich den Planregelungen freiwillig unterwerfen.“ Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 221 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 6; FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 7; HK/Haas InsO9 § 221 Rn 2 aE. Mit subjektiver Erstreckung der Vollstreckungsmöglichkeit für Insolvenzplanforderungen: § 257 II. Anders gewichtet dieses MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 155 und 159 aE. BT-Drucks 12/2443 S 203 f: genannt sind konkret (außer einseitigen Akten) Mobiliarübereignung (§ 929 BGB) und ferner, im Rahmen der „Grundstücksgeschäfte“, zusätzlich die Auflassung (§§ 873, 925 I BGB), was § 925 I S 3 Var 2 BGB zusätzlich explizit legislativ festlegt: „Die Auflassung kann auch … in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan erklärt werden.“(vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 186; § 228 Rn 32). BT-Drucks 12/2443 S 204 li. Sp. [InsO] nennt Absonderungsbefugte („regelmäßig“) sowie Insolvenzgläubiger („Möglich ist aber auch, …“) – der Gemeinschuldner als Rechtsträger ist „Gegenpart“, die Anteilseigner blieben ausgeklammert. BT-Drucks 12/3893

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Dagegen steht ein wenig dennoch § 925 I S 3 Var 2 BGB, der eben explizit im Wortlaut just keine Begrenzung auf Beteiligte kennt – die Parallele zum Vergleich (§ 794 I Nr 1 ZPO), dem auch immer Dritte ergänzend (!) beitreten können,71 verstärkt jene Hemmungen noch. Normpraktisch spricht allemal vieles dafür, Dritten beim Plan genauso freiwilliges Hineinoptieren zuzugestehen – das dient vor allem dem Interesse umfassender Erledigung (dort des Rechtsstreits, hier des Insolvenzfalls), wahrt auch die Einheitlichkeit des Gesamtkonzepts72 und ist nicht zuletzt von der Absicht motiviert, Sanierungen zu begünstigen (alles in einem „Aufwasch“ – Effizienz und Zügigkeit, immer ohne „Umweg“ über § 249). Das sollte der schillernde Beteiligtenbegriff rechtskonstruktiv ermöglichen – im Interesse pragmatischen Verfahrens auch jenseits expliziter Regelung gemäß § 925 I S 3 Var 2 BGB (für Mobilien, Anteile, Rechte etc).

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d) Begrenzendes. Ein solches „Zugeständnis“ (iSv Rn 49) muss selbstredend gewisse Rahmenbedingungen beachten:73 (a) Freiwilligkeit ist unumgänglich (siehe auch schon oben Rn 47 – Sonderfall: § 328 BGB) und förmlich zu erklären. Dazu bietet sich jedoch eine Anleihe bei § 230 II/III an:74 schriftlich fixierter Beitrittsakt (arg „beizufügen“, vgl § 230 Rn 12 aE, 42). Ob dies stärkere Formerfordernisse ersetzen darf (§ 254a I/III InsO „versus“ § 15 III/IV GmbHG), mag man bezweifeln können75 (Reichweite der Formzwecke!), würde nicht aber gegen einen solchen Beitritt sprechen, sondern allein gegen einfache Schriftform dieses Dazutretens streiten (Beurkundungserfordernis!). 51 (b) Die Erklärung muss ganz eindeutig abgefasst sein, formalisiert entäußert werden (eine Orientierung gibt § 70 I ZPO) und ist durchgängig frei rücknehmbar (so wie eine Nebenintervention,76 dh vermittels actus contrarius – in Anlehnung an § 269 II S 1–3 ZPO) – sogar wohl noch nach einer Planannahme (darin steckt ein Risiko aller Abstimmenden und außerdem des Gerichts). Das geht so lang bis schlussendlich Rechtskraft gerichtlicher Bestätigung entgegensteht (arg § 254 I). Wer den Beteiligtenbegriff bei § 221 insoweit großzügiger handhabt („mitgegangen“), der muss ihn dann bei § 254 I ebenfalls weit verstehen

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S 79 li. Sp. [EG] lässt diese Beschränkung nicht spüren; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 156 versucht dagegen, dieses anderweitig (arg § 254a I/III) abzumildern. MünchKomm/Wolfsteiner ZPO5 § 794 Rn 29; Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR18 Rn 131.12 und 14; Staudinger/Marburger BGB (2015) § 779 Rn 95. Das sehe ich ganz wie MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 154. Sehr eingehend dazu MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 158 ff. AA die hL (§ 230 III analog): Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 13; HambK/ Thies InsO6 § 221 Rn 6; Nerlich/Römermann/Braun §§ 219–221 InsO9 Rn 85. Differenzierend MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 159 bzw ZGR 2001, 680, 689 f [II 2a]: zwei Wege (§ 230 II analog: im Plan direkt – § 230 III analog: allein als Anlage). Für Anleihe bei § 230 II dazuhin LG Düsseldorf ZIP 2015, 2182 (hinsichtlich des

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Finanzamts als Neugläubiger) sowie FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 4. Die Anlagelösung ist „verbraucht“ (siehe dazu bei Rn 48). Es geht um eine doppelte Analogie (für einen [!] Weg): Zustimmung von Dritten (dazu passt § 230 III) für Planinhalte (dazu passt § 230 II) – oder gar eine dreifache: ergänzend auch für eine Verfügung (MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 159 Fn 238). Das spricht am ehesten für Gesamtanalogie! Brünkmans ZIP 2015, 1052, 1056–1058 [III 1] (Verfügung) bzw 1058 f [III 2] (Verpflichtung) bzw Brünkmans/Thole/Brünkmans § 7 Rn 22 ff (29 f) und 120 ff (122–125); differenzierend zwischen Verpflichtung und Verfügung MünchKomm/ Madaus InsO3 § 254a Rn 4 f, 7, 17 f; eher krit auch § 254a Rn 18 bzw § 228 Rn 33 Fn 61 – aA die hL, statt vieler siehe MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 161. RGZ 61, 286, 291 f mit RGZ 56, 28, 29 bzw GruchotsB 50 (1906), 697, 699 f.

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(„mitgefangen“) – beide laufen nämlich parallel:77 die Gestaltungswirkung trifft damit auch den letztendlich freiwillig Beitretenden. Es ist dies am Ende Risiko (des Beitretenden) wie Chance (des Plankonzepts), dass spätere Rechtskraft mögliche Mangelfälle zudeckt, es gelten die Regeln beim Insolvenzplan, die Widerruf, Rücktritt, Anfechtung etc prozessual (näher dazu Vor §§ 217 ff Rn 244, 252, 269) beschränken. Man wollte gerade keinen tradierten materiellen Vertrag abschließen, sondern sich ganz gezielt ins prozessual konzipierte Plankonzept einbringen.78 Das bedeutet dann freilich, dass das alle Gestaltungswirkungen im Umfang dieses Beitritts (scil. primär also: für sich selbst) miteinschließt, seien dies nun Pflichten oder Ansprüche. (c) Als Schranke wirken freilich die prozessualen Planvorgaben, also insbesondere 52 auch § 221 S 1 selbst79 (dazu näher gleich Rn 62–70), samt aller seiner immanenten Beschränkungen. Hierbei gilt es aber, weitere Schranken zu beachten: (aa) Verfügungsrechtlich ist normalerweise die Gestaltung besonders verfahrensmäßig gesichert (§ 80 I bzw §§ 165 ff iVm ZVG – ihrerseits wieder gestaltbar: § 217 [S 1] Var 1/2); dieses fehlt hier, mithin muss insoweit überhaupt Verfügungsmacht vorliegen (Verhinderung „gutgläubigen“ Planerwerbes). (bb) Verpflichtungsrechtlich sollte Gleiches gelten: In der besonderen Insolvenzsituation mag eine getroffene Planregel einmal Priorität erheischen gegenüber materiellen Schranken (vgl Rn 60), für freiwillig Beitretende ist allerdings ihr (Plan-) opt in nie „reziprok“ zugleich ein opt out aus regulären materiellrechtlichen Bindungen. (cc) Insolvenzrechtlich ist schließlich die Gestattung planerischer Gestaltung Mittel zum Zwecke, die Insolvenz zu bezwingen, steht also nicht Trittbrettfahrern offen. Darauf zielt auch Eidenmüller, der einen „Bezug zur gemeinschaftlichen Haftungsverwirklichung“ hier sehen möchte. Man sollte das Kriterium mE eher strikt verstehen80 und allgemeine Missbrauchskontrolle gestatten (vgl § 225a Rn 35). Es genügt nicht jede recht kleine „Verbesserung“, man sollte besondere „Plannähe“ verlangen (Mitwirkung als Teil des Konzeptes). Dazu kommen noch Abwicklungsgrenzen: § 254 fokussiert auf den Schuldner und ist 53 unanwendbar (möglich wäre dagegen, eine wirkgleiche Planklausel aufzunehmen), das gilt auch zur Vollstreckung aus den Planinhalten (§ 257 I S 1: „gegen den Schuldner“). Der Beitretende ist konsequent kein Dritter mehr (§ 257 II: „gegen einen Dritten … neben dem Schuldner“), das muss man sich immer zusätzlich stets klarmachen. Meist wird aber die direkte Gestaltung reichen (dinglich wirkende Änderung), möglich wäre aber auch die spätere Erfüllungsklage oder vorsorgend eine (notarielle!) Vollstreckungsunterwerfung (§ 794 I Nr 5 ZPO).

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Das sieht ähnlich Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO61 § 221 Rn 4 mit § 254 Rn 9 – bei freilich insgesamt insoweit konträrem Ergebnis. Dies sehen Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 217 Rn 14 nicht anders: dort werden klar Planungslösung und Vertragslösung („Verbindliche Rechtswirkungen entfaltet dann aber nicht der Plan, sondern ausschl die jeweilige Vereinbarung.“) differenziert. Wie

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hier wohl auch HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 9 (Zusage gelte dann „als unwiderruflich abgegeben“). Aber nicht auch § 222: Rn 39 bzw Fn 46. Insoweit anders dann MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 162 („‚Filter‘ … ist recht durchlässig“ – Anwendungen: Rn 163–166) als „Beschränkung“ von Rn 160 (Grundkonzept).

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4. Kopplung der Begriffe?

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Bisweilen wird vertreten, Planeingriffsfolge (Rn 22–27) und Beteiligtenstatus (Rn 36– 46) kurzerhand zu verkoppeln. Es greift inhaltlich aber zu kurz vom einen aufs andere zu schließen – also entweder von der Position auf die Beteiligung (Beteiligter ist, wer eine planunterworfene Rechtsposition innehält81) oder aber – genau anders herum – von der Beteiligung auf die Position (Planunterworfen ist jedwede Position der Planbeteiligten). Beteiligt im Verfahren ist natürlich auch derjenige, der keinen Eingriff befürchten muss82 oder gar etwa bessergestellt wird – er hat alsdann nur kein Stimmrecht (§§ 237 II, 238 II, 238a II), kann sich aber informieren und darf gewiss auch mitdiskutieren – und seine sonstige (Rechts-) Position bleibt natürlich „planerisch“ völlig unberührt! (siehe auch bei Rn 47). Genau das führt dann schlussendlich erst zum Problem der Einbeziehung von Dritten – was wäre denn genau „planunterworfen“? Nur das gesetzlich so Verordnete oder auch freiwillig so Erklärtes?

III. Gestaltungsgrenzen 1. Gestaltungsfreiraum

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Die Bedeutung der Vorschrift besteht darin, dass (fast) keine Einschränkung vorgenommen wurde, jedenfalls kaum eine inhaltliche (vgl Rn 19 [(materielle) Freistellung] mit Rn 16 [(prozedurale) Platzierung] – Ausnahme: § 226 I; vgl auch erg Rn 25, 81). Das Gesetz hält hierzu allenfalls kleine Anregungen bereit83 (§§ 223–225a, 227, 228 bzw Rn 83), die Praxis sieht großen Spielraum, der allenfalls beispielhaft anzureißen ist.84 Schon die Insolvenzrechtskommission hat diese Zurückhaltung klar ausgesprochen: keinerlei inhaltliche Fixierung, „weil sie zu starr wäre. Es ist Sache des [Planvorlegers], die im Einzelfall sachgemäßen und durchsetzbaren rechtlichen Maßnahmen auszuwählen“85 – und natürlich – so ist zu ergänzen – danach um breiteste Akzeptanz zu werben (Parteiautonomie: Rn 17 f). Die Betroffenen (!) können und dürfen den Regelablauf möglichst flexibel verändern86 und auch über das angestrebte Planziel disponieren.87 2. Begrenzungsmöglichkeiten

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Bloß teilweise ist anerkannt, dass generelle ungeschriebene Schranken planerischer Gestaltung existieren. Man hat das aus Systematik und Funktion der Planregeln etwa her-

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So formulieren es Braun/Braun/Frank InsO7 §§ 219–221 Rn 7. AA Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 219–221 Rn 4 aE. HK/Haas InsO9 § 221 Rn 3 („Gewisse Hinweise“). Beispielhaft HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 8 und 10; FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 7; BK/ Flöther/Wehner InsO42 § 221 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 3–13; extrem breit hier MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 24–119 – zweiflerisch Ner-

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lich/Römermann/Braun InsO9 § 219–221 Rn 80 (Aufzählung wenig sinnreich). EB Mot S 171 – original heißt es: „Sache des Insolvenzverwalters“ – es gab bloß Verwalterpläne (LS 2.2.3 I) [Hervorh des Verf]. BGH NJW-RR 2009, 839, 841 {25} [III 2b bb] (obiter) = DZWIR 2009, 331 = ZIP 2009, 480 = NZI 2009, 230 = WM 2009, 518. BT-Drucks 12/2443 S 83 li. Sp. („flexibel … überläßt“).

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geleitet,88 schlicht begrenzende Maximen postuliert89 oder beides gekoppelt.90 Die Systematik hat sicherlich gewisse begrenzende Wirkung, weil man ja § 221 (S 1) auf § 217 grundsätzlich noch rückbeziehen muss (dazu Rn 15, 27, 42 [a]), und § 217 womöglich selbst ebenfalls wieder mit § 1 S 1 gekoppelt ist. Man könnte daraus schließen, dass jede Form einer Gestaltung verfahrensmäßige Haftungsverwirklichung bezwecken müsse91 (iSv Verbesserung der Befriedigung). Dagegen steht nun einerseits § 217 [S 1] Var 3 mit der Gestattung verfahrensabwickelnder Regelungen und andererseits insbesondere die Eigenverantwortung der Gläubigerschaft – vor allem die Sanierungsoption (§ 1 S 1 Hs 3) mag nach einem konkreten Haftungsverzicht verlangen („Wechsel auf die Zukunft“ – arg § 229). Daher wird man auch einen bewussten Vollverzicht der Vollrangigen zulassen92 (vgl Rn 97 [d], § 224 Rn 25, § 227 Rn 28 – aber vgl auch Rn 70 [b]). Ein Streit besteht insoweit, ob der Plan auf ausschließlich schuldrechtliche Planregelun- 57 gen zugeschnitten ist.93 Dagegen sprechen allemal die Befugnisse eingreifender, dh verfügender, Gestaltung bei absoluten (§ 223 II) wie relativen (§§ 224, 225 II, 227) Positionen, einschließlich vor allem der Regelvermutung des § 225 I: sie wird konstruiert als eine Auffangregel, ist eben nicht Gestattung einer Gestaltung (sondern dispositive, übliche Auffangnorm). Schon von daher scheint die Debatte rechtslogisch ein Scheinproblem. Genauso spricht dagegen die Einräumung planerischer Gestaltung selbst für Zwecke des Gesellschafts- wie Sachenrechts. Die Veränderung sachenrechtlicher Verhältnisse (§ 228 S 1 iVm § 254a I) wird allerdings faktisch beschränkt auf Willenserklärungen94 (mithin keine realen Akte! [§ 228 Rn 17, 22], wohingegen Realakte anderweitig extra vorzunehmen sind (zB Übergabe des Besitzes, Grundbucheintragung). Das gilt es, im Plan genau inhaltlich umsetzbar abzubilden. Entsprechendes greift auch im Gesellschaftsrecht, wo bloß eigens spezifische Zulässigkeitsvorgaben angesprochen werden (§ 225a III iVm § 254a II [§ 225a Rn 32 f] I). Daneben tritt eine Reihe von Sonderermächtigungen (dazu Rn 63) und Sonderbegren- 58 zungen (dazu Rn 64) für Plangestaltungen. Dies könnte eventuell gegen allgemeine Schranken sprechen. Ersteres erweitert freilich lediglich die Regelungsbefugnis (insoweit zählen ebenso dazu § 258 I [Insolvenzgericht] bzw §§ 221 S 2, 259 III, 260, 263 [Insolvenzver-

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 11 iVm Rn 12 ff: Gesetzmäßigkeit, Gruppenbezogenheit (im Unterschied zu sog „gruppenfreien Gestaltungen“: Rn 24), Bestimmtheit. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 219–221 Rn 60 f iVm Rn 63: Gesetzmäßigkeit, Bestimmtheit, Gruppenbildung. Schiessler Insolvenzplan (1997), S 113 ff, auf den die Einteilung auch zurückgeht: Gesetzmäßigkeit, Bestimmtheit, Gruppierung (als quasi der „Saldo“ aus Gruppenbildung und Gleichbehandlung). Das meinte Schiessler Insolvenzplan (1997), S 105 mit 113, zust MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 160, indes nur für Fälle freiwilligen Planbeitritts. Zur Schranke des Verbotes von Scheinverfahren Brünkmans/Uebele ZInsO 2014, 265, 272 f [III 2a] (dort freilich „Insolvenzzweckwidrigkeit“

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geheißen – Fall „Suhrkamp“). Brünkmans/ Thole/Brünkmans § 30 Rn 89. So auch sehr deutlich Nerlich/Römermann/ Braun §§ 219–221 InsO9 Rn 58 f mit Rn 63. Angedeutet bei Schiessler Insolvenzplan (1997), S 106 („grundsätzlich [!] schuldrechtlicher Natur“) – aber: S 111 f – mit Recht dagegen MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 13, 22; Küber/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 2; Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 219– 221 Rn 86 (muss nicht, kann indes aber) bzw Braun/Braun/Frank InsO7 §§ 219–221 Rn 5; BK/Flöther/Wehner InsO42 § 221 Rn 4. Sehr missverständlich dazu Andres/Leithaus/ Andres InsO3 §§ 219–221 Rn 7 [7a bb] mit Rn 8 f. BT-Drucks 12/2443 S 213 li. Sp.: gezielt charakterisiert als gewisse „Einschränkung“.

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walter], die Regelungsmacht auf eigentlich „Unbeteiligte“ erstrecken), die Regelung ergänzt faktisch nur § 217 oder betrifft die Abläufe des weiteren Planverfahrens. Letzteres ist lex specialis, ohne dass dies aber allgemeine Grenzlinien (lex generalis) hier per se dogmatisch verdrängte. Die Normierung regelt nur einige Spezifika ohne jeglichen abschließenden Charakter – Regelungsfokus des Planverfahrens sind naturgemäß bloß Dispositionsbefugnisse (vgl Rn 62 mit 40) und Fixierung der Strukturen für Disposition (scil. Verfahrensabläufe).95 Offen bleibt damit jedoch, wie sich der Plan in die weitere Rechtswirklichkeit „einpasst“. Schon von daher ist immer das „Wechseln vom Plan zur Realität“ mitzudenken und strategisch entsprechend „einzuplanen“. 3. Systematisierungsversuch

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a) Materiell wirkende Schranken. Abstrakte Schranken lassen sich bloß schwer identifizieren. Was materiell gestattet ist, kann prozessual nicht gestaltbar sein. Die Umkehrung trifft insgesamt den richtigen Ton: was materiell verboten erscheint, ist nicht mittels gerichtlich verfügter Bestätigung (Rechtskraft!) erschaffbar – dagegen steht das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung sowie vor allem, dass die Rechtskraft wirkende Bestätigung nicht eine materielle Überprüfung mitumfasst. Sie wirkt nicht als Erkenntnisakt, sondern ist allemal nur Ablaufkontrolle. Gleichwohl gilt eine Präklusion, nämlich mit Blick auf einen Bestand von Insolvenzforderungen – das folgt indes aus § 178 III, ist gesetzlich so vorgesehen und zwar als Teil der „insolvenzplanresistent“ ausgestalteten Forderungsfeststellung (dazu § 217 Rn 44). Nachträgliche Abänderungen über gestaltende Planklauseln sind dabei aber nicht inbegriffen! Sie müssen erst vorher ihren originären „Wirksamkeitstest“ überstehen. Was sitten- oder gesetzwidrig ist (§§ 134/138 BGB) kann der Plan nicht heilen96 (daher zB keine Legalisierung einer sittenwidrigen Globalzession), er kann einzig und allein – spezifisch so festgelegt: § 254a (Umkehrschluss!) – über einschlägige materielle Formgebote hinweghelfen. Mehr indes eben nicht! 60 Das zeigt ein größeres Dilemma: inwieweit gelten weiterhin bürgerlich-rechtliche Schranken, inwieweit genießt prozessuale Gestaltung Vorrang? Das erscheint ein Minenfeld, ist aber dogmatisch recht simpel. Die Grundregel ist eine insoweit relativ einfache: Herrschaft prozessualer Disposition, die durchweg eine Ausnahme ist – nur, wenn jene denn schon legislativ explizit konzediert wurde, dann auch mit ihrer vollen Kraft (in Anlehnung an § 307 ZPO oder § 794 I Nr 5 ZPO)! Das ist Grundlage der Erfahrung, welche das Gesellschaftsrecht (oder besser wohl: die Gesellschaftsrechtler) mit Blick auf § 225a III zuerst inhaltlich völlig verblüffte (vgl § 225a Rn 8): es gibt mithin einen Verwertungs- oder Haftungsverzicht (ohne Rücksichtnahme auf Verzichtsverbote)97, einen Fälligkeitsverzicht unter Lösung von § 271a BGB (siehe noch bei § 224 Rn 24), einen Sicherungsverzicht gegen Verfügungsverbote (als Umkehrschluss aus § 223 I S 2) etc. Prozessual nicht mehr toleriert würde aber, was ordre-public-widrig ist98 (dazu § 217 Rn 46). Man wird aber noch 95

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Sehr augenfällig etwa § 255 III: Gestattung zusätzlicher Gestaltung (S 1) – freilich differenziert begrenzt (S 2). Zutr Schiessler Insolvenzplan (1997), S 113; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 13, 21 iVm § 217 Rn 45; BK/Flöther/ Wehner InsO42 § 221 Rn 4 („sofern … gesetzmäßig“) bzw BK/Breutigam InsO14 § 224 Rn 4 („im Rahmen des sonst rechtlich Zulässigen“).

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 10. Näher dazu Münch Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch [PA 72] (1989), § 10 II 3b-d, S 201 ff. Siehe auch zur ordre-public Bedeutung bei Thöne Die Abschaffung des Exequaturverfahrens und die EuGVVO [VVerfR 130] (2016), S 57–68.

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einen gewichtigen Schritt weitergehen müssen:99 die prozessuale Disposition ist das Surrogat für den Abschlusstatbestand (die „Umgestaltung“) – jene steht fest! –, nicht auch der Wirkungskontrolle (der „Konsequenzen“), siehe eben bei Rn 59 aE. Das bürgerlich-rechtliche Trennungsprinzip ist hingegen keine Schranke. Man könnte 61 eventuell aus § 254a III das inhaltliche Gegenteil herauslesen – Erstreckung der Erklärungs- und Formfiktion auf Verpflichtungsgeschäfte. Damit wäre die Vorschrift aber überdeutet. Sie geht auf eine Änderungsanregung der Bundesregierung für die Auflassungsregelung zurück (Art 32 Nr 26 EG InsO: Vor §§ 217 ff Rn 186 und § 228 Rn 32), die dann der Rechtsausschuss verallgemeinert in die InsO (§ 254 I S 2 Hs 2 StF) übernommen hat. Die Ursprungsidee zielte freilich nur begrenzt darauf, als weitere (!) Gestaltung zu gestatten, „in einem Insolvenzplan lediglich die schuldrechtlichen Verpflichtungen aufzunehmen, die der Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse zugrunde liegen.“100 Gewollt war demnach, eine Option zu öffnen („Verpflichtung ohne Verfügung“), nicht etwa das Trennungsprinzip verbindlich festzuschreiben („keine Verfügung ohne Verpflichtung“). Man kann das noch weiter, schärfer zuspitzen: der Plan trägt sich als eigener Rechtsgrund autonom, der sachenrechtlich begründete Planerwerb ist kondiktionsfest. Der Planverfasser ist nicht demnach verpflichtet, entsprechende Verpflichtungsgeschäfte mitabzubilden. Dies schösse über das Ziel hinaus. b) Ureigene prozessuale Kriterien. (1) Nötig ist zuvörderst und immer Dispositionsbe- 62 fugnis. Ohne die Ermächtigung prozessualer Disposition (vgl § 217 Rn 31) ist eine Planregelung kraft Mehrheitszwangs (!) nicht vorstellbar; was Privatrechtssubjekte einvernehmlich regeln (wenn sie dies wollen und können …), steht auf einem völlig anderen Blatte. Jene Legitimation wird durch § 221 nicht begründet, sondern dezidiert vorausgesetzt – sie kommt nämlich schon von § 217 (vgl Rn 15). Das gilt zur objektiven Regelungsbefugnis (iSv S 1 Hs 2: welche Rechtsstellung? [Rn 22–27]) wie auch zur subjektiven Planunterwerfung (iSv S 1 Hs 2: wessen Rechtsstellung? [Rn 36–46]). Hier (rück-) bezieht sich § 221 S 1 auf § 217 und spiegelt dessen Vorgaben sinngemäß. Es geht um jene Kombination aus objektiven (§ 217 Rn 38–43) und subjektiven (§ 217 Rn 35–37) Aufgreifkriterien, die dort schon präzis vorgezeichnet werden. Jegliches kann im Plan gestaltet werden, was diese Schranken wahrt. Doch existieren auch ergänzende Sonderregelungen, erweiternde (dazu Rn 63 mit 58) wie begrenzende (dazu Rn 64). Eine solche Regelung bringt hier unmittelbar gleich anschließend § 221 S 2. Er vergrö- 63 ßert die subjektive Regelungsmacht der Plangestaltung durch „Inpflichtnahme“ des Insolvenzverwalters – parallele Ermächtigungen enthalten § 258 I iVm § 259 I S 2, § 259 III S 1, § 260 I/III, § 263 (dazu Rn 92–94), indes aber uU auch des Insolvenzgerichts (§§ 248a, 249, 258 I). Änderungen der objektiven Regelungsmacht gegenüber unmittelbar schon Betroffenen enthalten § 251 III (dazu Rn 96), § 255 III S 1 (dazu Rn 91), § 264 I – es geht idR hier um Vollrangige, aber um eine Wirkungserstreckung von Planvorschriften – an sich ja ganz unverfügbar (vgl § 217 Rn 32) –, und zwar über das engere Planverfahren hinaus. Das macht diese leges speciales hier überhaupt erst notwendig. Den positiven Erweiterungen stehen geringe negative Eingrenzungen regulärer Dispo- 64 sitionsmacht gegenüber – das sowohl zugunsten von Vollrangigen (§§ 225a II S 2, 255 III S 2), (bestimmten) Absonderungsbefugten (§ 223 I S 2) wie (Einzelgruppen von) Nachran-

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Um praktische Abläufe zu reflektieren. BT-Drucks 12/3803 S 135 re. Sp. [BReg: Nr 18] (Hervorh vom Verf) – Textvorschlag:

S 135/136 – Textübernahme: BTDrucks 12/7302 S 108 re. Sp. mit S 185 li. Sp. [RA: Nr 164].

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gigen (§ 225 III). Hierher zählt – faktisch – auch das Verfahren zur Feststellung der Forderungen von Insolvenzgläubigern (§§ 174 ff), wenn man es für voll „planfest“ (scil. unverfügbar) erachtet, so wie das der hM entspricht (Näheres siehe bei § 217 Rn 51). Nicht gleich auf ersten Blick klar als wirkliche Einschränkung erscheint § 228, der wohl wichtigste Fall einer Begrenzung, welche indes eher als Ausweitung (siehe auch schon Rn 57 aE) daherkommt. Der eher recht positive Wortlaut (S 1: „können … in den gestaltenden Teil … aufgenommen werden“) trügt:101 Die Inhaltsvorgabe, von welcher § 221 [S 1] absieht und dadurch Gestaltungsfreiraum schafft (dazu Rn 19, 55), ist hier für alle Verfügungsakte quasi nachgetragen worden: es ist bloß eröffnet (aber eben auch: zwingend), die einzelne Willenserklärung planerisch nachzuzeichnen („können heißt müssen“). 65 (2) Verlangt wird außerdem eine Gestaltungsklarheit, die man gern auch mit dem Erfordernis bestimmter Bezeichnung umschreibt. Dahinter stecken aber relativ disparat erscheinende funktionale Anforderungen, die zT auf anderweitige Zusammenhänge reflektieren (siehe gleich unten Rn 72 ff). Prozessuale Gestaltungsakte implizieren demungeachtet aus sich schon heraus meist auch die Notwendigkeit genügend bestimmter Regelung (sog gebundene Gestaltung [arg § 308 I ZPO] – im Unterschied zu ausnahmsweise freier richterlicher Gestaltung, zB § 938 I ZPO; §§ 315 III S 2, 319 I 2, 343 I 1 BGB102). Die Planregelung ist zumindest insoweit besonders, als drei Stadien existieren: Planvorlage (Verfasser), Entscheidung (Beteiligte), Bestätigung (Gericht); es handelt sich dagegen um einen erkennbar gebundenen Entscheid (arg §§ 218 I S 1, 240 S 1), vorbehaltlich der Sonderregelung des § 221 S 2. Jede Gestaltung muss aus sich heraus klar präzisiert (scil. „festgelegt“: § 221 S 1 bzw § 254 I) sein. Das ist ureigen die Aufgabe für die Ausgestaltung des Insolvenzplans, um Effekte zu erzielen. 66 Dieses verlangt einmal objektive Festlegung in einer unmissverständlichen Weise; spätere Auslegung (dazu Vor §§ 217 ff Rn 241–243) scheint lediglich ein Notbehelf, um Offenheiten noch auszubügeln, dh sollte nicht zur Regel werden.103 Veranschaulichung geben dazu die Einzelvorschriften: Anzugeben ist demnach als Gestaltungsinhalt ein genauer Bruchteil für Kürzungen (§ 223 II Var 1, dort Rn 24; § 224 Var 1, dort Rn 25; § 225 II), der exakte Zeitraum von Stundungen (§ 223 II Var 2, dort Rn 28; § 224 Var 2, dort Rn 27; § 225 II), die konkrete Sicherungsart (§ 224 Var 3, dort Rn 28; § 225 II) – hiermit steht das genaue Maß für andere, eröffnete Gestaltungen (arg § 223 II Var 3; § 224 Var 4; § 225 II – „Reihenargument“). Sie müssen sich ferner auf einzelne Objekte beziehen (§ 223 II: „die Rechte“ bzw §§ 224, 225 II: „die Forderungen“ – sehr detailliert dazu § 228 S 2 und 3, dort Rn 25–29 – Gestaltungsobjekt), dh die Spezialisierung des maßgebenden Bezugspunkts ist sicherzustellen. Was das Gesetz bei den Folgeregelungen scheinbar spielerisch beiläufig präsentiert, fällt die Regel aus, die durchgängig Geltung als Prinzip beansprucht: Rn 74 iVm § 224 Rn 19. 67 Man denkt zunächst an die materielle Komponente, die zweifelsohne ganz entscheidend ist (vgl Rn 65 aE): ohne Gestaltung, keine Abänderung! Gestaltungsklarheit hat aber zudem noch die förmliche Komponente, dass nur bestimmte Planteile zählen: nötig ist zudem die Festlegung als Gestaltung und also die spezielle Verortung im Gestaltungsteil des

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Dies übersieht etwa BK/Paul InsO60 § 228 Rn 1: „Änderungen … zu erleichtern“. Schlosser Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile (1966), § 9, S 68 f mit S 75 ff. So nun auch BGH NJW-RR 2018, 817, 820 {38–40} [III 6a] – Gegenbeispiele: eventuell unmögliche Bedingung (BGH ebd S 821

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{42 ff} [III 6b]; „Plankette“ verschachtelter Änderungen (AG Hamburg, B v 19.04.2016 – 67c IN 232/13 [II 1] {19} – dort als Fall von Rn 78), dazu vgl auch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 124 ff.

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Insolvenzplans. Dort sind alle, aber auch bloß jene Abänderungen genau festzuhalten, welche Wirkkraft entfalten sollen104 („Exklusivitätsprinzip“ bzw Vollständigkeitsgebot [Sonderfall: S 2] – vgl auch erg Rn 16 f). Schwieriger zu beantworten ist demgegenüber, inwieweit uU Auslegung hilft oder ein Ausdrücklichkeitsgebot gilt.105 Inhaltlich spricht jedoch mE nichts dagegen, im Einzelfall nachträglich abzuklären, was gemeint war (dazu Vor §§ 217 ff Rn 241–243). Dazu kommt das Gebot nach subjektiver Festlegung. Dazu bemühen alle Einzelvor- 68 schriften erst einmal aber Kollektivbenennung: „für die absonderungsberechtigten Gläubiger“ (§ 223 II), „die nicht nachrangigen Gläubiger“ (§ 224), „für jede Gruppe [!] der nachrangigen Gläubiger“ (§ 225 II) sind im Plan (bzw seinem gestaltenden Anhalt) Angaben vorzunehmen. Dies nimmt – arg § 222 iVm § 226 I – nicht Wunder: „Bei der Festlegung der Rechte [oder treffender wohl angesichts § 221 S 1: „Rechtsstellung“] der Beteiligten im Insolvenzplan sind Gruppen zu bilden, …“ (§ 222 I S 1 Hs 1), innerhalb herrscht alsdann Gleichbehandlung (§ 226 I), was konkrete Personifizierung erübrigt. Dies zeigt, dass Gruppenbildung mindestens auch ein Teil der Gestaltung ist (siehe dazu bei Rn 39, 82), zumal jene die Brücke schlägt zwischen kollektiver Bezeichnung und subjektiver Festlegung – am Ende herrscht volle Klarheit, für wen individuell nun was ganz persönlich denn festgelegt wird. Man kann dies zum allgemeinen Rechtsgrundsatz der Gruppenbezogenheit der Rechtsgestaltung verdichten.106 Eidenmüller, der diese Formel geprägt hat, anerkennt indes zu Recht Ausnahmen einer 69 sog „gruppenfreien“ Ausgestaltung.107 Er meint zum einen alle verwertungsbezogenen Regelungen (§ 217 S 1 Var 2a), zum anderen die Regelungen auf einer freiwilligen Basis. Richtig ist allemal, die Art, Form, Weise etc der Regelung zu beachten. Ich möchte demgegenüber drei Formen scheiden: (a) Verfahrensgestaltungen, die noch keine unmittelbare individuelle Bezugsperson haben; hierher zählen neben Verwertungsregelungen (im Unterschied zu Befriedigung [Var 1] und Verteilungen [Var 2b]) auch sicherlich verfahrensändernde Regelungen (§ 217 S 1 Var 3), welche abstrakt-generell wirken. (b) Personenfixierungen, insbesondere auf Gemeinschuldner und Insolvenzverwalter,108 welche „gruppenfrei“ (aber nicht auch „zwangsfrei“!) stehen, dh Regelungen, die von vornherein nur auf Individuen abzielen (können); man sollte dies jedoch nicht auf anderweit Mitwirkende ausdehnen, da sie eben immer freiwillig mit dazutreten. (c) Gruppenparallelität, die quasi dazwischen liegt und weder alle betrifft noch Einzelne, aber sich – wieso auch immer – doch über bestimmte Gruppen erstreckt (arg § 225 I). (3) Inhaltlich hat die Gestaltung schließlich Fairnessgrundsätze einzuhalten, die strikte 70 oder weiche Beachtung fordern. (3a) Strengste Beachtung erfordert augenscheinlich das Gleichbehandlungsgebot (§ 226 I) oder besser noch gesagt: das Gebot der intragruppalen Gleichbehandlung. Es markiert – bezogen auf die Gruppe! – eine relative Höchstgrenze; ein Zusatzvorteil für Einzelne ist rechtswidrig (arg § 226 III), ein Zusatznachteil für einzelne bestimmte Personen ist statthaft bei Zustimmung (vgl § 226 II). Es findet amtswegige Beachtlichkeit (dazu § 226 Rn 40 mit Fn 122). Dagegen ist „plangestaltend“ (iSv Rn 68) nun möglich, gruppenbezogen zu differenzieren (als Erweiterung des § 8 II VglO vgl § 226

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HK/Haas InsO9 § 221 Rn 3 im Anschluss an HK/Flessner InsO6 § 221 Rn 7. En passant so (vorbehaltlich der Sonderregelung des § 225 I) HK/Haas InsO9 § 221 Rn 3 mit 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 5; wohl am Ende so auch BK/Breutigam InsO14 § 224 Rn 5.

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MünchKommm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 14. MünchKommm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 15. Jedoch uU ebenso Einzelpersonen: arg § 226 II.

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Rn 8 bzw Vor §§ 217 ff Rn 9, 46, 56 iVm 101, 113, 166). (3b) Zudem gilt – bezogen aufs normale Liquidationsverfahren – ein Verschlechterungsverbot mit einem stärker interguppalen Fokus,109 welcher quasi die absolute Untergrenze markiert.110 Es fehlt an einer gesetzlichen, „starren“ Mindestquote (im Unterschied zu § 7 I 2 VglO [Mindestsatz: 35 %], vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 85, 87, 166 „versus“ Rn 40, 80). Niemand soll dennoch aber – gegen seinen Willen! – „voraussichtlich“ schlechter gestellt werden als „ohne einen Plan“ (§ 245 I Nr 1 bzw § 251 I Nr 2111 – dazu auch § 224 Rn 20). Das Gebot wirkt weicher, weil es eine vorherige Gegenwehr verlangt, sei es als Kollektiv oder Individuum, dh Affirmation darüber hinweghilft. (3c) Keine Fairnessschranke, sondern dogmatisches Erfordernis gestaltender Wirksamkeit, ist das Bestimmtheitsgebot (das noch von § 7 I 1 VglO einst festgeschrieben wurde: Rn 73 f iVm § 224 Rn 3, 9 f, 20).

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c) Sonstige rechtliche Schranken. Der Plan wirkt im Falle rechtskräftig erfolgter Bestätigung als privatrechtsgestaltender Akt (dazu Vor §§ 217 ff Rn 266 iVm 234–236) – materielle Wirksamkeit der Gestaltung vorbehalten (vgl Rn 59 f). Ersetzt wird demnach bloß der Abschlusstatbestand, nicht auch die Rechtswirksamkeit. Das gilt erst recht außerhalb dieses Bereiches zivilrechtlicher Auswirkung. Es sind ebenso sonstige rechtliche Vorgaben zu beachten, wie etwa des Polizei- und Baurechts (Störerhaftung?), des Kartellrechts (§§ 35 ff GWB, Artt 101 ff AEUV112), des Gewerbe oder Berufsrechts,113 des Grundstücksverkehrsrechts (§§ 2 ff GrdStVG) etc sowie auch insbesondere etwa des Steuerrechts (Billigkeitserlass? – Näheres siehe Vor §§ 217 Rn 199 ff, 202–209). § 272 RegE hatte hier – im Anschluss an EB LS 2.2.8 – einst noch vorgesehen, wenigstens bei der Darstellung dazu aufzuklären, ob entsprechende (Zusatz-) Erfordernisse vorliegen (Var 1), verbindlich zugesagt sind (Var 2) oder allein erwartet werden (Var 3). Die Vorschrift wurde gestrichen (dazu § 220 Rn 14), zeigt aber heute noch deutlich, dass der Plan selbstredend niemals gestaltend darüber hinweghelfen konnte oder auch bloß wollte:114 Grundmaxime eigenständiger Betrachtung. 4. Bestimmtheitserfordernisse

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Vielfach werden außerdem zusätzliche Bestimmtheitsanforderungen aufgestellt, die auch lange vergleichsrechtliche Rechtstradition haben (dazu siehe gleich Rn 73), ohne dass man sich immer darüber im Klaren ist, dass schlussendlich verschiedene Funktionskreise angesprochen sind. Entsprechend der Wirkrichtung ist sinnvollerweise nämlich weitergehend zu unterscheiden zwischen struktureller Bestimmtheit (dazu Rn 73 f) und funktioneller Bestimmtheit (dazu Rn 75–79).115 Erstere betrifft die Voraussetzung der Erzeugung von Planwirkungen, letztere ihre konkrete rechtliche Umsetzung und also am Ende die 109

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Mit Blick auf § 222 II/III, nicht I – unterschiedliche Rechtsstellungen bleiben „liquidationsbezogen“ (scil. hinsichtlich des Regelablaufs) autonom, dh es geht insoweit mehr um „Kanngruppen“ und „Sollgruppen“. Daneben gilt genauso eine absolute Obergrenze: § 245 II Nr 1 und III Nr 1 bzw § 247 II Nr 2. Das zielt auf unterschiedliche Fallgestaltungen: die ablehnende Gruppenmehrheit (§ 245 I Nr 1 – Obstruktionsverbot; Präventivkontrolle) bzw -minderheit (§ 251 I Nr 2 – Minderheitenschutz; Repressivkontrolle).

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Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 219–221 Rn 64. Solche Verfahren verlaufen eigenständig: BGH DNotZ 2007, 552, 553 {11} [II 1a]. EB Mot S 172 bzw BT-Drucks 12/2443 S 203 li. Sp. (vor allem mit Blick auf GWB und GrdStVG). Womöglich deutet darauf gar BGH NJW 2015, 2660, 2661 {8} [B II 2a] = ZIP 2015, 1346 = WM 2015, 1291 = DZWIR 2015, 560 = KTS 2016, 221 („ob der gestaltende Teil des Insolvenzplans für die unmittelbare Gestaltungswirkung und [!] die Vollstreckbarkeit bestimmt genug ist“).

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Wirkungskraft des Insolvenzplans. Man kann auch von Planungsvorgabe und Wirkungsvorgabe sprechen, muss sich immer bloß auch vergegenwärtigen, dass die Beteiligten den Plan auf „ihre“ Rechtsfolge herunterbrechen, dh danach abstimmen werden. a) Strukturelle Bestimmtheit. In eher engerem Sinne scheint Bestimmtheit ein (Grund-) 73 Erfordernis gestaltender (Rechte-) Abänderung (iSv Rn 70 [c] mit Rn 65–68) und wurde deshalb auch von § 7 I S 1 VglO explizit in bündig formulierten Worten so verlangt:116 „Der Vergleichsvorschlag muss bestimmt sein.“ Man meinte ganz global damit: zweifelsfrei, widerspruchslos (scil. Nichtbestehen innerer Perplexitäten), erschöpfend („den Umständen nach“);117 Sonderfall war allerdings der sog Liquidationsvergleich, § 7 IV VglO. Zum Zwangsvergleich war Bestimmtheit gleichsam nur mittelbar eingefordert (§ 174 KO): „Der Vergleichsvorschlag muss angeben, in welcher Weise die Befriedigung der Gläubiger erfolgen … soll.“ Die Motive118 sagen klarer, was gemeint war: „Der Akkordantrag muss einen bestimmt formulierten Vergleichsvorschlag enthalten, insbesondere auch angeben …“. Das nicht zuletzt darum, dem Verfahren von Beginn ein rechtlich klares Fundament zu verschaffen, um Rechtszwang gegen Absenter und Dissenter zu rechtfertigen. Deren „Berührtsein“ musste offenliegen. Beides findet sich heutig wieder:119 inhaltliche Konkretisierung (§§ 223 II, 224, 225 II – 74 nur sehr sanft § 225a II S 3 und III Hs 2 [Regelbeispiele]) wie gestaltende Rechtswirkungen (§ 254 I iVm § 221 S 1) – damit sind gleichzeitig auch der Verfahrensbeginn (Planvorlage) und das materielle Verfahrensende (Rechtskraft der Bestätigung) angesprochen, welches schon zur praktischen Handhabung weiterführt. Die strukturelle Bestimmtheit ist somit stärker grundlegende verfahrensinterne Bestimmtheit, die schon gezielt durch die Einzelregelungen abverlangt wird, dh nur indirekte Verortung erheischt (§ 224, dort Rn 19 „versus“ Rn 18; § 225 II; § 223 II, dort Rn 21 „versus“ Rn 21). Davon zehrt im Grund schon § 221 S 1 (dazu bei Rn 66). Jene Regeln bringen ferner eine Fokussierung auf den Gestaltungsteil – das heißt aber weder, die Darstellung (§ 220) dürfte „blumiger“ erscheinen und könnte mithin handfeste Präzision missen lassen (vgl § 220 Rn 48, 52), noch dass eine Planauslegung ganz ausgeschlossen wäre (dazu Vor §§ 217 ff Rn 241–243). b) Funktionelle Bestimmtheit. Die Verwirklichung der Planregelungen des Insolvenz- 75 plans bedarf zum Erfolg des praktischen „Schulterschlusses“ mit den materiellen Rechtsbeziehungen, nicht bloß der am Planverfahren Beteiligten untereinander; das bewirkt der Plan als solcher (§ 254 I) – für Personen („Beteiligtenbegriff“: Rn 36–46120) und auch deren Position („Rechteänderung“: Rn 22–27), seien Betroffene aktiv geworden oder passiv geblieben (§ 254b Hs 1), seien sie zustimmend oder ablehnend (§ 254b Hs 2).121 Der Plan muss ebenso gegenüber der Außenwelt gelten, obwohl er selbst allein inter partes wirkt (§ 254 I: „für und gegen alle Beteiligten“ – seien dies auch viele!), nicht erga omnes (wie zB 116

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Im Anschluss an § 41 I Nr 1 Hs 1 GAVO/nF: „bestimmten Vergleichsvorschlag [vorzulegen]“. Bley/Mohrbutter VglO4 § 3 Rn 13 [b]. KO-Mot S 408 = Hahn IV S 362 (ohne die Hervorh des Originals) Siehe auch schon EB Mot S 172 [zu LS 2.2.7 aE]: „genau zu bezeichnen, damit keine Zweifel darüber aufkommen“. Ähnlich zielen dahin FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 8 („detailliert anzugeben“) und HK/Haas InsO9 § 221 Rn 3 („konkret formuliert“). Anders

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im Ansatz BK/Flöther/Wehner InsO36 § 219 Rn 3 [2. Abs]: Bestimmtheit der Darstellung [lapsus linguae?]. Beitretende werden durch ihre Zustimmung (vgl Rn 50) hinreichend konkret umschrieben! § 254b ist – entgegen engerem Wortlaut („Insolvenzgläubiger“) ein Ausdruck allgemeiner Gedanken (dazu vgl dort Rn 15); genauso en passant MünchKomm/Madaus InsO3 § 254b Rn 3 f.

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ein Scheidungsbeschluss [§ 1564 S 2 BGB] oder Auflösungsurteil [§§ 131 I Nr 4, 133 HGB]). Das trifft besonders die Gestaltung dinglicher Positionen (§ 228), relative Rechte seltener. Bedeutsam sind – mit Blick auf § 228 S 1 – hier besonders die verfügungsrechtlichen Anforderungen, sei es als echte Bestimmtheit122 (insb §§ 873/925; 929 ff, 1205 ff BGB) oder bloße Bestimmbarkeit (§§ 398 ff, 413 BGB). Dafür gilt das Spezialitätsprinzip, es geht um Übertragung individuell angegebener Sachen oder Rechte. Daher muss der Plan seine „Gestaltungsobjekte“ klar festlegen und abgrenzen und die erstrebten „Gestaltungsinhalte“ definieren (Typenzwang und -fixierung!). – Im Bereich schuldrechtlicher Plangestaltungen greifen noch einmal deutlich großzügigere Maßstäbe – am Ende reicht „Ermittelbarkeit“ oder gar bloß ein Festlegungsakt (arg §§ 315 ff BGB). Jenes aber überlagern inhaltlich dann die prozessualen („planinternen“) Anforderungen (siehe eben bei Rn 73 f), welche allemal engere Grenzen ziehen.123 Damit zusammen hängt dann die uU zusätzliche Notwendigkeit, registerrechtliche Anforderungen einzuhalten, sei es als Publizitätsakt bei Übertragung einer Immobilie (somit vor allem der Grundbucheintrag: § 228 S 2 iVm § 28 GBO: § 228 Rn 26), freilich ebenso fürs Handels-, Genossenschafts-, Vereinsregister bei Änderungen gesellschaftsrechtlichen Charakters (dazu § 225a Rn 91). Dabei kann die Vollzugsvollmacht für den Insolvenzverwalter (§ 254a II 3) eventuell Präzisionsmängel „ausbügeln“, notfalls mag insoweit ferner § 221 S 2 (dazu Rn 100–113) helfen. Meist wirken diese Eintragungen auch konstitutiv, sollten also zeitnah stattfinden, um Wirkungen zu erreichen. Für Insolvenzgläubiger schließlich ist die Titulierungswirkung entscheidend (§ 257 I und II), das führt auf weitergehende vollstreckungsrechtliche Anforderungen, auszufüllen gemäß allgemeiner Regel:124 objektive Bestimmtheit125 für den konkreten Leistungsinhalt (in Anlehnung an §§ 253 II Nr 2, 313 I Nr 4 ZPO: „Aus dem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan …“) und subjektive Bestimmheit der Betroffenen bzw Begünstigten (in Anlehnung an §§ 253 II Nr 1, 313 I Nr 1 iVm § 750 I S 1 ZPO: „ … in Verbindung mit der Eintragung in die Tabelle“ – Sonderfall: § 257 II). Endsummen sind idR zu beziffern,126 der Abschlag als Bruchteil (§ 224 Var 1) ist leicht hiernach – was genügt – rechenbar. Insgesamt gelten die allgemein bekannten Kriterien, notfalls muss insoweit eine eigene Feststellungsklage (§ 256 I ZPO) helfen, um Klarheit zu schaffen. Praktisch wird man aber letztlich um Offenheiten nicht herumkommen. Vollstreckungsrechtliche Bestimmtheit ist kein Dogma des Plans, sondern nur Mittel zum Zweck der „titulierten“ Befriedigung.127 Besonders bei Sanierung sind weitere Entwicklungen oft122

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 19; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 7 [?]; Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 219–221 Rn 73. Hier aA wohl Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 219–221 Rn 72. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 16 f; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 221 Rn 3 aE; HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 9; Andres/Leithaus/Andres InsO3 §§ 219–221 Rn 10. Beispiel: LG Hamburg NZI 2017, 970, 971 [II 2] (Rückstellungen für wiederauflebende Ansprüche nach Anfechtung).

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Vgl auch erg § 794 I Nr 5 S 1 aF ZPO – wegen der Neuregelung bei Münch ZNotP 1998, 474. Letztlich hindert nichts, auf Titulierung zu verzichten – niemals normativ (aA Brünkmans/Thole/Brünkmans § 8 Rn 123), sondern faktisch (zu Recht so MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 46 aE gegen Smid ZInsO 1998, 347, 348). Wurde verkannt durch BGH NJW-RR 2018, 817, 821 {42 f, 48 f} [III 6b/c], aber zB auch AG Hannover ZInsO 2016, 2093, 2094 [II 1b] – trotzdem stimmt dann S 2094/2095 [II 3a], siehe dazu bei Rn 73 f.

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mals schwierig nur abbildbar – mehr ginge dann aktuell meist noch nicht (eine Not wird zur Tugend …). Hier müssen dann zuweilen schlichte Anspruchsbegründungen herhalten128 – oder uU auch Treuhandlösungen mit Drittermächtigung (womöglich bereits gemäß § 221 S 2 Var 1, vgl Rn 107). Ein Plan kann also nicht sogleich unmittelbar vollstreckungsfähige Positionen schaffen, er muss dann allein die Gebote struktureller Bestimmtheit (dazu Rn 73 f) achten, um Mehrheiten zu beschaffen. Dies aber zielt mehr aufs Ganze. 5. Schlussfolgerungen Bloß damit kein falscher Eindruck entsteht, sollte man sich zum Schluss der maßgebli- 80 chen Grundregeln vergewissern: § 217 markiert die zentrale Weichenstellung (Bereichsoder „Sektorermächtigung“). Innerhalb der definierten Möglichkeit für prozessuale Gestaltungen sind Freiräume der Regelfall (Rn 19, 25, 55), Schranken die Ausnahmen (Rn 56– 74), die immer konkret besondere Rechtfertigung abfordern. Die größten Schranken enthält der – so besehen wohl allemal zu unscheinbare – § 228: Beschneiden dinglicher Wirkmacht (Rn 48, 57, 64). Im Übrigen ersetzt die präzise Planung, insoweit prozessual wirksam geworden, den materiellen Abschlusstatbestand, nicht auch die sonstige Wirksamkeit der Regelung (Rn 59 f, 71). Außerhalb dieses Bereiches für abstrakt mögliche Planinhalte spricht die Vermutung gegen Freiräume, Erlaubnis zur „Beplanung“ ist Ausnahme und besonders begründungsbedürftig („Einzelermächtigung“: Rn 63 mit 46).

IV. Gestaltungsvarianten (insbesondere §§ 221–228) 1. Allgemeine Grundlagen Die Gestaltung ist Ausdruck und Ausformung von Planziel und -konzept (näher dazu 81 Vor §§ 217 ff Rn 39–40 bzw 45–50), gleichsam ihr Herzstück (sie prägt den Typus aus – nicht anders herum!). Mit ihr gerinnt die Planidee zum Ansinnen „abweichende[r] Regelung“ iSv § 1 S 1 Hs 3, dh zur Modifikation des Regelablaufs (§ 1 S 1 Hs 2) im gemeinsamen Interesse maximaler Befriedigung (§ 1 S 1 Hs 1) – nötig sind dafür noch mehrheitlich erfolgte Zustimmungen (§§ 241–247), möglicherweise der Eintritt von Planbedingungen (§ 249, hier Rn 89–91 bzw dort Rn 4–10) und nachfolgend rechtskräftige Bestätigung (§ 248 iVm §§ 250–253). Allein schon mit Blick aufs förmliche weitere Prozedere müssen notwendig jedoch Gestaltung und Darstellung als Teil eines Gesamtkonzepts (dazu § 219 Rn 15–18) inhaltlich kohärent erscheinen: der Plan muss die Konzeption samt Vor- und Nachteilen im darstellenden Teil präsentieren, hierfür Überzeugungsarbeit leisten und gestalterisch schlüssig verwirklichen. Die Plangestaltungen erfolgen rechtlich doppelt angeknüpft (§ 221 S 1 Hs 2): posi- 82 tionsbezogen („Rechtsstellung …“: Rn 22–27) und adressatenbezogen („ … der Beteiligten: Rn 36–46). Sie werden idR verfeinert, dh gruppenspezifisch, definiert (§ 222 I S 1 Hs 1: „[Insoweit] sind Gruppen zu bilden“). Die Gruppenformierung rechnet damit zum Gestaltungsinhalt, wiewohl indes die Begründung dafür (warum welche Gruppen?) – wie auch sonst – sich zum erklärenden Darstellungsinhalt dazugesellt (vgl § 219 Rn 12 bzw § 222 Rn 54, 120). Die Gestaltung wirkt inhaltlich jeweils individuell, trotz ihres abstrakt-gene128

Sehr pointiert dazu Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 224 Rn 6 – ebenso auch zB HK/Haas InsO9 § 221 Rn 3; K Schmidt/

Spliedt InsO19 § 221 Rn 4, eher zweifelnd hier Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 7 bei/mit Fn 16.

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rellen Inhaltes, ebenso wie bei Normen; anders als bei Normen kann der Plan genauso konkretere Regelungen treffen (zB Eigentumszuweisung an Rechtspositionen, § 228) oder persönliche Gestaltungen implizieren (insbesondere betreffend des Verwalters [Rn 46, 63, 100 ff] sowie auch des Schuldners [§ 227] – und rein faktisch auch bei „Einergruppe“ regulär Betroffener: § 222 Rn 55). Möglich sind dazuhin Regelungen mit global-kollektivem Inhalt, welche sämtliche Verfahrensbeteiligten gleich betreffen oder sich mindestens gruppenübergreifend auswirken, dh unabhängig von der jeweiligen Rechtsstellung (§ 222 I S 2: „Mussgruppen“) bzw Interessenlage (§ 222 II: „Kanngruppen“) eingreifen. Hierunter fallen die spezifisch verfahrensgestaltenden Regelungen (insb Planbedingung [§ 249], Ermächtigung zur Weiterführung von Anfechtungen [§ 259 III], Plankontrolle [§§ 260 ff]), aber zB auch Ausschlussnormen (mit Blick auf § 189: Rn 86) und Regelungen des Wiederauflebens (iSv § 255 I) dürften jeweils – ungeachtet individueller Konsequenz – hierher rechnen. Was sinnvoll ist, entscheidet dann der Verfasser und sein Plankonzept. 83 Die Folgevorschriften129 (§§ 222–228) beschreiben drei verschiedene Regelungskomplexe: (a) Gruppenbildung als Rechtfertigung inhaltlich differenzierender Behandlung (§ 222 – „Außensicht“), inbegriffen die gruppeninterne Gleichbehandlung als „Kontrapunkt“ (§ 226 – „Innensicht“) und allgemeingültige Gestaltungsmaxime (vgl Rn 39, 68, 70 [a]); (b) abstrakte Möglichkeiten „rollenspezifischer“ Plangestaltung (§§ 223–225a, 227), wobei hier regelmäßig dann die Insolvenzgläubiger (§§ 38/39) die zentralen Verzichtsleistungen erbringen (§§ 224/225 [„Aktivseite“] bzw § 227 [„Passivseite“]), aber der Plan weiter auszugreifen vermag (§§ 223, 225a); (c) konkrete Möglichkeiten „rechtespezifischer“ Plangestaltung (§ 228), womit die Regel – zumindest teilweise – auf anfängliche Regelungsvorstellungen zurückkommt (siehe dazu oben bei Rn 2): es geht aber bloß um einzelne dingliche Positionen (§ 228 S 1 Hs 1: „Rechte an Gegenständen“: dort Rn 11) und auch nicht um „ganze“ Verfügungsakte (§ 228 S 1 Hs 2: „Willenserklärungen der Beteiligten“: hier Rn 48, 57, 64, dort Rn 12–17). Dahinter steckt im Grunde freilich eine halbherzig erfolgte Konzession des Gesetzgebers an vertraglich orientierte Erklärungen, die nach altem Recht gegriffen haben mögen, jedoch nunmehr versagen (Einzelheiten: Vor §§ 217 ff Rn 253–270); das erklärt die „Klammer“ aus § 221 einerseits („Eröffnung“: umfassende Gestaltungsfreiheit) und § 228 andererseits („Abschluss“: begrenzter Umsetzungsspielraum). Dazwischen liegen „geklammert“ die Gestaltungsregeln – förmliche (§§ 222/226 – lit a) und sachliche (§§ 223–225a, 227 – lit b). Der Konflikt ist weniger schlimm als es scheint, wenn man in § 228 den Versuch der Versöhnung der Plangestaltung mit bürgerlichem Außenrecht entlarvt – alsdann bleibt nämlich rechtslogisch die Führungsrolle bei § 221. Man kann schließlich drei Arten gesetzmäßiger „Einbindung der Gestaltung“ unter84 scheiden: (a) Kompetenzbestimmungen, als Erweiterung der Grundmaxime (§ 217 – „positive“ Kompetenzverschaffung130) oder verfügte punktuelle Schranke für über § 217 eben schon an sich direkt Planbetroffene (§§ 223 I 2, 225 III, 225a II S 2, 228, 255 III S 2 – „negative“ Kompetenzbeschränkung: Rn 44), letztendlich nur Sonderfälle! (b) Regelungsvorschläge als Orientierungsregeln (§§ 223 II, 224, 225 II) – ohne Zwang, darauf näher dann zurückzukommen; dieses scheint weniger deutlich im Verhältnis zu grundsätzlich plakati-

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HambK/Thies § 221 Rn 1 und K Schmidt/ Spliedt § 221 Rn 1 titulieren sie als „Detailregeln“ für die Grundnorm; FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 1 bezieht dies dagegen nur auf §§ 223–225; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 §§ 219–221 Rn 55 bezeichnet sie als „Überschrift“.

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Namentlich zur Einbeziehung des Verwalters (§§ 217 S 2, 259 III, 260, 263), aber auch betreffend die Abläufe des Verfahrens (§§ 251 III, 258 I) und bezüglich der Stellung der Gläubiger (§ 264 I).

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ver Freistellung, führt aber zum gleichen Ergebnis: ohne positive Regelung kein umsetzbares Plankonzept nach S 1 Hs 2. (c) Regelungsvermutungen, entweder negativen Inhaltes (Deklaration prinzipieller Freistellung: §§ 223 I 1, 225a I) oder positiver Form (gesetzlich „gedachter“ Planinhalt: §§ 225 I, 227, 255 I/II iVm III 1), so wie auch sonst andere dispositive Norminhalte wirken. 2. Ausschlussklauseln Der Plan erhebt einen klaren Universalitätsanspruch (§ 254b) – nur hierin wurzelt ein 85 Risiko: man müsste die ganze Schuldenlast (und ebenso die Aktiva …) erschöpfend und zuverlässig sowohl ermitteln wie abbilden können, um Zahlungsprognosen bzw Sanierungsrisiken realitätsnah planerisch abzubilden. Unsicherheiten resultieren namentlich aus (a) angemeldeten aber bestrittenen Forderungen (Verfahrensproblem), (b) bekannten, nicht zur Tabelle angemeldeten Forderungen (Wertungsproblem), (c) unbekannten, bereits begründeten Forderungen (Erkenntnisproblem). Das gilt für alle Insolvenzverfahren, für Plansanierungen indes in einer verschärften Weise (Liquiditätspolster?). Daher die Suche nach Planklauseln zur Problemlösung. Dabei muss man differenzieren zwischen Nachhaftung (Rn 87) und Teilnahme am Verfahren (Rn 86): Prozessuale Präklusivklauseln lassen die Forderung als solche unberührt, begründen 86 nur Nachteile im Verfahren für Untätigkeit oder Verzögerung und fußen auf einer mehrfachen Ermächtigung: Befriedigungsvorgabe (§ 217 S 1 Var 1b), Erlösverteilung (§ 217 S 1 Var 2b) und Verfahrensgestaltung (§ 217 S 1 Var 3); berührt wird hierbei nicht etwa die gestaltungsresistente (dazu § 217 Rn 44) Forderungsfeststellung (§§ 174 ff), sondern alleinig der Modus der künftigen Verteilung (§§ 187–189). Das eigens umzugestalten, bleibt gestattet.131 Meist wird eine Frist zur klageweisen Geltendmachung festgesetzt, in Anlehnung an die Feststellungsklage für angemeldete, bestrittene Forderungen (§ 189) – Fristbeginn mit Rechtskraft der Planvorgabe,132 die Fristdauer ist festzulegen.133 Für bestrittene Forderungen ist natürlich Feststellungsklage angezeigt (§ 257 I S 2 – Sachgrenze: § 259a), für Nachzügler bleibt allerdings nur Leistungsklage (Titulierung! – Zeitgrenze: § 259b). Materielle Ausschlussklauseln bezwecken, die Forderung zu zerstören; das passt weder 87 verfahrensrechtlich (arg § 222 II S 2 [dort Rn 99] bzw § 226 I [dort Rn 15) noch verfassungsrechtlich (mit Blick auf Art 14 I GG) und wurde zu Recht vom BGH derweilen auch verworfen.134 Vorrang genießt allemal das Feststellungsverfahren (§§ 174 ff) mit der (bloß

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BGH NJW-RR 2011, 51/52 {9} [II 1a] = DZWIR 2011, 65 = KTS 2011, 239 = NZI 2010, 734. BGH NJW-RR 2011, 51, 52 {12–14 mit 8} [II 1d] = DZWIR 2011, 65 = KTS 2011, 239 = NZI 2010, 734; BAGE 153, 271, 277 f {23–25} [A III 1 und 2] – im Unterschied zu § 189 I (Bekanntmachung des Verzeichnisses). Brünkmans/Thole/Brünkmans § 8 Rn 598, BK/Breutigam InsO14 § 224 Rn 6 mit Breutigam/Kahlert ZInsO 2002, 469, 470 f und MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 55 etwa orientieren sich an § 189 I (2 Wochen); dies toleriert im Grundsatz auch BGH NJW-RR 2011, 51 {5–8} [II 1 vor a].

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BGH NJW 2015, 2660, 2662 {14–16 mit 11} [II 2b bb] = DZWIR 2015, 560 = NZI 2015, 702 m Anm Madaus, best BGH NJW-RR 2016, 372 {2} = DZWIR 2016, 145 m zust Anm Skauradszun = NZW 2016, 170 m zust Anm Stephan; bereits zuvor BAG NZI 2013, 1076, 1078 f {30 ff} [B II 2b], wohl auch BAGE 153, 271, 279 {26} [A III 3]. Näheres siehe bei Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 547–550 [V]; Brünkmans ZinsO 2016, 245; Tresselt/Kamp DZWIR 2017, 501 – unter altem Recht Schreiber/Flitsch BB 2005, 1173. Hier anders (obiter) aber OLG Schleswig ZIP 2017, 1075, 1078 [II 3].

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Sechster Teil. Insolvenzplan

uU Rest-135) Nachforderungsbefugnis (§ 201 I) – innerhalb legislativ gesetzter, besonderer Schranken (§ 259a [Vollstreckungsschutz] bzw § 259b [Verkürzung der Fristen für Verjährung] – Art 1 Nr 44 ESUG136). Die Neuregelung (siehe aber auch schon EB LS 2.2.30 und 31) trägt klar den Rückschluss auf die Illegalität darüber hinausgehender, materiell verschärfender Klauseln. Erst recht fehlt eine gesetzlich verordnete materielle Präklusion137 (vgl auch erg § 262 S 2 e contr). 88 Es geht allein also um Ausschaltung verfahrensinterner Durchsetzung (iSv Rn 86 – also: Tabellenabschluss; Verfahrensende; Erlösauskehr). Trotz allem: Die offene Restforderung lastet als Hypothek auf der Sanierung – gemeinhin noch für ein Jahr (§ 259b). Für die ungemeldeten, bekannten Forderungen (vgl § 229 S 3) können freilich vorsorgliche Rückstellungen gebildet werden, bei angemeldeten, bestrittenen Forderungen muss man dies bei zeitgerechter Klageerhebung tun (arg § 189 II „versus“ III). Der ganz risikoaverse Planvorleger wird daher ein Rücklagenpolster nach Erfahrungswerten haben. Die Regel wirkt absolut, ist also im Plan nicht gruppenspezifisch noch herunterzubrechen;138 der nähere Forderungstyp bleibt unwichtig, und allenfalls der Gläubigertyp ist wesentlich (§§ 187–189 sehen auf Insolvenzgläubiger, nicht auf Absonderungsbefugte); letzteres sollte man mithin klarlegen. Die andere Möglichkeit verfahrensexterner Befriedigung (iSv Rn 87) bleibt unangetastet. 3. Planbedingungen

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Die gerichtliche Bestätigung des Insolvenzplans (§ 248 I) kann planimmanent näher determiniert sein. Das Gesetz sieht dieses vor (§ 249 – parallel wirken insbesondere ferner noch § 230 III [dort Rn 35] und § 225a III [dort Rn 34]). Eine solche sog Planbedingung als eine Art „Sollbruchstelle“ muss „im Insolvenzplan“ eigens festgelegt werden, dh in seinem gestaltenden Teil Niederschlag finden (dazu § 249 Rn 12–15). Hierfür gelten allgemeine Regeln jeder Plangestaltung, insbesondere Eindeutigkeit und Bestimmtheit (welche Leistungen, welche Maßnahmen?). Besonderheit der Planbedingung ist ihre globale Auswirkung (§ 249 S 1: „alles oder nichts“) und auch das Zeitfenster zur Erfüllung vor Bestätigung (§ 249 S 2: innert gerichtlich gesetzter, angemessener Frist!). Sie eignet sich mithin nicht in allen Fällen für planerisch „kreative“ Gestaltung. 90 Möglich solle deshalb hier dann gleichermaßen auch eine bürgerlich-rechtliche Bedingung sein (§ 158 BGB), sie fokussiert ohne Zeitgrenze auf Einzelaspekte der Planwirkungen; das sprengt jedoch allemal die prozessuale (!) Nomenklatur (siehe dazu schon Vor §§ 217 ff Rn 221) und wäre mE139 dann darum unstatthaft. Das Prozessrecht ist prinzipiell bedin-

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§ 254b iVm § 227 I: Universalwirkung der Plangestaltung (so wie namentlich einer Kürzung). BT-Drucks 17/5712 S 37 f [RV: Sicherung vor Gefährdung der Sanierung – im Anschluss an EB Mot S 203 f. BGH NJW-RR 2012, 1255/1256 {10 f} [II 3] = DZWIR 2012, 465; BAG NZI 2013, 1076, 1078 {29} [B II 2b]. Hier aA aber MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 60. Ebenso H-F Müller KTS 2002, 209, 215 f; en passant offenlassend BT-Drucks 12/3803 S 135 li./re. Sp. (§ 925 II BGB!). AA die hM:

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BGH NJW-RR 2018, 817, 821 {42} [III 6b aa]; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 27 f iVm § 217 Rn 44 (aber vgl auch Rn 33!); hinsichtlich auflösender Bedingung (§ 158 II BGB): MünchKomm/Huber InsO3 § 255 Rn 41; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 22; HambK/Thies InsO6 § 255 Rn 17; FK/Jaffé InsO9 § 255 Rn 35; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO73 § 255 Rn 24; HK/Haas InsO9 § 255 Rn 14. Völlig ohne Differenzierung hier leider Brünkmans ZIP 2015, 1052, 1060 [V 3] (§ 249 InsO als Bedingung iSv § 158 BGB).

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gungsfeindlich – die Berücksichtigung künftiger, ungewisser Ereignisse ist mit dem Ziel, Rechtssicherheit (§ 254 I) und Vollstreckungsmöglichkeit (§ 257 I und II) zu schaffen, gemeinhin nicht vereinbar (vgl aber immerhin doch erg § 726 I ZPO – spezifische Festlegung und Nachweisung abverlangt!). Dies spiegelt sich auch in der Regelung des § 249 wider, welche die Planbestätigung ganz bewusst bis zu dem Zeitpunkt hinausschiebt, in dem Klarheit über den Bestand des Plans erreicht wurde (Grenze: S 2) und ist für die dem Plan zugrunde liegenden Prozesshandlungen (dazu Vor §§ 217 ff Rn 245–248) ansonsten – jenseits gesetzlich bewusster Gestattung – anerkannt.140 § 249 wählt gezielt eine Klärung vor gerichtlich finaler Bestätigung, um untunlich erscheinende Schwebelagen zu vermeiden. Prozessual dagegen konzediert („Sonderbedingung“) ist die Wiederauflebensklausel 91 (§ 255); sie ist ausdrücklich (Abs 3 S 1) – zumindest teilweise (Abs 3 S 2) – ebenfalls planregelbar. Der Regelfall für Störungen bei Einzelgläubigern (§ 255 I: Nichterfüllung – lediglich „Verbesserungen“ für den Gemeinschuldner statthaft) wie bezüglich der Gesamtheit der Gläubiger (§ 255 II: Folgeinsolvenz – hierbei „Verböserungen“ für den Gemeinschuldner möglich) knüpft aber an anderweite Planregeln an, ist also nicht seinerseits regelungspflichtig (vgl dazu erg § 255 Rn 28).141 Gestaltungsinhalt ist die Regelmodifikation, sei es als Komplettausschluss eines „Wiederauflebens“, sei es als Veränderung oder Präzisierung ihrer Bedingungen (Abs 1: Fristen, Erheblichkeit, Mahnung), sei es als Entfallen des Totalerlasses bei (Folge-) Insolvenz (Abs 2 – str142 bzw § 255 Rn 55–57). 4. Verwalterrechte Den Planvollzug zu überwachen (§ 260 II: Erfüllung „planinduzierter“ Ansprüche143), 92 ist gleichfalls im Plan konstitutiv erst eigens festzulegen (§ 260 I: „Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans kann vorgesehen werden, …“ [Gemeinschuldner] bzw § 260 III: „Wenn dies im gestaltenden Teil vorgesehen ist, …“ [Übernahmegesellschaft]). Dabei kann auch die Verrichtung der Überwachung (§§ 261–269) weiter ausgestaltet werden: Benennung zustimmungsbedürftiger Geschäfte (§ 263 S 1 – bestimmte Bezeichnung notwendig144), Festlegung eines Nachranges von alten Massegläubigern oder neuen Regelgläubigern (§ 264 I S 1 iVm §§ 265/266 – individuelle „Aktivierung“ erforderlich: Abs 2), Bezeichnung eines Kreditrahmens (§ 264 I S 2 [EB LS 2.2.7 III lit a] – summenmäßige Fixierung erforderlich [iVm S 3: Deckelung]). Die Motive stellen anheim, andere Kontrollen zu initiieren145 – das geht dann aber nur mittels privatautonomer Zusagen (namentlich von Seiten des Schuldners), nicht etwa per Plangestaltung. Wenn man also insoweit Schuldnerzustimmung verlangt,146 dann meint das nicht eine Planergänzung, sondern quasi ein „selbständiges paralleles Nebengeschäft“.

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MünchKomm/Rauscher ZPO5 Einleitung Rn 426; Stein/Jonas/Kern ZPO23 Vor § 128 Rn 293; Braun ZPR (2014) S 472. Aber zB auch MünchKomm/Huber InsO3 § 255 Rn 12; HambK/Thies InsO6 § 255 Rn 2. HambK/Thies InsO5 § 255 Rn 17; HK/Haas InsO9 § 255 Rn 14; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO73 § 255 Rn 22, 24 – eher abl wohl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 32. Krit mit Blick auf Rechtsfolgeprobleme Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO68 § 249 Rn 8; FK/Jaffé InsO § 249 Rn 1.

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Anders der Ansatz der Insolvenzrechtskommission: Regelüberwachung mit Ausschlussbefugnis (EB LS 2.2.7 III lit b bzw LS 2.3.1). HambK/Thies InsO6 § 263 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 263 Rn 2; MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 5. BT-Drucks 12/2443 S 215 li. Sp. [RV]: „Alternativmodell“ auf Basis der Vertragsfreiheit. Umständlich MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 38–40 (inhaltlich wohl vermengend).

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Die Planüberwachung ist zusammenzusehen mit sonstiger nachwirkender Verwalterpflicht; gemeint sind hiermit § 221 S 2 und § 259 III. Darunter fallen drei Erscheinungsformen: Erstens, die Durchführung des Planvollzugs (S 2 Var 1: „Durchführungsermächtigung“ – Einzelheiten: Rn 105–107); zweitens, die Möglichkeit, Planmängel im Nachgang zu beseitigen (S 2 Var 2: „Berichtigungsermächtigung“ – Einzelheiten: Rn 108–112), verlangt ist zusätzlich die Bestätigung des Gerichts (§ 248a). Beide Formen kamen später hinzu (Art 1 Nr 17 ESUG, vgl Rn 8 f) und sind nicht so recht wohl ins klassische Normensystem integriert. Man kann S 2 auch als eine Art „Hilfsregel“ für S 1 betrachten. Wegen Einzelheiten siehe Rn 100 ff. 94 Möglich ist drittens, dem Verwalter zu gestatten, Anfechtungsprozesse zu beendigen (§ 259 III S 1 [EB LS 5.18 I S 1 und 2] – Prozessführungsermächtigung, „wenn dies im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist“). Der Praxis reicht die globale, allgemeingehaltene Klausel („§ 259 III [S 1] InsO findet Anwendung“),147 sie gestattet indes auch einen Ausschluss einzelner Verfahren148 – das passt nur schlecht zu üblichen Bestimmtheitsanforderungen149 (was genau ist alles?). Der Plan sollte selbst doch die nötige Klarheit verschaffen, keinerlei „Freibriefe“ verteilen und deswegen Einzelermächtigungen vorsehen! Dieses nützt auch der Verwaltertätigkeit im Anfechtungsprozess (arg § 56 I ZPO). Die Ermächtigung wirkt gemeinüblich „für Rechnung des Schuldners“ (§ 259 III S 2 Hs 1), der auch seine ursprüngliche Verfügungsmacht zurückgewinnt (§ 259 II S 2) – mit Gestattung abweichender Gestaltung „im Plan“ (§ 259 III S 2 Hs 2), dh im insoweit gestaltenden Planteil (dazu § 259 Rn 32 f). Eine derartige „Prozessfolgenregelung“ [EB LS 5.18 I S 3 bzw II] kann man im Positiven (Erlös für die Masse) wie Negativen (Prozesskosten) gestalten – beides separat regelbar.150 5. Heilungsklauseln

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Bei sog „salvatorischen Klauseln“, ihre Zielrichtung ist die Bewahrung der Planregel und damit des (wirtschaftlichen) Gesamterfolges, ist demgegenüber zu differenzieren. Im materiellen Sinne versteht man darunter bei § 139 BGB Vorkehrungen, die die mögliche Restwirkung erhalten. Solche Regeln erachtet der BGH mit Recht als unstatthaft,151 zumal § 139 BGB bereits rechtlich keine Anwendung erfährt (Vorrang prozessualer Abläufe – vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 240), und also darum auch nie weiteres Modifikationsbedürfnis entsteht. Mit Bezug auf § 313 BGB kann man auch Vorsorgeregelungen für bei der Planerstellung unbekannte Sachverhalte darunter fassen (Absicherung der Vollwirkung – zB Abänderungsklauseln,152 Anpassungsregeln, Schlichtungsklauseln153). Das sprengt die Gren-

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So lautete die Klausel im Leitfall BGH NJW-RR 2006, 491, 492 {10 f} [II 2a], best BGH NJW-RR 2013, 823 {2} [1]. BGH NJW-RR 2013, 823 {5} [2b]: Differenzierungsgründe, best BGHZ 199, 344, 349 {17} [II 1a cc] = NJW 2014, 1386 = DZWIR 2014, 364 – siehe auch näher dazu Thole ZIP 2014, 1653, 1657 f. Der Kritikpunkt von BGH NJW-RR 2006, 491, 492 {11} (Anfechtung nach Abstimmung) ist heute obsolet (§ 221 S 2). Hierauf deutet bereits BT-Drucks 12/2443 S 214 re. Sp.

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BGH NJW 2015, 2660, 2663/2664 {27 mit 23} [II 2d bb (2)] = DZWIR 2015, 560 – m einschr Anm Madaus NZI 2015, 702, 703, eher skeptisch auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 8. Paul ZInsO 2006, 856, 859 (unter altem Recht), zust Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 1 aE (unter neuem Recht). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 77 aE. Das geht, wie eine „privatautonome Planüberwachung“ (iSv Rn 92), nur mit einem Einverständnis aller (somit praktisch nicht).

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Gestaltender Teil

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zen insoweit möglicher Gestaltung bzw missachtet nun den § 221 S 2 als lex specialis (dazu Rn 113 mit 93). Im prozessualen Sinne ist damit vor allem die statthafte Kompensationsklausel be- 96 zeichnet (§ 251 III S 1: „wenn im gestaltenden Teil des Plans Mittel … bereitgestellt werden“, vgl auch erg § 253 II Nr 2 Hs 2), um erfolgreichen Minderheitenschutzanträgen zuvorzukommen; Höhe, Art und Form der Ausgleichsfonds gegen Schlechterstellung (§ 251 I Nr 2) sind im Plan unmittelbar selbst festzulegen (dazu § 251 Rn 44–49). Diskutiert wird ebenfalls eine „Restitutionsklausel“, welche bereits im Vorfeld (§ 245 I Nr 1) greift und hierdurch einen Hemmschuh bei Anwendung des regulären Obstruktionsverbots beseitigt.154 Dies muss kein Geldausgleich sein, sondern vermag genauso andere Maßnahmen zu enthalten. Möglich wäre dazuhin, dass das Gericht im Vorfeld hier auf mögliche Bedenken hinweist (§ 4 InsO iVm § 139 III ZPO) und proaktive Anpassungen empfiehlt (§ 240). 6. Anderweite Regelungen Die Praxis hat jedoch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten entwickelt (in Ausnützung 97 des Spielraums nach Rn 19, 25, 55), von denen mit Blick auf § 217 beispielhaft zur Anschauung einige nähere Erwähnung finden sollen. (a) Var 1: Befriedigung aus Unternehmenserträgen oder Arbeitseinkommen (§ 243 II Nr 2 RegE);155 Stundungen und Teilerlasse (§ 243 II Nr 3 RegE) aller möglicher Arten, sowie auch jeder Rechtsverzicht (aber: § 228). (b) Var 2: Verwertung von Seiten eines Treuhänders (§ 243 II Nr 2 RegE); Festsetzung von Terminen für Auszahlung bzw Verzicht auf mögliche Abschlagsverteilungen;156 „Freigabe“ gewinnbringenden Geschäftsbetriebs gegen Einmalzahlung eines Plangaranten.157 (c) Var 3: Übertragung von Forderungen auf Treuhänder zur späteren Geltendmachung158 (arg § 228) – das verhindert, dass der (einstmalige) Gemeinschuldner die Verfügungsbefugnis wiedererlangt (was ansonsten Regelfall ist: § 259 I S 2 – Alternativen: § 258 I bzw § 221 S 2, vgl Rn 100 ff). (d) Var 4: verkürzte/sofortige Restschuldbefreiung159 (dazu Rn 56 aE) als gewissermaßen das Paradebeispiel, aber zB160 auch Übereignung statt Ausbezahlung (Abbedingung barer Ausschüttung, vgl § 224 Rn 29) bzw Gläubigerbeteiligung an Auffanggesellschaft (dafür Einvernehmen nötig: § 230 II).

V. Gestaltungskontrolle Der gesamte Plan als solcher unterliegt der rechtlicher Vorkontrolle (§ 231 I Nr 1) wie 98 Schlussprüfung (§ 250 Nr 1), daher auch der Gestaltungsteil;161 fehlerhaft ausgeführte Gestaltung wird regelmäßig die entscheidende Wesentlichkeitsschwelle überschreiten, wie insbesondere bei Ungleichheiten (dazu § 226 Rn 15) oder Unbestimmheit,162 kleinere Läss-

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Näheres siehe bei MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 44 ff. Nach HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 11 ein Fall von Var 3 [?]. LG Berlin ZinsO 2012, 326, 327 [II], zust K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 11. Nach HambK/Thies InsO6 § 217 Rn 10 ein Fall von Var 3 [?]. BGHZ 175, 86, 90 {10} [I 1] = NJW-RR 2008, 860 = NZG 2008, 304 im Anschluss an BGH NJW 1992, 2894, 2895 [I 2a] = ZIP

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1992, 1152 = WM 1992, 1407; K Schmidt/ Spliedt § 217 Rn 12 aE. Hänel/Harig ZVI 2015, 282, 283 f, zust K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 15; FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 68 (günstigere Gestaltung). Foerste InsR6 Rn 476. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 26. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 27 mwN.

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lichkeiten scheinen korrigierbar (arg § 221 S 2). Hier werden wohl Fehler eher wahrnehmbar als bei der Darstellung, zumal sich hier das unmittelbare Betroffensein hinzugesellt. Indes passt von vorneherein schließlich die gewöhnliche Faustformel (Auswirkungspotential für das Abstimmungsergebnis: § 250 Rn 7 f) insoweit nicht wirklich – es geht hier um rechtlich äußerste Schranken, das „Wesen“ jeder Planung (vgl Rn 15) und letztendlich ihre Realisierung. Das Gericht hätte deshalb schon gar keine Abstimmung zulassen dürfen (das Recht hierfür folgt aus § 231 I Nr 2 Var 2 – aber: § 231 Rn 29). Das ist vom Prüfauftrag allemal doch genauso inbegriffen163 und wird rasch deutlich, falls jedwede Gestaltungsmacht mangelt (dazu § 217 Rn 53). Darüber kann nämlich weder der Planwunsch von Vorlegendem und Beteiligten noch die (fälschliche) gerichtliche Bestätigung hinweghelfen. 99 Daneben treten zudem auch die weniger strengrechtlichen, stärker prognostischen Tatbestände der Vorkontrolle (§ 231 I Nrn 2 und 3) und die Überprüfung der Redlichkeit bei Schlusskontrolle (§ 250 Nr 2). Die sind auf den Plan als integriertes Gesamtwerk bezogen (§ 231 I Nr 2 [bloß Schuldnerplan], § 250 Nr 2 [auch Verwalterplan]) oder sogar ganz unmittelbar auf den gestaltenden Teil ausgerichtet (§ 231 I Nr 3). Entscheidend nämlich sind jeweils die inhaltlich versprochenen Leistungen, worüber indes die Beteiligten an sich selbst urteilen … (wirtschaftlich autonome Entscheidung). Diese Kontrolle – ausnahmsweise von ökonomischer Art – wurde teilweise aufs Gericht übertragen; darin blitzt ein kleines Stück des amerikanischen Gerichtszugriffs auf (vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 152-154 iVm 157 [c]). Zu beachten ist insoweit aber das demgegenüber verminderte („offensichtlich“) Prüfungsmaß (dazu § 231 Rn 32), welches gerichtliche Zurückhaltung vorgibt und einen Prognosecharakter gezielt ausdrückt: nur rechte „Luftschlösser“ werden ausgefiltert. Hierbei zählt mittelbar immer der Gesamtplan (Darstellung und Anlagen mit inbegriffen), denn was offensichtlich (un-) realisierbar ist, wird vom vorgelegten „Gesamtkonzept“ entschieden (Durchführbarkeit?).

VI. Hilfsregel (Satz 2) 1. Grundlagen

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Der mit dem ESUG ergänzte S 2 (dazu Rn 8 f) bringt Instrumente zur praktischen und effizienten Verfahrensdurchführung, um verbindliche Gestaltung zu unterstützen (dazu Rn 20). Dem Gesetzgeber dienten als Vorbild die notarvertraglichen Durchführungs- und Vollzugsvollmachten164 – was nicht stimmig erscheint, oder allenfalls dann, wenn man auf eine vermeintlich rechtsgeschäftliche Planrekonstruktion zurückgreift. Das falsche Bild erklärt das Prokrustesbett der Begriffswahl (Hs 1: „bevollmächtigt“). Selbst materiell gedeutet sollten neben Vollmachten (§§ 164 ff BGB – arg § 166 II S 1 BGB) auch sicherlich doch ebenso Ermächtigungen (§ 185 BGB iVm §§ 182–184 BGB) eingeschlossen werden;165 prozessual geht es aber um etwas völlig anderes, nämlich ein Zuweisen von Kompetenz oder genauer noch um Anpassungs- und Änderungsbefugnisse hinsichtlich des Planinhaltes, die ansonsten dem einzelnen Planverfasser zustehen und ein bestimmtes Verfahren durchlaufen müssen.

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Dies sehen per Saldo auch MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 126 und Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 28, ferner Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 219–221: „ungeschriebene[s], über-

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geordnete[s] Prüfkriterium der Einhaltung der Gesetzesmäßigkeit der Planregelungen.“ BT-Drucks 17/7511 S 35 f [RA]. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 71 f.

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Gestaltender Teil

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§ 221 S 2 gestattet eine mehrfache Kompetenzverschiebung im Vergleich zu § 218 [I 101 und II] iVm § 240: (a) In persönlicher Hinsicht ist lediglich der Verwalter (Hs 1: „Der Insolvenzverwalter kann … bevollmächtigt werden“) gefordert, das also auch bei „Auftragsplänen“ (§ 218 I S 1 Var 1 mit II) sowie vor allem bei Schuldnerplänen (§ 218 I S 1 Var 2 mit S 2); der Vorlegende mag indes selbst – freilich zeitlich wie sachlich begrenzt – immer ändern (vgl § 240 S 1, dort Rn 21–24 bzw 10–12). (b) In prozessualer Hinsicht entfällt die neuerliche Abstimmung (§§ 242–245) bzw Zustimmung (§§ 246–247), sicherlich das wichtigste Regelungsanliegen, indes bloß zT auch das Erfordernis gerichtlicher Bestätigung (§ 248a – bei Vollzugsfällen [Var 1] im Unterschied zu Berichtigungen [Var 2]). Der Bestätigungsakt des Insolvenzgerichts ist Korrelat fehlender Mitwirkung (rechtlich: Ermächtigungsschranken; praktisch: Schlechterstellungsschutz). (c) In zeitlicher Hinsicht ist entsprechend die abändernde Befugnis (gegenüber dem Regelfall, arg § 240 S 2: Abstimmungstermin) deutlich verlängert (zum präzisen Zeitraum bei Rn 102). Die zeitliche Prolongation ist aber durch ausdrückliche sachliche Einschränkung (Hs 2: zwei mögliche Tatbestände: Rn 105–107 [Var 1] bzw Rn 108–112 [Var 2] iVm Rn 9, 102) eingehegt. Eigentlich entfalten (Plan-) Regelungen erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Bestäti- 102 gung ihre gestaltende Wirkung (§ 254 I). Daher wird vertreten, dass die Ermächtigungen (erst) mit rechtskräftiger Planbestätigung und (nur) bis zur Aufhebung des Verfahrens wirken166 – beides ist falsch. Was den Wirkungsbeginn angeht, existiert ein Bedürfnis nach zeitnaher Korrektur [iSv Var 2] ohne weitere Abstimmung: vorher korrigiert der Vorlegende (§ 240), danach ist – freilich nur, wenn der Plan das vorsieht (dazu Rn 103) – hierzu der Verwalter befugt167 (was aber wohl nicht den Umgang mit Monita iSv § 250 I Nr 1 insgesamt prozessual erleichtert – Wesentlichkeitsschranke!) und vorbehaltlich gerichtlichen Einvernehmens (§ 248a). Dieses fällt entweder dann mit normaler Planbestätigung (§ 248) zusammen168 oder muss auch zuerst nachgeholt werden. Vollzugsfragen [iSv Var 1] stellen sich dagegen von vornherein vor einer Rechtskraft der Bestätigung gar nicht.169 – Die anschließende Wirkungsdauer ist – hinsichtlich des Rechtlichen (wegen des Faktischen siehe bei Rn 105) – ebenso wenig zu beschränken:170 Korrekturbedarf [iSv Var 2] wird sich im Lauf der Zeit erst herausstellen, und der Vollzugsbedarf [iSv Var 1] setzt erst die Planwirkungen voraus. Das gesetzliche Regelmodell des § 258 I würde dann den Ermächtigungszeitraum extrem schrumpfen lassen. Das lässt sich nun zwar auch per ergänzender Planregelung abbedingen, was indes idR ebenfalls ungewollt erscheint (arg § 259 I S 2). Inhaltlich hätte es einer Klarlegung in Anlehnung an § 258 II bedurft, freilich hilft wohl die Analogie: fortbestehende Verwalterkompetenz für ein nachlaufendes „Abwicklungsproblem“.171 Daher bedarf es hierzu weder Verwalterzustimmung172 noch Sondervollmachten.173

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HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 11. Das entspricht der hL: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 62; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 30; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 7 mit 248a Rn 2 – aA HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 11. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 62 und 66. Das sieht richtig MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 70. Das widerspricht der hL: Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 221 Rn 14 aE; K Schmidt/

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Spliedt InsO19 mit 248a Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 16 – sogar mit Blick auf Var 2 (letztendlich völlig unpraktisch!); HambK/Thies InsO6 § 220 Rn 15. AA HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 11, anders anschließend jedoch Rn 12 aE zur „Abwicklungsvollmacht“ (Var 1). Madaus ZIP 2016, 1141, 1148 [IV 1.3]. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 70; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 30 mit Fn 49.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

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Die Norm ist strukturell zweiteilig konzipiert. Hs 1 normiert den formalen Tatbestand („wer“ [„Der Insolvenzverwalter …“]; „Ob“ [autonome Befugnis]; „Wie“ [„ … durch den Plan“]). Jene Befugnis muss eigens erteilt werden – und zwar „durch“ den Plan, dh als Ausformung der Gestaltung (iSv S 1: Rn 15, 21, 29), gehorchend dem Willen des Verfassers, und folgend regulärem Verlauf (gem §§ 241 ff: Beteiligtenmehrheit, inkl Schuldnerzustimmung – wegen gerichtlicher Bestätigung siehe Rn 102); sie besteht nicht bereits kraft Gesetzes174 (im Unterschied zu § 254a II S 3). Die Ermächtigung von anderen Personen erscheint unzulässig175 (vgl Rn 101 [a] und 104). Hs 2 normiert die Befugnis in ihrem materiellen Sinne („Was“). Jene Reichweite der Gestattung wird in janusköpfig formulierter, infolgedessen alternativ oder kumulativ verwendbarer Erscheinung geregelt („Doppeltatbestand“). Dass man die beiden Tatbestände strikt unterscheiden muss, dies zeigt auch § 248a zur Notwendigkeit gerichtlicher Gegenkontrolle, der lediglich Berichtigungsfälle [Var 2] betrifft176 (dazu § 248a Rn 3). Die zwei Varianten177 (vgl Rn 9 iVm 101 aE) zeigen indes bloß die Schranken des Möglichen, der Planverfasser mag innerhalb dieser Vertypung inhaltlich die Befugnis von vornherein auch enger ziehen (demzufolge weniger Außenmacht erteilen). 104 Jene Befugnis ist zwingend eine Verwalterbefugnis (Hs 1 bzw Rn 67a [a]). Erfolgt das Planverfahren in Eigenverwaltung, fragt sich, wer alternativ dann zuständig ist (Sachwalter178 oder Schuldner179), es fehlt an einer Anpassungsregelung (bzw der ESUG-Ergänzung des § 284). Dabei darf man nicht so stark die vermeintliche Neutralität des Sachwalters hervorkehren – es geht um zielgerichtete Realisierung beschlossener Planvorgaben (dazu Rn 15, 17, 21). Für den Sachwalter spricht die ähnliche (Rechts-) Stellung (§ 284 I), umgekehrt bleibt die Verfügungsmacht beim Gemeinschuldner (§ 270 I S 1 – aber: § 275 I); ansonsten erfolgt im Übrigen Zuweisung (§§ 270c S 2, 279–285). Auf die Verfügungsmacht kann es aber ebenfalls nicht ankommen (arg § 259 I S 3); die Planumsetzung ist so oder so die Verantwortlichkeit des Gemeinschuldners. Man kommt doch indes zur Zuständigkeit des Sachwalters, wenn man eine gewisse Ähnlichkeit zur Überwachung billigt (§ 284 II analog).

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HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 11 („bei Bedarf“). Hier anders offenbar MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 71. Andres/Leithaus/Andres § 248a Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 11; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248a Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 14; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 31 aE „versus“ Rn 35; MünchKomm/Eidenmüller § 221 Rn 70 und MünchKomm/Sinz § 248a Rn 3 – hier aA wohl Braun/Braun/Frank § 248a Rn 1 und 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248a Rn 1 und 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 7. Dies sieht auch HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 11 aE („zwei verschiedene Aspekte mit unterschiedlichen Zielrichtungen“) iVm Rn 12–15. Ebenso (Doppeltatbestand!): K Schmidt/Spliedt § 221 Rn 7; HK/Haas

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InsO9 § 221 Rn 8 („nicht immer leicht abzugrenzen“); Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 3 und 29; FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 17 mit Rn 13 f; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 221 Rn 14; MünchKomm/Eidenmüller § 221 Rn 62 ff – aA jedoch uU (Einheitsregelung?): Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 219–221 Rn 5; Andres/ Leithaus/Andres §§ 219–221 Rn 7 [a/hh]; Braun/Braun/Frank §§ 219–221 Rn 12–14; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 221 Rn 2 f. Madaus ZIP 2016, 1141, 1148 [IV.1.3]; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 68, 74; HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 11; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 7 aE. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 36; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 14 aE.

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Gestaltender Teil

§ 221

2. Umsetzungsbefugnis (Var 1) Die effektive Umsetzung der Planwirkungen erfolgt mittels „Selbstvollzuges“ (§ 254 I) 105 oder aufgrund noch weiterer – regelmäßig dinglicher – Umsetzungsakte (§ 228 [Planinhalt] bzw § 254a I [Planfolgen] greifen lediglich für die [Willens-] Erklärung), entweder des Schuldners gestützt auf wiedererlangte Verwaltungs- und Verfügungsmacht (§ 259 I S 2 – uU überwacht vom Verwalter, § 260 II) oder mit Zuweisung entsprechender Kompetenz nun über S 2 Var 1 alternativ direkt von Seiten des Verwalters. Dabei muss man zwischen tatsächlichem Umsetzen (Vornahme eines Realakts) und rechtlichen Anträgen (insb im Rahmen von Registerverfahren, zB §§ 13, 19 GBO – gesetzlich „verordneter“ Sonderfall: § 254a II S 3) unterscheiden. Ersteres verlangt nach Verwaltungsbefugnis, die faktisch wohl nach Verfahrensaufhebung dann doch beendet ist, letzterem genügt die fortwirkende Ermächtigung. Wieso auch für Forderungseinziehung und Liquiditätsverwahrung ein Bedürfnis soll vorhanden sein,180 bleibt im Dunkel. Doch möchte das keiner praktischen „Engführung“ das Wort reden (dazu Rn 107). Var 1 erlaubt den Vollzug, und zwar für alle „zur Umsetzung notwendigen Maßnah- 106 men“. Hieraus folgt ein Doppeltes: jene Maßnahme muss gestalterisch klar im Plan vorgezeichnet sein (es geht bloß um „Hilfsakte“ bzw Umsetzung); und: ermächtigt wird fürs Notwendige (scil. Regelabwicklung), nicht aber dafür, was weitergehend noch erleichternd wirkt. Die hL verdeckt das hinter dem Postulat, eine Globalverweisung wäre unbestimmt und unzulässig; nötig sei immer die Konkretisierung von Seiten des Planerstellers,181 der Verwalter könne letztlich niemals den konkreten Wirkungskreis erweitern;182 erlaubt wird dagegen eine Erweiterung durch Berichtigen (Var 2), so wenn zB ein Grundstück nicht mitgenannt war.183 Das fügt sich alles, wenn man – schließlich doch naheliegend – dem Plan (oder besser: seinem Schöpfer) die finale Deutungshoheit hierzu zuspricht, was „notwendig“ ist – und dies ist dann hinreichend bestimmt festzulegen. Das meint neben der Inbezugnahme betroffener Masseobjekte die Art des gedachten Vollzuges (hieraus folgt das Notwendige …). Bei Einführung der Vorschrift hat man an einen relativ engen, kleinen Anwendungsbe- 107 reich gedacht und ihn mit der Berichtigungsbefugnis teilweise zusammengewürfelt (siehe dazu bei Rn 9 „versus“ Rn 101, 103) – „kleines“ Nachbesserungsrecht. Wörtlich genommen hat indes die Regel das Potential für eindeutig wirkmächtigere Anwendung: sie zielt auf Umsetzungsakte von jeder Art (natürlich vorher bestimmte – arg Rn 106) und auf die sinngemäß „notwendigen Maßnahmen“. Das kann recht weit gehen und wohl zB eine reine privatrechtliche Verfügungsermächtigung (§ 185 I BGB) miteinschließen (den Grundbuchumtrag mit eingeschlossen: § 228 Rn 34 aE). Das könnte den Nukleus für eigene Treuhandgestaltungen bilden. Im Prinzip würde alsdann weitererstreckte amtliche Verwaltungsmacht (arg §§ 217 S 1 Var 3, 258 I „kontra“ § 259 I S 2) durch planimmanent erteilte (private?) Ermächtigung (§ 221 S 2) ersetzt und das Ganze in ein „großes“ Nachbesserungsrecht münden, parallel amerikanischer Regelung (dazu vgl oben Rn 14). Das hatte sich gewiss der Gesetzgeber nicht so vorgestellt, aber vielleicht doch am Ende ermöglicht. 180

181

Entgegennahme der Zahlung von Plangaranten: HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 12; HK/ Haas InsO9 § 221 Rn 8; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 217 Rn 14; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 31; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 73. HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 12; HK/Haas InsO9 § 221 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/

182 183

Spahlinger InsO61 § 221 Rn 31; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 74; Madaus ZIP 2016, 1141, 1148 [IV 1.3]. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 31. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 74; HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 12.

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§ 221

Sechster Teil. Insolvenzplan

3. Berichtigungsbefugnis (Var 2)

108

Der Rechtsausschuss hat letztlich sein Augenmerk auf nötige Umsetzungsakte gelegt (dazu Rn 9) und Var 2 mit schlichtem Schweigen übergangen. Es gibt insoweit dennoch ein Vorbild: § 319 I ZPO!184 Er erlaubt es, im Nachhinein Urteilsmängel zu bereinigen. Der Wortlaut differiert freilich in einer doppelten Weise: im Mangeltatbestand (dazu Rn 109 f: „Unrichtigkeit“ anstatt des Fehlers) und in der Mangelerkenntnis (dazu Rn 111: „offenbar“ festzustellen anstelle offensichtlich). Dennoch dürfte die genaue Wertung inhaltlich ähnlich verstanden sein. Den Zielpunkt bildet erkennbar die möglichst prozesswirtschaftliche Anpassung des Erklärten ans Gemeinte. Insoweit ändert auch das Erfordernis gerichtlicher Bestätigung (§ 248a: Rn 101 [b]) am Ende nichts – sie dient nur einer Verklarung richtiger Erkenntnis (sowie auch der Gewähr rechtlichen Gehörs). 109 Fehler ist allein die unbewusste Abweichung des Erklärten vom Gewollten (darin just unterscheidet sich die Var 2 von Var 1: gezielt offengehaltenes Problem). Gemeint sind jeweils bloß Ausdrucksfehler, insbesondere Rechnungs- und Schreibfehler (in Anlehnung an § 319 I ZPO), aber zB auch Bezeichnungsfehler (mit Blick auf § 228 S 2/3, dort Rn 25), die einen genauen Grundbuchvollzug hindern. Oft werden das sicherlich zwar Formalfehler sein,185 allerdings ist die Abgrenzung schwierig und inhaltlich untunlich: der Beteiligtenwille, so wie ihn der Plan ausdrückt, ist maßgebend. Das umfasst ebenso gut Inhaltsmakel186 – es geht glasklar um alle „beabsichtigten [Plan-] Wirkungen“ (arg § 248a III). Denkbar wäre deshalb, Widersprüche zu beseitigen (Auslegung), aber zB auch, Vergessenes noch nachzuholen.187 Hier scheint eine größere Kleinlichkeit allemal kontraproduktiv (das gilt auch für § 319 I ZPO!) – solange bloß der Plan als solcher188 weiter derselbe bleibt. Dritterklärungen (§ 230 III) sind per se schon (arg „des Plans“ – bzw § 219) nicht mitinbegriffen. 110 Schwieriger ist zuzulassen, auf realisierbare Alternativen umzuschwenken189 (Umdeutung) oder kompliziertere Gestaltungen glattzustellen (Ergänzung). Ohne Frage mag man einen Plan auslegen und erklären (siehe dazu Vor §§ 217 ff Rn 241–243 – der Planwortlaut bleibt unangetastet), hilfsweise über S 2 auch inhaltlich „geraderücken“ (scil. seinen Wortlaut ändern) – aber wohl insgesamt kaum mehr erweitern (arg ex § 321 ZPO). Jenes denkt zu stark sonst in gewohnter materieller Kategorie („Geschäftsgrundlagenkorrektur“ im Interesse effizienter Pragmatik), die prozessual nicht berechtigt scheint. Man kann dem Plan letztlich bloß entlocken, was auch schon grundsätzlich einst „mitabgestimmt“ wurde190 (dazu Rn 109).

184 185

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Skeptisch (bzw großzügig) K Schmidt/Spliedt InsO19 248a Rn 3. Von vornherein darauf begrenzend Andres/ Leithaus/Andres InsO3 §§ 219–221 Rn 7 [a/hh]; BK/Flöther/Wehner InsO42 § 221 Rn 9; HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 13–15. HK/Haas InsO9 § 221 Rn 8; FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 13; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 33; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 63. Darin kann man HambK/Thies InsO6 § 221 Rn 14 (vergessener Beteiligter, Beschlussformel) zustimmen. Auch „am Rand“, nicht etwa „im Kern“ nur – im Unterschied zu § 240 Rn 10.

278

189

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 63 (alternative gesellschaftsrechtliche Gestaltung). Mit Recht darum skeptisch der Grundbass bei Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 13 und Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 221 Rn 3 (wesentliche Planänderung unstatthaft); FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 13 und HK/Haas InsO9 § 221 Rn 8 (prinzipielle Umsetzbarkeit erforderlich). Leicht widersprüchlich hierzu K Schmidt/Spliedt InsO19 § 221 Rn 7 einerseits („keinen neuen Charakter verleihen“), § 248a Rn 3 andererseits („über den gem § 319 ZPO … zulässigen Umfang hinausgehen“).

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Gestaltender Teil

§ 221

Tatsächliche Beschränkung erfährt die Möglichkeit zum Berichtigen im zusätzlichen 111 Fordern der Offensichtlichkeit des Fehlers. Insoweit differieren § 319 ZPO („offenbar“) und § 217 S 2 Var 2 („offensichtlich“) substantiell – ersterer zielt eben auf eigene Fehler, letzterer erlaubt, Fehler anderer zu glätten. „Offenbar“ kann darum sein, was nicht auf einen „ersten Blick“ erkennbar ist, „offensichtlich“ verordnet hingegen strengere Kriterien: Offensichtlich ist ein Fehler dann, wenn er für einen Fachmann ohne spezifisch juristische Prüfung ohne weiteres bzw „evident“ erkennbar ist – so eine häufig gebrauchte Formel.191 Es geht um eine Augenfälligkeit der Planwidrigkeit (iSv Rn 109 f) von einer neutralen Warte aus. Falsch wäre es, besondere Großzügigkeit anzulegen192 oder begrenzend den Tatbestand zu verdichten.193 Das Merkmal ist autonom. Den Tatbestand soll man gern weitläufig sehen, die Erkenntnis bedarf dagegen strikter Beachtung. Sie ist infolgedessen objektiv angeknüpft und nicht Gegenstand subjektiven Behauptens. Das liefe auf totale Beliebigkeit hinaus. Hier muss – im Gegensatz zur Umsetzungsbefugnis: Rn 106 – aber eine allgemeine Ge- 112 neralermächtigung ausreichen, da offenkundig berichtigungsbedürftige Planinhalte – dies liegt in der Natur dieses Fehlers – bei Planaufstellung wie -bestätigung nicht bekannt waren, womit dann ein konkreter Hinweis unmöglich ist, folglich sich erübrigt.194 Sie kann näher jedoch ausgestaltet werden – in einem einschränkenden Sinne; für jede Erweiterung fehlen dagegen Kompetenzen (Umkehrschluss: Rn 103). Jedoch wären sowohl Mangeltatbestand wie Erkenntnisquelle substantiell näher beschreibbar. Wenn nämlich Var 2 genauso eine delegierte Kompetenz verkörpert wie Var 1, kann man sie auch präzisieren. 4. Ausdehnung Vor Einführung des § 221 S 1 behalf die Praxis sich schon über kautelar entwickelte 113 Klauseln für Änderung, Anpassung, Klarlegung etc,195 Vollzugsklauseln wurden dabei eher als technische Klarstellungen diskutiert. Die Frage ist heute, inwieweit § 221 S 1 derweilen Ausschließlichkeit verordnet: Charakter als lex specialis!196 Das wird man allemal doch bejahen, insbesondere wenn man hier den Umsetzungsbegriff [Var 1: Rn 109–111) genügend weit versteht; dann macht eine Neuverhandlungspflicht oder Anpassungsermächtigung197 doch wenig Sinn, benützt nur Figuren des materiellen Vertragsrechts ohne tragfähiges Prozessvorbild. Wieso soll man völlig flexibel anpassen dürfen (vorbehaltlich einer „Verböserung“), während einfaches Berichtigen [Var 2] förmlicher Gegenkontrolle unterfällt (§ 248a)? Dies spricht gegen weitere fatale „Vertragsanleihen“, die einst „Krücken“ nur waren. Der Gesetzgeber hat sich jetzt – mit Recht – für eine prozessuale Problemlösung entschieden und dadurch den Weg gezeigt. Für andere, materielle Konstrukte ist mithin eindeutig weder Bedürfnis noch Erlaubnis.

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 65, zust Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 34. Siehe Nachweise zuvor Fn 191. FK/Jaffé InsO9 § 221 Rn 14 – der dies durch „Vermutungsregeln“ wieder abmildern möchte (im Text gleich Näheres!). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 67. ZB MünchKomm/Eidenmüller InsO2 § 217 Rn 57 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO9

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§ 219–221 Rn 88 f; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 13 iVm Rn 1 aE. BGH NJW 2015, 2660, 2663 {24} [II 2d aa] = DZWIR 2015, 560 – im Anschluss an MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 75. Im Gegensatz zu MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 76 f, aber wohl auch BGH NJW 2015, 2660, 2663 {24} [II 2d aa] = DZWIR 2015, 560.

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§ 222

Sechster Teil. Insolvenzplan

§ 222 Bildung von Gruppen (1) 1Bei der Festlegung der Rechte der Beteiligten im Insolvenzplan sind Gruppen zu bilden, soweit Beteiligte mit unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind. 2Es ist zu unterscheiden zwischen 1. den absonderungsberechtigten Gläubigern, wenn durch den Plan in deren Rechte eingegriffen wird; 2. den nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern; 3. den einzelnen Rangklassen der nachrangigen Insolvenzgläubiger, soweit deren Forderungen nicht nach § 225 als erlassen gelten sollen; 4. den am Schuldner beteiligten Personen, wenn deren Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte in den Plan einbezogen werden. (2) 1Aus den Beteiligten mit gleicher Rechtsstellung können Gruppen gebildet werden, in denen Beteiligte mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefaßt werden. 2Die Gruppen müssen sachgerecht voneinander abgegrenzt werden. 3Die Kriterien für die Abgrenzung sind im Plan anzugeben. (3) 1Die Arbeitnehmer sollen eine besondere Gruppe bilden, wenn sie als Insolvenzgläubiger mit nicht unerheblichen Forderungen beteiligt sind. 2Für Kleingläubiger und geringfügig beteiligte Anteilsinhaber mit einer Beteiligung am Haftkapital von weniger als 1 Prozent oder weniger als 1 000 Euro können besondere Gruppen gebildet werden. Materialien: EB LS 2.2.16 (Begr S 182–184); DiskE § 255 (Text: S 130, Begr AT S 61–64, BT S 227–230); RefE § 255 (Text: S 148, Begr AT S 71–74, BT S 261–264); RegE § 265 (BT-Drucks 12/2443 S 51, 92 f, 175 li. Sp., 198 re. Sp., 199 f [RV]; 12/7302 S 97 f, 153 li. Sp., 182 [Nr 140] [RA]). Wurde modifiziert durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 07.12.2011 [ESUG], BGBl I Nr 64 S 2582 (Art 1 Nr 18) [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 2)], BTDrucks 17/5712 S 9 und 31 [RV: Nr 12]; 17/7511 S 12 [RA: Nr 18]; Näheres siehe bei Rn 36. Literatur Binz Konkurrierende Insolvenzpläne, Diss. Mainz 2001 S 89 f und S 117–132; Braun Das Obstruktionsverbot in der Praxis: Ein überzeugender Start, NZI 1999, 473; A Bruns Grundpfandrechte im Insolvenzplanverfahren – das Ende deutscher Immobiliarsicherheiten?, KTS 2004, 1; Chardon/ Flitsch Die Rechtsstellung des Pensions-Sicherungs-Verein aG im Insolvenzplanverfahren, DZWIR 2004, 485; Evers/Möhlmann Die sachgerechte Abgrenzung der Gläubigergruppen nach der InsO, InVo 1998, 64 ff; Frind Die Grenze zwischen Gestaltung und Manipulation im Insolvenzplanverfahren, NZI 2007, 374; Frind Störeinflüsse im Privatinsolvenz-Planverfahren, ZInsO 2014, 280; Herzig Das Insolvenzplanverfahren (2001) S 220 f, 227–233, 241–243; Hess Vom Sanierungskonzept zum Insolvenzplan, WPg 2009, 299, 303 f; Hess/Weis Die sachgerechte Abgrenzung der Gläubigergruppen nach der InsO, InVo 1998, 64; Hingerl Gruppenbildung im Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2007, 1337; Kaltmeyer Der Insolvenzplan als Sanierungsmittel des Schuldners – Unter Berücksichtigung des EGInsOÄndG v. 19.12.1998, ZInsO 1999, 255, 258–266; Kemper Die U.S.-amerikanischen Erfahrungen mit „Chapter 11“ (1996) S 156–160; Kranzusch Sanierung insolventer Unternehmen mittels Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2007, 804; Krings Arbeitsrecht im Insolvenzplanverfahren – so geht das (nicht), ZInsO 2017, 577; Madaus Der Insolvenzplan (2011) S 210–213; Martini/Horstkotte Häufige Fehler bei der Aufstellung von Insolvenzplänen und der Durchführung von Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2017, 1913, 1916–1919 [III 2a-e]; Neumann Die Gläubigerautonomie in einem künftigen Insolvenzverfahren (1995) S 81–97; Riggert Das Insolvenzplanverfahren – Strategische Probleme aus Sicht absonderungsberechtigter Banken, WM 1998, 1521; Rüve Mehrheitsbeschaffung durch die Gruppenbildung im Insolvenzplan (2008) S 35–44; Scheibner Zu Besonderheiten beim In-

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Bildung von Gruppen

§ 222

solvenzplan in eingetragenen Genossenschaften, DZWIR 1999, 2; Schiessler Der Insolvenzplan (1997) S 72–75; Schmelzer Die Position des Arbeitnehmers im Recht des Insolvenzplans (2003) S 150 f, 156–158; Smid Gleichbehandlung der Gläubiger und Wiederherstellung eines funktionsfähigen Insolvenzrechts als Aufgaben der Insolvenzrechtsreform, BB 1992, 501; Smid Kontrolle der sachgerechten Abgrenzung von Gläubigergruppen im Insolvenzplanverfahren, InVo 1997, 169; Smid Salvatorische Klauseln als Instrument zur Abwehr von Widersprüchen gegen den Insolvenzplan, ZInsO 1998, 347; Smid Stellung der Grundpfandgläubiger, Zwangsversteigerung und Schuldenreorganisation durch Insolvenzplan, FS Gerhardt (2004) S 931; R Stürner Aufstellung und Bestätigung des Insolvenzplans, in: Leipold (Hrsg), Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S 41; Thole Die Restrukturierung von Schuldverschreibungen im Insolvenzverfahren, ZIP 2014, 293; Warrikoff Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzplan, KTS 1997, 527, 543–548.

Übersicht I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legitimität der Planwirkungen . . . . 2. Homogenität der Gruppenbildung . 3. Gruppenbildung der „Beteiligten“ . . 4. Adaptivität der Planwirkungen . . . 5. Realisierbarkeit der Planwirkungen – Planannahme als Gruppenbildungszweck? . . . . . . . . . . . . . . . . II. Normgenese . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorläuferregelungen . . . . . . . . . a) Zwangsvergleich (§§ 173–201 KO) . . . . . . . . . b) Gesamtvollstreckungsvergleich (§ 16 GesO) . . . . . . . . . . . . c) Privatvergleich (VglO) . . . . . . 2. Die Modellfunktion des US-amerikanischen Rechts . . . . . . a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . b) Gestaltungsvorgaben . . . . . . . c) Schlussbewertung . . . . . . . . . 3. Genese der Stammfassung . . . . . . a) Grundmaximen . . . . . . . . . . b) Sonderregeln . . . . . . . . . . . 4. Änderungen durch das ESUG . . . . III. Grundlagen der Gruppenbildung . . . . 1. Art 3 I GG als Rahmenvorgabe . . . a) Gruppenbildung als „differenzierende Gleichbehandlung“ . . . b) Gruppenbildung gemäß abstraktgenereller Regel . . . . . . . . . . c) Gruppenbildung anlässlich konkreter, geplanter Verfahren . . 2. Gruppenbildungsgegenstand . . . . . 3. InsO-Vorschriften als Verfestigungen 4. „Mischgruppe“ . . . . . . . . . . . . 5. „Globalgruppe“ . . . . . . . . . . . 6. „Einergruppe“ . . . . . . . . . . . . 7. Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . IV. Zwingende Gruppenbildung (Abs 1) . . 1. Differenzierung als Handlungsgebot 2. Aufgreifkriterien (Satz 1) . . . . . . . a) Umgestaltung von Rechten . . . . b) Beteiligtenbegriff . . . . . . . . . c) Rechtsstellungen . . . . . . . . . d) Betroffensein von Personen . . . . 3. Spezifizierung (Satz 2) . . . . . . . .

Rn. 1 2 4 8 9

11 13 13 14 17 18 20 20 21 25 28 28 35 36 37 37 37 38 40 44 47 50 52 55 56 57 57 60 60 61 63 66 67

4. Absonderungsbefugte (Nr 1) . . . a) Eingriffsproblem . . . . . . . b) Bewertung der Sicherheit . . . c) Doppelrollenfrage . . . . . . . 5. Vollrangige Insolvenzgläubiger (Nr 2) . . . . . . . . . . 6. Nachrangige Insolvenzgläubiger Nr 3) . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . b) Strukturierungsfragen . . . . . c) Anwendungsfälle . . . . . . . 7. Anteilseigner am Gemeinschuldner (Nr 4) . . . . . . . . . V. Fakultative Gruppenbildung (Abs 2) 1. Befugnis zur Gruppenbildung . . 2. Kohärenzprinzip (Satz 1) . . . . . a) Grundproblematik . . . . . . b) Tatbestandstrukturen . . . . . c) Anwendungsfälle . . . . . . . aa) Absonderungsbefugte . . bb) Nachrangige Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . cc) Vollrangige Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . dd) Anteilseignerschaft . . . . 3. Divergenzprinzip (Satz 2) . . . . . 4. Transparenzprinzip (Satz 3) . . . 5. Strategie der Gruppenbildung . . VI. Spezielle Einteilungskriterien (Abs 3) . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Arbeitnehmer-Gruppe“ (Abs 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . b) Arbeitnehmer (qualitatives Kriterium) . . . . c) Beteiligtenrolle als Insolvenzgläubiger . . . . . . . d) „Berührtsein“ (quantitatives Kriterium) . . . aa) Ausgangspunkt . . . . . . bb) Meinungsvielfalt . . . . . cc) Problemlösung . . . . . . e) Feingruppierung . . . . . . . . 2. „Kleingläubiger-Gruppe“ (Abs 3 Satz 2 Var 1) . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . .

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. . . .

Rn. 71 72 74 75

. .

79

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79 80 81 85

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. 86 . 90 . 90 . 93 . 93 . 96 . 104 . 104

. . . .

. . 105 . . . . .

. . . . .

106 113 114 117 121

. . 126 . . 126 . . 126 . . 129 . . 132 . . . . .

. . . . .

135 135 136 139 142

. . 144 . . 144

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§ 222 b) Begriffsbildung . . . . . . c) Einschränkung . . . . . . d) Feingruppierung . . . . . 3. „Kleinanteilsinhaber-Gruppe“ (Abs 3 Satz 2 Var 2) . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . b) Begriffsbildung . . . . . .

Sechster Teil. Insolvenzplan Rn. . . . . 148 . . . . 153 . . . . 157

c) Feingruppierung . . . . . . . . . . 4. Spezialgesetzliche Sondertatbestände a) Pensions-Sicherungs-Verein . . . . b) Genossenschaftsmitglieder . . . . c) Schuldverschreibungsgläubiger . . VII. Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . 158 . . . . 158 . . . . 161

Rn. 162 163 164 165 167 169

I. Normzweck 1

Um dem Ziel der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung (§ 1 S 1) bestmöglich gerecht zu werden, erlauben §§ 217 ff auf dem Fundament größtmöglicher Beteiligtenakzeptanz eine flexible, an die Rechtstellung und Interessenlage der unmittelbar Beteiligten angepasste Verfahrensdurchführung (Möglichkeit prozessualer Disposition: § 217 Rn 2, 6, 21, 27, 28 ff und 65). Schlüssel der – gesetzlich vorgegebenen – Mehrheitsfindung (§§ 243, 244 I und III) ist dabei die – individuell zT gestaltbare – Gruppenbildung (§ 222). Im Ausgangspunkt ist es der Konnex von Legitimität (dazu Rn 2 f) und Adaptivität (dazu Rn 9 f) der Planwirkungen, welcher den speziellen Bedeutungsgehalt der Gruppenbildung ausmacht und ein im Vergleich zum Regelverfahren höheres Maß an wirtschaftlicher Effektivität für die alternative (scil. planmäßig gestaltete) Insolvenzbewältigung verspricht. 1. Legitimität der Planwirkungen

2

Der Legitimationsfunktion der Gruppenbildung wird durch das Abstimmungsverfahren Ausdruck verliehen. Da es in jeder Gruppe der einfachen Kopf- und Summen- bzw Beteiligungsmehrheit bedarf (§§ 243, 244 I und III), kann es grundsätzlich nicht zur Übergehung eines ganzen Personenkreises mit gleichartigen Berechtigungen und Interessen kommen.1 Lediglich unter den Voraussetzungen des Obstruktionsverbots (§ 245) – normativ die Ausnahme bzw alleinig ein „Notanker“ – steht das Verfehlen der erforderlichen Mehrheiten dem Erreichen des Abstimmungsziels nicht entgegen.2 Eine alternativ denkbare gemeinsame Abstimmung aller Beteiligten, wie gem 182 I KO, § 74 I und III VglO und § 16 IV S 3 GesO einst im Vergleichstermin vorgesehen (dazu Rn 13),3 würde es dagegen gestatten, einzelne Personenkreise mit in sich gleicher Rechtsstellung oder Interessenlage zu überstimmen und „über die ihnen zugehörigen Köpfe hinweg“ bestimmten Planwirkungen zu unterwerfen.4 3 Schon die Kommission für Insolvenzrecht lehnte eine derartige Konsequenz unter Bezugnahme auf den Schutz gleichgerichteter Interessen ausdrücklich ab (näher dazu bei Rn 28).5 Die Konzeption wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zugegeben inhaltlich modifiziert (dazu Rn 28–34), die Grundidee ist geblieben. Sie zielt nunmehr darauf 1

2

Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 2; vgl auch erg Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 222 Rn 2 f. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 3 beschreibt die Vorschriften zur Planannahme als mithin „zweistufiges System“. Das trifft letztlich jedoch nur, wenn und weil Regel und Ausnahme hierbei erkennbar bleiben.

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3 4

5

MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 4. Bereits die normale „altrechtliche Doppelmehrheit“ allerdings sollte verhindern, dass viele kleine Gläubiger durch einzelne große oder einzelne große Gläubiger durch viele kleine überstimmt werden (Jaeger/Weber KO8 § 182 Rn 1). EB Mot S 183.

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Bildung von Gruppen

§ 222

hin, allein Beteiligte mit gleichen Rechten und im Wesentlichen gleichartigen wirtschaftlichen Interessen als Gruppenmitglieder sachlich (Planinhalt) wie förmlich (Abstimmung) gleichzubehandeln. Nur unter dieser Voraussetzung lässt sich das Abstimmungsergebnis auf eine tragfähige Grundlage stellen.6 Indem sich die Rückbindung des Abstimmungsergebnisses als umso stärker erweist, je eher dieses möglichst alle mittragen, bedarf es hierzu eines gleichen Blickwinkels (Grundlage „homogener“ Bewertung).7 Mit dem konkreten Homogenitätsgrad der einzelnen Abstimmungskörper wächst immer auch die Legitimität der Planannahme- oder -ablehnungsentscheidung – am Ende mit Blick auf alle Gruppen! 2. Homogenität der Gruppenbildung Die Mindestanforderungen ans Homogenitätsprinzip (iSv Rn 3) skizziert die zwingen- 4 de Gruppenbildung (Abs 1: „sind“)8 – abstrakt durch einen Leitsatz (S 1: insofern unterschiedliche Rechtsstellung vorliegt), konkret durch weitere archetypische Konkretisierungen (S 2: Rn 61, 67, 68 mit Fn 172).9 Verlangt wird demgemäß auf alle Fälle also die Unterscheidung zwischen den absonderungsberechtigten Gläubigern, in deren Rechte durch den Plan eingegriffen wird (Nr 1), den vollrangigen Insolvenzgläubigern (Nr 2), als gleichsam die originäre „Zielgruppe des Verfahrens“, den nachrangigen Insolvenzgläubigern, soweit deren Forderungen nicht als erlassen gelten sollen (Nr 3 – gemeinhin ist dies aber der Regelfall: § 225 I), und den am Schuldner beteiligten Personen, wenn deren Anteils- und Mitgliedschaftsrechte in den Plan einbezogen werden (Nr 4). Es geht um eine Grundeinteilung mittels Rechtsstellung (vgl Rn 63–65), dh nach maßgebend objektiven Kriterien („in die Tiefe“), die inhaltlich von vornherein fix feststehen (im Unterschied zu Rn 6). Als Komplementär der Homogenität, besonders augenscheinlich der gesetzlich vorge- 5 zeichneten, fungiert der Grundsatz der gleichen Behandlung im Planinhalt (§ 226 I) – für Insolvenzgläubiger (Nrn 2 und 3) die Reduzierung der allgemeinen par conditio creditorum auf lediglich gruppenspezifisches Gleichmaß (dazu § 226 Rn 12). Das wirkt als Anspruch (Gleichbehandlungsgebot) wie zugleich als Schranke (Schlechterstellungsverbot). Wollte man Beteiligte mit völlig unterschiedlicher Rechtsstellung innerhalb einer Abstimmungsgruppe zusammenfassen, ergäbe sich nicht bloß – handfest greifbar – das aufgezeigte Prävalenzproblem für die Legitimierung der Planwirkungen (vgl Rn 2 f und 28), sondern auch die im Einzelfall zweifelhafte Konsequenz, alle Gruppenangehörigen „planmäßig“ gleichzubehandeln.10

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8 9

BT-Drucks 12/2443 S 92 re. Sp.; vgl auch Bierbach HRI2 § 28 Rn 6; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 16. Nicht etwa die Angemessenheit der Gleichbehandlung (so aber BK/Flöther/ Wehner InsO29 § 226 Rn 1) bricht sich mithin Bahn (Unangemessenheit „regelhafter“ Gleichbehandlung?), sondern stärkere Autonomie betreffend die Abstimmung. Ganz ähnlich wohl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 4 und Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 1. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 4. Nicht ausnahmslos jedoch abschließend gedacht (arg §§ 210a, 264 ff): K Schmidt/

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Spliedt InsO19 § 222 Rn 5; BeckOK/Geiwitz/ Danckelmann InsO7 § 222 Rn 11; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 11 – eher rigider noch dagegen Bierbach HRI2 § 28 Rn 37; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 7; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 50; wohl auch HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 7. Vgl BT-Drucks 12/2443 S 92 re. Sp. sowie den umgekehrt gelagerten Beispielsfall (gleiche Rechtsstellung/ungleiche Behandlung): LG Frankfurt/Main NZI 2008, 110, 111 f {27}. Verstoßen würde rechtlich gegen § 226 I („Wirkung“), indes praktisch gegen § 222 II („Ursache“).

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Das Konzept reicht darüber hinaus – gestattet ist zusätzlich die fakultative Gruppenbildung (Abs 2 S 1 und Abs 3 S 2: „können“). Man kann trotz gleicher Rechtsstellung disparate Interessenlagen dadurch inhaltlich weitergehend berücksichtigen (vgl Rn 9 mit 93–113). Das befördert die Legitimation der Planwirkungen, als sie die Wahrscheinlichkeit für ein positives Abstimmungsergebnis erhöht11 – jedoch auch eigene Angriffsfläche bietet.12 Durch die Möglichkeit, die Planwirkungen an den Spezifika des jeweiligen Abstimmungskörpers auszurichten (dazu Rn 9), vermag das Planverfahren im Verhältnis zum Regelverfahren attraktiver erscheinen und die Annahmebereitschaft der Beteiligten über die erforderlichen Mehrheiten hinaus steigen. Die Sicherung der Planannahme korrespondiert demnach mit einer am Beteiligteninteresse orientierten Zuordnung. Das regeln maßgebend subjektive Kriterien („in die Breite“), die nach der wirtschaftlichen Situation einzelfallbedingt variieren (im Unterschied zu Rn 4) – vorbehalten den Sonderfall der Bagatellen (Abs 3 S 2: „können“ – näher dazu siehe Rn 144, 160). 7 Gleichsam eine Mischform zwischen „müssen“ (Abs 1) und „können“ (Abs 2) bzw zwingender (Rn 4) und fakultativer (Rn 6) Gruppenbildung, stellen die Arbeitnehmer „mit nicht unerheblichen Forderungen“ dar (Abs 3 S 1: „sollen“). Trotz gleicher rechtlicher Stellung mit anderen Arbeitnehmern wie anderen Insolvenzgläubigern wird auf eine autonome (Abstimmungs- bzw Interessen-) Gruppe bestimmter Arbeitnehmer gedrängt (Hs 1: Gruppenbildungsappell) – dies gleich aber wieder partiell zurückgenommen (Hs 2: Erheblichkeitsschwelle). Sogar dann gewährt aber die Rechtsfolgeanordnung gestalterisch gewisse Flexibilität: bei sachlich konkret belegten Gründen kann man auf eine besondere Gruppenbildung verzichten! Die Bagatellklausel (Abs 3 S 2: „können“) bleibt ohnehin insoweit unberührt. 3. Gruppenbildung der „Beteiligten“

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Jedweder Plan intendiert eine konkrete Rechtsgestaltung (arg § 221 [Ankündigung] bzw § 254 I [Ausführung]). Die Gruppenbildung ist dafür nur Mittel zum Zweck, in zugleich materieller (§ 226) wie prozessualer (§ 243 mit § 244 I) Hinsicht (dazu Rn 47): „Bei der Festlegung der Rechte der Beteiligten sind Gruppen zu bilden, …“ (Abs 1 S 1 Hs 1). Die Vorschrift konkretisiert zusätzlich als Adressaten die Beteiligten des Verfahrens und meint konkret damit die „zwangsweise“ im Hinblick auf die reguläre Regelungsermächtigung (§ 217) der (Plan-) Regelung unterworfenen Personen (zum Beteiligtenbegriff bei § 217 Rn 35–37, § 221 Rn 36–46, § 234 Rn 10–13); wer freiwillig Zusatzleistungen verspricht, bleibt ein Dritter (arg § 230 III), ist uU ein am Zustandekommen eines Plans Interessierter, aber eben kein Beteiligter. Er ist deswegen auch nicht bei der Gruppenbildung zu berücksichtigen (dazu Rn 62).13 4. Adaptivität der Planwirkungen

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Die Adaptivität der Planwirkungen folgt maßgeblich aus der Rücksichtnahme auf unterschiedliche wirtschaftliche Interessen der Beteiligten (iSv Rn 6). Vor dem Hintergrund des Gebots der allein gruppeninternen Gleichbehandlung (§ 226 I bzw Rn 3) besteht die

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Bierbach HRI2 § 28 Rn 6: Bündelung von Interessen. Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1917 [III 2a]: „Fraktionierung“ als „Achillesverse“.

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AA LG Düsseldorf ZIP 2015, 2182, 2183 [II] {21–23}.

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Möglichkeit, zumindest näherungsweise auf die Belange der Verfahrensteilnehmer einzugehen, finanzielles Potential freizusetzen und letztlich die wirtschaftliche Effektivität des Insolvenzplans zu steigern.14 Beispielsweise lässt sich (anders als im Regelverfahren [vgl § 41]) zwischen fälligen und betagten Forderungen differenzieren15 (mangelt Fälligkeit, entfällt Zeitdruck – das erhöht die Disponibilität vorhandener Liquiditäten …) und auf besonders günstige äußere Umstände reagieren16 (angestammte Geschäftspartner denken vermutlich stärker langfristig [Erhalten des Absatzes] – das schafft Flexibilität und steigert die künftige Prosperität …). Im Gegensatz zur Regelabwicklung mit dem Gebot umfassender Gläubigergleichbe- 10 handlung schafft das Planverfahren somit Raum für einen zielgerichteten, individuellen Interessenausgleich: Die von einem Beteiligten als günstig erkannte Lösung („Nehmen“), muss nicht – spiegelbildlich – eine Last der Übrigen bedeuten. Dies gilt letztlich auf zwei Ebenen: Einerseits vermag bereits die Gruppenbildung einer pluralistischen Struktur der Beteiligtenrechte und -interessen Rechnung tragen, andererseits begründet § 226 II mit der Möglichkeit gruppeninterner Ungleichbehandlung (dazu § 226 Rn 20–25) zusätzliche Flexibilität. Den Preis, den die Beteiligten für diese Aussicht auf eine – im Verhältnis zum Regelverfahren – vorteilhafte Insolvenzbewältigung zu zahlen haben („Geben“), liegt in ihrer Ungleichbehandlung. Diese bedarf auf sowohl Gruppenebene (§§ 243/244 – Planannahme) als auch individuell (§ 226 II – Zustimmungsakt) aber ihrer Billigung. 5. Realisierbarkeit der Planwirkungen – Planannahme als Gruppenbildungszweck? Wie zur Homogenität der Gruppenbildung dargelegt (vgl Rn 6 iVm Rn 9), steigt die 11 Annahmewahrscheinlichkeit eines Insolvenzplans mit der Interessengerechtigkeit seiner Regelungen. Dass eine auf die Belange der Beteiligten abgestimmte Gruppenbildung stets auch die Planannahme (mit-) bezweckt, lässt sich folglich kaum abstreiten. Zu fragen ist indes, inwieweit die Sicherung des Abstimmungsergebnisses als eigenständiger Gruppenbildungszweck neben die Schaffung einer zustimmungswürdigen und interessengerechten Lösung tritt.17 Die Anerkennung der Planannahme als eigener Gruppenbildungszweck hieße gleichzeitig, eine auf die Mehrheitsverhältnisse ausgerichtete Einteilung (innerhalb gewisser Grenzen) zuzulassen. Gewiss gilt es zu berücksichtigen, dass die übrigen Gruppenbildungszwecke (Legitimität und Adaptivität der Planwirkungen [Rn 2–10]) ihre praktische Wirkung erst dann zu entfalten vermögen, wenn der Plan tatsächlich zur Annahme gelangt. Immerhin wohnt auch einem im Höchstmaß adaptiven Insolvenzplan keine Annahmegarantie inne. Veranschaulichend sei nur auf die Obstruktion des einzelnen Beteiligten aus persönli- 12 chen Motiven hingewiesen.18 Vermittels eines wohlüberlegten Zuschnitts der Beteiligtengruppen ließe sich ein solcher Widerstand überwinden und letztlich die Erfolgsaussicht eines vorgelegten Plans in entscheidender Weise erhöhen.19 Nichtsdestotrotz besteht die

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BT-Drucks 12/2443 S 199 li. Sp.; Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 3; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 2 f; vgl auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 1 sowie ferner FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 1. BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp. iVm S 199 re. Sp.

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BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp. iVm S 199 li. Sp. Bejahend: Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 53; Hingerl ZInsO 2007, 1337, 1339. Bierbach HRI2 § 28 Rn 79. Bierbach HRI2 § 28 Rn 12 und 79; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 6.

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Gefahr einer Konterkarierung der übrigen Gruppenbildungszwecke.20 Indem nicht mehr nur die größtmögliche Rechts- bzw Interessenhomogenität, sondern auch die Sicherung der Planannahme für den Gruppenzuschnitt bestimmend wäre, käme es zu einer Beschneidung der Adaptivität und Legitimität der Planwirkungen. Von einer Wahrung der Gruppenbildungszwecke ist daher nur auszugehen, wenn sich die Einteilung und ihre Kontrolle allein an den Berechtigungen und objektiven Interessen orientiert.21 Bezugnehmend auf den Gestaltungsspielraum des Planerstellers, wird diese Problematik gemeinhin unter dem Begriff der strategischen (oder auch taktischen) Gruppenbildung22 (näher dazu bei Rn 121–125) diskutiert.

II. Normgenese 1. Vorläuferregelungen

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Wie aus § 1 S 1 hervorgeht, kann im Insolvenzplan ein vom Regelverfahren abweichendes Programm, insbesondere zur Erhaltung des Unternehmens (Hs 3) festgelegt werden. Der dahinterstehende Sanierungsgedanke ist als solcher nicht neu. Schon der konkursabwendende „Privatvergleich“ der VglO23 wie auch der konkursbeendende Zwangsvergleich (§§ 173 ff KO bzw § 16 GesO24) dienten im Verlauf mehr und mehr (auch) diesem Zweck (vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 61, 69, 77). Sie hingen ebenfalls vom zentralen Erfordernis („Ob“) der gläubigerseitigen Zustimmung ab (§ 74 VglO; § 182 KO, § 16 IV GesO), doch war eine gruppenindividuelle Mehrheitsfindung, so wie es nunmehr §§ 243/244 InsO erlaubt („Wie“), dabei grundsätzlich fremd. Diese Divergenz zum geltenden Recht (Uniform- statt Gruppenprinzip) erklärt sich – zumindest teilweise (arg Abs 1 „versus“ Abs 2) – aus der fehlenden Einbeziehung von Beteiligten verschiedener Rechtsstellung.25 Es gab bloß marginale Ausnahmen von der Grundregel gleicher Behandlung (§ 181 S 1 KO [Rn 15]; § 8 II S 1 VglO [Rn 19]), die bereits seinerzeit eine ansatzweise Segregation der Gläubiger gestatteten.26 Im Einzelnen: 20 21

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Rüve Gruppenbildung im Insolvenzplan (2008), S 42. Ähnlich: Rüve Gruppenbildung im Insolvenzplan (2008), S 42 f; aA MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 9, welcher den Legitimationszweck der Gruppenbildung angesichts der bestehenden Regeln und Kontrollmechanismen nicht ohne weiteres durch ein strategisches Vorgehen infrage gestellt sieht, jedoch zuerkennt (Rn 32), dass die Gruppenbildungsregeln aufgrund ihrer Unbestimmtheit in hohem Maße auslegungsbedürftig und -fähig sind. Rüve Gruppenbildung im Insolvenzplan (2008), S 35–37, weist darauf hin, dass „Strategie“ gemeinhin den Entwurf und die Durchführung, „Taktik“ hingegen die Einzelschritte eines Gesamtkonzepts meint. Eine Unterscheidung an diesem Maßstab wird im Schrifttum regelmäßig nicht getroffen. Kilger/K Schmidt InsG17 Einl VglO Anm I 1; Bley/Mohrbutter VglO4 Einl Rn 3.

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Jaeger/Weber KO8 § 173 Rn 3 bzw Kilger/ K Schmidt InsG17 § 16 GesO Anm 1 und Haarmeyer/Wutzke/Förster GesO4 § 16 Rn 2a. Siehe KO-Mot S 405 = Hahn IV S 360 einerseits, BT-Drucks 12/2443 S 194/195 andererseits, zudem MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 12 f. Seine Aussage, dass das gruppenbezogene Abstimmungsverfahren der InsO kein vollständiges Novum sei, ist jedoch insofern missverständlich, als selbst bei ausnahmsweiser Ungleichbehandlung ein einheitliches Abstimmungsverfahren stattzufinden hatte. Lediglich die Abstimmung über die Ungleichbehandlung gem § 8 II VglO beschränkte sich auf die „Gruppe(n)“ der zurückgesetzten Gläubiger; vgl Kilger/ K Schmidt InsG17 § 8 VglO Anm 2b. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 13: nicht „vollständiges Novum“.

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a) Zwangsvergleich (§§ 173–201 KO). aa) Personenkreis. Der konkursbeendende 14 Zwangsvergleich richtete sich grundsätzlich nur an die nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger. Sie waren am Abschluss des Vergleichs beteiligt (§ 173 KO) und von seinen Wirkungen betroffen (§ 193 S 1 KO). Für die Verfahrensteilnahme der absonderungsberechtigten Gläubiger kam es dagegen auf die Höhe ihres Verzichts oder Ausfalls an (vgl § 64 KO) – also die Frage, inwieweit sie doch am Ende als Konkursgläubiger zu befriedigen waren.27 Gläubiger der Forderungen gem § 63 KO (heute: nachrangige Insolvenzforderungen, §§ 39, 222 I S 2 Nr 3, 225) nahmen schon von vornherein nicht am Verfahren und daher auch nicht am Vergleich teil.28 Während ihre Ansprüche auf Zinsen (§ 63 Nr 1 KO) und Verfahrenskosten (§ 63 Nr 2 KO) trotzdem als erlassen gelten sollten,29 wurden Geldstrafen (§ 63 Nr 3 KO – siehe noch heute: § 225 III) oder Forderungen aus Freigebigkeiten des Schuldners (§ 63 Nr 4 KO) von den Vergleichswirkungen ausgenommen.30 bb) Ausgestaltung. Das notwendige Komplement einer wirtschaftlich und objektiv zu 15 beurteilenden („formalen“) Gleichbehandlung (§ 181 S 1 iVm S 3 KO)31 bildete die kollektive Mehrheitsfindung gem § 182 I KO;32 lediglich § 181 S 2 KO sah eine ansatzweise Differenzierungsmöglichkeit vor und ließ eine Ungleichbehandlung bei ausdrücklicher Einwilligung der zurückgesetzten Gläubiger zu33 – das spiegelt die Struktur des § 226, der konsequenterweise nur eben jetzt „gruppenorientiert“ ist. Die somit denkbare Gewährung von Sondervorteilen oder -nachteilen für einzelne 16 Gläubiger oder Gläubigergruppen ermöglichte grundsätzlich auch zB eine vollständige Befriedigung der Kleingläubiger.34 Während letztere innerhalb der Gruppenbildung nunmehr „offiziell“ separat bedacht werden können (§ 222 III S 2 [Rn 144–157]),35 und also die (Gruppen-) Mehrheit letztlich befindet, bedurfte es ehemalig der besonderen Rücksichtnahme auf eventuell nicht bekannte Gläubiger, welche im Voraus ja niemals zustimmen konnten (iSv § 181 S 2 KO – Zusatzerfordernis!). Sollte der Vergleich nicht an ihrer fehlenden Einwilligung in ihre Zurücksetzung scheitern, mussten sie die gleichen Rechte, wie die bevorzugten Kleingläubiger erhalten36 – offensichtlich ein unverdienter „Glücksfall“: Vollbefriedigung als Lohn für Saumseligkeiten? Praktisch war dieser Weg letztlich zu unwägbar und unbillig – taugte somit eher für Benachteiligungen denn Begünstigungen (jenen Mangel vermied § 8 II VglO [siehe dazu bei Rn 19] deshalb später tunlich). b) Gesamtvollstreckungsvergleich (§ 16 GesO). Vergleichsbefugt (§ 16 II GesO) wie 17 -betroffen37 waren die nicht bevorrechtigen Vollstreckungsgläubiger; die bevorrechtigten Gläubiger (§ 17 III Nr 1–4 GesO) mussten gesetzlich voll befriedigt werden (§ 16 III S 2 Hs 1 GesO); die Absonderungsberechtigten blieben im Umfang ihrer Sicherung vom Vergleich unberührt.38 Wer Betroffener war, musste gleichbehandelt werden (§ 16 III S 2 Hs 2

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Jaeger/Weber KO8 § 173 Rn 28 (aber vgl auch § 193 Rn 12 f: die Vergleichswirkungen erstreckten sich zwar nicht auf das Absonderungsrecht als solches, jedoch auf die persönliche Forderung in ihrer Gesamtheit); Kilger/K Schmidt InsG17 § 193 KO Anm 2d; vgl auch erg FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 6. FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 6. Kilger/K Schmidt InsG17 § 193 KO Anm 2a; Jaeger/Weber KO8 § 193 Rn 9. Jaeger/Weber KO8 § 193 Rn 8. Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 2; Kilger/ K Schmidt InsG17 § 181 KO Anm 1.

32 33 34 35 36

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Vgl Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 1; Kilger/ K Schmidt InsG17 § 181 KO Rn 1. FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 8. Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 5. Vgl BT-Drucks 12/2443 S 200 li. Sp. Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 5; aber vgl auch Kilger/K Schmidt InsG17 § 181 KO Anm 2. Wegen der Vergleichswirkungen siehe bei Hess/Binz/Wienberg GesO4 § 16 Rn 62 f. Wegen der Absonderungsbefugnis siehe bei Hess/Binz/Wienberg GesO4 § 16 Rn 9.

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GesO) – am Ende hatte die einfache Mehrheit das Sagen (§ 16 IV GesO), so wie nach KO und VglO. Beurteilt werden musste die Gläubigergleichbehandlung im Rahmen einer objektiven Gesamtbetrachtung der zugeteilten Werte.39 § 16 GesO gestattete mangels gesetzlicher Regelung keine Durchbrechung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei ausdrücklicher Einwilligung der zurückgesetzten Gläubiger40 – es fehlte demzufolge die Möglichkeit differenzierender Betrachtung.

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c) Privatvergleich (VglO). aa) Personenkreis. Die Vergleichsgläubiger (§§ 25, 26 I VglO) bildeten als Pendant zu den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern (§§ 3, 173 KO) die Gruppe der sowohl Vergleichsbefugten wie -betroffenen (arg § 82 I VglO41). Obgleich die (nunmehr nachrangigen [§§ 39, 222 I S 2 Nr 3, 225]) Forderungen gem § 29 VglO parallel zu § 63 KO von der Verfahrensteilnahme ausgeschlossen waren, unterfielen sie den Vergleichswirkungen in etwas anderer Weise (im Vergleich zu Rn 8):42 Im Unterschied zum (KO-) Zwangsvergleich wirkte der Privatvergleich für und gegen Forderungen aus Freigebigkeiten des Schuldners43 (§ 83 I VglO); Zinsen und Kosten der Verfahrensteilnahme sollten im Zweifel als erlassen gelten (§ 83 II VglO). Die absonderungsberechtigten Gläubiger waren wiederum nur insoweit zur Teilnahme, Abstimmung und Befriedigung berechtigt, als sie auf ihr Absonderungsrecht verzichteten oder mit diesem ausfielen (§ 27 I S 1 VglO).44 19 bb) Ausgestaltung. Gem § 8 I VglO musste der Vergleich allen von ihm betroffenen Gläubigern die gleichen Rechte gewähren, dh (so wie nach § 181 S 1 KO bzw Rn 15) eine wirtschaftliche Gleichbehandlung auf objektiver Grundlage vermitteln.45 § 8 II S 1 VglO divergierte aber insoweit doch entscheidend von § 181 S 2 KO, als er für eine Ungleichbehandlung die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der zurückgesetzten Gläubiger genügen ließ.46 Darin kann man also schon in nascendi so etwas wie das aktuelle Gruppenprinzip erkennen – man muss sich nur der doch großen Unterschiede bewusst sein: es wirkt lediglich im Negativen („zurückgesetzt“), es gibt nur eine Möglichkeit solcher Gestaltung („Zurücksetzung“).47 Zweck dieser Regelung war eine erleichterte Begünstigung von Kleingläubigern sowie kreditierenden Einzelgläubigern oder Gläubigergruppen48 (in Kontrast zu § 181 S 2 KO bzw Rn 16). Es bedurfte damit keiner Privilegierung unbekannter Gläubiger, um die Ungleichbehandlung nicht am Fehlen ihrer Einwilligung scheitern zu lassen. 2. Die Modellfunktion des US-amerikanischen Rechts

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a) Ausgangspunkt. Insbesondere für die Gruppenbildung hat das US-amerikanische Reorganisationsrecht letztlich Pate gestanden (vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 140, 150, 153, 163). Es regelt einerseits die abstrakte Zuordnung (11 USC § 1122: classification), dh Einteilung der jeweiligen (Geld-) Forderungen (claims) und Anteilsrechte (interests) in eigens

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Hess/Binz/Wienberg GesO4 § 16 Rn 43; Haarmeyer/Wutzke/Förster GesO4 § 16 Rn 17. Haarmeyer/Wutzke/Förster GesO4 § 16 Rn 18; Hess/Binz/Wienberg GesO4 § 16 Rn 44 – aA Kilger/K Schmidt InsG17 § 16 GesO Anm 2b; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 13. Bley/Mohrbutter VglO4 § 82 Rn 6. FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 6. Bley/Mohrbutter VglO4 § 82 Rn 6; Jaeger/ Weber KO8 § 193 Rn 8.

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Vgl BGHZ 31, 174, 176 ff; Bley/Mohrbutter VglO4 § 82 Rn 7. Bley/Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 18; Kilger/ K Schmidt InsG17 § 8 VglO Anm 1. Bley/Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 17; Jaeger/ Weber KO8 § 181 Rn 5. Daher krit schon BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp. „versus“ S 92 re. Sp. (InsO). JMBl PR 1917 Nr 9 S 13: S 24 [§ 34 GAVO/nF] und S 26 [§ 39 GA-VO/nF], vgl Rn 145 und 146 bei/mit Fn 388 – ferner: Bley/Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 20.

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zu bildende „Abstimmungskörper“ (classes) – oder eben Gruppen: Rn 21–23; es benennt andererseits die konkrete Gestaltung (11 USC § 1123 lit a (1)-(4): plancontents) mit Blick auf Gruppenbildung und Rechtswirkungen im Gesamtzusammenhang des Reorganisationsplans: Rn 24. Entscheidend ist nicht zuletzt dabei die Unterscheidung von Gläubigern und Eignern mit Blick auf spätere Mehrheitserfordernisse der jeweiligen gruppenindividuellen Abstimmung: für erstere (11 USC § 1126 lit c) die qualifizierte Kopf- (½) und Summenmehrheit (2⁄3), für letztere (11 USC § 1126 lit d) lediglich die besondere Summenmehrheit (2⁄3) – „Störenfriede“ werden jedoch ausgeklammert (11 USC § 1126 lit e: „not in good faith“); erforderlich ist Zustimmung von allen Klassen, es sei denn diese blieben unbeeinträchtigt (11 USC § 1129 lit a (8)), ergänzend greift das Obstruktionsverbot (11 USC § 1129 lit b: „cram down“ – vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 153 f und § 245 Rn 2, 36). b) Gestaltungsvorgaben. Generalklauselartig legt 11 USC § 1122 lit a fest, dass For- 21 derungen und Anteilsrechte in eine besondere Gruppe einzuordnen sind, wenn sie den anderen in dieser Gruppe befindlichen Forderungen oder Anteilsrechten im Wesentlichen gleichartig erscheinen49 („is substantially similar“). Aus Gründen der Verfahrensvereinfachung besteht gem 11 USC § 1122 lit b die Möglichkeit, ungesicherte Kleinforderungen separat zu gruppieren.50 Daraus lässt sich ableiten, dass es hier um qualitative, nicht quantitative Ähnlichkeiten geht, sonst wäre die Sonderregel ja überflüssig. Die Regelung entspricht generell dem einstigen amerikanischen Fallrecht.51 Während dabei die Grundregel (lit a) zugegeben klarer als § 222 zum Ausdruck bringt, dass die Berechtigung und nicht der Berechtigte das maßgebende Einteilungsmerkmal verkörpert52 (dazu Rn 44), bleiben die Sachkriterien doch verhältnismäßig vage.53 Klar vorgegeben wird lediglich eine Unterscheidung zwischen (Geld-) Forderungen („claims“) und Anteilsrechten („interests“), bzw Gläubigern und Eignern, sowie auch die qualitative Einordnung – aber was ist denn im Einzelfall (siehe gleich näher unten Rn 22 f) inhaltlich im Wesentlichen gleichartig („substantially similar“)? Hier steckt viel Deutungsspielraum, wie es ein case-law-Land letztlich wohl auch bevorzugt. Im Ausgangspunkt wird eine Gleichartigkeit im rechtlichen Sinne zugrunde gelegt.54 22 Schon aufgrund ihrer ungleichen Rechtsqualität sind daher Verwaltungskosten, bevorrechtigte, gesicherte und ungesicherte Forderungen zu unterscheiden.55 Darüber hinausgehend findet zudem eine sehr ausdifferenzierte Einordnung gesicherter Ansprüche statt.56 Indem ausschließlich gleichrangige und am selben Vermögensgegenstand bestellte Sicherheiten zusammengefasst werden, erweist sich die US- amerikanische Rechtspraxis formalistischer als die deutsche:57 überall dort, wo entweder mehrere Sicherheiten mit unter49

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Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 221; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 11; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S 590. Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 590. S.R. 95–989 S 406. Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 227; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 12. Siehe dazu nur Kemper Erfahrungen mit „Chapter 11“ (1996), S 157 f und Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 221 und S 227–233 – jeweils mwN.

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Case II/Newton IILR 2011, 511, 514 mit Fn 25; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 14; Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 228; Smid InVo 1997, 169, 174. Kemper Erfahrungen mit „Chapter 11“ (1996), S 158; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 13 f weist darauf hin, dass Verwaltungskosten und bevorrechtigte Forderungen grundsätzlich vorab vollständig abzugelten sind; vgl auch Smid InVo 1997, 169, 174. Case II/Newton IILR 2011, 511, 514 mit Fn 25. So sieht es Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 15.

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schiedlichem Rang am selben Vermögensgegenstand oder gleichrangige Sicherheiten an unterschiedlichen Vermögensgegenständen bestehen, wird für jedes Sicherungsrecht eine eigene Gruppe gebildet.58 Das führt oftmals indes auf „Einergruppen“, was wohl aber schwerlich intendiert sein kann … 23 Fraglich ist hingegen, ob außerdem Ungleichartigkeit im Wirtschaftlichen hinreicht, eine Klasse zu bilden. Konkret gefragt: sind zwangsläufig denn gleichartige ungesicherte Forderungen jeweils derselben Gruppe zugehörig? Inzwischen wird verbreitet angenommen, dass grundsätzlich keine Pflicht bestehe, wesensmäßig gleiche Forderungen und Anteilsrechte in die gleiche Gruppe einzuordnen.59 Vielmehr soll die zwar prinzipiell rechtlich zu verstehenden Gleichartigkeit60 zudem Raum zur Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte lassen, wie zB den Zeitpunkt des Fälligkeitseintritts oder den Entstehungsgrund der Forderung.61 Untermauern lässt sich dieser Standpunkt mit dem Auftrag des Gruppenbildungs- und Reorganisationsgedankens. Ihm würde eine Zusammenfassung aller ungesicherten Gläubiger innerhalb einer Gruppe grundsätzlich zuwiderlaufen62 – so eng kann „Ähnlichkeit“ nicht verstanden sein! 24 Die Gruppenbildung zeitigt Rückwirkungen auf die Plangestaltung (11 USC § 1123 lit a Nrn 1–4: gesetzlich zwingender Planinhalt!) und ebenso die Mehrheitsfindung (11 USC § 1126 lit c und d [„interne“ Mehrheit] iVm § 1129 lit a Nr 8 [„externer“ Konsens]). Der Plan hat63 (1) für alle Forderungen (mit Ausnahme von einzeln aufgeführten Bevorrechtigungen: 11 USC § 507 lit a [priorities]) und Anteilsrechte spezifische Gruppen vorzusehen; er muss (2) alle unberührt bleibenden Positionen ausweisen und (3) bei tangierten Klassen bezeichnen, welche Auswirkungen sich hieraus (iSv Nr 5: „adequate means for the plan’s implementation“) ergeben; der Plan muss zudem (4) alle Mitglieder einer Klasse immer gleich behandeln (Hs 1) – es sei denn, diese hätten in individuelle Schlechterstellung eingewilligt (Hs 2). Die Unterscheidung von (2) und (3) ist wichtig hinsichtlich der Abstimmungen (11 USC § 1129 lit a Nr 8): allein beeinträchtigte Klassen müssen letztlich nämlich zustimmen; (1) ähnelt insoweit allemal § 222 I und II InsO, (4) entspricht weitgehend § 226 I und II InsO. Im Grunde wirkt wieder die Gruppenbildung als Ausnahme vom Postulat der konkursmäßigen Gleichbehandlung (sie wird auf eine „kleinere Ebene“ gebracht bzw der größere Bezugspunkt einfach „weggeblendet“).

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c) Schlussbewertung. Die Orientierung der (deutschen) Neuregelung an tradierten amerikanischen Vorbildern schaffte Vertrauen insoweit, was die Rechtfertigung und Funktionalität des Prinzipienwechsels von der General- zur Gruppengleichheit anging (vgl Rn 23 aE iVm Vor §§ 217 ff Rn 163 und Rn 171 aE), war also am Ende ein legislativer Erklärungstopos (der „funktioniert“ hat). Berechtigterweise jedoch lässt sich heute fragen, welcher Mehrwert einer Auseinandersetzung mit dem US-amerikanischen Vorbild weiterhin

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Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 591; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 15; Smid InVo 1997, 169, 174. Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 590; Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 229 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 13, 21 und 24; Gräwe ZInsO 2012, 158, 162. Case II/Newton, IILR 2011, 511, 514 mit Fn 25; Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 228.

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Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 22, 24 und 40; Smid InVo 1997, 169, 175 f erwägt ausschließlich die Werthaltigkeit der Forderung als wirtschaftliches Differenzierungsmerkmal, lehnt dieses letztlich jedoch ab und priorisiert sodann rechtliche Kriterien. Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 229. Überblick hierzu bei Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 220 f und Kemper Erfahrungen mit „Chapter 11“ (1996), S 160.

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(noch) innewohnt, ob auch ebenso ein judikativer Anwendungstopos darin steckt. Nicht von der Hand zu weisende Divergenzen im Hinblick auf Regelungsgehalt, -struktur und -dichte, das eigene, allgemeine Verständnis von Richtermacht sowie vor allem die – auch hierzulande mittlerweile herangewachsene – Fallkasuistik für die Normauslegung stehen einem unkritischen Transfer entgegen.64 Nichtsdestoweniger sollte der rechtsvergleichende Ansatz innerhalb der Auslegung nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben,65 vermag zusätzliche Hilfen im Einzelfall zu vermitteln, bedarf immer aber der sorgfältigen Rückkopplung betreffend die Übertragbarkeit der Ergebnisse (siehe auch noch Vor §§ 217 ff Rn 162 f). Die mitunter eingewandte Unterschiedlichkeit der Verfahrenszwecke – gemeinschaftli- 26 che Gläubigerbefriedigung nach der deutschen InsO (vgl § 1 S 1), Schuldnersanierung im Rahmen des amerikanischen „Chapter 11-Verfahrens“ – ist Ursache für Skepsis. Als notwendiges „Zwischenziel“ auf dem Weg zur optimalen Haftungsverwirklichung strebt jedoch auch fast jedes Insolvenzplanverfahren eine Sanierung des Schuldnerunternehmens an66 (siehe dazu Vor §§ 217 ff Rn 38 f, aber vgl auch Rn 3 iVm 19). Infrage steht daher weniger der Verfahrenszweck an sich, als eben dessen Erreichung durch einen differenzierten Umgang mit den Forderungs- und Anteilsrechten (siehe dazu schon Rn 1–12). Ein beidseitig relevanter und insoweit für § 222 recht beachtenswerter Ausgangspunkt 27 liegt in einer Anknüpfung an rechtliche und wirtschaftliche Kriterien67 zur Differenzierung und Gruppenbildung. Hier wie dort trifft man auf die Frage nach dem Grenzverlauf zwischen einer normkonformen und einer manipulativen Zuordnung der Beteiligtenrechte.68 Beide Male ist Angelpunkt der Diskussion, dass der Gruppenzuschnitt klar auf inhaltliche Gesichtspunkte zurückführt (dazu Rn 125). Dadurch dürfte sich die Wahrscheinlichkeit der Planannahme erhöhen, ohne dass das erwünschte Abstimmungsergebnis selbst dabei dann zum zentralen Einteilungskriterium aufsteigt69 (sicherlich ein Balanceakt). Zudem lässt sich die Orientierung an der Berechtigung (scil. Inhalten, nicht Personen: Rn 44) vergleichend gut untermauern, und auch der Sondertatbestand für Kleinforderungen (11 USC § 1122 lit b – § 222 III S 2 InsO bzw Rn 149) ist inhaltlich amerikanisch beeinflusst. Die Möglichkeit zur Gruppierung von Anteilsrechten (§ 1122 lit a – § 222 I Nr 4 InsO bzw Rn 36) wurde vom ESUG gar wieder dezidiert so begründet.70 3. Genese der Stammfassung a) Grundmaximen. Die Idee einer (moderaten) Gruppenbildung tritt früh auf; die In- 28 solvenzrechtskommission wollte zum Schutz von gleichgerichteten Interessen eine gewisse Bündelung herbeiführen und darum die Gläubigerschaft als Absicherung gegen Polarisierung nicht mehr als Gesamtheit, sondern in (nur) drei zwingenden Gruppen abstimmen lassen (EB LS 2.2.16):71 Insolvenzgläubiger mit Sicherungsrechten (EB LS 1.1.5 II), ungesicherte Gläubiger (gemeinhin der Regelfall) und im Unternehmen verbleibende Arbeitnehmer mit planmäßig gekürzten Ansprüchen auf rückständiges Arbeitsentgelt (Sondertatbestand aus Sozialerwägungen72 – ein Residuum ist derzeitig Abs 3 S 1, vgl Rn 126). Dagegen 64

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FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 21; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 1; vgl auch Smid InVo 1997, 169, 175 f. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 20; wohl auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 1. Vgl Kranzusch ZInsO 2007, 804, 805. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 27.

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Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 40 f. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 24 und 41. BT-Drucks 17/5712 S 18 re. Sp. EB Mot S 15–17. Vgl EB Mot S 238 f.

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sollte keine fakultative Zulassung anderer Gruppen durch das Insolvenzgericht oder den Reorganisationsplan noch möglich sein – das gäbe große Weiterungen (Verselbständigung von Interessengruppen) mit praktischer Erschwerung und erheblicher Verzögerung der effizienten Verfahrensdurchführung.73 Immerhin: das Tor war geöffnet. Der Regierungsentwurf (§ 265 RegE) folgte indes konzeptionell dann den Vorentwürfen (§ 255 DiskE/RefE) durch eine stark geöffnete (Gruppen-) Konzeption – das wohl letzthin auch zur Offenhaltung planerischer Flexibilität und als Reaktion auf die doch recht holzschnittartig vorgenommenen Gruppenbildung, wie sie die Insolvenzrechtskommission vorschlug (Rn 28). Zentrales Motiv erscheint,74 die Finanzlage aller Beteiligten verglichen mit Liquidation „nach Möglichkeit“ zu verbessern („ … jedenfalls aber keinen Beteiligten gegen seinen Willen wirtschaftlich schlechter [zu] stellen“ – das wäre recht düster!). Die Gruppenbildung soll demzufolge von vornherein hier typischerweise existierende Prävalenzen bestimmter Beteiligter kanalisieren – anders gesagt: „Dieses Ziel kann der Plan nur erreichen, wenn er die Rechtsstellung der Beteiligten … berücksichtigt.“ Dadurch wurde der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz „weggefegt“ bzw wirtschaftlich orientierter Betrachtung anheimgestellt, zumal jene die konkrete Gruppenbildung mitprägt. Abs 1 legte die Anzahl der zu bildenden Gruppen nicht mehr abschließend fest, begründete aber gleichwohl eine Gruppierungspflicht mit aber jetzt kumulierter tatbestandlicher Anknüpfung: gleiche Rechtsstellung und gleiche Interessenlage (S 1); vorgesehen waren wortgleich schon Sachgerechtigkeit als Abgrenzungsregel (S 2) und Dokumentationspflicht (S 3). Abs 2 sah disparate Gruppen „zumindest“ für die absonderungsberechtigten Gläubiger, die voll- und nachrangigen Insolvenzgläubiger vor75 – gleichzeitig auch gedacht als eine Erläuterung der einzelnen verschiedenen Rechtsstellungen.76 Darüber hinaus schlug die Regierungsbegründung vor, die am Schuldner beteiligten Personen als sog „latente“ Gruppe einzelfallabhängig Berücksichtigung finden zu lassen.77 Ziel war eine differenzierte interessenorientierte Feingliederung (bei Verschweigung des Problems der Einbeziehung – heute: § 217 S 2!), die freilich dann reziprok die Möglichkeit differenzierter Plangestaltung verschaffte (§ 226 I bzw Rn 3). Gewiss eröffnete auch einstmals schon § 8 II VglO (Rn 19), die an sich gleichrangigen Gläubiger aus ökonomischen Gründen ein- oder uU auch mehrfach strukturell zu unterteilen.78 Die insoweit jedoch erforderliche „Zurücksetzung“ bestimmter Gläubiger(gruppen) wurde als unzweckmäßig und streitfördernd angesehen.79 Der Regierungsentwurf ließ recht großzügig daher eine Gruppenbildung von Seiten des Planverfassers zu. Er bemühte sich aber, mittels des Sachgerechtigkeitskriteriums (S 2 [sachlich] bzw S 3 [förmlich]) eventuellen Manipulationen vorzubeugen80 (dazu Rn 114, 117 f, 124). DiskE, RefE und RegE (Rn 29) unterscheiden sich textlich bloß unmaßgeblich – von einer einzigen Textergänzung abgesehen: die Einführung der Arbeitnehmerschaft als Sollgruppe (§ 255 III S 1 RefE, vgl Rn 126), welche dann auch so ins Gesetz hineinkam. Mit wenigen „Handgriffen“, systematisch gut „untermauert“ (aus Abs 1 wird Abs 2 und vice

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EB Mot S 183. So formuliert die Einleitung der Begründung zu § 265 RegE: BT-Drucks 12/2443 S 199 li. Sp. (mitsamt den Zitaten) – vgl auch erg S 92 li./re. Sp.: „Beteiligte, deren Rechte bei einer konkursmäßigen Zwangsverwertung unterschiedlichen Rang haben, … können sachgerechterweise [sic!] nicht gemeinsam über einen Insolvenzplan abstimmen.“

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BT-Drucks 12/2443 S 199 li. Sp.: „muß der Plan differenzieren zwischen …“. BT-Drucks 12/2443 S 199 re. Sp. BT-Drucks 12/2443 S 92 re. Sp. – eher schwächer dann freilich S 199 li. Sp. BT-Drucks 12/2443 S 199 re. Sp. BT-Drucks 12/2443 S 92/93: „erscheint die Frage … nicht sinnvoll“ (Zitat S 93). BT-Drucks 12/2443 S 199/200.

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versa) erfolgte aber im Gesetzgebungsverfahren ein fundamentaler Konzeptionswechsel von Seiten des Rechtsausschusses (Rn 33) mittels einer starken Reduzierung der Pflicht zur Gruppierung81 – um Praktikabilität zu gewährleisten.82 Die Parlamentsfassung (§ 265 InsO) bringt als Konsequenz der Expertenanhörung 33 (Frage 28: „Ist es sinnvoll entsprechend § 265 EInsO nicht nur die Gläubiger mit unterschiedlicher Rechtsstellung …, sondern auch Gläubiger mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen verschiedene[r – richtig: n] Gruppen zuzuweisen?“83) zwei grundlegende Veränderungen. Geleitet von der Intention, Aufstellungs- wie Abstimmungsverfahren weitergehend zu vereinfachen, plädierte der Rechtsausschuss gegen eine weitreichende zwingende Gruppenbildung,84 beließ indes doch die Möglichkeit fakultativen Gruppierens. Der Planersteller durfte ebenso gut jedoch auch im Fall höchst divergenter wirtschaftlicher Interessen von weiterer Gruppierung abstehen.85 Für den Tatbestandsaufbau bedeutete dies eine klare Unterscheidung zwischen der zwingenden, an die Rechtsstellung der Gläubiger anknüpfenden (Abs 1), und der fakultativen, weitergehend noch gleichartige wirtschaftliche Interessen voraussetzenden (Abs 2), Gruppenbildung. Der parallele neue Dualismus von „Mussgruppe“ (Abs 1) und „Kanngruppe“ (Abs 2) 34 bekam noch über die „Sollgruppe“ (Abs 3 S 1) inhaltlich besondere Spannung. Dabei muss man auch sehen, dass systematisch alle – explizit so genannten – „besonderen Gruppen“ (Abs 3 S 1 und 2) materiell zwar Abs 2 wohl zurechnen, aber zugleich eben formell völlig eigenständig umschrieben werden (eindeutig wieder bei Abs 3 S 2: „Kanngruppe“). Weitergehend entschied jedoch der Rechtsausschuss auch gegen eine zwangsläufige Pflichtgruppenbildung: selbst „Mussgruppen“ sollten verzichtbar werden, wenn und weil keinerlei Eingriffe erfolgten (bei Absonderungsbefugten iSv Abs 1 S 2 Nr 186) bzw Eingriffe ohnehin nahelagen (bei Nachranggläubigern iSv Abs 1 S 2 Nr 3). Dies orientierte sich offenkundig am Regelmodell „planloser“ Liquidation. Demnach blieb bloß, die Vollranggläubiger als vermeintliche Globalgruppe abzubilden (Abs 1 S 2 Nr 2 – Näheres siehe bei Rn 52–54). Das öffnende „zumindest“ war zugleich entfallen.87 b) Sonderregeln. Einige Sondergesetze regeln Sondergruppen. Auch insofern divergie- 35 ren Regierungsentwurf (Rn 29 f) und Parlamentsfassung (Rn 33 f), zumal doch die grundlegende Konzeptionsänderung bei § 265 RegE natürlich darauf fortwirkt. Das betrifft Genossenschaften (§ 116 Nr 3 GenG: Rn 165 – Art 47 Nr 38 EG-RegE: „ist zu unterscheiden“ bzw Art 49 Nr 38 EG-InsO: „kann … unterschieden werden“), Schuldverschreibungsgläubiger (§ 19a I SchVG/aF: Rn 167 – Art 51 Nr 4 EG-RegE: „sind … in einer besonderen Gruppe [!] zusammenzufassen“ bzw Art 53 Nr 4 EG-InsO: „In einem Insolvenzplan sind allen in § 1 bezeichneten Gläubigern gleiche Rechte anzubieten.“ – Gruppenbildung nur noch bei Differenzierung, arg § 226 I) und schließlich den Pensionssicherungsverein (§ 9 IV S 1 BetrAVG: Rn 164 – Art 94 Nr 4d EG-RegE: bei Fortführungs81 82 83

BT-Drucks 12/7302 S 153 li. Sp. [Grundlinien]. BT-Drucks 12/7302 S 153 li. Sp. [RA: Nr 140]. Skeptisch urteilten insb namhafte Praktiker: Uhlenbruck (RA-Prot 12/74 Anl S 358: gerichtliche Arbeitslast); Grub (RA-Prot 12/74 Anl S 472: Rechtsunsicherheit); Wellensiek (RA-Prot 12/74 Anl S 514: „Gleich Beteiligte sollen gleiches Recht haben.“) – recht positiv hier dagegen die IDW-Stellungnahme (RAProt 12/74 Anl S 571: „Wir halten es für sinnvoll …“).

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BT-Drucks 12/7302 S 182 li./re. Sp. BT-Drucks 12/7302 S 182 re. Sp: „kann … aufteilen, braucht es aber nicht, auch wenn die betroffenen Gläubiger sehr unterschiedliche wirtschaftliche Interessen haben“. Heute auch zusätzlich noch für Anteilseigner (Abs 1 S 2 Nr 4), vgl Rn 88. Damit auch die Grundlage der sog „latenten“ Eignergruppe – siehe dazu schon Rn 30 bei/mit Fn 76 sowie vor allem Rn 89.

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plänen „ist … [für ihn] … eine besondere Gruppe [!] zu bilden“ bzw Art 91 Nr 4d EGInsO: kann … eine besondere Gruppe gebildet werden“). 4. Änderungen durch das ESUG

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Die bisher einzige Änderung erfuhr § 222 durch Art 1 Nr 18 ESUG.88 Es ging zentral um eine Einbeziehung der Anteilseigner, im Positiven (§ 238a) wie Negativen (§ 245) und einbegriffen individuelle Sicherungen (§ 251)89 – folgend US-amerikanischem Vorbild90 (dazu Rn 20). Verändert wurde dreierlei:91 (a) In Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1 erfolgt die Klärung der Terminologie. Unter altem Recht konnte man sicher Beteiligte und Gläubiger begrifflich kurzerhand gleichsetzen (Abs 1 S 1), nach dem ESUG wird die „Beteiligung“ zum Oberbegriff für Drittgläubiger („claims“) und Anteilseigner („interests“) – das wurde hiermit erreicht (lit a (aa) und lit b). (b) Die zentrale Änderung ist zweifellos die Einführung der zwingenden Gruppenbildung für plantangierte Anteilseigner (lit a (bb) bzw Abs 1 S 2 Nr 4), „wenn [und weil] deren Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte in den Plan einbezogen werden.“ Das erweitert den gesetzten Strukturkanon für die Gruppenbildung (dazu Rn 86). (c) Die Kleingläubigerklausel des Abs 3 S 2 wurde zusätzlich zur Kleinbeteiligtenklausel umgebildet (lit c), wobei weiterhin offen erscheint, wer Kleingläubiger ist (es fehlt an einer Quantifizierung: Rn 148–152), während das Gesetz den noch so eben („weniger als“) geringfügig beteiligte[n] Anteilsinhaber“ nun präzis definiert (dazu Rn 161).

III. Grundlagen der Gruppenbildung 1. Art 3 I GG als Rahmenvorgabe

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a) Gruppenbildung als „differenzierende Gleichbehandlung“. Die verfassungsrechtliche Notwendigkeit eines gesetzlich vertypten (Einzel-) Zwangsvollstreckungsverfahrens wurzelt im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 III GG – Selbsthilfeverbot!) und der Eigentumsgarantie (Art 14 I GG – Anspruchsinhalt!). In Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 I GG) erwächst hieraus das Bedürfnis nach einer weitgehend gleichmäßigen Verteilung des unzureichenden Schuldnervermögens im Rahmen eines (Gesamt-) Vollstreckungsverfahrens.92 Der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 I GG) bedingt damit nicht nur den insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als übergeordnetes Verfahrensprinzip,93 sondern – gleichsam mittelbar – daneben zudem die

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BGBl I Nr 64 S 2582 (2583/2584) [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3)]. BT-Drucks 17/5712 S 18 re. Sp. BT-Drucks 17/5712 S 18 re. Sp. Wegen der Einzelbegründung siehe bei BTDrucks 17/5712 S 31 li. Sp. Baur/Stürner InsR12 Rn 6.2; MünchKomm/ Stürner InsO3 Einl Rn 77; Lepa Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, S 117; Adam DZWIR 2009, 441, 442; Leonhardt/Smid/ Zeuner/Smid/Leonardt InsO3 § 1 Rn 34. Grundlegend anders der Ansatz von Häsemeyer, siehe vor allem KTS 1982, 507 bzw InsR4 Rn 2.17 ff (Ausgleichshaftung mangels Privatautonomie – sic! Das erlaubt

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Differenzierungen infolge der Plangestaltung …). Zur Herleitung der insolvenzrechtlich begründeten Gleichbehandlung jüngstens sehr eingehend J F Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung [HRA 13] (2016), S 193 ff (dort ebenso zur Kritik an Häsemeyer: S 196–199), indes auch gegen (materielle) privatautonome Erklärungen (S 201 ff). Die verfassungsrechtliche Dimension der Gläubigergleichbehandlung ist umstritten. Während viele Autoren für eine Herleitung aus Art 3 I GG plädieren (vgl v. Gleichenstein NZI 2015, 49, 52; Smid BB 1992, 501, 503;

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Vorschriften über das Insolvenzplanverfahren inklusive der Gruppenbildungsregeln. Dass der Gesetzgeber grundsätzlich nicht gehalten ist, ein Insolvenzplanverfahren zu schaffen,94 lässt den Grundrechtsbezug des § 222 (iVm § 226) nicht entfallen: wenn und weil der Gesetzgeber sich einst dazu entschlossen hatte, ein exakt solches Verfahren einzuführen, erheischt Art 3 I GG nun mit Blick auf die Gruppenbildung und Einteilung der Beteiligtenrechte zwangsläufig besondere strukturelle Beachtung.95 Am Ende geht es schlicht um das Scheiden (mit Blick auf Rn 38) von „wesentlich Gleichem“ und „wesentlich Ungleichem“.96 b) Gruppenbildung gemäß abstrakt-genereller Regel. Das legislativ vorgegebene Nor- 38 mensystem erscheint passig zum Grundverständnis des Gleichheitssatzes. Während § 222 I eine zwingende Differenzierung infolge unterschiedlicher Rechtsstellung vorgibt, bewegt sich die fakultative Einteilung anhand der wirtschaftlichen Interessen (§ 222 II S 1) und des Sachgerechtigkeitskriteriums (§ 222 II S 2) im deutlich engeren Kreis der jeweils gleichen Rechtsstellung – das gilt zudem auch für § 222 III: Arbeitnehmer-, Kleingläubigerund Kleinanteilsinhaberstellung erfasst das Gesetz als inhaltlich gleichartige Positionen (billigt nur den Sachgrund für die Differenzierung). Hintergrund dieses Befunds ist, dass sich die zwingende Gruppenbildung (§ 222 I) auf wesentlich Ungleiches,97 die fakultative Gruppenbildung (§ 222 II und III) hingegen auf wesentlich Gleiches98 bezieht. Zum einen weist nämlich die Gesamtheit der in § 222 I abstrahierend angesprochenen Rechtstypen – abgesehen von ihrer potentiellen Einbeziehung in das Planverfahren – keine Gemeinsamkeit auf. Zum anderen fokussiert § 222 II/III den einzelnen Rechtstypus samt konkretem Berechtigten und ermöglicht eine gewisse Vergleichbarkeit. Im Ganzen dreht sich damit alles um den Rechtstypus als Unterscheidungszeichen für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung. Er fungiert in einer Weise, die sich bereits im Regelverfahren andeutet: Alle nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger sind grundsätzlich gleichzubehandeln (dazu Rn 43 und 91).99 Diese grundlegende Vergleichbarkeit kontrastiert zur Statthaftigkeit individueller Differenzierung im Einzelfall anhand von gleichartigen wirtschaftlichen Interessen und des Sachgerechtigkeitskriteriums (§ 222 II S 1 und 2) – hierzu entscheidet jedoch nicht etwa das Gesetz, sondern gestalterisch der Planersteller! (näher dazu bei Rn 90). Davon ist die Frage konkret zu trennen, ob der Gesetzgeber generell gehalten ist, eine 39 möglicherweise ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vermittels näherer Gestaltung der entscheidenden Gruppenbildungsregeln auszuschließen. Sie berührt das Problem des ge-

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HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 1; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 1; FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 1), wird von anderer Seite auf die fehlende staatliche Pflichtenbindung (Knospe ZInsO 2014, 861, 862 f) oder einen mangelnden Aussagegehalt zur Verteilungsgerechtigkeit (J Bauer DZWIR 2007, 188, 189) hingewiesen. MünchKomm/Stürner InsO3 Einl Rn 78. Durchaus richtig insoweit LG Berlin NZI 2005, 335, 337; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 32 und 35; vgl auch erg Binz Konkurrierende Insolvenzpläne (2001), S 117 f. ZB BVerfGE 3, 58, 135; 97, 332, 344; 98, 365, 385.

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Zur Systemimmanenz der Ungleichbehandlung verschiedener Befriedigungsklassen vgl Baur/Stürner InsR12 Rn 5.37; Prütting Kölner Schrift InsO3 S 1, 20, [Rn 64]; Binz Konkurrierende Insolvenzpläne (2001), S 118 f; vgl auch erg FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 9 f. Hier aA Binz Konkurrierende Insolvenzpläne (2001), S 121 und 131, welche die Gläubiger mit gleicher Rechtstellung zunächst ebenfalls nicht als wesentlich ungleich erachtet, das Hauptaugenmerk dann jedoch auf die mitunter erheblich divergierenden wirtschaftlichen Interessen richtet. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 31.

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setzgeberischen Gestaltungsspielraums.100 Zwar wird die Ableitung von Schutzpflichten aus Art 3 GG für privatrechtliche Drittverhältnisse prinzipiell kritisch gesehen.101 Das mag durchaus für die autonome Rechtsgestaltung unter voll ebenbürtigen Privatrechtsakteuren gerechtfertigt sein, erfasst nicht ohne weiteres aber zudem gleich das Gegenübertreten von Planersteller und Gläubigern (bzw am Schuldner beteiligten Personen) innerhalb des Insolvenz(plan)verfahrens, weil dies eine normative Gesamtwirkung induziert.102 Anders gesagt: Die inhaltliche Konkretisierung der Gruppenbildungsregeln unterliegt höheren Anforderungen, als die normative Ausgestaltung des reinen Privatrechtsverkehrs. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten gem §§ 231 I Nr 1, 250 Nr 1 wird man eine hinreichende Absicherung durch die – mitunter vagen – Kriterien des § 222 II/III iVm §§ 245, 251 allemal jedoch (noch) bejahen können.

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c) Gruppenbildung anlässlich konkreter, geplanter Verfahren. Mit Blick auf das konkrete Verfahren stellt sich ebenso die Frage nach der Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 I GG). Alle Planersteller sind verfahrensrechtlich verpflichtet, die Beteiligten gleichzubehandeln (§ 226) – aber eben bloß nach Vorgabe der Gruppen! Der Insolvenzverwalter hat mangels hoheitlicher Aufgaben103 keine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beteiligten (gemeint: bei Bildung der Gruppen). Einer unmittelbaren Bindung an Art 3 I GG unterliegt dagegen das Insolvenzgericht. Ihm kommt es zu, die vom Planersteller vorgenommene Einteilung zu überprüfen (§§ 231, 250) und den Plan zu bestätigen (§ 248).104 Zumindest also „mittelbar“ muss der Planersteller demnach die verfassungsrechtlichen Vorgaben wahren, um eine Zurückweisung oder Bestätigungsversagung durch das Insolvenzgericht zu verhindern (siehe auch schon Rn 39 aE). Das gleicht im Zugriff der Vorstellung mittelbarer Drittwirkung (zugespitzt auf die Gleichheit). 41 Da § 222 I prinzipiell Ungleiches auch legislativ unmittelbar ungleich behandelt (dazu Rn 38), betrifft die Frage der rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung zuvörderst die fakultative Gruppenbildung gem § 222 II und III. Den Referenzpunkt dieses Rechtfertigungserfordernisses bildet der Gruppenbildungszweck (dazu Rn 1–12). Nur wenn sich die zugrunde gelegten Differenzierungskriterien hinsichtlich seiner Erreichung als insoweit verhältnismäßig erweisen (scil.: geeignet, erforderlich, angemessen), kann die Ungleichbehandlung als sachgerecht gem § 222 II S 2 und mithin als lauter, dh am Ende „tolerabel“ (wenn man es negativ wendet) bzw statthaft (gemäß positiver Sicht) angesehen werden. 42 Unklar ist, ob dem Planersteller eine derartige Gruppenbildung (iSv Abs 2 und Abs 3) obliegt. Teilweise wird dies vertreten bei zumindest offensichtlicher Divergenz der wirtschaftlichen Interessen105 – primär bleibt mithin die konkrete Gestaltungsmacht des Plan100

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 35 charakterisiert die Gruppenbildungsregeln gem § 222 II als Ausdruck eines aus Art 3 I GG ableitbaren „Verfassungsauftrags“ – das geht mir am Ende zu weit. Stern/Becker/Englisch GG2 Art 3 Rn 120; Dreier/Heun GG3 Art 3 Rn 69; Zum „Regel- Ausnahmeverhältnis“ gleichheitsrechtlicher Schutzpflichten vgl Stern/Becker/Englisch GG2 Art 3 Rn 120 f. K Schmidt/Sternal InsO19 § 80 Rn 19; Kluth NZI 2000, 351, 353; Binz Konkurrierende Insolvenzpläne (2001), S 129 (unter Bezugnahme auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte).

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Knospe ZInsO 2014, 861, 862 geht insoweit vom gleichen Ausgangspunkt aus. Er führt die fehlende Grundrechtsbindung des Insolvenzverwalters jedoch als Argument gegen eine Ableitung des insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art 3 I GG an. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 35, 117 und 119; Jungmann KTS 2008, 218, 220 in Anm zu LG Mühlhausen KTS 2008, 210; Binz, Konkurrierende Insolvenzpläne (2001), S 132; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 5.

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verfassers bestehen, es geht um eine Missbrauchsabwehr. Entsprechend der BVerfG-Rechtsprechung ist aber entscheidend, ob sich die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweiligen Zusammenhang als so bedeutsam erweisen, dass sie für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise der Regelung zu beachten sind:106 Wesentlichkeit (!) – ist eben nicht gleich Offensichtlichkeit. Das BVerfG knüpft das Gleichbehandlungsverbot ebenso also an spezifische Anforderungen.107 Diese – vorderhand offenkundig an den Gesetzgeber gerichtete – inhaltliche Einschät- 43 zung ist auf den Planersteller weiterzuleiten (siehe dazu schon oben Rn 40 aE). Es kommt daher darauf an, wie die zugrunde zu legenden Unterschiede gem § 222 II und III zu gewichten sind. Verglichen mit den Kriterien des § 222 I sind die wirtschaftlichen Interessen veränderlich und in hohem Maße subjektiv geprägt. Sie stellen die grundsätzliche (rechtliche oder objektive) Gleichartigkeit der Berechtigungen, auf welche bei unterbliebener Gruppenbildung gem § 222 II/III ausschließlich abzustellen ist, nicht in Frage. Stützen lässt sich dies auf einen Vergleich mit dem Regelinsolvenzverfahren: dort werden nicht anders sämtliche Beteiligte mit gleicher Rechtsstellung in den gleichen „Topf“ geworfen. Ihre Gleichbehandlung innerhalb einer obligatorischen Gruppe (vgl §§ 222 I, 226 I) muss daher möglich sein108 – was auch heißt: es fehlt an einer über den § 222 I hinausgehenden Gruppenbildungspflicht (dazu Rn 91). 2. Gruppenbildungsgegenstand Entsprechend dem Gesetzeswortlaut (Abs 1 S 2: „Beteiligte … betroffen“), der Gesetzes- 44 begründung109 sowie landläufiger Formulierung in Schrifttum110 und Rechtsprechung111 scheinen die Personen, und nicht die Berechtigungen am Schuldnervermögen, das Substrat der einzelnen Gruppen zu bilden.112 Mitursächlich für eine derartige Verkürzung dürfte einerseits (mit Blick auf Abs 1) die vermeintliche Irrelevanz im tatsächlichen Regelfalle sein: es geht idR doch um eine Einzelberechtigung eines Einzelbeteiligten! Andererseits (was den Abs 2 [S 1] angeht) verbirgt sich dahinter eine Binsenweisheit: die wirtschaftlichen Interessen als gesetzlich nicht näher konkretisierte Einteilungskriterien können nur schwer perso-

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BVerfGE 1, 264, 275 f; 71, 255, 271; 86, 81, 87; 98, 365, 385; 103, 242, 258; 110, 141, 167; 118, 1, 27; ganz ähnlich Binz, Konkurrierende Insolvenzpläne (2001), S 121. Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/ Krieger GG14 Art 3 Rn 26; Sachs/Osterloh/ Nußberger GG7 Art 3 Rn 83; Sachs VerfR II3 Rn 15.56. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 31; vgl auch erg Bierbach HRI2 § 28 Rn 78. Sie ist niemals jedoch geboten, soweit die konkreten Differenzierungsmerkmale vorliegen: BGH B. v. 10.01.2008 – IX ZB 97/07 {2}, BeckRS 2008, 01659 („ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz“). BT-Drucks 12/2443 S 199 re. Sp. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 1; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 10; Gottwald/Koch/de Bra InsRHb5 § 67 Rn 33; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 12.1; Smid NZI 2005, 296.

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En passant so BGH NZI 2012, 141 {2}; 2015, 697, 698 {9} [II 2a] („Gläubiger“) – leicht präziser zunächst BGH Beschl. v. 10.01.2008 – IX ZB 97/07 {2}, BeckRS 2008, 01659 (Abs 1: „sich an der Rechtsstellung der Beteiligten ausrichtende[n] Gruppen“ – aber: Abs 2: „Gläubiger mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst“) [Hervorh vom Verf]; eher unspezifisch BGHZ 163, 344, 348 f {14 f} [4b], klar abweichend LG Berlin DZWIR 2005, 298, 300 (Vorinstanz). Total anders HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 9: weder rechte- noch personenbezogene Gruppenbildung; anzuknüpfen sei an die jeweilige Rechtsstellung der Beteiligten iSv Abs 1 S 1 – das verwechselt die künftigen Wirkungen (Planumsetzung) mit den aktuellen Ursachen (Gruppenbildung).

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nenunabhängig eingefangen werden. Immer muss man aber sehen, dass Rechte bestimmend wirken (nicht autonom deren Inhaber). Deshalb wohnt der Unterscheidung zwischen den Beteiligten in persona und ihren Rechten eine mehr als etwa bloß theoretische Bedeutung für die Gruppenbildung und insb die nachfolgende Mehrheitsfindung inne. Dies zeigt der Blick auf solche (Sonder-) Fälle, in denen die jeweilige Berechtigung am Schuldnervermögen (Rn 45) oder die Rechtsinhaberschaft wegen Binnenbeziehungen (Rn 46) von einer gleichsam multiplen Natur ist. Hier stellt sich sodann jene Grundfrage der Anknüpfung (was genau ist Gruppenbildungsgegenstand?) und zeitigt Konsequenzen. 45 Je nach Sachlage mag eine Einzelperson mit mehreren Rechten (Absonderungsrechte, nicht nachrangige Insolvenzforderungen, nachrangige Insolvenzforderungen und Beteiligungen) am jeweiligen (Plan-) Verfahren teilnehmen („multiple Außenbefugnis“). Die auch dafür nötige obligatorische Gruppierung (§ 222 I S 2) bzw möglich fakultative Einteilung (§ 222 II) verdeutlicht, dass die Gruppenbildung nicht Personen sieht,113 sondern typisierte und unvertypte Interessenlagen. Hielte man an einer „monolitisch“ personengebundenen Einteilung fest, führt die Frage nach der „richtigen“ Zuordnung zur Aushöhlung der Gruppenbildungszwecke (iSv Rn 1–12) – die einzelnen Abstimmungskörper wären nicht mehr durch einen möglichst hohen Homogenitätsgrad gekennzeichnet, so dass die Planwirkungen an Legitimität und Adaptivität verlören; daher gibt es auch keine Mischgruppenbildung (vgl Rn 50 f), die ähnliche Verwicklungen auslöste. Im Allgemeinen hat sich die Einteilung somit nicht am einzelnen Verfahrensteilnehmer, sondern an seiner Rechtsstellung auszurichten.114 In der Konsequenz darf ein Beteiligter, dessen Rechte sich auf verschiedene Gruppen verteilen, mit (betreffend die Gesamtheit) mehreren Kopfstimmen votieren.115 46 Es gibt ebenso Einzelrechte mit mehreren Personen als „Befugten“, dh eine in sich im Rechtssinn – wie auch immer – verbundene Beteiligtenmehrheit am Schuldnervermögen („multiple Innenbefugnis“). Hier bedarf es jedoch dann inhaltlich zusätzlicher Unterscheidung. Handelt es sich um eine Teilgläubigerschaft (§ 420 BGB), kann die Forderung also von jedem Berechtigen selbst anteilig geltend gemacht werden, erscheint eine mehrfache Gruppierung möglich116 – jeder Forderungsteil kann aufgrund seiner funktionalen Eigenständigkeit für sich selbst betrachtet werden. Das führt zur Vermehrung der Kopfstimmen117 (bei Verminderung des Summenanteils). Wenn die gesamte Forderung hingegen von jedem Gläubiger geltend gemacht werden darf, somit bei einer Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB), kann von vornherein nur eine konkrete Gruppe in Betracht kommen;118 sie wirkt als nicht weiter verlustfrei teilbares singuläres Ganzes. Gleiches muss im Ergebnis für die Mitgläubigerschaft (§ 432 BGB) und die gemeinschaftliche Gläubigerschaft119 gelten – die Forderung kann entweder von jedem Einzelgläubiger für alle oder von allen Gläubigern

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 28 – siehe noch bei Fn 114. Bierbach HRI2 § 28 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 222 Rn 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 4; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 28–30, aber zB auch LG Berlin DZWIR 2005, 298, 300. So auch treffend Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 244 Rn 5. Sicherlich ein Sonderfall: divergente wirtschaftliche Interessen (§ 222 II S 1) dürften angesichts identischen Rechtsgrunds und homogenen Gläubigerkreises insgesamt selten

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vorliegen (MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 30) – sind mE aber nicht etwa per se auszuschließen (zB Stundungsbereitschaft, Eigeninteresse am Fortbestand der Kundenbeziehung). MünchKomm/Hintzen InsO3 § 244 Rn 19; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 16 f, näher siehe § 244 Rn 14–17. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 30. … die ungeregelt ist – Näheres zum „Kontrapunkt“ bei Riering Gemeinschaftliche Schulden (1991), S 20 ff.

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gemeinschaftlich geltend gemacht werden,120 bleibt ebenfalls jedoch rechtlich Unität bzw Unikat: es kann von vornherein nur eine konkrete Gruppenzugehörigkeit anstehen121 (trotz mehrerer Köpfe – gleichwohl bloß eine Kopfstimme iSv § 244 II S 1122 [dort Rn 11–13]). 3. InsO-Vorschriften als Verfestigungen Die Gruppenbildung bei § 222 ist Tatbestand, die intragruppale Gleichstellung ist 47 Rechtsfolge (§ 226 I), was dann zugleich bzw reziprok jetzt direkt extragruppal Differenzierung rechtfertigt (siehe auch bei § 226 Rn 3). Die Bedeutung liegt daher zuvörderst bei Modifizierungen der Gleichbehandlung, die hier quasi kleinteiliger oder auch sachadäquater wurde. Die erste Beschreibung sieht das Regelverfahren und die Totalität der Gläubiger, die zweite gezielter jedoch das Planverfahren und seine ureigen verfasste Funktionalität. Die adaptiven Planwirkungen erscheinen ein Schlüssel zum Erfolg der Sanierung123 (vgl Rn 9 f). Daneben treten ebenso wichtig die Modifizierungen der Mehrheitsfindung (§ 243 iVm § 244 I) durch Etablierung eines gruppenindividuellen Abstimmungsverfahrens, das mit zur späteren Legitimation der Planwirkung beiträgt (vgl Rn 2). Der Gesetzgeber124 sah darin die eigentlich rechtfertigende Motivation, zumal dies der jeweiligen Interessenlage näherkommt. Diese Gruppenbildungsfreiheit wurde anfangs überwiegend argwöhnisch gesehen,125 48 Henckel tat jenes mit stärker struktureller Argumentation:126 die Gruppeneinteilung sei Gerichtssache (Neutralität!), zumal jene den späteren Abstimmungsmodus bestimme (Praktikabilität!) – das hätte elegant gewiss das große Manipulationsproblem (näher dazu unten Rn 121–125) gelöst. Der Hauptangriffspunkt war allemal ein anderer, der Wirkbereich des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes, und also die mehr materielle Argumentation, was über den (heutigen) Abs 1 hinausginge, dies sei von Übel. Die als „rechtliche Aufgabe des Konkurses“127 und auch als „Intention der Insolvenzordnung“128 eingeordnete generelle Gläubigergleichbehandlung sollte nicht durch eine weitgreifende Gruppenbildung gerade erschwert werden.129 Dahinter steht ein wenig die Angst, das Bewährte zu verlieren, es

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Anwendungsbeispiele geben Bruchteils(§§ 741 ff, 1008 ff BGB [Sicherheitenpool!], vgl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 30) und Gesamthandsgemeinschaften; aufgrund gemeinhin (indes fälschlich) anerkannter (Teil-) Rechtsfähigkeit (BGHZ 146, 341; 175, 374, 378 {15}, ist die (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst Gläubigerin oder Anteilsinhaberin und spielt inzwischen eine nur noch untergeordnete Rolle (vgl Jauernig/Stürner BGB17 § 705 Rn 1; Staudinger/Looschelders BGB2017 § 432 Rn 15; MünchKomm/Schäfer BGB7 Vor § 705 Rn 11; HkK/Meier BGB §§ 420–432/II Rn 79). So im Ergebnis wohl auch MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 30. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 244 Rn 6; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 244 Rn 15; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 30.

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Dies sieht auch recht klar MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 5. BT-Drucks 12/2443 S 92 re. Sp.: letztendlich „doppelte“ Legitimation. Ausnahme: Baur/Stürner InsR12 Rn 4.47: „um der größeren Flexibilität willen zu begrüßen“ bzw R Stürner in: Leipold (Hrsg) InsR im Umbruch (1991), S 41, 45 [IV 4]: „nicht ganz so revolutionär, wie es der erste Anschein glauben läßt.“ Henckel KTS 1989, 477, 491 [V]. Smid BB 1992, 501, 510 [III 5]. Bilgery DZWIR 2001, 316, 318 [III 2]. Smid InVo 1997, 169, 176 [IV 1a bb] (hierzu Näheres sogleich im Anschluss); vgl auch erg Smid/Rattunde Insolvenzplan1 Rn 469–471. Das Smidsche Argument der „Bündelung zur Exekution“ sieht bloß das Regelverfahren und nicht die Variationen im allseitigen Beteiligteninteresse, sei es der Zielsetzung (Sanierung), sei es des Resultats (Optimierung).

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ist eine Anbetung der Asche und nicht die Weitergabe des Feuers (Gustav Mahler). Wenn man dazu außerdem noch anführte, die gerade abgeschaffte Privilegienordnung (§ 61 KO) sei durch die Hintertüre wieder eingeführt, es drohten letztendlich „vorrechtsähnliche Vorzugsstellungen“,130 geht das in die Irre – man wollte keinerlei Befriedigungsränge gestatten, jene lassen sich – bezogen aufs normale Insolvenzverfahren! – durch Gruppierung (§§ 222 II, 226 I) nicht realisieren (arg §§ 245 I Nr 1, 251 I Nr 2, 253 II Nr 3 – Schlechterstellungsverbot!). 49 Eine globale Gleichbehandlung wäre störend fürs Planverfahren, sie verhinderte den erwünschten „Kreativitätsschub“ für Alternativlösungen131 (siehe auch Vor § 217 ff Rn 7–9, aber erg dazu § 218 Rn 2). Die Beteiligten können letztendlich wählen zwischen Konfektionsware (Regelverfahren) und Maßanfertigung (Planverfahren) – sie werden das jedoch sorgsam je für sich abwägen müssen. Deshalb ist wichtig, Grundregeln zu garantieren. Hierbei sieht die kollektive Gleichbehandlung auf die angemessene Beteiligung der Gruppenmehrheit; falls sie fehlt, können die Regeln des Obstruktionsverbotes (§ 245 I132) nämlich nicht greifen (Nr 1!). Dazu tritt eine individuelle Gleichbehandlung zugunsten der eventuell überstimmten Gruppenminderheit; sie kann sich die Beteiligung immer verschaffen, welche auch im Regelverfahren denn erwartbar wäre (§ 251 I Nr 2). Über den Vergleich „Planverfahren/Regelergebnis“ schwebt daher der allgemeine Gleichheitsgrundsatz quasi über allem. Es geht um Verbesserung, nie Verböserungen. 4. „Mischgruppe“

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Abs 1 S 2 verlangt eine minimale Unterteilung iSv Mussgruppen: „Es ist zu unterscheiden zwischen …“ (Imperativ! – aber vgl auch Rn 68). Die Vorschrift ist – wie jede Planverfahrensregel – nicht weiter parteidisponibel133 (dazu § 217 Rn 8). Sog Mischgruppen, die gleichsam „Rollentypen“ (unter demselben Dache) vermengen, werden daher nahezu einhellig heute abgelehnt;134 der BGH erachtet das als schwerwiegenden Gruppierungsmangel, für eine offenkundig selbstverständliche Rechtsfolge und nicht konkret begründenswert.135 Anders gesagt: Abs 2 erlaubt ganz bewusst eine Verfeinerung, Abs 1 dagegen duldet keine Vergröberung. Besondere Relevanz hat die Thematik natürlich bei akzessori-

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Es geht um materiale, nicht formelle Gleichbehandlung, vgl Rn § 226 Rn 12–15. Später wohl anders dann jedoch Smid FS Gerhardt (2004) S 931, 941 f mit Fn 35 und S 947 f. Gegen Smid darum auch ua einst Hess/Weis InVo 1998, 64, 65; Dienstühler InVo 1998, 333, 335 bzw heute HK/Haas InsO9 § 222 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 5. Bilgery DZWIR 2001, 316, 318 [III 2]. Darauf weist auch BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp: „Bei der Masseverwertung durch einen Plan hat der Gleichbehandlungsgrundsatz eine andere Bedeutung als bei der konkursmäßigen Zwangsverwertung des Schuldnervermögens.“ Mit Schlechterstellungsverbot (Nr 1) und Angemessenheitsgebot (Nr 2 mit Abs 2) – Messlatte ist das Ergebnis des Regelverfahrens, dh der Liquidationsfall.

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FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 12. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 4; FK/ Jaffé InsO9 § 222 Rn 9 und 12; HambK/ Thies InsO6 § 222 Rn 14; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 15; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 55; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 47; Frind NZI 2007, 374 f [II 1]. BGHZ 163, 344, 348 {14} [4b] = NJW-RR 2005, 1638 = ZIP 2005, 1648 = NZI 2005, 619 = DZWIR 2006, 74 mit LG Berlin NZI 2005, 335, 337 (Vorinstanz), zust LG Würzburg BeckRS 2011, 09000. Die Frage war übrigens dort nicht einmal relevant: aaO S 349 f {16 f} [4c].

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schen Absicherungen, dort folgt daraus alsdann die Pflicht, entsprechend der Werthaltigkeit zu differenzieren (näher dazu siehe Rn 77), das Verbot greift ebenfalls indes auch gegen sonstige Vermischung136 und gilt somit strikt. Smid hält dagegen aber eine Einschränkung für einleuchtend,137 wenn und weil unge- 51 sicherte und gesicherte Forderungen völlig gleichbehandelt werden. Dies macht aber wenig Sinn: allen Sicherungsberechtigten würde Verzicht abgefordert (§ 251 I Nr 2?) oder man muss die Vollrangigen schlechter stellen (§ 226 II)138 – dann wird man jene doch besser unmittelbar gleich der anderen Gruppe (welcher?) einordnen oder eine eigene Gruppe bilden; alles andere trägt demgegenüber den Hautgout der Manipulation! Eine derartige Plangestaltung lässt sich nicht mehr mit den Gruppenbildungszwecken (iSv Rn 1–12) in reellen Einklang bringen. Es kommt zu einer unerwünschten Interessenvermengung. Das Problem akzessorisch gebundener Sicherheiten bedarf anderweiter Lösung (siehe ausf unten Rn 75– 78). Im Prinzip steckt demnach in Abs 1 (S 2) – gewissermaßen nur spiegelbildlich – ein Minimalerfordernis der Sachgerechtigkeit iSv Abs 2 S 2.139 5. „Globalgruppe“ Bei „Unberührtbleiben“ der Beteiligten in Mussgruppen (Abs 1 S 2 Nrn 1, 3 und 4), Ir- 52 relevanz der Arbeitnehmer als Sollgruppe (Abs 3 S 1) und Verzicht auf mögliche Kanngruppen (Abs 2 und Abs 3 S 1) – vielleicht theoretischer Sonderfall – bleiben allein noch die vollrangigen Insolvenzgläubiger (Abs 1 S 2 Nr 2) als prozessuale Beteiligtengruppe. Unklar ist, ob sie formal der Einordnung in eine solche ureigene Einzelgruppe bedürfen oder nicht gleich die Notwendigkeit zur Gruppierung als solche entfallen sollte: Plenum und Gruppe figurieren als kongruente Größen (aber vgl doch Rn 42 aE). Die Zulässigkeit einer Globalgruppe ist unbestritten,140 nicht aber ebenso auch die Verpflichtung, eine solche zu bilden. Konkret finden sich Stimmen, welche das Gruppenbildungserfordernis hinterfragen,141 für verzichtbar erklären142 oder gänzlich ausschließen, da sie es ans Zustandekommen einer weiteren „Mussgruppe“ knüpfen.143 Hiergegen wird (leider aber ohne nähere Begründung) eingewandt, dass eine solche Infragestellung teilweise zu Unrecht erfolge144 bzw ein Planverfahren ohne Gruppierung ganz unzulässig sei.145 Ausgangspunkt ist der Normwortlaut (Abs 1 S 1 Hs 1): das Bestehen einer einzigen 53 Gruppe ist eben – nüchtern bewertet – doch keine Bildung von Gruppen146 (wie es die

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BGHZ 163, 344, 348 {14} [4b]: „insbesondere“ jene Beteiligte nach Nr 1 und Nr 3 – hier insb auch HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 14: für Gläubiger und Beteiligte iSv Nr 4 (anders dann jedoch Rn 17 aE). Smid NZI 2005, 296, 297 [II 2], vgl auch erg Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 12.9. Wegen Kritik siehe insb MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 47 Fn 64. Diese Variante lässt der BGH offen: BGHZ 163, 344, 349 {15} [4b]. Anders im Ansatz K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 25: § 226 I. LG Hamburg BeckRS 2015, 11370 [II D 4] und ZInsO 2018, 333, 334 [II A 1]; AG Duisburg NZI 2001, 605, 606; Bierbach

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HRI2 § 28 Rn 112; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 27; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 20 und 55; Kaltmeyer ZInsO 1999, 255, 264 [II 2b bb (1)]; wohl auch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 37 ff und 60. Bierbach HRI2 § 28 Rn 112. Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 4; genauso auch Hingerl ZInsO 2007, 1337, 1338 [III]. HK/Haas InsO9 § 222 Rn 8. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 55. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 27. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 37.

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Überschrift programmatisch akzentuiert). Es fehlt am Nebeneinander („Gruppen“), jedoch auch am Erfordernis, gestalterisch tätig zu werden („Bildung“); die unterbliebene Gruppenbildung ist insoweit die Konsequenz und Spiegelung des Globalen, dh der einzigen verbleibenden Beteiligtengruppe. Und auch die Materialien indizieren Hemmungen, zumal doch die Erstkonzeption mit Bildung von Pflichtgruppen (§ 265 RegE: „sind Gruppen zu bilden“ [Abs 1 S 1: Rn 58] bzw ergänzend arg „zumindest“ [Abs 2: Rn 30 und 68]) danach prinzipielle Abmilderung erfuhr (siehe oben bei Rn 33 f) – das führte zum Gruppenverzicht und allein zur Regelungspflicht: oft könne „von einer Aufteilung der Gläubiger in Gruppen ganz abgesehen werden … [es] bleiben Regelungen nur für die nicht nachrangigen Gläubiger zu treffen“.147 Der Plural setzt gerade die völlig heterogene Gläubigerstruktur inhaltlich voraus – oder vielleicht auch: bloß der Text, nicht auch die Überschrift, bekam Korrekturen. Der Text lässt hierzu nämlich Offenheiten: Gruppenbildung nur „soweit“ disparate Rechtstellungen betroffen werden (Abs 1 S 1 Hs 2) und Gestattung des Entfallens der „Vergleichsgruppen“ (Abs 1 S 2) – wäre weitere Unterscheidung („Es ist zu unterscheiden zwischen …“ – Imperativ!) alsdann denn überhaupt noch sinnreich? Ob aus der organisatorischen Zusammenfassung der Beteiligtenrechte als Gruppe ein eigenständiger Bedeutungsgehalt erwächst, bleibt jenseits dieser Formulierungsfragen freilich teleologisch zu thematisieren. 54 Die Abgrenzungsfunktion als vordergründiger Zweck jeder Gruppenbildung zessiert unter solchen Ausnahmebedingungen allemal – es bleiben aber weitere Nebenzwecke, welche vorschnell womöglich übergangen werden. Die Gruppenbildung hat nämlich noch zweitens Klarstellungsfunktion: sie indiziert bei Mussgruppen das Eingreifen der Auffangregel und für Kanngruppen die bewusste Nichtausübung von Ermessen (indiziert also erfolgten Ermessensgebrauch). Sie fundiert drittens die Gestaltungsfunktion: eine „Festlegung der Rechte der Beteiligten“ setzt Gruppenbildung voraus (Abs 1 S 1 Hs 1); es bedarf zuvor mithin ihrer Festlegung im gestaltenden Teil (§ 221, vgl Rn 68 und 82) mitsamt einer genauen Beschreibung im darstellenden Teil (§ 220).148 Viertens besteht ferner zudem eine Regelungsfunktion: die Hinführung auf den speziellen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 226 I) samt seiner weiteren Detailausformungen (§ 226 II und III) und auf die qualifizierte Kopf- und Summenmehrheit (§ 244 I statt § 76 II149), inbegriffen das spezifische Kontrollregime (§ 251 statt § 78 I). 6. „Einergruppe“

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Von den „Mussgruppen“ werden meistens mehrere Berechtigungen (bzw individuell dann Rechtsträger) umfasst werden, insbesondere in der „Globalgruppe“ (iSv Rn 52–54) der Vollrangigen (Abs 1 S 2 Nr 3). Wäre dort ebenso bloß eine einzige Person berührt, braucht es nicht den Aufwand (vorgeplanter) gemeinschaftlicher Befriedigung (§ 1 S 1 Hs 1). Möglich sind allemal aber tatsächlich begründete Einergruppen bei allen anderen Gruppentypen, wenn etwa – ausnahmsweise – denn bloß ein solcher Betroffener bekannt ist (normierter Sonderfall: § 9 IV S 1 BetrAVG bzw Rn 164). Eine völlig „leere“ Gruppe macht keinen Sinn: bei Nr 4 kann der Fall letztlich nicht vorkommen, bei Nr 3 droht so oder so Erlass; letztlich bliebe nur Nr 1: Umgestalten von unbekannten Absonderungsrech-

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BT-Drucks 12/7302 S 182 re. Sp. [RA: Nr 140] – misstrauisch hier MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 39. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 20.

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So wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 27 – aA aber zB Hingerl ZInsO 2007, 1337, 1338 [III].

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ten? Das jedoch bringt Blockaden (§ 244 I) ohne einen Ausweg (§ 245 I Nr 1).150 – Bei den „Kanngruppen“ sollte man jedoch abverlangen, dass sie mehr als bloß einen Rechtsträger haben (dazu Rn 102 f), ansonsten fehlt der Anlass zur konkreten Untergruppierung (arg Abs 2 S 2), stattdessen deutet einiges (Aussperrung!) auf Manipulation (gem Rn 121–125). Solche Gruppenbildung sollte lediglich dann geschehen, wenn mehr als bloß eine weitere Untergruppe ansteht und deren Mitglieder feste besondere Wirtschaftsinteressen verbinden, die spürbar von dem Solitär divergieren. 7. Anwendbarkeit Die Gruppenbildungsregeln gelten dem Insolvenzplanverfahren. Das ist systematisch 56 völlig unbestreitbar. Sie werden aber zuweilen ebenfalls auf den Schuldenbereinigungsplan bei der Verbraucherinsolvenz angewandt. Das ist nicht bloß nicht zwingend nötig,151 sondern schlicht unrichtig:152 mit demselben Recht müsste ansonsten das Gleichheitsgebot im „Normalverfahren“ ebenso verfügbar werden. Einst war sogar das Planverfahren den Verbrauchern komplett verschlossen, heute können diese insoweit zwar optieren (vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 26), sie müssen es jedoch tun, um von der klassischen par conditio creditorum loszukommen. Schließlich gelten die „allgemeinen Vorschriften“ auch für eine Verbraucherinsolvenz (§ 304 I S 1 Hs 1) und nähere Spezialvorschriften (§ 304 I S 1 Hs 2) fehlen. Der Kunstgriff soll kaschieren, dass Ungleiches nicht unbedingt auch unangemessen iSv § 309 I S 2 Nr 1 ist.153 Lässt man sich dort auf eine „wirtschaftliche Gleichwertigkeit“ ein, die nicht akkurat abrechnet bzw marginale Abweichungen154 toleriert, wird man wohl dem Problem besser gerecht.

IV. Zwingende Gruppenbildung (Abs 1) 1. Differenzierung als Handlungsgebot Ein unbefangener Blick auf die beiden Halbsätze in S 1 offenbart Wesentliches. Zum ei- 57 nen rückt der Gesetzgeber von seinem originären Ziel, der Schaffung eines hochgradig flexiblen Verfahrens (Näheres siehe Vor §§ 217 ff Rn 7, 28, 42 f, 50, 56, 59, aber insb auch Rn 9 iVm 57), zugunsten einer bindenden Strukturvorgabe pragmatisch dadurch etwas ab (Hs 1). Dies erscheint durchaus freilich plausibel, geht es doch um ausschließlich äußere Prozessvorgaben, gerade nicht aber die Begrenzung gestalterischer Spielräume (arg § 226 I). Zum anderen hat hierbei der Gesetzgeber relativ auslegungsbedürftige Definitionen benützt: „Beteiligte“ und „Rechtsstellung“ (Hs 2). Das ließe die große Luzidität leider rasch

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 41–43 würde hier wohl mit „bedingter“ Gruppenbildung aushelfen. OLG Celle NZI 2001, 321, 322 [II 1]. AA Nerlich/Römermann/Römermann InsO9 § 309 Rn 16; FK/Grote InsO8 § 309 Rn 12 (wertungsmäßige Heranziehung) – so wie hier AG Köln ZIP 2000, 83, 87; OLG Celle ZIP 2001, 847, 849; Kübler/Prütting/Bork/ Wenzel InsO73 § 309 Rn 7. Krug Der Verbraucherkonkurs (1998), S 125 f; FK/Grote InsO8 § 309 Rn 12.

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Sehr großzügig hier OLG Köln NZI 2002, 58, 59 (durchschnittliche Befriedigungsquote); K Schmidt/Stephan InsO19 § 309 Rn 13 (0,5 %); Kübler/Prütting/Bork/Wenzel InsO73 § 309 Rn 8 (keine derartige Abweichung der Befriedigung im wirtschaftlichen Verhältnis, dass einzelne Einschränkungen als Benachteiligung anzusehen wären); AG Göttingen DZWIR 2000, 526 (ca. 50 EUR – indes mit Blick auf Nr 2).

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wieder schwinden – sofern nicht noch die weitergehende Enumeration (S 2) hinterherkäme. Der Planverfasser muss nur noch anschließend das gestalterische Potential zweckoptimal (iSv § 1 S 1 [Hs 3]) einsetzen. 58 Abs 1 S 1 formuliert zunächst abstrakt gewisse Aufgreifkriterien, die man insoweit mit dem § 217 aber zusammensehen muss, als erst die Regelungskompetenz (§ 217) die weitere Gruppenbildung fordert, die wiederum die konkreten Regelungsinhalte (§ 221) in die Abstimmung dann führt (§ 243). In jener Regel stecken letzthin vier Merkmale (zwei werden häufig übersehen! – vgl Rn 60 bzw Rn 66) und schließlich die Botschaft der Rechtsfolge („[es] sind Gruppen zu bilden“ – Plural!), die zugleich im Vorgriff auf Abs 1 S 2 zudem durchblicken lässt, dass zumindest im Regelfall (zum Sonderfall der „Globalgruppe“ vgl Rn 52–54) mehr als eine Gruppe vorkommen dürfte. Kernelement des Tatbestandes ist inhaltlich, dass „Beteiligte mit unterschiedlicher Rechtsstellung“ hier betroffen sind. Welche Differenzierung dem Gesetzgeber konkret vorschwebte, offenbart sodann die Aufzählung im Anschluss155 (S 2: Rn 67–89). Ohne solche Hilfestellung ließen sich die obligatorischen Gruppen kaum konkret ausmachen, da das Gesetz die Begriffe „Beteiligte“ und „Rechtsstellung“ nicht gemeingültig bestimmt.156 Während der Beteiligtenbegriff (Rn 61 f) auf das einzelne Planverfahren bezogen ist und chamäleonhaft sich immer seiner Normenumgebung anpasst (Näheres siehe bei § 217 Rn 35–37, § 221 Rn 36–46, § 234 Rn 10–13), wohnt dem Begriff der Rechtsstellung (Rn 63–65) eine insgesamt abstraktere Bedeutung inne. 59 Die imperative Einkleidung der Rechtsfolge („sind […] zu bilden“) unterstreicht die Festlegung als Mussgruppe, den objektiv zwingenden Charakter und dass die Zuordnung der Berechtigungen iSv Abs 1 S 1 für jeden Planersteller subjektiv bindend erscheint.157 Er hat alle Beteiligtenrechte also entsprechend ihrer gesetzlichen Typisierung gemäß Abs 1 S 2 einzugruppieren. Und erst diese rechtsverbindliche Unterscheidung operationalisiert insb die modifizierte Gleichbehandlung (§ 226 I: „Inhalt“), das Abstimmungsverfahren (§§ 243/244: „Formen“) sowie auch das Schlechterstellungsverbot (vgl §§ 245, 251: „Rechte“).158 Im Ganzen hilft solche zwingenden Unterscheidung, ein Mindestmaß an Legitimität und Adaptivität der Planwirkungen zu vermitteln (iSv Rn 2 f und 9 f). Die Durchbrechung mittels Mischgruppen ist nicht zuletzt darum nie statthaft (dazu Rn 50 f).

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HK/Haas InsO9 § 222 Rn 5: „Was damit [S 1] gemeint ist, beschreibt S 2.“ Bspw beziehen die §§ 217 S 1, 221 S 1, 254 I – anders als § 222 I S 1 – den Schuldner in den Kreis der Beteiligten ein. So verlautbart die Begr zu RegE § 253, BT-Drucks 12/2443 S 195 re. Sp.: „Der Plan kann auch darauf beschränkt werden, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten – die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger, den Schuldner oder die an ihm beteiligten Personen – abweichend von den gesetzlichen Vorschriften zu gestalten (Liquidationsplan)“; vgl ebenso BT-Drucks 12/2443 S 199 li. Sp. und BT-Drucks 12/2443 S 212 re. Sp. bzw S 213 li. Sp.; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 59 plädiert in diesem Zu-

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sammenhang für eine normindividuelle Bestimmung des Beteiligtenbegriffs; HambK/ Thies InsO6 § 217 Rn 12 („kein einheitlicher Begriff“); dazu vgl auch Schiessler Insolvenzplan (1997), S 72. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 11; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 10 f; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 11; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 48. Das deutet ebenfalls BT-Drucks 12/2443 S 191 li. Sp. an: „Bei den Gläubigern [das zielt auf Abs 1 S 1 Hs 2] muß der Plan differenzieren zwischen …“ [Hervorh vom Verf]. Vgl auch erg BT-Drucks 12/2443 S 92 re. Sp. (Koordination werde erleichtert) und S 199 li. Sp. (Befriedigung werde verbessert).

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Bildung von Gruppen

§ 222

2. Aufgreifkriterien (Satz 1) a) Umgestaltung von Rechten. Die genaue gesetzliche Formel lautet etwas anders – 60 verlangt wird objektiv eine „Festlegung der Rechte … im Insolvenzplan“ – der parallele subjektive Einschlag („ … der Beteiligten …“) sei hier zunächst ausgeklammert (näher dazu unten Rn 61–63). Festlegung aber meint im Grund eben Umgestaltung – sonst wäre kein Plan nötig (der konstitutiv wirkt, nicht deklarativ ist). Hierfür zählt neben dem Wortlaut auch die Nähe der Regelung zu §§ 219–221, hier besonders ihr Anschluss an § 221 („wird festgelegt, wie … geändert werden soll“). Es geht also um Gestaltungen im Insolvenzplan (nicht etwa Zusatzabmachungen bloß aus Anlass eines solchen) und durch den Insolvenzplan – in einem prozessuale Sinne (Hs 1), was gleich darauf materiell noch konturiert bzw gespiegelt wird (Hs 2), vgl Rn 66. b) Beteiligtenbegriff. Gruppenbildungsgegenstand bilden die Rechte als solche (dazu 61 Rn 44), nicht die Person, denen sie rechtlich jeweils zurechnen. Die Beteiligten treten in S 1 somit „nur“ als Inhaber oder „Träger“ der einzugruppierenden Berechtigungen in Erscheinung (subjektive [Rechts-] Positionen). Diese Funktion wirkt freilich samt der in S 2 enthaltenen beispielhaften (Rn 4, 67 f) Konkretisierung über diese genaue Gruppenbildung hinaus. So kann letzthin Abs 1 der Auslegung all jener Vorschriften dienen, welche den Beteiligtenbegriff unmittelbar an die Einteilung knüpfen, sei es nun materiell (insb § 226 I [Gleichbehandlung] oder nur im Verfahren (insb § 243 [Abstimmungsmodus]). Aufgezählt wird enumerativ, wer zwangsweiser Planbindung „unterstellt“ ist: Absonderungsbefugte (Nr 1), Insolvenzgläubiger (Nrn 2/3), Anteilseigner (Nr 4) – § 217 regelt insoweit zusätzlich, was genau Plangegenstand sein kann (siehe insb bei § 217 Rn 35–37 [subjektiv] bzw Rn 38–43 [objektiv]). In der Stammfassung war noch teilweise vom Gläubiger hier die Rede (S 1 Hs 2) – das passte sehr bündig für Nrn 1–3; Nr 4 ist erst per ESUG nachträglich noch dazugekommen (dazu Rn 36 mit 66) – gleichzeitig indes auch von Beteiligten (S 1 Hs 1). Wer nicht hierher zählt ist letztlich fast wichtiger, zumal dann auch die zugehörigen 62 Rechtspositionen herausfallen. Es geht wiederum hier um gesetzseitig typisierte Parteirollen insolvenzspezifischer Verfahrensbeteiligung. Ausgeklammert bleiben definitorisch Aussonderungsbefugte (§§ 47/48: § 217 Rn 37 – arg § 47 S 2: „außerhalb des … verfahrens“) und Massegläubiger (§§ 53–55: § 217 Rn 37 – arg § 53: „vorweg zu berichtigen“) mit allen ihren Rechten, dazuhin als Masseträger (§§ 35/36) der Gemeinschuldner (das folgt heute aus § 222 I S 2 Nr 4 e contr und immer schon aus § 247 [Zustimmung oder Ablehnung ohne Gruppierung]), dies im Unterschied zu etwa §§ 217 S 1, 221 S 1, 254 I, wo letztlich der Schuldner als Gegenpart denknotwendig mit einzubeziehen ist. Der Kreis beteiligungsfähiger Rechtspositionen ist nicht parteiseits etwa erweiterbar – Absonderungsbefugte159 und Massegläubiger,160 ja zuweilen auch Dritte,161 mögen sich dem Verfahren freiwillig anschließen („optionale“ Beteiligung: § 217 Rn 36 und 47), jene können ohne gesetzliche Grundlage dagegen nicht ihrerseits über den Plan abstimmen162 – das ginge gegen regulär gruppierte (Plan-) Beteiligte; dieses löst sich anders (§§ 230 III, 239). 159

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Bloß sie: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 6; wohl auch HK/Haas InsO9 § 217 Rn 14 (Absonderungsberechtigte – lapsus linguae?). Auch sie: Hess/Obermüller Die Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten nach der InsO (1996), Rn 1209; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 163 (sog „ergänzende Regelungen“); Kübler/Prütting/Bork/Spah-

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linger InsO61 § 217 Rn 31 – Sonderfall: § 210a (siehe sogleich näher Rn 68). LG Düsseldorf ZIP 2015, 2182 f [II] {17, 19, 21, 23}, welches irrig von einer eigenen Gruppierungsmöglichkeit ausgeht, vgl Rn 8. Das sieht richtig MünchKomm/Ganter InsO3 § 47 Rn 494, vgl auch erg § 47 Rn 29 [Henckel]: keinerlei „Aufspringen“ statthaft.

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c) Rechtsstellungen. Zwingende Gruppenbildung iSv Abs 1 erfordert unterschiedliche Rechtsstellung (S 1) entsprechend der Typenvorgabe (S 2). Das fokussiert den wirklichen Gruppenbildungsgegenstand (dazu Rn 44). Für ein und dieselbe Person („Rechtsträger“) eröffnet das uU die Teilhabe an mehreren verschiedenen Gruppen (wie insb bei akzessorischem Sicherungsrecht: Rn 75–78). „Rechtsstellung“ meint hier die klassischen insolvenzrechtlichen Rollentypen (siehe dazu schon Rn 61 f). Man darf bloß nicht inhaltlich Rollentyp mit Rangfolge verwechseln, wie es die Regierungsbegründung teilweise163 etwas „schludrig“ macht: S 1 Nrn 1–4 sind total gleichwertige Typen ohne Rangfixierung164 (dazu Rn 70). 64 Völlig anders im Ansatz jedoch Thies. Er differenziert vorweg zwei „Kreise“: Gläubiger (Nrn 1–3) und Miteigner (Nr 4)165 und dann soll die „Art bzw Rangordnung“ der Befriedigungs- bzw Beteiligungsrechte entscheiden. Insoweit legt er dem Aufgreifmerkmal der Rechtsstellung indes eine scheinbar über die Einzelberechtigung hinausgehende Bedeutung bei: sie ergibt sich danach „aus der Zusammenschau der ihm für seine jeweilige Forderung (gegen den Schuldner oder Dritte) eingeräumten Rechte.“166 Die Formel soll wohl helfen, die Kollateralschäden seiner Gegenposition einer grundsätzlich weder personen- noch rechtebezogenen Gruppierung167 zu verschleiern (dagegen siehe bei Rn 63 iVm Rn 44). Wie soll man denn inhaltlich sonst typisieren, wenn man noch die Textierung einigermaßen ernstnimmt? Und was steckt bitte hinter jener Zusammenschau? Es geht um subjektive Rechtsinhalte, somit um keine Rechtsbehelfe; es geht um Haftungsfragen der Insolvenzmasse – dafür jedoch spielen Dritte keine entscheidende Rolle. Die subjektive Rechtsposition vermittelt den rechtsdogmatisch notwendigen materiellen Abstraktionsgrad, welcher dann verfahrensimmanent bzw insolvenzrechtlich vertypt wird. Für Nr 4 ist kaum je eine allgemeinere Befriedigungsrangfolge vorstellbar, für Nr 1 bedarf es keiner Koppelung mit der Forderung.168 65 Es erscheint daher fassbarer, die Rechtsstellung eines jeden Beteiligten durch seine Einzelberechtigung am Schuldnervermögen konstruktiv zu beschreiben (es geht in Vokabeln Henckels um den Verfügungsinhalt von Rechtsstellungen169). Relevant wird insoweit die dingliche (Nrn 1 und 4) oder schuldrechtliche (Nrn 2 und 3) Herkunft einer Position, nicht aber ihr Rechtsgrund170 – jedenfalls nicht regelmäßig (aber: § 39!). Ob eine Forderung auf Vertrag oder Gesetz gründet, ist völlig gleichgültig mit Blick auf Abs 1, mag allerdings anschließende weitere Differenzierung aufdrängen (Abs 2); nichtvermögensrechtliche Ansprüche können trotz allem aber gleichwohl begrifflich von vorneherein herausfallen (arg § 38).

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d) Betroffensein von Personen. Die Stammfassung des Satzes 1 hat auffälligerweise Beteiligtenrechte festgelegt (Hs 1), falls Gläubigerstellungen betroffen waren (Hs 2). Dahinter steckt mE bewusst eine prozessuale Anknüpfung eines materiellen Tatbestands (siehe

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Die Allgemeine Begründung (BT-Drucks 12/ 2443 S 92) verwendet ganz ungeniert „Rang“, „Rangklasse“ oder „gleichrangig“ – die Besondere Begründung (BT-Drucks 12/ 2443 S 199 [zu § 265 RegE = § 222 InsO]) spricht dagegen richtig von „Rechtsstellung“. Beide scheinen nicht wirklich inhaltlich untereinander abgestimmt, vgl auch erg Rn 70. Das geht ua etwa gegen MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 49; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 10; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 2.

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HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 6: das leuchtet noch durchaus ein. HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 6 (bezüglich der Gläubiger). HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 9. So wie dies HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 6 und 9 jedoch anscheinend möchte – dagegen Rn 75 ff, 78. Henckel Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß (1961), S 262 f. HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 6; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 49.

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Bildung von Gruppen

§ 222

auch schon oben Rn 60). Das ESUG hat dies durch begriffliche „Monokultur“ verschleiert (Art 1 Nr 18a aa: Rn 36 mit 61): „Beteiligte“ (in Hs 2) erfasst die Person als materiellen Rechtsträger (im Unterschied zu dem „Beteiligten als „Planobjekt“ bei Hs 1) und fokussiert auf entsprechend materielles Betroffensein. Das reflektiert die expliziten Tatbestandsbegrenzungen von Nr 1 (Eingriff), Nr 3 (Erlass oder sonst eine Veränderung) und Nr 4 (Einbezug), welche auch in Nr 2 letztendlich implizit mitschwingen (dazu Rn 52). 3. Spezifizierung (Satz 2) Abs 1 S 2 konkretisiert und spezifiziert die Grundanforderung von Abs 1 S 1, dh gibt 67 gemeinhin neun171 Regelbeispiele unterschiedlicher Rechtsstellung (in Nrn 1–4). Die Norm enthält drei weitere Aussagen: (a) Weil es sich nurmehr um Regelbeispiele handelt, gibt es eine Statthaftigkeit für Durchbrechungen. Das kann sich auf tatsächliche Gründe zurückführen lassen (mit Blick auf Abs 1 S 1 Hs 2), soweit es keinen Beteiligten in eben jener Rolle gibt (objektive Begründung) oder der Vorleger davon keine Kenntnis hat (subjektive Bewertung). Dann macht eine Gruppe „auf Vorrat“ letzthin keinen Sinn. Wahrscheinlicher sind jedoch gestaltende, dh juristische Gründe: Nr 1 (Eingriff: Rn 72), Nr 3 (Regelerlass: § 225, siehe noch unten Rn 80) und Nr 4 (Einbezug: Rn 88) kennen nämlich insoweit „Sollbruchstellen“, die sodann spezielle Gruppenbildung erübrigen. (b) Der Imperativ der Einleitung („Es ist zu unterscheiden zwischen …“) verstärkt 68 nachhaltig ihren zwingenden Charakter („Mussgruppe“ iSv Rn 59). Darauf folgt eine abschließend172 angelegte, erläuternde Aufzählung (als Schlussfolgerung aus § 265 II RegE: „zumindest zu unterscheiden zwischen …“, vgl Rn 21), die an die konkrete insolvenzrechtliche Beteiligtenrolle anknüpft. Es gibt freilich eine Ausnahme: § 210a Nr 1. Mit Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208) sind „Altmassegläubiger“ nach § 209 I Nr 3 (Einzelheiten: § 209 Rn 46–49 [Windel]) einzubeziehen; sie treten an die Stelle der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger (Nr 2) und bilden danach eine eigene Gruppe;173 vorher vollrangige werden nachrangige Insolvenzgläubiger (Nr 3) und bilden ihre Gruppe dort entsprechend dortigen Sonderregeln174 (arg § 225 Rn 18 f) – als zusätzliche175 neue „Untergruppe“. Eine weitere Ausnahme liefern §§ 264–266 bei erfolgreichem (Erst-) Insolvenzplan mit Kreditrahmenregelung und anschließender unerwarteter Folgeinsolvenz.176 (c) Der Katalog spiegelt letztlich die kompletten Möglichkeiten subjektiver Betroffen- 69 heit iSv § 217 (dort Rn 35–37), dh wer „planunterworfen“ ist. Die Binnenstruktur lässt sich verschieden noch näher differenzieren: Gläubigergruppen (Nrn 1–3 mit § 217 S 1) und

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Weil Nr 3 sechs weitere Untergruppen enthält (dazu Rn 80). Vgl HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 7; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 11 f; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 11; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 5 („vorbehaltlich von Sondersituationen“). Zweifelnd nur wegen der Ausnahmen (dazu im Text gleich folgend!) MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 50. HK/Haas InsO9 § 217 Rn 12 und § 222 Rn 11; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 11 und 57; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 222 Rn 11. Sie werden

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hierdurch ausdrücklich zu „Beteiligten“: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 217 Rn 4. FK/Kießner InsO8 § 210a Rn 6. Ausführlich zur Gruppenbildung bei MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 77–79. AA HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 7: „an die Stelle“; BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO7 § 222 Rn 37 – wohl wie hier MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 79; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 58 f; Bierbach HRI2 § 28 Rn 91–93. Näheres siehe bei MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 76 mit Rn 74 f, zust HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 7.

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§ 222

Sechster Teil. Insolvenzplan

Eignergruppe (Nrn 4 mit § 217 S 2), Betroffenheitsgruppen (Nrn 1, 3, 4) und „Abwicklungsgruppe“ (Nr 2), Gruppen von Insolvenzgläubigern (Nrn 2 und 3) und Zusatzbeteiligten (Nrn 1 und 4) etc. Ein Plan muss immer mindestens für vollrangige Insolvenzgläubiger eine Gruppe vorsehen (verfahrensübliche „Abwicklungsgruppe“: Rn 79), Eingriff hin oder her (aber vgl auch § 199 S 2), ist aber nicht eigens detailliert zu definieren (ausnahmsweise „Universalgruppe“: Rn 52–54). Anders herum gesagt: damit sind nur (vollrangige) Insolvenzgläubiger planberührt (alle zudem gleich: § 226 I). 70 Man sollte jedoch die Aufzählung nicht überdeuten. Nrn 1–4 fangen nur Rollen ein, begründen ihrerseits aber für jene keinerlei Rangordnung mit Prioritäten, obgleich solche zwischen Nr 2 und 3 bestehen – anderweit jedoch begründet (§§ 38/39), nicht etwa durch § 222 I S 2! Im Verhältnis zu Insolvenzgläubigern werden weder mithin spezifisch Absonderungsbefugte bevorzugt (Nr 1: „primo“) noch Anteilseigner etwa zurückgesetzt (Nr 4: „ultimo“). Es geht um unvergleichbare und daher auch nicht weiter priorisierte Rechtsstellungen oder Beteiligtenrollen177 bzw Ausdehnung der Reichweite eines Plans („gekorene“ Beteiligte – arg §§ 223 I S 2, 225a I), im Verhältnis zu bereits regelhaft vom Verfahren Betroffenen („geborene“ Beteiligte – mit Planpräsumtion für teilweise [§ 224] oder komplette [§ 225 I] Rechtsverluste). Das soll neues Sanierungspotential heben. – Unerwähnt bleiben daher die Massegläubiger (Ausnahme: § 210a Nr 1 bzw Rn 68) sowie vor allem der Gemeinschuldner (als Umkehrschluss aus Nr 4). 4. Absonderungsbefugte (Nr 1)

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Wer in welcher Weise abgesonderte Befriedigung beanspruchen kann (Hs 1), verdeutlichen die Normen des Regelablaufs:178 Immobiliarbefugte (§ 49), Berechtigte mit Fahrnispfand (§ 50), weitere (insb: Sicherungs-) Befugte (§ 51). Hierbei setzt die zwingende Gruppenbildung nicht an der (konkreten) Gestalt, sondern am (generellen) Typus der Berechtigung an. Die gesetzliche Spezifikation gem §§ 49–51 ist daher für § 222 I [S 2] grundsätzlich unerheblich; sie verkörpert allerdings unterschiedliche wirtschaftliche Interessen und lässt sich daher der fakultativen Einteilung gem § 222 II zugrunde legen (Rn 104).179 Verlangt ist außerdem ein Eingriff (Hs 2). Er hängt von der konkreten Plangestaltung ab (Rn 72 f) und wird daher später vom Gesetz im Kontext der Vorschriften zum Planverfahren behandelt (§ 223 II). Das hat erst der Rechtsausschuss nachträglich so klargestellt (Rn 34), um Gruppierung zu erleichtern (bzw uU insgesamt zu entbehren).180 177

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So wie hier LG Traunstein NZI 1999, 461, 464 (zu Nr 1 in Abgrenzung von Nr 2 und Nr 3) – aA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 69 (zu Nr 4: „letztrangig Berechtigte“) in Anlehnung an BGHZ 185, 206, 211 f {25–29} [II 2c-e]). Recht missverständlich daher BT-Drucks 12/2443 S 92 li./re. Sp., siehe oben bei Rn 63 mit Fn 163. Wegen den Absonderungsrechten siehe bei § 245 Rn 21 f, 39 – ferner: Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO68 § 245 Rn 23; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 24; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 245 Rn 22; F Becker HRI2 § 41 Rn 53. ME passt daher weder aliud noch minus als Beschreibung. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 12; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222

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Rn 52; Bierbach HRI2 § 28 Rn 40; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 13; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 6; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 3. Verunglückt die Formulierung bei Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 12 – man muss nicht gleichzeitig Insolvenzgläubiger sein! Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 69 bzw Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 4 mit Fn 4. BT-Drucks 12/7302 S 182 re. Sp. (RA: Nr 137), dazu vgl auch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 51. Siehe auch bei Rn 80.

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a) Eingriffsproblem. § 222 I S 2 Nr 1 setzt voraus, dass durch den Plan in die Rechte ein- 72 zelner absonderungsberechtigter Gläubiger (Rn 71) eingegriffen wird (individuelle Betroffenheit erforderlich) – und dies bedarf erst der positiven planerischen Erklärung (§ 223 I S 1: sonst wird das Recht „vom Plan nicht berührt“). Ohne sie entfällt zugleich die Notwendigkeit der Gruppenbildung.181 Soll nur in bestimmte Absonderungsrechte eingegriffen werden, sind allein jene inhaltlich zu gruppieren.182 Gegenstand des Eingriffs können das materielle Sicherungsrecht, die spezifisch insolvenzrechtlichen Verwertungsmodalitäten (§§ 165 ff iVm § 217 [S 1] Var 1a)183 und sogar – quasi „über Bande“ – zudem die besicherte Forderung (Rn 73) sein.184 Es reicht jede kleine Änderung, dh wenn der Plan den Befugnisgehalt irgendwie sachenrechtlich verändert (§ 223 II),185 sogar wenn am Ende keine ökonomischen Nachteile folgen.186 Eingriff ist demgemäß selbst bei wirtschaftlicher Gleichwertigkeit ebenso ein zwangsverordneter („planerischer“) Sicherheitentausch – alles andere würde doch das Individualinteresse der Absonderungsberechtigten an der Art und Weise ihrer Sicherung am Ende zu sehr vernachlässigen187 (Teilnahmerecht als Kompensierung!). Auch aus dem Umgang mit der persönlichen Forderung kann ein Eingriff in die Rechte 73 der absonderungsberechtigen Gläubiger iSd § 222 I S 2 Nr 1 resultieren. Voraussetzung hierfür ist eine vertragliche (Sicherungsabrede, arg § 1192 Ia BGB) oder gesetzliche (zB §§ 1137, 1163 BGB [Hypothek]; §§ 1211, 1252 BGB [Pfandrecht]) Abhängigkeit des Sicherungsrechts von der persönlichen Forderung:188 Erlass, Kürzung, Stundung (§ 223 II) oder auch eine Umwandlung (Debt-Equity-Swap: § 225a Rn 50–75) – sog mittelbarer Eingriff.189 Diese Schwächung schlägt dann nämlich regelmäßig durch (arg § 226 I e contr – siehe auch bei § 226 Rn 21). Trotzdem muss nicht jeder Eingriff in die persönliche Forderung auch in einen Eingriff ins Sicherungsrecht münden (auch hierbei besteht eine Notwendigkeit wirtschaftlicher Betrachtungsweise). Steht etwa das Sicherungsrecht wertmäßig hinter dem Forderungsbetrag zurück, wird es nicht zwangsläufig von einer Forderungskürzung berührt. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Restforderung das Absonderungsrecht noch vollumfänglich valutiert.190 Verzichtet der absonderungsberechtigte Gläubiger auf einen Teil seiner Forderung, soll hierdurch auch lediglich der ungesicherte Forderungsteil berührt sein.191

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HK/Haas InsO9 § 223 Rn 7 – ferner: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 12; Bierbach HRI2 § 28 Rn 41; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 8; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 222 Rn 2. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 14; HK/Haas InsO9 § 223 Rn 7; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 55. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 13 und § 223 Rn 14; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 9. HK/Haas InsO9 § 223 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 8. Vgl Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 5; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 12; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 13. Auch ein Verzicht auf das Absonderungsrecht gegen anderweitige Begünstigung ist als abweichende Regelung iSd § 223 zu verstehen: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 223 Rn 13 und 16.

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So auch ua Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 15; HK/Haas InsO9 § 223 Rn 6; aA Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 6. HK/Haas InsO9 § 222 Rn 7 und § 223 Rn 3; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 53. HK/Haas InsO9 § 222 Rn 7 und § 223 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 223 Rn 5; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 12 und 16; aA Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 12.8, welche auf das Fortbestehen der Forderung als Naturalobligation abstellen. Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 5. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 12; vgl auch erg Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 9; GrafSchlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 223 Rn 1.

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§ 222 74

Sechster Teil. Insolvenzplan

b) Bewertung der Sicherheit. Absonderungsrechte sind entsprechend ihrem tatsächlichen Wert in die zu bildende Gruppe einzuordnen; einer Zusammenfassung werthaltiger und nicht werthaltiger Sicherheiten steht das Verbot der Mischgruppenbildung entgegen (vgl Rn 50 f mit 75–78).192 Die Bewertung der konkreten Sicherheit erheischt allein schon darum besondere Bedeutung (aber zudem auch gemäß §§ 52 S 2, 237 I S 2): in eine wertlose Rechtsstellung wird wirtschaftlich nicht eingegriffen (dazu Rn 72 aE) – ohne jeden Wert entfiele die Notwendigkeit, sie einzugruppieren. Nicht etwa der (Grundbuch-) Rang, seine Werthaltigkeit zählt.193 Die Bewertung hat anhand des Planziels zu erfolgen. Sieht der Insolvenzplan also die Zerschlagung des schuldnerischen Unternehmens vor, ist die Sicherheit mit ihrem Liquidationswert zu beziffern. Einer Zugrundelegung des Fortführungswerts bedarf es statt dessen, wenn die Unternehmensfortführung angestrebt wird194 (Beispiele: Halbfertigwaren, Zubehörhaftung). Maßgeblich ist immer der Einzelfall (eine brauchbare [Bewertungs-] Hilfe gibt § 151 II, aber uU auch § 229) sowie der ganze Schutzumfang des Absonderungsrechts. Handelt es sich zB um eine Grundschuld, sind zudem die vereinbarten dinglichen Zinsen (§ 1192 II BGB) bei der Bestimmung des Sicherungswerts zu berücksichtigten.195

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c) Doppelrollenfrage. Absonderungsbefugte sind oftmals doppelt angesprochen (arg § 52), so wie im regulären Verfahren natürlich ebenso bei Gruppenbildung: ein Absonderungsbefugter (Nr 1) ist zugleich ein Insolvenzgläubiger (Nrn 2 und 3), soweit der Schuldner ihm persönlich haftet (§ 52 S 1). Im Unterschied zum Verfahrensbeteiligten mit mehreren separaten Berechtigungen (dazu Rn 45), kommt jedoch nur ein Teil seiner Forderung zum Tragen. Sie berechtigt ihn bloß insoweit zur anteiligen Befriedigung, als er auf die abgesonderte Befriedigung verzichtet oder bei ihr ausfällt (§ 52 S 2).196 Bildlich gesprochen wird das Befriedigungsrecht als Insolvenzgläubiger „überlagert“ oder besser wohl „abgedeckt“ – partiell, günstigstenfalls komplett (Unsicherheitsrisiko!). In Anbetracht dieser Konstellation sind folgende Gruppenbildungsgegenstände auseinanderzuhalten: 76 Zunächst bedarf es der Unterscheidung zwischen dem Absonderungsrecht und der ihm (uU) zugrundeliegenden persönlichen Forderung. Eine Eingruppierung des Absonderungsrechts („dingliche Position“) nach Abs 1 [S 2 Nr 1] erfolgt immer unabhängig davon, ob es eine persönliche Forderung sichert oder nicht.197 Selbst die fakultative Bildung mehrerer Absonderungsrechte-Gruppen gem § 222 II unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen (S 1) und des Sachgerechtigkeitskriteriums (S 2) ist nicht notwendigerweise mit Blick auf die persönliche Haftung des Schuldners vorzunehmen198 (dazu Rn 104). Für die Eingruppierung des Forderungsrechts („persönlicher Anspruch“) ist weitergehend zu

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BGHZ 163, 344, 347/348 [III 4a/b] {13 f}, viel deutlicher noch LG Berlin NZI 2005, 335, 337 (Vorinstanz) – zust Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 15. Etwas skeptischer A Bruns KTS 2004, 1, 11 f [VI 3], eher wie hier indes Smid FS Gerhardt (2004) S 931, 951 f [II 5]. BT-Drucks 12/2443 S 206 re. Sp. (hinsichtlich des Stimmrechts) und BGHZ 163, 344, 349 [III 4c] {16} – ferner: HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 10; Graf-Schlicker/Kebekus/ Wehler InsO4 § 222 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 222 Rn 15; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 18;

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 7 (sei abzugrenzen vom Planmehrwert). BGHZ 163, 344, 349 [III 4c] {17}, zust Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 15. Vgl Bierbach HRI2 § 28 Rn 50 – dennoch will er aber alsdann (arg § 52 S 1 bzw § 237 I S 2) auf die volle persönliche Forderung rekurrieren – das passt nicht zusammen! Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 14; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 12. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 14.

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Bildung von Gruppen

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differenzieren. Dieses wird – je nach Umfang des Sicherungsrechts – in einen gesicherten (Rn 78) und einen ungesicherten (Rn 77) Anspruchsteil aufgesplittet. Problem ist hierbei, ob sich dieses zugleich „gruppenbildend“ auswirkt. Im Grunde unterscheidet das Gesetz (siehe oben bei Rn 61) stringent Beteiligtenrolle (§ 52 S 1) und Beteiligtenrecht (§ 52 S 2 [Befriedigung]). Bereits darum spricht vieles dafür, dass Abs 1 hier die konkrete „Rollenerwartung“ spiegelt. Der ungesicherte Forderungsteil ist – so oder so – als vollrangige Insolvenzforderung 77 aufzuführen (Nr 2). Das folgt bereits aus dem Verdikt gegen Mischgruppenbildung (Abs 1 S 1 e contr, vgl Rn 50 f), denn jener ungesicherte Teil würde „absonderungsrechtlich“ niemals mit gedeckt und unterschiedliche Beteiligtenrechte – so wie hier – dürfen nicht innerhalb eines Abstimmungskörpers vereint werden.199 Eine derartige Zusammenfassung verschiedener Rechtstypen lässt sich auch nicht vermittels individuellen Zustimmungsaktes (§ 226 II S 1 1, dort Rn 21) mittelbar trotzdem erreichen; auf seiner Grundlage blieben die außerhalb der Mischgruppe befindlichen Beteiligten unberücksichtigt.200 Das Absonderungsrecht ist richtig bei Nr 1 erfasst, die gesicherte Forderung bei Nr 2 – die direkte Doppelrolle gestattet bzw erfordert Doppelgruppierung. Streitig ist dagegen der Umgang mit dem gesicherten Forderungsteil: ist die persönliche 78 Forderung vollständig (oder allein anteilig) der Gruppe der vollrangigen Insolvenzforderungen zuzuordnen?201 Einen Schwerpunkt jener Kontroverse bildet dabei dann das Verständnis des § 52 (dazu vgl dort Rn 4 ff [Henckel]), das zwischen S 1 (Beteiligtenrolle) und S 2 (Beteiligtenrecht) mäandert, was man oft nicht nachdrücklich genug unterscheidet (sehr klar demgegenüber aber etwa § 52 Rn 1 f [Henckel]). Die zwingende Gruppenbildung als solche verlangt noch keine Differenzierung zwischen dem gesicherten und ungesicherten Forderungsteil202 (das ist die „Rollenfrage“). Weiterausgreifend als § 52 S 2 zum Befriedigungsrecht, verwehrt jedoch dann § 237 I S 2 zusätzlich das Stimmrecht soweit Rückzug oder Ausfall fehlen (das ist die „Rechtefrage“).203 Beide Regelungen wären entbehrbar (insbesondere die Planregelung: die Gruppenbildung fixiert den Abstimmungsmodus), wenn § 222 I eine vorherige Aufteilung verlangte.204 Ergo: man kann und darf die einzelne Forderung Nr 2 komplett zurechnen, muss sie dazu allemal vorneweg zur Tabelle anmelden (§ 174).205 199 200 201

BGHZ 163, 344, 348 [III 4b] {14} = DZWIR 2006, 74, 75 f = NZI 2005, 619, 621. BGHZ 163, 344, 349 [III 4b] {15} = DZWIR 2006, 74, 75 f = NZI 2005, 619, 621. Der BGH hat ausdrücklich diese Frage ausgeklammert: BGHZ 163, 344, 346/347 [III 2] {9} (aA Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 12.9); siehe auch die Darlegungen zum Streitstand bei Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 222 Rn 15–17. Für Vollberücksichtigung: MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 57; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 3; HK/ Haas InsO9 § 222 Rn 6; Smid/Rattunde/ Martini Insolvenzplan4 Rn 12.12. Für Teilberücksichtigung: Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 17; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 15 f; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 12; Nerlich/Römermann/Braun

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InsO9 § 222 Rn 101 und § 223 Rn 14 bzw Braun NZI 1999, 473, 475 [V 2]; HambK/ Thies InsO6 § 222 Rn 9. AA HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 9, welcher dafür plädiert den gesicherte Forderungsteil und das Absonderungsrecht zusammen in die gem § 222 I S 2 Nr 1 gebildete Gruppe einzuordnen. Ein solche „Verklammerung“ der Berechtigungen unter dem Begriff der Rechtsstellung ist jedoch abzulehnen, vgl Rn 64. Übereinstimmend: Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 222 Rn 17; Bierbach HRI2 § 28 Rn 55; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 6. Bierbach HRI2 § 28 Rn 53. Dazu § 174 Rn 9 [Gerhardt] – ferner: Eckardt Kölner Schrift InsO3 S 533, 536 [Rn 6] und 560 [Rn 47]; MünchKomm/Riedel InsO3 § 174 Rn 8; FK/Kießner InsO8 § 174 Rn 11;

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Sechster Teil. Insolvenzplan

5. Vollrangige Insolvenzgläubiger (Nr 2)

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Um welche Personen es sich hierbei genau handelt, offenbart eine Zusammenschau von § 38 mit § 39.206 Während § 38 den Regelbegriff des vollrangigen Insolvenzgläubigers legaldefiniert, enthält § 39 eine spezifizierende Aufzählung der nachrangigen Forderungen. Demnach gilt positiv die allgemeine Begriffsbestimmung (§ 38: schuldrechtlicher Vermögensanspruch – zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens), dazuhin207 ist negativ abzugrenzen (§ 39): Bei den einzugruppierenden Rechten kann es sich nur um Insolvenzgläubigerforderungen (§ 38) handeln, welche nicht eigens von § 39 (alsdann wieder: positiv) als bloß nachrangig qualifiziert sind.208 Diese letzteren rechnen lediglich unter Nr 3 (Rn 80–85), wenn überhaupt denn (arg § 225 I). – Im Unterschied zu allen anderen notwendigen Gruppen, welche Betroffenheitskriterien kennen (dazu Rn 69), müssen indes just die Vollrangigen nicht in einer speziellen Weise vom Plan berührt werden.209 Es wird gesetzlich Berührtheit unterstellt: ohne Insolvenzgläubiger kein Eröffnungsgrund (§§ 16–19) bzw Insolvenzverfahren (§ 212) – es fehlt begrifflich schon an Zahlungsunfähigkeit wie Überschuldung. Bei Naturalleistungsgläubigern genügte schon die Geldliquidation (§ 45). Diejenigen einzelnen Gläubiger allerdings, deren Forderungen nicht beeinträchtigt werden, sind allerdings nicht zur Abstimmung über den Insolvenzplan berechtigt (§ 237 II). 6. Nachrangige Insolvenzgläubiger (Nr 3)

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a) Grundsätzliches. Da eine selbst anteilige Befriedigung der nachrangigen Gläubiger im Regelverfahren typischerweise ausbleibt (die Ausnahmen [Rn 85] bestätigen den Regelfall [§ 225 Rn 2]), wird sich ein Planersteller äußerst selten dafür entscheiden, sie in die Gruppenbildung – wider die Regel (§ 225 I: „Forderungen … gelten … als erlassen“) – einzubeziehen.210 Dies hat wiederum erst der Rechtsausschuss nachträglich so klargestellt (dazu Rn 34), um Gruppierung zu erleichtern (bzw uU insgesamt zu entbehren – Vereinfachungseffekt!).211 Wer genau hierher zählt, das erschließt sich enumerativ aus § 39 Abs 1–3 (bei Abs 1 Nr 5 iVm Abs 4 und 5), einen Spezialfall bilden Strafgelder gemäß Abs 1 Nr 3 (Rn 81). Man könnte die Formulierung von Nr 3 als Sammelbegriff deuten (sämtliche nachrangigen Gläubiger), in Parallele zu Nr 2. Dagegen steht indes die Einleitung („den einzelnen Rangklassen der …“), der Konnex mit § 225 II bei Öffnung der abweichenden Ausgestaltung („für jede Gruppe“) und außerdem sehr deutlich die weitergehende Priorisierung untereinander (mit § 39 I [„in folgender Rangfolge“] bzw § 39 II [„im Zweifel (!) nach den in Absatz 1 bezeichneten Forderungen“]). Es sind alles dies mithin unterschied-

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vgl auch erg noch Kübler/Prütting/Bork/ Pape/Schaltke InsO60 § 174 Rn 14; HambK/ Preß/Henningsmeier InsO6 § 174 Rn 2. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 60; Bierbach HRI2 § 28 Rn 47. Verbreitet wird allein auf § 38 Bezug genommen: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 16; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 8; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 4. Zum Verhältnis von § 38 und § 39 vgl BTDrucks 12/2443 S 123 re. Sp. bzw § 39 Rn 3 und 8 [Henckel] mit Kölner Schrift InsO2 S 813, 821 [Rn 22] – ferner: Häsemeyer

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InsR4 Rn 17.13; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO53 § 39 Rn 5; FK/Kießner InsO8 § 39 Rn 6; Hess/Hess InsO2 § 39 Rn 21; KK/Hess InsO § 39 Rn 14. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 16; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 19; Bierbach HRI2 § 28 Rn 49. So auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 24; Bierbach HRI2 § 28 Rn 59. BT-Drucks 12/7302 S 182 re. Sp. (RA: Nr 137); siehe auch bei Rn 72.

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Bildung von Gruppen

§ 222

liche (sechs212) Rechtsstellungen gemäß allgemeiner Regel (§ 222 I S 1, vgl Rn 63–65), dh sie sind alle immer selbständig zu gruppieren.213 Anderenfalls ließe sich dem Gleichbehandlungsge- (§ 226 I) und Schlechterstellungsverbot (§§ 245 I Nr 1, 251 I Nr 2) nicht hinreichend Rechnung tragen. b) Strukturierungsfragen. Es gibt trotzdem drei ergänzende, relativ „vertrackte“ Struk- 81 turierungsfragen. Besondere Beachtung erheischt zunächst einmal § 225 III: Strafgelder nach § 39 I Nr 3 sind danach „planfest“, der Plan kann keine künftige Haftung abwehren, Abs 3 ist Gegenausnahme zur Erlassfiktion des Abs 1 (dazu § 225 Rn 20). § 222 I S 2 Nr 3 bleibt insoweit dunkel, als er auf § 225 komplett (!) verweist, aber explizit zusätzlich auf die Erlassfolge abstellt. Das zwingt letztlich jedoch zur Gruppenbildung, wenn und weil Strafgelder im Raum stehen (gewissermaßen „verkappte“ Pflichtgruppe – allerdings doch allemal ohne eigenes Stimmrecht: § 237 II). Die hM214 versucht, das deutlich unbefriedigende Ergebnis tunlichst zu vermeiden: weil die in § 39 I Nr 3 bezeichneten nicht nachrangigen Forderungen von Gesetzes wegen vollumfänglich fortbestehen, fehle es an einer „Festlegung der Rechte“ iSv § 222 I S 1 bzw einem etwa mit § 222 I S 2 Nr 1 vergleichbaren Eingriff. Letzteres liest Nr 1 zu Unrecht in Nr 3 hinein, ersteres stimmt schlicht nicht: es ist festzulegen, dass alles beim alten verbleiben solle (quasi eine Art inhaltlich klarstellende Festlegung). Der Rechtsausschuss mag diese besondere Komplikation übersehen haben, am Wortlaut kommt man jetzt schlecht jedoch noch vorbei: Strafgelder können nicht „als erlassen gelten“, weil § 225 III das gerade verbietet. Unklar ist weiter, ob die Berücksichtigung einer Klasse jener „Nachrangigen“ die Mit- 82 berücksichtigung aller übrigen Nachrangigen impliziert. Es ist zu fragen, ob die interne rangmäßige Ordnung der nachrangigen Forderungen (§ 39 I-III) zu einer „Verkettung“ der gemäß Nr 3 festzulegenden Gruppen untereinander führt. „Angekettet“ ist jede Gruppe über die rangmäßig prioritär gestellte, dh es kann bloß um rangbessere Nachrangige gehen (mit Blick auf Rn 81 freilich immer um § 39 I Nrn 1 und 2); rangschlechtere bleiben allemal ausgeklammert, so wie sie auch – letztendlich die Regelannahme – absolut entfallen könnten (mit Blick auf Rn 81 jedenfalls § 39 I Nrn 4 und 5 bzw II). Der Grund einer solchen Plangestaltung wird im Obstruktionsverbot gesehen215 – es setze in § 245 II Nr 2 („ … Gläubiger, der ohne einen Plan mit Nachrang … zu befriedigen wäre“) selbst schon eine Einrichtung und Obstruktion einer höherrangigen Gruppe voraus. Indes wird „münchhausenmäßig“ hier dem Obstruktionsverbot eine Gruppenbildungs- 83 pflicht entnommen, um seine eigene Anwendbarkeit systemisch zu begründen. Die Rangfrage stellt sich lediglich als Vergleichsmaßstab zur Regelabwicklung, um inhaltlich Schlechterstellung zu definieren („ … Gläubiger, der ohne einen Plan mit Nachrang … zu

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Nicht aber die Zinsansprüche zur Hauptforderung – arg ex § 39 III: Gleichbehandlung! Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 9; HK/ Haas InsO9 § 222 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 222 Rn 16 und § 225 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 55; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 12.13; Bierbach HRI2 § 28 Rn 56. Ohne Aussagekraft hier BGHZ 185, 206, 213/214 {35} [II 3]; recht dunkel bleibt HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 11 [S 1 „versus“ S 2].

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 62; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 225 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 22; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 9; Bierbach HRI2 § 28 Rn 57. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 67; wohl ähnlich auch Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 10 mit Fn 3, der aber einen Zusammenhang mit § 245 II hierbei abzulehnen scheint.

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befriedigen wäre“). Es fehlt – mangels einer Gruppe! – an einer Möglichkeit zur Obstruktion.216 Mithin bezieht Nr 3 völlig korrekt die „Erlassausnahme“ (Hs 2) auf eine jede der „Rangklassen“ bzw Plangruppen (Hs 1: „den einzelnen Rangklassen“ – Sonderfall: Geldstrafe iSv Rn 81). Daher geht § 222 systemimmanent § 245 hier vor: es bedarf also keiner weiteren Gruppierung prioritärer Nachrangiger, sondern das ist bewusst nur die Konsequenz der Optionen zur Planbildung. Bei fehlender Einbeziehung in den vorgelegten Insolvenzplan haben aber Nachrangige doch ein Kontrollrecht (über § 251217 [präventiv: Minderheitenschutzantrag] bzw § 253218 [repressiv: Planbestätigungsbeschwerde]). 84 Solche Argumente kehren gewandelt wieder hinsichtlich des Stimmrechts (§ 237 einerseits, § 246 andererseits): die Regeln setzten voraus, dass wenigstens eine Gesamtgruppe der Nachrangigen geformt werden müsse, um offenbare Stimmrechte auszuüben (§ 237 I S 1 lässt just die Verweisung auf § 77 I S 2 aus!);219 die Erlassfiktion als Normalfolge (§ 225 I „versus“ III, vgl Rn 81) führt zu einer zwangsläufigen Beeinträchtigung220 (dazu § 237 Rn 10, 15). Noack und Hirte halten daher dann die Gruppenbildung als notwendiges Erfordernis des Stimmrechts für bereits zwingend geboten.221 Dabei wird wiederum aber nur konkrete Beteiligtenrolle mit Beteiligtenrecht vermengt (so wie zu Rn 44), dh das Pferd vom Schweif her aufgezäumt. Der Gesetzgeber wollte tatsächlich sämtliche Gruppierung für Nachrangige entbehren – deshalb liegt das Redaktionsversehen,222 wenn denn eins vorliegt, grammatisch oder systematisch woanders (Rn 80 „versus“ Rn 81), nicht aber bei §§ 237, 246. Demnach geht bereits eine (Grund-) Prämisse fehl. Es gibt keinen „Gesamtgruppenzwang“ hinsichtlich der Nachrangigen. Tatsächlich bedingt die Eingruppierung die spätere Stimmbefugnis (wider eben die Erlassfiktion gem § 225 I) und nicht umgekehrt.223 Wieder verbleibt Nachrangigen natürlich jedoch eine Möglichkeit der Überprüfung nach §§ 251, 253 (Rn 83 aE).

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c) Anwendungsfälle. Nichtsdestotrotz scheinen gewisse Konstellationen denkbar, in denen der Planersteller besondere Regelungen für die nachrangigen Insolvenzforderungen treffen mag: Käme es etwa im Regelverfahren zu einer vollumfänglichen Befriedigung der Vollrangigen, wäre ein verbleibender Überschuss an die Nachrangen doch auszukehren (arg § 199 S 1: „aller Insolvenzgläubiger“); sie müssten auch im Plan deshalb schon direkt Eingruppierung224 und Berücksichtigung finden. Das dürfte kaum jemals vorkommen 216

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Korrekt der Einwand von Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 225 Rn 7. Wegen § 245 siehe dort Rn 52 (arg Abs 1 Nr 3: „Mehrheit der abstimmenden Gruppen“ – Plural!). BGHZ 185, 206, 214 {35} [II 3] („nicht rechtlos gestellt“), vgl § 251 Rn 8 – ebenso: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 65; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 23; HK/Haas InsO9 § 251 Rn 3; Bierbach HRI2 § 28 Rn 58. MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 10; Burmeister/Schmidt-Hern HRI2 § 43 Rn 122. Verlangt werden insoweit vorweg: Aufforderung (§ 174 III S 1), Anmeldung (§ 174 I iVm III S 2), Anerkennung (§ 77 I S 1 – treffender: fehlendes Bestreiten). AA aber zB MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 12; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO68 § 237 Rn 18.

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Kübler/Prütting/Noack Gesellschaftsrecht Rn 213; Uhlenbruck/Lüer/Hirte InsO14 § 11 Rn 167. So erklärt es passend MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 63 f, zust Gottwald/ Koch/de Bra InsRHb5 Rn 68.41 mit Fn 58; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 237 Rn 34. So wie hier Kolmann HRI2 § 40 Rn 52; Gottwald/Koch/de Bra InsRHb5 § 68 Rn 41; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 237 Rn 34; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 237 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 5. HK/Haas InsO9 § 225 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 21; Bierbach HRI2 § 28 Rn 59; vgl auch erg HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 11.

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(Glücksfall!). Eher wahrscheinlich wäre, Zinsforderungen (§ 39 I Nr 1) so einzugruppieren, wenn und weil sie durch ein Absonderungsrecht direkt (mit-) gesichert werden225 (die Sicherung würde ansonsten nämlich entfallen – Akzessorietät! Zur Parallelproblematik bei Nr 2 vgl Rn 75–78 – aber: § 225 Rn 12). Mitunter mag außerdem die Eingruppierung von Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens (§ 39 I Nr 5) strategisch vielleicht vorteilhaft erscheinen – so lässt sich zwischen Nr 3 und Nr 4 für Anteilseigner zusätzlich differenzieren, um sie so zur Planannahme zu motivieren226 (geringfügige Befriedigung mit weitergehendem DES – allgemein: Rn 86–89 bzw § 225a Rn 50 ff). – Weniger überzeugend scheint, per verheißener „überobligatorischer“ Beteiligung die Gruppenanzahl und damit die Mehrheitshürde (§ 245 I Nr 3) scheinheilig zu beeinflussen;227 das kann nicht mehr als lauter mögliches Gestaltungsmittel angesehen werden (siehe allg unten Rn 121–125), würde den Boden erlaubter Plangestaltung verlassen und Gegenwehr Dritter erzwingen (§ 251 I Nr 2). 7. Anteilseigner am Gemeinschuldner (Nr 4) Die Regelung ist Konsequenz der Ausdehnung der Befugnis des Planvorlegers, Anteils- 86 eigner einzubeziehen (Art 1 Nr 18a bb ccc ESUG: Rn 36), sie gründet auf § 217 S 2 und erfolgt im Kontext mit insb §§ 225a, 244 III, 246a, 254a II.228 Die Insolvenzrechtskommission hat dies schon früher bereits durchaus erwogen (dazu § 225a Rn 2 f), indes ohne einen Beteiligtenstatus oder gar eine ergänzende (Eigner-) Abstimmungsgruppe vorsicherzusehen, sondern „nur“ mittels zusätzlicher gerichtlicher Entscheidung (EB LS 2.2.20 III), falls freiwillige Mitwirkung fehlte. Der Regierungsvorschlag deutete diffus indes noch die sog „latente Gruppe“ der Anteilseigner an, fand jedoch insoweit keinerlei Resonanz (Rn 89). Die Anknüpfung erfolgt dreistufig: (1) Betroffen können lediglich „am Schuldner be- 87 teiligte Personen“ sein (nicht mithin jener selbst: Rn 89), womit dann von vornherein der Fall einer Insolvenz natürlicher Personen ausscheidet. (2) Es geht um eine rechtliche Beteiligungsform, vermittelt durch „Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte“229 (ausf zum Begriff noch bei § 225a Rn 21–26). Die Anknüpfung ist – so wie auch sonst – rollen- oder rechtebezogen, erfolgt mithin nicht über einzelne Personen.230 Der Begriff des Anteilsrechts bezeichnet dabei die Beteiligung am Haftkapital von Kapitalgesellschaften (insb also Aktien, GmbH-Geschäftsanteile, Anteile an Unternehmergesellschaft etc) und umfasst nach umstrittener Auffassung auch die – nicht notwendigerweise vermögensmäßige – Beteiligung an Personengesellschaften.231 Mit den Mitgliedschaftsrechten nimmt das Gesetz solche Be-

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HK/Haas InsO9 § 225 Rn 2; per saldo nur MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 68: deklaratorische (arg § 52 S 2) „größere Plantransparenz“. Bierbach HRI2 § 28 Rn 62; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 66. Eher skeptisch dazu letztlich Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 12.14. Dazu zB HK/Haas InsO9 § 225 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 21. BT-Drucks 17/5712 S 18 re. Sp. und S 31 li. Sp. [RV zu Nr 16a] – ebenso: K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 222 Rn 10; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 11; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14

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§ 222 Rn 18; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 25; Bierbach HRI2 § 28 Rn 63. Der Begriff prägt bereits die InsO-Stammfassung: § 230 II! Das sieht richtig MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 73. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 225a Rn 7 f; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 15 f; wohl auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 6; allein auf eine ökonomische Beteiligung abstellend: HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 5.

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teiligungen in den Blick, die sich auf eine juristische Person beziehen, jedoch statt vermögensmäßiger Teilhabe durch die körperschaftliche Zugehörigkeit als solche geprägt sind (insb Genossenschaft oder Verein).232 Beide wirken strukturell austauschbar („oder“), sind folglich gleichwertig; praktisch werden beide sich allerdings wechselseitig immer ausschließen. Nicht hierher, sondern unter Nr 2 oder uU auch Nr 3 (§ 39 II!) rechnen einzelne Ansprüche, die von der Beteiligung abgespalten werden können (vgl § 225a Rn 26). 88 (3) Schließlich muss spezifische Betroffenheit dadurch hergestellt sein, dass jene Rechte „in den Plan einbezogen werden.“ Die Terminologie wiederholt letzthin nur § 217 S 2 – „einbeziehen“ meint jedoch im Grunde dabei „eingreifen“233 (so wie nach Nr 1), denn ohne eine Veränderung macht jenes „Hineinziehen“ doch keinerlei Sinn (und dazu gehen ebenso alsdann § 223 I S 1 und § 225a I konform: es wird positive [Plan-] Gestaltung verlangt, dh konstitutive Veränderung, nicht deklarative Feststellung). Hierfür genügt immer jedoch bereits der Fortsetzungsbeschluss als Sanierungsvoraussetzung234 (Näheres siehe bei § 225a Rn 36 f), das nicht zuletzt schon infolge der „Surrogatfunktion“ des § 254a II [S 1] – sie erübrigt die normalen gesellschaftsrechtlichen Willensbildungsvorgänge. Ausschlaggebend ist dementsprechend ein speziell insolvenzrechtlich geprägtes (§ 225a III und II) Verwenden gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen, welche typischerweise (freilich nicht zwingend) eine effektive Unternehmenssanierung bezwecken. Hierin liegt ein maßgeblicher Unterschied zum Regelverfahren, an dem jene Rechtspositionen meist (aber: § 199 S 2!) nicht partizipieren. Lässt sich die Frage nach dem „Ob“ einer Einbeziehung somit verhältnismäßig leicht beantworten,235 ist ihr „Wie“ aus den jeweiligen Planregelungen heraus ungleich mühseliger zu bestimmen. 89 Im Regierungsentwurf liest man relativ en passant von einer sog „latenten Gruppe“ der Anteilseigner.236 Das störte sich jedoch mit § 293 I S 2 RegE, der den Widerstand der Kapitalmehrheit der Eigentümer dem ausdrücklichen Schuldnerwiderspruch (§ 247 I InsO) gleichstellte, wobei aber dort dem Gemeinschuldner keine eigene Gruppe zuteil wurde (Rn 87). Hier erscheint eher plausibel, dass die allgemeine Begründung die spezifische Textierung nicht kohärent genug abbildet.237 Nachdem jedoch dann der Rechtsausschuss die Eignerrechte ganz ausklammerte,238 war dadurch das Problem nun obsolet. Die Figur ver-

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BT-Drucks 17/5712, S 31; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 225a Rn 9; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 7; hier großzügiger wohl HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 6. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 71 im Anschluss an BT-Drucks 17/5712 S 31 [RV zu Nr 16a] „wenn durch den Insolvenzplan … eingegriffen werden soll“. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 71; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 25; HambK/Thies InsO5 § 222 Rn 13; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 10; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 6. Vgl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 71 und Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 25, die beide auf ein Abweichen vom Regelverfahren abstellen. BT-Drucks 12/2443 S 92 re. Sp. [Abstimmungsgruppen]: „Der Entwurf schlägt vor,

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die Eigentümer als ‚latente‘ Gruppe zu behandeln, der es überlassen wird, auf ihre Kosten sich selbst zu organisieren und an der Abstimmung über den Plan teilzunehmen.“ bzw S 93 re. Sp. [Mehrheitserfordernisse]: „In der ‚latenten‘ Gruppe der am Schuldner beteiligten Personen (Eigentümer) wird hingegen allein auf die Kapitalmehrheit abgestellt.“ Siehe auch schon Rn 30, Rn 34 Fn 87, Rn 86 aE iVm Vor §§ 217 ff Rn 129 und § 221 Rn 44. Viel vorsichtiger etwa BT-Drucks 12/2443 S 199 li. Sp.[§ 265 {2}]: es geht aber wohl eher um Gläubigerschaft und nicht die Eignerstellung. BT-Drucks 12/7302 S 184 li. Sp. [Nr 158 zu § 293 RegE = § 247 InsO] und re. Sp. [Nr 161 zu § 298 RegE = § 251 InsO und Nr 163 zu § 300 RegE = § 253 InsO] – überaus undeutlich dagegen S 181 re. Sp. [Nr 134 zu § 253 RegE = § 217 InsO].

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Bildung von Gruppen

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fiel darum der frühen Vergessenheit anheim. Das ESUG hat dann die Kehrtwende vollzogen und ganz bewusst eine quasi „evidente Gruppe“ der Anteilseigner neu eingeführt.

V. Fakultative Gruppenbildung (Abs 2) 1. Befugnis zur Gruppenbildung Der Planersteller kann alle Mussgruppen des Abs 1 gleichsam verfeinernd unter- 90 gliedern (Abs 2); das Gesetz gewährt – Konzeptabänderung von Seiten des Rechtsausschusses239 (dazu Rn 33 – § 256 I 1 RegE: „sind Gruppen zu bilden“) – nunmehr insoweit offensichtlich Ermessen (Abs 2 S 1 InsO: „können Gruppen gebildet werden“): sog Kanngruppe. Dabei muss der Planersteller, so wie es der einstigen Regierungskonzeption entsprach, drei Regeln beachten: Kohärenz (S 1: Rn 93–113 [Abs 1 S 1 RegE], Divergenz (S 2: Rn 114–116 [Abs 1 S 2 RegE]; Transparenz (S 3: Rn 117–120 [Abs 1 S 3 RegE]). Das soll für breite Legitimation (des Verfahrens) und größte Effektivität (des Resultates) sorgen240 (siehe ausf schon Rn 1–12). Bisweilen wird vertreten, dass das sich zur Gruppenbildungspflicht im Einzelfall auch 91 verdichten könnte („Ermessensreduzierung“); das allerdings ist abzulehnen (dazu Rn 42 f). Das überspitzt die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsver- bzw Ungleichbehandlungsgebots (betreffend wesentlich Ungleichem). Verbleibt es bei der zwingenden Zuordnung (Abs 1), finden die wirtschaftlichen Interessen zwar tatsächlich keine Beachtung; bereits indes die Unterscheidung der jeweiligen Rechtstypen begründet jedoch ein Mindestmaß an Homogenität innerhalb des einzelnen Abstimmungskörpers und schließt damit ein grundgesetzliches, weiterreichendes Differenzierungsgebot (Art 3 I GG) aus. Das entspricht dem regulären Verfahrensablauf241 – mehr muss nicht noch sein. Soweit das Gesetz weitere Optionsmöglichkeiten schafft (Abs 2), geht es über das sachlich hierzu Gebotene hinaus. Alles andere würde Ursache und Wirkung praktisch auch verkehren: §§ 226, 245 sind Auswirkung (scil. Rechtsfolge), haben aber keine Vorwirkung auf den Tatbestand.242 Die Entscheidung obliegt alleinig dem Planverfasser243 (vorbehaltlich eventueller ge- 92 richtlicher Nachprüfung: Rn 169–171 mit Rn 116). Er kann mithin auf ergänzende Fein-

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BT-Drucks 12/7302 S 182 li./re. Sp. (Erleichterung bzw Vereinfachung – der RegE „bot unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität besonderen Anlaß zur Kritik“ [li. Sp.]). BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp. und S 199 li. Sp. – zust Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 27 f; Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 2; Bierbach HRI2 § 28 Rn 6 und Rn 64 (Erhöhung der Legitimität); Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 3 (Steigerung der wirtschaftlichen Effektivität); HK/Haas InsO9 § 222 Rn 2 (Steigerung der wirtschaftlichen Effektivität); MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 4 f; vgl auch erg Madaus Insolvenzplan (2011), S 212. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 31.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 17. Im Anschluss an BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp.: LG Mühlhausen KTS 2008, 210, 213 li. Sp. [2] (obiter: „ob, in welcher Zahl und in welcher Abgrenzung“) bzw AG Berlin-Charlottenburg BeckRS 2010, 00440 („kein Zweifel … dass dem Planverfasser ein freies [?] Gruppenbildungsermessen zusteht“); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 222 Rn 26; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 26; Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 67; BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO7 § 222 Rn 8.

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gruppierung verzichten.244 Indem weitere Gruppen unter den Voraussetzungen von Abs 2 gebildet werden „können“, steht dem Planersteller eine – in ihrem Grundbestand unzweifelhafte (und unbezweifelte) – Gestaltungsmacht zu, nicht bloß zum (prozessualen) Abstimmungsmodus, sondern zudem zur (materiellen) Rechtsverfolgung (arg § 226 bzw Rn 3). Alle Gruppen sind alsdann untereinander voll gleichrangig (arg § 245 I Nr 3); nicht möglich wäre demnach, weitergehend in Haupt- und Untergruppen zu unterteilen245 und so den Abstimmungsmodus systemwidrig zu verschachteln. 2. Kohärenzprinzip (Satz 1)

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a) Grundproblematik. Kernelement der Gruppierung (bei S 1 wie insgesamt bei Abs 1) ist strukturell ganz offenkundig die Gleichartigkeit (dazu Rn 99) von relevanten wirtschaftlichen Interessen. Es ist eine ureigene Verantwortung des Planerstellers, etwas originär Subjektives zu objektivieren. Seine Aufgabe scheint vertrackt, denn er konstruiert sowohl (prozessuale) Gruppenbildung wie die hierauf anschließend fußende materielle Behandlung gruppierter Individuen. Das eine ist kaum vom anderen zu trennen; der Tatbestand bedingt die Rechtsfolge – und ebenso umgekehrt. Typischerweise werden sich die konkreten Belange der Verfahrensbeteiligten in ihren Einzelheiten voneinander unterscheiden.246 Es kann mithin bloß um echte (scil. rollentypische) Hauptinteressen gehen. Maßgebend für die Zuordnung kann nur sein, ob die Interessen der Beteiligten unter dem jeweils angelegten Differenzierungskriterium (welches zudem schon die objektive Angemessenheit [S 2 dazu Rn 114–116] vorausschauend mitachtet) eine möglichst breitflächige Schnittmenge aufweisen. Einen groben Indikator (nicht aber ein Kriterium247 – siehe dazu bei Rn 98 aE) liefert dafür die Homogenität des Ergebnisses einer erwarteten (vorausgedachten) Abstimmung innerhalb der einzelnen fakultativ gebildeten Untergruppe. 94 Angesichts der gesetzgeberischen Intention, ein Maximum an Freiraum einzuräumen (Flexibilisierung, dazu allg oben Rn 1 und 29), verbot sich von selbst, dem Verfasser die möglichen Differenzierungskriterien enumerativ näher vorzugeben.248 Dabei kann das wirtschaftliche Interesse nur an der Person des Beteiligten haften und nur aufgrund seiner Rechtsstellung verfahrensmäßige Berücksichtigung finden. Keineswegs ausgeschlossen allerdings ist, dass sich dabei Elemente der persönlichen als auch der rechtlichen Stellung im wirtschaftlichen Interesse niederschlagen (Rn 96 f). Je höher die Zahl der Übereinstimmungen ist, als umso größer erweist sich letztlich die Legitimationskraft des Gruppenvotums (vgl Rn 2 f mit Rn 93),249 dh die Akzeptanz der „Beplanten“, die später individuell alle entscheiden müssen. 95 Mangels einer näheren gesetzlichen Konkretisierung, ist das individuelle BeteiligtenSchuldner-Verhältnis samt aller diesem zugrunde liegenden Interessen ausschlaggebend. Im

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 17; HK/ Haas InsO9 § 222 Rn 5; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 31; Bierbach HRI2 § 28 Rn 77 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 67; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 26 (mit Ausnahme des Abs 3 S 1). Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 2; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222

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Rn 9, aber zB auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 14 (völlig „ebenbürtige“ Gruppe). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 88. Abweichend hier womöglich MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 88 einerseits („Testfrage“) „versus“ Rn 9 (Strategie). BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp.; vgl auch erg FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 21. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 99.

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Prinzip wirkt hierauf gleichfalls der Insolvenzfall und die (geplante) Art der Bewältigung ein.250 Zu beachten ist insoweit, dass die Interessen der Beteiligten zwangsläufig durch das Planverfahren beeinflusst werden und ihrerseits wiederum für den Gruppenzuschnitt maßgeblich sind. Sicher lässt sich die (abstrakte) Verfahrensteilnahme unabhängig vom konkreten Planziel (Sanierung oder Liquidation) fassen, dass die konkrete Geschäftsfortführung (als Planziel!) maßgeblich auf die (in ihrer Bedeutung essentielle) Bereitschaft zur Leistung von Sanierungsbeiträgen zurückwirkt, ist jedoch letztlich genauso wenig wohl abzustreiten. Umgekehrt macht die – typischerweise inhomogene – Bereitschaft, die Sanierung des Schuldners zu unterstützen, das Planziel erreichbar und die gruppenmäßige Zuordnung besonders bedeutsam.251 Die Bündelung muss notwendig daher durchweg plandeterminiert erfolgen (mit Nuancen in den Details: Typus,252 Inhalt,253 Wirkung254), man kann nicht planunabhängig255 Interessen zusammenfassen. Das hieße nämlich letztlich, die Adaptivität (iSv Rn 9 f) zu beschneiden. b) Tatbestandstrukturen. Spezifische wirtschaftliche Interessen mögen Ausdruck per- 96 sönlicher Stellung sein, vor allem die Eigenschaft als Arbeitnehmer (arg Abs 3 S 1: Rn 119– 131). Das provoziert die Gegenfrage: Ausdruck allgemeineren Prinzips oder Umkehrschluss? Erkennt man Abs 3 S 1 als allemal „gutgemeintes Anraten“ („Sollgruppe“: Rn 128), ist dies nur eine Rechtsfolgeregelung (regelmäßiges Bildungsgebot), präjudiziert aber keinesfalls die Tatbestandsregeln des Abs 2 S 1 (planerisches Bildungsrecht) in etwa hierzu vergleichbaren Fällen.256 Möglich wäre demnach zB genauso eine weitere Anknüpfung an Unternehmensverbundenheit, es sei über Leistungen (zB freie Mitarbeiter, arbeitnehmerähnliche Personen257) oder Lieferungen (Zulieferer, Abnehmer), was dann aber schon mE recht weit geht. Familienangehörige bilden mit dem Schuldner auf anderer Ebene eine Solidargemeinschaft (§§ 1360, 1601 BGB) und mögen nicht zuletzt aus diesem Grund zu einem speziellen Entgegenkommen bereit sein.258 Und auch für öffentliche Kassen (Sozialversicherung, Krankenkasse, Finanzamt) mag die Sonderstellung des Rechtsträ-

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Sehr großzügig hier ua Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 222 Rn 33, vgl auch erg Bierbach HRI2 § 28 Rn 67. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 29. FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 18; als „Planziel“ gewertet von Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 29 und HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 17 – im Anschluss an BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp. („Nur im Hinblick auf das konkrete Verwertungsziel läßt sich die Angemessenheit der Gruppenbildung … überprüfen.“) bzw S 199 re. Sp. („insbesondere sind bei einem Sanierungsplan andere Gruppen zu bilden als bei einem Liquidationsplan.“). HK/Haas InsO9 § 222 Rn 15 (Planziel wie -inhalte – dort falsch freilich assoziiert mit S 2 – arg Fn 41!) mit genauso einer Stützung durch BT-Drucks 12/2443 S 199 re. Sp. (Bildung der Gruppen [muss] im Hinblick auf den Inhalt des Plans erfolgen“). Ebenso im Ansatz Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 6a. So ganz explizit K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 15: „kann sowohl in Planauszah-

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lungen (zB Höhe und Zeitpunkt der Quote) als auch in Planeinzahlungen (zB Investitionen, Debt-Equitiy-Swap) bestehen.“ bzw K Schmidt/Uhlenbruck/Spliedt, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz5, Rn 8.19 (fragwürdig die Begründung mit BGHZ 163, 344, 348 f [4b]); hier zust HK/Haas InsO9 § 222 Rn 12 („auch“), der primär letztlich jedoch auf konkrete Planinhalte abstellt (Fn 14). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 85. Zum Fall, dass die Merkmale des § 222 III S 1 nicht gegeben sind: BGH NJW 2015, 2660, 2663 {19} [B II 2c] = DZWIR 2015, 560 (Gruppenzusammenfassung originärer und zedierter [§ 169 S 1 SGB III: BfA] Arbeitnehmerforderungen); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 20. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 21. In Anlehnung an BT-Drucks 12/2443 S 199 li. Sp. – zust: FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 22; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 13; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 96 und 98; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 17.

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gers eine ökonomische Eigenstellung indizieren.259 Alles in allem bleibt es jedoch dabei, dass nur das Recht, nicht etwa die Person den Anknüpfungsgegenstand bildet (dazu Rn 44). Von daher kann diese persönliche Stellung immer bloß als „Faustregel“ dienen, die wirtschaftliche „Sonderbetroffenheit“ plausibilisiert, aber nicht etwa surrogiert.260 Aus der Rechtsstellung der Beteiligten folgen die wirtschaftlichen Interessen, die einer Einteilung zugrunde gelegt werden müssen. Während die zwingende Unterscheidung gemäß Abs 1 zu einem gesetzlich vertypten Mindestmaß an Interessenparallelität führt,261 wird die „Feinabstimmung“ gemäß Abs 2 dem Planersteller überlassen. Auszugehen ist aber immer auch vom gesetzlichen Typus der Berechtigung (Abs 1 S 2), jene gesetzliche Vorgabe darf nicht etwa durch gleichartige wirtschaftliche Interessen (Abs 2 S 1) durchbrochen werden (Hs 1: „Aus Beteiligten mit gleicher Rechtsstellung …“) – anders gesagt: es geht um differenziertere, allerdings „nachgelagerte“ Interessen. Dass einigen Gruppenkriterien nichtsdestotrotz eine gewisse Universalität innewohnt (sie rührt schon vom „Minimalismus“ der Grundvertypung: Abs 1 S 2), ändert hieran nichts. Verlangt wird insoweit (Hs 2) als notwendige (aber zugleich hinreichende) Bedingung die Zusammenfassung von „gleichartigen wirtschaftlichen Interessen.“ Jedes Wort zählt und erlangt eigenständiges Gewicht (Rn 98–101)! In diesem Rahmen hat jedoch sicher dann der Planverfasser die Freiheit der Ausgestaltung – er muss sich nicht etwa einer bestimmten Gliederungsmethode befleißigen,262 sondern hat lediglich das maßgebliche Sachinteresse klar herauszustellen: Homogenität der Gruppierung, nicht etwa der Gruppenbildung. (a) Interessen motivieren Ziele, Zwecke, Wünsche, Vorteile, die man erstrebt etc. Nicht von ungefähr ist genau hierauf abgehoben, nicht aber auf Positionen von Beteiligten (so wie es bei Abs 1 der Fall ist). Das erinnert ein bisschen an die Postulate der Mediation (die interessen-, nicht anspruchsgeleitet vorgeht oder im Leitbild so vorgehen soll …). Gemeint ist hiermit die Festlegung möglichst kohärenter Motivlage („Interessengemeinschaft“), nur nicht auf Basis von Verständigung, sondern durch die Planarchitektur des Planverfassers von außen gegeben (dh vorgesetzt und nicht autonom entwickelt). Das Abstimmungsverhalten ist Folge, nie Grund relevanter (Gruppierungs-) Interessen (Rn 93). (b) Gleichartig bedeutet dabei Bereitstellung eines Korridors. In der Taxonomie der Lebewesen (Art/Gattung/Familie/Ordnung/Klasse/Stamm) ist „Art“ die kleinste Hauptstufe, im Recht meint es gemeinhin ein „Mittelding“ (Spezies/Art/Gattung), eine schon etwas weiter detaillierte Heraushebung aus der Allgemeinheit (zB § 54 I HGB). Gleichartig meint keinesfalls daher „identisch“ – „gleichartig“ im Hs 2 ist bewusst dem „gleich“ in Hs 1 entgegengesetzt. Ziel der Gruppenbildung ist eine Homogenität, nicht etwa die Konformität der Anschauung der (Gruppen-) Beteiligten. (c) Das (Zusatz-) Attribut als wirtschaftlich führt zu einer Betrachtung nicht nur mit Blick auf die Befriedigung als das allumfassende Verfahrensziel jeder Insolvenzabwicklung (siehe dazu Vor §§ 217 ff Rn 55–59), das Planverfahren mit einbegriffen (§ 1 S 1 einerseits, § 245 I Nr 2 iVm II andererseits). Weniger persönliches Berührtsein rechnet (aber vgl auch Rn 96) als vielmehr das ökonomische Betroffensein, erfordert wird dezidiert kein konkretes rechtliches Interesse. Es geht um eine wirtschaftlich rationale Entscheidung („homo oe-

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BGH NJW 2015, 2660, 2663 {21} [B II 2c] = DZWIR 2015, 560. Insoweit ist deshalb die Kritik (AG Köln NZI 2016, 537, 538: Eigenschaft als Angehöriger) begründet. Vgl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 90.

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So aber offenbar Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 7: „Die Gliederung … kann formal oder materiell erfolgen“ – was immer das heiße. Wohl wie hier Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 29: „kann keinem pauschalen Muster folgen“.

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conomicus“), unabhängig der Befindlichkeit von Individuen, sondern aufgrund lediglich genereller (abstrakt-typisierender) Bewertung. Andere Interessen (Gemeinwohl, persönliche Aversionen,263 Konkurrenz etc) müssen dagegen unbeachtet bleiben. Teilweise wird einengend noch vertreten, es seien alleinig insolvenzbezogene wirt- 101 schaftliche Interessen ausschlaggebend.264 Das ist richtig im Zugriff (es geht um Interessen angesichts bestehender Insolvenz) und gleichwohl doch zu sehr verkürzend – das Interesse reflektiert letztlich das Betroffensein von Planwirkungen (aufgrund des Insolvenzfalls als Auslöser …). Es kann ebenso freilich zukünftige Konsequenzen miteinbeziehen (Folgeschäden, Kundenbindung, Gewinnaussicht etc) und soll das auch proaktiv so abbilden, dh sogar über die unmittelbaren Planwirkungen hinausgreifen.265 Eine weitere Grenze könnte noch die Zahl der jeweiligen Gruppenmitglieder darstel- 102 len, nicht nach oben hin (das denkt der Modus mit: doppelte Mehrheit, § 244 I), indes nach unten. Sowohl Abstimmungsregeln (§ 244 I: Majorität der Gläubiger – aber erg auch Abs 2 e contr) wie Gruppenbildung (§ 222 I S 1) gehen von mehr als einem Beteiligten aus. Das letztere folgt noch nicht ohne weiteres aus Hs 1, er erlaubt nur erst dann die weitere (Unter-) Gruppenbildung, wenn und weil die „Hauptgruppe“ mehrere Beteiligte umfasst. Gibt es also verblüffenderweise nur einen Beteiligten dieser Rechtsstellung, müsste die (Haupt-) Gruppe gleichwohl natürlich gebildet werden („Mussgruppe“),266 das wäre ein Fall von Abs 1, es käme schon gar nicht mehr zu Abs 2! Ein weiterer Sonderfall einer Einergruppe betrifft den Pensionssicherungsverein (§ 9 IV S 1 BetrAVG: Rn 164); ihm erlaubt das Gesetz den Status als Solitär. Er bündelt freilich eine Vielzahl kleiner Einzelansprüche, der Gesetzgeber reagiert mit Sonderregeln und befleißigt sich weitergehend des Rechtsinstituts der Sondergruppe. Der Fall ist also bei Abs 3 am Ende besser verortet, und daher spricht einiges zugunsten des Umkehrschlusses.267 Dafür streitet ganz explizit die Formulierung von Hs 2, welcher Plural benützt („Betei- 103 ligte“ – womöglich nicht eindeutig genug: Akkusativ!) sowie vor allem gleichartige Interessen voraussetzt, was auf die klare Mehrzahl an Personen setzt: eine Person wird allein durch ihre individuellen Interessen gekennzeichnet (es fehlt an einem Vergleichsbedürfnis). Wider tradierte Lesart268 erscheint deshalb keinerlei Einpersonengruppe statthaft; dass es noch unbekannte Dritte geben könnte, wäre lediglich eine Hypothese. Wenn die Praxis das gern anders bewertet,269 reagiert sie insoweit auf Interessenabstände, welche aber erst im 263 264

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Bierbach HRI2 § 28 Rn 79 mit Fn 45. Angedeutet bei MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 107 (viel deutlicher etwa Rn 84 f), übernommen von BGH NJW 2015, 2660, 2661 {10} [B II 2a] = DZWIR 2015, 560 (obiter), zust Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 14; HambK/ Thies InsO6 § 222 Rn 17 und 18; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 33; aber vgl auch erg BeckOK/Geiwitz/ Danckelmann InsO7 § 231 Rn 6. So sehen es HK/Haas InsO9 § 222 Rn 13; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 15 (vorgesehene Planaus- und -einzahlungen inbegriffen). Diesen Sonderfall musste § 244 I nicht eigens konkret abbilden: Kopfmehrheit ist dann immer gleich Summenmehrheit, oder anders gesagt auch: verlangt wird insoweit

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Zustimmung, nicht mehr nur Abstimmung. AA die hL: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 31; Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 222 Rn 10b; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 222 Rn 26; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 9. So wie hier Smid InVo 1997, 169, 176 und ZInsO 1998, 347, 350. Eher reserviert auch neuerdings HK/Haas InsO9 § 222 Rn 18 („im Extremfall). Außer den schon bei Fn 267 Genannten: HK/ Haas InsO9 § 222 Rn 13; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 4; Hingerl ZInsO 2007, 1337, 1340 [III 4e]; AG Berlin-Charlottenburg BeckRS 2010, 00440 (Finanzamt); AG Hamburg BeckRS 2016, 19415 [2.1]. Eher unspezifisch hier LG Mühlhausen KTS 2008, 210, 212 f [2].

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zweiten Schritt (S 2) greifen. Oder anders gewendet: würde denn die legislativ erwünschte Homogenität bei anderen parallelen Gruppen vielleicht zu sehr leiden, falls man ihnen die Einzelperson mit Eigensicht („Sonderinteresse“) hinzupackt? Das könnte begründen, die Normvorgabe teleologisch abzuschleifen. Freilich: der Planersteller könnte selbstredend auf Gruppierung überhaupt verzichten (Abs 1 statt Abs 2) – Homogenität ist also nie Automatismus. Das heißt dann indes, auf Gruppenbildung vollkommen zu verzichten, wenn nur eine „Interessengemeinschaft“ und ein Einzelbetroffener gegenüberstehen (vgl Rn 55). c) Anwendungsfälle

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aa) Absonderungsbefugte (Abs 1 S 2 Nr 1: Rn 71–78). Als ganz zentrales Kriterium gilt die Werthaltigkeit des Sicherungsrechts270 bzw das individuell festzustellende Ausfallrisiko, das schwanken mag (zB falls eine Forderung zwar vom Fortführungs-, nicht jedoch vom Liquidationswert gedeckt ist – Planziel? Entsprechend variiert gemeinhin die Opferbereitschaft im Sanierungsfall).271 Auch wer voll abgesichert ist, kann genauso gut aber opferbereit sein, um künftige Gewinnchancen zu erhalten (Aufrechterhaltung laufender Geschäftsbeziehung). Als Anhaltspunkt für gleichartige wirtschaftliche Interessen dient auch der konkrete Sicherungsgegenstand;272 Betriebsgrundstücke etwa mögen in ihrem Wert stärker von der Unternehmensfortführung abhängen als andere Mobiliarsicherheiten (Maschinen, Fahrzeuge etc).273 Weniger überzeugend scheint der Rechtstyp (iSv §§ 49–51) als Leitidee; das umfasst bevorzugt rechtliche Interessen (Rn 100), und wäre näher wirtschaftlich zu verdeutlichen;274 eindeutig liegt etwa näher, innerhalb des § 51 Nr 1 Zessionare zu separieren (Volatilität von Forderungen). Ebenfalls fragwürdig erscheint, die Gruppierung danach auszurichten, ob dem Absonderungsrecht eine persönliche Forderung zugrunde liegt275 und wie diese Forderung ausgestaltet ist.276 Auch das sind vorrangig rechtsdogmatische Attribute. Kein Grund ist zudem ein „Pooling“ von Rechten, denn dadurch dokumentieren ihre Inhaber (jenseits jeder Planung!) schon dezidiert ihre Eintracht.

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bb) Nachrangige Insolvenzgläubiger (Abs 1 S 2 Nr 3: Rn 80–85). Weil kaum je hier eine weitere Verfahrensbeteiligung erfolgt, und wenn doch, dann gemäß § 39 I schon eine relativ „kleinteilige“ Mussvorgabe besteht (dazu Rn 80), ist Untergliederung nie praxisrelevant. Nur innerhalb eines einzelnen Befriedigungsrangs besteht dabei die Möglichkeit weitergehender Gruppierung. Zumindest denkbar erscheint, dass man etwa gesicherte Zinsansprüche (§ 39 I Nr 5) parallel zu „ihren“ zugehörigen nicht nachrangigen Hauptforderungen nach dem „Ob“ und „Wie“ der Sicherung unterscheidet.277

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 92; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 34; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 22; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 5; Warrikoff KTS 1997, 527, 544 [VII 1]. Das sieht bereits BT-Drucks 12/2443 S 199 li. Sp. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 91; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 69. Vgl HK/Haas InsO9 § 222 Rn 13; Warrikoff KTS 1997, 527, 544 [VII 1].

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Etwa so, dass abstrakten und fiduziarischen Sicherheiten unterschiedliche Durchsetzungsrisiken zugrundeliegen. Geringere Skrupel haben Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 34; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 69; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 90; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 22. So Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 14. So Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 70. Bierbach HRI2 § 87 Rn 28.

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Bildung von Gruppen

§ 222

cc) Vollrangige Insolvenzgläubiger (Abs 1 S 2 Nr 2: Rn 79). (1) Sie bilden gemeinhin 106 den Löwenanteil der Betroffenen, mithin kommt hier der fakultativen Gruppenbildung rechtspraktisch am meisten Gewicht zu. Die Ansatzpunkte für Anknüpfungen sind mannigfach, wandelbar, vielförmig278 – und natürlich maßgeblich vom Einzelfall vorbestimmt. Man kann vielleicht drei Grundtypen weitergehend differenzieren: eher forderungsbezogene (Rn 107 f), mehr verhaltensbezogene (Rn 109 f) oder sanierungsbezogene (Rn 111) Kennzeichen für Gruppierung. Dies ist eher Strukturierungshilfe, aber gewiss kein Ausschlusskriterium für Einzelfallbedürfnisse.279 (2a) Vorrangig forderungsbezogene Kriterien: Fälligkeit280 (trotz § 41 I) oder Bedingt- 107 heit (wegen § 42) sowie – mit Blick auf § 45 – Naturalansprüche oder Geldforderungen bzw feststehende Forderungen und geschätzte Forderungen281, nicht aber hier die Besicherung, sie liegt nämlich außerhalb dieses konkreten Rechts282 (und findet parallele Beachtung allein bei Rn 72–74 bzw Abs 1 S 2 Nr 1). Ein Berücksichtigen der Forderungshöhe ist problematisch: das geht für Bagatellforderungen nur über die Spezialvorschrift des Abs 3 S 2 Var 1 (Rn 144–157, insb Rn 148), sonst strenggenommen nicht (Umkehrschluss!), doch kann man noch eine verhaltensbezogene Argumentation (vgl Rn 109 f) dagegenhalten. Sie führt zum Rechtsverfolgungsinteresse, welches für kleine und größere Forderungen durchaus verschieden ausfällt (Prozesskostenrisiko);283 der Gesetzgeber wollte „Atomisierung“ vermeiden – eine (Wert-) Grenze könnte allerdings doch ein möglicher Anwaltszwang (§ 23 Nr 1 GVG: 5.000 EUR) begründen. Gemeinhin wird gestattet, ebenso auch am Rechtsgrund konkret anzuknüpfen.284 So 108 formuliert scheint mir hierbei allerdings ein lediglich dogmatisches Interesse festzustehen – man wird schon dazu sagen müssen, weshalb damit die wirtschaftliche Interessendivergenz (S 2!) korrespondiert. Man kann durchaus dann die Unterteilung in vertragliche und deliktische (oder besser wohl: gesetzliche) Ansprüche akzeptieren (privatautonom „gewollte“ Partnerschaft?) und ebenfalls wohl begründen, privatrechtliche und öffentlichrechtliche Forderungen inhaltlich zu separieren (Gewinnerzielungsabsicht? Parteidisponibilität? Hoheitshandeln? etc).285 Eine Sonderbehandlung von Deliktsansprüchen lässt sich

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Aufzählungen: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 89–98; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 22; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 13; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 17; Bierbach HRI2 § 28 Rn 86 f; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 19; Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 595–597. BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp.: „Die zulässigen Differenzierungskriterien lassen sich nicht abschließend normieren.“ So BT-Drucks 12/2443 S 199 re. Sp. („wird typischerweise weniger an schnellen Zahlungen … interessiert sein“) – zust MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 94; FK/ Jaffé InsO9 § 222 Rn 22; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 17. So BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp. („unterschiedliche Interessenlagen, die im Rahmen einer konkursmäßigen Verwertung eingeebnet werden müssen“ – Sanierungsflexibilität „versus“ unvermeidbarer liquidativer Gleichstellung!).

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AA HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 17. Dann vermag man uU ebenso zwischen festgestellten und „unsicheren“ Forderungen prozeßökonomisch zu differenzieren – so möchte es Frind NZI 2007, 374, 375 [II 2]; wohl auch AG Hamburg BeckRS 2016, 19415 [2.4]. LG Würzburg BeckRS 2011, 09000 gestattete, titulierte bzw anerkannte Forderungen zu separieren. Das geht auf BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp. zurück – zust: Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 35; Bierbach HRI2 § 28 Rn 86; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 90; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 22; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 29. Beispielsfälle: AG Köln NZI 2016, 537, 538 m Anm Madaus (S 540); AG BerlinCharlottenburg BeckRS 2010, 00440 (Finanzamt).

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übrigens wohl auch mit Blick auf § 302 rechtfertigen;286 nicht legitim wäre dagegen, die konkursrechtlichen Privilegienträger (§ 61 KO) zusammenzufassen.287 109 (2b) Vorrangig verhaltensbezogene Kriterien: Jene erfassen klassischerweise Intentionen aus der Vergangenheit. Hierfür liegt nahe, am jeweiligen Leistungsinhalt anzuknüpfen (jenseits der Trennung von Sach- und Geldleistungen [Rn 107] – am besten in vollstreckungsrechtlicher [§§ 883 ff ZPO] Leistungskategorisierung: Herausgabe, Handeln, Unterlassen, Duldung, Erklärungen288), die Dauer einer Bindung (Einmalaustausch? Wiederkehrschuldverhältnis? Dauerbeziehung?) und auch die feststellbaren Vertragszwecke (gewerbliches Handeln/private Betätigungen?289) können ebenfalls hierzu bedeutsam werden. Und auch die Betroffenheit als Waren- oder Geldkreditgeber – anderweit ebenfalls bedeutsam – könnte Berücksichtigung finden;290 hier ist zwar der Leistungsinhalt offenbar ganz derselbe, das wirtschaftliche Interesse aber eindeutig unterschiedlich. 110 Schwieriger erscheint dagegen, Zukünftiges mit einzubinden, obwohl Planung primär natürlich Zukunft gestaltet. Letztlich müssen belastbar konkrete Erwartungshaltungen vorliegen. Das gestattet man bezüglich des Sanierungsinteresses (Rn 111), dies wäre auch der Ort, um persönliche Gebundenheit einzufangen („Familienbande“); mE sollte – allemal in Grenzen – ebenso das Rechtsverfolgungsinteresse eine gewisse Rolle spielen (dazu schon oben Rn 107). Hier liegt alles schon fest – es geht um eine Extrapolation aus der Gegenwart auf die Zukunft. Nicht möglich wäre dagegen die Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Gläubigern bzw Anmeldenden und Nachzüglern: das Versäumen einer konkreten Anmelde- oder Präklusivfrist bezeichnet der BGH als „objektives, aber kein § 222 zugängliches Abgrenzungskriterium“.291 Das behauptet mehr, als dass begründet würde. Entscheidend ist demgegenüber, dass gegenwartsbezogen hier jedes Verhaltensindiz fehlt, die Positionen vielmehr vollkommen fungibel erscheinen. 111 (2c) Vorrangig sanierungsbezogene Kriterien: Das zielt vor allem auf Geschäftspartner langfristiger Vertragsbeziehung (Lieferer wie Abnehmer) oder Betätigung auf derselben Marktstufe (Konkurrenzverhältnis). Die Regierungsbegründung stellt namentlich heraus, dass die aus Tatsachen geschöpfte Erwartung, sich für eine Sanierung zu engagieren, ein zentrales wirtschaftliches Gruppeninteresse darstellt.292 Unter diesem Aspekt ließe sich 286

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So eher implizit BGH NZI 2012, 141 {2} bzw AG Hannover ZIP 2015, 2385, 2386 [III 2c] mwN, ferner LG Hamburg ZInsO 2018, 331, 334 [II A 1]. Dazu rät etwa FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 21: Obstruktionsentscheidung als Mittel der Abwehr von „Fundamentalopposition“; vgl auch erg Rn 10 („nach überkommenem Recht“). AA die hL mit eindeutig bürgerlich-rechtlichem (bzw vertragstypenbezogenem) Einschlag: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 29; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 35; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 17; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 19. Das scheint mir entschieden zu kleinteilig. In Anlehnung an AG Köln NZI 2016, 537, 538 m Anm Madaus (S 540). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 95; wohl ähnlich HK/Haas InsO9 § 222 Rn 13.

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BGH NJW 2015, 2660, 2662 {15} [B II 2b bb] = DZWIR 2015, 560 = NZI 2015, 697 m Anm Madaus (S 703) mit MünchKomm/Madaus InsO3 § 254b Rn 8, best BGH NJW-RR 2016, 372 {2} – zust: HK/Haas InsO9 § 222 Rn 13; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 17; Sonnleitner/Fehst/Engels Insolvenzsteuerrecht, Kap 2 Rn 164; BK/Breutigam InsO14 § 224 Rn 7. – Anders im Ansatz AG Hamburg, B. v. 19.04.2016 – 67c IN 232/13 [II 2] {30 f, 33 f} – so wie hier indes danach LG Hamburg NZI 2018, 261, 262 [II A 2a]. BT-Drucks 12/2443 S 199 li. Sp. (wer „eher zu einem Entgegenkommen … bereit sein“ wird) – zust: FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 22; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 17; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 36 f; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 29; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 93; Warrikoff KTS 1997, 527, 546 [VII 2].

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Bildung von Gruppen

§ 222

auch das Bereitstehen zusätzlicher Sicherheiten (Bürgschaft, Garantievertrag, Haftungszugriff auf Drittpositionen etc) gruppenabbildend ebenfalls berücksichtigen:293 denn hier wird – allein aus eben jenem Grunde – kaum größeres Sanierungsinteresse bestehen;294 fraglich bleibt freilich, ob noch andere gegenläufige Motive existieren und ob die „Vereinzelung“ wirklich strategisch einen Sinn macht. Ohne weiteres können hingegen alle zu einem sog Debt-Equity-Swap (Wechsel von Forderungen auf Anteile: § 225a Rn 18 mit 50–75) bereiten Gläubiger derart gruppenmäßig (§ 226!) zusammengefasst werden.295 (3) Die vorliegend versuchte Einteilung sollte nicht dazu verleiten, sklavisch zuzuord- 112 nen. Es geht um Anhaltspunkte. Dabei muss man sich immer klarmachen, dass gemeinhin Motivbündel vorliegen, ein rationales Agieren naheliegend ist (vorteilsaffines Verhalten nach wirtschaftlichem Interesse), jedoch niemals zwingend erscheint, und dann am Ende die Abwägung jedes Mitglied für sich selbst vornimmt. Oftmals ist hier von Vorteil, wenn maßgebende Anknüpfungspunkte kumulieren296 (dies vertieft den direkten Zusammenhalt) und auch die Gruppengröße im „guten Mittelmaß“ liegt (dies eröffnet die profunde Diskussion, glättet jedoch ebenso einen „Ausreißer“). dd) Anteilseignerschaft (Abs 1 S 2 Nr 4: Rn 86–89). Anteils- und Mitgliedschafts- 113 rechte stehen wie Forderungen einer weitergehenden Untergliederung grundsätzlich offen;297 häufig macht Sinn, einzelne Eigner im Unternehmen zu halten (§ 226 I), ohne dass Ausscheidende dem sollen zustimmen müssen (§ 226 II). Maßgebend ist nicht die rechtliche, sondern die wirtschaftliche Ausgestaltung der Beteiligung (welche ihrerseits rechtlicher Begründung bedarf), vor allem das Recht auf Gewinnbeteiligung (zB Unterscheidung zwischen Vorzugs- oder Stammaktien bzw Aktien mit und ohne Stimmrecht) und der Bestand persönlicher Haftung298 (zB Komplementär oder Kommanditist, aber vgl auch § 171, 176 HGB) sowie auch einer eventuellen Einlage- oder Nachschusspflicht299 (zB §§ 26–28 GmbHG). Möglich wäre genauso, nach Streubesitz, Sperrminorität oder Mehrheitseigner zu differenzieren; das maßgebliche Unterscheidungszeichen folgt freilich nicht aus dem Umstand, sondern aus den Auswirkungen des Plans auf die eigenen gesellschaftsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten.300 Spezielle wirtschaftliche Interessen können bei Parallelbeteiligungen an Konzernunternehmen vorliegen301 und auch bei Doppelbeteiligung quasi

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So wie es BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp. nahelegt – zust FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 22; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 35; Bierbach HRI2 § 28 Rn 87; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 17. Weiteres Beispiel: BGH NZI 2007, 521 {8} [II 4]: Sicherheiten (Nr 1) innerhalb und außerhalb des „Fortführungsbereichs“ – sie haben nämlich uU Wertunterschiede, vgl Rn 74 und 104. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 29; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 13; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 222 Rn 19; H-F Müller KTS 2012, 419, 444 [VII 4b]. So schon zu § 222 aF (also vor dem ESUG) Warrikoff KTS 1997, 527, 546 [VII 2]. Stark pointiert durch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 99.

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BT-Drucks 17/5712 S 31 li. Sp. – zust Braun/ Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 9; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 222 Rn 17; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 11. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 90; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 37; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 19. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 90; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 37. Wohl wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 19; aA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 98; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 17; unklar insoweit Madaus ZIP 2014, 500, 506 [II 3.1]. Beispiel: Verlust von Sonderrechten infolge von Formwechsel („Suhrkamp“). Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 9.

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„über Kreuz“ als Eigner und Gläubiger bestehen.302 Am Ende entscheiden jedoch meistens Sanierungsbereitschaft und Strategieinteressen. 3. Divergenzprinzip (Satz 2)

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Die Vorschrift will eine manipulative – weil nur auf eine zukünftige Mehrheitsbeschaffung gerichtete – Gruppenbildung verhindern:303 kein Planersteller soll demzufolge eine Vielzahl inhaltlich paralleler Gruppen bilden können, um einzelne Verfahrensteilnehmer bzw Beteiligtengruppen zwecks Eingreifen des Obstruktionsverbots (arg § 245 I Nr 3) gezielt in die Minderheit zu bringen. Gleichartige wirtschaftliche Interessen gestatten daher nur dann eine Zusammenfassung der Beteiligtenrechte, wenn sie sich in ihrer Summe von denjenigen der übrigen Gruppen unterscheiden und daher ein sachlich gerechtfertigter Grund für die Abgrenzung vorliegt.304 Die Gruppenbildung will Unterschieden ihren Raum geben, niemals aber die Hand reichen, im Grundsatz wirtschaftlich Gleiches305 ungleich zu behandeln (was in der Konsequenz § 226 I ermöglicht und auch keine eventuelle intergruppale Gleichheit kompensiert, vgl § 226 Rn 21 – „Gestaltungsmissbrauch“!). 115 Während die gleichartigen wirtschaftlichen Interessen (S 1) also gewissermaßen die „kohärente Innenbeziehung“ eines jeden Abstimmungskörpers betreffen, sieht eben das Sachgerechtigkeitserfordernis (S 2) auf die „divergente Außenbeziehung“, dh äußerliche Stellung der Gruppen zueinander. S 2 beschränkt als eine Art Konterpart die grundsätzlich bestehende Gestaltungsmacht des Planerstellers aus S 1. Es geht um zwei selbständige, kumulativ anzuwendende Kriterien,306 welche erst im Verbund die gruppenmäßige Ausdifferenzierung rechtfertigen. Dabei lässt die Vorschrift (so wie auch S 1: Rn 112) durchaus Spielräume und Bandbreite, denn Gruppierung bedeutet, Gemeinsames herauszustreichen, ohne freilich Individualität zu verleugnen. 116 Nach allem ist daher jene Sachgemäßheit ein Sachkriterium auf Grundlage der Plankonzeption,307 zumal sich die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten und die Plangestaltung wechselseitig bedingen (dazu Rn 95). Der Begriff ist unbestimmter – selbstredend aber justiziabler – Rechtsbegriff, was erhebliche Gerichtsmacht beinhaltet, auf eine Art generellen Kontrollvorbehalt hinausläuft308 (in Anlehnung [?] an 11 USC § 1129 lit a Nr 3: „proposed in good faith“). Das Gesetz versagt nämlich bewusst Vorgaben, fordert daher die einzelfallabhängige Konkretisierung.309 Das Sachgerechtigkeitskriterium soll maßgebend dazu beitragen, die Gruppenbildung als nur im Weg der Rechtsmäßigkeitskontrolle

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 98. BT-Drucks 12/2443 S 199 re. Sp.; vgl auch erg FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 15. Sie gilt nicht auch für Abs 1 (irrig aA daher LG Düsseldorf ZIP 2015, 2182 [II] {13}). AG Köln NZI 2016, 537, 538; HambK/ Thies InsO6 § 222 Rn 18; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 38; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 100 f. Oder anders gesagt auch: wesentlich Gleiches. Nicht jede marginale Divergenz zwingt zur Gruppenbildung! HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 18; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 82.

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Für die planzielbezogene Konkretisierung ua HK/Haas InsO9 § 222 Rn 15; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 6a; wohl auch: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 29. Dies sehen zu wenig etwa Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 13 und FK/Jaffé InsO8 § 222 Rn 15–17, aber vgl auch InsO9 Rn 18 einerseits, Rn 25 andererseits; für starke Kontrolle anschließend Rn 26–29 (die Klarstellung bei § 231 [hier Rn 169, dort Rn 8 und 21] wird freilich komplett ausgeblendet). Im Ansatz vergleichbar Henckel KTS 1989, 477, 491. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 38; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 101.

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Bildung von Gruppen

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überprüfbar zu deklarieren, verlagert aber praktisch alle Entscheidung aufs Staatsgericht (Rn 169–171) und seine Analyse, entlässt indes den Planverfasser nicht aus aller Verantwortung (er will den Plan ja unbeanstandet „durchbringen“). 4. Transparenzprinzip (Satz 3) Die sachlichen Kriterien für die Abgrenzung der fakultativ gebildeten Gruppen sind 117 im Insolvenzplan zu dokumentieren. Die schriftlich verfestigte Transparenz fungiert als Hemmnis, „Manipulationen zur Beschaffung von Mehrheiten zu vermeiden“ – der Planverfasser muss infolgedessen ergänzend immer „erläutern, inwiefern diese [scil. seine] Differenzierung nach den rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten gerechtfertigt ist.“310 Freigestellt sind selbstredend die anderen, gesetzlich anerkannten, „besonderen“ Gruppen iSv Abs 3 (Arbeitnehmer [S 1]; „Bagatellen“ [S 2]). Im Übrigen gilt jeweils strikt (vgl noch erg Rn 119): Alle gruppenbildungsrelevanten Unterscheidungszeichen sind nachvollziehbar zu plausibilisieren – in einer konkreten (einzelfallbezogenen) Bewertung, nicht etwa als reines abstraktes Raster (so wie es Abs 1 vorgibt und zulässt). Man könnte unbefangen meinen, dass sich S 3 („Kriterien für die Abgrenzung“) bloß 118 auf S 2 („voneinander abgegrenzt“) bezieht. Das wäre ein Trugschluss,311 wie die Gesetzesmotive schon unterstreichen (Rn 117): sie beziehen sich generell auf fakultative Gruppierung, denn sie erst ermöglichte eine Manipulation, und die Interessenlage ist nur inhaltlich zu entwickeln an S 1. Und dazu kommt, dass beide Zitate S 2 und 3 gleichsam „parallel“ betreffen und sich dabei jeweils um S 1 bemühen. Das entspricht der Aufreihung: Gruppierung (S 1) – Gegenkontrolle (S 2) – Dokumentation (S 3). Wenn man eine wirkliche Kontrolle will, muss man auch die Sachkriterien für S 1 und S 2 im Plan (Rn 120) benennen; beide hängen allemal zusammen, sind je eine Seite derselben Münze (Rn 115). „Abgrenzung“ meint also die Umschreibung für Gruppenbildung als solche (natürlich nur die wahlfreie), welche dem Vorleger weitere Optionen schafft. Dies sieht der BGH („Prüfungsgrundlage hinsichtlich der Gruppenbildung ist allein die Tragfähigkeit der im Plan angegebenen Kriterien“) nicht anders, wenn er hier auf sowohl Zusammenfassung (S 1) wie Differenzierung (S 2) abhebt.312 Der BGH gestattet aber noch Ausnahmen: die unterlassene Begründung sei dann aus- 119 nahmsweise unschädlich, wenn die Einteilungskriterien „auf der Hand liegen“313 Das öffnet ohne Not dann jedoch Schleusen … Man kann das selbst für die beiden Einzelfälle nicht zugestehen, welche entschieden wurden, zum einen die Arbeitnehmer mit der BfA inbegriffen (mit Blick auf § 169 S 1 SGB III: Gehaltszession für Insolvenzgeld!), zum anderen die öffentlich-rechtlichen Forderungen (Sozialkassen, Finanzamt). Abs 3 S 1 deckt nur reine Belegschaftsgruppen und nicht die BfA-Miteinbeziehung; dass staatliche Ansprüche kein „Ausdruck kaufmännischen Handelns“ darstellen, rechtfertigt keine Privilegierung – es sind trotzdem ganz reguläre Insolvenzforderungen. Beide Kriterien wären zugegeben gewiss tragfähig, demungeachtet im Plan aber eben zu dokumentieren!

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BT-Drucks 12/2443 S 199/200: erstes Zitat S 199 re. Sp.; zweites Zitat S 200 li. Sp. So wie hier MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 107. Anders wohl jedoch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 6a; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 13.

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BGH NJW 2015, 2660, 2663 f {10 mit 9} [B II 2a] (Zitat: Rn 9) = DZWIR 2015, 560; ebenso AG Köln NZI 2016, 537 f m zust Anm Madaus (S 539, 540). BGH NJW 2015, 2660, 2663 {20 f} [B II 2c] = DZWIR 2015, 560 – erstes Zitat: Rn 20 („Arbeitnehmergruppe“); zweites Zitat: Rn 21 (Staatsgläubigergruppe“).

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Uneinigkeit besteht schließlich darüber, ob die notwendigen Angaben im darstellenden oder gestaltenden Teil des Plans zu verorten sind: „im Plan“ könnte beides meinen (arg ex § 219 S 1), sicher nicht mehr eine bloße Anlage (§ 219 S 2 e contr). Wenn Gruppenformierung als Teil der Rechtegestaltung gilt (Abs 1 S 1: Rn 97) spricht vieles dafür, dass der gestaltende Teil angesprochen ist. Anderenfalls nämlich dokumentiert der Plan die Gruppenabgrenzung, ohne sich bereits zur Einteilung als solcher zu verhalten (bleibt also zu abstrakt); man kann dies mit § 220 II („soll“) praktisch gut versöhnen,314 verfehlt indes den Kern der Sache (vgl § 219 Rn 12, § 220 Rn 77, § 221 Rn 39, 68, 82): der Darstellungsteil vermittelt Urteilsgrundlagen, und die Gruppenbildung ist ein essentielles Kernelement des vorgelegten Plankonzepts. Es liegt im Zweck der Zweiteilung (§ 219 S 1), jegliche Erläuterung schlicht vorzuziehen315 (Gruppenbegründung ist kein – unmittelbarer! – Teil der Rechtsgestaltung). Ob das Gesetz jene Angabe abverlangt (§ 222 II S 3: „sind … anzugeben“) oder bloß intendiert (§ 220 II: „soll … enthalten“ – aber vgl dort Rn 31], sollte nicht ausschlaggebend dafür sein.316 Hauptsache ist allerdings, dass jene Information überhaupt vorliegt.317 5. Strategie der Gruppenbildung

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Angesichts des Verbots der Mischgruppenbildung (dazu Rn 50 f) beschränkt sich die Frage der strategischen Gruppenbildung auf den Gestaltungsspielraum des Planerstellers iSv Abs 2 (siehe auch schon Rn 90–92) mitsamt der sog besonderen Gruppen des Abs 3. Sie steht in engem Zusammenhang mit dem Normzweck (zusf Rn 11 f) und wird im Schrifttum kontrovers diskutiert (Rn 122–124). Dabei ist indes der Ausgangspunkt völlig unbestritten: Abs 2 liefert den Hebel zur Planung entsprechend den Umständen des Einzelfalles, eröffnet „kreatives“ Vorgehen,318 garantiert die Einbeziehung der Beteiligten und „stellt die Weichen für ein differenziertes, strategisch taktisches Verhandlungskalkül, das auch die ‚Pflicht zum Kompromiss‘ in sich trägt“.319 Jenes letztere Zitat pointiert die Sachfrage: kann es auch um kurzfristige Taktik oder nur um langfristige Strategie gehen? Heiligt jede Gruppe immer den Zweck, den Plan am Ende nur „durchzubringen“? Entscheiden müssen immer aber die Beteiligten! Besonders der Gemeinschuldner als Verfasser könnte egoistisch und „manipulativ“ denken. Wäre es am Ende somit nur die Kunst, bei einer Manipulation nicht aufzufallen? Man sollte keine Regeln vom Missbrauch her bestimmen, vielmehr Missbräuche im Einzelfall abwehren, wo sie einmal vorkommen. 122 Die positive Betrachtung: Nach verbreiteter Auffassung nutzt der strategisch agierende Planersteller in zulässiger320 oder gar notwendiger321 Weise seine Gestaltungsbefugnis.

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Bierbach HRI2 § 28 Rn 84. So wie hier: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 13; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 14; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 222 Rn 69; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 22. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 69. BGH NJW 2015, 2660, 2663 f {10} [B II 2a] = DZWIR 2015, 560 lässt die Frage der Platzierung pragmatisch infolgedem dahinstehen – wohl überdeutend dazu neuerdings aber Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1917 [III 2a]: Wahlrecht. Dennoch ist der

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bessere Ort zur Begründung der „erläuterungsnahe“ Darstellungsteil. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 14 („Einfallstor“). Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 7 (Planungskonzept). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 4; Smid/ Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 12.1; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 222 Rn 10. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 9; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 3 und 15; Bierbach HRI2 § 28 Rn 12 und 76; Küb-

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Bildung von Gruppen

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Konkret sei es ihm zuzugestehen, durch eine bestimmte Beteiligteneinteilung, die Annahme des Plans sicherzustellen oder zumindest wahrscheinlicher zu machen. Das gruppenbezogene Abstimmungsverfahren (§§ 243/244) und das Obstruktionsverbot (§ 245) werden dabei als Instrumente zur Sicherung der notwendigen Mehrheiten begriffen.322 Insoweit gibt es zwei Taktiken, hypothetische Planopponenten „ruhigzustellen“. Man kann sie mehreren Abstimmungskörpern zuweisen („Vereinzelungstaktik“ – kleine [„interne“] Lösung) und so den Erfolgswert ihrer Stimmen ohne zwingendes Eingreifen des Obstruktionsverbots beseitigen323 oder man kann regelrechte „Oppositionsgruppen“ intendieren („Konzentrationstaktik“ – große [„externe“] Lösung) und alsdann das Obstruktionsverbot bemühen.324 Man muss dabei nur sehen, dass zumindest eine Gruppenmehrheit noch zustande kommt (§ 245 I Nr 3). Dies schafft eine dritte, weitere Taktik, die sog „Vervielfältigungstaktik“: (künstliche) Vergrößerung der Gruppenzahl (bzw Gruppen potentieller Jasager).325 Dies Vorgehen soll sich gerade bei mehrheitlicher Planablehnung durch eine zwingende „Mussgruppe“ (Abs 1) empfehlen326. Dafür wird gemeinhin dann auf spezifische Schutzmechanismen für die Planopponenten hingewiesen. Verglichen mit dem Regelverfahren sei ihre Schlechterstellung ver- (§ 245 I Nr 1) und ihre angemessene wirtschaftliche Beteiligung geboten (§ 245 I Nr 2); und dazu komme noch die Möglichkeit individueller „Abwehrklage“ (§ 251: Minderheitenschutzantrag).327 Die neutrale Betrachtung: Vorleger dürfen, können, sollen unbestreitbar sachlich dif- 123 ferenzieren. ME wird freilich gern kurzfristige Taktik als langfristige Strategie verbrämt. Nichts spricht dagegen, insoweit strategisch „Interessenlagen“ einzufangen, alles widerstreitet indes, nur für die Majorität zu taktieren.328 Ein weites Feld bleibt indes, beides voneinander präzis abzugrenzen. Man wird aber nicht Missbrauch gleich argwöhnen dürfen. Allemal fehlt den Fürsprechern „strategischer“ [?] Gruppierung das Patenzrezept zur Planannahme; die Praxis sieht eher die Tendenz möglichst kleiner Gruppenzahl.329 Als eine Art Faustregel gilt aber – genau anders herum – dass eine stärkere Untergliederung die einzelnen Abstimmungskörper kleiner und homogener werden lasse und sich so die belastbare Prognostizierbarkeit des Abstimmungsvotums (iSv Rn 93) verbessere;330 sog „EinGläubiger-Gruppen“ wären rechtlich allerdings von vornherein nicht statthaft (str, dazu vgl Rn 102 f). Um ein Patt zumindest zu vermeiden, muss man eine ungerade Gruppenzahl

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ler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 4 und 63; Jungmann KTS 2008, 218 f [I mit II vor 1]. Riggert WM 1998, 1521, 1523; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 12.2; doch vgl auch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 6. Bierbach HRI2 § 28 Rn 81; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 65; Kaltmeyer ZInsO 1999, 255, 265 [II 2b cc]; Engberding DZWIR 1998, 94, 95. Bierbach HRI2 § 28 Rn 82; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 65; Haarmeyer/Wutzke/Förster Hb InsO3 Kap 9 Rn 55; Kaltmeyer ZInsO 1999, 255, 265 [II 2b dd]. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 7; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 15; Frind NZI 2007, 374, 375 [II 3]; Kaltmeyer

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ZInsO 1999, 255, 265 [II 2b dd]; Riggert WM 1998, 1521, 1524 [III 2a]. Kaltmeyer ZInsO 1999, 255, 265. Bierbach HRI2 § 28 Rn 83; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 53; HambK/ Thies InsO6 § 222 Rn 3; Hingerl ZInsO 2007, 1337, 1340 [IV 4d]; vgl auch Rüve S 38. Noch weiter geht Stürner in: Leipold (Hrsg.), InsR im Umbruch, S 41, 45 [IV 4], wenn er hier die parallelen Regelungen gegen Planstörer mit einbezieht. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 13 – eher taktisch betrachtend: Riggert WM 1998, 1521, 1524 [III 2a]. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 66; Kaltmeyer ZInsO 1999, 255, 265 [II 2b cc]; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 7.

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erzielen331 und inhaltlich lässt sich Zustimmung per adäquater Planregelungen erreichen. Das alles ist gewiss ein legitimes Verhalten des Planverfassers. 124 Die negative Betrachtung: Andere Literaturstimmen stehen einer strategischen Gruppenbildung kritisch gegenüber,332 vor allem mit Blick auf S 2 (und S 3): der Gesetzgeber sei bereits alert gewesen und habe deswegen auch versucht, sachlich (S 2: Sachgerechtigkeit) und förmlich (S 3: Formaldokumentation) gegenzusteuern, um Manipulationen zur Beschaffung von Mehrheiten auszuschließen (vgl Rn 114 f mit 30). Alles andere würde auch die nachhaltige Legitimationskraft des Abstimmungsvotums desavouieren, die Mehrheitsfindung per Gruppenbildung als solche generell ad absurdum führen. Der Fokus verschiebt sich allerdings damit von S 1 auf S 2/3, was man aber gut als Wechselspiel von Autonomie und Kontrolle wohl interpretieren kann. Es ist auch zuzugestehen, dass die nach Beschlussfassung zum Insolvenzplan über § 245 (präventiv – im Kollektivinteresse) und § 251 (repressiv – im Individualinteresse) vorgesehene materielle Sicherung ein dorniger Weg mit allemal ungewissem Ausgang ist (vgl §§ 245 I Nr 1 und 251 I Nr 2: „voraussichtlich“ bzw § 251 II: „glaubhaft macht“). Betont wird mithin gern die genauso schützenswerte formelle Gläubigerposition.333 Abs 2 [S 2] müsse letztlich dahingehend ausgelegt werden, dass eine Gruppenbildung nur dann sachgerecht sei, wenn sie zugleich den Verfahrensrechten der Gläubiger hinreichend Rechnung trage.334 Das, scheint mir, schießt über das Ziel ebenso weit hinaus wie eine mögliche Gruppenbildung nach Belieben – zumal doch das Stimmrecht verfahrensrechtlicher Gruppendisposition unterliegt und die Gläubigerposition ihren wirtschaftlichen Wert eingebüßt hat. Der Zweck der Regel, das Zentralplenum zu mediatisieren, liefe fast immer leer. 125 Das führt zum Fazit. Indem die ermessensbegrenzende Funktion des Sachgerechtigkeitskriteriums selbst von den Befürwortern einer strategischen Gruppenbildung hervorgehoben wird,335 besteht zwischen den beiden extremen Lagern gewissermaßen ein „Minimalkonsens“. Man sollte jedoch die „Kanngruppenregelung“ (Abs 2) als Ganzes anblicken (als eine Art Gesamttatbestand) – alsdann steht einem das Idealbild rückgekoppelter Autonomie vor Augen. Einerseits: Die Überwindung der Obstruktion einzelner Beteiligter darf nicht Selbstzweck sein, sondern muss aus einem Gruppenzuschnitt hervorgehen, welcher die bestehenden Rechte und Interessen abzeichnet. Andererseits: Die Aufteilung der Betroffenen in Gruppen, auch gegen ihren Willen, ist originäre (Pflicht-) Aufgabe des Vorlegers, welcher eben den Plan autonom verantwortet. Daneben tritt der „Realdruck“ gerichtlicher Kontrolle (dazu Rn 169–171), so wie dies § 231 I Nr 1, der vor der Beschlussfassung eingreift (!), inzwischen deutlich einfordert („insbesondere zur Bildung von Gruppen“) und danach § 250 Nr 1 ebenso auferlegt. So gibt es eine ergänzende (inner-) prozessuale Sicherung der erhofften Objektivität. Und demnach entscheidet das

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 66; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 6; Bierbach HRI2 § 28 Rn 82. Rüve Gruppenbildung im Insolvenzplan (2008), S 42 f; Häsemeyer FS Gaul (1997) S 175, 181; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 15 f. Rüve Gruppenbildung im Insolvenzplan (2008), S 40; so auch am Ende FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 18. FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 27; ganz ähnlich Smid InVo 1997, 169, 177 [IV 2b].

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Bierbach HRI2 § 28 Rn 83; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 64; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 3; Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 54; ganz ähnlich auch: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 4; Jungmann KTS 2008, 218, 219 [II vor 1]. Das gilt auch für AG Berlin-Charlottenburg BeckRS 2010, 00440 („Gruppeneinteilung nach freiem Ermessen“) – denn anschließend wird gezielt Sachgerechtigkeit geprüft.

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Gericht („der Tiger hat Zähne und beißt“336): Ist die Zuordnung noch sachgerecht oder schon manipulativ?

VI. Spezielle Einteilungskriterien (Abs 3) 1. „Arbeitnehmer-Gruppe“ (Abs 3 Satz 1) a) Grundsätzliches. Die Vorarbeiten zu diesem Gruppenbildungstatbestand waren 126 wahrlich nicht wirklich durch Kontinuität gekennzeichnet (dazu Rn 28): von der zwingenden (partiellen und optionalen) Gruppierung (EB LS 2.2.16 I S 2 Var 3: „die im Unternehmen verbleibenden Arbeitnehmer [partiell], deren Ansprüche auf rückständiges [!] Arbeitsentgelt gekürzt werden sollen [optional]“337), über eine Nichtnennung (§ 255 III DiskE sieht bloß die Kleingläubiger) bis zu der privilegiert erfolgenden Gruppierung (§ 255 III 1 RefE mit der Positionierung vor den Kleingläubigern), welche ins Gesetz kam – womöglich als Kompromiss (und „Gierkesches Öl“?). Die Begründung338 nimmt inhaltlich im Prinzip die ursprünglichen Leitsatzformeln auf – ergänzt bloß um jene weitere quantitative Klausel (Näheres siehe bei Rn 135–141) – vermeintlich ein Versuch zu vereinfachen (tatsächlich [Rn 139 f]: abzugrenzen). Ein wichtiger Unterschied verbleibt: nicht etwa auf Kürzungen wird abgehoben (welche aber im Raum stehen [Rn 60, 66, 79] – Vergangenheitsbewältigung), sondern auf die Chancen für den Arbeitsplatzerhalt (Zukunftsaussichten). Die Vorschrift gesellt sich zu anderen Regularien (§ 67 II S 2) oder Privilegien (§ 142 II 127 S 2 und 3) hinsichtlich der Arbeitnehmer, besonders zum Fortbestand des Vertrages (§ 108 I S 1 – aber: III und § 113!), einschließlich des spezifischen Insolvenzarbeitsrechts (§§ 120– 128). Zudem muss man auch sehen, dass der Betriebsrat als vielfältiger Ansprechpartner oft institutionell einbezogen ist (generell: § 156 II S 1 bzw speziell: § 218 III [Planaufstellung, dort Rn 82–102], § 232 I Nr 1 [Planbegutachtung, dort Rn 10]), § 235 III S 1 [Teilnahme am Erörterungs- und Abstimmungstermin, dort Rn 62 f]). Die Vorschrift ermöglicht, die nicht durch ein Insolvenzgeld gedeckten Lohnrückstände339 (vgl Rn 132) regelmäßig zu separieren – und also damit besonders zu behandeln (§ 226 I). Verglichen mit dem Wortlaut bei Abs 1 S 1 („sind“) bzw Abs 2 S 1 und Abs 3 S 2 („kön- 128 nen“) nimmt hier Abs 3 S 1 („soll“) eine Art Mittelstellung ein:340 die Gruppierung wird anempfohlen („Sollgruppe“), ist aber weder zwingend erforderlich, noch gänzlich freigestellt. Der Entscheidungsspielraum des Planerstellers ist vielmehr eine gewünschte Richtung orientiert. Ähnlich verwaltungsrechtlicher Vorschriften, die ein intendiertes Ermessen vorsehen, beinhaltet die Vorschrift damit also ein gesetzliches Regel-Ausnahme-Verhältnis (aber vgl auch Rn 141). Liegen die einzelnen Merkmale der Regelung vor, hat der Planersteller grundsätzlich eine separate Eingruppierung auch vorzunehmen; auf sie ist nur im

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Beispielsfälle: AG Köln NZI 2016, 537, 539; AG Hamburg BeckRS 2016, 19415 [2.3]. EB Mot S 183. RefE Begr BT S 264 bzw BT-Drucks 12/2443 S 200 li. Sp. [RegE]. BT-Drucks 12/2443 S 200 li. Sp. – ferner: Schöne HRI2 § 29 Rn 2; Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 15; FK/ Jaffé InsO9 § 222 Rn 32; HK/Haas InsO9

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§ 222 Rn 17; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 43. Kritik daran beim DGB (RA-Prot 12/74 Anl S 532 f), ferner zB Baur/Stürner InsR12 Rn 4.47 [RefE: Mussgruppe „um der sozialen Homogenität willen“) bzw R Stürner in: Leipold (Hrsg.), InsR im Umbruch S 41, 45 [IV 4] Fn 14 [RegE: Sollgruppe „ein Fortschritt“).

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Einzelfall zu verzichten, wenn und weil besondere Umstände vorhanden sind.341 Das setzt den Planvorleger unter – bisweilen recht heilsamen – Begründungsdruck bzw -zwang! Die Spezialregelung ist zusammenzusehen mit einerseits Abs 2 [S 1] (als Anerkennung von besonderen wirtschaftlichen Interessen), aber andererseits auch Abs 1 [S 2 Nr 2] (hinsichtlich des „Rollentyps“ der vollrangigen Insolvenzgläubiger).

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b) Arbeitnehmer (qualitatives Kriterium). Erfasst werden Arbeitnehmer, wobei aber der Begriff schillernd scheint. Nach Alfred Hueck342 und der ihm folgenden Rechtsprechung343 handelt es sich bei Arbeitnehmern um solche Personen, die auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit verpflichtet sind. So sieht es jetzt auch § 611a I S 1 BGB,344 der noch die Konsequenz persönlicher Abhängigkeit hervorhebt. Das kontrastiert zur lediglich freien Mitarbeit (§ 611a I S 3 BGB e contr: wer „im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann“ [in Anlehnung an § 84 I S 2 HGB] „versus“ § 611a I S 2 BGB), ist abhängig von der Eigenart des individuellen Tätigkeitsbildes (§ 611a I S 4 BGB) und immer Resultat einer Gesamtbetrachtung aller Einzelfallumstände (§ 611a I S 5 BGB). Ausschlag gibt besonders die Eingliederung in die betriebliche Organisation des Arbeitgebers. Darunter fallen Arbeiter, Angestellte, Auszubildende (arg § 1 I S 1 ArbGG), ebenso leitende Angestellte (§ 218 III bringt ihnen nur einen institutionell begründeten Sonderstatus), nicht aber die sog „Leiharbeitnehmer. – Organmitglieder und Geschäftsführer etc scheiden als Vertreter der Arbeitgeberseite aus (arg § 5 I S 3 ArbGG). 130 Zu genau welchem Zeitpunkt die Arbeitnehmereigenschaft denn vorliegen muss, dazu gibt es aber dann legislativ einen Fingerzeig. Es ist jene Verkoppelung von Arbeitnehmerbegriff und Eigenschaft im Rollentypus als Insolvenzgläubiger (Rn 132–134) – letzteres setzt eindeutig zuerst Insolvenzeröffnung voraus (arg § 38). Und dazu passt bündig zudem auch die Regierungsbegründung,345 wenn sie dies Spezifikum damit verteidigt, dass Arbeitsverträge eben weiterbestehen, mithin also „im Verfahren über die Erhaltung der Arbeitsplätze entschieden wird.“ Das Parteiinteresse auf Vertragbewahrung besteht zwar allemal bei anderen Verträgen genauso (§§ 103 ff), wird aber normalerweise dort eben als typisches Insolvenzrisiko „abgebucht“ (aber: § 55 I Nr 2), hier dagegen speziell geschützt. Wer nach dem Eröffnungsbeschluss von sich aus geht oder gehen muss, bleibt betreffend seiner Rückstände mithin Gruppenmitglied; wer vorher ausschied, der zählt nicht hierher; wer danach eintrat, übrigens ebenso wenig (arg § 55 I Nr 1). Es geht insoweit also um Bestandsarbeitnehmer. 131 Es besteht eine relativ kleinteilige Streitfrage, ob denn freie Mitarbeiter und auch die sog arbeitnehmerähnlichen Personen ebenso darunter fallen.346 Der (arbeitsrechtliche) Be-

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 132 (mit einer richtigen Sicht der korrespondierenden „Begründungslast“), ferner: Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 44; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 20; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 17; Schöne HRI2 § 29 Rn 11. Hueck/Nipperdey Lehrbuch des Arbeitsrechts (19281) Bd I S 33; für heutesiehe nur Kittner/Zwanziger/Deinert/Deinert Hb ArbR8 § 3 Rn 6. Insb BAGE 27, 163, 167; 80, 256, 260; 93, 310, 314 f; 103, 20, 26; 115, 1, 7; NZA-RR

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2007, 424, 425; NJOZ 2011, 88, 89; NZA 2012, 731; BAGE 143, 77, 80; 145, 26, 29; 146, 97, 103. Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes … vom 21.02.2017, BGBl I Nr 8 S 258 (Art 2) [in Kraft ab 01.04.2017 (Art 7)]. BT-Drucks 12/2443 S 200 li. Sp. Bejahend: Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 88 bzw Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 10 mit Fn 19; Hess/Obermüller/ Hess Insolvenzplan3 Rn 205. Dagegen: Schöne HRI2 § 29 Rn 3; Uhlen-

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griff als solcher (Rn 129) erfasst Freiberufler sicher nicht. Möglich wäre dagegen, ihn aus einem insolvenzrechtlichen Grund teleologisch zu extensieren. Man behauptet eine parallele Interessenlage – die Angst vor einem existenzvernichtenden „Arbeitsplatzverlust“. Das jedoch ist Risiko jeglicher „freien“ Tätigkeit. Der Gesetzgeber sah bewusst hier allein auf „klassische“ Arbeitnehmer.347 Die maßgebende (insolvenz-) rechtliche Rechtslage ist zwar zunächst vergleichbar (§ 108 I S 1: „Dienstverhältnisse“), nur präziser eben doch bestimmt (§ 222 III S 1: „Arbeitsverhältnisse“). Damit scheint keine Erweiterung möglich (bzw geboten). Sog arbeitnehmerähnliche Personen werden bloß von Fall zu Fall einmal gleichgestellt (zB § 12a I Nr 1 TVG und § 2 S 2 Hs 1 BUrlG [materiell] und § 5 I S 2 ArbGG [prozessual]) – dies fehlt hier. Auszunehmen davon sind mE aber die Heimarbeiter, die § 13 SGB III iVm § 12 IV SGB IV hinsichtlich ihres Insolvenzgeldes den Arbeitnehmern total gleichstellt – wenn Heimarbeiter denn jetzt nicht schon nach § 611a I BGB nun als „echte“ Arbeitnehmer gelten. c) Beteiligtenrolle als Insolvenzgläubiger. Immer entscheidend ist die Beteiligung ge- 132 mäß Abs 1 S 2 Nr 2 (vollrangig) oder uU auch Nr 3 (nachrangig348), dh mit der „Beteiligtenrolle“ als ein Insolvenzgläubiger iSv § 38. Weitergehend werden Forderungen auf rückständiges Arbeitsentgelt für bis zu drei Monate durch den Anspruch auf Insolvenzgeld (§§ 165 ff SGB III) abgesichert – jene gehen dann kraft Gesetzes (§ 169 SGB III) auf die Bundesagentur für Arbeit (BfA) über und werden von dieser selbst als Insolvenzgläubigerin geltend gemacht;349 sie wird dann aber nicht vergleichbar „gruppenbildungsmäßig“ privilegiert: kein Vorzugsrecht nach §§ 412, 401 II BGB.350 Ausschlaggebend für den Sonderstatus bei der Mitwirkung ist die unmittelbare, betriebsvermittelte Verbundenheit (vgl Rn 129). Sollen unmittelbare und auf die BfA übergegangene Arbeitnehmerforderungen zusammengefasst werden, geht das nur über Abs 2351 mit allen seinen Kautelen. Nicht erfasst sind dagegen die übrigen Rollentypen möglicher Beteiligung, dh ganz un- 133 mittelbar eine Verfahrensbeteiligung mit Absonderungsrecht (Abs 1 S 2 Nr 1 – Sicherungsrecht für die Gehaltsstundung? – aber: Doppelrolle!, dazu Rn 75–78) und als (meist nur Klein-) Anteilseigner (Abs 1 S 2 Nr 4 [aber: Abs 3 S 2 Var 2: Rn 158–162] – Personalbindung durch „Aktienboni“!). Nicht erfasst sind dazuhin die Masseverbindlichkeiten, besonders aus nach der Eröffnung weiterbestehendem Arbeitsverhältnis (vgl § 108 I S 1 iVm § 55 I Nr 2 Var 2) und ebenfalls aus Sozialplan zum Ausgleich oder zur Milderung der Nachteile für die Arbeitnehmer (§ 123 II S 1). Nimmt etwa ein starker vorläufiger Verwalter weiterhin im Eröffnungsverfahren Arbeitsleistungen in Anspruch, wären auch diese

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bruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 21; HK/ Haas InsO9 § 222 Rn 17; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 128 (hinsichtlich von Freiberuflern). So auch zB Schöne HRI2 § 29 Rn 3. Zu denken wäre insb etwa an Zinsen (§ 39 I Nr 1), Verfahrenskosten (§ 39 I Nr 2) und möglicherweise vereinbarte Nachrangigkeit (§ 39 II). Schöne HRI2 § 29 Rn 6; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 17; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 45; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 21; Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 15; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 22.

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Sehr drastisch hier MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 128: ausreichend sei die Möglichkeit, Insolvenzgeld in Anspruch zu nehmen. Hiergegen spricht die Gläubigerstellung bis zur Inanspruchnahme des Insolvenzgeldes (§ 611a II BGB). Wegen der Auslegung siehe bei Staudinger/ Busche BGB2017 § 401 Rn 25; MünchKomm/Roth/Kieninger BGB7 § 401 Rn 16; Jauernig/Stürner BGB17 § 401 Rn 7 – hier tendenziell wohl abweichend BAGE 23, 226, 229–231 [2a-c] (für § 90 BSHG [heute: §§ 93/94 SGB XII] mit § 850d ZPO). BGH NJW 2015, 2660, 2663 {19} [B II 2c] = DZWIR 2015, 560.

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Entgeltforderungen nach Insolvenzeröffnung gleicherweise als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren (§ 55 II S 2: „gelten als“);352 soweit dafür dann wiederum die BfA eintritt (Rn 132), werden jene zwar ebenso „zurückgestuft“ zu einfachen Insolvenzforderungen (§ 55 III S 1: „so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen“) – Schutzbedarf für die Arbeitnehmer besteht jedoch auch hier wieder nicht. 134 Dieses zeigt, dass der Anwendungsbereich sich praktisch begrenzter darstellt, als das womöglich zunächst den Anschein erweckt. Mir erscheint trotz allem nicht angezeigt, die Regelung als „rechtliches Mauerblümchen“ einzuordnen, wie es die gebrachten Beispiele353 vermuten lassen: Abgeltung des Plus’ eines Arbeitszeitkontos; Weihnachts- oder Urlaubsgeld; Ansprüche aus einem früher bereits erstellten Sozialplan; ausstehende Prämien für Sonderleistungen oder Erfindungsvergütung etc. Es kann ältere, ungedeckte Rückstände geben (Opferbereitschaft der Arbeitnehmerschaft – „Arbeitsplatzerhalt“), welche womöglich privilegiert (§ 226 I) bedient werden sollten354 (Kernbelegschaft als Sanierungsfaktor – „Stammkräfteerhalt“), und auch den Fall einer Masseunzulänglichkeit: sie lässt die Arbeitnehmer als Altmassegläubiger an die Stelle von Insolvenzgläubigern treten (§ 210a Nr 1), und sie hätten dann wieder ihr „Gruppenbildungsprivileg“.355 d) „Berührtsein“ (quantitatives Kriterium)

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aa) Ausgangspunkt. Im Gegensatz zu Kleingläubiger und Kleineigner (gem Abs 3 S 2), welche lediglich „eindimensional“ definiert werden, prägt hier noch ein zweites, ähnliches Merkmal den Begriff der Sondergruppe „Arbeitnehmer“ (iSv Abs 3 S 1). Verlangt wird außerdem noch, dass „die Arbeitnehmer … mit nicht unerheblichen Forderungen beteiligt sind“ – dies jedoch impliziert gleich zwei Unbestimmtheiten: wie viele Arbeitnehmer müssen welche Rückstände haben? Zum einen steht infrage, wann eine einzelne Forderung als nicht (mehr) unerheblich anzusehen ist (Rn 136 f). Zum anderen ist klärungsbedürftig, was hierzu den Bezugspunkt bildet, dh wie hoch der Anteil nicht unerheblicher Forderungen an der Gesamtheit der beteiligten (Arbeitnehmer-?) Forderungen sein muss (Rn 138 f). Unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen sollten beide Erfordernisse grundsätzlich nicht überaus hoch angesetzt werden (Rn 137 und 139). Hierbei zieht die hM freilich nie in Zweifel, dass eine solche Gruppe dann alle Arbeitnehmer auch einschließen soll.

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bb) Meinungsvielfalt. Die hM favorisiert die sog subjektive Betrachtung, dh dass die fehlende Unerheblichkeit der einzelnen Forderung („erste Frage“: Rn 135) aus der Perspektive der beteiligten Arbeitnehmer zu bestimmen sei.356 Dafür spricht scheinbar das Be-

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K Schmidt/Thole InsO19 § 55 Rn 44; Schöne HRI2 § 29 Rn 6; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 128 Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 222 Rn 45; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 17. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 22; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 90–92; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 17; Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 11 – eher allg auch: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Silcher InsO3 § 222 Rn 15; Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 222 Rn 12. Das mindestens angedeutet bei Braun/Braun/ Frank InsO7 § 222 Rn 10 aE – eher allg auch

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FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 32 [2. Abs.]; HK/ Haas InsO9 § 222 Rn 16. So wie hier MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 131. LG Mühlhausen KTS 2008, 210, 213 re. Sp. [2] m zust Bespr Jungmann KTS 2008, 218, 219/220 [II 1b] bzw Paul ZInsO 2008, 843, 845; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 21; Braun/Braun/Frank InsO7 Rn 11; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 33; Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 222 Rn 93; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 46; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 129; Schöne HRI2 § 29 Rn 8.

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Bildung von Gruppen

§ 222

streben,357 dem besonderen Interesse des einzelnen Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes Rechnung zu tragen (dazu Rn 126). Gerade dieser Konnex scheint inhaltlich relativ fragwürdig: auch Arbeitnehmern mit nur unerheblichen Entgeltrückständen dürfte maßgeblich am Erhalt ihres Arbeitsplatzes gelegen sein.358 Das Unerheblichkeitskriterium als insoweit insolvenzplanspezifischen Ausdruck des Arbeitsplatzerhaltungsinteresses zu begreifen, hieße doch am Ende, die Verfahrensbetroffenheit oder gar etwa das Rechtsverfolgungsinteresse zum zentralen Gruppenbildungskriterium zu machen. Dieses geht zu weit (vgl Rn 107 und 110), oder besser wohl: hierfür reicht alleinig Abs 3 S 2 seine Hand (mit konsequentem Umkehrschluss für Abs 3 S 1!). Dennoch bleibt die Frage, wann subjektive Unerheblichkeit anzunehmen wäre. Dazu herrscht kein Konsens. Die Rechtsprechung verheddert sich im Einzelfall: abso- 137 luter Rückstand (500 EUR359), generelle Rückstände von mindestens einem Monatsgehalt (im Fall damals: 1–7 Monate360), partielle Rückstände bei ungefähr 10 % der gesamten Belegschaft (ungenügend: bei einem von zwölf361). Dies macht aber auch schon klar, dass man oft eine objektive „Gegenkorrektur“ dazu nimmt – alleinig die absolute Summenfixierung (500 EUR?) blendet dabei das Kollektive nämlich vollkommen aus! Die anderen Ansätze relativieren die Einschätzung mit Blick aufs Ganze der Belegschaft. Die Literatur nennt hier als Richtwert individuellen Ausfalles 10 % des Jahreseinkommens362 (mehr als bloß ein Monatsgehalt) oder statt dessen ein volles Monatseinkommen363 (scil. 8,33 % des Jahreseinkommens) – relativiert aber gleichfalls über „objektive“ oder „kollektive“ Kontrollgrößen.364 Prägend wirken in erster Linie aber die Zahlungsrückstände (nicht jedoch wie gerne gesagt: die Einkommensverhältnisse365 – alsdann würden nämlich andere Quellen auch einzubeziehen sein …). Die „strikte“ objektive Bewertung zielt von vornherein auf einen Gesamtanteil der Lohn- 138 ausfälle an den vollrangigen Insolvenzforderungen (10 %366), teilweise alle Absonderungspositionen noch zugezählt (20 %367). Das vernachlässigt den Gesetzeszweck, eine Teilgruppe (Arbeitnehmerschaft) konstruktiv im Planverfahren zu begünstigen. Der Lohnausfall der Belegschaft wäre dann ganz überwiegend nur geringfügig bzw die Bezugsgrößen viel zu hoch „voreingestellt“. Die „dezente“ objektive Bewertung – ergänzender Gesamtbezug subjektiver Einzelwerte („zweite Frage“: Rn 135 bzw Fn 360/361) – korrigiert viel behut-

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BT-Drucks 12/2443 S 200 li. Sp.: „besondere Situation der Arbeitnehmer“. Jungmann KTS 2008, 218, 220 [II 2b], der darum auf spätere Stimmrechtsinteressen abstellt (dies fängt aber schon § 244 I ein: Kopfmehrheit [Nr 1] plus Summenmehrheit [Nr 2]). LAG Düsseldorf ZIP 2011, 2487, 2488 [A I 3b]. LG Mühlhausen KTS 2008, 210, 213 re. Sp. [2]. BGH NJW 2015, 2660, 2663 {19} [B II 2c] = DZWIR 2015, 560. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 119 (zumindest bei einigen Personen); HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 25 (¼ der Belegschaft); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 23 (¼ der Belegschaft); Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 46

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(1⁄3 der Belegschaft); Schöne HRI2 § 29 Rn 9 f (½ der Belegschaft); Jungmann KTS 2008, 218, 221 f [II 2]: ½ der Belegschaft plus [!] 10 % des Gesamtlohns (S 222 li. Sp.). Dies alternativ nach Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 23; wohl auch Schöne HRI2 § 29 Rn 8 f. Ausnahme: Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 11 Fn 21 bzw Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 222 Rn 93 Fn 1. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 23; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 17. Ganz deutlich etwa Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 93: „Einkommens- und [sic!] Vermögensverhältnisse“ – wie wollte man dieses festlegen? Haarmeyer/Wutzke/Förster Hb InsO3 Kap 9 Rn 76. BK/Flöther/Wehner InsO42 § 222 Rn 29.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

samer; man muss aber auch sehen, dass ihre zwei prozentualen Größen minimierend wirken (1 Monatsgehalt bei ¼ bzw ½ der Belegschaft entspricht circa 2 % bzw 1 % aller jährlichen Personalkosten …). Dafür spricht aber allemal der Gesetzeswortlaut, der irgendwie auf kollektive Betroffenheit hinausläuft („Die Arbeitnehmer … [Hs 1], „wenn sie … [Hs 2]“). Man darf dann bloß nicht schlussfolgern, es ging um Betroffenheit aller Arbeitnehmer.368

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cc) Problemlösung. Alles in allem entsteht dadurch ein relativ unklares Gesamtgefüge mit verschiedenen „Stellschrauben“. ME sollte man völlig neu ansetzen und insoweit auf drei Prämissen zurückgreifen: (1) S 1 Hs 2 verlangt nicht erhebliche Forderungen, sondern setzt die Schwelle vermittels doppelter Verneinung („nicht unerheblich“) niedriger an, will also Arbeitnehmer idR privilegieren. (2) S 1 Hs 1 bezieht ein zweites kollektives Merkmal ein (Arbeitnehmer als Gesamtgruppe), welches sachgerechte Verknüpfung fordert. Ebensogut könnte man dabei individuelle Betroffenheit angesprochen sehen (Arbeitnehmer als Einzelperson); die Gruppe würde dann nicht mehr negativ definiert („Subtraktionsmethode“), sondern umgekehrt positiv („Additionsmethode“). (3) Hiergegen spricht scheinbar die offenkundig konditionale Verknüpfung von Hs 1 mit Hs 2 („wenn sie“ – anstelle: „die“). Veranlasst war aber mE mehr die lediglich intentionale, zweckorientierte Verkopplung (mithin liegt hier ein lapsus linguae vor). 140 Man sollte ergänzend ebenso den systematischen Zusammenhalt von Satz 1 mit Satz 2 sehen, der auf Gegenteiliges deutet: die lediglich geringfügigen Ansprüche können bei Satz 1 ohne Not vorweg herausgenommen werden, weil sie ja anschließend gleich unter Satz 2 fallen. Geplant war demnach nur sicherzustellen, dass die zwei Sondergruppen sich nicht weiter überschneiden bzw Arbeitnehmer und Kleingläubiger nicht wechselweise quasi auszuspielen. Dafür spricht nicht zuletzt, dass Satz 1 erst nachträglich neu dazugekommen ist (vgl Rn 126). Wird nämlich eine spezifische Kleingläubigergruppe eingerichtet, kann sie auch auf bessere Befriedigungschancen rechnen369 (vgl Rn 146). Den Arbeitnehmerinteressen würde demnach letztlich gerade geschadet. Daher muss die Abgrenzung bei Satz 1 und Satz 2 nach gleichen Maßstäben erfolgen. Fazit: von den Arbeitnehmern rechnen alle, und doch nur jene, hierher, welche stärker („mit nicht unerheblichen Forderungen“) berührt werden (alle anderen rechnen dann zu S 2). 141 Die wohl hL meint ferner, dass schon eine fehlende Unerheblichkeit der Arbeitnehmerforderung zu einem Gruppenbildungszwang führe370 und beruft sich hierzu gerne auf ein Urteil des LG Mühlhausen,371 die das behauptet, ohne es aber zu begründen, und darauf, dass „Abs 3 … als Spezialvorschrift zu Abs 1 zu verstehen“ sei.372 Das verkennt den gängigen Unterschied zwischen „kann“, „soll“ und „muss“ (dazu Rn 7, 34 und 128), welche

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Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 94a (Mehrheit) – ganz anders noch vorher Rn 93 (Einzelne). Das verkennt die DGB-Stellungnahme für den Rechtsausschuss: RA-Prot 12/74 Anl S 532 f. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 12; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 17; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 24; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 23 (in Widerspruch zu Rn 20) – leicht abschwächend („normalerweise“) ebenso Schöne HRI2 § 29 Rn 11; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63

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§ 222 Rn 44; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 132. Eher krit wohl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 21. LG Mühlhausen KTS 2008, 210, 213 re. Sp. [2] – mit Anrufung von Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 20 (insoweit allerdings unter gleichzeitiger Relativierung: „muss“ einrichten – aber „kann“ auch abweichen), freilich zust Jungmann KTS 2008, 218, 220 [II 1b]. HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 24 – anders und richtig MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 124.

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§ 222

den Gesetzesverfassern bewusst war;373 bei Abs 3 geht es auch um eine spezielle Interessenlage (Abs 2) in derselben Rechtsstellung (Abs 1), dh Hilfe bloß für Abs 2, nicht etwa für Abs 1. „Soll“ bedeutet eine – wenngleich stark begrenzte! – Gestaltungsfreiheit, nicht etwa die „automatische“ Ermessensreduzierung „ganz auf Null“.374 Das hindert aber niemals, gemäß individueller Einzelfallabwägung auf Ermessensreduzierung rückzuschließen; jedoch hilft nichts, diese fallspezifische „außerordentliche Betroffenheit“ wiederum ihrerseits an Kennzahlen festzumachen.375 e) Feingruppierung. Dem Planersteller steht es offen, eine weitergehende Einteilung der 142 Arbeitnehmerforderungen vorzunehmen376 – strittig ist der Weg dorthin: Abs 3 S 1 scheidet mE freilich aus – die Regelung privilegiert deutlich nur „eine besondere Gruppe“, und dies auch bloß bei Vorhandensein qualifizierter Voraussetzungen (iSv Rn 129–141). Insoweit differiert der Wortlaut grundlegend zwischen Abs 3 S 1 und S 2 (Rn 144). Zwei Gruppen sind infolgedessen nicht begünstigt!377 Es wäre auch unklar, welche der beiden die dann begünstigte Gruppierung wäre. Nichts hindert jedoch, bereits gemäß der Grundregel (Abs 2) vorzugehen – Arbeitnehmerinteressen sind sicherlich gleichlaufende wirtschaftliche Interessen378 (S 1), wie nicht zuletzt schon die legislative Rechtfertigung des Privilegiums akzentuiert379 (dazu Rn 96); nötig wäre zudem eine sachgerechte Gruppenabgrenzung (S 2) und die Planfixierung der Sachkriterien (S 3).380 Dann sind aber auch unerhebliche (Arbeitnehmer-) Forderungen einzubeziehen (uU in einer Kleingläubiger-Sondergruppe gemäß Abs 3 S 2 Var 1) oder – alternativ – auch sachgerecht begründet wegzulassen (mit regulärer Verortung bei Abs 1 Nr 2). Jene Privilegierung scheint auch obsolet, wenn letztendlich die Begünstigung (scil. Be- 143 teiligung durch Gruppierung) sowieso schon erreicht wurde; es bedarf dann keiner weiteren „Ermessensführung“, das normative „Soll“ ist zum faktischen „Muss“ verdichtet. Beispiele sachgerechter Differenzierungsgründe: Eigenart der Entgeltforderung (zB Forderung aus Sozialplan oder für eine Sonderleistung);381 Bereitschaft zum Nachgeben, wie etwa auf Grundlage eines Wahlrechts, ob ein Arbeitnehmer nun eine höhere Quote bei gleichzeitiger Vertragsänderung oder den unveränderten Vertragsfortbestand bei weitgehendem Forde-

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BT-Drucks 12/2443 S 200 li. Sp.: „regelmäßig“ – also: regelhaft mit Möglichkeit von Ausnahmen. So wie hier: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 21 (siehe aber bei Fn 370); Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 20 (siehe auch bei Fn 370); MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 132; Obermüller WM 1998, 483, 487; vgl auch erg Binz Konkurrierende Insolvenzpläne (2001), S 90; Schmelzer Die Position des Arbeitnehmers im Recht des Insolvenzplans (2003), S 150 f, 156–158. So aber K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 21 aE: zwei Monatsgehälter (in Anlehnung an § 543 II Nr 3 BGB – Miete??) bei mindestens 1⁄3 der Belegschaft. Richtig zuvor dagegen Rn 20 („Die Regelbeispiele sind weder zwingend …“). Schöne HRI2 § 29 Rn 12; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 17.

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AA Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 95 f; unklar Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 20 („Die Aufteilung dieser Gläubiger in mehrere Gruppen ist nach Maßgabe von Abs 2 stets möglich“ [ohne Hervorh des Originals] – Privilegierung beider oder keiner?), anders dann klar später Rn 25 bzw Kaltmeyer ZInsO 1999, 255, 259. Ebenso Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 20; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 125. BT-Drucks 12/2443 S 200 li. Sp.: „weicht ihre Interessenlage in der Regeln von der anderer Insolvenzgläubiger ab“, vgl Rn 119. Das sieht richtig MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 133. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 25; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 96; krit Schöne HRI2 § 29 Rn 12.

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rungsausfall präferiert;382 möglich wäre ebenso eine Sonderbehandlung für Anteilserwerber (§ 225a II), möglicherweise sogar an einer neugegründeten Auffanggesellschaft383 etc. Ausschlaggebend für die Unterscheidung jedoch ist und bleibt, ob das Arbeitsverhältnis fortbesteht oder abgewickelt wird; dementsprechend treten Sanierungsinteresse (Bereitschaft zu Abstrichen) oder Liquidationsinteresse (Maximierung finanziellen Ausgleiches) abstrakt stärker hervor.384 Dahinter stehen handfest andere subjektive (wirtschaftliche) Interessen. 2. „Kleingläubiger-Gruppe“ (Abs 3 Satz 2 Var 1)

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a) Grundsätzliches. Aus der Formulierung des § 222 III S 2 folgt vorweg zunächst zweierlei. (a) Die getrennte – weitergehende Differenzierungen ermöglichende (arg § 226 I) – Zuordnung von sog „Kleingläubigerforderungen“ steht zur freien Disposition des Planerstellers („Kanngruppe“ – Wortlaut: „können … gebildet werden“). Sie wird weder gesetzlich verlangt (im Unterschied zu § 222 I S 1 [„sind“]: „Mussgruppe“ bzw Rn 57–87) noch in eine schlussendlich konkrete Richtung vorgezeichnet (§ 222 III S 1 [„sollen“]: „Sollgruppe“ bzw 126–143).385 Entscheidend für die Bildung einer „Kleingläubiger-Gruppe“ ist lediglich, dass man alle Sachkriterien dafür (Rn 148–156) wahrt. (b) Die Formulierung war seit jeher pluralgeprägt (Möglichkeit mehrfacher Gruppierung – Wortlaut: „besondere Gruppen“), bereits einst die Stammfassung, die noch keine zweite Variante kannte (dazu Rn 32 mit 126), sah das vor und hat sich dezidiert auch gegenüber Abs 3 S 1 („eine besondere Gruppe“) inhaltlich so festgelegt. Dennoch bleibt heute die Frage, wie man die „verfeinerte“ Binnenabgrenzung praktiziert (vgl Rn 157) – soweit man sie möchte … 145 Die Grundsatzentscheidung, das Kleingläubigerproblem eigens zu regeln, ist Antwort auf frühere Diskussion zu den Vorläufern der InsO (dazu Rn 15, 19). Maßgebend hierfür waren zum einen soziale Gesichtspunkte:386 es handle sich um selbst wirtschaftlich meistens schwache Personen, welche es mithin dann besonders hart treffe. Zum anderen galten (primär?) prozessuale Gesichtspunkte:387 man wollte das Zustandekommen insb abwendender Vergleiche erleichtern. Ließ der Vergleichsvorschlag die Forderungen der Kleingläubiger unbeeinträchtigt, nahmen sie mangels Stimmrecht (§ 72 I VglO) nicht an der Abstimmung teil. Der praktischen Umsetzung einer solchen Kleingläubigerbegünstigung stand allerdings das generelle Gleichbehandlungsgebot (§ 181 S 1 KO und § 8 I VglO – siehe dazu bei § 226 Rn 6) entgegen – in einer übrigens zusätzlich unterschiedlichen Intensität: Mehrheitserfordernis (§ 8 II S 1 VglO) oder Einstimmigkeitsgebot (§ 181 S 2 KO), und zwar – praktisch nicht erfüllbar388 – auch von unbekannt gebliebenen Gläubigern.

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LAG Hannover NZI 2011, 156, 157; Schöne HRI2 § 29 Rn 14. Es gibt zwei konkrete Umsetzungsmöglichkeiten: § 222 II (Gruppenbildung mit Gleichbehandlung) und § 226 II (ausnahmsweise Differenzierung) – insgesamt hierzu bei Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 34–38. FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 22. Schöne HRI2 § 29 Rn 13; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 133; Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 96; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 25; Warrikoff KTS 1997, 527, 545.

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 52. Deshalb stimmt das schöne Etikett „Regelbeispiel“ (HK/Haas InsO9 § 222 Rn 14 und K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 20) dafür gerade nicht. Bley/Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 20; Jaeger/ Weber KO8 § 181 Rn 5. Bley/Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 20; Kilger/ K Schmidt InsG17 § 72 VglO Anm 1a. Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 5 („weit schwerer [zu] verwirklichen“).

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Bildung von Gruppen

§ 222

Derartige Überlegungen zum ehemaligen Vergleichsrecht hat der Gesetzgeber legislativ 146 ins neue Recht eingeführt389 (der Hinweis auf § 106 VglO aber erscheint doch etwas weit hergeholt …390). Konkret stützt er den gesonderten Umgang mit den Kleingläubigern auf Praktikabilitätsgründe und führt an, dass insbesondere die vollständige Befriedigung aller Gläubiger mit Forderungen bis zu einer bestimmten Höhe zweckmäßig sein könne, um die Durchführung des Verfahrens zu vereinfachen (arg § 237 II: ohne rechtliche Beeinträchtigung, kein Stimmrecht). Anders gesagt: das kollektive „Auskaufen“ ist statthaft – im Gegensatz zu möglichem individuellen „Einkaufen“ (iSv § 226 Rn 39). In genereller Weise beruft sich der Gesetzgeber zudem auf deklaratorische Zwecke und sucht deshalb ergänzend klarzustellen, dass ein besonderer Umgang mit den Kleingläubigern zulässig sei. Ob allein die kleine Forderungshöhe ein besonderes wirtschaftliches Interesse begründe, „könnte zweifelhaft sein“. Das muss man sich vergegenwärtigen, um keinen Umkehrschluss zu ziehen. Der Wortlaut der Regelung ist demgegenüber etwas unspezifisch, zumal ihr der klare 147 Bezugspunkt fehlt: S 1 („Arbeitnehmer“: Rn 129–131) definiert recht „untechnisch“ unter Weglassen der insolvenzrechtlich relevanten Beteiligtenrolle (bei Fokus auf Abs 1 S 2 Nr 2, dazu Rn 79) – gilt das auch für S 2 („Kleingläubiger“)? Hiergegen spricht zweierlei. Zum einen wirkt der Gläubiger- als Sammelbegriff für alle Mussgruppen nach Abs 1 S 2 Nr 1–3, zum anderen spiegelt natürlich die spätere Hinzufügung (Var 2) genauso jetzt die Mussgruppe von Abs 1 S 2 Nr 4 (zumindest teilweise, vgl Rn 161). Man kann also für Absonderungsbefugte wie Insolvenzgläubiger – voll- wie nachrangige – eigene „Bagatellgruppen“ bilden (dazu Rn 144). Hierfür gilt jeweils die „Privilegierung“ aus Abs 3 [S 2 Var 2], welche indes bei weiteren Untergruppierungen („kleinere“/„kleinste“ Gläubiger bzw Rn 157) entfällt. Eine Bagatellgruppe für Arbeitnehmer wäre allerdings nicht erreichbar (vgl Rn 140):391 Die Kleingläubigerstellung ist inhaltlich das Spiegelbild des Kriteriums der „Unerheblichkeit“ iSv Abs 3 S 1 (freilich bleibt insoweit Abs 2!). b) Begriffsbildung. Wer „Kleingläubiger“ iSv Var 1 ist, erklärt leider das Gesetz nicht 148 (im Unterschied zu Var 2: Rn 161). Gewiss ist allein die Maßgeblichkeit der Forderungshöhe – es geht zwangsläufig um Geld (Geldliquidationsgrundsatz), konkret inländischer Währung (arg § 45 S 2), zur Not auch geschätzter Höhe (arg § 45 S 1). Naturalansprüche rechnen zum insoweit ermittelten Geldwert. Maßgebend ist dafür der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung, wobei jedoch spätere Entwicklungen danach gleichwohl bis Tabelleneintrag mit einfließen können („Prognosekorrektur“, aber nicht auch „Novitätskorrektur“).392 Das wird man auch vorliegend anwenden können.393 Unklar bleibt lediglich der Grenzwert: ab wann gelten Forderungen als geringfügig? Das Gesetz schweigt.394 In An389

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BT-Drucks 12/2443 S 200 li. Sp.; dazu vgl auch HK/Haas InsO9 § 222 Rn 14; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 83. Die Vorschrift definiert zukünftige Masseschulden bei Beschaffung von Liquidität („Wie“) ua „im Interesse des Zustandekommens oder der Durchführung des Vergleichs, insbesondere zur Befriedigung von Kleingläubigern“ – Kleingläubigerbehandlung war immer schon ein Gleichbehandlungsproblem („Ob“): JMBl PR 1917 Nr 9 S 13: S 24 [§ 34 GA-VO/nF] und S 26 [§ 39 GAVO/nF].

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AA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 133 aE – wohl per saldo wie hier [?] LAG Düsseldorf ZIP 2011, 2487, 2488 [A I 3b]. BGHZ 108, 123, 128 [I 3b bb] einerseits, RGZ 170, 276, 281 [2] andererseits, vgl § 45 Rn 9, 11, 14 [Henckel]. So auch am Ende Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO68 § 237 Rn 15. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 138; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 30; Schöne HRI2 § 29 Rn 19; FK/ Jaffé InsO9 § 222 Rn 38.

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betracht dieses Auslegungsspielraums hat sich eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze herausgebildet, denen im Wesentlichen jedoch zwei konzeptionelle Herangehensweisen zugrunde liegen.395 149 Einerseits gibt es eine „relative“ Abgrenzung, welche den Inhalt (ganz maßgebend oder zumindest auch) im Verhältnis zu den übrigen Verfahrensbeteiligten bestimmt: relativ geringe Beträge mit Bezug zur Gesamtgläubigerschaft396 – Prüffrage: würde denn die vollständige oder weitgehende Befriedigung die Quote spürbar verändern?397 Um das aber etwas griffiger zu gestalten, nennt man gerne den Richtwert von 10 % – bezogen auf die gesamte Passivmasse398 („Summenprozent“) oder die Zahl letztlich abstimmender Gläubiger399 („Personenprozent“). Beides meint wohl, man könne die gesetzgeberisch angedachten Vereinfachungen (Rn 145 f) damit handhabbar quantifizieren.400 Das entspricht dem US-amerikanischen Regelungsvorbild (dazu Rn 27); es orientiert sich ebenfalls am Gedanken der Verfahrensvereinfachung, nicht an einem absoluten Richtwert (11 USC § 1122 lit b: „ … reasonable and necessary for administrative convenience“). 150 Andererseits wird eine „absolute“ Abgrenzung verlangt, die losgelöst vom Einzelfall mit allgemein gültigen (Richt-) Größen arbeitet, dh die Kleingläubigerstellung an konkrete Forderungsbeträge koppelt. Bereits zum konkursabwendenden Zwangsvergleich der VglO wurde vorgeschlagen, Kleinforderungen bis maximal 100 DM einfach pragmatisch zu befriedigen;401 inzwischen werden mit verschiedenen Begründungen Werte von circa 500–750 EUR diskutiert: 500 EUR (gegriffen402), 600 EUR (in Anlehnung an § 511 II Nr 1 ZPO: neue Berufungsbeschwer403 bzw § 495a ZPO: amtsgerichtliches Bagatellverfahren404), 750 EUR (in Anlehnung an § 511a I S 1 ZPO/aF [damals indes noch 1.500 DM]: alte Berufungsbeschwer405). Wenn man etwa gar hierzu europäische Maßstäbe heranziehen wollte, reichen „Bagatellen“ bis hin zur normalen Zuständigkeitsgrenze zwischen Amts- und Landgericht (§ 23 Nr 1 GVG)406 – das geht mir viel zu weit.

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Wegen des Meinungsspektrums siehe bei MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 138; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 14. Schöne HRI2 § 29 Rn 19; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 26. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 49; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 26; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 16. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 139; vgl auch erg Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 12.22 f. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 85 (deutlich reduziert) bzw Rn 87 („oder“) – zust Herzig Insolvenzplanverfahren (2001), S 243 und Schöne HRI2 § 29 Rn 20. Als maßgeblich besonders akzentuiert von Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 30. Mohrbutter KTS 1967, 32, 33. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 85 (absolut) bzw Rn 87 („entweder“),

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zust FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 47 und trotz kleiner Skepsis zudem Schöne HRI2 § 29 Rn 20. Hess/Obermüller/Hess Insolvenzplan3 Rn 204 bzw Hess/Hess InsO2 § 222 Rn 84. Smid § 222 Rn 23 („jedenfalls“) bzw InVo 1997, 169, 178 und Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 12.22 – abgestellt wird jedoch stets auf weitere Kriterien, wie insb die Gläubigerstruktur. Zur durchaus wechselvollen Historie der Wertgrenzen Münch/ Thöne in: Rijavec/Ivanc/Kerestes, Simplification of Debt Collection in the EU [EM 90] (2014), S 87, 126. Kaltmeyer ZInsO 1999, 255, 259; Hess/Weis InVo 1998, 64, 67. Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen: VO (EU) 2015/2421 vom 16.12.2015, ABl Nr L 341 S 1: Art 2 I S 1 nF mit Erw.-Gr. 4 (5.000 EUR) bzw VO (EU) 861/2007 vom 11.07.2007, ABl Nr L 199 S 1: Art 2 I S 1 aF (2.000 EUR).

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Bildung von Gruppen

§ 222

Gerne wird die Entscheidung letztlich dadurch „umschifft“, dass man sich auf eine 151 maßgebliche Einzelfallbetrachtung zurückzieht407 und damit versucht, beide Ansätze praktisch zu versöhnen. Das bringt selbstredend viel Flexibilität, aber reziprok auch mögliche Unsicherheiten bei Überprüfung der Gruppenbildung (gem Rn 169–171). Allemal sieht die Verfahrensvereinfachung auf die Gesamtgläubigerschaft in jedem einzelnen Falle (Pragmatismus), dennoch müssen klare Richtwerte von vornherein eine objektive Feststellung gestatten (Rechtssicherheit). Deshalb hilft die Faustregel, Kleinforderungen seien jene, „die an sich vollständig befriedigt werden könnten, ohne dass dies im Hinblick auf die zur Verfügung stehende Masse ins Gewicht fällt“,408 letzthin nicht wirklich. Was wäre denn bei lediglich hochgradiger (iSv Rn 154), aber nicht auch vollständiger Befriedigung? Und wie wäre mit dem möglichen (Teil-) Verzicht umzugehen409 (indes: Einvernehmen nötig, § 397 BGB). Hier liegt heute nahe, die seit dem ESUG für Kleinanteilsinhaber greifenden Grenz- 152 werte (vgl Rn 36 und 158) inhaltlich zu übertragen,410 zumal auch dort ein relatives (weniger als 1 % der Haftsumme) und ein absolutes (weniger als 1.000 EUR des Anspruches) Sachkriterium alternativ bereitstehen und dem Planverfasser zugleich Gestaltungsfreiheit belassen (Obergrenzenregelung). Dem steht auch nicht die vermeintlich disparate Zweckvorgabe entgegen (Verfahrensvereinfachung [Rn 146] „versus“ Konsequenz fehlenden Einflusses [Rn 145]411 – denn: ersteres ist Folge, letzteres ist Grund) – ökonomisch wird so oder so bloß entscheiden, wie sich dabei Gleichbehandlung (§ 226 I) und Mehrheitsgebot (§ 244 I) insgesamt zueinander verhalten. Als Schranke sollte deswegen ein bestimmter (1.000 EUR) oder bestimmbarer (1 %) Vermögensbetrag in gleicher vergleichbarer Höhe gelten, wohl wissend, dass der wirtschaftliche Wert der Beteiligung iSv Var 2 zu Normalzeiten meist einiges höher ansetzt (Kurswert), während indes die Forderung iSv Var 1 rundweg Nominalbewertung erfährt (Nennwert). Zugegeben ist das Anknüpfen an vorweg feststehende Größen (vgl § 7 AktG; § 5 I GmbHG) objektiver und einfacher zu handhaben, während man jeweils die gruppenbezogen ermittelten Haftungsmassen (Rn 148) erst feststellen muss. Hiermit werden indes dann die relevanten Einzelfallumstände gespiegelt – wer dies will, der kommt nie umhin, sie entsprechend auch festzustellen. Erwägenswert scheint, die zwei Kriterien hier kumulativ (nicht: alternativ oder kombiniert: Rn 161) zu verwenden, so dass eine absolute Obergrenze (1.000 EUR) jedenfalls feststeht.

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So etwa am Ende Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 10; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 16; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 14; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 26; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 30; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 49; Schöne HRI2 § 29 Rn 19; wohl auch Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 3 mit Fn 3 („abhängig von Größe und Struktur des Verfahrens“). HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 26; ähnlich Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 16. Die Gefahr der Mehrbelastung für die Masse aufgrund eines minderungsbedingten Wech-

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sels von Großgläubigerforderungen in die „Kleingläubiger-Gruppe“ sieht auch HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 27. Man sollte allemal objektiv anknüpfen (scil. massebezogen) – für eine stark subjektive Sicht allerdings Leonhardt/Smid/Zeuner/ Smid/Rattunde InsO3 § 222 Rn 30 und Smid InVo 1997, 169, 178 (arg § 19 UStG [Kleingewerbetreibender] und Gläubiger von Unterhaltsforderungen). Bzw BT-Drucks 12/2443 S 200 li. Sp. einerseits [InsO], BT-Drucks 17/5712 S 31 li. Sp. andererseits [ESUG] – so aber HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 28.

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c) Einschränkung. Eidenmüller plädiert für ergänzende teleologische Reduktion: ein Verzicht auf die Kriterien des § 222 II S 1 und 2 (was ist mit S 3? – ohne Dokumentation keine Nachkontrolle! – siehe auch bei Rn 171) sei immer aus Sicht der betroffenen Gläubiger teleologisch begründet, wenn und weil jener durch einen korrespondierenden Vorteil, nämlich die volle Befriedigung der Gläubiger, ausgeglichen werde.412 Nur so sei hier der regelrechten Inhomogenität der Gruppierung gegenzusteuern. Für die Gruppierung ausschließlich auf die Forderungshöhe abzustellen, würde zugegebenermaßen beliebige Gruppenbildung gestatten – genau darum bedarf es gerade einer Regel wie Abs 3 S 2, weil hier eine offenbare Ausnahme vorliegt! Im Übrigen gibt es doch analoge Inhomogenitäten, wenn man sich – zulässigerweise! – mit den normierten Mussgruppen bescheidet (Abs 1 ohne Abs 2), das ließe sich gewiss wirtschaftlich nicht mehr durch die verlockende Vollbefriedigung ausgleichen. 154 Dass überhaupt eine Koppelung von Totalbefriedigung und Kleingläubigerschaft stattfindet, ist Konsequenz der Teleologie von Abs 3 S 2 iVm § 237 II (Ausschluss bei Abstimmung413). Wenn man dazu die Regierungsbegründung aber genau liest, hält diese klar offen, ob Abs 2 S 1 ohnedies schon abhelfen würde414 – eben darum jene Klarstellung. Eidenmüller hat also recht, die Vorschrift als lex specialis zu verstehen415 – er bleibt nur danach eben nicht konsequent dabei, sondern korrigiert einfach die legislativ zugrundeliegende Überlegung. Der Gesetzgeber wollte andersherum die Kleingläubigerstellung als alleiniges Abgrenzungskriterium zugestehen (und mithin die Gruppierung von Abs 2 freistellen)416 – vorausgesetzt es geht um jeweils eine einzige „Zusatzgruppe“ je Rollentypus (dazu Rn 147). Infolgedessen ist unbedenklich, wenn der Plan keinerlei Vollbefriedung ankündigt,417 aber doch eine spürbare Besserstellung verheißt (arg § 226 I). 155 Die grundsätzlich legislativ gebilligte materielle Privilegierung der Kleingläubiger (Abs 3 S 2 gibt bloß den – prozessualen – Weg dazu frei) gerät freilich in einen Konflikt mit § 245 I Nr 2 iVm II Nr 3: Besserstellungsverbot bei „planfrei“ gleichrangiger Stellung (meist jene des § 38) – das Obstuktionsverbot würde danach nicht greifen bzw eine Besserstellung ließe sich nur erreichen insoweit (Gruppen-) Einstimmigkeit herrscht. Man versucht, dem Konflikt durch einen sog „Sockelbetrag“ auszuweichen:418 sämtliche Insolvenzgläubiger erhalten für die Kleingläubigersumme die Kleingläubigerquote und werden darüber hinaus nur „benachteiligt“ – oder anders gesagt: jede „Normalforderung“ fände mit ihrem spezifischen „Kleingläubigersockel“ Befriedigung. Das „Splitten“ verkennt die Begrifflichkeit, jene sieht aufs Ganze und ist offenbar „binär“ angelegt: man ist eben nur ein Kleingläubiger oder zählt nicht hierzu, es gibt nichts Weiteres dazwischen (und keine Chimäre).

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 140 – zust LG Neuruppin NZI 2013, 646, 647 (dort ging es aber doch primär um genaue Differenzierung mehrerer „Bagatellgruppen“: Rn 157); AG Köln NZI 2016, 537, 539; Schöne HRI2 § 29 Rn 22. Dazu richtig auch Lojowsky NZI 2013, 647, 648 in Anm zu LG Neuruppin. BT-Drucks 12/2443 S 200 li. Sp.: „Ohne diese Vorschrift könnte zweifelhaft sein, ob allein die geringe Höhe der Forderung ein besonderes ‚wirtschaftliches Interesse‘ im Sinne des Absatzes 1 [jetzt: 2] Satz 1 begründet.“

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 134. FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 35 f; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 26; Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 222 Rn 86 mit 83; Warrikoff KTS 1997, 527, 546 [VII 2]. HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 26; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 30; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 86 Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 12.21. Anratend Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 10 – kritisch HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 27.

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Bildung von Gruppen

§ 222

Man muss den unschönen Konflikt aushalten (letztlich wohl ehrlicher419) oder Abs 3 156 S 2 als Sondernorm systematisch bevorzugen. Das wird vereinzelt zwar diskutiert, ist freilich nicht so recht zwingend (vgl auch erg § 245 Rn 43): eine lex specialis wäre nicht auch der gebotenen Gleichbehandlung dienstbar,420 die teleologische Reduktion des § 245 II („Regelbeispiel“)421 vernachlässigt die Wortlautgrenze und gleichermaßen systematische Zusammenhänge (arg § 237 II e contr): das Problem war bekannt! Man müsste schon einen neu konzipierten „Abs 4“ hinzudenken. Die avisierte Verfahrensvereinfachung vermittels der „Klaglosstellung“ der Kleingläubiger ist danach nur realisierbar, wenn keine der sonstigen Gruppen opponiert. Indes kann man dann darin auch eine handfeste Gegenkontrolle erblicken – glauben alle Gruppen, dass man hier genügend Vereinfachung erreicht? Die Gruppierung ist keinesfalls ein risikoloser Mehrheitsgarant (iSv § 243 I Nr 3). d) Feingruppierung. Soweit ersichtlich, steht außer Frage, dass § 222 II in irgendeiner 157 Weise zurückwirkt auf die – gesetzlich eindeutig statthafte (Plural! bzw Rn 144 [b]) – „verfeinernde“ (Unter-) Differenzierung. Die Grenzlinie muss festgelegt sein („Ob“), die innere Konsistenz der Gruppen zueinander („Wie“) bedarf dann jedoch unter dieser Marke derselben Rechtfertigung wie darüber. Meist wird bloß auf faktische Sachgerechtigkeit (Abs 2 S 2) abgehoben.422 Hiermit macht man es sich jedoch allemal zu einfach (das „Privileg“ ist verbraucht); es geht um eine weitergehende Gruppenfestlegung von Kleingläubigern untereinander, welche in nichts mehr bevorzugt wird. Es müssen demzufolge sämtliche Voraussetzungen des § 222 II vorliegen (plus jener nach § 222 III S 2 Var 1),423 und zwar auch bei Vollbefriedigung aller Gruppen jener „Kleingläubiger“.424 Der Planersteller kann die Forderungen geringer Höhe nur dann auf unterschiedliche „Kleingläubiger-Gruppen“ verteilen, wenn er gleichartige wirtschaftliche Interessen zusammenfasst (Abs 2 S 1), die Abgrenzung sachgerecht vornimmt (Abs 2 S 2) und die Abgrenzungskriterien im Plan angibt (Abs 2 S 3). Unzureichend ist demgegenüber, die Forderungen ausschließlich nach ihrer Höhe zusammenzufassen.425 Darin spiegelt sich die Untauglichkeit der Verfahrensbetroffenheit bzw des Rechtsverfolgungsinteresses wider, als alleiniges Einteilungskriterium zu fungieren (dazu Rn 136). 3. „Kleinanteilsinhaber-Gruppe“ (Abs 3 Satz 2 Var 2) a) Grundsätzliches. Die Möglichkeit, Geringhafter per Gruppierung abzugrenzen (Var 2), 158 wurde der Regel für Kleingläubiger (Var 1) nachempfunden, hat mithin parallele Klarstellungsfunktion (dazu Rn 146). Es ist eine ESUG-Neuerung (Art 1 Nr 18c ESUG: Rn 36) und natürlich als Ergänzung von § 222 I S 2 Nr 4 (dazu Rn 86–89) gedacht: dort obligatorische

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So wie hier Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 22; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 27; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 222 Rn 86 f mit Fn 4; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 222 Rn 48; Rendels/Zabel Insolvenzplan2 Rn 216; Smid/Rattunde/ Martini Insolvenzplan4 Rn 12.21. FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 40 (Konjuktiv!). Dafür mit Macht Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 30 und § 245 Rn 33 f. LG Neuruppin NZI 2013, 646, 647 [II]; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222

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Rn 140; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 37; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 13. So wohl Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 12.24. AA FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 37. LG Neuruppin NZI 2013, 646, 647 (< 1.000 EUR; 1.000–5.000 EUR; > 5.000 EUR [aber: Rn 152!]; zudem allemal mit dem Versuch einer Scheinbegründung: unterschiedliche Verfolgungskosten: S 646/647); Smid/Rattunde/ Martini Insolvenzplan4 Rn 12.24; aA Warrikoff KTS 1997, 527, 546 [VII 2].

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Separierung der Eignerschaft, hier weitergehende fakultative Differenzierung (Möglichkeit zur Untergruppe). Deutlich werden soll, dass die gesonderte Eingruppierung von Anteilen zulässig ist, die nur eine äußerst geringe Beteiligung am Schuldner und keinerlei unternehmerischen Einfluss vermitteln.426 Jenseits dieses Anlasses („Bagatellengruppen“) lassen sich jedoch die Hintergründe beider Tatbestandsvarianten nicht ohne weiteres vergleichen oder gar etwa teleologisch voll gleichachten. 159 Während der Gedanke der Verfahrensvereinfachung eine separate „KleingläubigerGruppe“ fundiert, kann er eine gesonderte Zuordnung von Kleinanteilen kaum rechtfertigen.427 Zwar gilt § 237 II gem § 238a II auch für die Anteilsinhaber – eine fehlende Beeinträchtigung ihrer Berechtigungen würde jedoch nicht nur das Stimmrecht, sondern schon die Notwendigkeit der Gruppenbildung als solche entfallen lassen428 (§ 222 I S 2 Nr 4). Indes genügt schon allein der Unternehmenserhalt als „Eingriffsumstand“ (vgl Rn 88) – dann besteht so oder so eine Pflicht, sie künftighin zu beteiligen. Denkbar erscheint dagegen, durch die Befriedigungsquote einen Anreiz zur Verfahrensteilnahme und Planzustimmung zu schaffen (wie bei der Rückforderung von Gesellschafterdarlehen [§ 39 I Nr 5: Rn 85]). Läge diese Quote höher als jene der „Nicht-Kleinanteilsinhaber“ gäbe es aber Schwierigkeiten mit dem Obstruktionsverbot (arg § 245 III Nr 2429 – so wie nach Rn 155 f). Zentrale Funktion kann es dann mE also nur sein, der eventuellen Blockadekraft einer Kopfmehrheit vorzubeugen (§ 244 I InsO „versus“ § 134 I AktG und § 47 II GmbHG: Summenstimme), dh innerhalb der künftigen Planabstimmung den gesellschaftsrechtlichen (!) Mehrheitsverhältnissen ausnahmsweise einen prozessualen Tribut zu zollen. 160 Die Regelung schafft Freiraum zur Plangestaltung („Kanngruppe“), dh die Gruppierung der Kleineigner steht zur freien Disposition des Planerstellers.430 Wichtig seien – entsprechend gesetzgeberischer Vorstellung! – immer die Einzelfallumstände, wie zB die Gesellschafterstruktur und auch die Streuungsbreite der Geschäftsanteile.431 Jene Regelung eröffnet insb, kleineren Streubesitz stimmenmäßig zu neutralisieren (Rn 158 f) und reflektiert die verschiedene Verlustbetroffenheit (und reziprok das Sanierungsinteresse) von Haupt- und Kleinbeteiligten. Die Anlage mag früher uU sehr lukrativ gewesen sein (Kleinanleger), es kann sich um gewisse Aktienboni handeln (Mitarbeiterbindung) oder um eine Kombination (Optionsklausel für das Management) etc. Dieses alles spielt keine eigene Rolle!

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b) Begriffsbildung. Anders als vorher die Begrifflichkeit des Kleingläubigers (Rn 148– 152), wird die Stellung der geringfügig beteiligten Anteilsinhaber gesetzlich konkretisiert. Hier gelten zwei leicht fassbare, alternative Aufgreifkriterien: entweder relativ (weniger als 1 %) oder aber absolut (weniger als 1.000 EUR432 – Auslandswährung müsste umge-

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BT-Drucks 17/5712 S 31 li. Sp. [RV]. So wie hier HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 28; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 148 (obgleich in Rn 144 auf die Verfahrensvereinfachung abgestellt wird). HK/Haas InsO9 § 238a Rn 10. So wie hier HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 28 – aA Madaus ZIP 2014, 500, 507 f [II 4]: ökonomische Gesamtbetrachtung erforderlich („Abkauf von Sonderrechten“).

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 52; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 20. BT-Drucks 17/5712 S 31 li. Sp.; ebenso auch Schöne HRI2 § 29 Rn 24. Der Betrag scheint entlehnt bei §§ 246a II Nr 2, 319 VI Nr 2 AktG, dazu BT-Drucks 16/11642 S 54 [BRat: Nr 19] bzw BTDrucks 16/13098 S 41 re. Sp. (nur freilich dort Maßnahme gegen „Trittbrettfahrer“ – bei Regelerwartung von 10- bis 20-fachen Kursplus!).

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§ 222

rechnet werden, arg § 45 S 2) geringe Beteiligung am Haftkapital („Bagatell-Regelung“). Maßgebend sind Nennwerte, nicht Kurswerte (welche wohl im Insolvenzfall minimal sein dürften), und zwar zur Zeit der Planerstellung433 (nicht Abstimmung, Bestätigung, Rechtskraft). Das Kriterium zielt also von vornherein ausschließlich auf Anteilsrechte, nicht auch auf Mitgliedschaftsrechte (wegen der Begrifflichkeiten siehe bei § 225a Rn 22–26). Das Auslassen (im Vergleich zu Abs 1 S 2 Nr 4) ist keinerlei Redaktionsversehen434 und passt zudem präzise zur Wahl jener Aufgreifkriterien: Mitgliedschaften sind nicht weiter quantifizierbar. Die „oder“-Verknüpfung bedeutet indes insoweit keine Exklusivität beider Sachkriterien – es gilt: A oder B oder beide.435 Der Planverfasser mag infolgedessen auch abstrakt kumulativ vorgehen oder konkret niedrigere Schwellenwerte bestimmen („weniger als“). Beides ist jedoch schließlich „plangestalterisch“ vom Planverfasser festzulegen (S 3), so dass es eine eindeutige Zuordnung gibt, die gerichtlich auch überprüfbar ist. c) Feingruppierung. Möglich ist genauso (so wie zu Rn 157) eine weiterreichende, „fei- 162 nere“ Untergruppierung. Der Wortlaut könnte aktuell den (falschen!) Eindruck erwecken, der Plural in Abs 3 S 2 sei auf die beiden erwähnten Varianten gegründet – er war aber schon früher benützt, als die Vorschrift nur (!) die Kleingläubiger so privilegierte. Was denen recht war, kann nunmehr bei den Eignern bloß billig sein. Abs 3 S 2 hilft insoweit dann alleinig, das „Ob“ inhaltlich zu begründen; für das „Wie“ der zusätzlichen internen Gruppierung gilt selbstredend dann § 222 II. Im Einzelnen bedarf es mithin klassisch der Zusammenfassung gleichartiger wirtschaftlichen Interessen (S 1), der sachgerechten Gruppenabgrenzung (S 2) und der Angabe der Abgrenzungskriterien im Plan (S 3). Ausweislich der Gesetzesbegründung436 soll für sich – abstrakt! – die Höhe der Beteiligung ein zulässiges Differenzierungskriterium darstellen können (dieses passt hier so wenig wie gemäß Rn 157). Ungleichbehandlungen innerhalb des Verfahrens allein quantitativ zu legitimieren, das geht nicht. Letztlich muss daher ein weitergehendes wirtschaftliches Interesse gefordert werden. Allein die Höhe der vermögensmäßigen Beteiligung begründet dabei kein zureichendes wirtschaftliches (Sonder-) Interesse,437 eine Zäsur bringt demnach einmalig Abs 3 S 2 Var 2. 4. Spezialgesetzliche Sondertatbestände Der Gesetzgeber hat vereinzelt noch anderweite Gruppenbildungstatbestände festge- 163 legt. Es geht wiederum hier um Optionsgruppen („kann“) iSv Abs 2 S 1 (Rn 93–113), indes mit einer Erleichterung für den Planverfasser, welcher damit vom Erfordernis, von anderen sachgerecht abzugrenzen (Abs 2 S 2: Rn 114–116) und die Kriterien dafür anzugeben (Abs 2 S 3: Rn 117–120), dann gesetzlich gleichsam dispensiert wird.438 Die Gruppenbil-

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HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 28; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 14; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 31. BT-Drucks 17/5712 S 31 li. Sp. [RV] – mit etwas anderer Erklärung: ein Gegenüberstehen von Klein- und Hauptbeteiligten sei dort regelmäßig eher fremd; insoweit zust freilich Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 31; Schöne HRI2 Rn 29.25; und wohl auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 23. Unklar HK/Haas InsO9 § 222 Rn 14: „wahlweise nebeneinander“ anwendbar.

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BT-Drucks 17/5712 S 31 li. Sp. AA wohl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 149, wenn er hier allein auf die Voraussetzungen gemäß § 222 II S 2 und 3 abhebt; wohl auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 31. Per Saldo genauso Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 222 Rn 40, 42 und Bierbach HRI2 § 28 Rn 76 (faktische Bindung: Vermutung) bzw MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 153, 158 (rechtliche Bindung: lex specialis).

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dung als solche ist billigenswert, bedarf nicht eigens einer Rechtfertigung, sondern nur genauer Umschreibung. Dabei kann man „unmittelbare“ insolvenzrechtliche Tatbestände (Abs 3 S 2: Rn 144–162) und weitergehende Sondertatbestände (Rn 163–168) unterscheiden. Hierher rechnet genauso die Spezialgruppe der Arbeitnehmer (Abs 3 S 1: Rn 126–143), die ebenfalls strukturell Optionsgruppe ist, allerdings mit deutlicher Anempfehlung, sie einzurichten („soll“).

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a) Pensions-Sicherungs-Verein. Für Fortführungspläne (!) ist gesetzlich eigens festgelegt, dass der sog Träger der Insolvenzsicherung für betriebliche Altersversorgungen (das ist der Pensions-Sicherungs-Verein [PSV], ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit [VVaG]) über wirtschaftliche Interessen verfügt, die eine eigenständige Gruppierung gem § 222 II rechtfertigen (Art 91 Nr 4d EGInsO: § 9 IV S 1 BetrAVG – „Kanngruppe“439 iSv Rn 35). Im Idealfall übernimmt der PSVaG nur eine geminderte oder befristete Ausfallhaftung (§ 7 IV S 2 und 3 BetrVAG – sog vertikale oder horizontale Verteilung440), das entlastet den Arbeitgeber (Kürzung, Stundung), ohne die Versorgung der ehemaligen Arbeitnehmer zu gefährden; jene ureigene Nähe begründet die Privilegierung bei der Gruppenbildung. Das soll der Plan deswegen auch so vorsehen (§ 9 IV S 5 BetrAVG: „bei einer nachhaltigen Besserung der wirtschaftlichen Lage“); allein schon jene sog „Besserungsregel“ für die Plangestaltung führt zu einer naheliegenden separaten Eingruppierung (dazu Rn 47),441 die aber nicht insgesamt zwingend erscheint.442 – Für Liquidationspläne ist eine separate Berücksichtigung des PSVaG allein auf § 222 II zu stützen, hier sind die Interessen zu anderen Gläubigern nicht annähernd so divergent.443

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b) Genossenschaftsmitglieder. Seit jeher gelten insolvenzrechtliche Sonderregelungen für das Genossenschaftsrecht (§§ 98–118 GenG), einschließlich des Vergleichsrechts bzw nunmehr des Rechtes des Insolvenzplans (Art 49 Nr 38 EGInsO: § 116 GenG, vgl dazu auch Vor §§ 217 ff Rn 191). § 116 Nr 3 GenG erlaubt dabei die Unterscheidung zwischen „normalen“ Insolvenzgläubigern und solchen, die auch Genossenschaftsmitglieder sind („bei der Bildung der Gruppen … kann … unterschieden werden“ – „Kanngruppe“444 iSv Rn 35). Angesprochen ist dabei die Gläubigerstellung (nicht etwa die Mitgliedschaft, vgl Rn 166) als Anknüpfungstatbestand und Differenzierungsgrund. Insoweit besteht Ermessen des Planerstellers, Einfachgläubiger gegenüber Gläubigern in Doppelrolle inhaltlich zu separieren445

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Hier anders noch Art 94 Nr 4 RegE-EGInsO: Mussgruppe. Dazu BT-Drucks 12/3803 S 112 [RV] einerseits (längere unternehmensbezogene Bindung [li. Sp.]), BT-Drucks 12/7303 S 115 [RA: Nr 40b] andererseits („nicht mehr zwingend“ [li. Sp.] – als Konsequenz der Veränderung von § 265 RegE = § 222 InsO); vgl noch erg MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 157 und HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 20. BT-Drucks 12/3803 S 111 li. Sp. [RV] mit BT-Drucks 12/7303 S 115 li./re. Sp. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 §222 Rn 41; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 24; dazu vgl auch Schöne HRI2 § 29 Rn 16. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 40; aA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 160.

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BT-Drucks 12/3803 S 112 li./re. Sp. (zur alten Fassung). Hier anders noch Art 47 Nr 38 RegEEGInsO: Mussgruppe (insoweit Nachschußpflicht vorliegt). Dazu BT-Drucks 12/3803 S 94 re. Sp. [RV] einerseits („in diesem Fall weichen ihre Interessen besonders stark von denen der übrigen Gläubiger ab“), BTDrucks 12/7303 S 112 re. Sp. [RA: Nr 26c] andererseits („braucht … nicht mehr auf die nachschußpflichtigen Genossen beschränkt zu werden“ – als Konsequenz der Veränderung von § 265 RegE = § 222 InsO); vgl noch erg MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 152. Stärker für eine Pflicht neuerlich MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 155.

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Bildung von Gruppen

§ 222

(so wie beim akzessorischen Sicherungsrecht, dazu Rn 75–78); hierüber hinausgehend scheinen weitere (Binnen-) Differenzierungen möglich.446 Nicht angesprochen durch § 116 Nr 3 ist dagegen die gruppenmäßige Zuordnung des 166 Mitgliedschaftsrechts als solchem, inklusive seiner originären vermögensrechtlichen Wirkungen (dazu § 225a Rn 81–84). Sie folgt aus der Disparatheit des Gegenstands: man muss zwischen schuldrechtlicher Forderung und dinglicher Mitgliedschaft strukturbedingt unterscheiden (das wird durch § 222 I S 2 Nr 4 gleichsam zwingend verordnet, sofern und soweit (!) die „Mitgliedschaftsrechte in den Plan einbezogen werden.“ Vor dem ESUG verblieben Mitgliedschaftsrechte untangiert („planextern“), nun können sie jedoch einbezogen („planintern“) werden – ohne Planbetroffenheit entfällt selbstverständlich jene Gruppierungspflicht. Im Übrigen ist dagegen eine (parallele) gesellschaftsrechtliche Beteiligung stets gesondert abzubilden. c) Schuldverschreibungsgläubiger. Auch die aus Schuldverschreibungen iSd § 1 I SchVG 167 erwachsenden Forderungsrechte sind der gesonderten Zuordnung zugänglich. Während Art 51 Nr 4 RegE-EGInsO (§ 19a I S 1 SchVG/aF) noch die Bildung einer speziellen „Schuldverschreibungsgläubiger-Gruppe“ zwingend vorschrieb,447 um gleiche Behandlung sicherzustellen, verlangt § 19 IV SchVG/nF448 (als Fortführung von § 19a SchVG/aF idF Art 53 Nr 4 EG InsO) inzwischen noch lediglich, den Gläubigern im Insolvenzplan gleiche Rechte anzubieten. Es war das eine Konsequenz der Reduzierung der sog „Zwangsgruppen“ (Rn 33 f), ohne dadurch aber, „um die Handelbarkeit aller Schuldverschreibungen einer Emission zu gleichen Bedingungen zu gewährleisten“, von genereller Gleichbehandlung abzurücken.449 Das Verhältnis zu § 226 ist womöglich gerade deswegen dunkel geblieben (dazu § 226 Rn 19). Die alte SchVG-Fassung war luzider und bezog die Regel auf Gläubiger derselben Emission („allen in § 1 bezeichneten Gläubigern“ – scil.: Tranchenbezug), bei der neuen Fassung („den Gläubigern“) ist nun jenes schlicht vorausgesetzt450 (§ 1 I SchVG: Inhaltsgleichheit). Dunkel blieb ebenso, wie sich einst § 19a I S 1 SchVG/aF bzw heute § 19 IV SchVG/nF 168 zur konkreten Gruppenbildung (§ 222 II) verhalten. Einerseits wird Gleichheit mit anderen Insolvenzgläubigern gesehen, andererseits die große Flexibilität der Gruppierung betont.451 Das hält alles (scil. „Separatgruppe“) offen. Eindeutig problematischer erscheint, ob man denn die Schuldverschreibungsgläubiger auch mehreren Gruppen zuordnen darf (unabhängig vom Gebot, sie materiell gleich zu behandeln: Rn 167 iVm § 226 Rn 19). Der Rechtsausschuss verneinte das auch im Fall disparater wirtschaftlicher Interessen – allerdings auf Grundlage der SchVG-Gleichbehandlung und nicht der insolvenzrechtlich vorrangigen

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Vgl Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 37; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 90 und 156 (allerdings „mitgliedschaftlich“ [vgl Rn 166] orientiert: Verbleiben, Anteilszahl, Nachschuss). – Weiteres Beispiel: Bestehen einer (Dritt-) Sicherheit (siehe auch bei Rn 111). BT Drucks 12/3803 S 38 li. Sp. Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (Schuldverschreibungsgesetz – SchVG) vom 31.07.2009, BGBl I Nr 50

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S 2512 (Art 1) [in Kraft ab 05.08.2009 (Art 8 S 1)]. BT-Drucks 12/7303 S 113 re. Sp. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 162 aE. BT-Drucks 12/7303 S 113: „Regelmäßig wird kein Bedürfnis bestehen … anders zu behandeln“ [li. Sp./unten] – „flexibel genug, um Abweichungen zuzulassen, wenn diese im Einzelfall zweckmäßig sind“ [re. Sp./ oben].

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§ 222

Sechster Teil. Insolvenzplan

Gruppenbildungsregel (§ 222 II!).452 Das betrifft ein globales Gruppenbildungsproblem (dazu Rn 47), meidet indes eine direkte, verallgemeinerungsfähige Aussage. Deshalb wären mehrere Gruppen trotz einer (Emissions-) Tranche theoretisch hier allemal wohl vorstellbar (S 1); meist wird praktisch aber keine „sachgerechte“ (Gruppen-) Abgrenzung (S 2 und 3) zugrunde liegen (die Ausnahmen bestätigen den Regelfall …).453

VII. Fehlerfolgen 169

Die Gruppenbildung ist insbesondere sowohl Gegenstand der amtswegigen Vorkontrolle (§ 231 I Nr 1 Hs 1 Var 2: Planinhalt, „insbesondere zur Bildung von Gruppen“ [Art 1 Nr 22a aa ESUG]) wie auch einer – gleichfalls amtswegigen – Nachprüfung vor Bestätigung (§ 250 Nr 1).454 Hierzu lässt sich der Tatbestand etwas schwieriger genau festmachen: in Betracht kommt wiederum der Planinhalt als Anknüpfung (Var 1),455 aber ebensogut auch der Verfahrensablauf (Var 2) oder die Mehrheitsfindung (Var 3), als darauf gestützte Rechtsfolgen. Die ESUG-Klarstellung bei § 231456 (Inhaltsmangel!) spricht dafür, jenes auf § 250 systematisch zu prolongieren. Unbestritten ist dort die Wesentlichkeit von Gruppenmängeln (etwas einschränkend indes § 250 Rn 23 f). Die Kausalität des Mangels bei Abstimmung liegt hier klar auf der Hand,457 will man keinerlei „Abstimmungsmutmaßungen“ anstellen. Dabei ist „in die Tiefe“ zu prüfen, nicht etwa auf allein offensichtliche Fehler.458 Es gilt trotzdem, zwei Fallgruppen zu unterscheiden, weil beide Normen bei behebbaren Mängeln immerhin Abhilfe zugestehen.

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BT-Drucks 12/7303 S 113 re. Sp. – das verrät der (Klammer-) Zusatz: „anders § 265 Abs. 2 des Entwurfs der Insolvenzordnung in der vom Rechtsausschuß beschlossenen Fassung“ [= § 222 II InsO] (Hervorh vom Verf). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 162; Bierbach HRI2 § 28 Rn 73 – Differenzierungsgründe bei K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 19 (DES-Willigkeit [aber: § 5 III Nr 5 SchVG bzw § 225a Rn 63]; Klein-/Großgläbiger in Anlehnung an Abs 3 S 2 Var 1, vgl Rn 144). Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 15; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 222 Rn 18; Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 17; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 14 mit 3; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 18 aE; HambK/Thies InsO6 § 222 Rn 29; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 70 f; Bierbach HRI2 § 28 Rn 17–22 und 24–26; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 165–168; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 28, § 231 Rn 11–16 und § 250 Rn 5. – Wegen Vorkontrolle siehe insb BGH NJW 2015, 2660, 2661 f {8–10} [B II 2a] = DZWIR 2015, 560 und für eine Missbrauchskontrolle: Smid InVo 1997, 169, 176 f [IV 1b-2b]; FK/Jaffé InsO9 § 222 Rn 26–28 – hier anders aber Hess/Weis/

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Wienberg InsO2 § 231 Rn 5 und Kaltmeyer ZInsO 1999, 255, 263 f [II 2a dd]; wegen Nachprüfung siehe LG Mainz ZIP 2016, 587, 588 f [II 2b aa]. MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 10, aber vgl auch Rn 27 und 37! Die fehlerhafte (gruppenbezogene) Vorkontrolle (§ 231) ist gleicherweise ein Prozessmangel (MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 167 aE), wird indes direkt geprüft (nicht bloß mittelbar, „über Bande“). BT-Drucks 17/5712 S 32 re. Sp. LG Berlin NZI 2005, 335, 337 {31 f}; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 250 Rn 8 („insbesondere“); Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 2 („immer zu bejahen“); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 7 mit 2; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 250 Rn 6; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 10 – auffallend reserviert MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 168 („im Zweifel“ – trotz „schlechthin zentrale[r] Bedeutung“); Westpfahl HRI2 § 42 Rn 24; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO68 § 250 Rn 10 f – Anders uU obiter LG Berlin DZWIR 2015, 35, 41 [II 7d] („Suhrkamp“). BGHZ NJW 2015, 2660, 2661 {8} [II 2a] mwN – klarlegend zur Vorinstanz (LG Hamburg BeckRS 2015, 11370 [II B 2]); aA aber

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Bildung von Gruppen

§ 222

Fehler bei Festlegung jeglicher Plangruppen („materielle“ Mängel) sind schlechterdings 170 ein „Kardinalvergehen“. Man kann sich nur schwerlich daher vorstellen, dass man sie noch irgendwie „ausbügeln“ kann, denn sie schneiden tief ein in Struktur und Planidee, verursachen auch demzufolge dann Folgefehler betreffend die Abstimmung und stören schon vorher die Gruppendiskussion. Auch grundlegende Änderungen mag vielleicht der Vorlegende vor Abstimmung nachzutragen (arg § 240 – aber: „einzelne Regelungen“), allemal aber nur in Grenzen, bei Erhaltung des Planziels; ob auch eine Änderung der Gruppenbildung noch zuzugestehen ist,459 erscheint dagegen offen (anders im Ansatz § 240 Rn 12) – wenn überhaupt, dann herkömmlich bloß eingeschränkt.460 Von daher ist gewiss anschließende Reparatur ausgeschlossen, dh der Plan gemäß § 250 Nr 1 immer unmittelbar ablehnungsreif, weil „der Mangel nicht behoben werden kann“ (dazu vgl auch § 250 Rn 9–11 mit 23) – es sei denn, man kann das Verfahren in den Stand des Erörterungstermins quasi zurückversetzen. Je nach Schwere des Mangels wäre ohnehin meist geraten, den Planprozess neu aufzusetzen. Bei der Vorprüfung jedoch kann man hier insgesamt großzügiger verfahren – sie erfolgt nach Vorlage, die Beteiligung muss erst noch stattfinden; für § 231 Nr 1 lässt sich also vorstellen, dass Vorleger Mängel zu beheben vermag,461 er muss dies freilich „innerhalb einer angemessenen … Frist“ auch tun. Fehler bei Begründung fakultativer Plangruppen („förmliche“ Mängel), also der Fall 171 des Abs 2 S 3 (dazu Rn 117–120), bedürfen ergänzend besonderer Betrachtung. Begründungsmängel scheinen ohne weiteres doch behebbar. Und weil das Staatsgericht bei § 231 I Nr 1 wie § 250 Nr 1 die Rechtmäßigkeit (nicht aber die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit) der getroffenen Einteilung überprüft, ist es in besonderer Weise auf die Angaben zur Gruppenabgrenzung angewiesen.462 Die Prüfungsgrundlage bildet dabei allein die Tragfähigkeit der im Plan angegebenen Kriterien,463 das Gericht kann demnach nur verwerten, was auch vorab entsprechend dokumentiert wurde. Andere Erkenntnisquellen dürfen nicht herangezogen werden. Dennoch sollte immer erst die „fehlerheilende“ Gelegenheit zur Nachbes-

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zB auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 222 Rn 25 (für Mißbrauchen des § 226 I [?] qua Mischgruppe – dazu: Rn 50 f). Klar verneinend hier AG Hamburg BeckRS 2016, 19415 [1.1.2] („aus eins mach drei“). Über Fallgruppen …: MünchKomm/Hintzen InsO3 § 240 Rn 9: nur Gruppenvereinigung und Untergruppenbildung; Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 240 Rn 14: Zusammenfassungen. … oder Einzelfälle: Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO68 § 240 Rn 15 („soweit die neuen Gruppenbildungskriterien (§ 222 II) und ihre Auswirkungen auf die Mehrheitserfordernisse (§§ 243 und 244) klar dargelegt und für die Beteiligtennachvollziehbar begründet werden“); HK/Haas InsO9 § 240 Rn 5 („wenn die neuen Kriterien für die Abgrenzung der Gruppen (s § 223) [sic!] und die Auswirkungen auf die Mehrheitserfordernisse (s §§ 243, 244), die die neue Gruppenbildung zur Folge hat, in dem Änderungsvorschlag klar benannt werden“);

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HambK/Thies InsO6 § 240 Rn 4 („sofern hierdurch nicht das gesamte bisherige Plankonzept verändert wird“); Hess/Hess § 240 Rn 2 („in besonderen Fällen“). Viel großzügiger etwa Braun/Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 3 bzw Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 240 Rn 4–10 (insb Rn 7); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 240 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 240 Rn 5 – aA FK/Jaffé InsO9 § 240 Rn 8. BT-Drucks 12/2443 S 200 li. Sp. spricht hier dagegen unmittelbar von zurückweisen. BGH NJW 2015, 2660, 2661 f und 2662 f {10 mit 18} [B II 2a mit 2c] (Vorprüfungsfall) = DZWIR 2015, 560, zust AG Köln NZI 2016, 537; vgl auch erg MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 109. BGH NJW 2015, 2660, 2661 {9} [B II 2a] (Vorprüfungsfall) = DZWIR 2015, 560 mit Hinweis auf Bierbach HRI2 § 28 Rn 84; zust AG Köln NZI 2016, 537 m Anm Madaus (S 540).

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§ 223

Sechster Teil. Insolvenzplan

serung offenstehen, bei Vorkontrolle464 wie Nachprüfung, nicht zuletzt hierauf zielt auch die gesteigerte richterliche Hinweispflicht bei Amtsprüfungen (§ 4 InsO iVm § 139 III ZPO). Vollständig fehlende oder unzureichende Angaben zur Gruppenabgrenzung können nachgebracht werden, wenn sie denn die Planstruktur als solche unangetastet lassen.

§ 223 Rechte der Absonderungsberechtigten (1) 1Ist im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt, so wird das Recht der absonderungsberechtigten Gläubiger zur Befriedigung aus den Gegenständen, an denen Absonderungsrechte bestehen, vom Plan nicht berührt. 2Eine abweichende Bestimmung ist hinsichtlich der Finanzsicherheiten im Sinne von § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes sowie der Sicherheiten ausgeschlossen, die 1. dem Betreiber oder dem Teilnehmer eines Systems nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes zur Sicherung seiner Ansprüche aus dem System oder 2. der Zentralbank eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder der Europäischen Zentralbank gestellt wurden. (2) Soweit im Plan eine abweichende Regelung getroffen wird, ist im gestaltenden Teil für die absonderungsberechtigten Gläubiger anzugeben, um welchen Bruchteil die Rechte gekürzt, für welchen Zeitraum sie gestundet oder welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen. Materialien: DiskE § 256 (Text: S 131, Begr: BT S 230–232), RefE § 256 (Text: S 149, Begr: BT S 264–266); RegE § 266 (BT-Drucks 12/2443 S 51, 200 f [RV], BT-Drucks 12/7302 S 98, 182 [RA]) – Stammfassung, ausgenommen Abs 1 S 2 (näher dazu noch bei Rn 9).

Literatur A Bruns Grundpfandrechte im Insolvenzplanverfahren – das Ende deutscher Immobliarsicherheiten, KTS 2004, 1; Cranshaw Schranken missbräuchlicher Insolvenzpläne – Konkurrenzen zwischen Schuldner und Absonderungsberechtigten, ZfIR 2017, 690; Keller Die EG-Richtlinie 98/26 vom 19–5–1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und ihre Umsetzung in Deutschland, WM 2000, 1269, 1279 f; Meyer/Rein Das Ende der Gläubigergleichbehandlung im Insolvenzrecht?, NZI 2004, 367; Obermüller Eingriffe in die Kreditsicherheiten durch Insolvenzplan und Verbraucherinsolvenzverfahren, WM 1998, 483; Riggert Das Insolvenzplanverfahren – Strategische Probleme aus der Sicht absonderungsberechtigter Banken, WM 1998, 1521; Smid Stellung der Grundpfandgläubiger, Zwangsversteigerung und Schuldenreorganisation durch Insolvenzplan, FS Gerhardt (2004) S 931.

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Sehr mißverständlich hier BGH NJW 2015, 2660, 2661 {10} [B II 2a] im Anschluss an BT-Drucks 12/2443 S 200 li. Sp.: (unmittelbare) Zurückweisung erforderlich? Der

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(BGH-) Hinweis auf MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 108 spricht jedoch dafür, eine Nachfrist zu gestatten.

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Rechte der Absonderungsberechtigten

§ 223

Übersicht I. Normzweck . . . . . . . . . . II. Normgenese . . . . . . . . . . 1. Altes Recht . . . . . . . . . 2. Normgenese . . . . . . . . . 3. Neues Recht . . . . . . . . III. Normstruktur . . . . . . . . . 1. Planerische Unbetroffenheit (Abs 1 Satz 1) . . . . . . . . 2. Gesetzliche Unverfügbarkeit (Abs 1 Satz 2) . . . . . . . . a) Grundlegung . . . . . .

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Rn. 1 6 6 7 9 10

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b) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . c) Veränderung . . . . . . . . . . . . 3. Planerische Miteinbeziehung (Abs 2) a) Tatbestandsvorgabe (Hs 1) . . . . b) Gestaltungsbeispiele (Hs 2) . . . . IV. Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . 1. Kürzung (Abs 2 Var 1) . . . . . . . . 2. Stundung (Abs 2 Var 2) . . . . . . . 3. Sonstige Regelung (Abs 2 Var 3) . . . V. Verstoßfolgen . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 16 18 19 20 23 24 24 28 29 33

I. Normzweck Abs 1 hat eine Art „Plakativfunktion“, welche man vor dem Hintergrund der von der 1 Insolvenzrechtskommission intendierten, regelhaften Einbeziehung der Inhaber von Sicherungseigentum, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsabtretung in die Haftung (als Insolvenzgläubiger: EB LS 1.1.5 Abs 2 iVm LS 2.2.1) sehen muss: das genau möchte das Gesetz nicht! (vorbehaltlich der Spezialregeln zum Regelverfahren: §§ 165 ff). Es soll weiter bei bisheriger grundsätzlicher Unantastbarkeit1 verbleiben (im Unterschied zu den Rechtspositionen von Insolvenzgläubigern2). Anders gesagt: Absonderungsrechte werden „vom Plan nicht berührt“ (Abs 1 S 1: Rn 10, 13) oder jedenfalls bloß „ausnahmsweise“ (dazu Rn 2 und 5), und bestimmte Absonderungsrechte verbleiben von vornherein ausnahmslos sakrosankt (Abs 1 S 2: Rn 15–18). Das gilt erst recht natürlich für sämtliche Aussonderungsrechte. Abs 1 geht indes weiter („Normativfunktion“) und lässt gleichsam eine Hintertür; da- 2 hinter steckt erst die eigentliche Sprengkraft (dazu Rn 14 iVm Rn 5, 19) – § 217 S 1 Var 1a): das Gesetz gestattet bewusst die Miteinbeziehung solcher Rechtspositionen (Abs 1 S 1) und gibt dafür sowohl gewisse Anwendungsbeispiele (Abs 2 Hs 2) wie Vorgaben für eben deren Regelung (Abs 2 Hs 1).3 Dagegen steht uU indes die Schlechterstellungsproblematik mit Blick auf Obstruktionsverbot (§ 245 I Nr 1) und Minderheitenschutz (§ 251 I Nr 2).4 Man muss aber sehen, dass das bloß auf eine wirtschaftliche Gleichstellung hinausläuft 3 (vgl § 245 Rn 29 ff bzw § 251 Rn 5 f iVm 44 ff bzw 60 ff), die auch nur aufs tradierte Liquidationsszenario als Vergleichsmaßstab abstellen kann (dazu § 222 Rn 71 aE). Schon zum Normalverfahren (§§ 165 ff) wurde der Verwertungszugriff mit der erhofften Wertmaximierung begründet5 – um wieviel mehr nun gilt der Gedanke für Planverfahren, vor 1

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Häsemeyer InsR4 Rn 28.20 [1. Abs] (was verfehlt sei, zust Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 223 Rn 2). Bei HambK/ Thies InsO5 § 223 Rn 1 (mit Rn 4) heißt sie „Klarstellungsfunktion“. Dieses jedoch hat nichts gemein mit § 227 I – sehr „kryptisch“ dazu Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 223 Rn 2. Total anders K Schmidt/Spliedt InsO19 § 223 Rn 2: Klarstellung „durchbrochener“ Akzessorietät – mit Recht dagegen Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 10. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 223

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Rn 5, siehe auch Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 223 Rn 4; MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 1; HambK/Thies InsO6 Rn 6; FK/Jaffé InsO9 § 223 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 223 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 223 Rn 6; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 223 Rn 8. BT-Drucks 12/2443 S 86 re. Sp.: „rechtfertigt … gewisse Rücksichtnahmen abzuverlangen und ihnen Kostenbeiträge aufzuerlegen“.

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§ 223

Sechster Teil. Insolvenzplan

allem bei Fortführungen.6 Hier ist oft von ganz zentralem Interesse, den Zugriff zu behalten (Betriebsgrundstück, Maschinenpark, Auslieferungsware etc), sonst wäre die geplante Sanierung zwecklos7 (Sanierungs- oder „Kreativfunktion“). Es geht am Ende deshalb im Betrachtungswinkel des Planverfassers weniger um Sicherungswerte, vielmehr eher um Sicherungsgüter (dazu vgl auch Rn 30 f), stärker um Hinausschieben (Abs 2 Var 2) oder eine Umstrukturierung (Abs 2 Var 3) der anderenfalls erfolgenden Befriedigung (§ 159), weniger um Kappung von Rechten (Abs 2 Var 1). Und aus dem Betrachtungswinkel der Absonderungsbefugten kann sich ihre gezeigte Konzilianz auszahlen, wenn und weil möglicherweise höhere Fortführungswerte für eine entsprechend höhere Werthaltigkeit ihrer Positionen sorgen.8 4 Eine Anzahl spezifischer Normen betrifft den weiteren Verfahrensgang: Gruppenbildungsregeln (§ 222 I S 2 [„Mussgruppe“] – insoweit Eingriff vorliegt [Nr 1], dort Rn 60 und 71, aber vgl auch erg hier Rn 8, 10, 13), Informations- (§ 235 III S 1 und 2, dort Rn 60; § 252 II S 1, dort Rn 16) und Erörterungspflicht (§ 238 I S 1, dort Rn 5–8 iVm 13 f, 17), Stimmrechtsregeln (§ 237 I 2; § 238 I 2 und 3; §§ 238 II, 237 II), Erfüllungsvorgaben (§ 256 II, dort Rn 32), inbegriffen die Formgebote (§ 254a I und III). Einzelheiten müssen hier jedoch dahinstehen. 5 Abs 2 ist außerdem unmittelbar zusammenzusehen mit der Ermächtigungsnorm (§ 217 S 1 Var 1, dort Rn 57): wer absonderungsbefugt ist, wird an sich – anders als früher (dazu Rn 6) – planunterworfen (hinsichtlich seiner Befriedigung); ob dann jedoch das abstrakte, subjektive Betroffensein in konkrete, objektive Beeinträchtigung einmündet, das entscheidet bzw konkretisiert die Gestaltung im Einzelfall (§ 223 II). In der Praxis indes gelten Pläne mit Einbeziehung von Absonderungsberechtigten, je nach Art des konkret geplanten Eingriffes, als kompliziert zu realisieren;9 die Bedeutung der Vorschrift sei letztlich, Außenseiter mit einzubinden;10 oft genüge bereits solche Drohung, um Resultate zu erreichen.11 Durch entsprechende Vorabsprachen indes kann recht viel vorweg geebnet werden,12 vor allem für Sanierungskonzepte, die betroffene Hauptgläubiger initiieren. Was die praktisch nötige Umsetzung angeht, wird außerdem § 228 noch relevant.

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Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 223 Rn 3; HambK/Thies InsO5 § 223 Rn 1; FK/Jaffé InsO9 § 223 Rn 2 f; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 2 f; MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 2. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 223 Rn 10; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 1 („Erhalt des erforderlichen Anlage- und Umlaufvermögens“); Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 2; MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 2. Recht skeptisch demgegenüber HambK/ Thies InsO5 § 223 Rn 6 und Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 1. BT-Drucks 12/2443 S 200 re. Sp.: Dann nämlich „sind die Absonderungsberechtigten als ‚potentiell gesicherte Gläubiger‘ an einer Fortführung interessiert, und werden bereit sein, in einem Sanierungsplan Zugeständnisse zu machen.“ – anders aber vorher wohl S 93/94.

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 8 mit Fn 11 („gefährlichste Gestaltungstelle“); FK/ Jaffé InsO9 § 223 Rn 2 f (Rn 4: „bietet … in nur sehr begrenztem Rahmen die Möglichkeit, …“); Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 1 („ … nur in seltenen Fällen …“). Abweichend die Sichtweise von HambK/ Thies InsO5 § 223 Rn 1, Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 223 Rn 3 („ … häufig zu erleben, dass Kreditinstitute bereit sind ihre Sicherheiten … ‚stehen zu lassen‘ …“); auch Poolbildung (dazu Rn 8 und 12) wird favorisiert: Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 9 bzw Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 223 Rn 23. Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 10 iVm Rn 12 (Verhandlungsdruck!) – eindeutig manipulative Tendenzen (dagegen siehe bei § 222 Rn 121–124) demgegenüber bei Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 223 Rn 6.

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Rechte der Absonderungsberechtigten

§ 223

II. Normgenese 1. Altes Recht Unter Konkursrecht waren ausschließlich einfache Konkursgläubiger einem zwangs- 6 weisen Vergleich unterworfen (arg § 173 iVm § 193 S 1 KO, vgl § 217 Rn 11), der Privatvergleich war personell ähnlich beschränkt (§§ 25–27 VglO, vgl § 217 Rn 13). Es gab im Vergleichsrecht aber noch weitergehend die Klarstellung der Einbeziehung als Vergleichsgläubiger bei paralleler persönlicher Mithaftung, indes bloß bei Verzicht auf bzw dem Versagen der dinglichen Sicherheit (§ 27 I S 1 VglO, in Anlehnung an einst § 64 KO, jetzt § 52 InsO) – und außerdem folgender Gestaltung: „Solange der Ausfall nicht feststeht, sind sie [scil. die Absonderungsbefugten] bei der Vergleichserfüllung, falls nicht im Vergleich eine für den Schuldner günstigere Regelung vereinbart wird, mit dem mutmaßlichen Ausfall zu berücksichtigen“ (§ 27 I S 2 VglO – vergleichbar zum Stimmrecht: § 237 I S 2 InsO). Ferner waren schon damals ausdrücklich Sicherungsrechte gleichgestellt (§ 27 II Hs 1 VglO [heute: § 51 Nr 1 InsO]). § 12 I S 1 (iVm II) GesO brachte dem Verwalter ein Auslöserecht bereits für das normale Gesamtvollstreckungsverfahren, wofür aber meist die nötigen Mittel fehlten. Beteiligt an einem Vergleich waren aber wiederum bloß die nicht bevorrechtigten Gläubiger (§ 16 II iVm § 17 III Nr 5 GesO), so wie nach Konkursrecht. 2. Normgenese Abs 1 Satz 1 entspricht fast vollständig § 256 I DiskE/RefE bzw § 266 I RegE13 (wegen 7 Satz 2 siehe Rn 9) – dagegen strukturell stark abweichend der Kommissionsvorschlag: LS 2.2.7 I [Forderungen/Rechte], vgl § 224 Rn 13); Abs 2 hingegen erfuhr zwei zentrale Abänderungen in der Ausschussberatung. Zum einen war diese Vorschrift ursprünglich gruppenbezogen angeknüpft („für jede Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger anzugeben“), sie scheint nun dagegen individuell gläubigerbezogen konzipiert. Das wäre aber ein Fehlschluss (arg § 222 I S 2 Nr 1 iVm § 226 I), schon weil immer Rechte gruppiert werden (dazu § 222 Rn 60). Und jedwede höchstpersönliche („gruppeninterne“) Schlechterstellung verlangt letztlich Zustimmung der Betroffenen (§ 226 II, dort Rn 20 ff), so dass jene Regel auch jetzt grundsätzlich „gruppenbezogen“ wirkt.14 Nichts spricht jedoch dagegen, uU gemäß § 222 II (dort Rn 104) vorab mehrere jener Gruppen an inhaltlich unterschiedlichen (Absonderungs-) Berechtigten zu definieren. Anders gesagt: Weil regelmäßig immer mindestens eine Gruppe zu bilden ist (§ 222 I S 2 Nr 1), schadet diese Kürzung nicht. Explizit bedacht war anfangs außerdem der Sicherheitentausch (II: „ob sie [scil. die 8 Rechte] durch andere Sicherungen ersetzt … werden sollen“). Das lässt sich nicht vergleichbar als lediglich „sprachliche Straffung“ zurechtrücken,15 fällt zwar auch unter die Auf-

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 12 (Zentralfunktion als „Verhandlungstool“). MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 11: sog pre-packaged Planvorlage, aber vgl auch Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 223 Rn 5 einerseits (Problematik), Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 4 andererseits (Alternative).

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Zur Gegenkonzeption der Kommission für Insolvenzrecht vgl Vor §§ 217 ff Rn 94 iVm § 217 Rn 15, aber auch hier Rn 21 aE, 25. Insoweit ist das durchaus nur die erstrebte „redaktionelle Straffung“ (BT-Drucks 12/ 7302 S 182 re. Sp.). BT-Drucks 12/7302 S 182 re. Sp. (zweifellos zu verklärend) gegen BT-Drucks 12/2433 S 200 f [§ 266 {3–5}].

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fangklausel (II Var 3: sonstige Regelung, vgl Rn 30 f), müsste aber per se das dingliche Befriedigungsrecht tangieren (Abs 1). Das kann man auch heutzutage gewiss so sehen (dazu Rn 12), doch wäre eine entsprechende Klarstellung allemal hilfreich gewesen. Wichtiger ist letztlich die vollständig gestrichene Zusatzregel (§ 256 III DiskE/RefE bzw § 266 III RegE) hinsichtlich des Tausches von Sicherheiten: „Ist im Plan vorgesehen, daß die Rechte durch andere Sicherungen ersetzt werden sollen, so ist zugleich anzugeben, wie die bisherigen Rechte und die neuen Sicherungen bewertet werden. Die Bewertungen sind durch das Gutachten eines Sachverständigen oder in einer anderen geeigneten Weise glaubhaft zu machen.“

Gedacht waren die Vorschriften, die Überprüfung der Einhaltung von Gleichbehandlungsgebot (§ 226), Obstruktionsverbot (§ 245) und Minderheitenschutz (§ 251) weitgehend zu erleichtern:16 der Plan hatte dazu die unterstellte Bewertung offenzulegen (S 1) und – strukturell ein Fremdkörper – verfahrensmäßig zu plausibilisieren (S 2). Das Wegstreichen führt nun heute zum Umkehrschluss: die Bewertung ist planerisch nicht zwingend festzulegen, sie muss aber festgehalten sein, um Gleichbehandlung zu gewährleisten bzw Abschlusszwang zu ermöglichen (S 1); Beweisart (S 2 Hs 1) und Beweismaß (S 2 Hs 2) bleiben aber – zutreffenderweise – ohne Vorgabe. 3. Neues Recht

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Die Vorschrift wurde inzwischen bereits mehrfach verändert – betroffen war lediglich Abs 1 Satz 2 (dazu Rn 15–18), der mit Wirkung zum 11.12.1999 neu eingeführt wurde17 und dann zwei Mal an EU-Richtlinienrecht anzupassen war;18 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 entsprechen der Stammfassung. Ziel war es, spezifische (vgl Rn 16 f) dingliche Sicherheiten insolvenzrechtlich weitergehend „abzuschotten“, und zwar als Grundbedingung eines einheitlichen europäischen Marktes für Finanzdienstleistungen (Rechtssicherheit für den Wertpapierhandel). Die RL 98/26/EG schrieb dazu vor, dass „Rechte … an dinglichen Sicherheiten … nicht berührt [werden]“ (Art 9 I S 1) bzw „zur Befriedigung der betreffenden Forderungen verwertet werden [können]“ (Art 9 I S 2). Sinngemäß wurden sie schlicht unverfügbar gestellt, so wie das in anderem Zusammenhang genauso § 225 III (dort Rn 20–22) vorgibt und gleichsam in Parallele zu § 166 III betreffend die Befugnis zur Verwertung. Das sind recht weitreichende Schutzvorgaben.

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BT-Drucks 12/2443 S 200 re. Sp. [§ 266 {4}]. Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften vom 08.12.1999, BGBl I Nr 54 S 2384 (Art 1 Nr 4) [in Kraft ab 11.12.1999 (Art 5)] mit BT-Drucks 14/1539 S 12 f – als Umsetzung von RL 98/26/EG vom 19.05.1998, ABl Nr L 166 S 45 (Art 9) – sog Finalitätsrichtlinie [war umzusetzen bis 10.12.1999 (Art 11 I UA 1)]. Einerseits RL 2002/47/EG vom 06.06.2002 (Art 4), ABl Nr L 168 S 43 – sog originäre Finanzsicherheitenrichtlinie [war umzusetzen bis 27.12.2003 (Art 1 UA 1)] bzw Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom

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6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze vom 05.04.2004, BGBl I Nr 15 S 502 (Art 1 Nr 8) [in Kraft ab 09.04. 2004 (Art 13)] – BT-Drucks 15/1853 S 16. Andererseits RL 2009/44/EG vom 06.05. 2009 (Art 1 Nr 10 [Art 9 RL 98/26/EG]), ABl Nr L 145 S 37 – sog geänderte Finanzsicherheitenrichtlinie [war umzusetzen bis 30.12.2010 (Art 3 I UA 1)] bzw Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vom 19.11.2010, BGBl I Nr 58 S 1592 (Art 2 Nr 4) [in Kraft ab 25.11.2010 (Art 13 III)] – BT-Drucks 17/1720 S 47.

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III. Normstruktur 1. Planerische Unbetroffenheit (Abs 1 Satz 1) Die Vorschrift betont vorderhand als Grundsatz, dass Absonderungsrechte „vom Plan 10 nicht berührt“ werden, demnach „unbehelligt“ bleiben (Hs 2, dazu Rn 1 [„Plakativfunktion“]). Dies erscheint eine Selbstverständlichkeit vor dem Hintergrund des Altrechtes (§ 4 II KO: „Die abgesonderte Befriedigung erfolgt unabhängig vom Konkursverfahren.“), mag auch die alte Freistellung jetzt etwas eingeschränkt sein (arg §§ 165 ff InsO), unter neuem Recht aber schlichtweg und denklogisch auch zudem schon darum, da ohne eine konkrete Regelung auch kein Eingriff vorliegt.19 Der Wortlaut der Regelung (Hs 2) verklausuliert indes einige weitere Aussagen, die den maßgebenden Gesamtzusammenhang beschreiben (zum Hs 1 bei Rn 14). (a) Absonderungsberechtigte Gläubiger meint hier die geschützte dingliche (!) Berech- 11 tigung an Gegenständen der Insolvenzmasse,20 dh somit tatsächliche Inhaberschaft eines Absonderungsrechts gemäß §§ 49–51 InsO.21 Seine materielle „Auffüllung“ empfängt somit die Regel von woanders her: Grundpfand, Mobiliarpfand, Sicherungsrecht etc. Einzelheiten dürfen hier mithin dahinstehen (wegen Erläuterungen siehe die Kommentierung bei §§ 49–51 [Henckel], ferner § 217 Rn 57). Und weil die Insolvenzanfechtung keinerlei dingliche Wirkungen entfaltet (dazu § 129 Rn 9 und noch näher § 143 Rn 18 ff [Henckel]), müssen zudem auch die anfechtbar erlangten Sicherheiten (rechtlich) an sich dazu zählen;22 freilich mag insoweit die Anfechtungseinrede die jeweilige (wirtschaftliche) Werthaltigkeit (dazu Rn 25) zerstören. (b) Angesprochen ist hier ausschließlich zwar das Befriedigungsrecht am Sicherungs- 12 objekt („Recht … zur Befriedigung aus den Gegenständen, …“). Trotzdem kommt freilich auch eine – werterhaltende! – Umgestaltung oder Veränderung des Sicherungsgutes insoweit in Betracht; dazu besteht nämlich eine grundsätzliche planautonome Gestaltungsmacht (arg § 217 [S 1] Var 1a: „Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger“ – wie auch immer, dh nicht bloß iSd § 223 I S 1 aus ausschließlich „den Gegenständen, an denen Absonderungsrechte bestehen“). Hier hatte § 266 III RegE einst anders angesetzt und insoweit – betriebswirtschaftlich sinnvoll – Sicherheitentausch eröffnet (vorrangige Sondernorm!); die Regel wurde vom Rechtsausschuss allerdings dann gestrichen (dazu Rn 8). Man kann sich heute freilich damit behelfen, dass ein Sicherheitentausch das Befriedigungsrecht am einzelnen Gegenstand aufhebt, indes mit einer sofortigen anderweitigen Neubegründung verkoppelt (dazu Rn 30). Das schafft denn dann am Ende doch weitere Spielräume privatautonomer Gestaltung (dazu Rn 31). Gemeint ist dazuhin lediglich die dingliche Rechtsstellung („ … Gegenständen, an denen Absonderungsrechte bestehen“). „Absonderungsberechtigte Gläubiger“ (dazu Rn 11) mögen parallel zudem noch Insolvenzgläubiger sein,23 „soweit ihnen der Schuldner auch persönlich haftet“ (§ 52 S 1 – mit

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HK/Haas InsO9 § 223 Rn 4. Abzugrenzen von Drittrechten (iSv § 35): Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 223 Rn 3 und 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 2; MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 4. Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 3. Sehr aufschlussreich dazu HK/Haas InsO9 § 223 Rn 2.

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 7; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 223 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 3; MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 6. Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 3.

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Begrenzung aus S 2!), wie insb bei akzessorisch oder treuhänderisch ausgestalteten Sicherheiten (wegen Gruppenzuordnung siehe § 222 Rn 75–78). 13 (c) Dass Absonderungsrechte „vom Plan nicht berührt“ werden, heißt noch nicht, dass sie insgesamt von der Insolvenz ganz freigezeichnet sind. Ohne (Plan-) Regelung kein (Plan-) Eingriff (dazu Rn 10), allemal greift indes dann das „gesetzliche Regelregime“ mit weitgehender Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters (vgl auch erg noch § 233, dazu vgl dort Rn 16, 20 f) und mit Kostenbeiträgen der Berechtigten (§ 171). Dies wirkt dann indes auch insgesamt wieder mittelbar zurück auf das Zustandekommen des Insolvenzplanes. Wenn es um eine angemessene wirtschaftliche Beteiligung iS von Obstruktionsverbot (§ 245 I Nr 1) oder reziprok auch Minderheitenschutz (§ 251 I Nr 2) geht, gibt dies alsdann den Maßstab. 14 Die brisantere Aussage steckt allemal allerdings in der eher unverfänglich wirkenden Satzeinleitung (Hs 1: „Ist im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt, …“), die sich als rechtliche Ausnahme deklariert, aber – trotz etwaiger Schwierigkeiten im Einzelfall (dazu Rn 5) – letztlich praktischer Regelfall wird. Kernaussage24 ist mithin das genaue Gegenteil des materiellen „Unberührtbleibens“ (iSv Rn 3 [„Normativfunktion“] bzw Rn 4 [„Sanierungsfunktion“] iVm Rn 10): wenn er will, kann ein Plan Eingriffe – konkret (Abs 2: Rn 19–22) – vornehmen, scil. Absonderungsberechtigte (bzw -rechte) sind planunterworfen. Mithin wird mittelbar noch einmal bestätigt, was § 217 [S 1] Var 1a bereits klar vorgibt. Insoweit hat die Regelung einen wichtigen Klarstellungseffekt25 – der auch durch seinen Kontrast zur Regelung des § 227 („einfache“ Insolvenzgläubiger betreffend) ins Auge fällt. 2. Gesetzliche Unverfügbarkeit (Abs 1 Satz 2)

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a) Grundlegung. Abs 1 Satz 2 stellt bestimmte Sicherheiten (dazu Rn 16 f) – folgend europäischer Vorgabe (dazu Rn 9) – als eine Art „Bereichsausnahme“ von jedwedem Eingriff frei, dh deklariert sie als unverfügbar (hinsichtlich des Insolvenzplans, scil. der Planverfasser). Das wurde nur etwas kompliziert ausgedrückt: die zugebilligte Befugnis abweichender Regelung (Abs 1 S 1 Hs 1) wird ausgeschlossen (S 2), so dass nur jene Grundregel (Abs 1 S 1 Hs 2: „vom Plan nicht berührt“) noch übrigbleibt; für Abs 2 fehlt von vornherein daher der Anwendungsbereich. Eine entgegenstehende Planausgestaltung wäre unwirksam (und auch ein Fall von § 231 I Nr 1,26 dort Rn 16 ff, 21). – Es ist – legislativ missverständlich formuliert – eine Trias tatbestandlich zu unterscheiden:

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b) Fallgruppen. (1) Objektiv sind geschützt Finanzsicherheiten (S 2 pr.)27 iSv § 1 XVII KWG (als „Übernahme“ von Art 2 I S 1 lit a-i RL 2002/47/EG idF Art 1 Nr 5a RL 2009/ 44/EG): erfasst werden insb Bar- und Buchgeld („Barguthaben, Geldbeträge“), „Wertpapiere [XI S 2 KWG], Geldmarktinstrumente [XI S 3 KWG] sowie Kreditforderungen“, 24

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MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 8; HambK/Thies InsO6 § 223 Rn 1; der Sache nach zudem HK/Haas InsO9 § 223 Rn 1 („Eine der wichtigsten Neuerungen gegenüber dem früheren Recht“); Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 223 Rn 1. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 223 Rn 1 iVm 4 – wohl weitergehend hier Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 5 („eröffnet … die Mög-

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lichkeit“ – aber auch: „Disponibilität … klar[ge]stellt“). Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 1 sehen dagegen einen anderen Klarstellungseffekt (iSv Rn 21), noch anders wiederum K Schmidt/Spliedt InsO19 § 223 Rn 2 – siehe dazu bei Rn 2 bei/mit Fn 3. BT-Drucks 14/1539 S 13 li. Sp. Näher zum Anwendungsbereich des § 1 XVII KWG siehe bei Meyer/Rein NZI 2004, 367 f.

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„jeweils einschließlich jeglicher damit in Zusammenhang stehender Rechte oder Ansprüche“ – sei es als Sicherheit vermittels dinglicher Belastung (Teilrecht) oder im Wege der Überweisung bzw Übertragung (Vollrecht). Es müssen demzufolge allgemeine Tauglichkeit (Objekt) und vertraglich vereinbarte Besicherung (Haftung) zusammenkommen; ein weiteres Kriterium schränkt den handelnden Personenkreis zusätzlich ein (Subjekt), im Wesentlichen auf öffentlich-rechtliche Körperschaften, Zentralbanken, beaufsichtigte Finanzinstitute, bestimmte Versicherungsunternehmen (Art 1 II RL 2002/47/EG). Subjektiv sind geschützt privilegierte Berechtigte. Es muss sich handeln um: (2) Betrei- 17 ber und Teilnehmer eines Finanzsicherungssystems (Nr 1) iSv § 1 XVI KWG (als „Übernahme“ von Art 2 lit a RL 98/26/EG idF Art 1 Nr 5a RL 2009/44/EG), jedoch insoweit zusätzlich objektbezogen (dazu Rn 16) beschränkt: ausschließlich „zur Sicherung seiner Ansprüche aus dem System“.28 Dabei wird durch eine förmliche mehrseitige (mindestens drei Teilnehmer!) Vereinbarung die konkrete Zahlungsabwicklung geregelt („Sachkriterium“), hinzukommen müssen individuelle (nationale) Billigung und (europäische) Anmeldung („Formkriterium“). Zunächst waren bloß die Teilnehmer insolvenzrechtlich geschützt, inzwischen ist zusätzlich der Betreiber selbst gesichert. (3) Zentralbanken (Nr 2), sei es die Europäische Zentralbank oder nationale Zentralbanken der einzelnen Mitgliedsländer. Insoweit wird generell Schutz gewährt, mithin ohne weitergehende sachliche Beschränkung. c) Veränderung. Diesen Gruppen wollte man die lukrative Möglichkeit unmittelbarer 18 (Eigen-) Verwertung einräumen, dh sie – reziprok – von insolvenzrechtlichen Unwägbarkeiten (und sei es nur ein Zeitverlust) freistellen. Das wird planbezogen auch etwas kritisiert29 und führt zur Frage der Zulässigkeit einvernehmlicher Abweichungen. Mit § 223 I S 2 werden disparate Konnotierungen verbundenen (siehe auch schon Rn 15): Änderungsverbot,30 Befreiung von Eingriffen,31 Ausschluss abweichender Regelung;32 der Sicherheiteninhaber sei nicht (subjektiv) planbetroffen bzw die gestellte Sicherheit nicht (objektiv) plandisponibel33 etc. Das alles zielt gegen die freiwillige Abweichung. Die Unverfügbarkeit (dazu Rn 1 aE) beschneidet bereits das rechtliche Können. Dann ist es folgerichtig, dabei zwingendes Recht anzunehmen.34 3. Planerische Miteinbeziehung (Abs 2) Der Vorlegende mag Absonderungsrechte planerisch mit einbeziehen, so dass er „an- 19 deres bestimmt“ (Abs 1 – „Ob“), und so die gesetzesmäßige „default-Vorgabe“ (dazu Rn 10–13) damit obsolet macht bzw eine „abweichende Regelung“ trifft (Abs 2 – „Wie“). Beide Absätze werden demnach – trotz eines verschiedenen Ausgangspunkts – durch diese Einräumung bzw Betätigung konkreter Dispositionsmacht verbunden. Hierin liegt eine bedeutsame Neuerung begründet: die Möglichkeit, „planrelevante“ Absonderungsberech-

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Zum Verständnis dinglicher Sicherheit vgl Art 2 lit m RL 98/26/EG idF Art 1 Nr 5h RL 2009/44/EG: bezeichnet einen „verwertbaren Vermögensgegenstand … zur Besicherung von Rechten und Verbindlichkeiten …“. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 223 Rn 5b, zust MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 9 aE. HK/Haas InsO9 § 223 Rn 7 („nicht berührt“).

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 6; Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 2. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 6. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 223 Rn 5b; bezüglich des letzteren auch MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 3 und 9. Ähnlich auch bereits BT-Drucks 12/2443 S 200 [§ 266 {1}]. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 6.

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tigte zwangsweise einzubinden (dazu Rn 2–5, 14). Anders gesagt: die Dispositionsmacht wirkt eben auch als Einbeziehungsmacht. Dafür indes spielt keine Rolle, welche konkreten Gegenstände betroffen werden (nur eben nicht Forderungen gemäß § 38) und wem insoweit Verwertungsbefugnisse zustehen (iSv §§ 165 ff).35 – Der Normeninhalt lässt sich weitergehend noch differenzieren in Tatbestandserfordernisse (Abs 2 Hs 1: Rn 20–22) und Anwendungsbeispiele (Abs 2 Hs 2 [insb Var 3]: Rn 23 mit Abs 4 [Rn 24 ff]).

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a) Tatbestandsvorgabe (Hs 1). Der Wortlaut gibt drei Hinweise dafür. aa) Betroffen sind lediglich absonderungsberechtigte Gläubiger. Dies meint aber keine irgendwie subjektive Fokussierung – im Unterschied zu Überschrift und Abs 1, die objektiv („rechtsbezogen“) sprechen. Dieses zeitigt Folgen für akzessorisch gestaltete oder treuhänderisch gehaltene Sicherheiten (dazu Rn 12 iVm 26) und beschränkt die Gestaltung bei § 223 auf dingliche Wirkungen. Die Abänderung gesicherter Forderungen iSv § 224 mag selbstredend materiell zurückwirken auf die maßgebende dingliche Rechtslage; das wäre aber keine unmittelbare („aktive“) Umgestaltung bezüglich absonderungsberechtigter Gläubiger, sondern nur passive Reflexwirkung einer materiellen Regel. 21 bb) Es muss auch überhaupt eine „abweichende Regelung getroffen“ sein – und dies zudem ausdrücklich;36 allein soweit das geschieht, gelten die Regeln zur entsprechenden planerischen Konkretisierung. Hier muss man aber einerseits die Grundmaxime gruppeninterner Gleichbehandlung mithinzudenken (§ 226), es geht mithin also um gemeinhin mehrere dingliche Rechte („Rechtsbündel“), und andererseits wäre vorstellbar, ein Recht lediglich teilweise zu regeln. Dagegen steht indes das Grundprinzip sachenrechtlicher Spezialität: im Unterschied zu Forderungen sind dingliche Rechte unteilbar bzw wäre ein derartiges „Splitten“ eine Verfügung über die Rechte als Ganzes. Insoweit steckt demgemäß nichts Tiefsinnigeres hinter dem „Soweit …“. Was – materiell oder prozessual – auch ohnehin gilt, ist nicht mit abzubilden,37 es fehlt an jeder Abweichung vom Normalfall. Die Gestaltung muss ihrerseits den allgemeinen Standards entsprechen, wie insb dem Bestimmtheitsgebot38 kraft Sachenrechts (dazu § 221 Rn 75–79), nicht auch kraft Vollstreckungsrechts39 (arg § 257 I S 1 e contr: Vollstreckungstitel für die Insolvenzgläubiger). Auf eine verbindliche („fixe“) Mindestquote wurde jedoch dezidiert hier verzichtet (vgl Rn 25). 22 cc) Die Regelung ist förmlich „im gestaltenden Teil“ unterzubringen. Während Abs 1 sich anfangs noch genereller Wortwahl verpflichtet („im Insolvenzplan“), wird das hier nun zusätzlich noch präzisiert. Dies scheint dennoch pure Selbstverständlichkeit mit Blick

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Häsemeyer InsR4 Rn 28.20 [2. Abs]; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 223 Rn 1. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 2; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 223 Rn 13; Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 223 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 1 und 11. Vgl auch erg Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 9. AA HK/Haas InsO9 § 223 Rn 5. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 7; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 223 Rn 13 („[bedarf] einer hinreichend bestimmbaren detaillierten … Regelung“ – Beispiele: Rn 14); Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 1 (Erfordernis detaillierter Gestal-

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tung) bzw Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 223 Rn 4 („Bestimmtheit … bzw Bestimmbarkeit“); HK/Haas InsO9 § 223 Rn 1 („spezifiziert“); FK/Jaffé InsO9 § 223 Rn 7 („so genau wie möglich“ – aber: Rn 10); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 7 („möglichst klare, genaue und spezifizierte Regelung anzustreben“ [mit eigener Hervorhebung]) Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 13 („bedarf … einer hinreichend konkreten Regelung“); Häsemeyer InsR4 Rn 28.20 („präzise“) mit Rn 19 [1. Abs]: Kürzungen (dazu Rn 24–27) nach Bruchteil, Stundungen (dazu Rn 28) nach Zeitdauer. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 224 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 223 Rn 4.

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auf § 221 (Abänderung der Rechtsstellung der Beteiligten) und § 228 (Umgestaltung sachenrechtlicher Verhältnisse) [als Form einer „Verpflichtung“] bzw § 254 I S 1 und 2 (Eintreten der Wirkungen mit Rechtskraft gerichtsseitiger Bestätigung) [als Zeitpunkt der „Verfügung“] – die (Plan-) Regelung zielt immerhin doch auf konkrete dingliche Zugriffe auf Absonderungsrechte (als Befriedigungsrechte: Rn 12). Fehlte der Zusatz, wäre er auch systematisch ohne weiteres also herauszulesen. b) Gestaltungsbeispiele (Hs 2). Ursprünglich war ein Gleichlauf bei den Aufzählungen 23 in § 223 II und § 224 vorgesehen, der noch jetzt weithin wirkt (wegen § 223 II Var 3 [iVm III] siehe Rn 8, 20 f), aber nicht so recht passt: dogmatisch werden Rechte aufgehoben, aber nicht etwa „gekürzt“ (Var 1: Rn 24 im Vergleich zu § 224 Rn 16, 19, 21, 25); „stunden“ (Var 2: Rn 28 – in Kontrast zu § 224 Rn 16, 19, 27) lassen sich auch allein Forderungen (als zeitliches Hinausschieben der Fälligkeit),40 dingliche Rechte können lediglich wohl dilatorischer Durchsetzungshemmung ausgeliefert sein. Man sollte mithin den Wortlaut hier nicht allzu wörtlich nehmen. Wichtig ist allemal die Auffangklausel für jegliche „sonstigen Regelungen“ (Var 3 – so wie nach § 224 Rn 16, 19), die ohnehin das gesamte Regelungsspektrum abdeckt. Mithin ist genaue inhaltliche Klassifizierung entbehrlich – es geht um jede verfügende Einwirkung auf die dinglichen Befugnisse (dazu Rn 11).

IV. Anwendungen 1. Kürzung (Abs 2 Var 1) Das meint den dauerhaften Eingriff. Man denkt zumeist dabei an Eingriffe in den 24 rechtlichen Bestand, dh die Veränderung des Rechtsinhalts (oder genauer noch gesagt: des Befriedigungsrechts, vgl Rn 12). Darunter rechnet freilich genauso die Einschränkung wirtschaftlicher Verwertbarkeit, wie etwa durch – komplette oder teilweise – Sicherheitenfreigabe41 (die eben nicht unbedingt uno actu zum Erlöschen führt), die also an sich nur Zuordnungsänderung ist. Die Kürzung mag von einer marginalen betragsmäßigen Herabsetzung bis hin zum vollständigen Verzicht reichen42 (dazu Rn 25 iVm 21 aE). Möglich wäre dazuhin eine Veränderung der normalen insolvenzrechtlichen Vorgaben zu Lasten des Inhabers,43 welche man aber besser wohl als sonstige Regelung (dazu Rn 32) begreift, weil sie aufs prozessuale Durchsetzungs- oder Begleitregime (§§ 165 ff) reflektiert. Es fehlt an einer rechtlichen Kappungsgrenze (dazu Rn 11 aE), wie sie die Insolvenz- 25 rechtskommission einst vorgeschlagen hatte (EB LS 2.4.4.: „muss mindestens die Hälfte des Wertes des Sicherungsguts oder der Forderung, falls diese niedriger ist als der Wert des Sicherungsguts, erhalten bleiben“); das half den überstimmten „Absonderungsgläubigern“ besitzloser Mobiliarsicherheiten (miteinbegriffen die Sicherungszession: EB I LS 1.1.5 II), Grundstücksberechtigten blieb gar volle materielle Absicherung garantiert (EB LS 2.4.5.1 I). Jedoch wirkt jedenfalls heute das Schlechterstellungsverbot als faktische Untergrenze: bei voraussichtlicher (!) Schlechterstellung besteht immerhin alsdann Minderheitenschutz

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Statt aller Jauernig/Stürner § 271 BGB Rn 9. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 3. MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 12; HK/Haas InsO9 § 223 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 14; FK/Jaffé InsO9 § 223 Rn 6 aE; HambK/Thies InsO5 § 223 Rn 5.

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 4 und HK/Haas InsO9 § 223 Rn 3 iVm 5 [S 1, Var 1] (relativ missverständlich als Eingriff ins Befriedigungsrecht benannt); Häsemeyer InsR4 Rn 28.19.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

für den Absonderungsbefugten (§ 251). Nötig wird als Prognose ein (Perspektiv-) Vergleich zur Stellung „ohne einen Plan“ (§ 251 I Nr 2); das verpflichtet zur Ermittlung der individuellen Werthaltigkeit der Positionen.44 Statt absoluter hoher Schranke (50 % bzw 100 %) gibt es eine relative Schwelle entsprechend den Umständen des Einzelfalles. 26 Abzugrenzen vom Beschneiden dinglicher Positionen ist die Reduzierung persönlicher Forderungen (§ 224 Var 1: dort Rn 18)45, die aber kraft materieller Verknüpfung (gesetzlich durch Akzessorietät, vertraglich wegen Treuhandzweck) oft auch das dingliche Recht mitprägt46 (hier Rn 12 und 20, siehe auch bei § 222 Rn 73). Die eventuelle persönliche Haftung vermittelt die (Zusatz-) Eigenschaft als planunterworfener Insolvenzgläubiger (§ 52 S 1 iVm § 38 [§ 64 Hs 1 KO]); Ausfall und Verzicht spielen mithin dafür – im Unterschied zu § 27 I S 1 VglO (kumuliertes Erfordernis [„und“], vgl Rn 6) – keine Rolle bzw umreißen allein insoweit die Berechtigung persönlicher Befriedigung (§ 52 S 2 [§ 64 Hs 2 KO] – weicher § 27 I S 2 VglO: mutmaßlicher Ausfall bereits ausreichend!). Das zwingt dann jedoch zur Liquidation, was oftmals nicht gewollt47 ist. 27 Werden allerdings Rechtsverzichte vorgesehen bzw angeordnet, dann wirken jene allgemein und endgültig (und zwar mit Rechtskraft der Bestätigung: § 254 I); Verzichte können rechtlich mithin eigentlich nicht widerrufen werden.48 Die Wiederauflebensklausel (§ 255) betrifft lediglich (persönliche) „Forderungen von Insolvenzgläubigern“ bzw deren Absicherung gegen Rückstände, nicht aber die dinglichen Sicherheiten von Absonderungsbefugten (dazu § 255 Rn 10, 50). Von dort kommt keine Hilfe! Auch dazu kann (und sollte) der Plan aber eine abweichende Regelung beschreiben49 (wohl ein Fall von Abs 2 Var 3). Das erscheint doppeltermaßen angezeigt: bei Wiederaufleben des Forderungsrests, um dann insoweit die einstige Sicherheit wieder voll zu aktivieren; oder schlicht rein dinglich wegen einer zwischenzeitlich verbesserten Liquiditätslage (das wäre eine Art „dinglicher“ Besserungsschein: § 224 Rn 26, 29). In Betracht kommt insoweit – wenn denn verfügungsrechtlich eröffnet – insb lediglich bedingte Kürzung bzw unbedingte Kürzung gekoppelt mit bedingter Neubestellung. 2. Stundung (Abs 2 Var 2)

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Trotz letztlich schuldrechtlichem Vokabular (dazu Rn 23) stecken dahinter wichtige weitere Gestaltungsmöglichkeiten – gemeint ist hiermit die zeitweilige Hemmung der Geltendmachung des Absonderungsrechts (im Unterschied zu Abs 2 Var 1 bzw Rn 24: dauerhaftes Beschneiden), dh ein Hinausschieben von Verwertungsakten. Das mag oft eine marginale, aber eben doch relevante, zukünftige Planunterstützung darstellen (Zeitfaktor!). Sie kann gewiss, muss aber nicht im Zusammenhang mit weiteren Sanierungsbeiträgen erfolgen50 (Geldfaktor!); das leitet schon über zur Vielfalt sonstiger Regelung (Abs 2 Var 3 bzw Rn 29: „Kombilösung“). 44 45

Anders offenbar jedoch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 223 Rn 1. AA HK/Haas InsO9 § 223 Rn 4 (miterfasst) und Rn 5 [S 1 Var 3]; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 223 Rn 8; Hambk/Thies InsO6 § 223 Rn 5; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 5. So wie hier Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 4; MünchKomm/ Breuer InsO3 § 223 Rn 7; wohl auch Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 223 Rn 13 ff; Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 4.

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 223 Rn 3 f. Oder uU auch rechtlich nicht statthaft: § 233, dazu vgl dort Rn 16, 20 f (aA die hM). MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 12. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 223 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 9 aE. Strikter im Konnex: MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 13 aE.

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Rechte der Absonderungsberechtigten

§ 223

3. Sonstige Regelung (Abs 2 Var 3) Kürzung (dazu Rn 24) und Stundung (dazu Rn 28) sind lediglich bloß Beispiele defini- 29 tiver bzw temporärer Regelung; der Kreis eröffneter Gestaltung ist nicht dadurch irgendwie begrenzt.51 Das ergibt die weitgreifende, anschließende Auffangklausel. – Beispiele: (Teil-) Verzicht mit (Rest-) Stundung („Kombilösung“); gänzliche oder teilweise Auslösung des Gegenstandes, der hierdurch für neue Besicherung dann bereitsteht;52 Einschaltung eines Treuhänders bei reziprok teilweisem Verzicht53 (der Treuhänder wirkt dann als „Intermediär“ und hält die Sicherheit rangwahrend für das Sanierungskonzept [zB Sicherung für Neukredit] und den Absonderungsbefugten); Sicherheitentausch (dazu Rn 30); Einrichtung einer Verwertungsgemeinschaft, vulgo „Poolbildung“ (dazu Rn 31); Umwandlung der Absonderungsrechte in Beteiligungsrechte54 (Einlageleistung als Gesellschafter – arg § 225a, dazu vgl dort Rn 54 f). Möglich sind genauso Differenzierungen zwischen dinglicher Haupt- und Nebenforderung (zB §§ 1118, 1192 II BGB). Hauptfall bleibt letztlich der Sicherheitentausch, der zuerst eigens mitgeregelt werden 30 sollte (dazu Rn 8), jedoch auch ohne solche explizite Gestattung statthaft bleibt (dazu Rn 12).55 Im Grunde liegt hierin ein letzthin doppelter Verzicht, zum einen auf Befriedigen aus dem Gegenstande („Sachverzicht“), zum anderen auf unmittelbare Befriedigung („Zeitverzicht“), gepaart mit der Annahme einer ersatzweisen Sicherheitenbestellung (im gestaltenden Planteil: § 228). Natürlich liegt hierdurch ein Gestaltungseingriff ins Absonderungsrecht vor56 (andere Bestimmung [Abs 1] bzw „abweichende Regelung“ [Abs 2]). Allemal zählt zugegebenermaßen indes weniger die jeweilige rechtliche Qualität, die neue (Sicherungs-) Form muss auch nicht selbst wiederum Absonderung erlauben57 (zB Personal- statt Realsicherheit; Zession einer Forderung gegen Dritten); entscheidend ist demgegenüber die jeweilige wirtschaftliche Bewertung – alte und neue Sicherheit müssen äquivalent sein (arg § 251 I Nr 2). Aber der Absonderungsberechtigte muss sich nur geschützt (§ 251 I Nr 2 – bereits im Vorfeld: § 222 II Nr 1: Mussgruppe; § 238 I S 1: Erörterungspflicht; § 238 II iVm § 237 II e contr.: Stimmrecht) darauf einlassen. Dazu empfiehlt sich, die maßgeblichen Bewertungen offenzulegen; der Tausch wird im Plan am besten deswegen nachvollziehbar bewertet (Marktpreise, Gutachten, Schätzungen etc – im darstellenden Planteil: § 220 II), ohne dass – obwohl gewiss ratsam – aber die Zusatzverpflichtung formeller Glaubhaftmachung existiert.58

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Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 223 Rn 21 („fast beliebig“) bzw MünchKomm/ Breuer InsO3 § 223 Rn 11 aE („nahezu beliebig“). MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 16 und 23. Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 587 ff; MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 18. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 16. HambK/Thies InsO5 § 223 Rn 5; FK/Jaffé InsO9 § 223 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 223 Rn 15; MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 14; Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 223 Rn 23;

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K Schmidt/Spliedt InsO19 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 223 Rn 6. AA Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 6 – mindestens sehr zweifelhaft: „Das Wesen des Sicherungs(absonderungs)rechtes ist nicht die Spezialität des Gegenstandes oder Rechtes [doch auch: sachenrechtlich wirksamer Begründungsakt!], sondern die Sicherheit.“ So wie hier HK/Haas InsO9 § 223 Rn 6. MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 15; Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Fn 6. Hier anders offenbar MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 14 mit Rn 16; so wie hier Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 223 Rn 20 (feststellendes Sachverständigengutachten „empfehlenswert“).

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§ 223

Sechster Teil. Insolvenzplan

Auf eine Art Tausch59 läuft ebenso die Sicherheitenpoolung hinaus, welche ebenfalls statthaft bleibt.60 Dabei wird zwar die Sicherheit nicht aufgegeben, indes doch die konkrete Rechtsträgerschaft geändert (Einbringung in Gesellschaft61): die vielen einzelnen Sicherheiten werden gebündelt durchgesetzt. Auch darin steckt immer eine Rechtsveränderung („Eingriff“). Damit kann man Beweisschwierigkeiten und Abgrenzungsprobleme, insb zwischen Waren- und Geldkreditgebern mit Blick auf Verlängerungsformen, vom Außen- ins Innenverhältnis verlagern. Das eröffnet eine zügigere Planabwicklung (aber vielleicht vorlaufend auch Konsensfindung …), und war bzw ist oftmals freiwillige Maßnahme auf Eigeninitiative bzw aus Eigeninteresse. Der Plan kann das aber auch gleichsam zwangsweise verordnen. Wichtig ist alsdann, dass in dem (späteren) Anteilsrecht der (einstige) Alleinanteil sich wirtschaftlich voll wiederspiegelt, was wiederum hinsichtlich Minderheitenschutz Bewertungen verlangt. 32 Auch prozessuale Regelungen sind vorstellbar. Möglich wäre genauso eine Veränderung der normalen insolvenzrechtlichen Vorgaben zu Lasten des Inhabers.62 So ist an die Modifikation der Pflicht zur Unterrichtung (§§ 167/168), einen Ausschluss der Verzinsung (§ 169 S 1 und 2),63 die Festschreibung erhöhter Kostenbeiträge (§ 171)64 und eine Abmilderung etwa des Nutzungsausgleichs (§ 172 I)65 zu denken. Besonders interessant erscheint, die regelmäßig unverzügliche Verwertung (§ 159) auszusetzen („Sanierungsfenster“); ebenso wäre denkbar, nach wirklich erfolgter Verwertung eines entbehrlichen Gegenstandes die anschließende Erlösverteilung (§ 170 I S 2) aufzuschieben („Liquiditätspolster“). Schließlich kann die Höhe der Feststellungs- und Verwertungskosten (§ 171) sowie auch das gläubigereigene Verwertungsrecht (§ 173 – auch: § 170 II) individuell geregelt werden.66 – Den Schwerpunkt werden gleichwohl materielle Regelungen ausmachen, so wie es Var 1 und 2 andeuten, wobei sich Var 3 aber nicht darauf fixiert. Die Lösungen mögen über ein Einzelrecht auch hinausgehen (was dann jedoch genauer Gruppenplanung bedarf! – arg § 226). So steht es einem Planersteller frei, die Freigabe der Sicherheit an eine quotale Befriedigung der persönlichen Forderung zu knüpfen;67 erstreckt sich das Sicherungsrecht auf eine Sachgesamtheit, kommt der Verzicht auf einzelne Sicherungsgegenstände in Betracht.68 Möglich wäre wohl genauso auch eine zeitliche Sicherung (in Anlehnung an § 256 – siehe oben bei Rn 27).

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BT-Drucks 12/2443 S 200 re. Sp. [§ 266 {3}] nimmt direkt einen Tausch an. Braun/Braun/Frank InsO7 § 223 Rn 6 mit Fn 5 und Rn 9; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 223 Rn 23; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 223 Rn 14; MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 17. Grundlegend zur Konstruktion R Stürner ZZP 94 (1981), 263, 274 ff [I 3] zu Jaeger/ Henckel KO9 § 15 Rn 72–79. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 4 und HK/Haas InsO9 § 223 Rn 3 iVm 5 [S 1 Var 1] (relativ missverständlich als Eingriff ins Befriedigungsrecht benannt); Häsemeyer InsR4 Rn 28.19.

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MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 21. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 223 Rn 8. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 16; MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 22. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 53; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 7. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 223 Rn 14; HambK/Thies InsO5 § 223 Rn 5; MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 16: alternative Privilegierung. MünchKomm/Breuer InsO3 § 223 Rn 12; vgl auch: HK/Haas InsO9 § 223 Rn 3.

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Rechte der Insolvenzgläubiger

§ 224

V. Verstoßfolgen Die Regelung eröffnet die Möglichkeit planerischer Gestaltung (dazu Rn 2–5, 14, 19). 33 Das impliziert ein Doppeltes: Ohne die ausdrückliche (!) Betätigung (Abs 2!) der eröffneten (Abs 1 S 2?) Gestaltungsmacht, gibt es auch keinerlei planerische Wirkungen; konsequent bleibt es beim „Unberührtsein“ (Abs 1 S 1) und bei der insolvenzrechtlich vorgesehenen Regelabwicklung (§§ 165 ff). Die Frage nach einer „Verstoßfolge“ ist entbehrlich – es gilt insoweit bewusstermaßen vielmehr eine gänzlich anderweite Regelung. Es geht um eine Befugnis für bzw Ausübung von „Planeingriffe(n)“ in Absonderungsrechte, die insoweit festen Regeln gehorcht. Fraglich erscheint freilich, ob man eine offensichtlich zwar angestrebte, aber rechtlich 34 unzureichend geregelte Ausgestaltung (wie insb bei zu unbestimmt gehaltener Gestaltung) auch gleich im Ansatz verwirft (sie also für unbeachtlich hält und jene „default-Vorgabe“ [Abs 1 S 1: Rn 10–13] greifen lässt) oder gerichtlich beanstandet (§ 231 I Nr 1) und insoweit Nachbesserung eröffnet. Alleinig der letztere Weg entspricht der Vorrangigkeit des Parteiwillens und der „Verpflichtung“ gerichtlicher Hilfestellung. Alles andere würde doch den Plan ohne jede Not unnötig verfälschen69 (und Billigung vielleicht verhindern …).

§ 224 Rechte der Insolvenzgläubiger Für die nicht nachrangigen Gläubiger ist im gestaltenden Teil des Insolvenzplans anzugeben, um welchen Bruchteil die Forderungen gekürzt, für welchen Zeitraum sie gestundet, wie sie gesichert oder welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen. Materialien: EB LS 2.2.7 I S 2 und II (Begr S 172); DiskE § 257 (Text: S 131, Begr: BT S 232), RefE § 257 (Text: S 149, Begr: BT S 266/267); RegE § 267 (BT-Drucks 12/2443 S 51, 201 [RV], BTDrucks 12/7302 S 98, 182 [Nr 142]) – Stammfassung. – Reformvorschlag: Ehlers ZinsO 2009, 320, 321 (näher dazu noch bei Rn 14). Vorgängerregelungen: GemSchO § 167 (Mot II S 140); KO/aF § 161 (Mot S 406–408 = Hahn IV S 361–363; Prot S 111 [I], S 183 aE [II] = Hahn IV S 605, 676) bzw KO/nF § 174; § 35 I GA-VO/nF [Rn 12]; VglO/aF § 15 I S 1 (RT-Drucks 3/2340 S 19 f; RT-Drucks 3/3430 S 7/8 [I], S 29 [II] [§ 11 I]); RJA § 3 I (Mot S 54); VglO/nF § 3 I (DJ 1935, 389 re. Sp.). – Partikularrecht: KO PR § 181 III S 1. Literatur Ehlers Noch eine Reform – § 224 Abs. 2–5 InsO, ZInsO 2009, 320; Heerma/Bergmann Zur vollstreckungsrechtlichen Zulässigkeit von sog. Gesamtabgeltungsklauseln in Insolvenzplänen – Zugleich eine Beitrag zum vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitgebot, ZIP 2018, 949; Madaus Was tun mit Mindest- oder Flexi-Quoten? – Zur Bestimmtheit von Planregelungen und Vollstreckung aus Insolvenzplänen, FS Graf-Schlicker (2018) S 337; Paul Die Rechtsstellung des Unterhaltsgläubigers im Insolvenz(plan)verfahren, DZWIR 2009, 186; Stephan Die „vergessenen Gläubiger“ im Verbraucherinsolvenzplan, NZI 2014, 539; C Weber Gesamtabgeltungsklausel auf dem Prüfstand – Zulässigkeit und Vollstreckbarkeit von Insolvenzplänen mit dynamischer Quote, ZInsO 2017, 255. Siehe noch die Angaben bei § 217.

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So wie hier daher zu Recht Braun/Braun/ Frank InsO7 § 223 Rn 1 mit Fn 1 gegen MünchKomm/Breuer InsO2 § 223 Rn 7.

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§ 224

Sechster Teil. Insolvenzplan

Übersicht I. Normzweck . . . . . . . . . . . . II. Normgenese . . . . . . . . . . . . 1. Konkursrecht . . . . . . . . . . 2. Vergleichsrecht . . . . . . . . . 3. Insolvenzrecht . . . . . . . . . III. Normstruktur . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . a) Personenkreis (Hs 1) . . . . b) Ausgestaltungserfordernisse

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Rn.

Rn. 1 5 5 8 13 16 16 18 18 19

aa) Bestimmtheitserfordernis (Hs 2) . . . . . . . . . . . . . bb) Mindestquote? . . . . . . . . cc) Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 226). . . . . . . . . . . . . c) Planverortung (Hs 1) . . . . . . . 3. Ausgestaltungen . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . b) Spezialtatbestände . . . . . . . . . c) Globalermächtigung . . . . . . . 4. Rechtskontrolle . . . . . . . . . . . .

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I. Normzweck 1

Die Norm behandelt die Ausgestaltung der Rechte der Vollrangigen (iSv einer Präzisierung ihrer Befriedigung gem § 217 [S 1] Var 1b – die Nachrangigen sind idR hier ausgeklammert kraft § 225: „gelten … als erlassen“). Diese Ausgestaltung gilt als Hauptgegenstand des Insolvenzplans,1 denn es geht ja auch um die Hauptbetroffenen des Insolvenzverfahrens.2 Nicht (unmittelbarer) Zweck ist indes, die Beteiligten3 oder auch bloß die (natürlich: vollrangigen) Gläubiger4 insgesamt über Vor- und Nachteile des Plans im Verhältnis zu dem Normalverfahren zu unterrichten: das gehört zur Darstellung (§ 220), nicht aber zur Gestaltung (§ 221), welche hier im Mittelpunkt steht. Ebensowenig ist beabsichtigt die erleichterte gerichtliche Nachprüfung (dazu Rn 32) mit Blick vor allem auf Gleichbehandlung5 – das verwechselte den Prüfungsgegenstand mit dem Tatsachenmaterial, das beizubringen ist. Unbenommen bleibt allerdings, dass das Gericht Zeit zur möglichen Nachbesserung offenlässt, was dann am Ende in eine faktische Fürsorge einmündet.6 Die Regelung wirkt insoweit als Konkretisierung der Planungsaufgabe.7 2 Offensichtlich werden Formalia durch Hs 1 näher bestimmt („im gestaltenden Teil des Insolvenzplans“ – „Verortungsfunktion“), so wie es die anderen Parallelregelungen (§§ 223 II Hs 1, 225 II, 225a II S 1 [wegen III siehe § 225a Rn 33], 227 I sowie erg zudem § 228 S 1) genauso tun. Damit wird das Zusammenspiel von § 221 S 1 (Planung) mit § 254 I (Wirkung) sozusagen handfest als Exempel statuiert (besonders wichtig wegen Rn 1 mit 18),

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BT-Drucks 12/2443 S 201 li. Sp. [§ 267] („im Regelfall Hauptgegenstand …“) – zust BK/ Breutigam InsO14 § 224 Rn 1; MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 1 („ … des gestaltenden Teils“); ähnlich: Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 1 („In der Regel [?] den Kern“); Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 224 Rn 2 („wesentlicher Inhalt“; „Kern“); Braun/Braun/Frank InsO7 § 224 Rn 1 („im Regelfall [?] Kern“); HK/ Haas InsO9 § 224 Rn 1 („Kern“); HambK/ Thies InsO5 § 224 Rn 1 („meist der Kern“); Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 224 Rn 1 bzw Rn 6 („wichtigste Teil“). FK/Jaffé InsO9 § 224 Rn 1 aE; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 224 Rn 1

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(„am meisten Interesse“) bzw Rn 3 („der größte Verzicht“). Dies meint jedoch FK/Jaffé InsO9 § 224 Rn 2. So sehen es (teilweise) Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 224 Rn 1. So sieht es indes Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 224 Rn 7. BT-Drucks 12/2443 S 201 li. Sp. [§ 267]: „Auf die Beseitigung von Unklarheiten hat notfalls das Gericht hinzuwirken“. Leider missverständlich hierzu K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 224 Rn 1 („dient … der Planklarheit als auch dem Schutz der Gläubiger“ [ohne die Hervorhebungen des Originals]).

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Rechte der Insolvenzgläubiger

§ 224

gleichzeitig erwächst hieraus ferner das Wechselspiel mit § 227 I. – Die Regelung bringt darüber hinaus, eher indirekt oder verdeckt, vier wichtige sonstige Botschaften, was die genaue Plangestaltung angeht („Verklarungsfunktionen“), die man gemeinhin zwar gern übersieht, die über Hs 2 aber gegenüber früher deutliche „Nuancierungen“ enthalten: Erstens und zentral die Einforderung bestimmter Bezeichnung vor allem durch die 3 Quantifizierung der Befriedigung (Var 1: „um welchen Bruchteil“ bzw Var 2: „für welchen Zeitraum“ – viel abstrakter noch § 7 I S 1 VglO: „Der Vergleichsvorschlag muß bestimmt sein.“). Hierdurch wird zweitens zugleich noch angetippt, dass weitere Regularien mangeln, dh das Gesetz insb auf Mindestsätze (§ 7 I S 2 und II VglO, vgl Rn 10) wie Barauszahlung (§ 7 III VglO) verzichtet. Drittens ist angesagt, Stellung zu beziehen, „wie“ jeweils Sicherung erfolgt (Var 3 – im Unterschied zu § 174 KO: „ob und in welcher Art“); dies relativiert sich allerdings sogleich im Anschluss mittels der offenen Schlussfassung (Var 4): insoweit wird viertens Inhaltsoffenheit für den Insolvenzplan zugesagt. Der scheinbar strikte Imperativ aus Hs 1 („ist anzugeben“) wird relativiert über das „oder“ von Hs 2. Die Aufzählung ist alternativ, und eben nicht kumulativ, zu verstehen, wobei dann die „sonstige Regelung“ auch eine Nichtregelung sein kann (dazu Rn 4). Die Regel als Ganze impliziert aber gleichwohl eine Regelungspflicht als Rechtsgrund- 4 satz – allemal nur positiv, aber nicht auch negativ wegen § 227 I (dazu Rn 17); die Norm hat also nicht bloß nebulösen deklaratorischen Charakter8 (das träfe allenfalls nur Hs 2), sondern wirkt als Planungsgebot für den Planverfasser (Imperativ [Hs 1]: „ist … anzugeben“ bzw § 221 iVm § 254 I). Es gibt aber eine Ausnahme:9 falls eben der Plan keine konkrete Befriedigung vorsieht (dazu § 227 Rn 6 aE), kann er auch keinerlei „Rückschlagskraft“ gem § 227 entfalten, und dann wäre auch die komplette Nichtregelung ausnahmsweise gefahrlos. Dennoch sollte man besser vorab hier für eigene Klarstellung sorgen (Nichteingriff). Das wird wichtig, weil ein ausschließlich verfahrensleitender Insolvenzplan (§ 217 [S 1] Var 3 – dort Rn 64–67) ebenso Sinn machen kann.

II. Normgenese 1. Konkursrecht Was den Vergleichsinhalt angeht, so setzte der KO-Gesetzgeber auf eine gesetzlich fi- 5 xierte „Doppelnorm“ (§§ 161/168 KO/aF = §§ 174/181 KO/nF, vgl Rn 6 – als eine Art „Klammer“10) und ergänzend folgende Grundregel: „Der Begriff des Akkords ist nicht auf den Erlaß eines Theils der Forderungen beschränkt, sondern umfaßt jeden Vertrag des Falliten mit seinen Gläubigern über deren Befriedigung, sofern dadurch die Beendigung des Debitverfahrens herbeigeführt werden soll.“ Sie entstammt der Bremer VO für Debit- und Nachlaßsachen vom 24.05.1843 (§ 171) – und dazu vielsagend dann die KO-Motive: „Der Entwurf könnte diesen Satz, wäre er nicht dogmatischer Natur, adoptieren.“11 Diese Ein-

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HambK/Thies InsO5 § 224 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 224 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 224 Rn 1. AA einerseits Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 224 Rn 2: „in jedem Plan zwingend erforderlich“ und Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 224 Rn 1: „verpflichtet jeden Planersteller“ bzw andererseits K Schmidt/Spliedt

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InsO19 § 224 Rn 1: „[ansonsten] in Bausch und Bogen … befreit“. Die Vorschriften stehen auseinander, weil sie je divergente Zeitpunkte anvisieren: Beginn (Vergleichsvorschlag) bzw Schluss (Vergleichsabschluss). KO-Mot S 406 = Hahn IV S 361.

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§ 224

Sechster Teil. Insolvenzplan

führung zum „Inhalt des Vergleichs“ lässt auf eine weitestgehende Gestaltungsfreiheit zurückschließen, die über die materiellen Möglichkeiten (Hs 1) hinausreicht und eindeutig verfahrensrechtliche Wirkungen hat (Hs 3) Kernanliegen ist selbstredend die Regelung der [prozessualen!] Befriedigung (Hs 2). 6 Die Doppelregel wurde formuliert mit einerseits § 174 KO (dem „Vorgänger“ von § 224 InsO – dazu näher gleich Rn 7) als offen gehaltene Inhaltsregel. Einbegriffen und wesentlicher war freilich – folgend preußischer Novelle (§ 181 III S 2 KO PR12) – das Postulat inhaltlich bestimmten Vorschlags (Bestimmtheitsgrundsatz): nötig zur Verfahrenseröffnung war immer vorweg ein präzis formulierter (prozessualer) Antrag („Der Vergleichsvorschlag muß angeben, …“) als Ausgangspunkt gläubigerseitiger Meinungsbildung;13 zeitgleich sah man dies als die materielle Vertragsofferte, die der Gläubigerschaft zur Beschlussfassung (scil. Annahme) damit unterbreitet wurde14 (wegen aktueller [vertragsrechtlicher] Erklärung siehe Vor §§ 217 Rn 226–229). Beide Deutungen waren letztlich – nicht untypisch für jene Zeit! – nicht klar genug dogmatisch voneinander geschieden, andernfalls wäre wohl aufgefallen, dass das materielle Bestimmtheitserfordernis gewisse Ausnahmen erträgt (nämlich schuldrechtlicher Abkunft – im Unterschied zu Sachen- und Prozessrecht). Daneben tritt mit § 181 KO andererseits (dem „Vorbild“ für § 226 InsO – dazu vgl dort Rn 6 f) zudem noch der Gleichheitsgrundsatz als Inhaltsregel strikten Charakters („Der Vergleich muss … gewähren.“) bezüglich aller Gläubiger. Auffälliger Weise wird hierbei dann genauer unterschieden zwischen prozessualem Norminhalt (S 1/2) und materieller Konsequenz (S 3). 7 § 174 KO bemühte prozessuale Begrifflichkeit (!), unterschied nämlich ausdrücklich Befriedigung (Hs 1: „in welcher Weise“) und Sicherung (Hs 2: „in welcher Art“). Zwingend war ersteres inhaltlich zu bezeichnen, gemeint war hiermit „die Höhe und die Art und Weise der Befriedigung der Gläubiger zur Beseitigung des eingetretenen Konkurses. … Ein theilweiser Nachlaß an den Forderungen wird die Regel bilden.“15 Im Text wurden nähere Vorgaben allerdings gezielt nicht gemacht, um Freiraum zu eröffnen und weite Anwendbarkeit zu ermöglichen (das nicht zuletzt als Grund gegen separate Privatvergleiche als Mittel der Schuldenbereinigung). Fakultativ war letzteres, dh die Übernahme der Sicherstellung der Gläubiger (ob und – gegebenenfalls – wie …). Das zählte also mithin nicht mehr zum Begriffskern, wie dann auch die Konkursmasse allein der Befriedigung diente (§ 3 I KO). Sicherung mag aber oft erst die Grundlage für anderen Verzicht (nach Höhe und/oder Zeit) schaffen. 2. Vergleichsrecht

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Hier fehlte eine „Zentralnorm“, es gab aber verschiedene, verstreute Fingerzeige: Mit dem Antrag auf die Eröffnung des Vergleichsverfahrens war schon der Vergleichstext mit einzureichen (§ 3 I Hs 1 VglO: „muß den Vergleichsvorschlag enthalten“), einbegriffen von Erklärungen zur Durchführung (§ 3 I Hs 2 VglO: „wie die Erfüllung des Vergleichs sichergestellt werden soll“); die Wortwahl war – im Gegensatz zu § 174 KO (dazu Rn 7) –

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„Der Gemeinschuldner hat mit dem Antrag einen Akkordvorschlag zu verbinden.“ – näher dazu siehe HH-Drucks 1868/1869 Bd. 1 Nr 8 S 20: „[Verpflichtung,] bestimmte Propositionen zu machen“. KO-Mot S 407 [unten] = Hahn IV S 362: „unentbehrliche Vorlage, um ihre Entschlie-

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ßung vorsorglich fassen zu können“ – „die Anwendung eines Kontumazialpräjudizes gegen die ausbleibenden Gläubiger würde sich [anderenfalls auch] nicht rechtfertigen lassen.“ KO-Mot S 408 [oben] = Hahn IV S 361/362. KO-Mot S 406 = Hahn IV S 361.

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stärker materiell geprägt, bei jedoch im Übrigen vergleichbarem Regelungsinhalt. Sicherstellung war nicht zwingend nötig („ob und [bejahendenfalls] wie“ – in Anlehnung an § 15 I S 1 Hs 1 VglO/aF),16 selbstredend aber naheliegend, um Billigung zu erreichen (arg § 4 I Nr 4 VglO). Der Vergleichsvorschlag konnte inhaltlich jedoch „jeden Inhalt haben, der mit dem Begriff des Vergleichs (§ 779 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) vereinbar ist.“17 Es stand das ganze privatautonome Instrumentarium bereit zur Lösung der eingetretenen Finanzkrise, ohne dass der Text nähere Vorgaben machte: Erlass, Stundung, Übertragung etc (wegen letzterer siehe § 7 IV VglO – sog Liquidationsvergleich). An inhaltlichen (Vergleichs-) Anforderungen wurde – früherem Recht (§ 15 I S 1 Hs 2 VglO/aF) folgend!18 – das grundsätzliche Bestimmtheitsgebot hervorgehoben (§ 7 I S 1 VglO: „Der Vergleichsvorschlag muß bestimmt sein.“ – bei Möglichkeit späterer Anpassungen: § 76 VglO [gegen früheres Recht19]) und insoweit der Anschluss ans parallele Konkursrecht (dazu Rn 6) vollzogen, das freilich den Bestimmtheitsgrundsatz nicht explizit über den Text verortet hatte (siehe immerhin heute [sachenrechtlich!] § 228 I S 2/3 InsO, dort Rn 25, 28). Zentraler noch war aber letztlich das Erfordernis einer Mindestquote (§ 7 I S 2 [35 %] bzw Abs 2 S 1 [40 %] – ergänzend: § 6 VglO/aF [30 %] einerseits, § 7 I RJA-Entwurf andererseits [40 %]), namentlich mit der Ausweitung auf sämtliche Vergleiche und außerdem der Erschwernis weitgehend sofortiger Befriedigung (§ 7 III: „Die Mindestsätze müssen bar geboten werden.“). Diese hohe Hürde20 drängte den Vergleich ins Abseits. Die tatsächliche Austarierung von (praktisch) minimalsten Konkursquoten und (rechtlich) maximalen Vergleichssätzen war letztendlich zu realitätsfern, zumal wenn man dazuhin noch bedenkt, dass Anträge auf „Privatvergleich“ und Konkurseröffnung identischen Auslösetatbeständen unterfielen (§ 2 I S 3 VglO: „[nur] unter den gleichen Voraussetzungen zulässig“). Erwähnenswert ist schlussendlich das schon unter altem Recht (§ 5 VglO/aF – in Anlehnung an § 181 KO, vgl Rn 6) ebenfalls gesondert normierte Gleichbehandlungsgebot (§ 8 VglO/nF) mit Grundmaxime gleicher Behandlung (Abs 1 [„Der Vergleich muß … gleiche Rechte gewähren.“] und Abs 3) und Beschreibung der Erfordernisse ausnahmsweise möglicher Durchbrechung (Abs 2). Dieses Regelungsanliegen findet sich heute modifiziert (scil. gruppenbezogen!) abgebildet durch § 226 InsO (dort Rn 12–18). Einen unmittelbaren Vorläufer von § 224 enthält § 35 I GA-VO/nF (in Anlehnung an § 14 VglO-E 1914): jener erlaubte [S 1] explizit Erlass (Var 1), sicherlich auch einen bloß teilweisen, oder Stundung (Var 2), im Übrigen aber dann nur (!) noch eine Vorgabe zu der Absicherung seiner Durchführung (Var 3) [S 2]. Dadurch war demnach ein Gegenmodell („Typenzwang“) beschrieben – und zwar mit dem Ziel, klare Verhältnisse zu garantieren, „mit denen sich die Beteiligten abfinden müssen und können.“21 Was darüber hinausgehe, fordere die Einstimmigkeit der Gläubigerschaft. Diesen strikten Ansatz verwirft § 224 deutlich (arg ex Var 4: anderweite [„sonstige“] Regelungen – näher: Rn 23), er passte auch nicht zu dem Grundanliegen, den Beteiligten mit dem Insolvenzplan Inhaltsflexibilität zuzubilligen (vgl ausf Vor §§ 217 ff Rn 7, 28, 42 f, 50, 56, 59).

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RT-Drucks III/2340 S 20 li. Sp. RT-Drucks III/2340 S 19 re. Sp. Welches noch älteres Recht (GA-VO: Vor §§ 217 ff Rn 73 f) hier gezielt korrigierte (RT-Drucks III/2340 S 19 re. Sp.): „Daß der Schuldner sich einen Vollstreckungsschutz verschaffen kann, ohne alsbald einen be-

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stimmten Vergleichsvorschlag zu machen, wird als ein besonderer Mangel der gegenwärtigen Rechtslage bezeichnet.“ Siehe dazu RJA-Mot S 48 f. Siehe dazu RJA-Mot S 40 f. JMBl PR 1917 Nr 9 S 13, 25.

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3. Insolvenzrecht

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Die Insolvenzrechtskommission hat schon Teilerlass und Stundung von Forderungen mit Blick auf Unternehmenssanierungen als bedeutenden Regelungspunkt festgemacht (Reduzierung der Schuldenlast).22 Der Gestaltungsteil des Insolvenzplans musste daher „vor allem“ Beträge und Termine für Erfüllung (lit a) und Sicherung (lit b) festlegen (EB LS 2.2.7 I S 2: „ist anzugeben“). Die Idee war damit als solche umrissen, jedoch noch direkt beim heutigen § 221 platziert und nicht autonom angesetzt. Drei Unterschiede sind vorstechend: die Verkoppelung von relativen mit absoluten subjektiven Rechten (schon angelegt durch EB LS 2.2.7 I S 1, vgl § 221 Rn 7), die Betonung absoluter Maßstäbe (lit a: Höhe, Zeitpunkt) und schließlich die dezidierte materielle Anknüpfung (lit a: Erfüllung).23 Hier vollzieht schon § 257 DiskE einen insgesamt klaren Umschwung. – Das US-Recht begnügt sich dagegen mit der unspezifisch gehaltenen Aufforderung, Gruppen von konkret (Nicht-) Beeinträchtigten im Insolvenzplan zu spezifizieren (11 USC § 1123 lit a Nr 2/3 mit lit b Nr 1). Also folgt unser Recht hier ureigener Tradition. 14 Die Textierung wurde im Laufe des ministeriellen Vorverfahrens lediglich marginal verändert („ … ist im gestaltenden Teil des Insolvenzplans anzugeben“); der Rechtsausschuss hat dann noch den davor stehenden Eingangssatz („Für jede Gruppe der Insolvenzgläubiger, die nicht nachrangig sind, …“) abgekürzt. Das war mehr als ein redaktioneller Feinschliff durch Einsparung eines Relativsatzes, zumal auch der Bezugspunkt („Für jede Gruppe“) weggefallen ist; die Überschrift blieb jedoch unverändert. Begründet wurde dies als weitergehende Konsequenz vereinfachter Gruppenbildungsregeln (einst § 265 RegE – jetzt: § 222 InsO)24 – anders gesagt: als Ausgangspunkt diente dem Rechtsausschuss das Modell, dass keine weitere Gruppenbildung (innerhalb vollrangiger Gläubiger) erfolgt. Das lässt aber die jeweiligen Möglichkeiten zur Gruppenbildung untangiert. Und infolge des Gebotes gruppeninterner Gleichbehandlung (§ 226 I) meint die Regel auch weiterhin eine alleinig kollektive Beschreibung der Gestaltungen (folgend den Gruppen, insoweit solche gebildet wurden), ist somit aber nicht auf individuelle (Vollrang-) Gläubiger ausgerichtet.25 15 Ehlers hatte schon früh vorgeschlagen, den Debt Equity Swap (dazu § 225a Rn 4, 28–30 mit Rn 50–75) über weitere, neue Absätze (Abs 2–4) rechtlich zu gestatten; die Vorschläge sind vermittels ESUG inzwischen weithin umgesetzt, nur eben nicht hier bei § 224: Umwandlung auf Wunsch der Gläubiger (Abs 2 – jetzt: § 225a II S 1 [Umwandlung] und S 2 [Zustimmung – dazu bereits im Übrigen auch § 230 II); verfahrensrechtliche Gleichstellung der Altanteilseigner mit dem Gemeinschuldner (Abs 4: „gilt § 247 für betroffene Gesellschafter entsprechend“ – jetzt: § 246a [statt § 247 I] bzw § 245 III [statt § 257 II]26). Abs 3 brachte daneben interessante weitere Optionen zur Plangestaltung, die sich heute bloß zT noch durch schwierige Gruppenbildung (§ 226 I!) vergleichbar erreichen lassen: vorausgesetzte Mindesthöhe umzuwandelnder Forderungen (S 1 – aber: § 222 Rn 107);

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EB Begr S 172. Dazu kamen noch Spezialregelungen oder besser wohl Ermächtigungen zur „Umgestaltung“ von betagten, aufschiebend bedingten und wiederkehrenden Ansprüchen (EB LS 2.2.7 II – heute: § 238 I S 3 iVm § 41 bzw § 46). BT-Drucks 12/7302 S 182 re. Sp. So wie hier Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 224 Rn 2; Nerlich/Römermann/Braun

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InsO9 § 224 Rn 1; BK/Breutigam InsO14 § 224 Rn 1 („gruppenweise Darstellung [der Veränderung]“ – scil: Gestaltung); Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 5; MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 1 f. Sehr unklar HK/Haas InsO9 § 224 Rn 2. Dadurch hätte der Gläubigerbegriff keiner oder fast keiner (Ehlers ZinsO 2009, 320, 325 [III]) formalen „Neutralisierung“ [Beteiligter] bedurft!

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Kombination von Kürzung und Umwandlung (S 2 – das geht heute ebenso, wenn es alle „gleich trifft“); Quotierung des Anteils der Umwandlung (S 3). Das (aktuelle) Potential des Gedankens liegt in einer (noch) weitergehenden Differenzierungsmöglichkeit.

III. Normstruktur 1. Grundsätzliches Genannt werden diverse Formen denkbarer Gestaltungen (insb Hs 2), so wie es ähnlich 16 auch bereits § 223 II (dort Rn 23 iVm 24–32) vorlebt; zusätzlich ist Besicherung mit einbezogen (vgl aber erg auch Rn 18; § 222 Rn 75–78; § 223 Rn 12, 20, 26). Die Fälle erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder gar etwa Ausschließlichkeit27 (arg Var 4: sonstige – beliebige – Regelung), sondern illustrieren bloß als eine Art Regelbeispiele typische Ausgestaltungen (dazu Rn 23–31). Darüber hinaus präzisiert die Vorschrift die Anforderungen, welche für solche Plangestaltungen gelten (dazu Rn 19–22). Indes muss man sehen, dass ohne eine derartige Regelung keine Änderung erfolgt (dazu § 217 Rn 34). Die Vorschrift ist demzufolge nicht etwa dahin misszuverstehen, dass sich der Plan zwingend zu Kürzung, Stundung, Sicherung28 äußern bzw zudem klarstellen müsste, dass keine „sonstigen Regelungen“ vorliegen. Das obgleich uU zunächst der Hs 1 (arg „ist … anzugeben“) hier durchaus anderes vermuten lässt. Doch ist auch die Ausgangssituation insoweit zu bedenken: nur wenn und weil der 17 Plan jeweils inhaltlich abweichende Regelungen enthält, ist überhaupt das Regelverfahren verdrängt (arg § 1 S 1); und bloß was dazuhin plandispositiv gestellt ist (§ 217), kann Regelungsgegenstand sein. Ohne solche Regelung bleibt also die normale (Liquidations-) Abwicklung erhalten. § 224 Var 1–3 sehen vor allem auf § 217 [S 1] Var 1b (Gläubigerbefriedigung: § 217 Rn 54–59); § 224 Var 4 ist bezogen auf § 217 [S 1] Var 2/3 (Verwertung, Verteilung, Abwicklung: § 217 Rn 64–67); § 227 ergänzt das um den Bereich des § 217 [S 1] Var 4 (Gemeinschuldnerhaftung: § 217 Rn 68–71), allerdings bedarf es ausnahmsweise nicht mehr einer weiteren, eigenen Regelung (zusätzlich zur teilweisen Befriedigung – gesetzliche Hilfsregelung! – vgl § 227 Rn 3). Weil es sich um die zentral Betroffenen handelt (§ 38), wird und muss der Plan – wenn er denn Sinn machen will – konkrete Regelungen vorgeben. 2. Voraussetzungen a) Personenkreis (Hs 1). In Anlehnung an § 223 (dort Rn 20–22) bezeichnet die Vor- 18 schrift – teilweise etwas versteckt – drei allgemeine Voraussetzungen, zunächst und deut-

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 224 Rn 1 („ist nicht abschließend“); HambK/Thies InsO5 § 224 Rn 2 („jede denkbare [!] Regelung“); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 224 Rn 3 („Beispielhaft“ [!] ./. „im Einzelfall [?] möglich“); Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 7 (es gibt „keinen Numerus clausus“) mit Rn 9; MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 4. Hier anders noch 35 I GA-VO/nF in Anlehnung an § 14 VglO-E 1914 („auf Erlaß oder

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Stundung … – allein oder in Verbindung miteinander [S 1] … Im Übrigen darf er nur Bestimmungen enthalten, die der Sicherung seiner Durchführung dienen [S 2]“) – Enumerationsprinzip; Näheres siehe bei Rn 12 (Klarheitsgebot für den Rechtsverkehr). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 3 – daher sachlich keine Änderung im Vergleich zu KO (dazu Rn 7) und VglO (dazu Rn 8).

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lich den angesprochenen Personenkreis. Betroffen werden die vollrangigen Insolvenzgläubiger („nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger“),29 zumal idR diese bloß anmeldepflichtig sind (arg § 174 III); der Begriffswert ist erschließbar aus § 38 unter „Abzug“ der Fälle gemäß § 39 (wegen Nachrangigen siehe auch noch bei § 225 Rn 5); Altmassegläubiger werden ausnahmsweise erfasst bei Beplanung masseunzulänglicher Verfahren (§ 210a Nr 1), sie werden alsdann nämlich behandelt wie anderenfalls die Vollrangigen30 (Neumassegläubiger bleiben dagegen „planfreigestellt“: § 217 Rn 37). Absonderungsbefugte können zudem auch ergänzend persönliche Gläubiger sein, nämlich „soweit ihnen der Schuldner auch persönlich haftet“ (§ 52 S 1 – Näheres siehe bei § 222 Rn 75–78 und § 223 Rn 12, 20, 26 – Stichwort: Werthaltigkeit des Sicherungsguts?), sonst aber nicht.31 b) Ausgestaltungserfordernisse

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aa) Bestimmheitserfordernis (Hs 2). Es gilt – so wie zu § 223, dort Rn 21 aE – gleich doppelt,32 nunmehr jedoch kraft Vollstreckungs- (dazu § 221 Rn 78 f) wie Prozessrechts (dazu § 221 Rn 73 f) – sog Erfordernis genau(est)er Bezeichnung:33 Rechtsänderungen sind materiell spezifisch zu bezeichnen und können entsprechend später in eben dieser Form aus dem Plan heraus (zusammengekoppelt mit der Tabelleneintragung) zwangsweise durchgesetzt werden (§ 257 I S 1). Unsere Regelung (Hs 2) deutet (nur) das erstere an, wenn sie hier den genauen Bruchteil der Kürzung, den genauen Zeitraum der Stundung, die [genaue] Art konkreter Sicherung als Angabe abfordert; alle „sonstigen Regelungen“ müssen dieses Bestimmtheitsgebot ebenso wahren, so wie dies schon § 221 übrigens („wie [genau] die Rechtsstellung … geändert werden soll“) nahelegt. Das letztere erschließt der systematische Zusammenhang mit § 257 I iVm §§ 704 ff ZPO.34

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bb) Mindestquote? Das Planverfahren ist Bestandteil des einheitlichen Insolvenzverfahrens (dazu Vor §§ 217 ff Rn 83 [IK] bzw Rn 109 [RV] iVm Rn 157 und § 217 Rn 15,

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Die Normüberschrift ist demnach also zu weit geraten: Jauernig/Berger InsR23 Rn 41.2. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 3; MünchKomm/Madaus InsO3 § 210a Rn 1 mit 14; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 224 Rn 2 aE; Nerlich/Römermann/ Westphal InsO29 § 210a Rn 15 (quasi „Ersatzgruppe“ gemäß § 222 I Nr 2); siehe auch für § 210a Smid ZinsO 2017, 2085, 2090 [VI 2]. MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 3. AA einerseits Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 224 Rn 1 und 3 (Herleitung – mit unklarer Beschränkung: „Soweit sich diese [Vereinbarungen] nicht auf den Individualanspruch beziehen“ [?]) und andererseits K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 224 Rn 2 (Anwendung: bereits Bestimmbarkeit genüge!). – Wohl wie hier Braun/Braun/Frank InsO7 § 224 Rn 1 mit 6 („versus“ Rn 5); Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 224 Rn 1 (folgt auch aus Rn 5 – arg „sollten“ bzw Schlusssatz); Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 224 Rn 2

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und 4; MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 5 mit 2 – stärker „vollstreckungsrechtlich“ dagegen Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Silcher InsO3 § 224 Rn 11; HambK/Thies InsO5 § 224 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 224 Rn 10. BT-Drucks 12/2443 S 201 li. Sp. [§ 267] – Näheres siehe bei Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 224 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 224 Rn 6; MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 2; Braun/ Braun/Frank § 224 Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 224 Rn 1; Andres/Andres/Leithaus InsO3 § 224 Rn 1 und 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 224 Rn 1. Es geht nicht etwa um erleichterte Nachprüfung mit Blick vor allem auf Gleichbehandlung – aA offenbar FK/Jaffé InsO9 § 224 Rn 2; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 224 Rn 7 mit Rn 8. Wegen der Herleitung bei Stürner/Münch JZ 1987, 178, 182 f [IV 1a] mit Münch Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch (1989) [PA 72], § 11 III, S 282 ff.

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65). Im Unterschied zu § 7 I S 2 [35 %] bzw II S 1 [40 %] VglO (dazu Rn 10 – konkursabwendender Privatvergleich) fehlt es daher zu Recht (im Anschluss an: EB LS 2.4.7.1) an einer eigenständigen rechtlichen Mindestquote als eine fixe Größe, welche die Praxis als allemal viel zu hoch empfand;35 das Insolvenzplanrecht folgt hier dem alten Recht des konkursbeendenen Zwangsvergleichs. Eine praktische Mindestquote besteht selbstredend aber in Form der Insolvenzquote,36 die freilich einzelfallbezogen variiert. Das ergibt das Verbot voraussichtlicher potentieller Schlechterstellung, das mittelbar den rechtlichen Einigungszwang legitimiert (§ 245 I Nr 1 [Obstruktionsverbot] bzw § 251 I Nr 2 [Minderheitenschutz], siehe dazu bei Rn 32). cc) Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 226). Die Festschreibung des Gruppenbezuges ist 21 redaktioneller Kürzung anheimgefallen (dazu Rn 14). Man darf indes die Norm nicht isoliert sehen oder gar etwa auf einzelne Gläubiger beziehen: für die vollrangigen Gläubiger ist zwingend (!) eine Gruppe zu bilden (§ 222 I S 2 Nr 2), und die Gruppenmitglieder wiederum sind zwingend gleichzubehandeln (§ 226 I – aber: II!). Die Statthaftigkeit unterschiedlicher Ausgestaltung korrespondiert mit dem Vorhandensein disparater wirtschaftlicher Interessen (mit entsprechender unterschiedlicher Gruppenbildung: § 222 II). Das beschreibt den Schlüssel für Gleichstellung oder Differenzierung, und daher sieht die Regel bloß die quotale Kürzung (Var 1: „Bruchteil“) vor, nicht aber die (absolute) Kürzung um Beträge, die einzelne Gruppenmitglieder (intern) unterschiedlich belastet. Und auch der Bestimmtheitsgrundsatz (dazu Rn 19) wirkt infolgedessen somit gruppenbezogen, aber nicht etwa gläubigerbezogen.37 c) Planverortung (Hs 1). Die konkrete Regelung ist außerdem zwingend „im gestal- 22 tenden Teil des Insolvenzplans“ zu dokumentieren (oder treffender wohl: vorzusehen, denn es geht um Konstitution, nicht Deklaration – erst recht auch nicht bloß Information übriger Beteiligter, vgl Rn 1). Damit soll just die Rechtsstellung der „Vollrangigen“ – materiell (Kürzung/Stundung/Sicherung) oder uU bloß prozessual (Ausgestaltung/Durchführung des laufenden Insolvenzverfahrens) – inhaltlich geändert werden (§ 221). Fehlte der Zusatz, wäre er auch systematisch ohne weiteres also hineinzulesen (bzw systematisch aus § 221 herauszulesen). Würde denn die Gestaltung insoweit falsch platziert, führte dies zur gerichtlichen Beanstandung (§ 231 I Nr 1), indes mit einer Heilungs- bzw Nachbesserungsmöglichkeit. Dazu kommt fast immer eine differenzierende Gruppenbildung: die „Zwangsgruppe“ (§ 222 I S 2 Nr 2, dort Rn 60 und 79) wird üblicherweise näher aufgegliedert (§ 222 II, dort Rn 90 ff), um disparate Plangestaltungen zu gestatten (§ 226 I, hier Rn 20).

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Exemplarisch die Darstellungen bei Hanisch ZZP 90 (1977), 1, 33; Kilger ZIP 1982, 779, 780 [I 1]; Balz ZIP 1988, 273, 283 [III 2]. Vgl auch erg EB Mot S 268 und BTDrucks 12/2443 S 73 bzw Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 224 Rn 9; FK/ Jaffé InsO9 § 224 Rn 6. Hiergegen noch dezidiert EB Mot S 267: „Zu befürchten wären Auseinandersetzun-

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gen über den hypothetischen Liquidationswert der Masse und über die vermutlichen Liquidationsquoten.“ – JA! Sehr ausf dazu FK/Jaffé InsO9 § 224 Rn 5–7 mit 9. BT-Drucks 12/2443 S 201 li. Sp. [§ 267] (die Regelung hatte freilich den klareren Wortlaut, siehe oben bei Rn 13).

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3. Ausgestaltungen

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a) Grundsätzliches. Der Katalog (Hs 2 Var 1–3) ist offensichtlich beispielhaft nur gemeint,38 weil er auch weitere Regelungen ohne Begrenzung zulässt (Var 4); er hat also keine enumerative oder restriktive Funktion (dazu Rn 16), sondern dient der Illustration. Ist demnach nun jedwede Rechtsänderung möglich39 (wenn sie denn die nötigen Formalbedingungen [dazu Rn 19 und 22] einhält) oder existieren weitergehende Beschränkungen (ganz allg dazu § 221 Rn 55 ff)? Dafür taugen nicht die Plantypen, Planzwecke, Planziele etc (dazu Vor §§ 217 ff Rn 39 ff iVm 108),40 man verwechselt damit inhaltlich Ursache und Wirkung: die Planvorgabe prägt den Typus und nicht andersherum. Auch wer etwa auf eine schuldrechtlich,41 rechtsgeschäftlich42 oder individualvertraglich43 mögliche Vertragsabmachung begrenzt,44 agiert zu rigide. Dass dingliche Erklärungen ebenfalls hier darunterfallen, zeigt eindeutig schon § 228;45 dass Realakte nicht miterfasst sind, spielt keine große Rolle, weil hier gemeinhin schuldrechtliche Verfügungsakte vorliegen (aber: Var 3!). 24 Fragwürdig aber ist doch ein Doppeltes: Man muss wohl kaum die privatrechtlich benötigten Erklärungen nachzeichnen (Var 1: § 397 BGB?) und darf wohl auch die privatoder steuerrechtlichen Formalschranken vernachlässigen (Var 1: § 227 AO; Var 2: § 271a BGB?; § 222 S 1 und 2 AO).46 Man steht deshalb am Ende uU doch freier. Anders herum gesagt: Es geht um Eingriffe in anderweit rechtsverbindlich entstandene schuldrechtliche Ansprüche („Forderungen“ – iSv §§ 38/39) – im Umfang genereller Gestaltungsermächtigung (§ 217 S 1 iVm § 221 S 1), die genau hierfür Legitimierung liefert. Und indem das Prozessrecht insb Kürzung (Var 1), Stundung (Var 2), Sicherung (Var 3) gestattet (dazu Rn 25–28), will es hier lex specialis sein. Das betrifft aber alleinig den Entstehungs-, nicht auch den Wirksamkeitstatbestand, hierfür bleiben reguläre Kriterien maßgeblich (dazu § 221 Rn 59). So überlagert zB Var 2 den § 271a BGB (das beweist gleichfalls § 255), nicht aber die §§ 134/138 BGB (Parallelproblem: § 225a Rn 34 f).

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b) Spezialtatbestände. Kürzung (Var 1) ist relativ festzusetzen („um welchen Bruchteil“), sollte niemals absolut erfolgen (um je 1.000 EUR). Dies ist fast die letztlich wichtigere Normaussage: es geht um materielle, proportionale Gleichheit bezüglich des Verlustes (dazu § 226 Rn 15). Dabei wird indes kein allgemeiner (Rest-) „Verzicht“ untergelegt47

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 224 Rn 1; Braun/Braun/Frank InsO7 § 224 Rn 2 („Hauptgestaltungsmöglichkeiten“); HK/ Haas InsO9 § 224 Rn 2 („nennt die typischen Formen“); HambK/Thies InsO5 § 224 Rn 2; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 224 Rn 7 („exemplarischer Natur“). K Schmidt/Spliedt InsO19 § 224 Rn 2; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 224 Rn 7 bezieht sich richtig auf (materielle) Privatautonomie und (prozessuale) Plandisposition; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 224 Rn 3 aE („entsprechend der Grundprämisse von § 1 [S 1] InsO“); Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 9. Dies suggeriert aber FK/Jaffé InsO9 § 224 Rn 8 mit 2 und 3; wohl auch HambK/Thies InsO5 § 224 Rn 2 und Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 224 Rn 7.

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 224 Rn 4 aE, siehe auch den „Korrekturversuch“ bei Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 224 Rn 2 mit Fn 3. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 224 Rn 3. HK/Haas InsO9 § 224 Rn 4. Eher unspezifisch hier HambK/Thies InsO5 § 224 Rn 2: „jede denkbare [!] Regelung … vereinbart [?]“ (Hervorh vom Verf). Unklar MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 4. Näher dazu bei MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 8 [§ 227 AO] und 10 [§ 222 AO] – aA OLG Celle NZI 2009, 59 [II 2] (obiter). AA Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 10.

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(arg § 227 I, dort Rn 22–24), ein Erlass wäre jedoch rechtlich ohne weiteres über Var 4 wohl regelbar (dazu § 221 Rn 25).48 Bei Nichterfüllung droht demgegenüber ein Wiederaufleben (§ 255 I). Definitorisch sind problematisch die beiden Schranken: Wäre sogar der Erlass eine Kürzung (um 100 %)?49 Ist auch die Bewahrung insoweit Kürzung (um 0 %)?50 Das passt deutlich mehr schlecht als recht, schadet aber niemals, weil jedwede Typenfixierung mangelt und hier immer Var 4 hilft – die Standardformel, allemal erlaubt sei quotale Kürzung sogar bis hin zum Erlass, ist demnach doch am Ende richtig – dafür gilt § 227 I aber nicht (es fehlt an einer planerischen Befriedigung), dh dann führt einmal Kürzung faktisch zum Verzicht. Unter Var 4 gern genannt wird der sog Forderungsverzicht mit Besserungsschein.51 So- 26 weit jener aber als einfache Besserungsabrede auftritt (siehe aber bei Rn 29), ist es nur auflösend bedingt erfolgende Kürzung (wenn man hier die Bedingung als Ergänzung sieht, dann mag Var 4 zutreffen). Das entlastet die Bilanz dann sofort, gewährt freilich zukünftig gleichwohl ein Recht auf „Nachschlag“, falls sich die erwarteten Sanierungserfolge einstellen. Das Anliegen ist durchaus billigenswert: Man tut aber sehr gut daran, die maßgebenden Bedingungen bereits im Vorfeld eindeutig festzulegen. Stundung (Var 2) gilt als wohl der geringst mögliche Eingriff:52 der Anspruch bleibt 27 erhalten, ist über das Insolvenzverfahren hinaus (!) materiell jedoch durchsetzungsgehemmt – allerdings das auch nur zeitweilig (dilatorische Einrede). Es ist dies keine Klagesperre, sondern Frage der Begründetheit. Buchhalterisch geht es bloß um Liquiditätssicherung im Unterschied zu Entschuldungsakten53 (so wie nach Rn 27, welche gemeinhin [sanierungs-] günstiger wirken). Bei Nichterfüllung verbleibender Restzahlungen droht jedoch künftig der Wegfall (§ 255 I: „wird die Stundung … hinfällig“). Sicherung (Var 3) ist ebenfalls prozessual zu verstehen (so wie auch „Befriedigung“, vgl 28 § 217 Rn 54 bzw § 227 Rn 4), also als eine Einräumung zusätzlicher Positionen (somit eine Art „Garantie“54), nicht etwa als Sicherheitsleistung iSv § 232 BGB.55 Hierher rechnen Realsicherheiten des Gemeinschuldners (wenn es denn welche gibt … § 223!) und auch die Übertragung von Forderungen (Sicherungsabtretung; wegen Forderungstausch [„DES“] siehe Rn 29) – das kann man dann planerisch auch unmittelbar über § 228 realisieren;56 48

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Am besten, man meidet hier jegliche materielle Anleihe; neutral ist Kürzung – und trifft es – prozessual – am besten! Alle Begriffe sind variabel: VG Stuttgart NZI 2018, 30, 31/32 [1a]. So die hM: Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 224 Rn 1; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Silcher InsO3 § 224 Rn 6; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 224 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 224 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 224 Rn 11; HK/Haas InsO9 § 224 Rn 2; Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 224 Rn 3 bei/ mit Fn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 224 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 10; MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 6. Dies meinen wohl HK/Haas InsO9 § 224 Rn 2 und Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 224 Rn 2. HambK/Thies InsO5 § 224 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 224 Rn 4; Küb-

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ler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 17; MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 13 – krit Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Silcher InsO3 § 224 Rn 13; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 31. MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 15. MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 11. Noch immer grundlegend dazu siehe RGZ 10, 33, 36 und BGHZ 34, 254, 258. Genauso, aber ohne weitere Begründung Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 16; wohl wie hier MünchKomm/ Breuer InsO3 § 224 Rn 12. Sehr apodiktisch hier Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 16 und HK/Haas InsO9 § 224 Rn 3; unklar hingegen MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 4.

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§ 224

Sechster Teil. Insolvenzplan

Dritte bleiben vorderhand allemal planfrei, können aber freiwillig doch helfen (zB Bürgschaftsübernahme, Grundpfandbestellung), entweder unmittelbar durch Beitritt festgemacht (§ 230 III – „plandirekte“ Lösung) oder aber gekoppelt über eine Bedingung als Erfordernis gerichtlicher Bestätigung (§ 249 – „planexterne“ Lösung). Vorstellbar wäre gleichfalls eine zusätzliche Verzinsung57 oder zB auch die zukünftige Verrechnung unter bestimmten Bedingungen, Gewähren anderweitiger Vorteile58 etc.

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c) Globalermächtigung. Anderweite Abänderung (Var 4) meint hier die Änderung der Stellung als Insolvenzgläubiger, dh die Durchsetzung („Befriedigung“) von Forderungen, nicht etwa die Umgestaltung vertraglicher Beziehungen (zB Kündigung, Vertragsanpassung, Auflösung) – hierfür gelten immer noch die insoweit allgemeinen Vorgaben (§§ 103 ff – falls planerisch keine Abweichung, dazu § 217 Rn 48 aE), insbesondere auch für alle Arbeitnehmer (§§ 120 ff),59 deren Rechte nicht plandisponibel sind, aber am Ende über § 230 III (analog) ebenso Plangegenstand werden können. Darunter fallen etwa Aufrechnungsverzicht,60 Naturalleistung statt Geldliquidation, Rangrücktrittserklärung61 (in Anlehnung an § 39 II – jedoch ohne Folgen nach § 225).62 – Möglich sind ebenso Kombinationen aus Var 1–3, zB Kürzung mit Stundung,63 Stundung mit Sicherung oder auch Kürzung mit Sicherung64 oder Modifikationen bei Var 1–3. Dazu rechnen etwa die sog komplexen Besserungsabreden (siehe aber bei Rn 26), dh Quotenerhöhungen (Var 1 – „Flexiquoten“65) bzw Fristenverkürzung (Var 2 – „Flexizeiten“66) je nach weiterem Sanierungsfortschritt; man sollte die Bestimmtheitshürden im Sanierungsinteresse schlussendlich nicht übergewichten. Der sog Debt Equity Swap [„DES“] (Rn 15) ist heute mittels § 225a II S 1 [Gestaltung, § 225a Rn 27 f] und S 2 iVm § 230 II [Zustimmung, § 230 Rn 28–30] speziell vom Gesellschaftsrecht her geregelt, mag natürlich aber ebenfalls mit Var 1–3 zusätzlich noch verkoppelt sein67 (zB Umwandlung eines Teilbetrags und Erlass des Rests). 30 Der sog Liquidationsvergleich alten Rechts (§ 7 IV VglO, offenkundig ein Überbleibsel der römisch-rechtlichen cessio bonorum, siehe dazu auch Vor §§ 217 ff Rn 42; § 221 Rn 73; § 255 Rn 16) wurde jedoch eingemottet. Gemeint war hiermit der Übertrag von Vermögen („ganz oder teilweise“) vom Schuldner auf alle seine Gläubiger zur Befriedigung („Verwer-

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 17. HK/Haas InsO9 § 224 Rn 2. FK/Jaffé InsO9 § 224 Rn 12 (Wochenarbeitszeit); Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 8 mit § 217 Rn 32 f (Arbeitnehmerrechte); wegen Tarifbindung (§ 4 I S 1 TVG) siehe MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 7. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 224 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 224 Rn 3. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 221 Rn 11 und § 224 Rn 4; HambK/Thies InsO5 § 224 Rn 2. Anders im Ansatz MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 14. So auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 15. Anders Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 16; klarer hier MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 12.

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Sehr weitgehend hier Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO63 § 224 Rn 12–14 mit § 225 Rn 11 und K Schmidt/Spliedt InsO19 § 224 Rn 2; bedächtig Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 224 Rn 6 (klare Bestimmbarkeit nötig); skeptisch HambK/Thies InsO5 § 224 Rn 4. Jüngst dazu Madaus FS Graf-Schlicker (2018) S 337. Neuerlich sehr großzügig Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 15 und K Schmidt/Spliedt InsO19 § 224 Rn 2. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 224 Rn 1; Braun/Braun/Frank InsO7 § 224 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 224 Rn 3; HambK/Thies InsO5 § 224 Rn 2 mit 5; HK/Haas InsO9 § 224 Rn 4; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 224 Rn 3 aE; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 17; MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 15.

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Rechte der Insolvenzgläubiger

§ 224

tung“) – der dann ungedeckt bleibende Teil solle jedoch hiernach als erlassen gelten (Hs 1). Hierbei wurde die gesetzliche Mindestquote (§ 7 I S 2: 35 % – näher dazu bei Rn 10) faktisch entscheidend abgemildert (Hs 2), denn alsdann genügte ihr lediglich „voraussichtlich[es]“ Einhalten (Prognoseentscheidung!) mit der Resthaftung für den Mindererlös – der Vergleich blieb bestehen. Anders herum gesagt: das harte „gewähren“ der Quote (§ 7 I S 2 VglO) war durch ein weicheres „erwarten“ verdrängt; ergänzend entfiel damit die Bargebotspflicht (§ 7 III VglO). Die explizite gesetzliche Erlaubnis beinhaltete dann zugleich auch insoweit eine Freistellung vom Bestimmtheitserfordernis. Oft schien jedoch ein Übertragen auf die Gesamtheit der Gläubiger zu ungelenk und man kombinierte den Liquidationsvergleich mit einer Treuhänderschaft eines Dritten (sog Liquidationstreuhandvergleich).68 Eine Bemühung, den Gedanken zu bewahren, ist letztlich der Vorschlag, weitergehend 31 sog Gesamtabgeltungsklauseln anzuerkennen. Man stellt einer Gruppe einen absoluten Gesamtbetrag zur Verfügung, die Prozentquote ist Rechensache im Einzelfalle. Das wird bei feststehender und unstreitiger Höhe der Berechtigten teilweise für ebenfalls erlaubt angesehen;69 die Quotenhöhe würde sich durch Nachzügler demnach verschlechtern können – das Risiko kann mithin die Sanierung nicht tangieren. Dafür gibt es aber heute andere Hilfen (§§ 259a/b, ergänzend noch präventiv § 229 S 3), die zugegebenermaßen jedoch nicht sofort weitere Sicherheit bringen (Präklusivregeln sind ausgeschlossen, vgl § 217 Rn 51 und § 221 Rn 85–88). Bedenken bestehen insoweit allemal wegen des Bestimmtheitsgebots, wobei man indes das Vollstreckungsproblem nicht übergewichten sollte: vollstreckungsrechtlich bestimmt ist ebenfalls, was mittels offenkundiger, allgemein zugänglicher Quellen bestimmbar ist oder was sich mit einfacher Rechenoperation ermittelt.70 Dies ließe sich gewiss aufs planerische Bestimmtheitsgebot übertragen:71 es genügt demzufolge, dass der Plan für sich selbst genommen allgemein verständlich erscheint. Wenn man aber die jeweilige Quotenhöhe stattdessen mittels „Nachschlag“ einfriert,72 verpuffen alle Wirkungen – dann kann man doch eine Quote gleich exakt nennen! Der zentrale Kritikpunkt liegt schließlich woanders: wenn Var 1 gezielt quotale Kürzung vorgibt („Bruchteil“), kann man dies nicht über Var 4 gleichsam „kalt aushebeln“. 4. Rechtskontrolle Die Achtung der Vorgabe des § 224 ist selbstverständlich gerichtlicher Amtsprüfung 32 unterworfen.73 Hierbei zielt die präventive Vorkontrolle sowohl auf Rechtsprüfung (§ 231 I S 1 Nr 1 Hs 1 Var 2) wie praktische Durchführbarkeit (§ 231 I S 1 Nrn 2 und 3), die repressive Nachprüfung hingegen nur auf ersteres (§ 250 Nr 1 Var 1). § 224 macht hier Vorgaben über den Planinhalt, zugegeben weniger bezüglich des „Was“, sondern zum „Wie“. Hier ist etwa die Gelegenheit, Bestimmtheitsverstöße aufzudecken und rechtzeitig entspre-

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Leitentscheidungen: RGZ 89, 131, 134 f; 145, 253, 256 f; wegen der Konstruktion siehe bei Bley/Mohrbutter VglO4 § 7 Rn 10. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 224 Rn 7 bzw Braun/Braun/Frank InsO7 § 224 Rn 3 – dazu jüngst auch C Weber ZInsO 2017, 255, 256 ff [II/III] mwN (Fn 10) [vgl auch erg S 261 [IV]: „will sorgsam gehandhabt werden“] und Heerma/Bergmann ZIP 2018, 949, ferner MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 18.

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Grundlegend BGHZ 122, 16, 18 ff mit BGHZ 22, 54, 58 ff. AA Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 224 Rn 11 f. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 224 Rn 6; MünchKomm/Breuer InsO3 § 224 Rn 16. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 224 Rn 1; FK/ Jaffé InsO9 § 224 Rn 2; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 224 Rn 8 aE.

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chend nachzubessern; das gilt für Platzierungsverstöße und auch für Formulierungsfragen sicher nicht anders (Abhilfemöglichkeit!). – Die formale gerichtliche Prüfung ist grundsätzlich zu unterscheiden von der Überprüfung des „Was“, dh vom individuellen Minderheitenschutz (§ 251 I Nr 2: Schlechterstellungsverbot),74 der einen allemal konkreten Schutzantrag erfordert, und ebenfalls der möglichen gerichtlichen Zustimmungsersetzung (§ 245 I Nr 1: Obstruktionsverbot) bei Verfehlen der einzelnen Gruppenmehrheit.

§ 225 Rechte der nachrangigen Insolvenzgläubiger (1) Die Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger gelten, wenn im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist, als erlassen. (2) Soweit im Plan eine abweichende Regelung getroffen wird, sind im gestaltenden Teil für jede Gruppe der nachrangigen Gläubiger die in § 224 vorgeschriebenen Angaben zu machen. (3) Die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens für Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten kann durch einen Plan weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden. Materialien: DiskE § 258 (Text: S 132, Begr: BT S 233–235), RefE § 258 (Text: S 150, Begr: BT S 267–269); RegE § 268 (BT-Drucks 12/2443 S 51, 123 li. Sp., 201, 209 re. Sp. [RV]; BT-Drucks 12/ 7302 S 98, 182 re. Sp. [RA]) – Stammfassung. Vorgängerregelungen: GA-VO/nF § 62, VglO/aF § 74 II (RT-Drucks III/2340 S 33 [RV]; RTDrucks III/3430 S 21, 36 [RA]), RJA § 83 II (Mot S 80 f), § 83 II VglO/nF (DJ 1935, 389, 392 li. Sp.). Literatur Madaus Sind Vorzugsaktionärsrechte letztrangige Insolvenzforderungen?, ZIP 2010, 1214; K Schröder Rechtlos im Insolvenzplanverfahren? Über den mangelnden Rechtsschutz nachrangiger Gläubiger bei Streit über den zu erwartenden Übererlös, ZInsO 2014, 2069; Zeitler Behandlung der Geldstrafe und der Verfahrenskosten im Insolvenzverfahren, Rpfleger 2001, 337.

Übersicht I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . II. Normgenese . . . . . . . . . . . . . III. Grundregel (Abs 1) . . . . . . . . . 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . 2. Befugnis abweichender Regelung 3. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . .

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IV. Ausformung (Abs 2 und Abs 3) . 1. Normsystematik . . . . . . . 2. Notwendigkeit abweichender Regelung (Abs 1–3) . . . . . . 3. Planausgestaltung (Abs 2) . . 4. Statthaftigkeit abweichender Regelung (Abs 3) . . . . . . .

FK/Jaffé InsO9 § 224 Rn 3 mit 7: „Die Grenze der Selbstbestimmung wäre überschritten, …“.

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I. Normzweck Der eigentliche Aussagewert der Vorschrift erschließt sich in ihrem systematischen Zu- 1 sammenhang: die grundsätzliche Einbeziehung nachrangiger Gläubiger ins Insolvenzverfahren (§ 39) erfordert „vor Ort“ mancherlei Modifikationen und Schwächungen (siehe einführend schon § 39 Rn 6 [Henckel]). Wichtige Bezüge bestehen für § 225 vor allem mit § 222 I S 2 Nr 3 (Gruppenbildungserfordernis) und § 246 (Zustimmungserfordernis), indes auch mit § 245 II Nr 2. Schließlich fungiert die Regelung als „Kontrapunkt“ zur Stellung vollrangiger Gläubiger im Insolvenzplanverfahren, die insb mit § 224 (prozessual) und § 227 (materiell) hier beschrieben wird (gesetzliches Anliegen umfassender Regelung). Die Vorschrift ist praktische Konsequenz der regelmäßigen Erfahrung, dass schon die 2 „vollrangigen“ Gläubiger bei einer Insolvenz meist das Nachsehen haben und allenfalls noch eine teilweise Befriedigung bekommen. Erst recht fehlt dann jeder Anlass, schwächer positionierte, nachrangige Gläubiger (§ 39) am vorhandenen Vermögenswert zu beteiligen (und damit die Quote der Übrigen zu mindern!).1 Jenen Regelfall deckt Abs 1 im Hauptsatz und konnotiert damit mit Wirkung für die Zukunft den Erlass der Forderung (im Unterschied zu § 227 I, hier Rn 11, dort Rn 24), ohne dass dazu ein Vertrag nötig ist (so wie nach § 397 I BGB); Abs 1 im Nebensatz lässt allerdings abweichenden Regelungen Raum, erlaubt somit die Einbeziehung von Sonderfällen (wegen Beispielen siehe Rn 15–17) – vorbehaltlich der Spezialregeln von Abs 2 und Abs 3: Abs 2 (Rn 18 f) beschreibt positiv die benötigten Angaben inhaltlich abweichender Gestaltung, Abs 3 (Rn 9, 20–22) begrenzt negativ die konkret gewährte Gestaltungsfreiheit. Die Absätze sind freilich beide sprachlich verunglückt formuliert und verschleiern nicht zuletzt dadurch ihren Zusammenhang mit Abs 1 eher, als ihn klar offenzulegen. Mitunter wird dem ersten Absatz noch der zusätzliche Zweck beigemessen, die Planauf- 3 stellung zu erleichtern2 bzw das Verfahren zu vereinfachen.3 Das erscheint etwas überzogen (und inhaltlich bloß berechtigt für § 222 I S 2 Nr 3: Ausklammerung von der Gruppenbildung!) – der Klarstellungseffekt ist maßgeblich von materiellrechtlicher Art (Hauptsatz), soweit zusätzlich ferner konträre prozessuale Dispositionen eröffnet werden (Nebensatz), ergeben sich weitere Erfordernisse zur Aufstellung des Insolvenzplans und gerade keinerlei Erleichterungen. Dazu kommt die große Gefahr des Widerspruchs der Vollrangigen bei Besserstellung der Nachrangigen.4 Man sollte also gute Gründe haben … (dazu Rn 15–17).

II. Normgenese Unter altem Recht waren die heute nachrangigen Gläubiger Unbeteiligte (§ 63 KO bzw 4 § 29 VglO – so auch noch zunächst EB LS 1.1.5 III), dennoch wurde ein Vergleich bisweilen auf sie ebenfalls erstreckt. Die Rechtslage war auffallend unübersichtlich und inkonsis-

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BT-Drucks 12/2443 S 201 re. Sp. [§ 268 {3}]. Braun/Braun/Frank InsO7 § 225 Rn 1 aE. HK/Haas InsO9 § 225 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 225 Rn 1 aE. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 225 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 225 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 225 Rn 2; MünchKomm/Breuer InsO3 § 225 Rn 2 – daher besser im Duktus FK/Jaffé InsO9 § 225

Rn 2 f iVm 9, aber vgl auch Rn 11 f („Vorrang“ vor dem Schuldner). Und ebenso ist per § 225a III nun der Anreiz entfallen, Gesellschafter zur Weiterführung planerisch zu „motivieren“ (so noch früher BK/Flöther/Wehner InsO36 § 225 Rn 5): der Fortführungsbeschluss ist ersetzbar (Hs 2 Var 1), die Gesellschafterstruktur ist änderbar (Hs 2 Var 2).

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Sechster Teil. Insolvenzplan

tent,5 insb aufgrund Divergenzen zwischen Zwangsvergleich (KO: faktischer Leerlauf) und „Parteivergleich“, einerseits mit Kürzung bei Schenkungen [heute Fall des § 39 I Nr 4 InsO] (§ 83 I VglO) und kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen [heute Fall des § 39 I Nr 5 InsO] (§ 32a I GmbHG/aF), andererseits mit Erlassgewähr, aber – konträr – auch Forthaftung. Die nämliche (Vergleichs-) Regelung für Zinsen und Kosten [heute die Fälle von § 39 I Nrn 1 und 2 InsO] liefert das Vorbild für Abs 16 (§ 83 II VglO: „gelten, wenn der Vergleich nichts anderes bestimmt, als erlassen“); Geldstrafen [heute Fall des § 39 I Nr 3] blieben ungeregelt und wurden nicht weiter betroffen7 (Umkehrschluss!) – dieses war Muster für Abs 3,8 der freilich nunmehr positiv regelt, was bereits einst gemeint war.

III. Grundregel (Abs 1) 1. Tatbestand Erfasst werden insb Ansprüche nachrangiger Gläubiger iSv § 39.9 Dabei kann man unterscheiden: (a) Gesetzlicher Nachrang kraft enumerativer Regelung (Abs 1), namentlich für Zinsen (Nr 1) und Kosten (Nr 2), Freigebigkeiten (Nr 4) und Gesellschafterdarlehen (Nr 5 mit IV und V). Ausgeklammert bleiben jedoch wegen § 225 III die Tatbestände von § 39 I Nr 3 (Geldstrafen etc, Näheres unten bei Rn 21 [b]). Bei Zinsansprüchen ist zusätzlich zu unterscheiden: die Zinsen aus vollrangigen Insolvenz(haupt)forderungen sind nachrangig nach § 39 I Nr 1, die Zinsen (und Kosten) aus nachrangigen Insolvenz(haupt)forderungen (iSv Nrn 2–5) teilen deren Rang (Abs 3). (b) Vertraglicher Nachrang infolge entsprechender Abreden (Abs 2); „im Zweifel“ rangieren solche Ansprüche hinter gesetzlich nachrangig normierten. (c) Entsprechender Nachrang von inhaltlich gleichermaßen nachgestellten Gläubigern, wie insb der Dividendenanspruch stimmrechtsloser Vorzugsaktionäre.10 6 Ob vorherig Anmeldung erfolgte (§ 174 III S 1: Zusatzaufforderung von Seiten des Insolvenzgerichts?), bleibt sich gemeinhin aber gleich: es wird üblich nicht aufgefordert, nicht angemeldet, nicht festgestellt – weil darauf auch klassischerweise kaum jemals noch wirklich etwas entfällt (aber vgl doch § 199). Bei einem Regelverfahren würde dadurch prozessual Titulierung verhindert (die Forderung aber natürlich indes fortbestehen, vorbehaltlich der Vorschriften der §§ 286 ff, hier insb auch § 301 I S 2); bei einem Planverfahren

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Siehe dazu den Überblick bei BT-Drucks 12/ 2443 S 201 [§ 268 {1 und 2}]. BT-Drucks 12/2443 S 201 re. Sp. [§ 268 {3}] (Grundsatz): „verallgemeinert … die Regelung, die das geltende Vergleichsrecht … enthält“. Bley/Mohrbutter VglO4 § 83 Rn 2 im Anschluss an RT-Drucks III/2340 S 33 re. Sp. BT-Drucks 12/2443 S 201 re. Sp. [§ 268 {5}] (Ausnahme): „Für Geldstrafen … bleibt es bei der Regelung des geltenden Vergleichsrechts“. Ergänzend: Art 108 III EG; §§ 264–266, 327 InsO; § 51 I VAG sowie noch sub (c) – verkürzend insoweit jedoch MünchKomm/ Breuer InsO3 § 225 Rn 10–13.

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So sieht es BGHZ 185, 206, 208 mit 211–213 {14 mit 27 ff, 30 f} (noch vor dem ESUG) = DZWIR 2010, 384 – zust Krüger/ Staak BB 2010, 1816, 1818; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 225 Rn 1 und 2; HK/ Haas InsO9 § 225 Rn 1 aE; FK/Jaffé InsO9 § 225 Rn 10 – krit Madaus ZIP 2010, 1214, 1216 ff; HambK/Thies InsO6 § 225 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 225 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 225 Rn 4 mit § 227 Rn 3. Näher dazu siehe noch § 225a Rn 26 aE, aber erg auch § 227 Rn 12.

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Rechte der nachrangigen Insolvenzgläubiger

§ 225

wird materiell über § 225 I [Hauptsatz] zusätzlich (!) dazuhin Schuldenerlass gewährt (dazu Rn 10) und damit jeglichem Klageerfolg vorgebaut. Der Erlass führt zum endgültigen Untergang der Forderung (dazu Rn 11). Indes darf keine konträre Planvorgabe bestehen – die Vorschrift ist dispositiv gestellt 7 (§ 225 I [Nebensatz], dazu Rn 9) und erlaubt, andersartige Inhalte festzuhalten, dh den Anspruch insgesamt oder teilweise, aufrecht zu belassen, rangklassenkonform oder separat von der Reihung11 (aber: § 251!). Auch dafür bedarf es keiner förmlichen Anmeldung, was häufig allerdings schief postuliert ist.12 Mangels Anmeldung entfällt lediglich nämlich die spätere Titulierungskraft des Tabellenauszuges (§ 257 I); infolge abweichender Inhalte würde die Forderung jedoch materiell, so wie es der konkrete Plan vorsieht, aber fortbestehen und durchsetzbar sein. Dies sollte das Gericht im Vorfeld mitbedenken (§§ 174 III, 177 II, dazu Rn 8).13 Nicht erfasst werden dagegen (a) Ansprüche vollrangiger Gläubiger, so wie sie sich 8 hieraus komplementär im Umkehrschluss ergeben. Diese fallen unter § 227, was speziell die „Nachwirkung“ betrifft (dazu § 227 Rn 22–24 mit Rn 8 f), dem gegenüber § 225 gleichsam lex specialis ist, sowie allgemein unter § 224 bezüglich der Erfordernisse der Plangestaltung („Für die nicht nachrangigen Gläubiger …“). (b) Das gilt auch für aufschiebend bedingte Forderungen:14 sie bleiben vollrangig (arg § 191 I), sogar bei einem unwahrscheinlichen (fernliegenden) Bedingungseintritt, der zwar einer Erlöszuteilung entgegenstehen würde (§ 191 II), aber keinerlei Anspruchsverlust begründet (wenn und weil die Bedingung dennoch eintreten sollte!). Nicht erfasst werden zudem die Ansprüche nachrangiger Gläubiger bei (c) ausdrücklich abweichend vorgesehener Gestaltung (dazu Rn 18 f); § 225 II erstreckt dann insgesamt darauf die Regeln des § 224 (wegen des Gruppenbezuges siehe bei Rn 18). 2. Befugnis abweichender Regelung Die Grundregel („Hauptsatz“) ist explizit dispositiv gestellt („Nebensatz“). Es mag 9 wohl Sonderkonstellationen geben, welche gewisse Sondergestaltungen fordern (wider die Regel bei Rn 2). Dass sämtliche vollrangigen Gläubiger wirklich Vollbefriedigung erhalten, ist große Rarität und eher bloß ein Wunschtraum (obgleich einen „Suhrkamp“ eines Besseren jetzt belehrte …); hier sollte es Sinn machen, Übererlöse nachrangigen Gläubigern zuzubilligen, anstatt sie einfach dem Gemeinschuldner kurzerhand rückzugeben (arg § 199 S 1 [Regelverfahren]). Wegen Einzelheiten siehe Rn 15–17. – Wer also „nur“ einen verfahrensleitenden Insolvenzplan (§ 217 [S 1] Var 3) ansteuert, sollte „gegensteuernd“ regeln, dh materielle Folgewirkungen klarlegend ausschließen; sonst wird – zwangsläufig – über die „normierte Erlassregel“ (Abs 1) eine materielle „Verböserung“ für die Nachrangigen15

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 225 Rn 6 f. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 225 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 225 Rn 2 aE; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225 Rn 2; HK/ Haas InsO9 § 225 Rn 3; MünchKomm/ Breuer InsO3 § 225 Rn 17; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 225 Rn 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 225 Rn 8.

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Richtig Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 225 Rn 2: Empfehlung unverzüglicher [?] Nachholung. Und entsprechend für bestrittene, weder titulierte noch verteidigte Forderungen (§ 189). Anders die Regeln für auflösend bedingte (§ 42) und betagte (§ 41) Ansprüche. Scil. ein Befriedigungsausschluss (§ 217 [S 1] Var 1b] und insoweit auch reziprok ein Haftungsausschluss (§ 217 [S 1] Var 4] für den Gemeinschuldner.

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mitbewirkt. Anders herum gesagt: der „Plantyp“ als solcher bedeutet nicht auch schon eine Regelung, denn der Planverfasser muss das ausdrücklich so formulieren (arg Abs 2). 3. Rechtsfolge Die Vorschrift ist weder Vermutungs- noch Zweifelsregel,16 sondern gibt eine strikte gesetzliche Vorgabe („Hauptsatz“), die indes ihrerseits wiederum dispositiv gestellt wurde („Nebensatz“). Bei mangelnder abweichender Planvorgabe greift somit hier ein gesetzlich verordneter Planinhalt: ein „aufoktroyierter“ materiellrechtlicher Forderungserlass gem § 397 I BGB. Da dies bürgerlich-rechtlich aber an sich einen Vertrag erfordert, wählte das Gesetz den „Kniff“ gesetzlicher Fiktion („gelten … als erlassen“); so wird § 397 I [Hs 1] BGB ohne Brüche gleichwohl doch verwendbar:17 „Das Schuldverhältnis erlischt …“. 11 Dass sich dabei § 225 I InsO auf einzelne „(Aktiv-) Forderungen“ bezieht, während § 397 I BGB auf das Schuldverhältnis und die Passivstellung fokussiert, stört deswegen letzthin nicht: § 397 meint hier allemal doch das Schuldverhältnis i.e.S. und wirkt dabei als abstrakter Verfügungsvertrag bezüglich der Forderung.18 Die Forderungen nachrangiger Gläubiger gelten damit dann als materiell beseitigt, sie hören auf, juristisch zu existieren. Die Wirkung ist stärker als einfache Restschuldbefreiung, die das Gesetz (§ 227 I, dazu vgl dort Rn 24) für die unbefriedigten „Forderungsreste“ vollrangiger Gläubiger als reguläre Rechtsfolge vorsieht.19 12 Bei Absonderungsrechten führt dies oft zu nachfolgender Konstellation: Hauptanspruch und Zinsen bis Eröffnung sind vollrangig zu bedienen, alle Zinsen nach Eröffnung haben Nachrang (§ 39 I Nr 1), gelten damit also als erlassen, so dass insoweit die Sicherungswirkung des Absonderungsrechts entfällt (Akzessorietät bzw Fiduziarabrede). Demgegenüber wird vorgeschlagen, eine Sondergruppe zu bilden und dafür den Erlass auszuschließen, ohne zugleich etwas auf diese Forderung zuzuteilen (dazu § 222 Rn 85). Das allerdings ist schwerlich mit § 245 II Nr 2 in Einklang zu bringen!20 Es geht um eine offenkundig wirtschaftliche Betrachtung („Werthaltigmachen“).

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AA aber zB Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 225 Rn 1 (Auslegungsregel); Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 225 Rn 4 (unwiderlegliche Vermutung), ebenso FK/Jaffé InsO9 § 225 Rn 2; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 Rn 5 (gesetzliche Vermutung). Schief insoweit leider Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 225 Rn 2; MünchKomm/Breuer InsO3 § 225 Rn 1 und 13; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 225 Rn 4: „Erlassfiktion“ – nein: Erlass aufgrund einer Vertragsfiktion. Statt aller Jauernig/Stürner § 362 BGB Rn 2 [Bem 2 vor a] „versus“ Rn 8. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 225 Rn 5 [Abs 2]; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 225 Rn 4; wohl auch Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 225 Rn 2 und MünchKomm/Breuer InsO3 § 225

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Rn 13 (vollständiges [?] Erlöschen der Forderung). AA Braun/Braun/Frank InsO7 § 225 Rn 4 („Denn der Erhalt der Forderungen ist keine Zuteilung eines Vermögenswertes …“) bzw Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 225 Rn 4 („Damit allein ist nicht die Zuteilung wirtschaftlicher Werte nach dem Plan bewirkt.“), zust Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 225 Rn 12 – es kommt aber eben doch zu einer „Abschöpfung“ des Substanzwerts! Die Berufung auf BGHZ 134, 195, 196 ff (KO) sowie in Folge BGH NJW 2008, 3064, 3065 {9} [II 2a] (InsO) geht insoweit fehl – die Rechtslage ist inzwischen nun abgeändert (aaO S 198 [2b]) bzw insoweit planspezifisch (§ 225 I) geregelt; siehe auch schon RGZ 92, 181, 186 f mwN. Ist freilich die Hauptforderung erlassen, dann können gewiss daraus keine Zinsen mehr entstehen.

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Rechte der nachrangigen Insolvenzgläubiger

§ 225

Der gesetzesgemäße (Abs 1 [Hauptsatz]) Forderungserlass ist endgültig, wirkt vollum- 13 fänglich, steht mithin unter keinem Vorbehalt (in Abgrenzung zu Planregeln iSv § 255 I S 1: „teilweise erlassen“); es kann ja begrifflich keinen Rückstand geben! Wenn trotz Erlass aber versehentlich geleistet würde, ist dies Zahlung auf eine Nichtschuld und rückforderbar (§ 812 I S 1 Var 1 BGB – condictio sine causa) – vorbehaltlich positiver gegenteiliger Kenntnis (§ 814 Hs 1 BGB: „wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war“). Man wird dafür maßgeblich die Sichtweise des Verwalters zugrunde legen (arg § 80 I).21

IV. Ausformung (Abs 2 und Abs 3) 1. Normsystematik Die Norm scheint recht klar strukturiert: Abs 2 präzisiert Abs 1 (lediglich den Neben- 14 satz!), Abs 3 präzisiert (bzw beschränkt) Abs 2. Das indes täuscht. Die Regel verschleiert ein wenig, dass Abs 2 wie Abs 3 sich systematisch auf Abs 1 rückbeziehen (dazu Rn 2); dabei trifft dazuhin Abs 3 ergänzend den Hauptsatz von Abs 1 (dazu Rn 20 aE). Beide Folgeabsätze wären besser (und kürzer) mithin in Abs 1 gleich integriert worden (dazu Rn 18 und 20). Die Vorschrift wird demzufolge öfters mit etwas Grund als unklar gescholten.22 – Dazu muss man auch sonstige Verknüpfungen bedenken (so wie es Abs 1 in Abgrenzung zu § 227 vorab selbst bereits vormacht, vgl Rn 2, 11, 20 aE): Abs 2 beruft ganz direkt § 224; Abs 3 nennt den Bezug zu § 39 I Nr 3, hat aber zudem auch die verdeckte Parallele bei § 302 Nr 2. Schließlich: weil Abs 3 eine zwingende Ausschlussregel verordnet, ist (mindestens) für jene Ansprüche auch durchweg eine Gruppe zu bilden (§ 222 I S 2 Nr 3,23 vgl auch erg § 246 Nr 1 aF), es fehlt indes am Stimmrecht (§ 237 II). 2. Notwendigkeit abweichender Regelung (Abs 1–3) Es gibt kaum je wirklich einmal eine Veranlassung, Nachrangige zu begünstigen; der 15 Glücksfall, dass sämtlichen vollrangigen Gläubigern planmäßige Totalbefriedigung zuteil wird,24 ist doch eher recht theoretischer Natur (dazu schon oben Rn 9). In Betracht kommen freilich einmal taktische Gründe25 (Zeitersparnis, Zustimmungssicherung [aber: § 222 Rn 121–125], Folgeverträge etc), zumal im Unterschied zu einem Regelverfahren (§ 77 I S 2) nachrangige Gläubiger uU ebenfalls stimmbefugt sind (§ 237 I S 1 verweist genau hierauf nicht!), jeweils allerdings unter Vorbehalt der Gruppenbildung (§ 222 I S 2 Nr 3,

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Eher rigide wohl Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 225 Rn 5 [2. Abs 3 aE] („im Einzelfall“) bzw BK/Flöther/Wehner InsO36 § 225 Rn 2 aE („kann … entgegenstehen“). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 225 Rn 9 (zu Abs 3); wohl auch Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 225 Rn 9 („ … ist so zu lesen …“) bzw Braun/Braun/Frank InsO7 § 225 Rn 3 („ … kann entnommen werden …“. Braun/Braun/Frank InsO7 § 225 Rn 2 gegen Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 225 Rn 7.

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BT-Drucks 12/2443 S 201 re. Sp. [§ 266 {4}]: „besonders effektive Abwicklung der Insolvenz“. Auch dann ist zwar eine Beteiligung nicht direkt geboten (Plangestaltungsfreiheit – richtig: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 225 Rn 5 [Abs 1]; HK/Haas InsO9 § 225 Rn 2; wohl auch Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 225 Rn 2), tatsächlich aber naheliegend (Minderheitenschutzregel: § 251). Braun/Braun/Frank InsO7 § 225 Rn 2; MünchKomm/Breuer InsO3 § 225 Rn 2 aE; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 Rn 7.

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dort Rn 80) und dem generellen Erfordernis der benötigten Zustimmung (§ 24626). Anmeldung (§ 77 I S 1 „versus“ § 174 III) ist aber nicht etwa dafür zusätzlich nötig (arg § 237 I S 1: „gilt … entsprechend“, vgl Rn 7). 16 Genannt werden dazuhin steuerliche Gründe (Näheres siehe bei Vor §§ 217 ff Rn 199 ff, vgl auch erg § 225a Rn 98 f und § 227 Rn 8): Es geht insb hier um Gesellschafterdarlehen iSv § 39 I Nr 5 iVm IV/V oder Nachrangdarlehen von Drittgläubigern nach § 39 II. Der Erlass mag dabei als außerordentlicher Ertrag zu Buche schlagen (dürfte sich jedoch über Verlustvorträge gemeinhin neutralisieren).27 Daher wird ein paralleler „Besserungsschein“ (dazu Rn 19) anempfohlen: gelingt die Sanierung nämlich, ist zurückzuzahlen (was die spätere Steuerschuld für das Unternehmen mindert28). Mit Blick auf andere Nachranggläubiger derselben Rangstufe müsste man das vorweg bei der erforderlichen Gruppenbildung berücksichtigen (§ 226 I!). 17 Schließlich bezieht sich die Gesetzesbegründung auf Spezifika eigenkapitalersetzender Darlehen29 (§ 39 I Nr 5, nicht aber bei bestimmten Sanierungskrediten [objektiver Ausschluss: Abs 4] bzw für bestimmte Minderheitsgesellschafter [subjektiver Ausschluss: Abs 5]): wenn und weil der Gemeinschuldner aus praktischen Erwägungen günstigere Bedingungen für seine weitere Unternehmensfortführung bekomme als sie Dritte erhalten würden, könne dann billigerweise auch der ähnlich betroffene Haftungsgeber insoweit Entlastung erwarten.30 Ob jenes Gleichbehandlungsargument zieht, mag jeder inhaltlich eigenständig (und falladäquat) beurteilen – jedenfalls folgt aus jenem Gleichbehandlungsrecht nicht etwa auch die Gleichbehandlungspflicht, es geht um eine mögliche (!) Variante. 3. Planausgestaltung (Abs 2)

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Abs 2 beschreibt etwas verwickelt, was gemeint ist (dazu Rn 14 iVm 2): der Hs 1 als Ausgangspunkt wiederholt den Nebensatz der Grundregelung (Abs 1), der Hs 2 unterstreicht dann Überflüssiges („im gestaltenden Teil“) oder Irreführendes („für jede Gruppe“; „vorgeschriebene[n] Angaben“). Denn § 224 gibt Regelbeispiele und nicht ein „Zwangskorsett“ (dazu § 224 Rn 16), und die Gruppenbildung des § 222 I steht letztlich offensichtlich unter Vorbehalt (S 2 Nr 3: „soweit deren Forderungen nicht nach § 225 als erlassen gelten sollen“ – das folgt erst indes aus § 222, § 225 II scheint hier paradox: Hs 1 [„Soweit“] „versus“ Hs 2 [„jede Gruppe“]). Es ist also nicht „jede“ Gruppe insoweit zu bedenken, nur diejenige, für welche andere, abweichende Rechtsfolgen gelten sollen31

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BT-Drucks 12/2443 S 206 re. Sp. [§ 281 {2}]: „ausnahmsweise“. Die Fälle von § 39 Nrn 1 und 2 waren früher ähnlich geregelt; § 246 Nr 1 aF wurde allerdings aufgehoben durch Art 1 Nr 32a ESUG [mit Wirkung zum 01.03.2012 (Art 10 S 3 ESUG)]: überflüssig infolge regelmäßig unterbleibender Gruppenbildung (§ 222 I S 2 Nr 3). HambK/Thies InsO6 § 225 Rn 3; siehe auch allgemein dazu Graf-Schlicker/Paul InsO4 § 254 Rn 7 ff. HambK/Thies InsO6 § 225 Rn 3; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 225 Rn 2; Smid/Rattunde/ Martini Insolvenzplan4 Rn 5.22. Diesen Bezug „unterschlägt“ indes hier MünchKomm/Breuer InsO3 § 225 Rn 14;

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eher dunkel wohl auch HK/Haas InsO9 § 225 Rn 2 aE. BT-Drucks 12/2443 S 201 re. Sp. [§ 268 {4}]: „wird es angemessen sein … Leistungen vorzusehen“. BGHZ 185, 206, 213/214 f {35} [II 3] verhält sich dazu relativ ambivalent. So wie hier (allerdings ohne Begründung) Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO63 § 225 Rn 13 f (indes: „Empfehlenswert und praktisch relevant sind solche Gestaltungen jedoch nicht“ [Rn 14] – wegen § 251) bzw (ausschließlich auf § 225 II fokussierend) Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 225 Rn 8; einschr Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 225 Rn 6 aE (nicht auch für „nachgereiht“ Nachrangige)

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Rechte der nachrangigen Insolvenzgläubiger

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(ausf § 222 Rn 80 f). Gemeint ist einfach: Forderungserlass „soweit nicht etwa der Plan nach Maßgabe des § 224 insoweit anderes vorsieht.“ Man kann das auch als Praxisregel so formulieren: für die nachrangigen Gläubiger sind 19 dieselben Gestaltungsmöglichkeiten gestattet, wie für vollrangige Gläubiger,32 und es gelten reziprok auch nämliche Regelungen, was die konkrete Umsetzung betrifft (wegen Einzelheiten siehe § 224 Rn 23–31). Die Besonderheit besteht ausschließlich darin, dass § 39 wegen § 222 I S 2 Nr 3 (vermittels „aufgehobenen“ Vorbehalts), die genaue (Ober-) Gruppenbildung als solche vorzeichnet, ohne dass das eine weitere Untergruppenbildung (§ 39 II) hindert (dazu § 222 Rn 81–84). Inhaltlich kommen namentlich insoweit in Betracht: Kürzung (mit alsdann der Geltung von § 227! [dort Rn 22–24]), Stundung, Sicherung, aber ebenso auch andere Regelungen, vor allem der Erlass (so wie in § 225 I), nur verkoppelt mit Besserungsschein.33 – Ob eine Regelung erfolgen soll, entscheidet der Planvorleger,34 der dabei indes tunlich §§ 245 I Nr 1, 251 I Nr 2 reflektiert. 4. Statthaftigkeit abweichender Regelung (Abs 3) Abs 3 stellt alle in § 39 I Nr 3 bezeichneten Verbindlichkeiten unverfügbar35 – zumin- 20 dest im Negativen („weder ausgeschlossen noch eingeschränkt“). Der Wortlaut lässt positive Gestaltungen (zB Besicherung) hingegen zu,36 was kaum einmal praktisch werden wird. Der ganz eigentliche Sinn der Vorschrift zielt dann bei Abs 1 weniger indes auf parteiseitig mögliche abweichende Regelung („Nebensatz“) als auf die eigentlich vorgesehene Erlassfolge („Hauptsatz“). Die Vorschrift ist demzufolge wie folgt zu lesen: „Die Haftung des Schuldners … bleibt unberührt“, unabhängig von der Rechtsform: vertragliche Gestaltung oder gesetzliche Regelfolge, beide gelten dabei gleich. Abs 3 wirkt also als grundsätzliche Einschränkung von Abs 137 (und mittelbar ebenfalls von § 22738 – dazu vgl dort Rn 3). Die einzelnen Tatbestandsmerkmale erfordern die nachfolgenden Präzisierungen: (a) 21 Betreffend des Zeitraumes: Genannt wird gezielt die Zeit „nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens“; davor bedarf es keiner eigenen Regelung, weil insoweit bereits § 87 individueller Rechtsverfolgung widerstreitet. (b) Hinsichtlich des Gegenstandes: „Geldstrafen“ steht als Synonym für jeden nachrangigen Anspruch der dritten Rangklasse, so wie im Gesetz definiert (dazu § 39 Rn 23 f); auf explizit vereinbarten „drittklassigem“ Nachrang (dazu § 39 Rn 97 [Abs 2: „im Zweifel“]) aber erstreckt sich jener Vorbehalt nicht (die parteiseitige Nachrangabrede ist auch zudem gerade Ausfluss prinzipieller Verfügungsmacht).

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bzw BK/Flöther/Wehner InsO36 § 225 Rn 6 („Außer im Falle der Schlechterstellung gegenüber der Abwicklung ohne Plan“). Wohl wie hier Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 225 Rn 8 – anders offenbar jedoch MünchKomm/Breuer InsO3 § 225 Rn 3: Beschreibung für die Vollrangigen [??]. MünchKomm/Breuer InsO3 § 225 Rn 15. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 225 Rn 8: freies Ermessen (aber vgl auch Rn 9). Auch eine Zustimmung des Gläubigers könnte nicht helfen – aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225 Rn 3: Möglichkeit ausdrücklicher [?] Unterwerfung.

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So auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 225 Rn 9 aE; MünchKomm/Breuer InsO3 § 225 Rn 4. Häsemeyer InsR4 Rn 28.21; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 225 Rn 4; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 225 Rn 3; HambK/ Thies InsO6 § 225 Rn 4 („Spezialnorm“); HK/Haas InsO9 § 225 Rn 4 (siehe auch noch bei Fn 39); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 225 Rn 9; MünchKomm/Breuer InsO3 § 225 Rn 4. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 225 Rn 4; Braun/Braun/Frank InsO7 § 225 Rn 3; HK/ Haas InsO9 § 225 Rn 4; MünchKomm/ Breuer InsO3 § 225 Rn 4.

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§ 225a

Sechster Teil. Insolvenzplan

(c) Hinsichtlich des Instrumentes: Gestaltung „durch einen Plan“ meint dabei selbstredend den Insolvenzplan – egal ist,39 ob die Parteien abweichend verfügen („autonomer“ Planinhalt) oder stattdessen das Gesetz Verfügungswirkungen trifft („normierter“ Planinhalt), so wie in § 225 I (Forderungserlass als Ausschließung, vgl hier Rn 10 f) und § 227 I (Schuldbefreiung als Einschränkung, vgl dort Rn 22–24). (d) Bezüglich der Intention: Die Formulierung, dass inhaltlich die Haftung „weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden“ dürfe, kann man auch dahin zusammenfassen, dass sie jegliche verfügende Einwirkung verbietet.40 22 Zudem ist die Frage, welchen Sinn es denn machte, solche Geldsanktionen erst einzubeziehen (§ 39 I Nr 3 – Vollstreckungssperre: § 89), jedoch Befreiung danach abzulehnen (Abs 3, aber sinngemäß auch § 302 Nr 2). Im Vordergrund steht allerdings nicht, ob die öffentliche Hand betroffen ist (Vertrag zu Lasten Dritter) – auch andere müssen gegen ihren Willen leiden –, die Grundfrage ist inhaltlich, ob sich der Gemeinschuldner auf Kosten seiner Gläubiger selbst seiner ureigenen (Straf-) Verantwortung entledigen können sollte. Dabei muss man sehen, dass der Staat ohnedies meist vorsorgt, und zwar durch Freiheitsentzug als „Ersatzmaßnahme“ (vor allem bei Geldstrafen41 [§ 43 StGB], aber zB auch Ordnungsgeldern [zB 890 I S 1 ZPO] und Zwangsgeldern [zB § 888 I S 1 ZPO]).42 Die Vorschrift ist also recht ambivalent.43

§ 225a Rechte der Anteilsinhaber (1) Die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen bleiben vom Insolvenzplan unberührt, es sei denn, dass der Plan etwas anderes bestimmt. (2) 1Im gestaltenden Teil des Plans kann vorgesehen werden, dass Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umgewandelt werden. 2Eine Umwandlung gegen den Willen der betroffenen Gläubiger ist ausgeschlossen. 3Ins-

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Treffend HK/Haas InsO9 § 225 Rn 4: „Weder die Regelung noch die Nicht-Regelung im Plan … [führt] … zu einer Einschränkung der Haftung“. Somit kein Umkehrschluss etwa aus § 246 Nr 1 aF (Doppelformulierung). Dies meinen wohl ebenso Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 225 Rn 4; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 225 Rn 3 aE („nicht der Disposition … unterliegen“); HambK/Thies InsO6 § 225 Rn 4 („ist nicht möglich“); FK/ Jaffé InsO9 § 225 Rn 13 („weder zur Disposition noch zur Entscheidung der Gläubigermehrheit“); Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 225 Rn 13 („nicht zur Disposition“); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 225 Rn 9 („nicht eingegriffen werden darf“); MünchKomm/Breuer InsO3 § 225 Rn 4 („nicht in die Disposition … gestellt“) und Rn 9 („der Disposition …

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entzogen“) – allesamt im Anschluss an BTDrucks 12/2443 S 201 re. Sp. [§ 268 {4}] („entspricht der besonderen Natur dieser Verbindlichkeiten“) bzw BGH ZIP 2010, 2358, 2358 {7} [2a] = NZI 2011, 189 = DZWIR 2011, 79 („nicht der Disposition der Gläubiger unterliegt“). Leicht anderer Duktus bei Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 225 Rn 7 und MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 62: gesetzliche – „planfeste“ – Haftungsnorm. Sehr krit dazu Rönnau/Tachau NZI 2007, 208, 211–213 [III 2] gegen BT-Drucks 12/ 2443 S 201 re. Sp. [§ 268 {4}]. Indes doch uU auch durch Stundung, Zahlungserleichterung, Verzicht etc: §§ 95 II, 96 II OWiG. Eher krit auch Jaeger/Henckel InsO § 39 Rn 22 und Häsemeyer InsR4 Rn 28.21.

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Rechte der Anteilsinhaber

§ 225a

besondere kann der Plan eine Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, die Leistung von Sacheinlagen, den Ausschluss von Bezugsrechten oder die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber vorsehen. (3) Im Plan kann jede Regelung getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist, insbesondere die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft oder die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten. (4) 1Maßnahmen nach Absatz 2 oder 3 berechtigen nicht zum Rücktritt oder zur Kündigung von Verträgen, an denen der Schuldner beteiligt ist. 2Sie führen auch nicht zu einer anderweitigen Beendigung der Verträge. 3 Entgegenstehende vertragliche Vereinbarungen sind unwirksam. 4Von den Sätzen 1 und 2 bleiben Vereinbarungen unberührt, welche an eine Pflichtverletzung des Schuldners anknüpfen, sofern sich diese nicht darin erschöpft, dass eine Maßnahme nach Absatz 2 oder 3 in Aussicht genommen oder durchgeführt wird. (5) 1Stellt eine Maßnahme nach Absatz 2 oder 3 für eine am Schuldner beteiligte Person einen wichtigen Grund zum Austritt aus der juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit dar und wird von diesem Austrittsrecht Gebrauch gemacht, so ist für die Bestimmung der Höhe eines etwaigen Abfindungsanspruches die Vermögenslage maßgeblich, die sich bei einer Abwicklung des Schuldners eingestellt hätte. 2Die Auszahlung des Abfindungsanspruches kann zur Vermeidung einer unangemessenen Belastung der Finanzlage des Schuldners über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren gestundet werden. 3Nicht ausgezahlte Abfindungsguthaben sind zu verzinsen. Materialien: Wurde eingeführt durch Art 1 Nr 19 ESUG, BGBl I Nr 64 S 2582 (2584) [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3)] – DiskE Art 1 Nr 12 (S 4, 33–35) iVm Nr 14b (Text: S 5, Begr: S 35), siehe auch die Beilage 1 zu ZIP 28/2010, S 10; RefE Art 1 Nr 17 (Text: S 8 f, Begr: 46 f iVm S 48), siehe auch die Beilage 1 zu ZIP 6/2011; RegE: BT-Drucks 17/5712 S 9, 31 f [Art 1 Nr 17], ferner: S 55 [BRat: Nrn 9 und 10] und S 68 f [BReg: Nrn 9 und 10] bzw BT-Drucks 17/7511 S 12 f, 36 [Art 1 Nr 19] [RA]. Siehe zudem EB Mot S 189–192 [LS 2.2.20] bzw S 275–293 [LS 2.4.9] – „Stammfassung“. Literatur Andrianesis Zur Dogmatik der Einbeziehung der Gesellschafterrechte in den Insolvenzplan, WM 2017, 362; Bay/Seeburg/Böhmer Debt-Equlty-Swap nach § 225a Abs. 2 Satz 1 des geplanten Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), ZInsO 2011, 1927; Becker Umwandlungsmaßnahmen im Insolvenzplan und die Grenzen einer Überlagerung des Gesellschaftsrechts durch das Insolvenzrecht, ZInsO 2013, 1885; Böcker Gesellschaftsrecht versus Insolvenzrecht oder Suhrkamp: Verfall eines Verlages, DZWIR 2014, 331, 440, 577; 2015, 10, 125; Braun Eingriff in Anteilseignerrechte im Insolvenzplanverfahren. Das U.S.-amerikanische Konzept in Chapter 11 Bankruptcy Code und seine deutsche Entsprechung, FS G Fischer (2008) S 53; Brinkmann Wege aus der Insolvenz eines Unternehmens – oder: Die Gesellschafter als Sanierungshindernis, WM 2011, 97; Brüning Gesellschafter und Insolvenzplan (2006); Brünkmans Die Unternehmensakquisition über einen Kapitalschnitt im Insolvenzplanverfahren, ZIP 2014, 1857; Brünkmans Abfindungs- und Bewertungsfragen bei gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen im Insolvenzplan, ZInsO 2017, 1401; Bulgrin Die strategische Insolvenz [SUK 31] (2016); Crezelius Aktuelle Steuerrechtsfragen in Krise und Insolvenz, NZI 2017, 602, 923 sowie NZI 2012, 267; Christophery Der Debt-Equitys-Swap als Sanierungsinstrument im Insolvenzplanverfahren (2017); Decher/Voland Kapitalschnitt und Bezugsrechtsausschluss im Insolvenzplan – Kalte Enteignung oder Konsequenz des ESUG?, ZIP 2013, 103; Ebbinghaus/Neu/Hinz Forderungsverzicht oder Debt-Equity-Swap bei der Eigensanierung im Insolvenzplanverfahren, NZI 2014, 729; Eckert/Harig Zur Bewertung von Sicherheiten beim Debt Equity Swap nach § 225a InsO im Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2012, 2318; Eidenmüller Unternehmenssanierung nach der Insolvenzrechtsreform 2011, in: Stärkung des Anlegerschutzes. Neuer Rechtsrahmen für Sanierungen. Bankrechtstagung 2011 (2012) S 129; Eidenmüller Gesellschafterstellung und Insolvenzplan, ZGR 2001, 680; Eidenmüller Der Insolvenzplan als gesellschaftsrechtliches Universalwerkzeug, NJW 2014, 17; Eidenmüller/Engert Reformperspektiven einer Umwandlung von Fremd- in

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Eigenkapital (Debt-Equity Swap) im Insolvenzplanverfahren, ZIP 2009, 541; Fischer Der Übernahme-Swap durch Insolvenzplan – Investitionsentscheidung im Wettbewerb, NZI 2013, 823; Frauer Grenzen des Eingriffs in Gesellschafterrechte im Insolvenzplanverfahren (2014); Geißler Rechtsfragen um die Sanierung einer GmbH im Insolvenzplanverfahren durch die Einbringung von Gläubigerforderungen, ZInsO 2015, 787; Gontschar Umwandlungsmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren (2017); Greif-Werner Umwandlungen im Insolvenzplanverfahren [BR 484], 2018; Haas Mehr Gesellschaftsrecht im Insolvenzplanverfahren – Die Einbeziehung der Anteilsrechte in das Insolvenzverfahren, NZG 2012, 961; Hancioglu Gesellschafterschutz beim Debt-Equity-Swap mittels Insolvenzplan (2018); Hirte/Knof Das „neue“ Sanierungsprivileg nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO, WM 2009, 1961; Holzborn/Israel Die Befreiung vom Pflichtangebot aufgrund eines Sanierungsfalls, WM 2004, 309; Hölzle Der Insolvenzantrag als Sanierungsoption – auch gegen den Willen von Gesellschaftern?, ZIP 2013, 1846; Hölzle/Beyß Gesellschaftsrechtliche Zweifelsfragen im Insolvenzplanverfahren, ZIP 2016, 1461; Horstkotte/Martini Die Einbeziehung der Anteilseigner in den Insolvenzplan nach ESUG, ZInsO 2012, 557; J-H Kern Die Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht im Insolvenzplanverfahren: Retrospektive auf die Suhrkamp-Insolvenz (2017); Klausmann Gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen im Insolvenzplan im Sinne von § 225a Abs. 3 InsO, NZG 2015, 1300; Kleindiek Debt-Equity-Swap im Insolvenzplanverfahren, FS Hommelhoff (2012) S 543; Koppensteiner Forderungen gegen Beteiligungen?, FS Torggler (2013) S 627; Längsfeld (Un-) Wirksamkeit von Changeof-Control-Klauseln – zum neuen § 225a Abs. 4 Satz 3 InsO, NZI 2014, 734; Madaus Keine Reorganisation ohne die Gesellschafter, ZGR 2011, 749; Madaus Umwandlungen als Gegenstand eines Insolvenzplans nach dem ESUG, ZIP 2012, 2133; Madaus Möglichkeiten und Grenzen von Insolvenzplanregelungen, ZIP 2016, 1141; Marotzke Rechtliches Gehör opponierender Gesellschafter im insolvenzrechtlichen Eröffnungsverfahren, ZInsO 2015, 325; Meuthen/Eickmann Der Debt-Equity-Swap als Sanierungsbegünstigen des Rechtsinstitut?, Wpg 2018/07, 453; H Meyer/Degener Debt-EquitySwap nach dem RegE-ESUG, BB 2011, 846; Morshäuser/Falkner Der Insolvenzplan als Sanierungschance für Portfolio-Unternehmen von Private-Equity-Investoren nach einem Debt-Push-Down, NZG 2009, 521; H-F Müller Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen im Insolvenzplan, KTS 2012, 419; Nawroth/Wohlleber Der „unechte Share-Deal“ mittels Insolvenzplan – oder: zum praktischen Umgang mit der Regelung des § 225a Abs. 3 InsO, ZInsO 2013, 1022; Noack Reorganisation der Schuldnergesellschaft nach neuem Insolvenzrecht, FS Zöllner (1998) S 411; Noack/Schneiders „Gesellschaftsrechtlich zulässige“ Regelungen im Insolvenzplan (§ 225a Abs. 2 InsO), DB 2016, 1619; Paries Regelungskonzept einer Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (Debt-Equity-Swap) im Insolvenzplanverfahren (2010); Paulus Die ausländische Sanierung über einen Dept-Equity-Swap als Angriff auf das deutsche Insolvenzrecht?, DZWIR 2008, 6; Pleister/Kindler Kapitalmaßnahmen in der Insolvenz börsennotierter Gesellschaften, ZIP 2010, 503; Priebe Übertragende Sanierung und Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2011, 467; Priester Umwandlung im Insolvenzplan und gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, FS Kübler (2015) S 557; Pühl Der Debt Equity Swap im Insolvenzplanverfahren, DZWIR 2016, 548; Sassenrath Der Eingriff in Anteilseignerrechte durch den Insolvenzplan, ZIP 2003, 1517; Schäfer Insolvenzplan als Lösungsmittel für Mehrheits-/Minderheitskonflikte? – Lehren aus dem Fall Suhrkamp, ZIP 2013, 2237; Schäfer Unzulässige Umgestaltung von Gesellschaftsanteilen im Insolvenzplan, ZIP 2014, 2417; Schäfer Suhrkamp und die Folgen – Konsequenzen aus dem vorläufigen Abschluss des Suhrkamp-Insolvenzverfahrens, ZIP 2015, 1208; Schäfer Zur Einbeziehung der Anteilsinhaber in den Insolvenzplan, ZIP 2016, 1911; Schleusener Der Debt-Equity-Swap (2012); Schäfer/Wüstemann Unternehmensbewertung, Kapitalmaßnahmen und Insolvenzplan, ZIP 2014, 1757; Schmetzer Schutz der Anteilsinhaber im Insolvenz- bzw. Insolvenzplanverfahren (2017) [KTS 54]; K Schmidt Debt-to-Equity-Swap bei der (GmbH & Co.-) Kommaditgesellschaft, ZGR 2012, 566; K Schmidt Eigenverwaltung und Insolvenzplan bei der GmbH & Co. KG: Koordinationsproblem zwischen Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht, FS Binz (2014) S 624; Schmidt-Preuß Entschädigungspflicht für den Verlust von Anteilseigentum in der Insolvenz, NJW 2016, 1269; P Schulz Der Debt Equity Swap in der Insolvenz [SGK B 200] (2015); Schwalme Die Stellung der Anteilseigner in der Unternehmensinsolvenz, DZWIR 2004, 230; Seibt/Bulgrin Strategische Insolvenz: Insolvenzplanverfahren als Gestaltungsinstrument zur Überwindung bestandsgefährdender Umstände, ZIP 2017, 353; Simon/Brünkmans Die Ausgliederung von sanierungswürdigen Betriebsteilen mithilfe des Insolvenzplanverfahrens …, ZIP 2014, 657; Simon/Merkelbach Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121; Spliedt Debt-Equity-Swap und weitere Strukturveränderungen nach dem ESUG, GmbHR 2012, 462; Stöber Strukturmaßnahmen im Insol-

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Rechte der Anteilsinhaber

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venzplanverfahren und gesellschaftsrechtliche Treuepflicht – der Fall Suhrkamp, ZInsO 2013, 2457; Thole Die Restrukturierung von Schuldverschreibungen im Insolvenzverfahren, ZIP 2014, 293; Thole Treuepflicht-Torpedo? Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im Insolvenzverfahrens ZIP 2013, S 1937; Thole Der Debt Equity Swap bei der Restrukturierung von Anleihen, ZIP 2014, S 2365; Verse Anteilseigner im Insolvenzplanverfahren, ZGR 2010, 299; Wertenbruch Die Personengesellschaft im Vergleich zur AG und GmbH im Insolvenzplanverfahren, ZIP 2013, 1693; Westpfahl Debt Equity Swap von Schuldverschreibungen in der Insolvenz, FS Kübler (2015) S 773; Westpfal/Janjuah Zur Modernisierung des deutschen Sanierungsrechts – Unzureichende Verzahnung von Gesellschafts- und Insolvenzrecht, ZIP-Beilage zu Heft 3/2008, 1, 24–25 [V]; Wieneke/Hoffmann Der Erhalt der Börsennotierung beim echten und unechten Debt Equity Swap in der Insolvenz der börsennotierten AG, ZIP 2013, 697; Wischmeyer Zur Dogmatik der Einbeziehung der Gesellschaftsrechte in den Insolvenzplan, WM 2017, 362; Wuschek Debt-Equity-Swap – Gestaltung von Anteilsrechten im Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2012, 1768. Aus der [ESUG-] Vorfelddiskussion: Uhlenbruck NZI 2008, 201; Ehlers ZInsO 2009, 320; Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541; Stapper ZInsO 2009, 2361, 2364; Hirte ZGR 2010, 224; Schelo DB 2010, 2209; Schuster ZGR 2010, 325; Wallner ZInsO 2010, 1419; Frind ZInsO 2010, 1473 und 1524; Kresser ZInsO 2010, 1409; Pape ZInsO 2010, 1582 und 2155; Willemsen/Rechel BB 2010, 2059; Spetzler KTS 2010, 433, 434 ff [II]; Hölzle NZI 2011, 124; Bunte/von Kaufmann DZWIR 2011, 359; Braun/Heinrich NZI 2011, 505; Lüer FS Brambring (2011) S 247; Hirte/Knof/Mock DB 2011, 632 und 693; Willemsen/Rechel BB 2011, 834; Madaus ZGR 2011, 749; Urlaub ZIP 2011, 1040; K Schmidt BB 2011, 1603; Frind ZInsO 2011, 656; Pape ZInsO 2011, 1033.

Übersicht I.

II. III.

IV.

Rn. Normzweck und -genese . . . . . . . . 1 1. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . 2 2. Hilfskonstruktionen (unter altem Recht) . . . . . . . . . . 5 3. Perspektivenwechsel . . . . . . . . . 7 4. Entwicklungsgenese . . . . . . . . . 9 a) Überlegungen de lege lata . . . . 9 b) Gedanken de lege ferenda . . . . 11 5. Hauptkritikpunkte (unter neuem Recht) . . . . . . . . . 13 6. Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . 16 Regelungsstruktur . . . . . . . . . . . . 18 Regelungsinhalt im Allgemeinen . . . . 21 1. „Unberührtheitsgrundsatz“ (Abs 1) . 21 a) Dogmatische Grundlegung . . . . 21 b) Begriffliche Präzisierungen . . . . 22 2. Umwandlungsermächtigung (Abs 2) 27 3. Umstrukturierungsbefugnis (Abs 3) . 31 a) Grundprobleme (Hs 1) . . . . . . 33 b) Regelbeispiele (Hs 2) . . . . . . . 36 c) Praktische Anwendungen . . . . . 39 4. Change of Control-Klauseln (Abs 4) 42 5. Gesellschafterabfindungen (Abs 5) . 46 Debt Equity Swap im Besonderen . . . 50 1. Einführung und Grundlagen . . . . . 50 2. Eingriffsermächtigung (Abs 2 Satz 1) 54

a) Forderungen von Gläubigern . . . b) Umwandlung . . . . . . . . . . . c) Beteiligung am Schuldner . . . . . 3. Zustimmungserfordernis (Abs 2 S 2) . 4. Anwendungsbeispiele (Abs 2 Satz 3) . a) Kapitalmaßnahmen (Var 1) . . . . b) Sacheinlagenerbringung (Var 2) . c) Bezugsrechtsausschluss (Var 3) . . d) Abfindungsregelung (Var 4) . . . 5. Bewertungsproblematik . . . . . . . V. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht 1. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . a) Bundesrechtliche . . . . . . . . . b) Europarechtliche . . . . . . . . . 2. Eigentumsgarantie (Art 14 GG) . . . a) Vermögensrechte . . . . . . . . . b) Teilhaberechte . . . . . . . . . . . 3. Vereinigungsfreiheit (Art 9 GG) . . . 4. Privatautonomie (Art 2 Abs 1 GG) . VI. Bedeutsame sonstige Regelungen . . . . 1. Formerfordernisse . . . . . . . . . . 2. Sanierungsprivileg . . . . . . . . . . 3. Nachhaftungssperre . . . . . . . . . 4. Kapitalmarktrechtliche Pflichten . . . 5. Steuerliche Aspekte . . . . . . . . . .

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Rn. 54 57 60 61 64 64 66 69 71 72 76 76 76 78 80 81 85 86 88 89 89 92 94 97 98

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§ 225a

Sechster Teil. Insolvenzplan

I. Normzweck und -genese 1

§ 225a fand als eine der zentralen ESUG-Vorschriften1 Eingang in die InsO; er steht in engem Zusammenhang zum (ebenfalls neu eingefügten) § 217 S 2; die beiden werden von diversen Folgeänderungen umkränzt (dazu Vor §§ 217 ff Rn 135–139).2 Alles das beruht auf einer inhaltlich grundlegenden Kehrtwende (sowie auf einer teilweisen Erinnerung der vormaligen Vorschläge der Insolvenzrechtskommission, vgl Rn 2). Die maßgebliche Beschränkung eines Insolvenzplans auf das schuldnerische Vermögen wird beendigt, Anteilseigner eines Unternehmens können ebenfalls nun miterfasst werden – auch gegen ihren Willen!3 (§ 217 S 2, dort Rn 72–75). Man darf deren Anteils- und Mitgliedschaftsrechte zum Gegenstand eines Insolvenzplanes machen und über die gesellschaftsrechtliche Organisation des betroffenen Gemeinschuldners mittels Insolvenzplanes disponieren (§ 225a I-III – wegen der Normstruktur siehe bei Rn 18–20). Anders gesagt: die bislang bestehende4 strikte Trennung zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht wird durchbrochen. 1. Rechtsentwicklung

2

Die (EB-) Kommissionsleitsätze erstrebten die Begrenzung der gewohnten gesellschaftsrechtlichen Autonomie. Nötige Sanierungsmaßnahmen sollten insolvenzrechtlich geplant (LS 2.2.20 I Hs 1: „die in dem darstellenden Teil … für erforderlich gehaltenen Änderungen“ – näher dazu bei LS 2.2.6 I lit c bzw LS 2.4.9.2 S 1) und gesellschaftsrechtlich wie üblich umgesetzt werden (LS 2.2.20 I Hs 2: „haben diejenigen … zu beschließen, die … zuständig sind.“). Mithin ein Primat gesellschaftsrechtlicher Entscheidungskompetenzen (arg LS 2.2.20 II) und Beschlussgegenstände (arg LS 2.4.9.2 S 2: „jede nach materiellem Gesellschaftsrecht zulässige Maßnahme“ [so wie nach Abs 3 Hs 1, vgl dazu Rn 34])? Nein, nicht ganz, es gab eine bedeutende prozessuale „Hintertüre“: subsidiär mögliche Ersetzung der notwendigen Beschlüsse durch das Insolvenzgericht (!), insofern die konkrete Maßnahme für die intendierte Reorganisation erforderlich war (LS 2.2.20 III – Schranken: LS 2.4.9.3). Dieses „Modell ‚sanften‘ Drucks“ stützt sich auf Gläubigerkonsens und Gerichtskontrolle und auf die ökonomisch weit(est)gehende Entwertung der Mitgliedschaftsrechte5 (das gewiss mit Blick auf mögliche verfassungsrechtliche Bedenken: Rn 80–88).

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Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 07.12.2011 (Art 1 Nr 19), BGBl I Nr 64 S 2582, 2584 [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3)] – dazu BTDrucks 17/5712 [RV] und 17/7511 [RA], aber vgl auch erg BT-Drucks 16/12285 [FDP] und 17/2008 [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]. Siehe vor allem § 222 I S 2 (Art 1 Nr 18a bb) [dort Rn 36]; § 230 I S 2 (Art 1 Nr 21) [dort Rn 6]; § 235 III S 3 und 4 (Art 1 Nr 24b) [dort Rn 7]; § 238a (Art 1 Nr 25) [dort Rn 2]; § 241 I (Art 1 Nr 27) [dort Rn 4]; § 244 III (Art 1 Nr 30) [dort Rn 4]; § 245 II und III (Art 1 Nr 31b) [dort Rn 4]; § 246a (Art 1 Nr 33) [dort Rn 2]; § 252 II S 2 und 3 (Art 1 Nr 39) [dort Rn 4]; § 254 IV (Art 1 Nr 41b) [dort Rn 3 mit 83–89]; § 254a II (Art 1 Nr 42) [dort Rn 2–5 mit 22–37].

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Vgl BT-Drucks 17/5712 S 18 li. Sp. („Optimierung der Sanierungsmöglichkeiten“) mit S 30 re. Sp. [§ 217 S 2] („eingegriffen“; „umgestaltet“) bzw S 31 li. Sp. [§ 225a] („entscheidende Weichenstellung für die Sanierung eines Unternehmens“) – in Kontrast zu Vor §§ 217 ff Rn 102, 120, 129, 168, 175; wegen sog „latenter Gruppen“ siehe bei § 222 Rn 89 samt Verweisungen dort (Fn 236 aE). Ausführlicher zur überkommenen Rechtslage H-F Müller Der Verband in der Insolvenz (2002), S 308 ff, 362 ff; zur Notwendigkeit der Neuregelung zB Stöber ZInsO 2012, 1811, 1811 ff; Ehlers ZInsO 2009, 320, 323; Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 541 ff; Uhlenbruck NZI 2008, 201, 202 ff. EB Mot (1985) S 192.

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Rechte der Anteilsinhaber

§ 225a

Die Kommission hat die Grundregel innerhalb des Bereiches „Reorganisationsverfah- 3 ren“ prozessual (LS 2.2.20: „Gesellschaftsrechtliche Änderungen“) allerdings nur knapp erwähnt. Ausführliche Detailregeln folgen indes dann als „Materielles Recht der Reorganisation“ (LS 2.4.9.1–13: „Unternehmens- und gesellschaftsrechtliche Verhältnisse“); und das meint nicht nur die Umschreibung der Zulässigkeit (LS 2.4.9.2 und 3), sondern ein Arsenal zusätzlicher sichernder Gestaltungen: Auflösungsbeschränkungen (LS 2.4.9.1 – ist zusammenzusehen mit LS 1.2.10 VI: keine Gesellschaftsauflösung kraft Insolvenzeröffnung [heute: Abs 3 Hs 2 Var 1]), Herbeiführung einer vereinfachten Kapitalherabsetzung (LS 2.4.9.4 [heute: Abs 2 S 3 Var 1a]), Ausschließung von Gesellschaftern (LS 2.4.9.5 und 2.4.9.6 [heute: Abs 2 S 3 Var 1a und 3]), Grenzen persönlicher Haftung (LS 2.4.9.7 und 8 [schon: § 227 II]), Abfindungsbegrenzung (LS 2.4.9.9 [heute: Abs 2 S 3 Var 4 sowie Abs 5]), Privilegierung von Kapitalgebern bei Folgeinsolvenz (LS 2.4.9.10 [heute: § 39 IV S 2]). Das liest sich schon wie ein „Musterbuch“ oder „Setzkasten“ für den ESUG-Gesetzgeber (dazu Rn 1, 7–10 – insoweit mit Wechsel des Prinzips: von vorderhand nur Darstellung der „Hilfslösung“ zur Gestaltung als „Hauptlösung“), ohne dass jener dies aber näher offengelegt hätte. Die Entwicklung sollte schließlich insgesamt abweichend verlaufen. Ein Konzerninsolvenzrecht war allerdings nicht vorgesehen (LS 2.4.9.13). Die Ministerialentwürfe haben von jenen – vielleicht eher verkappten – Einflussmög- 4 lichkeiten (insb EB LS 2.2.20 III) nichts wissen wollen6 und das Gesellschaftsrecht insoweit „autonom“ gelassen. Die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital durch Wandlung eines Anspruches in Beteiligungsrechte (sog Debt Equity Swap [DES], ausf Rn 27–30 mit 50–75) findet bloß en passant deswegen Erwähnung in Begründungen7 bzw im Gesetzestext (§ 230 II8) als konsensual praktizierbare Möglichkeit einer möglichst effektiven Sanierung. Die Anspielungen hier und da auf eine Planbeteiligung von Gesellschaftern hat dann der Rechtsausschuss noch herausgenommen (insb § 1 II S 3 RegE [§ 1 S 1] bzw § 253 I RegE9 [§ 217 S 1]; §§ 254 II S 2, 255 I Nr 2 RegE [§ 218]; § 262 RegE). Der Streichung ist namentlich die Regelung zur „Sanierung des Schuldners“ (§ 262 RegE) zum Opfer gefallen, die die Unternehmensfortführung betraf und auf entsprechende Darstellung verpflichtete.10 Klar war aber reziprok dadurch zugleich gesetzt, dass derartige Gestaltungen ausscheiden sollten. Nur § 274 II RegE [§ 230 II InsO] hat dann am Ende das legislative „Streichkonzert“ unbeanstandet überstanden.

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Sie dazu das „Grundsatzprogramm“: Begr DiskE AT S 18/19 bzw 19/20; Begr RefE AT S 22 und 23; Begr RegE, BT-Drucks 12/2443 S 78 re. Sp. und 79 li. Sp.: „Verzicht auf Zwangseingriffe in Vermögensrechte“. Begr DiskE AT S 56; Begr RefE AT S 65/66; Begr RegE, BT-Drucks 12/2443 S 90 („soweit das Gesellschaftsrecht solche Regelungen gestattet“) bzw Begr DiskE BT S 239; Begr RefE BT S 274/275; Begr RegE, BTDrucks 12/2443 S 203 re. Sp. („Mit dem Einverständnis aller Betroffenen kann eine derartige Regelung aber in den Plan aufgenommen werden.“). § 263 II DiskE/RefE; § 274 II RegE: Notwendigkeit, eine Gläubigerzustimmung vorab nachzuweisen. Die Anteilseigner blieben

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demgegenüber unbeachtet (arg „eines jeden dieser Gläubiger“, dh der Übernehmer). BT-Drucks 12/7302 S 181 re. Sp. [RA: Nr 134]: „Durch die Streichung wird nicht ausgeschlossen, daß auf die Haftung eines persönlich haftenden Gesellschafters des Schuldners im Plan verzichtet werden kann; dies ergibt sich aus § 270 [Abs 2 RegE = § 227 III InsO].“ Nämlich: „auf Änderungen der Rechtsform, des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung sowie der Beteiligungsverhältnisse hinzuweisen, wenn solche Änderungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind oder noch vorgenommen werden sollen.“

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§ 225a

Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Hilfskonstruktionen (unter altem Recht)

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Gesellschaftsrechtliche Restrukturierungen konnten auch bereits nach überkommener Rechtslage erfolgen, mussten jedoch stets parallel zum Insolvenzverfahren vorgenommen werden,11 jeweils zudem auf einer freiwilligen Basis. Das führte die Praxis zur „übertragenden Sanierung“ (dazu Vor §§ 217 ff Rn 40, 42, 45–47, 112) als effizientere Abwicklung – trotz einiger offener Nachteile (dazu Rn 6). Sollte gleichwohl ein Debt Equity Swap durchgeführt werden, wurde regelmäßig auf das Instrument der Planbedingung (§ 249 InsO) zurückgegriffen. Dieses gewährleistete hierbei zwar durchaus eine gewisse Koordination:12 es ging um bestimmte, „begleitende“ Maßnahmen (S 1 Hs 1 Var 2, vgl § 249 Rn 9–11 iVm 4 und 6) als Voraussetzung finaler Planwirkungen (S 1 Hs 2); sie sollten in knappem zeitlichen Zusammenhang beschlossen werden (S 2). Das löste allemal nicht die Selbstständigkeit von insolvenz- bzw gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen auf, milderte allenfalls Probleme und verursachte oft Zusatzmühen. Führend blieb immer das Gesellschaftsrecht, dabei insb seine Kompetenzregeln samt Formbestimmungen (insb §§ 182 I S 1, 229 III iVm § 221 I S 1 AktG; [§ 58a V iVm] § 53 II S 1 GmbHG – siehe auch noch bei Rn 89–91), ohne irgendeine insolvenzrechtliche Abstimmung. Restrukturierungsmaßnahmen hingen stets am Plazet aller (betroffenen) Anteilsinhaber, welchen damit ein beachtliches Blockadepotential zukam13 („Sanierungshemmnis“14). 6 Das gemeinhin bemühte Korrektiv gesellschaftlicher Treuepflichten15 vermochte diese Kalamität nicht zu überwinden: Eine generelle Mitwirkungspflicht der Gesellschafter konnte nicht nachhaltig dargelegt werden,16 und im Einzelfall zu begründenden Pflichten mangelte es an der praktischen (insbesondere zeitlich vertretbaren) Durchsetzbarkeit.17 Wer wollte auf solche (naturale!) Mitwirkung klagen? Wer hätte derart viel Zeit gehabt (womöglich über drei Instanzen)? Nachträglich drohender Schadensersatz (mit allen Unwägbarkeiten einer genauen Quantifizierung – § 287 ZPO) war kaum Trost und ebenso

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Vgl BT-Drucks 17/5712 S 30 li. Sp.; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 2; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 1 sowie Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 249 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 47. BT-Drucks 17/5712 S 30 li. Sp. („Verzahnung der Beschlüsse der Gesellschafter mit dem Insolvenzplan“). Näheres siehe bei H-F Müller Der Verband in der Insolvenz (2002), S 376 ff; K Schmidt BB 2011, 1603, 1608; Hölzle HRI2 § 31 Rn 18; Madaus Insolvenzplan (2011), S 315–317, 592. – Beispielsfall BGHZ 185, 206, 210 mit 210/211 {22–24} [II 2a/b] = DZWIR 2010, 384. BT-Drucks 17/5712 S 30 re. Sp. („erhebliches Sanierungshindernis und ein Standortnachteil“) – ferner: FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 5; Bulgrin Die strategische Insolvenz (2016), S 36 ff; Brinkmann WM 2011, 97 f; Eidenmüller ZIP 2010, 694, 652; Bitter ZGR 2010, 147, 161–163 [II 4]; Hölzle NZI 2011, 124, 127; Brüning Gesellschafter und Insolvenzplan (2006), S 119 ff, 255 ff, 359; Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 542; Sassenrath ZIP 2003, 1517, 1517 f.

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Gesellschafter waren „Unbeteiligte“ und eben nicht „unmittelbare“ Akkordstörer – die Folgen waren jedoch ähnlich (quasi eine Art „mittelbare“ Störerschaft). Grundlegend BGHZ 129, 136 = ZIP 1995, 819 („Girmes“) und BGHZ 183, 1 = ZIP 2009, 2289 („Sanieren oder Ausscheiden“) – näher dazu K Schmidt JZ 2010, 125; Priester ZIP 2010, 497; Brand KTS 2011, 481; Schöne ZIP 2015, 501, H P Westermann NZG 2016, 9; Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 542; Bitter ZGR 2010, 147, 150, 164 ff [III 1 und 3]; Thole ZIP 2013, 1937, 1937 ff. Brinkmann WM 2011, 97, 98 f; Uhlenbruck FS Lüer (2008) S 461, 469 – aA Braun FS G Fischer (2008) S 53, 70 bzw Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 217 Rn 41 f. FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 6; Hölzle HRI2 § 31 Rn 1 mit KTS 2011, 291, 317; Madaus Insolvenzplan (2011), S 543-555; Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 542; Wertenbruch ZIP 2013, 1693, 1694.

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Rechte der Anteilsinhaber

§ 225a

wenig eine „Drohkulisse“. Die nahtlose Fortführung des (insolventen) Rechtsträgers, insbesondere bei Vorliegen werthaltiger rechtsträgergebundener Rechtspositionen (Lizenzen, [öffentlich-rechtliche] Genehmigungen, günstige Vertragskonditionen, steuerliche Verlustvorträge [wegen letzteren siehe Rn 98]), wäre oftmals ökonomisch sinnvoller gewesen;18 jedoch zwang eben die fehlende Möglichkeit, die Umstrukturierung der Schuldnergesellschaft gegen opponierende Gesellschafter durchzusetzen, oftmals zum Ausweichen auf das Instrument der übertragenden Sanierung oder verleitete dazu, die Mitwirkung der Anteilsinhaber faktisch zu erkaufen19 (§ 138 I BGB? – dazu vgl auch § 226 Rn 39) bzw zu „erklagen“20 und verursachte so vermeidbare „Opportunitätskosten“. 3. Perspektivenwechsel (Vor allem) mit § 225a (iVm § 217 S 2: Rn 1) hat der Gesetzgeber komplett umgesteu- 7 ert und den Planverfassern das – so lang vermisste (Rn 2)! – Instrumentarium für eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung innerhalb eines regulären Insolvenzverfahrens (im Unterschied zu Rn 5) nunmehr an die Hand gegeben. Dadurch wurde das Planverfahren zu „einem vollwertigen Restrukturierungsverfahren“ aufgewertet,21 mit dem Debt Equity Swap (Abs 2) „als zentrales Mittel für ein attraktives Sanierungsverfahren“;22 man redet auch gerne vom „Paradigmenwechsel“,23 der Preisgabe gesellschaftsrechtlicher Neutralität bzw der „Abgabe gesellschaftsrechtlicher Fragestellungen an das Insolvenzrecht“,24 vergleichbar einem Kulturwandel25 und auch einem behobenen Geburtsfehler26 – und zwar je nach „Lager“ mit eher positiver oder negativer Konnotation: „Die Gläubiger okkupieren die Burg!“; „Sanieren durch Rausschmiss“; das ESUG als „Wolf im Schafspelz?“27 Praktisch öffnet dieses Umsteuern den Wettbewerb von Liquidation, insgesamt „über- 8 tragender“ Sanierung und Plansanierung um die besten Befriedigungschancen (iSv § 1 S 1) für die Insolvenzbetroffenen. Dogmatisch hat sich der Gesetzgeber hier für eine altbewährte Institution entschieden:28 den prozessualen Mehrheitszwang, nur erstreckt auf faktische „Akkordstörer“ (dazu § 222 Rn 1 f). Das geht über die Einbeziehung der Anteilsinhaber ins Planverfahren (die darum § 217 S 2 bereits verkündet) – das (materielle) Ge-

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Siehe zur Notwendigkeit eines Instrumentes neben der übertragenden Sanierung bereits R Stürner ZIP 1982, 761, 761 ff (und „reumütig“ nun BT-Drucks 17/5712 S 30 li./re. Sp). Ferner vgl insb Eidenmüller ZIP 2007, 1729, 1736; Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541; Bork ZIP 2010, 397, 403; Hölzle KTS 2011, 291, 317. Hierauf zielte schon BT-Drucks 17/5712 S 30 re. Sp. („Mit diesem Hebel können die Anteilsinhaber Zugeständnisse erreichen, die bei dem geringen Restwert der Anteile nicht gerechtfertigt sind.“) – ebenso: FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 225a Rn 2; Brinkmann WM 2011, 97 f [II sowie III]; Bitter ZGR 2010, 147, 162 [II 4]; Eidenmüller ZIP 2010, 649, 652 [IV 2] bzw Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 542 [I]. Beispielsfall bei Sassenrath ZIP 2003, 1517 [I].

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Meist wird auf materielle Mitwirkungspflichten rekurriert (Durchsetzbarkeit?) – Beispiele: BGH NJW 1995, 1739, 1739 ff – „Girmes“ bzw BGH NJW 2010, 65 [Ls.], 67 {22 f} – „Sanieren oder Ausscheiden“. So bewertet es Hölzle HRI2 § 31 Rn 2. BT-Drucks 17/5712 S 31 li./re. Sp. (Zitat: re. Sp.) [BReg]. Hirte/Knof/Mock DB 2011, 632, 636 [III 1a]. Haas NZG 2012, 961, 967 [IV]. Braun/Heinrich NZI 2011, 505, 517 [IV]. BT-Prot 17/117 S 13455C [LeutheusserSchnarrenberger]. So sieht es K Schmidt ZIP 2012, 2085. Und gegen den Alternativvorschlag (Hirte ZGR 2010, 224, 228 ff), die Insolvenzauslösung zeitlich zu verzögern, um gezielt gesellschaftsrechtlich zu agieren.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

sellschaftsrecht wird dementsprechend (für manche überraschend?29) dem Primat des Insolvenzrechts unterstellt. Die gesellschaftsrechtliche Beschlusskontrolle – einschließlich die Willensbildung modifizierender Mehrheitserfordernisse, Treuepflichten sowie Gleichbehandlungserfordernisse – hat ihre Bedeutung im Anwendungsbereich des § 225a InsO eingebüßt und wird durch die insolvenzrechtlichen Zustimmungs- und Schutzbestimmungen substituiert.30 4. Entwicklungsgenese

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a) Überlegungen de lege lata. Der Normtext entspricht zu § 225a I–III weitgehend den (ESUG-) Ministerialvorschlägen von DiskE und RefE. Ein erster, früher Vorschlag zur Änderung war zwar nicht unmittelbar bei Abs 2 angesiedelt, hätte aber ein grundlegend anderes Verständnis des „Swap-Vorgangs“ erzeugt: Widerspruchslösung statt der alten Zustimmungslösung. Schweigen würde zu einer (Positiv-) Erklärung – schon ein Novum, dennoch mit Vorbild (§ 247 I, aber insb auch § 246a – in Kontrast zu §§ 330 ff, 338–342). Das hätte ein neuer § 230 II S 2 folgendermaßen bewerkstelligt (Art 1 Nr 14b DiskE): Die Zustimmung des Gläubigers, der keine persönliche Haftung übernehmen soll, gilt als erteilt, wenn 1. der Insolvenzverwalter oder der Schuldner [scil. der Verfasser] ihm die geplante Maßnahme schriftlich erläutert und ihn dabei aufgefordert hat, binnen einer Frist von mindestens zwei Wochen seine Zustimmung zu erklären, und 2. der Gläubiger innerhalb der Frist nicht schriftlich [Formgebot!] geantwortet hat [positiv oder negativ?], obwohl er bei der Aufforderung auf die Rechtsfolge eines solchen Verhaltens hingewiesen worden ist [Aufklärung!].

Das sollte praktische Sanierungshindernisse abmildern, man hätte den Mehrheitszwang äußerst verstärkt. Davon ist schon der RefE (und zwar durch den neuen § 225a II S 2, welcher „ersatzweise“ dazukam31) insgesamt wieder abgerückt (Art 1 Nr 17 RefE). Der Grundsatz war gesichert: man wird nicht wider Willen einfach Gesellschafter „kraft Handeltreibens“. Die Insolvenz führt letztlich bei Befriedigung immer zum Minus, nicht zum Aliud, jedenfalls nicht ohne die Zustimmung des Betroffenen. So weit sollte Mehrheitszwang niemals infolgedessen reichen bzw individuelle Entscheidung offenbleiben. 10 Die parlamentarische Beratung brachte drei weitere Vorstöße. Zu Abs 2 war zunächst ergänzend vom Bundesrat empfohlen,32 vereinfachend juristische Personen öffentlichen Rechts auszuklammern: diese würden so oder so dagegen votieren, sich per DES in Eignerschaft zu beteiligen („Die Worte hört man wohl …“ – und dann hilft der Staat eben per Bürgschaftsverpflichtung!); jenes wurde zu Recht nicht weiterverfolgt. Die beiden anderen liegen offen zutage: der Rechtsausschuss hat insoweit § 225a Abs 4 und 5 angefügt. Beide

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Symptomatisch K Schmidt BB 2011, 1603, 1607 („geradezu revolutionär“). OLG Frankfurt/Main NZI 2013, 978, 979 {15–19}; ZInsO 2013, 2162, 2164; Hölzle HRI2 § 31 Rn 31; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 5 mit NZG 2012, 961, 965; Hölzle/Beyß ZIP 2016, 1461; Spliedt GmbHR 2012, 462, 466; K Schmidt BB 2011, 1603, 1607 und 1609. – Schlagwort: Gläubigerinteresse vor Interesse der Anteilsinhaber (arg §§ 199, 245 III Nr 1, 251).

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Und harter Kritik entgegenkam: Frind ZInsO 2011, 656, 657 („Damit ist das Instrument der Kombination ‚debt-equityswap und Plan‘ praktisch tot.“); Pape, ZInsO 2011, 1033, 1040; Hölzle NZI 2011, 124, 128; Maier-Reimer in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011 (2012), S 107, 117 („stumpfes Schwert“). BT-Drucks 17/5717 S 55 li. Sp. [BRat: Nr 9], dazu überdeutlich dann S 68 re. Sp. [BReg: Nr 9]: „überflüssig“ bzw „entbehrlich“.

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Rechte der Anteilsinhaber

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Absätze geben in ihrer eigenen Weise der plansanierten Gesellschaft gewissen zusätzlichen Bestandsschutz. Abs 4 versucht sich – ebenfalls auf Empfehlung des Bundesrates33 – am Bestandsschutz für Vertragsbeziehungen des Gemeinschuldners (dazu Rn 6 mit 42–45), Abs 5 – vorgeschlagen von Rechtsausschuss34 – schützt zudem vor zu hohen bzw allzu raschen Abfindungswünschen ausscheidender Altgesellschafter (dazu Rn 46–49). b) Gedanken de lege ferenda. Diskutiert wird allerdings, ob man doch nicht besser de 11 lege ferenda (!) eine qualifizierte (insolvenzrechtliche?) Mehrheitsentscheidung kodifizieren soll. Anregung geben insoweit das deutsche Schuldverschreibungsrecht (§ 5 III SchVG, vgl Rn 63) sowie vor allem die sog Arrangementregeln englischen Gesellschaftsrechts (§§ 895–899 CA/200635), die freiwillige Restrukturierung sogar vor einer Insolvenzreife ermöglichen36 und knapp gefasst folgendes abverlangen: Verfahrensantrag (§ 896 II: application) mit Änderungsvorschlag (§ 897: statement“), Abstimmungstermin (§ 896 I: meeting), breiten Konsens (§ 899 I: ¾ Summenmehrheit plus einfache Kopfmehrheit – möglich in Gruppen), gerichtliche Bestätigung (§ 899 II-IV: court sanction); sie führt zur Verbindlichkeit gegenüber allen (§ 899 III: „A compromise or agreement sanctioned by the court is binding on … all creditors … and … the company …“). Der Prozess ist schlank und kennt starken Mehrheitszwang gegenüber „Akkordstörern“. Das wird auch für Deutschland zT vorgeschlagen.37 Das Gesellschaftsrecht erlaubt gewiss die Satzungsänderung mit ähnlich qualifiziertem Quorum (§ 179 II S 1 AktG; § 53 II S 1 Hs 2 GmbHG) – doch haben sich zuvor alle Beteiligten darauf immerhin freiwillig eingelassen! Überbrückung (bzgl § 225a II S 2 [Rn 53, 61–63]) sollten nach Ansicht Eidenmüllers 12 freilich materiell-rechtliche Kooperationspflichten schaffen. Diese folgten aus einer zwischen den Gläubigern bestehenden gesellschaftsähnlichen Sonderverbindung und entstünden in Sanierungssituationen, falls jene die Durchführung eines Debt Equity Swap erforderten und dessen Erfolg von der Mitwirkung aller Gläubiger abhänge.38 Angesichts drohender Verzögerung im Falle (notwendiger) prozessualer Durchsetzung der Mitwirkungspflichten solle hier den Anforderungen der §§ 225a II S 2, 230 II bereits dann entsprochen sein, wenn im Plan bzw einer entsprechenden Anlage die Voraussetzungen der Zustimmungspflicht substantiiert dargelegt werden. Dieser Ansicht ist vehement zu widersprechen.39 Sie belastet das Verfahren mit Streitfragen, die dort nicht hingehören – im Insolvenzrecht wird materieller Streit aus guten Gründen ins Erkenntnisverfahren verlagert –, widerspricht ganz offenkundig der den Gläubigern gesetzlich zugebilligten Entscheidungs-

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BT-Drucks 17/5717 S 55 re. Sp. [BRat: Nr 10], eindeutig hier positiver S 69 li. Sp. [BReg: Nr 10]; BT-Drucks 17/7511 S 36 li. Sp. [RA]. BT-Drucks 17/7511 S 36 li. Sp. [RA]. Companies Act 2006 ch. 46. Überblick zum Verfahren bei Bork Sanierungsrecht in Deutschland und England (2011), Rn 6.2 ff und 7.15 ff mit IILR 2012, 477; Thole ZGR 2013, 109, 111 f [II] (mwN: Fn 7); Kusche Die Anerkennung des Scheme of Arrangement in Deutschland (2014), S 7–38 (Verfahren), S 39–43 (Wirkungen); vgl erg Undritz/Knof HRI2 § 3 Rn 247–255. Hölzle KTS 2011, 291, 323 [B I 3] bzw HRI2 § 31 Rn 66; vgl auch erg Maier-Reimer, in:

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Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011 (2012), S 107, 117; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225 Rn 33; HambK/Thies InsO5 § 225a Rn 34; Bork ZIP 2010, 397, 409 f [5.4]. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225 Rn 36 sowie auch vor § 217 Rn 65 (mwN) im Anschluss an Eidenmüller Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz (1999), S 652 ff. Siehe etwa zur KO: BGHZ 116, 319, 325, 327 f (LS b: „würde die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten“) – zur InsO: Hölzle HRI2 § 31 Rn 67; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 23.

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freiheit und machte die Gläubigergemeinschaft zur Pflichtengemeinschaft; sie jedoch ist und bleibt natürlich – so wie auch außerhalb der Insolvenz – eine schlichte Schicksalsbzw Interessengemeinschaft40 (vgl ausf Vor § 217 ff Rn 255–257 sowie vor allem § 254 Rn 23 ff), aus der keinerlei Verbindlichkeiten untereinander erwachsen. 5. Hauptkritikpunkte (unter neuem Recht)

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Die entscheidende Neujustierung des Verhältnisses zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht (dazu Rn 1, 7 f) wird jedoch keineswegs ausnahmslos unkritisch gesehen41. Eingewandt wird namentlich, Insolvenzrecht sei als Vollstreckungsrecht auf den Gemeinschuldner fokussiert (Erlösverteilung!),42 könne demzufolge nicht intendiert (!) in Drittrechte (Anteils- und Mitgliedschaftsrechte) eingreifen. Der Satz indes verkürzt die Funktion (AnfG, §§ 129 ff InsO) – es geht um Haftungsverwirklichung. Dementsprechend lässt sich auch die ursprüngliche (dingliche) Zugriffsmacht von erstreckter (haftungsmäßiger) Zugriffsmacht prinzipiell unterscheiden.43 Dann stört nichts (aus just einer insolvenzrechtlichen Sicht): § 217 S 2 bewirkt dabei ein Ausdehnen insolvenzrechtlichen Zugriffs (dazu § 217 Rn 23) – dort ist jene Entscheidung vom Gesetzgeber aber eben ganz bewusst getroffen worden, und man soll (und kann) sie bei § 225a [Abs 2] nicht einfach ignorieren. 14 Die merkliche Verschlechterung der Rechtsstellung der „Anteilseigner“ (dazu Rn 15, 21, 28, 36 f, 38, 47 f, 64, 69 f) ist Normzweck im Interesse erleichterter Sanierung. Allerdings vertuscht die gegebene Begründung44 die Konsequenz: trotz explizit formaler Beteiligung (§ 222 I S 2 Nr 4), ermangeln doch am Ende wirkliche, materielle (Mit-) Entscheidungsbefugnisse. Das geht schon etwas gegen § 246a, welcher Erklärungspflichten ansetzt (aber insoweit bloß § 247 Abs 1 spiegelt). Aufgrund der regelmäßigen letztrangigen Befriedigung der Anteilsinhaber (arg § 199 S 2 [Rn 57, 64] – Sonderfälle: § 18 I [anfangs] bzw § 212 S 1 [hernach]), werden Anteilseigner durch einen Insolvenzplan – ungeachtet seines konkreten Inhalts – regelmäßig nicht schlechter gestellt als sie im Regelverfahren („ohne einen Plan“) stünden (§ 245 I Nr 1) sowie mit Blick auf § 245 III (der insoweit nun § 247 II spiegelt) auch insgesamt angemessen beteiligt (§ 245 I Nr 2) – daher kann der Plan gegen

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Ähnlich en passant BGH NJW 2015, 2660, 2663 {26} [B II 2a bb (1)] = NZI 2015, 697 = DZWIR 2015, 560; NJW-RR 2006, 491, 492 f {15} [II 2b] = NZI 2006, 100, 101/102: „Schicksalsgemeinschaft“. Zur Kritik nur Schäfer ZIP 2015, 1208, 1210 und 2014, 2417, 2418; H P Westermann NZG 2015, 134, 137 f [II 3] mit 140 [II 5]; H-F Müller KTS 2012, 419, 424 ff, insb 427 f [III] sowie zusf 451 f und KTS 2011, 1, 20. Ausgehend vom Verfahren nur Marotzke ZInsO 2015, 325, 325 ff. So etwa Madaus Insolvenzplan (2011), S 601 mit ZGR 2011, 749, 755 f [III 1a] und 770 f [III 3]; Stöber ZInsO 2013, 2457, 2460 – dagegen HK/Haas InsO9 § 225a Rn 3 mit NZG 2012, 961, 963 [III 1]; Hölzle ZIP 2013, 1846, 1849 [III] mit HRI2 § 31 Rn 2. Vgl auch erg noch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 2 f bzw Eidenmüller/ Engert ZIP 2009, 541, 549 f [V 1.1.1];

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 2; Spetzler KTS 2010, 433, 435–437 [II 1]. Vgl auch Häsemeyer InsR4, Rn 28.03 f. Anders der Ansatz von Hölzle HRI2 § 31 Rn 20 ff (25) bzw Hölzle/Beyß ZIP 2016, 1461 [I] („Verdrängungsbereich II“) in Anlehnung an F Weber KTS 1970, 73, 77 ff (78 f mit 80/81) [II] – es geht dort um die Funktionsteilung zwischen Insolvenzverwalter und Gesellschaftsorganen. BT-Drucks 17/5712 S 18 re. Sp. („Über die Änderung … mitentscheiden“) bzw S 32 li. Sp. („Rechte … hinreichend gewahrt“) einerseits, K Schmidt BB 2011, 1603, 1607 [IV 1] („euphemistisch“) andererseits, ferner vgl Madaus ZGR 2011, 749, 766 [III 2b] („Obstruktionsverbot [degradiert] die Willensbildung der Gesellschafter zu einer reinen Formsache“).

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Rechte der Anteilsinhaber

§ 225a

die Stimmen der Anteilsinhaber, eine Mehrheit der abstimmenden Gruppen vorausgesetzt (vgl § 245 I Nr 3), allein aufgrund Obstruktionsverbotes zustande kommen45 (so wie er ebenso den Willen des jeweiligen Gemeinschuldners überspielt …). Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 253 I) bringt einem Anteilseigner vor diesem Hintergrund meist nichts – es gilt derselbe Betroffenheitsmaßstab (§ 253 II Nr 3: „schlechtergestellt …, als er ohne einen Plan stünde“), das wäre zudem mE meist wohl ein „Vollzugsfall“ iSv § 253 IV S 1.46 Bleibt indes noch die zusätzliche präventive Möglichkeit zum Minderheitenschutzan- 15 trag (§ 251 I). Hiermit wurde die Rechtsstellung der Anteilseigner stärker – im Verhältnis zu derjenigen des Schuldners – gemacht. Zwar soll die Regelung Gläubigern wie Anteilsinhabern den in ihrer Rechtsposition verkörperten Wert sichern47 (dazu § 251 Rn 5 f), doch wird ein (trotz § 199 S 2 begründeter) Werthaltigkeitseinwand regelmäßig an einer salvatorischen Kompensationsklausel (Abs 3 S 1) scheitern und die Vollziehbarkeit des Plans nicht hindern; der Gesellschafter ist in diesem Fall auf die Geltendmachung des Ausgleichs einer etwaigen Schlechterstellung außerhalb des Planverfahrens verwiesen (Abs 3 S 2). Es gilt die alte Aufopferungsregel: „dulde und liquidiere“.48 Den Anteilseignern fehlen Möglichkeiten, den „anfahrenden Zug aufzuhalten“, sie haben weniger Einflussnahmepotential49 (aber eben deshalb dann auch weniger sog Blockadepotential iSv Rn 5, 7 f, 14). 6. Rechtsvergleichung Bei der Schaffung von § 225a ließ sich der deutsche Gesetzgeber wohl weniger von ei- 16 genen Vorarbeiten inspirieren, obgleich das durchaus einsichtig gewesen wäre (dazu Rn 3), als von dem US-amerikanischen Chapter 11-Verfahren.50 Folgerichtig sind zahlreiche Parallelen erkennbar: Beide Systeme erlauben die Durchführung eines Debt Equity Swap (Abs 2 [Rn 27–30 mit 50–75] bzw 11 USC § 1123 lit a Nr 5J) sowie weiterer korporativer Maßnahmen (Abs 3 [Rn 31–35] bzw 11 USC § 1123 lit a Nr 5C [„merger and consolidation“] und Nr 5I [„amendment of the debtor’s charter“] sowie Nr 6 [„appropriate distribution of [voting] power“]). Zur Erleichterung der Sanierung koppeln sie diese – gleichermaßen gerechtfertigt durch die insolvenzbedingte Wertlosigkeit der Anteilsrechte (vgl § 199 S 2 bzw 11 USC § 1129 lit b Nr 2B (ii) [absolute priority rule51]) – vom Erfordernis der Gesellschafterzustimmung ab (§§ 245 I, III, 246a bzw 11 USC § 1129 lit b Nr 1 [cram

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Hölzle HRI2 § 31 Rn 110 f mit NZI 2011, 124, 128 [III 3] und KTS 2011, 291, 322 [B I.4]; K Schmidt BB 2011, 1603, 1607 f [IV 1–2]; Brinkmann WM 2011, 97, 99 [IV 2]; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 125 [III 1c aa]. Hölzle HRI2 § 31 Rn 114; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 122 f [II]; mehr pauschal bzw generell auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 19. BT-Drucks 17/5712 S 34/35 (Art 14 I GG); HK/Haas InsO9 § 251 Rn 1; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 251 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 251 Rn 1. Ähnlich H-F Müller KTS 2012, 419, 425.

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H P Westermann NZG 2015, 134, 140 [II 5]; K Schmidt BB 2011, 1603, 1607 [IV 1]; Hölzle HRI2 § 31 Rn 110, 112; ebenso Bulgrin Die strategische Insolvenz (2016), S 188, aber vgl auch erg S 115 ff, 253 f (Möglichkeiten eines vorgelagerten Insolvenzeingangsschutzes). BT-Drucks 17/5712 S 18; siehe schon einst BT-Drucks 12/2443 S 105 f; zudem Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 5 und 6 mit Hinweis auf den Wettbewerb der Insolvenzrechte, aber zB auch FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 2. Vgl hierzu H-F Müller Der Verband in der Insolvenz (2002), S 390–315.

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down])52 und lockern kapitalrechtliche Regelungen (dazu Rn 89–96 bzw 11 USC § 1145). Das rechtliche Grundmodell ist vergleichbar ausgelegt. 17 Gewisse, feine Unterschiede verbleiben gleichwohl, wenn das amerikanische Recht von dem Grundsatz ausgeht, dass bestehende Anteils- und Mitgliedschaftsrechte am Schuldner mit der Bestätigung des Insolvenzplanes erlöschen (11 USC § 1141 lit d Nr 1B „Except as otherwise provided“), § 225a I jedoch entgegengesetzt regelt, dass diese vom Insolvenzplan abseits anderweitiger Bestimmungen unberührt bleiben und damit eine umgekehrte Regelungslast begründet (dazu Rn 21). Das kann man auch als Konzession ans tradierte Gesellschaftsrecht verstehen. Ebenfalls findet der jeweilige Verzicht auf ein Zustimmungserfordernis dort und hier unterschiedliche Ausgestaltung: Während das amerikanische Recht die fehlende Zustimmung ignoriert (vgl 11 USC § 1129 lit b Nr 1 und namentlich Nr 2C), wird sie – ohne dass dies etwas am praktischem Ergebnis änderte – nach deutschem Recht fingiert (§§ 245 I, III und 246a). Dies ist nicht zuletzt ein Versuch, vertragliche Erklärungsmodelle (siehe dazu Vor §§ 217 ff Rn 223–231) doch nicht allzu sehr „vor den Kopf“ zu stoßen.

II. Regelungsstruktur 18

§ 225a I eröffnet als „Ausnahme“ (im Anschluss an § 217 S 2), die gegenwärtigen Beteiligungsverhältnisse umzugestalten (dazu Rn 57–60, 64 f, 69 f). Im Anschluss hieran gestattet Abs 2 die Umwandlung von Gläubigerforderungen in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte am Schuldner (S 1) und beschreibt, welche Maßnahmen der Gesetzgeber zur Durchführung der Umwandlung (sog Debt Equity Swap [DES]: Rn 27–30, 64–71) als üblich beurteilt (S 3). Abs 3 erweitert das Instrumentarium des Planerstellers hiernach zusätzlich und ermächtigt zur Vornahme jeglicher (!) gesellschaftsrechtlich zulässiger Maßnahmen (sog „Generaklklausel“: Rn 19 iVm 31–41) – das neuerlich gekoppelt mit Regelbeispielen („insbesondere“ – aber nicht eben: ausschließlich). – Die beiden folgenden, weniger wichtigen, Vorschriften verhindern eine Aushöhlung der vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen durch Beendigung bestehender, sanierungsrelevanter (iSv Rn 6) Vertragsverhältnisse (Abs 4: Rn 42–45) sowie durch eventuelle wechselbedingte Abfindungen (Abs 5: Rn 46–49). 19 § 225a stellt damit scheinbar aber nun, systematisch etwas verunglückt, die spezielle Ausformung (Abs 2) vor die generelle Bestimmung (Abs 3), ohne das dann ausreichend zu präzisieren. Zur Reihung passt allemal die Gesetzesbegründung, wenn sie sich wortreich dem Debt Equity Swap widmet und zu den außerdem vorhandenen Regelungsinhalten weitgehend schweigt.53 So wird es zumeist jedenfalls gesehen54 (siehe auch bei Rn 33). Diese Einschätzung trügt. Zwischen Abs 2 und Abs 3 bestehen weder Hierarchie noch Konkurrenz – ihre Perspektiven sind verschiedene (indes doch unter demselben „Dach“ [scil. Sanierung] vereinigt): Abs 2 sieht die Dinge vom Insolvenzgläubiger aus (bzw zielt auf künftige Beteiligungsrechte, in zugestanden spezifischer Problemlage, welche reziprok beste-

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Anders dagegen das französische Recht, vgl Droege Gagnier/Dust NZI 2014, 942, 943 und 944. Vgl BT-Drucks 17/5712 S 31. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 28; FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a InsO Rn 34; HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 11,

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46; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 39; ferner vgl Bulgrin Die strategische Insolvenz (2016), S 64 („§ 225a Abs. 2 InsO [habe] lediglich … klarstellende Funktion“); Hölzle HRI2 § 31 Rn 2 sowie NZI 2011, 124: Abs 2 als „Kernstück“ (S 127) bzw „Herzstück“ (S 128); Simon CFL 2010, 448, 454; besonnen Hirte/Knof/Mock DB 2011, 632, 637.

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hende Eignerrechte verwässert oder gar ganz entwertet!55), Abs 3 setzt den Fokus auf Anteilseigner (bzw zielt auf aktuelle Beteiligungsrechte). Das beweist nicht zuletzt die anschließende Gleichführung bei Abs 4 und 5 („Maßnahme nach Absatz 2 oder 3). Beide berühren sich freilich darum, weil sie außerdem (gesellschaftsrechtliche) Regelungsinstrumente benennen. Alle diese Formen – weil eigens (in Abs 2 S 3 bzw Abs 3 Hs 2) explizit aufgeführt – müssen darum auch keinerlei Zulässigkeitskontrolle (Abs 3 Hs 1) argwöhnen (Regelbeispiele als Regelvermutung der Statthaftigkeit) – sie zielt nämlich vorrangig auf unbenannte, sonstige Planideen. § 217 S 2 bereitet den Eingriff vor, wenn er hier die „Anteilseigner“ zu einer persönlich 20 planbetroffenen (bzw zwangsweise „-unterworfenen“) Zielgruppe macht („wer“?). § 225 I bestätigt das gleichsam nur, ohne jedoch den Inhalt präziser zu erklären („dass“!); er scheint stärker im lediglich „Technischen“ verankert (dazu Rn 21), hat aber zudem noch als Zusatzfunktion, auf Abs 2 und 3 weiterzuleiten (welche außerdem Abs 4 und Abs 5 wiederum flankieren). Erst diese Regeln erlauben den Eingriff in einer bestimmten, abstrakten Weise („was“?), welche zudem nach Konkretisierung des Planverfassers ruft („wie“?). – Diese Grundnormen werden fortgeführt durch Bildung einer eigenständigen Abstimmungsgruppe (§ 222 I S 2 Nr 4), Informationsrechte (§ 235 III S 3 und 4, § 252 II S 2) und Beteiligungsbefugnis (§ 238a „versus“ § 246a; § 248a II) sowie auch das Obstruktionsverbot (§ 245 III). (DES-) Übernehmer müssen außerdem selbst förmlich zustimmen (§ 230 II – als Folgerung aus Abs 2 S 2).56

III. Regelungsinhalt im allgemeinen 1. „Unberührtheitsgrundsatz“ (Abs 1) a) Dogmatische Grundlegung. Der Gesetzgeber beschwichtigt einleitend die „Anteils- 21 eigner“ (dazu Rn 22–26), so wie nach § 223 I S 1 die Absonderungsbefugten. Dabei sollten diese (so wie jene) bereits wegen § 217 [S 2 bzw Var 5] (dazu § 217 Rn 72–75] doch schon „bösgläubig“ genug sein. Abs 1 Hs 1 stellt erst die Maxime klar: das vollständige „Unberührtbleiben“ der Anteilseigner (Konsequenz: keine Gruppenbildung nötig [§ 222 I S 2 Nr 4 Hs 2], wohl aber eine Erläuterung in der Darstellung57 [umfassende Information erforderlich – arg § 220 II]); er schiebt aber alsdann sofort mit Abs 1 Hs 2 die allemal bedeutungsvoller wirkende Planermächtigung hinterher: im Plan (oder zutreffender im gestaltenden Teil: § 221 Rn 44 und 83) kann insoweit „etwas anderes bestimmt“ sein. Damit wird ein dogmatisches Regel-Ausnahme-Verhältnis festgelegt58 (welches die Praxis nie bindet! Es passt schlecht auch zu § 225 I:59 Anteilseigner stehen noch hinter Nachrangigen – arg § 199 S 2), aber zugleich auch das Zusatzerfordernis aktiver Planausgestaltung fixiert (im Unterschied zu § 225 I [zulasten nachrangiger Gläubiger] und § 227 I [zugunsten des

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Was rechtfertigt, beide Vorschriften normsystematisch „unter demselben Dach“ zusammenzufassen. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 87; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 43; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 46. AA Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 5 und Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 5.

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Das geht klar über eine allein „klarstellende Regelung“ hinaus (aA Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 3 und 5). Daher mit Recht krit MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 25 – verteidigend Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 5 und HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 4.

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Schuldners, dh reziprok dann auch zulasten vollrangiger Gläubiger], welche weitergehend mit „Auffangregeln“ helfen).60

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b) Begriffliche Präzisierungen. Das Gesetz spricht objektiv von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten (§ 217 S 2 [Var 5] bzw § 225a I) mit dann der subjektiven Präzisierung, dass es sich um jene „der am Schuldner beteiligten Personen“ handelt; § 230 II stellt ihnen jedoch zudem die „Beteiligungen“ zur Seite. Das schafft gewisse Verwirrung. Dazu kommt, dass subjektiv auch die Rede von Anteilsinhabern ist (Überschrift – aber zB auch §§ 238a I S 1, 245 III, 246a, 248a II und IV, 254a II S 1 und 2). Eine (Legal-) Definition aber fehlt leider im Gesetz. Und gibt es denn einen Oberbegriff? – Anteilsrecht (prominent in § 225a) oder Beteiligung (versteckt in § 230 II)? Wenn schon, eher Beteiligungsrechte61 (was aber einen prozeduralen Fokus vorspiegelte), gegen Anteilsrechte streitet die nach der Überschrift in § 225a verwendete konsequente Doppelformel. Klar bleibt freilich, dass es sich nie um einzelne Teilrechte (Teilhabe, Stimmrecht, Entnahme etc) handeln kann (Abspaltungsverbot62), sondern die Beteiligung als Stammrecht gemeint ist. Ein Stimmrecht muss nicht unausweichlich damit zusammenhängen. 23 Gemeint sind jeweils Rechtspositionen, die in der (gesellschaftsrechtlichen) Beteiligung an einer juristischen Person wurzeln (dazu Rn 22), ohne jedoch sich darauf vollständig zu beschränken (arg Abs 5 „Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“] bzw § 230 II [„nicht rechtsfähiger Verein“]. Erfasst werden sollen demnach alle privaten insolvenzfähigen Rechtsgebilde jenseits natürlicher Personen mit Ausnahme von Güter- und Erbengemeinschaft (§ 11 I und II Nr 1 „versus“ Nr 2). Das passt zum näheren betriebswirtschaftlichen Kontext und auch zum gesetzgeberischen (ESUG-) Regelungsanliegen, Kapitalmaßnahmen in Insolvenzplänen umfassend zu gestatten.63 Alsdann wirkt die Doppelwendung als ein Rundumschlag: sie umfasst nämlich gleichermaßen die Beteiligung an Kapital- und Personengesellschaften (Anteilsrechte – AG, GmbH, KGaA bzw GbR, oHG, KG, PartG, EWiV) sowie an „anteilslosen“ Vereinen und Genossenschaften (Mitgliedschaftsrechte).64 Stiftungen kennen allerdings nichts von beiden. 24 Erfasst werden allemal damit die unmittelbaren („direkten“) Beteiligungen bzw Außengesellschaften des Gemeinschuldners (bzw aus Perspektive der Betroffenen: die Beteiligungsrechte „der am Schuldner beteiligten Personen“). Weil es sich bei jenen Eignern um natürliche wie juristische Personen handeln kann (Beispiel: GmbH & Co. KG), mag uU auch die indirektere Verknüpfung hinreichen („abgestuftes Eintauschen“). Erfasst werden sollten mE gleichfalls die mittelbaren („verdeckten“) Beteiligungen, wie etwa jene kraft Treuhandbindung65 bzw Innengesellschaft,66 und mitsamt der stillen Gesell-

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 25; wegen US-amerikanischem Recht siehe Rn 16. Münch/Komm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 55 (Beteiligung als Oberbegriff), wohl auch AGR/Silcher § 230 Rn 6 – aA (Doppelung scheinbar belanglos): Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 230 Rn 8; HK/Haas InsO9 § 230 Rn 5. Man muss aber auch sehen, dass die fragliche Vorschrift der Urfassung entstammt (§ 274 II RegE). BGHZ 3, 354, 357 (oHG); 43, 261, 267 (GmbH) – näher vgl Flume AT I/2 (1983), S 201 ff.

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BT-Drucks 17/5712 S 18 (trotz abweichendem Nomen: „Anteilseigner“ bzw „Anteilsinhaber“). BT-Drucks 17/5712, S 31 li. Sp. (zu Nr 16c); Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 6 f; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 7–9; im Erg ebenso HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 5 ff, der nicht (allein) rechtsträgerspezifisch differenziert. Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 6 („rechtliche Beteiligung“); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 15. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 21 mit § 230 Rn 55.

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schaft67 (§§ 230–236 HGB). So sah es gleichfalls die Insiderregel des § 261 S 2 RegE (in anderem Zusammenhang) vor. Das gilt indes jedoch nicht mehr für Sicherungsrechte, wie Nießbrauch und Pfandrecht, die ihrerseits gemeinhin eigene Ansprüche vermitteln bzw „abhängige“ Rechtspositionen begründen – anders gesagt: sie würden entfallen, falls der betroffene Geschäftsanteil untergeht68 (dazu Rn 22, 26). Das Gegenstück des Unberührtbleibens (Hs 1) ist inhaltlich die Planbetroffenheit (Hs 2) 25 oder auch die Beeinträchtigung des Beteiligungsrechts (iSv Rn 22–24) – und zwar im Sinn einer dinglich ausgestalteten Position. Hierbei denkt man traditionell an Verfügungen (unmittelbare Einwirkungen: Übertragung, Belastung, Veränderung und natürlich vor allem die Aufhebung!), dh irgendeine Art Abänderung. Doch müssen ebenso andere, weichere Eingriffe ausreichen. Wenn man sich des gültigen Abspaltungsverbots erinnert, rechnen dazu nämlich alle Verwaltungs- und Vermögensrechte, womit dann schon jede – positive oder negative (dazu Rn 86 f) – status-quo-Abweichung hinreicht. Jede kleine Veränderung genügt folglich, also insb wenn in die den Berechtigten vorbehaltenen Beschlusskompetenzen eingegriffen wird. Daher muss schon dann immer eine Abstimmungsgruppe (§ 222 I S 2 Nr 4) gebildet werden, wenn der Plan spätere Beschlüsse ersetzt, die den Gesellschaftern vorbehalten wären.69 Die Begriffsbestimmung endet hier indes noch nicht: Es ist zudem weiter – mit Blick auf 26 § 222 I S 2 – „rollengerecht“ zu unterscheiden: dingliche Belastung (Nr 1), schuldrechtlich begründete Ansprüche (Nrn 2/3) oder eben Beteiligung (Nr 4)? Die Anspruchsentstehung societatis causa stellt insoweit kein hinreichendes Abgrenzungskriterium dar,70 denn der bloße Sachzusammenhang kann nicht für die Einordnung des fraglichen Rechts maßgeblich sein. Unter § 225a [Abs 1] (bzw § 222 I S 2 Nr 4) fällt, was mit der Inhaberstellung bzw Mitgliedschaft untrennbar zusammengehört (Abspaltungsverbot71 bzw Rn 22) – also nicht etwa:72 Abfindungsansprüche ausgeschiedener Gesellschafter; Ansprüche aus bereits beschlossenen Gewinnausschüttungen (§ 58 IV AktG, § 29 I S 1 GmbHG); Aufwendungsersatzansprüche (§ 110 HGB); Schadensersatzforderungen; Auszahlungen auf einen Genussschein; Restforderungen von Vorzugsaktionären auf Nachzahlungen nichterbrachter Vorzugsdividenden – alles dies ist „Betroffensein“ als – voll- oder nachrangiger – Insolvenzgläubiger (§ 38).

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 21, § 230 Rn 55; SanRKomm/Seibt/ Westphahl InsO § 225a Rn 9; aA Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 8; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 225a Rn 16; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 6. Hölzle/Beyß ZIP 2016, 1461, 1463 f [II 1], zust Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 7a. So wie hier Hölzle HRI2 § 31 Rn 4 sowie per saldo HambK/Thies InsO5 § 225a Rn 7; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 24 unterscheidet dagegen zwischen gruppenbezogenen und gruppenfreien Plangestaltungen. Wenig hilfreich indes Uhlenbruck/Hirte

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InsO14 § 225a Rn 10: Abweichung vom Normalfall (scil. „Regelinsolvenzverfahren“) – aber: dort fehlt schon eine Möglichkeit zum Einbeziehen (§ 217 S 2: Insolvenzplan erforderlich). HK/Haas InsO9 § 225a Rn 5; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 225a Rn 18; Hölzle HRI2 § 31 Rn 28; siehe aber auch Madaus ZIP 2010, 1214, 1215 f und 1220 [III 1 und IV 4]. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 7a; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 5; Hölzle HRI2 § 31 Rn 28; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 21; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 225a Rn 18. Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 6 aE und 7; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 17 f.

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2. Umwandlungsermächtigung (Abs 2)

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Der „Handel“ mit notleidend gewordenen Krediten (distressed debt trading -„DDT“) ist ein – scheinbar trotz allem lohnendes – Geschäftsmodell von Finanzinvestoren,73 welche damit dann die Kontrolle über ein „im Kern“ gesundes Unternehmen erlangen, Sanierung intern betreiben und von der mit der Gesundung einhergehenden Wertsteigerung profitieren. Im Insolvenzfall verschärft sich zwar die Lage noch, trotzdem mag dies immer noch ein mutiger Finanzinvestor angehen und versuchen, sich preisgünstig dort einzukaufen. Wege bieten dazu einige spezifische Finanzierungsinstrumente (dazu Rn 29 f – risikoreiche Teilübernahme!) und natürlich die planfreie Liquidation durch übertragende Sanierung (dazu Vor §§ 217 Rn 40 iVm 45 – tatsächliche Vollübernahme, meistens der leichtere Weg). 28 Das Verhältnis von Schulden und Vermögen bestimmt den Verschuldungsgrad (debt to equity ratio); man kann jenen verbessern durch Umwandlung von Fremdkapital (debt) in Eigenkapital (equity) mittels eines „Tauschs“ (debt to equity swap), das bereits im Vorfeld, um drohende Insolvenz (§ 19) zu verhüten (meist durch einen Hedgefonds, der vorher die Forderungen kauft). Dieser sog Debt Equity Swap [„DES“] macht in einer Insolvenz auch bisweilen Sinn, weniger institutionell geformt, sondern als Gläubigeroption auf bessere Befriedigungschancen („Wechsel auf die Zukunft“). Jenen Weg hatte § 230 II auf einer freiwilligen Basis miteröffnet, ihn versieht nun § 225a II mit Zwang – gegen die Anteilseigner (S 1 mit S 3), nicht die Drittgläubiger (S 2)! Die Regel gilt meist als wichtigster ESUG-Fortschritt. Wegen Einzelheiten siehe Rn 14, 31 f, 36 f. Alternativ kann auf Grundlage des Abs 3 (!) auch ein sog Debt Mezzanine Swap 29 [„DMS“] durchgeführt werden74 (von mezzanino [IT] bzw mezzanine [FR/EN] = Zwischengeschoss). Mezzanine-Kapital ist Risikokapital und changiert zwischen Eigen- und Fremdkapital (bzw Ober-/Untergeschoss) – teilweise mit Januskopf, je nach Gebiet (Steuer-, Bankaufsichts-, Bilanzrecht etc). Dabei werden Gläubigerforderungen nicht in Anteilsund Mitgliedschaftsrechte, sondern in durch den Plan geschaffene Genussrechte umgewandelt,75 welche allemal insoweit Eigenkapital ersetzen (IDW HFA 1/1994); ähnlich wirkt ein Nachrangdarlehen. Beides dient auch der nachhaltigen bilanziellen Entschuldung (dazu Rn 59), verzichtet aber auf einen Eingriff in die Stellung der Anteilsinhaber einerseits bzw die Übernahme einer Gesellschafterposition von Seiten der Gläubiger andererseits. 30 Abzugrenzen ist gleichfalls der sog unechte Debt Equity Swap. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass bereits bestehende Anteile auf die Gläubiger übertragen werden und diese im Gegenzug (aufschiebend bedingt) auf ihre Forderungen gegen die Schuldnerin verzichten; es erfolgt mithin keine Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital unter Nutzung des Instruments der Sachkapitalerhöhung.76 Wieder führt dann der Weg über Abs 3 (!) [Hs 2, Var 2, vgl Rn 38]. Der unechte DES verfügt über den Vorteil, dass Bewertungsprobleme im Hinblick auf die einzubringenden Forderungen entfallen; ein Nachteil ist hingegen, dass es dabei zu keinem lastenfreien Beteiligungserwerb kommt, dh etwaige Drittrechte an den Anteils- und Mitgliedschaftsrechten fortbestehen (§ 254 II S 1).77

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Wirkt indes zT trotz allem wie Dichlordiphenyltrichlorethan. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 86; Madaus ZGR 2011, 749, 772; Hess/Hess InsO2 § 225a Rn 30. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 86; Madaus ZGR 2011, 749, 772 f.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 19; Buth/Herrmanns/Kurney/Stenzel Restrukturierung4 § 23 Rn 84; Wieneke/Hoffmann ZIP 2013, 697, 704 ff. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 88; aA Wieneke/Hoffmann ZIP 2013, 697, 705 f.

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3. Umstrukturierungsbefugnis (Abs 3) Abs 3 orientiert sich im Strukturmodell an Abs 2, jedoch auch an §§ 253, 258 RegE: 31 abstrakte Grundsatzregel einerseits (Hs 1 [Rn 33–35] bzw Abs 2 S 1), konkrete Regelbeispiele andererseits (Hs 2 [Rn 36–38] bzw Abs 2 S 3), die praktische Anwendungen vermitteln und dann dafür Rechtssicherheit geben. Im Unterschied zu Abs 2 fehlt hier die „zwischengeschobene Gläubigerschutzregel“ (S 2) – aus ganz gutem Grunde: die Perspektive ist eine total andere (dazu Rn 19); die Eingriffsnorm fokussiert die betroffenen Anteilseigener (so wie in § 217 S 2 „verheißen“). Die Regierungsbegründung78 beschränkt sich allerdings im Wesentlichen nur darauf, den Inhalt wiederzugeben und bloß knapp einleitend zu resümieren: „Absatz 3 ermöglicht es, die gesellschaftsrechtlichen Strukturen des Schuldners auch außerhalb eines Debt Equity Swap grundlegend [!] umzugestalten und sie den Bedürfnissen des Insolvenzplanverfahrens anzupassen.“ Das scheint irreleitend, in vielerlei Hinsicht. Erstens, die Regel wirkt überaus vernied- 32 licht, bagatellisiert, verharmlost gegenüber dem „Klassiker“ (Debt Equity Swap), begründet nur gleichsam als Anhängsel. Das ist ebenso falsch wie die Annahme einer Stufung (dazu Rn 19). Zweitens, die Botschaft ist kryptisch, es geht um das Verhältnis von insolvenzrechtlicher Gestaltung („Bedürfnisse“ des Planverfahrens?) und zwingendem Gesellschaftsrecht („Strukturen“ der Gesellschaft!). Das vermittelt die Kernaussage (dazu Rn 8, 34) des neuen Primats insolvenzrechtlicher Planung. Drittens ist ungenau, auf abstrakte „Bedürfnisse“ (irgend-) eines Planverfahrens abzuheben – gemeint sind jeweils Planideen im Einzelfall, die Möglichkeiten für Planverfasser sowie vor allem die daraus resultierende höhere Befriedigungsquote für die Insolvenzgläubiger (arg § 1 S 1 Hs 1). Viertens steckt „der Teufel“ im Detail: nur adjektivisch wird angedeutet, dass das Instrument sehr weitgehend ist („grundlegend umzugestalten“) und nachhaltige, größere Einschnitte erlaubt. a) Grundprobleme (Hs 1). Hs 1 eröffnet leider per lapsus linguae die Regelungsmacht 33 des Planverfassers – „Im Plan …“ heißt natürlich in Anlehnung an Abs 2 „Im gestaltenden Teil des Plans“ (oder noch besser ganz ohne Genitiv: Rn 53). Was planerisch rechtsverbindlich vorgesehen ist, kann nur dort „untergebracht“ sein (arg § 221 S 1 iVm § 254 I)! Eine Festlegung in der Darlegung oder gar etwa den Anlagen würde nicht genügen. Womöglich ist der Normgeber tatsächlich dabei von einer Fortsetzung (im Anschluss an Abs 2) ausgegangen – es hätte dann in etwa indes heißen müssen: „Im Plan kann auch jede andere Regelung getroffen werden, …“. So stehen zwei Regeln (Abs 2 S 1 und Abs 3) unverbunden einfach beieinander, was die Auslassung störend hervorhebt. – Die hL macht das Ganze letztlich gar noch etwas schlimmer, wenn sie hier Abs 3 gegenüber Abs 2 als „führende“ Norm erachtet (dazu Rn 19), wohl um eine Maßgeblichkeit gesellschaftsrechtlicher Statthaftigkeit insgesamt zu begründen. Hauptaussage der Ermächtigung ist nämlich zweifelsohne die scheinbare Begrenzung 34 auf eine Gestaltung, „die gesellschaftsrechtlich zulässig ist.“ Die dem Planersteller zugebilligte Gestaltungsfreiheit findet ihre Grenze in der Vorbedingung gesellschaftsrechtlicher Zulässigkeit. Dies bedeutet indes nicht, dass das zur Verfügung stehende Instrumentarium an den Grenzen dispositiven Gesellschaftsrechts Halt macht. Vielmehr verdrängen insoweit die Verfahrensregeln der §§ 217 ff – innerhalb jeweils ihres Anwendungsbereiches – 78

BT-Drucks 17/5712 S 32 li. Sp. [zu Nr 17] (Hervorh vom Verf); ganz ähnlich auch Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 38; am Ende wohl ebenso zu deuten MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 23: „Mit der

Neuregelung [§ 225a III] hat der Gesetzgeber das Institut des Insolvenzplans zu einem umfassenden gesellschaftsrechtlichen Regelungsinstrument ausgebaut“ (ohne Hervorh des Originals).

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als leges speciales auch zwingendes Gesellschaftsrecht, sofern und soweit sie die einschlägige Materie abschließend selbst regeln.79 Dies gilt namentlich für die gesellschaftsrechtliche Beschlusskontrolle, den Minderheitenschutz sowie etwaige Treuepflichten, die alle durch genaue Planregeln (insb §§ 225a II S 2, 226, 230 II, 244–247, 250–251, 253) überlagert werden (Näheres siehe bei Rn 32, 52, 69 f, 97).80 Der Insolvenzplan kann mithin diejenigen gesellschaftsrechtlichen Materien regeln, die auf dispositivem (Gesellschafts-) Recht beruhen oder durch die Regelungen des Insolvenzrechts verdrängt wurden. 35 Insolvenzrechtlich ist hingegen im Wortlaut der Gestaltungsbereich nicht weiter verengt: „jede Regelung [kann] getroffen werden“ (wenn sie denn unter Rn 34 fällt). Der Begriff der Regelung sei allemal umfassend zu verstehen und daher ein Bezug der angedachten Maßnahme zur Insolvenzsituation nicht erforderlich.81 Das schiene mir allerdings zu weitgehend. Die Regelung muss geeignet und erforderlich sein, die vorgelegte Planidee umzusetzen. Der Vorleger hat aber gewiss weites Ermessen, was „plantauglich“ ist. Seine Sicht der Dinge zählt (so wie er sie dargelegt hat: § 220). Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ieS passt dazu nicht, sie brächte nur größere Rechtsunsicherheit. Möglich ist dagegen eine handfeste Eingangsprüfung (Insolvenzgrund?), dazuhin zum Schluss – ausnahmsweise! – der Einwand des insolvenzrechtlichen Formenmissbrauches („Scheinprozess“).82 Beide Punkte haben mE im Suhrkamp-Verfahren etwas zu wenig konkrete Beachtung gefunden (Insolvenz als „Brechstange“ für Strukturreform?).

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b) Regelbeispiele (Hs 2). Das Gesetz veranschaulicht die Regelungsmacht an Hand zweier konkreter Beispiele – und macht indirekt damit deutlich, dass zweifelsohne hier gesellschaftsrechtlich zulässige Planausgestaltungen vorliegen (dazu Rn 34): der Fortsetzungsbeschluss als scheinbar lediglich ein einfacher Formalakt (Var 1, vgl Rn 37), der aber recht entscheidend die maßgebende Willensbildung der Gesellschafter überspielt, und die Anteilsübertragung als offenkundig ein Strukturakt (Var 2, vgl Rn 45), der selbst grundlegende (dazu Rn 38 aE) Umgestaltungen rechtfertigt (und sich mit Abs 2 dazuhin etwas be-

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 77 mit NJW 2014, 17, 18; FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 36; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 9 mit NZG 2012, 961, 965; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 63; Bulgrin Die strategische Insolvenz (2016), S 67 ff; SanRKomm/Seibt/Westpfahl InsO § 225a Rn 83 f; HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 46a (Grenze: unabdingbares und unverzichtbares Gesellschaftsrecht); einschränkend Schäfer ZIP 2016, 1911, 1914 und ZIP 2014, 2417, 2418 ff; Madaus ZIP 2016, 1141, 1142– 1144 (unter Verweis auf § 217 S 2 „Anteilsund Mitgliedschaftsrechte“); K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 225a Rn 35 mit GmbHR 2012, 462, 466 und hinsichtlich des Bezugsrechtsausschlusses Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 125 [III 1c bb]. OLG Frankfurt/Main NZI 2013, 978, 979 {15–19}; ZInsO 2013, 2162, 2164 („Suhrkamp“); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a InsO Rn 35; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 6, 9;

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Hölzle HRI2 § 31 Rn 31; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 77 ff mit NJW 2014, 17, 18; Thole ZIP 2013, 1937, 1942 f, 1945; SanRKomm/Seibt/Westpfahl InsO § 225 Rn 84; siehe aber auch AG BerlinCharlottenburg NZI 2015, 415, 416 (hinsichtlich § 241 Nr 3 AktG) m Anm Ströhmann/Harder S 417 sowie Klausmann NZG 2015, 1300; aA Schäfer ZIP 2015, 1208, 1210 ff (mwN) sowie zum Bezugsrechtsausschluss: Brünkmans ZIP 2014, 1857, 1861 f; H-F Müller KTS 2012, 419, 441 f. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a InsO Rn 34 („selbst wenn sie keine Auswirkung auf die Insolvenzmasse haben“); Hölzle HRI2 § 31 Rn 30 ff; Braun/Braun/Frank InsO6 § 225a Rn 2 („Gestaltungsmantel“) mit Rn 32 („Magna Carta“); relativ dunkel FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 37 („alternativ … umgestaltet“). Vgl auch SanRKomm/Seibt/Westpfahl InsO § 225a Rn 85.

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rührt). Man wird jene zwei Fälle um die Beispiele aus Abs 2 S 3, was die Zulässigkeit angeht, bedenkenfrei ergänzen können (dazu Rn 19). Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird die Schuldnergesellschaft kraft Geset- 37 zes immer aufgelöst (vgl § 262 I Nr 3 AktG, § 60 I Nr 4 Hs 1 GmbHG, § 131 I Nr 3 HGB iVm § 161 II HGB, § 101 GenG, § 728 I S 1 BGB, § 42 I S 1 Var 1 BGB – abweichend die Konzeption der Kommission: EB LS 1.2.10 VI [Fortbestand] „versus“ EB 2.4.9.1 I–IV83 [Absicherung]) und so ins faktische Liquidationsstadium überführt – die „werbende“ wird eine „sterbende“ Gesellschaft. Aber dies lässt sich über einen gesellschaftsrechtlich erforderlichen Fortsetzungsbeschluss wieder rückgängig machen (actus contrarius – quasi eine Art „Lazarus-Heilung“: § 274 II Nr 1 AktG, § 60 I Nr 4 Hs 2 GmbHG, § 144 I HGB iVm § 160 II HGB, § 117 I S 1 GenG, § 728 I S 2 BGB, § 42 I S 2 BGB). Das darf der Plan unmittelbar nun vorschreiben (Hs 2 Var 1)84 – und damit den Eignerwillen faktisch überspielen: die Plangruppenmehrheiten surrogieren die Gesellschafterabstimmung. Das sorgt für Planungssicherheit und zudem für Beschleunigung und Kostenersparnis. Die Wirksamkeit der Fortsetzung ist von der rechtskräftigen Planbestätigung (§ 254a II) und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) sowie bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer KGaA noch zusätzlich der Zustimmung der künftigen Vollhafter abhängig (§ 230 I S 2, dort Rn 19–23).85 Genannt ist dazuhin die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten (Hs 2 38 Var 2), während zuvor der Abs 2 speziell deren Erschaffung (durch Umwandlung) betrifft. Dies erfordert natürlich deren objektive (§ 35) oder subjektive (§ 217 S 2) Insolvenzbetroffenheit: Hierher zählt darum die – gänzliche oder uU auch anteilige86 – Übertragung von Beteiligungen des Schuldners (als Naturalperson) an dritten Unternehmen (ein Fall des § 35 – Schlagwort: „aus der Masse“) wie auch (wegen § 217 S 2) die Übertragung der Rechte von Dritten (scil. Gesellschafter bzw Anteilsinhaber) am Schuldner (als Gesellschaft – Schlagwort: „für die Masse“),87 die Altgesellschafter dagegen werden nicht weiter gefragt88 – eventuell können sie jedoch austreten, selbstredend einen wichtigen Grund vorausgesetzt (dann gilt Abs 5! – dazu dann Rn 46–49). Im letzteren Fall erscheint ferner ungeklärt, ob die Übertragung auf die Anteile einzelner (Alt-) Gesellschafter beschränkt werden kann. Dies beantwortet sich im Spannungsbogen von Gleichbehandlungsgebot (§ 226) und – entsprechend dann fakultativer – Gruppenbildung (§ 222 II, dort Rn 113), wird indes aber wegen § 245 III Nr 2 gemeinhin von der Zustimmung der insoweit Betroffenen abhängen.89 Die Neuregelung führt zu einer einfacheren dinglichen Vollziehung,

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Möglich sollte bleiben (Abs 5) der einstimmige Auflösungsbeschluss (S 1) und das höchstpersönliche Ausscheiden (S 2) – indes bloß bei Personenhandelsgesellschaften. HambK/Thies InsO5 § 225a Rn 47: praktisch „herausragend[e]“ Bedeutung bzw „nunmehr … elegantere Lösung“. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 84; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a InsO Rn 40 f; SanRKomm/Seibt/Westpfahl InsO § 225a Rn 91 f; Horstkotte/Martini ZInsO 2012, 557, 573. Vgl Hölzle HRI2 § 31 Rn 33.

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 86 f; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 43; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a InsO Rn 46; HambK/Thies InsO5 § 225a Rn 48 f; Hölzle HRI2 § 31 Rn 33 f. Sehr krit hier Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 127: keine zwangsweise Übertragung der Anteile einzelner Gesellschafter. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a InsO Rn 46. Hölzle HRI2 § 31 Rn 33; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 36; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 71; SanRKomm/ Seibt/Westpfahl InsO § 225a Rn 104; FK/ Jaffé InsO9 § 225a Rn 37.

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welche unmittelbar (scil. „planmäßig“) greift: nach § 254a I im Fall „aus der Masse“, nach § 254a II im Fall „für die Masse“ – indes bloß für Beteiligte. Hier hilft aber § 228 S 1 iVm § 230 II oder spätere rechtsgeschäftliche Annahme.

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c) Praktische Anwendungen. In Betracht kommen zunächst Personaländerungen. Der Insolvenzplan kann einerseits die Abberufung oder die Neubestellung von Organen vorsehen;90 ein parallel bestehendes Anstellungsverhältnis (zB GmbH-Geschäftsführervertrag) verbleibt davon unberührt und ist gesondert zu beenden (§ 113 S 191). Andererseits denkt man dabei insbesondere an Veränderungen der Eignerstruktur, so wie auch gemäß Abs 3 Hs 2 Var 2 als Folge von Anteilsübertragungen (dazu Rn 38) oder gemäß Abs 2 durch Kapitalschnitt unter Ausschluss jedweder Bezugsrechte (dazu Rn 57, 69 f) ohne weiteres tatsächlich zu realisieren.92 Möglich ist genauso (a majore ad minus) ein schlichter zwangsweiser Ausschluss (unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes)93 und erst recht dann ein letztlich „freiwilliges“ Austreten per Planregel.94 Die Statthaftigkeit kann nicht an höhere Hürden geknüpft werden als ein im Ausgangspunkt erzwungener Ausschluss, dem der Gesellschafter im Nachgang (freiwillig!) zustimmt; als Konsequenz ist darauf Abs 5 (dazu Rn 46–49) anwendbar. Das Anteilsrecht indes geht nicht etwa unter (mit Eintritt der Maßnahme:95 § 254 I iVm § 254a I [demzufolge Rechtskraft erforderlich], vgl Rn 90), sondern wird von der Gesellschaft eingezogen, an diese, deren Gesellschafter oder Dritte abgetreten oder wächst den Mitgesellschaftern zu (§ 738 I BGB).96 40 In Betracht kommen ferner jegliche Arten von Satzungsänderungen,97 Mussinhalt (§ 23 III AktG, § 3 GmbHG, § 57 BGB, § 6 GenG) wie Kanninhalt, auch Grundlagenakte sind mit inbegriffen (in Anlehnung an Rn 32 aE): Zweckänderung, Regelung der Gesellschafterrechte und -pflichten,98 Firmenwechsel etc. Wegen Formerfordernissen und Registereintragung hilft § 254a II (dazu Rn 89–91). Sperrminoritäten und auch ein Einstimmigkeitsgebot (§ 119 I HGB) müssen sich § 244 I iVm § 222 (Mehrheitszwang!) hier beugen. Dies 90

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 90; Hölzle HRI2 § 31 Rn 48; HK/ Haas InsO9 § 225a Rn 37; HambK/Thies InsO5 § 225a Rn 49; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 91; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 225a Rn 39 („Annexkompetenz“); aA Madaus ZIP 2012, 2133, 2137: Aufgabe der neu zusammengestellten Hauptversammlung bzw Gesellschafterversammlung. Die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (vgl S 2 [höchstens drei Monate]) entstehenden Vergütungsansprüche sind Masseverbindlichkeiten (§ 55 I Nr 2 Var 2), aus der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses resultierende Schadensersatzansprüche (vgl S 3, sog „Verfrühungsschaden“) sind Insolvenzforderungen (§ 38). K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 42; HambK/Thies InsO5 § 225a Rn 16. HK/Haas InsO9 § 225a Rn 37 mit NZG 2012, 961, 965 [III 3b vor aa]; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 225a InsO Rn 42; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 92; Hölzle HRI2 § 31 Rn 35.

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HK/Haas InsO9 § 225a Rn 40 mit NZG 2012, 961, 966 [III 4b] (arg Abs 5) – aA die hL (wichtiger Grund notwendig): MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 93; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 43; SanRKomm/Seibt/Westpfahl InsO § 225a Rn 99. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 44; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 51 – aA Haas NZG 2012, 961, 966 [4 b] bzw HK/ Haas InsO9 § 225a Rn 40: spätere, separate Erklärung abverlangt. HK/Haas InsO9 § 225a Rn 40 mit NZG 2012, 961, 966 [4 b]; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 45. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 91; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 88; HambK/Thies InsO5 § 225a Rn 49. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 95; Haas NZG 2012, 961, 965; Hölzle HRI2 § 31 Rn 47.

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war ja just der Sinn und Zweck der Norm (dazu Rn 1, 7 f). – Nicht aber von Abs 3 sollen umfasst werden sog unechte bzw nicht korporative Satzungsbestandteile, die lediglich schuldrechtlich zwischen Gesellschaftern wirken und nicht die eigentliche Mitgliedschaft verkörpern.99 Das lässt sich hören, jene können – freilich einvernehmlich – angepasst werden oder unterfallen insolvenzrechtlichen Regularien (§§ 103 ff bzw §§ 174 ff); regelungsfähig bleibt immer aber das Personaltableau (dazu Rn 39). Abgedeckt sind auch Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz als Teilmaterie des 41 Gesellschaftsrechts100 (Stichwort: „Suhrkamp“!). Der Insolvenzplan kann daher sowohl einen (Rechts-) Formwechsel des Schuldners als auch die Verschmelzung oder (teilweise) Übertragung (Auf- bzw Abspaltung oder Ausgliederung) des Schuldners auf einen anderen Rechtsträger vorsehen101 – mit alsdann dem Vorteil der Gesamtrechtsnachfolge (§§ 20 I Nr 1, 131 I Nr 1 UmwG, vgl auch erg Rn 6). Aber auch eine planerische Verschmelzung umgekehrt auf den Schuldner als übernehmenden Rechtsträger ist möglich. Auf einen ersten Blick scheint § 3 III UmwG (Möglichkeit übertragender Beteiligung, dh keine übernehmende Rolle?) entgegenzustehen. Dies stellt mE jedoch eine allzu formalistische Betrachtung dar,102 insbesondere vor dem Hintergrund einer abgestimmt eintretenden Wirksamkeit von Verschmelzung und Fortsetzungsbeschluss (uno actu) im Zeitpunkt der Verfahrensaufhebung nach rechtskräftiger Planbestätigung (§§ 254, 258) sowie vor allem der Möglichkeiten, auf einen dritten neuen Rechtsträger in Übertragung (!) zu verschmelzen. Die hinderliche materielle Nachhaftung für den Fall der Abspaltung103 (§ 133 UmwG) ist – (nur) betreffend des Schuldners (bzw richtiger: seiner Gläubiger) – teleologisch zu beschränken (arg § 227 I)104 (Erleichterung „veräußernder“ Umwandlungen). 4. Change of Control-Klauseln (Abs 4) Ein Wechsel in der Gesellschafts- oder Gesellschafterstruktur durch Debt Equity Swap 42 (Abs 2 – Einzelheiten: Rn 27–30 mit 50–75) oder eine andere Restrukturierungsmaßnahme (Abs 3 – Einzelheiten: Rn 30–41) mögen Vertragspartner des Schuldners (Lieferan-

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 88 – Beispielsfälle: Pensionsabrede (BGHZ 18, 205), Schiedsklausel (BGHZ 38, 155, 161). HK/Haas InsO9 § 225a Rn 37; Uhlenbruck/ Hirte InsO14 § 225a Rn 44; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 225a Rn 48; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 74 sowie eingehend zu den einzelnen umwandlungsrechtlichen Maßnahmen Rn 75 ff; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 97; FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 39; Madaus ZIP 2012, 2133, 2134; Becker ZInsO 2013, 1885, 1886. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 78. Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 44; Madaus ZIP 2012, 2133, 2134; Priester FS Kübler (2015) S 557, 559; Wachter NZG 2015, 858, 861; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 98; K Schmidt/Spliedt InsO19

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§ 225a Rn 48; aA OLG Brandenburg NZI 2015, 565; Brünkmans ZInsO 2014, 2533, 2534; Becker ZInsO 2013, 1885, 1888. Der alte Träger existiert dann weiter (§ 123 II UmwG) – im Unterschied zu der Aufspaltung (§ 123 I UmwG). In Anlehnung an insb BGH NJW 1988, 1912, 1913; BAG NJW 2007, 942 zu § 25 HGB: Veräußerung eines Unternehmens durch Insolvenzverwalter. Generell zust: Brünkmans ZInsO 2014, 2533, 2552; Kahlert/Gehrke DStR 2013, 975, 977 f; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 84; ebenso iE Becker, ZInsO 2013, 1885, 1891. – Generell abl: Madaus ZIP 2012, 2133, 2136; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 128 f. Hören lässt sich die Begrenzung auf die Planquote, so wie es K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 49 und Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 44 vorschlagen.

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ten wie Abnehmer) berechtigen, sich von bestehenden Verträgen zu lösen. Man gründet das zumeist auf sog Change of Control-Klauseln,105 deckt aber damit bloß einen Teil (subjektive Abänderung); ebenso gut könnte die objektive – strukturelle – Korrektur, falls vertraglich vorgesorgt wurde, einen Rückzug gestatten. Das würde vor allem die wichtigen, erhaltenswerten rechtsträgergebundenen Berechtigungen (dazu Rn 6) gefährden und damit die erstrebte Unternehmenssanierung entwerten.106 Ob das aber derartige „Detailvorgabe“ erfordert, steht auf einem anderen Blatt – hier war wohl der Gesetzgeber zu argwöhnisch. 43 Jener Gefahr sucht Abs 4 entgegenzutreten (ein Vorschlag aus dem Bundesrat, dem später der Rechtsausschuss folgte,107 dazu vgl oben Rn 4). Danach berechtigen Maßnahmen nach den Abs 2 und 3, wenn sie denn später wirksam werden (§ 254 I iVm § 254a II) weder zu Rücktritt oder Kündigung von Verträgen mit dem Schuldner (S 1: „an denen der Schuldner beteiligt ist“) noch zu einer anderweitigen Beendigung (S 2 – Beispiele: § 34 III S 3 UrhG, hierher zählen genauso § 119 BGB und § 314108 BGB oder §§ 115/116 InsO). Das wird gewissermaßen „flankierend“ noch als zwingendes Recht festgelegt (S 3 – aber: S 4 bzw Rn 45), so dass eine andere Rechtsfolge auch nicht durch Vereinbarung erreicht werden kann (so wie nach § 119). Das führt zu einer Aufoktroyierung von Vertragspartnern, die begründete Kritik provoziert109 – es geht insoweit schlussendlich ja um Drittverträge! 44 Klärungsbedürftig erscheint die Reichweite der Vorschrift: Zu bejahen ist mittels teleologischer Extension die Erstreckung auf Verträge, die zwar nicht unmittelbar mit dem Gemeinschuldner geschlossen wurden, ihm jedoch mittelbar über tatsächliche Konzernstrukturen zugutekommen.110 Der gegenläufige Vorschlag Eidenmüllers, eine teleologische Reduktion vorzunehmen, wenn und weil ein Wettbewerber nach dem DES an einen direkten Konkurrenten gebunden ist, überzeugt dagegen nicht. Es fehlt an jener Diskrepanz zwischen Normzweck und -wortlaut, die dafür vorliegen müsste. Der telos zielt auf Erhaltung gerade der massebefangenen rechtsträgerspezifischen Berechtigungen, um die Attraktivität einer Sanierung zu erhöhen (dazu Rn 6); das würde im Falle des Verlusts eines langfristigen und günstigen Rahmenvertrages aber eben letztlich konterkariert.111 45 Abs 4 Satz 1–3 beschränken sich auf jene Sachverhalte, die aufgrund der Strukturänderung nach Abs 2 oder Abs 3 entstanden sind. Lösungsrechte, welche aber an andere Umstände anknüpfen (zB Leistungsstörungen), bleiben natürlich hiervon unberührt. Das sagt schon allein der Wortlaut aus („Maßnahmen nach Absatz 2 oder 3 … [S 1] … Sie … [S 2]“). Daher erscheint einem Abs 4 S 4 tatsächlich vielleicht überflüssig112 – aber gemeint kann auch ganz anderes sein: es geht um erlaubte privatautonome Regelung von Ausstiegsklau-

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Einführend Mielke/Nguyen-Viet DB 2004, 2515, spezifisch Längsfeld NZI 2014, 734, 735–737 [III]. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 105; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 55; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 92; Brinkmann WM 2011, 97, 101 f. BT-Drucks 17/5712 S 55 re. Sp. [BRat: Nr 10] „versus“ S 68 li. Sp. [BReg] bzw BTDrucks 17/7511 S 36 li. Sp. Hierzu siehe auch Brinkmann/Steinhauser FS Kübler (2015) S 87, 95 f [III 2a dd] mit etwas

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anderer zeitlicher Anknüpfung (Verfahrenseröffnung). HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 55–57. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a InsO Rn 55; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 50; Längsfeld NZI 2014, 734, 737 [III 3]. So wie hier HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 56 gegen MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 111. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 109.

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seln als Folge von Pflichtverletzungen (vgl Hs 1 – zB Rücktrittsvorbehalt) abseits unzulässiger Umgehungsakte (arg Hs 2). Mithin läuft eine Grenzlinie auch zwischen Satz 1 und 2, die bloß gesetzliche Gründe umfassen (vertragliche wären unwirksam: S 3), und S 3 und 4, die autonome „Gegenklauseln“ abdecken (wobei aber S 4 dann irrig lediglich S 1 und 2 anspricht). 5. Gesellschafterabfindungen (Abs 5) Als Ausprägung der negativen Vereinigungsfreiheit (dazu Rn 62, 86) steht jedem Ge- 46 sellschafter das Recht zu, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (wie zB die Veränderung der Beteiligung113) aus der Gesellschaft auszutreten;114 mitunter aber bestehen auch sachgrundlose gesetzliche oder vertragliche Austritts- oder Kündigungsrechte (§ 39 I BGB; § 131 III Nr 3 HGB, § 65 I GenG; bei der GmbH nach Maßgabe gesellschaftsvertraglicher Regelung). Die daraus resultierende Ausgleichung könnte die vorgeplante Sanierung torpedieren. Dagegen hatte schon die Insolvenzrechtskommission einschränkende Regelungen vorgeschlagen (EB LS 2.4.9.9: Klagefrist [Abs 2 S 2], Subsidiarität [Abs 2 S 3], Berechnung [Abs 3 und 4] – Priorität konsensualer Vereinbarung zwischen Ausscheidendem und Insolvenzverwalter [Abs 1]). Ausschlaggebend bleibt immer aber das Gesellschaftsrecht, welches Abfindungsansprüche kraft Gesellschaftsbindung gewährt (oder keine gibt …) und selbst uU insoweit Auszahlungssperren vorsieht (§ 30 I S 1 GmbHG; § 57 I S 1 AktG).115 Abs 5 ergänzt die Vorgabe insolvenzrechtlich letztlich im Bestreben, die Abfindungs- 47 pflicht nicht zu einem Sanierungshemmnis werden zu lassen („Liquiditätsschutz“).116 Dessen Wortlaut wäre freilich zu weit geraten, wenn er denn in S 1 eine absolute Höhe fixierte. Richtigerweise sind abweichende Abfindungsklauseln insoweit selbstredend zulässig, als sie für den ausscheidenden Gesellschafter niedrigere Ansprüche vorsehen117 (Pauschalregelung, Anspruchsverzicht). Die ausscheidenden Gesellschafter auf dieser Grundlage nicht am Sanierungsmehrwert partizipieren zu lassen, ist auch gerechtfertigt, da sie hier nicht aus der Gesellschaft gedrängt werden, sondern sich selbst zum Austritt entschieden (und zuvor auf die Regel eingelassen!) haben118 (kein „Autonomieschutz“). Es realisiert sich inhaltlich allein, was auch ohne jenen Auslöser „Insolvenz“ gegolten hätte. S 1 präzisiert die maximale Anspruchshöhe („Kappungsgrenze“) im Fall eines auf eine 48 Maßnahme nach den Abs 2 oder 3 zurückzuführenden Austritts und erklärt insofern die Vermögenslage für maßgeblich, die sich bei einer Abwicklung des Schuldners eingestellt hätte; es ist mithin nicht auf den Sanierungs-, sondern den prognostizierten Liquidationswert abzustellen (S 1 aE – viel drastischer noch EB LS 2.4.9.9 III Hs 2: „reorganisations-

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Immer vorbehaltlich einer umfassenden Abwägung der beteiligten Interessen (BTDrucks 17/7511 S 36 li. Sp.: „namentlich bei personalistisch strukturierten Gesellschaften“). BGHZ 9, 157, 162 f = NJW 1953, 780, 781; 116, 359, 369 = NJW 1992, 892, 895; NJW 2010, 1206; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 39 mit NZG 2012, 961, 965; Baumbach/ Hueck/Fastrich GmbHG21 Anh § 34 Rn 18; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 51. AA Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 52. BT-Drucks 17/7511 S 36 re. Sp.; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 118

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(Zitat); Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 52; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 43. Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 52; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 54 f; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 97. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 119; Brünkmans ZInsO 2017, 1401, 1404. Zusätzlich verfassungsrechtlich begründend K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 57 und HK/Haas InsO9 § 225a Rn 42 – aA für den Fall des Bezugsrechtsauschlusses Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 52.

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bedingte Wertzuwächse werden nicht berücksichtigt“). Fortführungsaussichten – nicht aber der aktuelle planbedingte Mehrwert – sollten nach hL dennoch berücksichtigt werden, wenn ein Erwerber sie zu vergüten bereit wäre119 (wer täte das denn?). Das sieht die übertragende Sanierung als alternative Abwicklung; jene Regel möchte mE jedoch zudem auch komplizierte Rechenwerke hintanstellen, sie erlaubt zweifellos Pauschalierung, dies ist am einfachsten mit Werten der Liquidation (§ 151 II S 1) bzw der Vergleichsrechnung (§ 220 [dazu vgl dort Rn 78–92] – in Anlehnung an § 259 RegE). Meist wird die insolvenzbedingte Wertlosigkeit (dazu Rn 57, 64) die kompensationslose Ausschließung ermöglichen.120 49 Jene Deckelungsregel oder Kappungsgrenze (S 1) wird ferner doppelt abgestützt. Zum einen erlaubt Satz 2 zugunsten der Sanierung, den Anspruch zu stunden, und zwar für bis zu drei Jahren (gerechnet ab Rechtkraft). Eine solche Regelung (mit einer exakten Frist) wäre im gestaltenden Teil zu verankern. Längere vertragliche Fristen bleiben selbstredend wirksam, wenn sie denn der Plan unberührt lässt.121 Abs 5 bürdet dem austretenden Gesellschafter damit das Risiko einer Folgeinsolvenz auf.122 Dem liefe ein Anspruch des Gesellschafters auf Sicherheitsleistung zuwider.123 – Zum anderen gewährt Satz 3 zugunsten des Gläubigers – gleichsam als Surrogat – die Verzinsung der Abfindung (aber nicht mehr!), gleichfalls ab Rechtskraft (bei Verzicht auf Fälligkeit). Die Zinsquote ist ungenannt, man wird auf § 352 II HGB (5 %) hierzu rekurrieren können.124

IV. Debt Equity Swap im Besonderen 1. Einführung und Grundlagen

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Abs 2 Satz 1 ebnet den Weg für die Umwandlung von Gläubigerforderungen in Anteilsund Mitgliedschaftsrechte am Schuldner und implementiert damit die Restrukturierungsmöglichkeit des sog Debt Equity Swap („DES“) in das Insolvenzplanverfahren125 (zum Begrifflichen bei Rn 28; zur Funktionsweise bei Rn 57). Er unterwirft die Eigner dem tradierten insolvenzrechtlichen Mehrheitszwang (arg ex Abs 1 iVm § 217 S 2), nicht aber,

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 57; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 52; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 98. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 117; HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 60; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 98; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 128; Simon CFL 2010, 448, 456; siehe auch Brünkmans ZInsO 2017, 1401, 1404. Die Grenzen privatautonomer Gestaltung zieht die Rspr indes bei allzu weitreichender Entwertung des Abfindungsanspruchs, zB BGH NJW 1989, 2685, 2686 [2] (Zahlungszeitraum über zehn Jahre gestreckt); OLG Dresden NZG 2000, 1042 [LS 2] (Ratenzahlung nach 5, 8 und 10 Jahren). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 121; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a

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Rn 61; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 55. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 61; aA Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 55. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 121 – aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 60 mit § 245 Rn 12 f sowie § 251 Rn 12 (Parallele zu Gläubigern [Schlechterstellungsverbot]). BT-Drucks 17/5712 S 18 li. Sp. („im Interesse einer Optimierung der [insolvenzrechtlichen] Sanierungsmglichkeiten“) bzw S 31 re. Sp. („[Abs 2] entspricht den Bedürfnissen der Praxis.“); vgl zum Debt Equity Swap außerhalb der Insolvenz Schlitt/Ries in: Theiselmann, Praxishb Restrukturierungsrecht3 Kap 9 Rn 21 ff; Schmidt/Schlitt Der Konzern 2009, 279; Redeker BB 2007, 673.

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wie Satz 2 das ausdrücklich eigens herausstellt, auch die Gläubiger einer Forderung (dazu Rn 54–56): sie müssen explizit individuell jeweils einwilligen (§ 230 II). In Satz 3 listet der Gesetzgeber ergänzend diejenigen Maßnahmen auf, die er zur DES-Durchführung als eine Art „normales Instrumentarium“ erachtet: Kapitalherabsetzung und -erhöhung (Var 1: Rn 64 f), Leistung von Sacheinlagen (Var 2: Rn 66–68), Ausschluss von Bezugsrechten (Var 3: Rn 69 f) sowie Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber (Var 4: Rn 71). Var 1 und 2 beschreiben dabei mehr die Kernelemente der Umwandlung von Fremd- in 51 Eigenkapital („Umtausch-Swap“ bzw „stay inside“),126 Var 3 und 4 vermitteln als eine Art Zusatzoption, bisherige Eigner bei dieser Gelegenheit gleich loszuwerden („ÜbernahmeSwap“ bzw „squeeze out“ mittels Insolvenzrecht). Die Regelung ist offenbar gesetzlich nicht enumerativ („Insbesondere kann der Plan … vorsehen“), sondern bringt einzelne Regelbeispiele (siehe allg schon Rn 18 f). Möglich wäre genauso statt einer Sacheinlage auch zB eine Sachübernahme (§ 27 I S 1 Var 2 AktG) durch Einbringung eines aussonderungsfähigen Vermögensgegenstandes (als Fall von Abs 3). Die Aufzählung ist auch weder alternativ noch kumulativ – sondern vielmehr situativ, quasi eine Art gesellschaftsrechtlicher „Werkzeugkasten“ für den insolvenzrechtlichen Planverfasser. Das erklärt nicht zuletzt den „Spannungsbogen“ von S 1 (Planidee) zu S 3 (Struktur):127 die insolvenzrechtlich „geborene“ Sanierungsplanung ist also durch gesellschaftsrechtlich „gekorene“ Gestaltungsakte abzubilden – ohne dass aber weitere gesellschaftsrechtliche „Regelungsmechanismen“ greifen (dazu Rn 32, 34).128 Offen bleibt etwas zwar das Binnenverhältnis von Abs 2 und Abs 3 (dazu Rn 19). Man kann aber nicht von einer direkten Exklusivität ausgehen (immer wird ein zusätzlicher Fortsetzungsbeschluss [Abs 3 Hs 2 Var 1] erforderlich, vgl Rn 37), und auch der vorgeblich „härtere“ Tatbestand („gesellschaftsrechtlich zulässig“) stört insoweit nicht wirklich (vgl Rn 19) – es gilt so oder so Prioriät insolvenz(plan)rechtlicher Vorgänge (arg § 254a II; vgl noch erg Rn 32, 34). Die Regelung fokussiert deutlich auf Kapitalgesellschaften (arg S 3),129 der Anwen- 52 dungsbereich (von § 225a im Allgemeinen und Abs 2 im Speziellen) ist gleichwohl nicht auf diese beschränkt; vielmehr gilt die Vorschrift mutatis mutandis auch für Personengesellschaften130 (vgl Abs 5 S 1 bzw § 230 II [„Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“] iVm § 12 II Nr 1: Rn 23). Die relevanten Strukturmaßnahmen sind indes dann nicht so wie in Abs 2 S 3 beschrieben (dazu Rn 64 ff), sondern durch Abänderung des Gesellschaftsvertrages, herbeizuführen.131 Hierdurch können gemeinhin vergleichbare Ergebnisse erzielt werden. Auch im Fall verbleibender (Alt-) Gesellschafter ist dann deren Zustimmung nicht erforderlich (gegen § 119 I HGB iVm § 225a III), sondern allein dafür noch das vorran-

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BT-Drucks 17/5712 S 31 re. Sp. („üblicherweise“). Sie entspricht der Dialektik bei § 223 I S 1 mit II, aber – reziprok – auch § 225 I mit III – weniger deutlich dagegen § 224 (welcher indes mit § 227 hier zusammenzusehen ist!). Gesagt in Worten der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/5712 S 31 re. Sp. – Hervorhebungen und Ergänzungen vom Verfasser): „Im Plan [!] ist im Einzelnen zu regeln, wie die Umwandlung der Forderung in Eigenkapital [also die „DES-Idee“] technisch umgesetzt werden soll.“

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Und dies prägt auch die Gesetzesbegründung: BT-Drucks 17/5712 S 18 re. Sp., 31 f. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 38 ff; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 20; Braun/Braun/Frank InsO6 § 225a Rn 21; Wertenbruch ZIP 2013, 1693, 1694 ff [II]; K Schmidt ZGR 2012, 566, 569 f [I 3] – aA Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 225a Rn 4. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 39; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 20.

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gige, insolvenzplanrechtliche Abstimmungsregime (§ 244 I und III „versus“ § 245 I und III) maßgeblich. Hier entfaltet auch Abs 5 (dazu Rn 46–49) dann höhere Relevanz.132 53 Abs 2 hat sprachlich zwei kleinere Schönheitsfehler. Es hätte in S 1 (in Anlehnung an § 221 S 1) nach einem ersten Blick besser womöglich „Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans“ geheißen – doch ist meist die Übung, jenes jeweils nur anfangs eines Paragraphen einmalig anzumerken – weshalb der Hinweis des Abs 1 („vom Insolvenzplan unberührt“) inhaltlich voll ausreichte. Man hätte sich eher daher auf eine Abkürzung dabei einlassen können, war doch der (Insolvenz-) Planbezug anderweitig schon klargemacht: „Im gestaltenden Teil [des Plans]“. – Über bloße „Normästhetik“ hinausgehend stört dann aber die Ausbuchstabierung des Zustimmungsgebots in S 2. Die Vorschrift wird allgemein als positive Erklärungspflicht gewertet (dazu Rn 61 f). Aber: „gegen den Willen“ heißt bekanntlich juristisch nicht etwa: „ohne den Willen“ – anders herum gesagt: abverlangt wäre eigentlich eine Negativerklärung bzw Ablehnungslast, Schweigen also schädlich. Dass jenes so nicht stimmt, folgt erst anschließend dann aus § 230 II („zustimmende Erklärung eines jeden dieser Gläubiger“). Diese Formulierung passte wohl gut zu § 230 II S 2 DiskE mit seiner Widerspruchslösung (dazu Rn 9), fehlte dort jedoch noch; sie entstammt dem § 225a II S 2 RefE, welcher indes bei § 230 II zur expliziten Zustimmung zurückfand. Hier geht also überraschend vieles durcheinander. Und dazu kommt noch als entscheidender systematischer Strukturmangel das leider ungeklärte, offene Verhältnis von Abs 2 Satz 3 zu Abs 3 Hs 2, die jeweils auf „eigene“ Regelbeispiele setzen (dazu Rn 19 iVm 51 aE). 2. Eingriffsermächtigung (Abs 2 Satz 1)

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a) Forderungen von Gläubigern. Es geht um „Forderungen von Gläubigern“, und dies meint nicht etwa nur Insolvenzgläubiger iSv § 38, sondern genauso Nachranggläubiger (§ 39) und Absonderungsbefugte, und zwar nicht bloß als Subsidiärberechtigte (§ 52). Der Normzweck reicht letztlich weiter und erfasst auch genauso den (dinglichen) Befriedigungsanspruch (zB §§ 1113 I, 1147; 1191 I, 1192 I BGB bzw § 1204 I, 1228 BGB) aus der Absonderungsbefugnis (§§ 49–51). Er ist – wörtlich genommen – zwar weder schuldrechtlicher Leistungsanspruch gemäß § 241 I S 1 BGB („Forderung“) noch streng gedeutet nur überhaupt ein Anspruch (sondern materielle Haftung133). Prozessual erfolgt allerdings dennoch Gleichstellung (arg § 794 II ZPO – sowie vor allem: §§ 803 ff ZPO „versus“ § 890 ZPO), und darauf zielt ebenso die Gleichbehandlung von Insolvenzgläubigern und Absonderungsbefugten bei § 217 (S 1 Var 1): alle beide streben nach „ihrer“ Befriedigung – und die sollen sie als „Surrogat“ per DES bekommen …134 55 Man muss zwei Fälle mit jeweils zwei Abarten dogmatisch voneinander unterscheiden: (1) Akzessorische Sicherheit: Die DES-Umwandlung der Forderung führt ohne weiteres auch zum Erlöschen der Position (es fehlt regelmäßig an einer dinglichen Surrogation). Es gibt freilich uU Surrogatzuwachs beim Gemeinschuldner (§ 1163 I S 2 BGB) und dann somit keinen Untergang der Befugnis (aber ebensowenig eine Notwendigkeit, dagegen einzuschreiten). (2) Abstrakte Sicherheit: Hier macht eine DES-Umwandlung zunächst keinen Sinn, die sich nicht auf beide „Seiten“ bezieht – die Sicherheit würde untangiert bleiben,

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 41: Verpflichtung „angemessener“ Entschädigung [?]. Münch Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch (1989) [PA 72], § 7 I, S 108 ff – aA die hM: Anspruch auf „Erdul-

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den“ der Zwangsvollstreckung, statt (fast) aller BGH NJW-RR 2007, 1247, 1247 [II 1] {8}. Per saldo genauso Münch/Komm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 30.

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wenn und weil der Plan nichts Abweichendes regelt (§ 223 I S 1 oder II?). Das erfasst alle Formen von „Verkoppelungen“ per Sicherungsabrede, zumal doch ein Rückgewähranspruch erst umständlich durchzusetzen wäre. Man sollte besser die schuldrechtliche DESUmwandlung der Forderung gleich per dinglicher Freistellung von der Absicherung verstärken. Es gibt wiederum eine Ausnahme: die lediglich bedingte Einräumung (§§ 929 S 1, 930, 158 II BGB), die autonom „Rücksprung der Sicherheit“ bewirkt. (3) Zudem gilt dabei außerdem zu beachten, dass die Werthaltigkeit der Besicherung die Bewertung der Forderung (siehe Näheres unten Rn 72–75) immer entscheidend prägt.135 Wer schließlich gut abgesichert ist, wird kaum gutwillig wohl noch mitwirken (S 2!)136 – dagegen steht freilich indes die Drohung direkten (Plan-) Zugriffs mittels § 217 S 1 Var 1a und womöglich das Interesse, Pauschalabzüge für Feststellung und Verwertung (§§ 170/171) möglichst zu vermeiden.137 Man könnte daran denken, weitergehend auch Aussonderungsbefugte (§ 47 S 1: „ist 56 kein Insolvenzgläubiger“) und Massegläubiger (§§ 53–55 – jenseits der Regelung des § 210a!) einzubeziehen. Dies möchte uU Sinn machen.138 Beide Gruppen wären allemal nicht planunterworfen gemäß § 217 S 1 (dort Rn 37), müssten daher ohnehin freiwillig ja zustimmen (Abs 2 S 2). Weshalb sollte daher dann das dogmatische Argument pragmatische Lösungen verhindern? Der Gläubigerbegriff wäre weitreichend genug, der Forderungsbegriff scheint dagegen Aussonderungsbefugte auszunehmen, zumal hier – im Unterschied zu Absonderungsberechtigten (dazu Rn 55) – auch keine „planmäßige“ Parallelisierung angeordnet wurde. Gegen die Einbeziehung spricht letztendlich bei allen Aussonderungsbefugten ihre Verfahrensfreistellung (§ 47 S 2), bei Massegläubigern die Tatsache erst im Verfahrensablauf erworbener Gläubigerschaft. Möglich bleibt als Ausweg immer ein Anteilserwerb mit „Hilfestellung“ von Abs 3 Hs 2 Var 2 (dazu Rn 38). b) Umwandlung Ein DES erfolgt meistens zweigestuft: Zunächst wird eine Kapitalherabsetzung [S 3 Var 57 1a] im vereinfachten Verfahren durchgeführt (§§ 229 ff AktG, §§ 58a ff GmbHG) – im Insolvenzfall eben nur regelmäßig auf Null (arg § 199 S 2);139 hiernach folgt sogleich eine Kapitalerhöhung mittels Sacheinbringung [S 3 Var 2] (§§ 182 ff AktG, § 56 GmbHG); man spricht vom sog Kapitalschnitt.140 Eingebracht werden die in Eigenkapital umzuwandelnden Gläubigerforderungen – und zwar immer aufgrund eines Vertrags: sei es ein Er135

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Als Mindestwert der Einbringung: Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 21; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 53 f; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 25. – Näheres siehe bei Eckert/Harig ZInsO 2012, 2318, 2320 ff [III]. Jenes bewegt schon BT-Drucks 17/5712 S 31 re. Sp. („wird sich regelmäßig überlegen müssen, ob …“) – ferner statt vieler: Schlitt/ Ries in: Theiselmann, Praxishb Restrukturierungsrecht3 Kap 9 Rn 10; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 52. Siehe insofern Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 21; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 25 – aA Eckert/Harig ZInsO 2012, 2318, 2323 [III 3d]. Das „Einlegen“ ist mE der „Verwertung“ nicht vergleichbar.

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Beispiele: Betriebsgrundstücksbenutzung, Eigentumsvorbehaltslieferung bzw Abwicklung schwebender gegenseitiger Verträge etc. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 14; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 124 f. Wegen des Prozedere siehe bei BT-Drucks 17/ 5712 S 31 – ferner: Hölzle HRI2 § 31 Rn 59; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 12, 13 ff; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 40 bzw Eidenmüller/Enger ZIP 2009, 541, 542; Brinkmann WM 2011, 97 [II]; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 123; Brünkmans ZIP 2014, 1857, 1860 ff [III]. Ganz allg noch Reger/Stenzel NZG 2009, 1210; Arnold/ Spahlinger/Maske-Reiche in: Theiselmann, Praxishb Restrukturierungsrecht3 Kap 1 Rn 239 ff.

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lassvertrag (§ 397 I BGB), sei es die Zession als Vertrag (§ 398 S 1 BGB), die dann wegen § 398 S 2 BGB ins sofortige Erlöschen der (Gläubiger-) Forderung qua Konfusion einmündet.141 Die eigentliche Umwandlung ist demnach die Abfolge aus Erlöschen (der Forderung: Rn 54–56) und Entstehen (des Mitgliedschafts- bzw Anteilsrechts: Rn 22–26), getrennt durch die berühmte „logische Sekunde“. Dies ist aber nur eine „lehrbuchhafte Regelannahme“.142 Begleitet werden diese Maßnahmen öfters durch Hinzuführung weiteren, frischen Aktivvermögens als Geldeinbringung [S 3 Var 1b] (vgl Rn 59, 65) und Hinausdrängen alter Gesellschafter (vgl Rn 14, 64): Ausschluss etwaiger Bezugsrechte [S 3 Var 3] und Deckelung etwaiger Entschädigung [S 3 Var 4]. Es handelt sich hierbei um einen eigenen gesellschaftsrechtlichen Vorgang, der freilich vom Planverfahren her determiniert ist (auch was alle weiteren Abläufe und Inhalte betrifft! – vgl Rn 32, 34). 58 Ein DES ist zunächst einmal mehr Sanierungsidee denn Ideenumsetzung. Dementsprechend hat der Insolvenzplan die gesamte Strategie darzulegen (§ 220: künftige Maßnahmen [Abs 1] bzw mögliche Wirkungen [Abs 2]) sowie vor allem die jeweiligen Umsetzungsschritte vorzugeben. Die „Umwandlung“ des Abs 2 S 1 scheint insoweit nur als „globale Befugnis“, welche inhaltlich weitergehender Ausformung bedarf (dazu Rn 57). Wie soll denn die (konkrete) Sanierung per DES umgesetzt werden? Das Gesetz beschreibt den DES-Regelablauf (Abs 2 S 3), lässt jedoch Spielraum für individuell abweichende Gestaltungen („insbesondere“: Rn 18).143 Alle sind – der Normtext ist deutlich (im Gegensatz zu Abs 3: Rn 33) – dann noch im gestaltenden Planteil festzumachen bzw „vorzusehen“ (§ 225 II S 1 und 3 [eher objektiv als Maßnahme: abstrakt [S 1] bzw konkret [S 3]) oder „festzulegen“ (§ 221 S 1 [mehr subjektiv für Wirkungen: „Rechtsstellung der Beteiligten“]). Kürzer gesagt: jede Umwandlung ist dogmatisch noch umsetzungsfähig exakt auszuformulieren (so wie man es für den § 254a II S 1 später haben möchte …). 59 Ein DES ist allerdings „nur“ Instrument zur bilanziellen Restrukturierung. Gläubiger geben bestehende Forderungen auf, um sich im Gegenzug (Gesellschafts-) Anteile einräumen zu lassen: „Aus Schulden werden Aktien“144 bzw aus Fremd- wird Eigenkapital. Damit lässt sich die vorhandene Unternehmens-Überschuldung (§ 19) beseitigen – aber nicht auch aktuelle oder drohende Zahlungsunfähigkeit (§§ 17/18).145 Das Damoklesschwert der Insolvenz droht idR damit weiterhin – der DES für sich ist nur das Rosshaar und nicht die Rettung. Die Gläubiger erlangen Beteiligung am Unternehmen, sei es aus vorrangig strategischem Interesse (Übernahme) oder aus rein finanziellen Überlegungen, dass nämlich der (erhofft dauerhafte) Sanierungsgewinn die (einmalige) Insolvenzquote übersteigt – mit allen Risiken („Wechsel auf die Zukunft“146). Das sollte sorgfältig abgewogen werden

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BGHZ 110, 47, 60 f m Anm Lutter EWiR 1990, 223; BGHZ 113, 335, 341 f m Anm Frey EWiR 1991, 1213; Hölzle HRI2 § 31 Rn 59; Buth/Herrmanns/Kurney/Stenzel Restrukturierung4 § 23 Rn 85–88; Schlitt/Ries in: Theiselmann, Praxishb Restrukturierungsrecht3 Kap 9 Rn 7; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 123; Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 542; H-F Müller KTS 2012, 419, 440; vgl zum Debt Equity Swap außerhalb der Insolvenz Schlitt/Ries in: Theiselmann, Praxishb Restrukturierungsrecht3 Kap 9 Rn 21 ff; Redeker BB 2007, 673. BT-Drucks 17/5712 S 31 re. Sp. („üblicherweise“).

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Vgl insoweit Löbbe in: LA Winter (2011), S 423, 430 ff. Siehe auch die allemal berechtigte begriffliche Skepsis bei MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 29. So Horstkotte/Martini ZInsO 2012, 557 [A]. Allerdings entfallen künftige Zins- und Tilgungsraten für Darlehensschulden: Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 18; FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 4; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 123 [III 1a]; Redeker BB 2007, 673, 674. Wegen § 39 I Nr 5 „versus“ IV S 2 (sog Sanierungsprivileg) siehe Rn 92 f; vgl auch erg § 135 I Nr 1 „versus“ IV (sog Anfechtungssperre).

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(vor allem im Falle von Rn 55).147 § 229 ist zwar für eine rechnerisch plausibilisierte Planannahme wortwörtlich nicht heranziehbar (Entfallen der Stellung als Gläubiger), aber ein „Fingerzeig“ für gute Informationspolitik des Planverfassers. Für das Unternehmen ist oft außerdem noch parallel die Zuführung neuen Kapitales nötig148 (S 3 Var 1b: Rn 57, 65), um Liquidität zu verschaffen, sowie vor allem die Verbesserung von Absatz, Qualität, Auslastung etc (alles auf Basis der Unternehmensanalyse bzw des Sanierungskonzepts), dh weiterreichende leistungswirtschaftliche Restrukturierung. c) Beteiligung am Schuldner. Endziel des Tauschs ist, „Anteils- oder Mitgliedschafts- 60 rechte am Schuldner“ zu erwerben. Dahinter stehen eine objektive und eine subjektive Aussage. Objektiv ist geregelt das „Zielobjekt“: Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte (so wie nach Abs 1: Rn 22–24) – nicht zwingend aber zugleich die, welche „berührt“ (iSv Abs 1) werden. Die Übertragung alter Befugnisse fällt eher unter Abs 3 Hs 2 Var 2 (dazu Rn 38), Abs 2 erfasst dagegen die Begründung neuer Befugnisse (dazu Rn 57), was indes die alten Anteile natürlich wirtschaftlich entwertet („Verwässerung“), wenn sie denn nicht völlig „vernichtet“ werden (dazu Rn 64). Subjektiv ist ergänzend die künftige „Bezugsperson“ fixiert: es geht um Teilnahme am Schuldner, nicht aber offenbar jene bei weiteren „schuldnernahen“ Personen (zB bei GmbH & Co. KG nur die KG, nicht auch die KomplementärGmbH) – sonst machte diese Betonung kaum einen Sinn. Man muss aber sehen, dass auch die Gesellschaftsstruktur insgesamt veränderbar erscheint (wenn auch über Abs 3: Rn 41) und demgemäß „Paketlösungen“ ebenfalls vorstellbar erscheinen (zB die Umwandlung der [GmbH & Co.] KG zur AG – „Suhrkamp“). 3. Zustimmungserfordernis (Abs 2 S 2) Die Umwandlung steht gesetzlich unter dem Vorbehalt ausdrücklichen Konsenses, der 61 „plananliegend“ zu dokumentieren ist (§ 230 II): „kein Gläubiger darf gegen seinen Willen [gemeint ist hiermit: ohne explizit erklärte Zustimmung! (dazu Rn 9, 53, 62)] in eine Gesellschafterposition gedrängt werden. … Das Recht, einer Umwandlung nicht zuzustimmen, stellt ein Individualrecht jedes einzelnen Gläubigers dar.“149 Sie schafft wirtschaftlich weitere Verlustrisiken (Folgeinsolvenz mit Totalausfall) und juristisch nicht lediglich nur Rechte, sondern vielmehr ebenfalls (Gesellschafter-) Pflichten, tatsächlich auch idR sehr langfristig. Auf stärkeren Pragmatismus schielend, hätte die Praxis oft gerne qualifizierten Mehrheitszwang (siehe Rn 11 f – in Anlehnung an Rn 63). Gegenläufig hatte denn immerhin noch zuvor § 230 II S 2 DiskE/ESUG eine einfache Zustimmungsfiktion bzw Widerspruchslösung angeregt, was unmittelbar anschließend die Ministerialvorlage mit § 225a II S 2 RefE/ESUG wohlweise wieder zur bisherigen Zustimmungspflicht bzw Einverständnislösung zurücknahm (dazu Rn 9). Der Wortlaut wäre aber wohl zunächst offen für einen Mehrheitszwang (§§ 244/245). 62 Der Plural bei § 225a verdunkelt etwas den Bezug auf Individuen. Der Vergleich von § 225a II S 2 mit § 230 II belegt ihn jedoch systematisch völlig unzweideutig (Zustimmung „jedes einzelnen dieser Gläubiger“). Das entspricht der „Rückwende“ vom DiskE zum RefE (dazu

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Vgl FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 4; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 10 f („stark einzelfallbezogene Frage“); Schmidt/Schlitt Der Konzern 2009, 279, 280. Aus diesem Grund erfolgt häufig eine gemischte Sach- und Barkapitalerhöhung, vgl

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FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 4; Eidenmüller/ Engert ZIP 2009, 541, 542 [II]; H-F Müller KTS 2012, 419, 442; Redeker BB 2007, 673, 674. BT-Drucks 17/5712 S 31 re. Sp. [RV zu Nr 17] (Hervorh vom Verf).

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Rn 9), deutlicher gesetzgeberischer Motivation150 sowie vor allem dem Normzweck: unternehmerische individuelle Selbstbestimmung (dazu Rn 61). Das für die Gesellschafter geltende Mehrheitsprinzip ist für den außenstehenden Einzelgläubiger mit Recht außer Kraft gesetzt151 (freilich anders nach seinem „Einstieg“ sowie mit einer Gegenausnahme [Rn 64] – Umkehrschluss!). Und das folgt nicht zuletzt schon aus der grundgesetzlich gewährten negativen Vereinigungsfreiheit152 (Art 9 I GG – Näheres: Rn 86). 63 Vor allem bei überproportional vielen Kleinforderungen, die in die Restrukturierung einzubeziehen sind (falls dies überhaupt Sinn ergibt! – arg § 222 III S 2), kann das Zustimmungserfordernis ein sehr veritables Sanierungshindernis begründen (dazu siehe auch Rn 12). Anders nur allein – trotz scheinbar vorrangigem Insolvenzrecht (§ 19 I S 1 SchVG)153 – bei Inhaberschuldverschreibungen,154 die sog „kollektive Bindung“ prästieren und neben der vollen Einhelligkeit auch Mehrheitszwang zulassen (§ 4 S 1 SchVG), und zwar bei ¾-Summenmehrheit der Abstimmenden (§ 5 IV S 2 SchVG) – sogar für einen DES (§ 5 III S 1 Nr 5 SchVG – aber: S 2). Schlüssel zur Lösung ist insoweit der sog gemeinsame Vertreter (§ 19 II und III SchVG – Abs 1 S 1 aE!). Die rechtliche „Konzentration“ der Interessen,155 hier durch eine „Mediatisierung“, ist daher die große Ausnahme, die bekanntlich die Grundregel nur untermauert (Umkehrschluss!). Es gibt aber keinen Beschluss im Außenverhältnis156 – die Vertretererklärung ist eine Art „Surrogat“, die demzufolge auch dem Plan beizufügen ist (§ 230 II). 4. Anwendungsbeispiele (Abs 2 Satz 3)

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a) Kapitalmaßnahmen (Var 1). Die Kapitalherabsetzung (Var 1a) ist kein zwingendes DES-Element, sie wird aber meist aus einem zweifachen Grund angestrebt: zur rechtlichen Bereinigung einer bestehenden Unterbilanz (dazu Rn 29, 59), dh zur Beseitigung der Überschuldung, und strategisch zur interessengerechten Neuordnung der Beteiligungsverhältnisse.157 Das führt konsequenterweise meist zum Ausscheiden aus der Gesellschaft, weil der Wert gegen Null läuft158 (arg § 199 S 2). Indes kann ein Interesse der Gläubiger da-

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Siehe eben bei Fn 149. HambK/Thies InsO5 § 225a Rn 34; FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 9; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 27. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 31; Haas NZG 2012, 961, 965 [3 b bb]; vgl auch Simon CFL 2010, 448, 450 [III 1]. So wie hier Thole ZIP 2014, 293, 300 [3.1] mit ZIP 2014, 2365 [zu Möglichkeiten bzw Mischmodellen); Kessler/Rühle BB 2014, 907, 913 f. Wegen § 19 II und III (gemeinsam bestellter Vertreter) Kübler LA Henckel (2015) S 183, 193 ff [III 2]. Gesetz über Schuldverschreibungen und Gesamtemissionen (Schuldverschreibungsgesetz – SchVG) vom 31.07.2009, BGBl I Nr 50 S 2512 (Art 1) [in Kraft ab 05.08.2009 (Art 8 S 1)]; vgl dazu Kuder/Obermüller ZInsO 2009, 2025. Ähnlich: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 28: „Vergemeinschaftung“.

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Siehe insoweit Kuder/Obermüller ZInsO 2009, 2025, 2027 f [II 1]. Das wird (mit Hinweis auf BT-Drucks 17/5712 S 31 re. Sp.) aber gerne übersehen. Vgl MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 34; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 225a Rn 28; Wasmann/ Steber ZIP 2014, 2005, 2013 f. HambK/Thies InsO5 § 225a Rn 15; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 41; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 13; H-F Müller, KTS 2012, 419, 440; Schmidt/Schlitt Der Konzern 2009, 279, 283. BT-Drucks 17/5712 S 32 li. Sp. sieht dieses etwas anders: deutlich unter Nennwert – „Hierbei kann auch eine Quotenerwartung berücksichtigt werden.“ – die gibt es erst indes, wenn alle anderen befriedigt wurden (§ 199 S 2). So wie hier HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 16; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 43 f; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 6; Frege/Nicht in: Theisel-

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Rechte der Anteilsinhaber

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ran bestehen, den Schuldner gemeinsam mit den bisherigen Anteilsinhabern fortzuführen (Kontakte, Know-how, Konstanz etc159). Um eine Ungleichbehandlung der Gesellschafter zu vermeiden (§ 226 I), ist aber immer eine gleichmäßige Herabsetzung der Beteiligungen vorzusehen (Ausnahmen: §§ 222 II, 226 II160). Die Kapitalerhöhung (Var 1b) meint hier die Geldeinlage, zumal doch die Sacheinlage 65 daraufhin eigene Erwähnung findet (Var 2: Rn 66–68). Sie ist nur ein begleitender DESBestandteil (die Umwandlung als solche ist Sacheinlage: Rn 66), als optionale, flankierende Maßnahme nachhaltiger Sanierung (Kapitalzuführung) sowie zwingend als Gegenpol einer Kapitalherabsetzung zur Erhaltung des Mindestgrund- bzw -stammkapitals. Jenes darf nicht unterschritten bzw muss durch eine gleichzeitig erfolgende Barkapitalerhöhung wieder erreicht werden (§ 228 I AktG bzw § 58a IV S 1 GmbHG): die Grundsätze der Kapitalerhaltung und -aufbringung (Gläubigerschutz!) gelten also weiter. Die Forderungseinbringung als Sacheinlage ist damit im Regelfall des Kapitalschnitts (dazu Rn 57) um eine zusätzliche Barkapitalerhöhung zu ergänzen.161 b) Sacheinlagenerbringung (Var 2). Regelmäßig aber erfolgt per DES alsdann eine Ka- 66 pitalerhöhung per Sacheinlage (§ 27 I S 1 1 Var 1 AktG: „Einlagen …, die nicht durch Einzahlung des Ausgabebetrags zu leisten sind“): die „Umwandlung“ ist Einbringung der gegen den Schuldner bestehenden Forderungen (dazu Rn 57). Ihrer Einlagefähigkeit steht insoweit nicht entgegen, dass sie sich gegen die Gesellschaft richten162 oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zustehen (Steuerschulden/Sozialabgaben).163 Auch Gesellschafterdarlehen sind seit der Streichung der §§ 32a/b GmbHG dem Grunde nach einlagefähig, schließlich wird am Ende jedoch ihre Einbringung regelmäßig an offenbarer Nachrangigkeit (vgl §§ 39 I Nr 5, 199 S 2, 225 II, vgl Rn 14, 21, 57, 64, 71), dh wirtschaftlich dann entsprechend auch Wertlosigkeit, scheitern164 (wegen konkreter Bewertung siehe Rn 67 mit Rn 72–75). Der Maxime der realen Kapitalaufbringung entsprechend hat aber der Plan festzuhal- 67 ten, mit welchem Wert der einzubringende Anspruch anzusetzen ist (vgl §§ 183 I/II, 27 AktG; §§ 56 I, 5 IV GmbHG) – notfalls würden Fachgutachten hierzu benötigt.165 Dies soll die Ausgabe von Gesellschaftsanteilen zu einem Wert verhindern, der nicht dem des eingelegten Vermögensgegenstandes, in concreto der Forderung, entspricht und findet da-

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mann, Praxishb Restrukturierungsrecht2 Kap 15 Rn 161. UU auch Erhalten der früheren Börsennotierung: Wieneke/Hoffmann ZIP 2013, 697, 697 ff; Brünkmans ZIP 2014, 1857, 1862. AA HambK/Thies InsO5 § 225a Rn 16, der erforderliche Zustimmungen gem § 254a II ersetzen möchte. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 42; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 13; aA Hölzle HRI2 § 31 Rn 73–76, der eine teleologische Reduktion der fraglichen Vorschriften vorzieht. BT-Drucks 17/5712 S 31 re. Sp. mit BGHZ 110, 47: S 60 [II 2] („allgemein anerkannt“) und S 71 [V 2] („außer Zweifel“) (AG) bzw BGHZ 15, 52, 60 [II 2d]; 113, 335, 341 [I]; 166, 8, 12 {12} [II vor 1] (GmbH) – ferner:

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 19; FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 12; Uhlenbruck/ Hirte InsO14 § 225a Rn 20; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 15; Hölzle HRI2 § 31 Rn 60; Priester DB 2010, 1445; Cahn/Simon/Theiselmann CFL 2010, 238. Dies steht hinter dem Wunsch nach einer Sonderregel: BT-Drucks 17/5712 S 55 li. Sp. [BRat] bzw S 68 re. Sp. [BReg], dazu vgl oben Rn 4. Hölzle HRI2 § 31 Rn 61; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 20; eher zurückhaltender aber K Schmidt ZGR 2012, 566, 580 f [III 4]. BT-Drucks 17/5712 S 31/32: sind „im Plan insbesondere anzugeben, … gegebenenfalls [Werthaltigkeits-] Gutachten einzuholen.“

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mit seine Grundlage im Gläubiger-166 sowie auch im (Mit-) Gesellschafterschutz (str167). Nach traditionellem, gesellschaftsrechtlichem Verständnis168 können Forderungen Dritter lediglich insoweit Ansetzung finden, als sie vollwertig, fällig und liquide sind, dh somit nur mit ihrem objektiven Wert (Verkehrswert). 68 Fraglich ist, ob diese herkömmlichen gesellschaftsrechtlichen Anforderungen unbesehen auf das Insolvenzverfahren übertragen werden können. Auf die Kriterien der Fälligkeit und Liquidität kann es beim Insolvenzfall ohnedies nicht ankommen:169 erstere wird fingiert (§ 41 I), dh materiell existiert Fälligkeit; letzteres heißt Freiheit von Einwendungen und Unstreitigkeit170 – das kann erst das weitere (Insolvenz-) Verfahren belegen (§§ 174 ff, insb § 178 I und § 179 I), allemal fehlt indes die individuelle Durchsetzungsmacht im Prozessualen (§ 87). Offen bleibt hingegen die Frage nach notwendiger Vollwertigkeit: Mangels gesetzlicher Kriterien der Wertermittlung ist es umstritten, ob dem Maßstab genauso Relevanz zukommt oder nicht doch – insolvenzrechtlich – die schlichte Nennwertanrechnung gestattet ist – Näheres siehe bei Rn 72–75.

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c) Bezugsrechtsausschluss (Var 3). Genannt ist ebenfalls die Möglichkeit, Bezugsrechte bisheriger Gesellschafter (§ 186 I und II AktG [analog171]) auszuschließen. Dies bedeutet aber zunächst, dass der Gesetzgeber die grundsätzliche Berechtigung der Anteilsinhaber, sich durch den Erwerb neuer Anteile (auch weiterhin) an der (Sanierung der) Gesellschaft zu beteiligen und die Gesellschafterstellung auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens aufrechtzuerhalten, prinzipiell allemal anerkennt. Der Ausschluss verlangt ausdrückliche Regelung.172 Weitergehende gesellschaftsrechtliche Anforderungen – in formeller Beziehung (vgl § 186 III und IV AktG [analog])173 sowie materieller Natur – werden durch die insolvenzplanrechtlichen Bestimmungen (§§ 238a, 245 I, III, 246a, 254a I/II) überlagert, ja

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Priester DB 2010, 1445, 1447; Uhlenbruck/ Hirte InsO14 § 225a Rn 33; Cahn/Simon/ Theiselmann CFL 2010, 238, 240, 241; Hölzle HRI2 § 31 Rn 78; Pentz ZGR 2001, 901, 913 (mittelbarer bzw reflexiver Gläubigerschutz). Vgl einerseits Priester DB 2010, 1445, 1447, 1450; Hess InsO2 § 225a Rn 71 – andererseits Cahn/Simon/Theiselmann CFL 2010, 238, 240 f (mwN). Man kann gewiss fragen, ob der im Insolvenz(plan)fall noch Berücksichtigung findet. HM im Anschluss an BGHZ 152, 37, 40, 42; 125, 141; 110, 47, 60, 61 f (mit Darstellung des damaligen Streitstandes); K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 225a Rn 22; Altmeppen FS Hommelhoff (2012) S 1, 13 ff; Haas NZG 2012, 961, 967; Wertenbruch ZIP 2013, 1693, 1699; Gehrlein NZI 2012, 257, 260; Priester DB 2010, 1445 ff, 1450. Krit insofern Cahn/Simon/Theiselmann CFL 2010, 238, 242 ff und DB 2010, 1629 ff; Simon CFL 2010, 448, 451 ff; Hölzle HRI2 § 31 Rn 77 ff, siehe aber auch bei Rn 85 f; Eidenmüller in: Stärkung des Anlegerschutzes (…). Bankrechtstag 2011 (2012), S 129, 149 f.

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Nur iE so Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 36; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 26. RGZ 85, 351, 354; OLG Naumburg GmbHR 1999, 1037, 1038. Was die GmbH angeht, vgl MünchKomm/ Lieder GmbHG2 § 55 Rn 70 ff; Baumbach/ Hueck/Zöllner/Fastrich GmbHG21 § 55 Rn 20; iE ebenso Henssler/Strohn/Gummert Gesellschaftsrecht3 § 55a GmbHG Rn 14 („ungeschriebenes gesetzliches Bezugsrecht“). Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 125; H-F Müller KTS 2012, 419, 441; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 35; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 30; siehe aber auch Brinkmann WM 2011, 97, 101, welcher angesichts der Gefahr, den Insolvenzplan zum Zwecke der feindlichen Übernahme zu missbrauchen, für ein Beteiligungsrecht der Altgesellschafter plädiert. Allgemeine Auffassung, vgl MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 50, 78; FK/ Jaffé InsO9 § 225a Rn 13; H-F Müller, KTS 2012, 419, 441; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 125.

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verdrängt.174 Abs 3 („Regelung […], die gesellschaftsrechtlich zulässig ist“) erscheint systematisch eingehegt und gilt nicht auch für Abs 2, würde ohnehin im Übrigen nicht entgegenstehen (dazu Rn 34) und wäre so oder so immer interessengerecht und gerechtfertigt (dazu Rn 70). Außerhalb der Insolvenz verlangt zwar ein derartiger Bezugsrechtsauschluss nach hin- 70 reichender sachlicher Rechtfertigung (Interessenabwägung!).175 Das passt aber nicht auf Insolvenzsituationen und erst recht nicht mehr für Sanierungsszenarien. Da das Bezugsrecht Ausfluss des gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie auch des Minderheitenschutzes ist, die §§ 217 ff insoweit aber komplett eigenständige Regeln (§§ 226, 245 I Nr 1 und III Nr 2, 251) bereithalten,176 ist die Voraussetzung sachlicher Rechtfertigung aufgrund des Vorrangs spezieller Regelung, auch im Anschluss an einen Kapitalschnitt (siehe dazu bei Rn 57), für solche insolvenzplanmäßige Maßnahmen gleichgültig. Das Pendel müsste so oder so wohl zugunsten des maßgebenden Gesellschaftsinteresses ausschlagen (Fortführungsinteresse).177 Ansonsten drohte ein Konflikt mit § 245 II Nr 2, die letztlich Gläubigerobstruktion gestatten, wenn der Plan Anteilsinhabern einen wirtschaftlichen Wert zuspricht, welcher zweifellos auch in der Gewährung eines Bezugsrechts bestehen kann. d) Abfindungsregelung (Var 4). Der Plan kann vorsehen, den betroffenen Anteilsin- 71 habern eine Kompensation für den (teilweisen) Verlust ihrer Beteiligung am Schuldner (dazu Rn 22–26) zukommen zu lassen. Dies vermag mitunter einerseits, verfassungsrechtlichen Anforderungen (Art 14 I S 1 GG: Rn 80 mit 83) nachzukommen, aktiviert andererseits ergänzend das insolvenzrechtliche Obstruktionsverbot (§ 245 I Nr 1), sichert mithin – gegebenenfalls ergänzt um eine Mittelbereitstellung iSd § 251 III – die reibungslose Planbestätigung. Mit Blick auf § 199 S 2 wird indes regelmäßig von der Wertlosigkeit der betroffenen Anteile auszugehen sein178 – doch bestätigen Ausnahmen die Regel. Beruht der Anteilsverlust auf der (freiwilligen) Ausübung eines Austrittsrechts, konkretisiert Abs 5 Anspruchshöhe sowie -fälligkeit (dazu Rn 46–49). 5. Bewertungsproblematik Pragmatisch, aber nicht auch problemfrei, wäre eine Nennwertbetrachtung (aA). Sie 72 nimmt die Perspektive der Gesellschaft ein: rechnerisch volle Entlastung. Die Übertragung der traditionellen Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln werde der besonderen

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Genauso: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 50, 78; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 225a Rn 24a; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 35; HambK/Thies InsO5 § 225a Rn 28; Bulgrin, Die strategische Insolvenz (2016), S 101–103; Geißler ZInsO 2015, 787, 791; siehe auch Decher/Voland, ZIP 2013, 103, 106. Dagegen: Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 125; H-F Müller, KTS 2012, 419, 441 f und DB 2014, 41, 42; FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 13; Wertenbruch ZIP 2013, 1693, 1697; Brünkmans ZIP 2014, 1857, 1861 f; Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 225a Rn 13.

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Vgl BGHZ 71, 40, 44 ff = NJW 1978, 1316; BGHZ 83, 319, 321 = NJW 1982, 2444; BGHZ 136, 133, 139 = NJW 1977, 2815. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 24a; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 35. So „retten“ sich später zB FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 13; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Silcher InsO3 § 225a Rn 13; Brünkmans ZIP 2014, 1857, 1861 f (nur eine grobe „Missbrauchskontrolle“) – aA Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 125 und H-F Müller KTS 2012, 419, 442 f. BT-Drucks 17/5712 S 32; ebenso bereits Rn 14, 21, 57, 64.

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Interessenlage beim Insolvenz-DES nämlich nicht gerecht. Eine Werthaltigkeitskontrolle sei entbehrlich (eindeutige Risikolage), dem Gläubigerschutz deshalb allein durch eine Offenlegung des Einlagegegenstandes (dazu Rn 57, 66) Rechnung zu tragen (Publizität statt Kontrolle!).179 Pragmatismus im Insolvenzfall (keine Bewertungsprobleme,180 keine Verzögerungsgefahr – Attraktivität für Altgläubiger: „Nennwertbonus“ – wegen weiterer Begründung: Rn 73) ist wohl das eine, nur den Bruch mit dem Grundprinzip vorsichtiger Sachbewertung (§ 252 I Nr 4 HGB: „namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste … zu berücksichtigen“) kann das kaum rechtfertigen – der Nennwert einer Forderung ist krisenbedingt im Wert zu berichtigen;181 und was sich auf der einzelnen Gläubigerseite vollzieht (scil. Einzelwertberichtigung), sollte sich ebenso auf (Gemein-) Schuldnerseite später widerspiegeln, wenn es denn zu einem DES kommt. 73 Drei weitere Argumente, möchten jene Nennwertbetrachtung noch stützen. Erstens: durch die Einlage der gegen die Gesellschaft bestehenden Forderung scheide der Neugesellschafter als Konkurrent der übrigen Gläubiger um das verbliebene Gesellschaftsvermögen aus, so dass sich deren Befriedigungsaussichten erhöhten (vgl § 199 S 2).182 Das spiegelt aber niemals den Forderungswert für die Umwandelnden (Sonderfälle: § 212 S 1 InsO einerseits [Verfahrenseinstellung], § 194 I S 2 AktG andererseits [Wandelanleihe als Umgehungsform?]). Zweitens: Gleichbehandlung mit den Altgesellschaftern, die eben sonst rechnerisch höhere Anteile bekommen. Hier werden dann jedoch unterschiedliche (Beurteilungs-) Zeitpunkte zugrunde gelegt: ex ante und ex post.183 Dieser Punkt wirkt sich zumeist schon deshalb nicht aus, weil eben kein Restwert mehr existiert, welcher den früheren Gesellschaftern zustünde (arg § 199 S 2) oder nur derjenige, der nach Kapitalschnitt (dazu Rn 57) mit Bezugsrechtsausschluss (S 3 Var 3) und Abfindungsregelung (S 3 Var 4) noch übriggeblieben wäre; es kann also allein das Verhältnis der verbleibenden Alt- zu den eintretenden Neugesellschaftern treffen. Drittens: Offenlegung sei praktischer („Selbstregulierung“) und ausreichend („Eigenverantwortung“)184 – damit aber wäre jeder präventive Kapitalaufbringungsschutz überflüssig und rigoros ad absurdum geführt.185

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Cahn/Simon/Theiselmann CFL 2010, 238, 246 [IV 1a aE], 247 [IV 2] bzw DB 2010, 1629, 1631 mit DB 2012, 501; Simon, CFL 2010, 448, 451–453; Hölzle HRI2 § 31 Rn 82–84; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 23; HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 24; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 53 („gute Gründe dafür“); krit Ekkenga DB 2012, 331; Priester DB 2010, 1445; Brünkmans ZInsO 2017, 1401, 1406. Wegen solcher Berechnungsschwierigkeiten siehe Simon, CFL 2010, 448, 453 „kaum belastbar zu ermittelnden Werthaltigkeit der Forderung“; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 53. Eindeutig zu blauäugig Maier-Reimer in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011 (2012), S 107, 125 ff, welcher davon ausgeht, der Debt Equity Swap lasse den Insolvenzgrund entfallen, so dass eine Umwandlung zum Nennwert die realen Wertverhältnisse widerspiegele.

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Mit Recht krit indes bereits BGHZ 110, 47, 61 f [II 2] (S 62: „diese Überlegung enthält zuviele unbekannte Faktoren“ – immer Einzelfallprüfung nötig!). Ökonomisch analysierend motivieren das Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 543–545 [III] (Vorzugswürdigkeit „insolvenzrechtlicher“ Verteilungsregel); vgl auch erg noch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 53. Anders im Ansatz K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 23 aE: gegenläufige Interessen von Alt- und Neueignern seien allein im Rahmen einer eventuellen Obstruktionsentscheidung (§ 245 I iVm III Nr 2) beachtlich. Sehr krit etwa Altmeppen FS Hommelhoff (2012) S 1, 14 f; Kleindiek FS Hommelhoff (2012) S 543, 551; Priester DB 2010, 1445, 1449. BGHZ 110, 47, 62/63 [II 2] (S 62: „es wird der [falsche] Eindruck der ungeschmälerten Zuführung neuen Barkapitals erweckt“ – Verschleierung!).

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Man sollte mithin die traditionelle Verkehrswertbetrachtung (hM) heranziehen,186 die 74 außerhalb der Insolvenz die Praxis dominiert187 (sog Vollwertigkeitserfordernis: Nennwertannahmen erfordern zweifelsfrei vermutete Einbringlichkeit, vgl Rn 67 f). Sie entspricht dem deutlichen Willen des [ESUG-] Gesetzgebers. Insofern kann die Gesetzesbegründung zu § 225a RegE188 ebenso wenig unbeachtet bleiben wie der weitere, systematische Umstand, dass § 254 IV gegenstandslos wäre, ließe man eine Einbringung zum Nennwert zu.189 Diese Bestimmung ist Ausdruck des gesetzgeberischen Bestrebens, Gläubigern das mit komplexen Bewertungsfragen zusammenhängende Prognoserisiko durch den Ausschluss der Differenzhaftung abzunehmen,190 dh eben nicht durch eine Anrechnung der einzulegenden Forderungen zum Nennwert. Ihre Existenz streitet folglich klar für eine Maßgeblichkeit des Verkehrswertes. Die Nennwertbetrachtung führte auch in ärgerliche insolvenzrechtliche Friktionen, weil sie eine Differenzierung nach gesicherten Forderungen (§§ 49 ff) oder nachrangigen Gläubigern (§ 39) (somit nach dem insolvenzgeprägten Haftungspotential) am Ende leider komplett nivelliert.191 Man kann das auch anders herum wenden: Zur Deckung von anderen Verbindlichkei- 75 ten wird allein der Anteil am noch vorhandenen Schuldnervermögen frei, welcher der (nun einzubringenden) Verbindlichkeit wirtschaftlich oder eben haftungsmäßig zugeordnet war und zu deren Ausgleich hätte herangezogen werden können.192 Ein Bewerten zum Nennwert ist demgemäß mit den geltenden Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsgrundsätzen unvereinbar. Dies wandelte faktisch „Luft in garantiertes Eigenkapital“.193 Mit dem Plädoyer für die Maßgeblichkeit des Verkehrswertes ist jedoch noch nichts darüber ausgesagt,

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Insolvenzrechtlich: Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 225a Rn 21; FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 21; Hess InsO2 § 225a Rn 70; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 225a Rn 5; Brünkmans ZInsO 2017, 1401, 1405 f; Prusko Die Gesellschafterstellung in der Insolvenz (2013), S 208 f; Uhlenbruck/ K Schmidt Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz5, Rn 2.390; Wertenbruch ZIP 2013, 1693, 1699 [IV 1]; H-F Müller KTS 2012, 419, 447 f [VII 4d bb]; Gehrlein NZI 2012, 257, 260 [III 2b]; Hirte/Knof/Mock DB 2011, 632, 642 [III 1c cc (2)]; Brinkmann WM 2011, 97, 101 [V 2]; K Schmidt BB 2011, 1603, 1609 [IV 3b]. Gesellschaftsrechtlich: BGHZ 90, 370, 373 f [I ./. II]; 113, 335, 341 f [I]; 125, 141, 145 f [I 1c] (GmbH) bzw RGZ 134, 262, 268/269; BGHZ 110, 47, 61 f mit S 62/63 [II 2]; 157, 72, 75 f [II 2c aa/bb] (AG); RG JW 1938, 1400, 1401 – ferner statt vieler: Spindler/ Stilz/Benz AktG3 § 27 Rn 38; MünchKomm/ Pentz AktG4 § 27 Rn 29; MünchKomm/Ekkenga GmbHG2 § 30 Rn 244 mit DB 2012, 331, 332; Priester DB 2010, 1445, 1447 f; Altmeppen FS Hommelhoff (2012) S 1, 13 ff; Koppensteiner FS Torggler (2013) S 627, 636 – je mwN.

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BT-Drucks 17/5712 S 31/32 („Zur [./.] Frage der Werthaltigkeit des Anspruchs sind gegebenenfalls Gutachten einzuholen. Die Werthaltigkeit der Forderung wird […] regelmäßig reduziert sein und der Wert wird nicht dem buchmäßigen Nennwert entsprechen, sondern deutlich darunter liegen.“). H-F Müller KTS 2012, 419, 448 [VII 4d cc] („schlicht überflüssig“); Kleindiek FS Hommelhoff (2012) S 543, 553 [III 3] („§ 254 Abs. 4 [wäre] nicht zu erklären.“); Wertenbruch ZIP 2013, 1693, 1699 [IV 1] („ergäbe keinen Sinn“). Siehe daher schon BT-Drucks 17/5712 S 36 li./re. Sp. („droht dem Gläubiger … [./.] … auch eine Nachschusspflicht, gerichtet auf die Differenz zwischen dem Nennbetrag der Einlage und dem wirklichen Wert der Forderung. Durch den Ausschluss dieser Haftung ist sichergestellt, …“). H-F Müller KTS 2012, 419, 447 [VII 4d bb] – dies konzediert auch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 54. Kleindiek FS Hommelhoff (2012) S 543, 552 [III 2b]; Ekkenga DB 2012, 331, 334 f [V 2]; Priester DB 2010, 1445, 1447 [V 2]. Ekkenga DB 2012, 331.

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ob dieser nach dem Fortführungs-194 oder dem Zerschlagungswert195 dann berechnet wird. Die Gesetzesbegründung196 legt letzteres nahe („Quotenerwartung“), ist aber nicht völlig zweifelsfrei („kann“). Man sollte am besten einzelfallabhängig, entsprechend dem Ziel des (konkreten) Insolvenzplans, den erwarteten Gegenwert ansetzen197 (in Anlehnung an §§ 153 I iVm § 151 I) – trotz sicher mancher prognostischer Risiken. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Forderungsbewertung ist die Rechtskraft hypothetischer gerichtlicher Planbestätigung198 (so wie in § 229 S 1: „bei einem Wirksamwerden des Plans“ – scil.: nicht des Swaps!) als (insolvenz-) rechtlicher Umwandlungsakt.

V. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht 1. Rahmenbedingungen

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a) Bundesrechtliche. Die Regelungen des Insolvenzplanverfahrens erlauben eine vollständige Umgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Struktur des Schuldners, die bisherige Anteilsinhaber vollständig ausschließen oder zumindest in ihrem Einfluss (stark) beschränken kann (dazu Rn 7 f, 51, 64); effektive Mitbestimmungsrechte werden ihnen jedoch trotz offenkundig rechtlicher Einrichtung (§§ 222 I Nr 4, 238a, 244 Abs I/III) faktisch eher verwehrt (arg § 245 I Nrn 1 und 2 mit III – vgl auch erg § 246a einerseits, § 199 S 2 andererseits) – die Rechte gelten letztlich als entwertet (dazu Rn 14 f); es fehlt an einer klarstellenden insolvenzrechtlichen Entschädigungsregel (so wie sie noch § 225a IV DiskE einst vorgesehen hatte). Das Planverfahren scheint damit die Vermögens- und Mitgliedschaftsrechte der bisherigen Anteilsinhaber preiszugeben – was mit Blick auf die Eigentumsgarantie (Art 14 GG: Rn 80–85) und die Vereinigungsfreiheit (Art 9 GG: Rn 86 f) verfassungsrechtlich nicht unproblematisch scheint;199 ergänzend greifen zudem bei Aktiengesellschaften ferner uU einige EU-Regeln (dazu Rn 78 f). 77 Es ist aber allemal zu einfach, insoweit deutsches und amerikanisches Recht zu kontrastieren und auf die bundesrechtliche bankruptcy clause abzuzielen (Art 1.8 clause 4b Const.: „to establish … uniform Laws on the subject of Bankruptcies throughout the Uni-

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So K Schmidt ZIP 2012, 2085, 2087; Horstkotte/Martini ZInsO 2012, 557, 563; Weber/ Schneider ZInsO 2012, 374, 379. So Altmeppen FS Hommelhoff (2012) S 1, 15; Kleindiek FS Hommelhoff (2012) S 543, 555 ff, 560; Simon CFL 2010, 488, 451 f; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225 Rn 35; Wertenbruch ZIP 2013, 1693, 1699; Hess, InsO2 § 225a Rn 74; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 123 f; H-F Müller, KTS 2012, 419, 448 [VII 4d dd]; zurückhaltend Hirte/Knof/Mock DB 2011, 632, 642 f. BT-Drucks 17/5712 S 32 li. Sp. („Hierbei [scil. bei Feststellung der Werthaltigkeit] kann auch die Quotenerwartung berücksichtigt werden.“). Für solche Folgerung: H-F Müller KTS 2012, 419, 448 [VII 4d dd]; Hirte/Knof/ Mock DB 2011, 632, 642 [III 1c cc (2)]; Si-

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mon/Merkelbach NZG 2012, 121, 124 [III 1b aa]; FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 23. Zweifelnd Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 22. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 22; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 52; vgl zudem erg: Horstkotte/Martini ZInsO 2012, 557, 563 Fn 47; Weber/Schneider ZInsO 2012, 374, 379 [IV 1]; Priester DB 2010, 1445, 1448 [V 2]. So wie hier Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 22 – aA FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 21 und K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 24: Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister. Dazu allgemein Lepa, Insolvenzordnung und Verfassungsrecht (2001), passim; Werres Grundrechtsschutz in der Insolvenz (2007), passim; Adam DZWIR 2009, 441.

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ted States“: Vor §§ 217 Rn 141)200 – sie schafft Gesetzgebungskompetenzen des Kongresses und grenzt damit dessen Legislativbefugnisse von denen der Bundesstaaten ab, überspielt nicht aber die Bill of Rights, und ist deshalb nur einfach Kompetenznorm (so wie auch Art 74 I GG: Nr 1 [Verfahrensrecht] bzw Nr 11 [Wirtschaftsrecht]), aber nicht auch schlussendlich vorrangige Eingriffsnorm. Gewiss, das US-Recht gestattet hier Eingriffe (11 USC § 1123 lit a Nr 5C, I, J) bei Beteiligung an Gruppierung (11 USC § 1122 lit a) und Abstimmung (11 USC § 1126 lit d: 2⁄3-Summenmehrheit) – praktisch entfällt letzteres freilich. Das Gesetz geht fiktiv von Ablehnung aus, wenn und weil sämtliche Rechte wegfallen (11 USC § 1126 lit g), hilft dann aber über das Obstruktionsverbot (11 USC § 1129 lit b Nr 1 mit Nr 2C). Die Ähnlichkeit der Konstruktion spricht wohl für sich alleine. b) Europarechtliche. Insbesondere die Zweite Kapitalrichtlinie201 (KapRL II) scheint 78 im Konflikt mit den durch § 225a [Abs 2 und 3] eingeräumten Befugnissen der Planersteller zu stehen, denn sie verlangt für eine Kapitalerhöhung den Beschluss der Hauptversammlung (Art 29 I S 1 KapRL II; auch Abs 2 verzichtet nicht auf eine entsprechende Legitimation) und garantiert den Aktionären ein Bezugsrecht (Art 33 I KapRL II). Ersteres wird freilich dezidiert überspielt (dazu Rn 14), letzteres kann entfallen (dazu Rn 69 f). Ausnahmen hiervon lässt Art 45 I KapRL II lediglich zur Förderung der Beteiligung von Arbeitnehmern und bestimmten anderen Personengruppen am Kapital der Unternehmen zu; der Annahme einer daneben bestehenden ungeschriebenen Ausnahme zugunsten der Unternehmenssanierung ist aber der EuGH entgegengetreten.202 Es ging freilich dort um staatliche Eingriffe per Verwaltungsakt („Insolvenzvorsorge“203) und nicht um schon eingetretene privatrechtliche Unternehmensinsolvenz und deren normale, regelhafte (Verfahrens-) Abwicklung („Sanierungsversuch“). Hält man sich dies vor Augen, fehlt es an einem Konflikt mit gültigem Unionsrecht – 79 denn die Alternative wäre die Auflösung, Liquidation, Zerschlagung. Das unionsrechtlich gewährte Bezugsrecht besteht von vornherein nur ohnehin im Fall einer Barkapitalerhöhung, so dass der deutsche Gesetzgeber die Gesellschafterrechte beim DES frei von unionsrechtlichen Vorgaben beschränken kann.204 Aber allgemeiner noch: die Richtlinie erfasst inhaltlich gar nicht die Aktiengesellschaft in der Insolvenz.205 Die (geschützte) Hauptversammlungszuständigkeit reicht nur bis zu dem Punkt, an dem die Gesellschaft im Interesse ihrer Gläubiger einer Zwangsverwaltung unterstellt wird und die Aktionäre sowie die sat-

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So aber Madaus ZGR 2011, 749, 759/760 mit S 760 [III 2 vor a] mit Insolvenzplan (2011), S 594; zust Hölzle HRI2 § 31 Rn 6. Neugefasst durch RL 2012/30/EU vom 25.10.2012 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften … im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind …, ABl Nr L 315 S 74; vormals RL 77/91/EWG vom 13.12.1976, ABl Nr L 26 S 1. EuGHE 1991, I-2691 {20, 25 f} – Karella; 1992, I-2111 {27, 32 f} – Syndesmos Melon; 1996, I-1347 {38 ff, 42} – Pafitis – zur alten Fassung!

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Tellis EuZW 1992, 657 („Unternehmenssanierung als Staatsaufgabe“). MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 124. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 128; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 22; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 15; HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 10; Verse ZGR 2010, 299, 312 ff, insb 314 f; Wertenbruch ZIP 2013, 1693, 1698; Maier-Reimer in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011 (2012), S 107, 111 f; zurückhaltender K Schmidt BB 2011, 1603, 1609 f; aA Drouven ZIP 2009, 1052; Madaus Insolvenzplan (2011) S 604 mit ZGR 2011, 749, 767 ff; H-F Müller KTS 2012, 419, 430 f mit Der Verband in der Insolvenz (2002), S 365 f.

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zungsmäßigen Gesellschaftsorgane ihrer Rechte nicht nur vorübergehend enthoben werden.206 Dies bedeutet, dass das (ausdrückliche) Plazet der Hauptversammlung im Rahmen eines insolvenzrechtlichen DES auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten insgesamt verzichtbar erscheint. 2. Eigentumsgarantie (Art 14 GG)

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Die Eigentumsfreiheit (Art 14 I S 1 Var 1 GG) soll dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich erhalten und den Bestand der zugewiesenen bzw abgesicherten Rechtspositionen bewahren, so dass sie alle vermögenswerten Rechtspositionen umfasst, die das bürgerliche Recht einem privaten Rechtsträger als Eigentum zuordnet („normgeprägtes Grundrecht“ [arg Abs 1 S 2 und Abs 2207]: Vermögenswert, Ausschließlichkeit, Verfügbarkeit).208 Hierunter fallen nach allgemeiner Meinung auch das Anteilseigentum sowie die damit verbundenen Mitgliedschafts- und Teilhaberechte;209 dementsprechend sollte im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Betrachtung zweckmäßigerweise zwischen vermögensrechtlichen (dazu Rn 81–84) und mitgliedschaftlichen (dazu Rn 85) Elementen des Grundrechtsschutzes differenziert werden. Nicht etwa zum Zuge kommt die Enteignungsklausel (Art 14 III GG): privatnützige Vollstreckung fällt darunter nicht,210 genauso wenig die selbstbestimmte Mehrheitsfindung der Gesellschaft.211 81 a) Vermögensrechte. Jede Änderung der vermögensrechtlichen Beteiligung am Schuldnerunternehmen (Ausschluss, Umgestaltung, Minderung) greift rechtfertigungsbedürftig in den Schutzgehalt des Art 14 I S 1 1 Var 1 GG ein212 und wirkt dabei als Inhalts- und Schrankenbestimmung iSd Art 14 I S 2 GG (dazu Rn 80 aE).213 Aus der gerichtlichen Planbestätigung folgt schon deshalb nichts Gegenteiliges, weil sie keine selbstständige staat-

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EuGHE 1996, I-1347 {57} – Pafitis; vgl auch EuGHE 1991 I-2691 {30} – Karella und 1992, I-2111 {27} – Syndesmos Melon. Wegen des Verhältnisses siehe bei Maunz/ Dürig/Papier GG59 Art 14 Rn 305–307. Grundlegend BVerfGE 1, 264, 278; 58, 300, 335 f; 70, 191, 199; 83, 201, 209. BVerfGE 14, 263, 276 („Feldmühle“); 25, 371, 407 („Rheinstahl“); 50, 290, 341 („Mitbestimmung“); 100, 289, 301 f = NJW 1999, 3769, 3770 („DAT/Altana“); ZIP 2000, 1670, 1671 [1a vor aa] („Moto-Meter“); NJW 2007, 3268, 3269 {18} [II 2a aa] („Edscha“); H.-F. Müller KTS 2012, 419, 441 und DB 2014, 41, 42; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 15; Sassenrath ZIP 2003, 1517, 1523; Stöber ZInsO 2012, 1811, 1818; Bay/ Seeburg/Böhmer ZInsO 2011, 1927, 1936; krit Mülbert/Leuschner ZHR 170 (2006), 615, 619 ff [Zusf S 668 ff]. Maunz/Dürig/Papier GG59 Art 14 Rn 653; von Mangoldt/Klein/Starck/Depenheuer/ Froese GG7 Art 14 Rn 474 (mwN); Umbach/ Clemens/Berkemann GG (2002), Art 14 Rn 576. Siehe auch die „Faustregel“ von Jarass NJW 2000, 2841, 2845 [II 5].

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BVerfGE 14, 263, 277 [C II 1] („Feldmühle“ [Mehrheitsumwandlung]) = NJW 1962, 1667 und BVerfG ZIP 2007, 1261, 1262 {19} [II 2a bb] (squeeze out) = NJW 2007, 3268. – AA Smid/Rattunde/Smid InsO2 § 221 Rn 17. Zweifelnd Hölzle HRI2 § 31 Rn 7; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 99. In Anlehnung an BVerfG ZIP 2007, 1261, 1262 {19} [II 2a bb] mit BGH NZG 2006, 117 {3–5} (squeeze out) bzw BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 [1a aa (1)] (übertragende Auflösung) und BVerfGE 100, 289, 302 f [II 1] (Eingliederung) so ua MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 44, 123; HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 9; Sassenrath ZIP 2003, 1517, 1523 [IV 2]; Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 546 [IV 1.1]; Verse ZGR 2010, 299, 310 [IV 1a]; Spetzler KTS 2010, 433, 443 [II 4 vor a]; Bay/Seeburg/Böhmer ZInsO 2011, 1927, 1937 [III 2]; Schmidt-Preuß NJW 2016, 1269, 1271 [V 1–3a].

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liche (Gestaltungs-) Entscheidung zum Gegenstand hat (vgl näher Vor § 217 Rn 261–263 einerseits, Rn 248, 253, 255 andererseits), sondern dabei die Mehrheitsakte nur umsetzt und „Rechtskontrolle“ übt.214 Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung kann mithin bereits dann angenommen werden, wenn die fragliche Maßnahme nicht grob sachwidrig, grundlos oder übermäßig in die Interessen der Beteiligten eingreift, sondern den allgemeinen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht.215 Diesen hohen Anforderungen kann das gesetzliche Regelungsmodell standhalten. Ei- 82 nerseits besteht ein starkes öffentliches Interesse an einer zügigen und effektiven Sanierung insolventer Unternehmen, ua um künftige Arbeitsplätze zu erhalten; andererseits ist das private Interesse von Gläubigern zu beachten, die aus dem wenigen, was noch vorhanden ist, ihre optimale Befriedigung erwarten – hier begegnen sich Verfahrensziel (§ 1 S 1 Hs 1 InsO) und die Schutzgarantie für die Gläubigerseite (Art 14 I S 1 Var 1 GG).216 In eben dieser Abwägung ist allemal Erforderlichkeit zu bejahen.217 Dafür muss man auch nicht im Einzelfall nach einer die Anteilsinhaberposition weniger beschränkenden, aber die Befriedigungsaussichten der Gläubiger gleichermaßen wahrenden (gesellschaftsrechtlichen) Maßnahme Ausschau zu halten.218 Ein derartiges Vorgehen stellte (nach der verfassungsrechtlichen Diktion) zwar durchaus ein milderes, aber – namentlich unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative219 (abstrakte Abwägung statthaft!) – gewiss kein gleich geeignetes Mittel dar, weil es Verzögerungen induzierte und damit den Sanierungserfolg gefährdete.220 Alle Umgestaltungsbefugnisse nach § 225a II und III entsprechen den in der BVerfG- 83 Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen.221 Sie gewährleisten abfedernd nämlich volle (wirtschaftliche) Kompensation des (tatsächlichen) Rechtsverlusts, solange den Anteilsrechten mit Blick auf § 199 S 2 (dazu Rn 14, 21, 57, 64, 71) noch ein Restwert zukommt,222 so-

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Sassenrath ZIP 2003, 1517, 1523 [IV 2]; Spetzler KTS 2010, 433, 444 [II 4 vor a]; vgl auch erg BVerfGE 14, 263, 277 [II 1] („Feldmühle“) = NJW 1962, 1667 – allerdings Registergerichte betreffend (das Insolvenzgericht hat zweifelsohne weitergehende Rechtsmacht [arg § 245]). BVerfGE 14, 263, 277 f; 18, 121, 132; 87, 114, 138; 95, 48, 58; 101, 239, 259; 102, 1, 17; 104, 1, 11. Siehe insofern zudem BVerfGE 92, 262, 273 (Beschleunigung) bzw BVerfGE 116, 1, 13 (Befriedigung) – dies summierend sodann BVerfG NZI 2010, 57, 58 {12} [III 1b cc]. Schmidt-Preuß NJW 2016, 1269, 1271 f [V 3b]; Decher/Voland ZIP 2013, 103, 106 [II 3.2.2]; Spetzler KTS 2012, 433, 443 ff [II 4]; Sassenrath ZIP 2003, 1517, 1524 [IV 3]. So aber Wertenbruch ZIP 2013, 1693, 1697 [III 2] und H-F Müller DB 2014, 41, 42 [III]; insoweit noch strikter Stöber ZInsO 2012, 1811, 1819; 2013, 2457, 2460 (Zustimmung erforderlich) sowie mit Blick auf Art 9 GG (dazu Rn 86 f) Madaus ZGR 2011, 749, 766 f [III 2b].

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BVerfGE 120, 224, 240 = NJW 2008, 1137. So wie hier HK/Haas InsO9 § 225a Rn 21: Gegenansicht „ist nicht nur impraktikabel, sondern geht von der falschen Prämisse aus, dass der verfassungsrechtliche Schutz der Mitgliedschaft besser oder höherwertig ausgestaltet ist … als Forderungen der Gl.“ [ohne originale Hervorh]. Vgl insoweit BVerfGE 14, 263, 277 f, 282 f („Feldmühle“); 100, 289, 302 f („DAT/Altana“); BVerfG NJW 2001, 279, 280 („Moto/Meter“); 2007, 3268, 3269 f; ZIP 2007, 2121; 2010, 571, 574 {21}; NJW 2007, 3268, 3269 f {20} [II 2a bb] („Edscha“); vgl überdies Kresser ZInsO 2010, 1409, 1416 f [III 2b aa]; Madaus ZGR 2011, 749, 760; Bay/Seeburg/Böhmer ZInsO 2011, 1927, 1940; Verse ZGR 2010, 299, 310; Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 546; Sassenrath ZIP 2003, 1517, 1524; skeptisch H-F Müller KTS 2011, 1, 20 [III]. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 101; Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 549; Madaus Insolvenzplan (2011), S 596.

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wie gleichzeitig wirksamen Rechtsschutz (§§ 245, 251, 253223) und stellen damit einen angemessenen Interessenausgleich sicher. Dass der vorgesehene Rechtsschutz in der Regel keine inhaltliche Mitbestimmungsmöglichkeit vermittelt (siehe oben bei Rn 14) – wohl aber eine Formalkontrolle auf Rechtmäßigkeit! – ist als Auswirkung unternehmerischen Misserfolgs von den Anteilsinhabern selbst voll zu verantworten.224 Insolvenzrechtlich ist ihnen – so oder so – nicht die Vermögenssubstanz wie gehabt „naturaliter“ sondern allenfalls noch ihr Wert zugewiesen.225 84 Das gilt gleich auch für Bezugsrechtsausschlüsse226 als „DES-Begleitmaßnahme“ (dazu Rn 57 mit 69 f). Durch eben die Verweigerung frischen Eigenkapitals haben doch die Anteilseigner die eigene Rechtsposition selbst (!) vorweg preisgegeben (arg § 212 S 1).227 Nur so kommt es zum haftungsrechtlichen Zugreifen anderer Gläubiger.228 Mir scheint sehr paradox, den möglichen (Tausch-) Gläubigern die „nominelle“ Befriedigung abzusprechen (dazu Rn 72–75), Anteilseignern indes dann aber die Berufung auf den vollen „verfassungsmäßigen Wert“ ihrer Position zuzubilligen. Sie tragen wirtschaftlich die Lasten, die Liquidation noch abzuwenden. Dies kann dem Anteilsinhaber nicht dahingehend zum Vorteil gereichen, dass höhere Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit der Insolvenzplanregeln gestellt werden.229 Sieht man zudem die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art 14 II GG) sowie die mit einer Unternehmenssanierung verfolgten Allgemeininteressen (dazu Rn 80, 82), muss ein im Bezugsrechtsausschluss begründeter Verfassungsverstoß ausscheiden.230 85 b) Teilhaberechte. Hinsichtlich der Teilhaberechte (dazu Rn 80) kann die Verfassungsmäßigkeit der von § 225a II und III gestatteten Eingriffe dagegen nicht durch den schlichten Hinweis auf die wirtschaftliche Wertlosigkeit der Mitgliedschafts- und Anteilsrechte (§ 199 S 2, vgl Rn 57, 64, 71) begründet werden. Trotzdem greift insoweit eine am Ende relativ ähnliche Erklärung: Analog zur wirtschaftlichen Entwertung der Gesellschafterbeteiligung wird auch deren mitgliedschaftliche Stellung in der Insolvenz beträchtlich ausgehöhlt.231 Die (Mit-) Verwaltungsrechte der Gesellschafter werden weitgehend verdrängt

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Dazu vgl noch erg HK/Haas InsO9 § 225a Rn 19 („Vorfeldkontrolle“ bei Stellung des Insolvenzantrags). Schmidt-Preuß NJW 2016, 1269, 1272 [V 3b] („Betriebswirtschaftliche Ineffizienz wird durch Art 14 GG nicht honoriert.“). Bitter ZGR 2010, 147, 191 [V 2b]: sog „Nach-Nachrang“ plus Geldausgleich statt Beteiligung (arg § 45). AA Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 125 f [III 1c bb] und Stöber ZInsO 2012, 1811, 1819 [II 4a]. Hölzle HRI2 § 31 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 225a Rn 103; Sassenrath ZIP 2003, 1517, 1524. Bitter ZGR 2010, 147, 189 ff, 194 [V 2] (Anteilseigner als Treuhänder); HK/Haas InsO9 § 225a Rn 15; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 13; vgl auch erg Decher/ Voland ZIP 2013, 103, 106 [II 3.2.2]. Insgesamt ähnlich sieht das Eidenmüller NJW 2014, 17, 18 „Die Gesellschafter haben ‚verspielt‘“.

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HM: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 44, 123; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 15 (vgl auch erg NZG 2012, 961, 963 [III 1]); Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 99 mit 102 ff; HambK/ Thies InsO6 § 225a Rn 9; FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 30; Hölzle HRI2 § 31 Rn 8 (vgl auch erg NZI 2011, 124, 127 [III 2]); Bitter, ZGR 2010, 147, 193 f [V 2]; Madaus Insolvenzplan (2011), S 596 mit ZGR 2011, 749, 760 f [III 2a]; Bay/Seeburg/Böhmer ZInsO 2011, 1927, 1936 ff, 1940 [IV]; Gehrlein, NZI 2012, 257, 261 [III 2d]. Hölzle HRI2 § 31 Rn 8 („wirkungsentkleidete Mitglieds- und Teilhaberechte“); HK/ Haas InsO9 § 225a Rn 15; FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 14; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 99; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 123; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 10; aA Madaus ZGR 2011, 749, 761 f.

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und der Rechtsträger nach erfolgter Abwicklung gelöscht.232 Die (vorzeitige) vollständige Entziehung weist also keine hohe Eingriffsintensität auf und ist mit Blick auf die Gläubigerinteressen zu rechtfertigen. Wenn gesagt wird, Insolvenzrecht lasse nur einen Vermögenszugriff zu (siehe auch schon Rn 13),233 führt dies zur petitio principii und verkennt die bestehende Gesetzeslage (im Positiven [§§ 217 S 2, 225a] wie Negativen [Auflösung/Abwicklung/Löschung!].234 Falls die Mitgliedschaft nun fällt, fehlt auch ein materielles Substrat eventueller Teilhabe. 3. Vereinigungsfreiheit (Art 9 GG) Die Mitgliedschaft in einem Verband fällt zusätzlich unter den Schutzbereich des Art 9 I 86 GG.235 Er gewährt zum einen (positiv) die Freiheit zur Gründung einer Vereinigung, zum Beitritt zu bereits bestehenden Zusammenschlüssen und dann der organisatorischen Selbstbestimmung, zum anderen (negativ) das Recht, sich nicht mit anderen zusammenschließen zu müssen.236 Deshalb liegt eine Verkürzung der grundrechtlich gewährten Freiheit insbesondere dann vor, wenn die Gesellschafter von der Entscheidung eigener Angelegenheiten ausgeschlossen sind (Fremdbestimmung durch Obstruktionsverbot)237 oder ihnen neue Mitgesellschafter aufoktroyiert werden (Debt Equity Swap).238 Ein solcher Eingriff stellt im Vergleich zu Art 14 GG239 letztendlich höhere Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung (kollidierendes Verfassungsrecht). Die Rechtsübernahme des oder der Eintretenden ist dagegen dem allgemeinen Konsensprinzip unterstellt (§ 230 II) und macht demnach kein Problem. Was die Verharrenden angeht, ist die Bewertung etwas delikater. Fakt bleibt, dass die gesellschaftsrechtlichen Teilhaberechte bereits durch die Insol- 87 venzsituation weitgehend entwertet sind240 (dazu Rn 85) und nicht erst durch den Plan bzw seinen DES später entwertet werden. Ein Zwang, mit unerwünschten Mitgesellschaftern im Unternehmen zu verbleiben, wirkt nur recht eingeschränkt: ein Anteilsinhaber mag entweder den Insolvenzgrund vor Durchführung einzelner auf § 225a gestützter Maßnah-

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Auflösung: § 262 I Nr 3 AktG, § 60 I Nr 4 Hs 1 GmbHG, § 131 I Nr 3 HGB iVm § 161 II HGB, § 101 GenG, § 728 I S 1 BGB, § 42 I S 1 Var 1 BGB. Abwicklung: § 264 I AktG, 66 I GmbHG, § 145 I HGB iVm § 161 II HGB, §§ 81a, 87, 102 ff GenG. Löschung: § 273 I AktG, § 74 I GmbHG, §§ 157 I HGB iVm § 161 II HGB, § 75 I S 2 BGB. Vgl auch erg § 394 I S 2 FamFG. Madaus Insolvenzplan (2011), S 601 f bzw ZGR 2011, 749, 765 f [III 2b] – nur jeweils im Kontext von Art 9 GG; Stöber, ZInsO 2012, 1811, 1819 [II 4a]. HK/Haas InsO9 § 225a Rn 3. Näheres siehe bei Brinkmann WM 2011, 97, 100; Madaus Insolvenzplan (2011), S 597 mit ZGR 2011, 749, 761 f [III 2b]; Stöber ZInsO 2012, 1811, 1818; Hölzle HRI2 § 31 Rn 9. Art 9 II GG (grundgesetzlich qualifizierter Verbotsvorbehalt) kommt vorliegend keine Bedeutung zu – es geht um kein echtes

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staatliches Verbot, sondern alleinig private Rechte. BVerfGE 50, 290, 354; NJW 2001, 2617; 1992, 1373; 1975, 1265; Maunz/Dürig/ Scholz GG31 Art 9 Rn 77 f, 84, 88; Spetzler KTS 2010, 433, 452 [II 4d]; Madaus ZGR 2011, 749, 762; H-F Müller Der Verband in der Insolvenz (2002), S 364; Hölzle HRI2 § 31 Rn 9; Brinkmann WM 2011, 97, 100. Madaus Insolvenzplan (2011), S 599 mit ZGR 2011, 749, 762 [III 2b], außerdem auch in ZIP 2014, 500, 505. Brinkmann WM 2011, 97, 100. Dazu vgl auch BT-Drucks 12/2443 S 91 re. Sp. aE („Aus der vom Grundgesetz verbürgten Vereinigungsfreiheit folgt …“) bzw H-F Müller Der Verband in der Insolvenz, 2002, S 364 („Die eigentlichen Schwierigkeiten liegen … im Bereich des Art 9 GG“). HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 9a; HK/ Haas InsO6 § 225a Rn 15; Hölzle HRI2 § 31 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 10.

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§ 225a

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men beseitigen (Nachschießen von Eigenkapital) oder aber sein (in einem solchen DES-Fall regelmäßig bestehendes) eigenes Austrittsrecht ausüben.241 Im Grunde stehen Vereinigungsfreiheit des Gemeinschuldners und konkreter Eigentumsschutz auf Gläubigerseite gegenüber, der letztlich prioritär erscheint – die Abwägung kann insoweit nicht anders ausfallen als bei Art 14 GG242 (dazu Rn 85), Art 9 I GG ist hier nicht etwa ein „wohlfeiler“ Schutzschirm und letztlich Benachteiligungsgrund gegenüber Einzelkaufleuten und Naturalparteien. Dies würde zu einer großen Ungleichbehandlung (Art 3 I GG) führen. 4. Privatautonomie (Art 2 Abs 1 GG)

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Auch die Abs 4 und 5 sind mit den maßgeblichen verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Zwar greift Abs 4 fraglos in die von Art 2 I GG geschützte Privatautonomie Dritter ein, wenn er zu ihren Gunsten vereinbarten Change-of-Control-Klauseln die Wirksamkeit nimmt, doch ist dieser Eingriff mit Blick auf den intendierten Schutz der Gläubigerrechte (Art 14 I S 1 Var 1 GG) sowie übergeordnete Gemeinwohlbelange gerechtfertigt (so wie nach Rn 82). Abs 5 begegnet schon bereits deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil er an einen freiwilligen Austritt des Gesellschafters und damit an dessen selbstbestimmte Grundrechtsbetätigung anknüpft (dazu Rn 46, 87).

VI. Bedeutsame sonstige Regelungen 1. Formerfordernisse

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Die im Plan getroffenen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen treten gem § 254 I mit rechtskräftiger Planbestätigung in Kraft. Zur Ermöglichung einer effektiven Sanierung des Schuldners unter Ausschluss etwaiger Blockadetaktiken (dazu Rn 7 f, 18) ersetzt dies uno actu nunmehr gem § 254a II (Verfügungsakt) bzw § 254a III (Verpflichtung) [Art 1 Nr 42 ESUG] faktisch die Erklärungsabgabe (mithin nicht auch den Erklärungszugang! [§ 254a Rn 21]) und rechtlich die Formwirksamkeit hinsichtlich der Beschlüsse der Anteilsinhaber und auch von Willenserklärungen sonstiger Beteiligter (S 1, vgl §§ 183 I, 185 I, 27 I S 1 AktG [Beschluss- und Formerfordernis], §§ 56 I, 55 I GmbHG [notarielle Form]) sowie auch die Bewirkung gesellschaftsrechtlich erforderlicher Vorbereitungs- und Durchführungshandlungen (S 2, vgl etwa §§ 121 II–IV AktG, § 51 I GmbHG [Ladungen], sowie §§ 183 I S 2, 186 IV S 1 AktG [Bekanntmachungen]). Notarielle Beurkundungen oder Beglaubigungen sind mithin nicht erforderlich. Die Umstrukturierung des Schuldners kann damit „aus einer Hand“ erfolgen, so dass der umständliche Rückgriff auf § 249 (dazu Rn 5) entbehrlich ist243 – das spart dazuhin erheblich Zeit und Geld.

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So wie hier Sassenrath ZIP 2003, 1517, 1529, HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 9a und Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO55 § 225a Rn 105 verneinen bereits den Eingriff als solchen – zurückhaltender Spetzler KTS 2010, 433, 452 [II 4d]. HL: Hölzle HRI2 § 31 Rn 10; Verse ZGR 2010, 299, 312; FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 31; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 12; MünchKomm/Eidenmüller InsO3

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§ 225a Rn 123; Haas NZG 2012, 961, 963. Zweifelnd H-F Müller, Der Verband in der Insolvenz (2002), 364 f – ablehnend Madaus ZGR 2011, 749, 765–767 [III 2a]; Stöber ZInsO 2012, 1811, 1819. Hölzle HRI2 § 31 Rn 18; vgl auch HK/Haas InsO9 § 249 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO68 § 249 Rn 2; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 249 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 249 Rn 1.

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§ 225a

§ 254a II und III setzen gerichtliche Planbestätigung und wirklichen Rechtskrafteintritt 90 voraus, dh müssen mit § 254 I Hs 1 zusammengelesen werden. In der Vor-ESUG-Fassung war das dadurch außer Zweifel, als § 254a II/III der Regel (als § 254 I S 2 aF) einstig unmittelbar folgten – am Sinn wollte sicher das ESUG nichts ändern. Es verbleibt beim gewohnten, klaren „Auslösetatbestand“; die Verteilung einer Regel (§ 254 aF) auf drei Normen (§§ 254–254b nF) sprengt nicht den systematischen Zusammenhang (dazu § 254a Rn 7–9 iVm 13–15). Nötig ist dafür dann die planerisch bestimmte Festlegung „im gestaltenden Teil“ (vgl § 221 S 1) und hinsichtlich von Beteiligten, § 254 I Hs 2 – fehlende Erklärungen sind uU aber nachholbar (arg § 221 S 2). Auf das gesellschaftsrechtliche Erfordernis registerrechtlicher Publizität244 indes ver- 91 zichtet die Vorschrift nicht;245 freilich wird insoweit der Insolvenzverwalter zusätzlich (auch beim Schuldnerplan! – auch ohne Sonderklausel!) berechtigt246 (und wohl hilfsweise auch zudem verpflichtet), die notwendigen Anmeldungen vorzunehmen (Abs 2 S 3), soweit das die Organe nicht pflichtgemäß selbst voranbringen („Fakten statt Warten“). Ungeregelt blieb allerdings ein potentieller Kompetenzkonflikt zwischen Insolvenz- und Registergericht. Argumente der Spezialität sowie der Prozessökonomie sprechen allemal dafür, die registerrechtliche Kontrollbefugnis einzuschränken, soweit schon eine (Parallel-) Überprüfung insolvenzrechtlich offensteht (§§ 231 I S 1 Nr 1, 250 [amtswegig] sowie § 251 I [auf Antrag]).247 Damit sind die Entscheidungen über die angemessene Forderungsbewertung beim DES (Abs 2: Rn 27–30 mit 50–75) sowie vor allem die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit einer Planregelung (Abs 3: Rn 31–41) Sache bloß des Insolvenzgerichts. Das Registergericht hat lediglich eingeschränkte Kompetenz und nur nachgelagerte, faktisch „beurkundende, Funktion“.248 Prüfbar freilich bleiben korrekte Antragstellung und Begleitumstände.

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Für Satzungsabänderungen: § 181 I S 1 iVm III AktG, § 54 I GmbHG, § 107 HGB iVm § 161 II HGB, § 71 I S 1 BGB; § 16 VI GenG. Für Personenveränderungen: § 40 I S 1 GmbHG, § 107 HGB iVm § 161 II, § 162 III HGB. Für Fortsetzungsbeschluss: § 274 IV S 1 AktG, § 144 II HGB iVm § 161 II HGB, § 75 II BGB, § 117 III GenG. BT-Drucks 17/5712 S 32 li. Sp. und S 36/37. Während des Verfahrens mangelt die Rechtsgestaltung (arg § 254 I iVm § 254a II S 1 – geplante Vorgänge) und auch die Verfügungsmacht (iSv § 80 I – sonstige Vorgänge, vgl OLG Zweibrücken NZI 2014, 472 [II]; BayObLG KTS 2004, 410 [II 2b] m Anm Barnert [7b]). HK/Haas InsO9 § 225a Rn 28, § 254a Rn 6; mit NZG 2012, 961, 966; MünchKomm/ Madaus InsO3 § 254a Rn 22 f [aber: Rn 24 f] mit ZIP 2012, 2133, 2138 bzw MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 103; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO57

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§ 254a Rn 7; unklar Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 14. Jedoch neuerdings abmildernd Bulgrin Die strategische Insolvenz (2016), S 80 f („subsidiäre Prüfungskompetenz“ zur Vermeidung „eines ‚rechtsfreien Raums‘“), HambK/Thies InsO5 § 225a Rn 46b (offenkundig vorliegende Nichtigkeit?) bzw K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 53 f („Insoweit hilft … nur eine informelle Abstimmung.“). Die Registergerichte (zB AG Berlin-Charlottenburg NZI 2015, 415, 416 und [implizit] OLG Bremen ZIP 2016, 1480) werten das leider oft anders – und überspielen die Wirkungen der Rechtskraft. Siehe auch H-F Müller KTS 2012, 419, 448 f [VII 4d ee] („durchaus zweifelhaft, ob Prüfungsrecht und Prüfungspflicht des Registergerichts … beim insolvenzrechtlichen Debt-Equity-Swap tatsächlich aufgehoben sind.“). BT-Drucks 17/5712 S 37 li. Sp.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Sanierungsprivileg

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Mit DES-Durchführung wandelt sich die Stellung des Gläubigers hin zum Gesellschafter (dazu Rn 57). Damit droht ihm im Fall der Folgeinsolvenz nicht nur der (endgültige) Verlust der eingelegten (scil. „getauschen“) Forderung, sondern darüber hinaus auch weiterer Forderungen gegenüber nichtnatürlichen Personen, die nicht umgewandelt oder neu begründet wurden, weil sie nach § 39 I Nr 5 iVm IV S 1 als (bzw gleich einem) Gesellschafterdarlehen mithin eigentlich letztrangig wären.249 Da der Anteilserwerb jedoch regelmäßig zum Zwecke der Sanierung erfolgt, hilft insoweit – und nicht nur wegen klassischerweise zusätzlicher „Sanierungsdarlehen“ – das sog Sanierungsprivileg des § 39 Abs 4 Satz 2:250 jene Nachrangigkeit wird suspendiert „bis zur nachhaltigen Sanierung“ des Schuldners. Erwirbt der nicht geschäftsführende (Neu-) Gesellschafter bis zu zehn Prozent des Haftkapitals kommt ihm daneben – mit der gleichen Wirkung, aber ohne zeitliche Beschränkung – das sog Kleinbeteiligungsprivileg gem § 39 V251 zugute. Die InsO-Regelung folgt MoMiG-Vorgaben,252 die das kapitalersetzende (GmbH-) Gesellschafterdarlehen quasi verallgemeinert haben. 93 Ein gewisses Restrisiko verbleibt in zeitlicher Hinsicht, denn der Begriff der „nachhaltigen Sanierung“ lässt handfeste Eindeutigkeit vermissen.253 Unbestritten dürfte sein, dass das Sanierungsprivileg nicht schon mit Wegfall des Insolvenzgrundes endet.254 Darüber hinaus wird vielerlei vertreten: Maßgeblichkeit des im Sanierungsplan vorgesehenen Zeitraumes,255 Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit des Schuldners für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr (in Anlehnung an § 135 I Nr 2),256 Sicherung der Fortführungsfähigkeit und damit Ausschluss jeglicher Bestandsgefährdung des Unternehmens für das laufende sowie kommende Geschäftsjahr257 oder Einzelfallbetrachtung (Umsetzung wesentli-

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H-F Müller KTS 2012, 419, 449 f; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 58. BT-Drucks 17/5712, S 32 li. Sp. („Anteile … zum Zweck der Sanierung … erworben“); MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 60; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 32; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 45. Es gibt außerdem die Anfechtungssperre als „Begleitabsicherung“: § 135 IV „versus“ § 135 I Nr 1. Leicht zurückhaltender H-F Müller KTS 2012, 419, 450 (mwN) („Hierfür spricht eine tatsächliche Vermutung“); Simon CFL 2010, 448, 459 (Sanierungsverfahren als „massives Indiz“); Gehrlein NZI 2012, 257, 261; Obermüller ZInsO 2011, 1809, 1820. Im Anschluss an BGHZ 90, 381, 391. Gesetz zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (Art 9 Nr 5), BGBl I Nr 48 S 2026 (2037) [in Kraft ab 01.11.2008 (Art 25)] – als Surrogat für §§ 32a/b GmbHG/aF mit BT-Drucks 16/ 6140 S 42 [zu Art 1 Nr 22] und S 56 f [zu Art 9 Nr 5]; vgl auch erg BT-Drucks 17/5712 S 18 re. Sp. [ESUG].

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H-F Müller KTS 2012, 419, 450 („schwer handhabbares Kriterium“); Uhlenbruck/ Hirte InsO14 § 225a Rn 46; Hirte/Knof/ Mock DB 2011, 632, 643; Gehrlein NZI 2012, 257, 261; Obermüller ZInsO 2011, 1809, 1820 Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 47; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 49. Haas/Kolmann/Pauw InsolvenzrechtsHandbuch5, § 92 Rn 443. Wittig FS K Schmidt (2009) S 1743, 1758 f; Schimansky/Bunte/Lwowski/Gehrlein Bankrechts-Handbuch4 § 84 Rn 56; Gehrlein WM 2011, 577, 584 f; Kübler/Prütting/ Bork/Preuß InsO53 § 39 Rn 63; Graf-Schlicker/Neußner InsO4 § 39 Rn 29; KK/Hess InsO § 39 Rn 167; vgl ebenfalls HambK/ Lüdtke InsO6 § 39 Rn 53, welcher dem Begriff der Nachhaltigkeit eine rein temporäre Bedeutung beimisst und demgemäß auf die Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit verzichtet. Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 39 Rn 69, § 225a Rn 47; Hirte/Knof/Mock DB 2011, 632, 643; Hirte/Knof WM 2009, 1961, 1968–1970.

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cher Sanierungsakte, Folgeinsolvenz faktisch ausgeschlossen etc).258 Eine auf Prognosen oder den Einzelfall abstellende Auslegung zeitigt jedoch weitere Unwägbarkeiten und sorgt gerade nicht für Klarheit – Vorschlag: neben die wiedererlangte Kreditwürdigkeit der Gesellschaft sollte eine (Maximal-) Frist treten, welche in Anlehnung an Abs 5 Satz 2 bzw § 268 I Nr 2 InsO auf (sanierungsfreundliche) drei Jahre seit Insolvenzaufhebung angelegt sein könnte.259 3. Nachhaftungssperre Eine DES-Umsetzung scheiterte in der Vergangenheit oft an der für die beteiligten 94 Gläubiger bestehenden Gefahr einer harten Differenzhaftung für überbewertete Sacheinlagen bei Folgeinsolvenz:260 §§ 9 I, 19 IV GmbHG (analog)261 vermitteln dann eigentlich eine verschuldensunabhängige Nachschussverpflichtung – also: zum Forderungs- und Anteilsverlust käme die zusätzliche Nachhaftung. Dies waren schwer abzuschätzende (klassischerweise gemeinhin abschreckende!) Haftungsrisiken (wer wäre nicht später jeweils schlauer …?). Diese Risikolast wurde allerdings durch § 254 IV (Art 1 Nr 41b ESUG), letztendlich § 225a II flankierend, den „Tauschenden“ nun abgenommen; er bringt belastbare Kalkulationssicherheit für das Unternehmensengagement (zeitlich: „nach der gerichtlichen Bestätigung“, personell: „der Schuldner kann … keine Ansprüche … gegen die bisherigen Gläubiger geltend machen“; sachlich: „wegen einer Überbewertung der Forderungen im Plan“, vgl Rn 74). Unter Sanierungsgesichtspunkten stellt der ergänzende gesetzliche Ausschluss dieser 95 sog Differenzhaftung einen bedeutenden Vorteil gegenüber der überkommenen Rechtslage dar. Man wird ihn wohl auf § 171 HGB analog miterstrecken dürfen262. Die Bewertung für die Sacheinlage ist „nur innerhalb des Planverfahrens angreifbar“, allein noch im Planverfahren „haben die Beteiligten die Möglichkeit, auf eine fehlerhafte Bewertung der Sacheinlage hinzuweisen“263 – quasi eine Art Konzentrationsmaxime (Schlagwort: „Aufbäumen oder Schweigen“). Der erforderliche Kapitalschutz wird insolvenzrechtlich bzw systemimmanent schon sichergestellt: wie immer durch das Argusauge konkurrierender Gläubiger (jedoch ausnahmsweise einmal nur beschränkt des Verwalters – vgl § 218 I S 1!)

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 51. Im Ansatz so K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 32 (aber: Minimalfrist) – noch grosszügiger hier (de lege ferenda) MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 60 (fünf Jahre). Überaus plastisch Redeker, BB 2007, 673, 676: „das größte Risiko bei einem DebtEquity-Swap“ – ferner: Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 542 (mit MünchKomm InsO3 § 225a Rn 10, 13); Schmidt/Schlitt Der Konzern 2009, 279, 280, 282, 285; Bauer/Dimmling NZI 2011, 517, 519; Hölzle NZI 2011, 124, 129 (mit HRI2 § 31 Rn 56); Brinkmann WM 2011, 97, 101; Buth/Herrmanns/Knecht/Haghani Restrukturierung4 § 18 Rn 52. Grundlegend BGHZ 68, 191, 195 ff [2d] (aF) bzw BGHZ 80, 129, 140 ff [2c] = NJW

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1981, 1373, 1375 f (nF). Wegen AG siehe zB MünchKomm/Pentz AktG4 § 27 Rn 44 (mwN); Spindler/Stilz/Benz AktG3 § 27 Rn 47 bzw § 27 III AktG für den Fall der verdeckten Sacheinlage. K Schmidt ZGR 2012, 566, 575–577 [II 4b] mit S 581–583 [III 5/6], zust Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 32 aE; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 22a Rn 15; SanRKomm/Seibt/Westpfahl InsO § 225a Rn 40. BT-Drucks 17/5712 S 32 li. Sp. [zu Nr 17 bzw § 225 II] (erstes Zitat) bzw S 36 [zu Nr 38b bzw § 254 IV] (zweites Zitat) – ferner: FK/Jaffé InsO9 § 225a Rn 25, § 254 Rn 20; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 32; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 42.

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und dann auch durch entsprechende gerichtliche Überprüfung (zwar mE kein förmlicher Verfahrensfehler [§§ 231 I Nr 1, 250 Nr 1],264 allenfalls „nur über Bande“ [§ 226], aber uU doch materielle Benachteiligung [§ 245 II Nr 3, 251 I]). Es ist dies praktisch zwar insgesamt kein Freibrief,265 man wird allemal aber einen gewissen „situativen“ Einschätzungsspielraum zugestehen.266 96 Die Literatur267 und auch der Bundesrat268 kritisierten indes die damit einhergehende Verlagerung des Risikos einer tatsächlich unterkapitalisierten Gesellschaft auf die Neugläubiger – der Gesetzgeber hat in der Sachabwägung der (ersten) Sanierungschance die Priorität gegenüber der (späteren) höheren Insolvenzquote gegeben. Das muss man schlichtweg so akzeptieren (aber: Rn 95).269 Übrigens: meist tritt in praxi keine DES-Schmälerung der Kapitalisierung ein, vielmehr wird DES-parallel eine zusätzliche Aktivazuführung vorgenommen (dazu Rn 57, 65); und eine total (grund- bzw stamm-) kapitallose Gesellschaft wäre so oder so indiskutabel (vgl §§ 229 III, 228 I AktG bzw § 58a IV S 1 GmbHG – siehe auch oben bei Rn 65). Das offenkundige bewusste Überbewerten der Forderungen mag freilich Ersatzansprüche auslösen, indes weniger wegen Durchgriffshaftung (Rechtskraftsperre!270) und eher wegen (Schutz-) Pflichtverletzung gegen denjenigen, der gutachtete. § 254 IV teleologisch zu durchlöchern,271 fehlt jeglicher Grund. 4. Kapitalmarktrechtliche Pflichten

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Bestehen können außerdem aktienrechtliche Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten – Beispiele: §§ 33 ff, 48 ff WpHG272 (börsennotierte Aktiengesellschaft – insb § 33 I [Stimmrechte]); § 20 AktG (Aktiengesellschaft: Mitteilung einer ¼-Beteiligung); Art 17 MAR-VO273 (Insiderinfomationen [Art 7] über handelbare Finanzinstrumente [Art 1 I]); § 35 I S 1 WpÜG274 (börsennotierte Aktiengesellschaft: „Kontrollerwerb“ – maßgeblich 264

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AA die hL: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 57; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 32; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 28 mit NZG 2012, 961, 967 [III 5b]; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 21 mit GmbHR 2012, 462, 467 [I 4b aa] – arg Abs 3? (das passt nicht so recht: Rn 43). So sieht es indes uU Römermann NJW 2012, 645, 651 [VII 1]: „Der Vorteil der Flexibilität liegt auf der Hand“. Das konzediere ich HK/Haas InsO9 § 225a Rn 28 mit NZG 2012, 961, 967 [III 5b] („wesentlich“); Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 46 („offensichtlich“); Spliedt GmbHR 2012, 462, 467 [I 4b aa] (Ausklammerung von Geringfügigem) [bezüglich proaktiver Kontrolle iSv Fn 264]. Hölzle NZI 2011, 124, 129 [III 3b]; Brinkmann WM 2011, 97, 101 [V 2]; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 124 [III 1b bb]. BT-Drucks 17/5712, S 58 [zu Nr 18] und Gegenäußerung der Bundesregierung S 70 [zu Nr 18] (Beschluss) – erfolglos! FK/Jaffé InsO9 § 254 Rn 22; HambK/Thies InsO6 § 254 Rn 14 f. Schon damals dafür Meyer/Degener BB 2011, 846, 849 f;

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K Schmidt BB 2011, 1603, 1609; Hirte/ Knof/Mock DB 2011, 632, 642. Keine gesetzwidrige (Rechtskraft-) Durchbrechung gemäß § 826 BGB – so aber Gehrlein NZI 2012, 257, 261 [III 2b]; Kanzler/ Mader GmbHR 2012, 992, 996 f [V 1]. Dies favorisieren etwa K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a InsO Rn 21 und Kleindiek FS Hommelhoff (2012) S 543, 562 [V 3] – „Zur Thüre hinausgeworfen …“. Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG) vom 26.07.1994 idF vom 09.09.1998, BGBl I Nr 62 S 2708 mit Änderungen vom 23.06.2017 (2. FiMaNoG), BGBl I Nr 39 S 1693 (Art 1) [in Kraft ab 25.06.2017 (Art 26 I)]. VO (EU) Nr 596/2014 über Marktmissbrauch (sog Marktmissbrauchsverordnung – MAR-VO) vom 16.04.2014, ABl Nr L 173 S 1 [in Geltung ab 02.07.2014 bzw 13.07.2016 (Art 39 II)] – früher: § 15 WpHG. Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) vom 20.12.2001, BGBl I Nr 72 S 3822.

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Rechte der Anteilsinhaber

§ 225a

ist die Schwelle des § 29 II WpÜG). Tritt dazu hier noch die Pflicht, ein Angebot zur Aktienübernahme an die übrigen Aktionäre zu richten (§ 35 II S 1WpÜG)? Der DES verkörpert indes mE einen Sonderfall. Die grundsätzliche Nachrangigkeit des Eigenkapitals (§§ 39 I Nr 5, 199 S 2) sowie die abschließende275 Regelung des Minderheitenschutzes (§§ 251, 253) sprechen für eine Verdrängung der genannten Bestimmungen durch die Planregeln (str276). Mangels klarstellender gesetzlicher Bestimmung sollte, sofern der DES nicht ohnehin von einer Kapitalherabsetzung auf Null und dem damit einhergehenden Verlust der Börsenzulassung begleitet wurde277 (dazu Rn 64 Fn 159), vorsorglich gleichwohl ein Antrag auf Befreiung von der Angebotspflicht nach § 37 II WpÜG iVm § 9 S 1 Nr 3 WpÜG-AngebotsVO („kann“) gestellt werden.278 5. Steuerliche Aspekte Der Gesetzgeber erleichterte mit dem ESUG die Durchführung eines Debt Equity Swap 98 mit Blick auf entgegenstehende Blockademöglichkeiten (dazu Rn 7 f, 14 f) dogmatisch zwar nachhaltig, versäumte es aber leider praktisch, die maßgeblichen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen hinreichend darauf anzupassen.279 Insbesondere angesichts der engen Verknüpfung der Attraktivität eines Debt Equity Swap mit dem Erhalt rechtsträgergebundener Rechtspositionen (dazu Rn 6) wäre eine Klarstellung hinsichtlich der Nutzbarkeit steuerlicher Verlustvorträge nach Planbestätigung wünschenswert gewesen. Derzeit ist diese Frage ungeklärt: Während § 8c I KStG bestimmt, dass mit einem Anteilseignerwechsel auch ein Untergang der Verlustvorträge einhergeht, sieht § 8c Ia KStG hiervon eine Ausnahme für den Fall einer Beteiligung zu Sanierungszwecken vor. Die Europäische Kommission erblickt hierin jedoch eine unzulässige Beihilfe,280 weshalb die Finanzverwaltung die Anwendung der Bestimmung und damit die sanierungsrechtliche Privilegierung bis zur endgültigen Klärung der Frage suspendiert hat;281 der EuGH hat aber gegenteilig nun entschieden.281a Antithetisch wirkt nun ein Urteil des BVerfG, welches den § 8c I S 1 KStG jüngst mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit (Verstoß gegen Art 3 I GG) versehen282

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OLG Frankfurt/Main NZI 2013, 978, 979 {15–19}; ZIP 2013, 2022, 2023 [= ZInsO 2013, 2162, 2164]. Ebenso Hölzle HRI2 § 31 Rn 55; HambK/ Thies InsO6 § 225 Rn 45; HK/Haas InsO9 § 225a Rn 33 – anders MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 61 bzw Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 552 f; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 59. Alsdann fehlt die Anwendbarkeit so oder so (§ 1 I WpÜG), vgl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 62; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 225a Rn 61; HK/ Haas InsO9 § 225a Rn 33; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 225a Rn 17. HambK/Thies InsO6 § 225 Rn 45; Wieneke/ Hoffmann, ZIP 2013, 697, 702 ff; zurückhaltender insoweit Bauer/Dimmling NZI 2011, 517, 519. Vgl Hölzle HRI2 § 31 Rn 107 mit § 57 Rn 1 ff; Crezelius NZI 2012, 267, 268 („bemerkenswert“).

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Europäische Kommission, B. v. 26.01.2011, C7/2010 (ex CP 250/2009 und NN 5/2010), K(2011) 275 endg corr; dazu Hackemann/ Momen BB 2011, 2135. 281 BMF-Schreiben vom 30.04.2010, Az. IV C 2 S 2745 – a/08/10005/002, BStBl I 2010, S 488; vgl zudem Gosch/Roser KStG3 § 8c Rn 29b, 185 (mwN); Blümich/Brandis KStG139 § 8c Rn 5; Burwitz NZG 2017, 133, 135; H-F Müller KTS 2012, 419, 451. Vgl zum später hinzugetretenen § 8d KStG v. Wilcken, NZI 2016, 996 sowie Kußmaul/ Palm/Licht GmbHR 2017, 1009. 281a EuGH DZWIR 2018, 424, 428–430 {82 ff} – Heitkamp. 282 BVerfG DStR 2017, 1094 = NZG 2017, 828 m Anm Hasbach; vgl dazu Crezelius NZI 2017, 602, 602 f und NZI 2017, 923, 924 f; Blumenberg/Crezelius DB 2017, 1405, 1405 ff.

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§ 226

Sechster Teil. Insolvenzplan

und der Sanierungsregel des § 8c Ia KStG damit (partiell) Grundlage aber auch Notwendigkeit entzogen hat. Vereinfacht hat dies die steuerrechtliche Bewertung der vorliegenden Problematik damit nicht, insbesondere angesichts der dem Gesetzgeber bis zum 31.12.2018 eingeräumten Möglichkeit der (auch rückwirkenden!) Nachbesserung. 99 Der Durchführung eines Debt Equity Swap kann auch der Anfall steuerlicher Verbindlichkeiten entgegenwirken (Näheres siehe Vor §§ 217 ff Rn 199 ff, insb Rn 202–204) – und am Ende so die praktischen Sanierungsbemühungen torpedieren. Insoweit ist zu unterscheiden: Die dem Debt Equity Swap regelmäßig vorausgehende Kapitalherabsetzung (dazu Rn 57 mit 64) führt zu einem nicht besteuerten bilanziellen Ertrag.283 Die sich daran anschließende Kapitalerhöhung stellt allemal freilich – abseits der steuerneutralen Einlage einer (in Eigenkapital umgewandelten) vollwertigen Forderung (dazu Rn 67 mit 74 f) – hinsichtlich des den tatsächlichen Forderungswert übersteigenden (Nominal-) Betrags einen steuerbaren (Sanierungs-) Gewinn dar.284 Den insoweit maßgeblichen, jüngst jedoch vom BFH für rechtswidrig erklärten BMF-Sanierungserlass285 lösen – aber bloß für Neufälle! – künftighin die §§ 3a I S 1, 3c IV EStG sowie § 7b I GewStG ab. Sie sollen Sanierungsgewinne – vorbehaltlich der Zustimmung seitens der Europäischen Kommission (vgl Art 6 II) – ausdrücklich steuerfrei stellen.286

§ 226 Gleichbehandlung der Beteiligten (1) Innerhalb jeder Gruppe sind allen Beteiligten gleiche Rechte anzubieten. (2) 1Eine unterschiedliche Behandlung der Beteiligten einer Gruppe ist nur mit Zustimmung aller betroffenen Beteiligten zulässig. 2In diesem Fall ist dem Insolvenzplan die zustimmende Erklärung eines jeden betroffenen Beteiligten beizufügen. (3) Jedes Abkommen des Insolvenzverwalters, des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Beteiligten, durch das diesen für ihr Verhalten bei Abstimmungen oder sonst im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren ein nicht im Plan vorgesehener Vorteil gewährt wird, ist nichtig.

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BFH DStR 2005, 1807, 1808; GmbHR 1993, 380; Hölzle HRI2 § 31 Rn 105. Hölzle HRI2 § 31 Rn 105; Crezelius NZI 2017, 923 und NZI 2012, 267, 268; H-F Müller KTS 2012, 419, 450; Bauer/ Dimmling NZI 2011, 517, 519; Meyer/Degener BB 2011, 846, 850 – anders noch § 3 Nr 66 EStG aF (bis 1998). BMF-Schreiben vom 27.03.2003 – IV A 6 – S 2140 – 8/03, BStBl I S 240 = ZIP 2003, 690 [insb Rn 8] – für rechtswidrig erklärt durch BFHE 255, 482, 497 {88 ff} und 512 {147 und 149} = BStBl II 2017 S 393 = DZWIR 2007, 174 = ZIP 2017, 338 = NZI 2017,

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163, dazu BMF-Schreiben vom 27.04.2017, BStBl I S 741 sowie Schmid/Rolle DZWiR 2017, 162 – hiergegen dann jüngstens BFH ZIP 2017, 2158, 2159–2161 {18 ff} und ZIP 2017, 2161, 2162 {19}; vgl überblicksartig auch Crezelius NZI 2017, 923, 923. Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassung vom 27.06.2017, BGBl I Nr 43 S 2074 [noch nicht in Kraft]. Vgl hierzu Kußmaul/Licht DB 2017, 1797 ff; Sonnleitner in: Sonnleitner, InsolvenzsteuerR (2017), Kap 9 C V Rn 20–45.

Joachim Münch

Gleichbehandlung der Beteiligten

§ 226

Materialien: EB LS 2.2.9 (Begr S 173 f); DiskE § 259 (Text: S 132, Begr AT S 63, BT S 235); RefE § 259 (Text: S 150, Begr: AT S 73, BT S 269 f); RegE § 269 (BT-Drucks 12/2443 S 51/52, 92/93, 201 f [RV]; BT-Drucks 12/7302 S 99 [RA]) – Stammfassung. Vorgängerregelungen: KO PR § 186 Nr 3 (Mot S 107); GemSchO § 175 (Mot II S 148 f); KO/aF § 168 (Mot S 407 = Hahn IV S 362) bzw KO/nF § 181; GA-VO/nF § 34 (JMBl PR 1917 S 13, 24), VglO/aF § 5 (RT-Drucks III/2340 S 17 f [RV], RT-Drucks III/3430 S 7, 29 [RA], RJA § 8 (Begr S 56), VglO/nF § 8. Literatur J Bauer Ungleichbehandlung der Gläubiger im geltenden Insolvenzrecht, DZWIR 2007, 188; Bilgery Der schlanke Insolvenzplan, DZWIR 2001, 316, 317 f; Berges Zur Tragweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Vergleichsverfahren, KTS 1964, 129; Braun Aufrechnung mit im Insolvenzplan erlassenen Forderungen, NZI 2009, 409; Bley Die Verrechnung von Giroguthaben des zahlungsunfähig gewordenen Kunden durch die Bank als nichtige Sonderbegünstigung, KuT 1935, 177; GassertSchumacher Privilegien in der Insolvenz (2002); Gleichenstein Par condicio creditorum: Subsidiäre Verteilungsregel oder abstrakte Ausprägung des verfassungsrechtlichen allgemeinen Gleichheitssatzes?, NZI 2015, 49; Jaeger Aus der Praxis des Konkurs- und Vergleichsverfahrens – Die Nichtigkeit der Sonderbegünstigung beim Zwangsvergleich, KuT 1935, 81; Kaltmeyer Der Insolvenzplan als Sanierungsmittel des Schuldners, ZInsO 1999, 255; Knospe Scharfes Schwert oder harmlose Gerechtigkeitsregel? – Die insolvenzrechtliche Monstranz der Gläubigergleichbehandlung, ZInsO 2014, 861; Madaus Schutzschirme für streitende Gesellschafter? Die Lehren aus dem Suhrkamp-Verfahren für die Auslegung des neuen Insolvenzrechts, ZIP 2014, 500; Obermüller Abkaufsverpflichtungen und Verpflichtungen zu künftiger Sicherheitsleistung bei Insolvenz des Verpflichteten, DB 1976, 901; Paulus § 1 InsO und sein Insolvenzmodell, NZI 2015, 1001; Prütting Allgemeine Verfahrensgrundsätze der Insolvenzordnung, Kölner Schrift InsO3 S 1; Skauradzun/Spahlinger/Tresselt Insolvenzpläne auf dem Prüfstand, DZWIR 2015, 539; Smid Gleichbehandlung der Gläubiger und Wiederherstellung eines funktionsfähigen Insolvenzrechts als Aufgaben der Insolvenzrechtsreform, BB 1992, 501; Smid Zur insolvenzverfahrensrechtlichen Beurteilung des Rücktritts eines Darlehensgläubigers vom Rang als Massegläubiger, ZInsO 2017, 1121, 1131 f; Smid Salvatorische Klauseln als Instrument zur Abwehr von Widersprüchen gegen den Insolvenzplan, ZInsO 1998, 347.

Übersicht I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Normgenese . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgängerregelungen . . . . . . . . . 2. Entwicklungsgang . . . . . . . . . . III. Besondere Gleichbehandlung (Abs 1) . 1. Grundproblematik . . . . . . . . . . 2. Gesetzeswortlaut . . . . . . . . . . . 3. Sondervorschrift . . . . . . . . . . . IV. Statthafte Differenzierungen (Abs 2) . . 1. Materielle Zustimmung (Abs 2 Satz 1) 2. Förmliche Nachweisung (Abs 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1 5 6 10 12 12 16 19 20 20

V. Verbotene Sonderabkommen (Abs 3) 1. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestand . . . . . . . . . . . . a) Subjektive Komponente: die Beteiligen (Hs 1) . . . . . . b) Objektive Komponente: die Handlungen (Hs 2) . . . . c) Zeitliche Komponente: die Bezugspunkte . . . . . . . 3. Beispielsfälle . . . . . . . . . . . .

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I. Normzweck Als Kehrseite des einzelzwangsvollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzips (prior tem- 1 pore, potior iure – in Anlehnung an Cod. 8,17,3 [Antonius]) sucht der entgegengesetzte Gleichbehandlungsgrundsatz des Insolvenzrechts (par conditio creditorum – in Anlehnung an Dig. 42,8,6,7 aE [Ulpian]), die gemeinschaftliche und gleichmäßige Gläubigerbefriedigung aus dem wirtschaftlich unzureichenden Schuldnervermögen sicherzustellen. Seine Joachim Münch

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§ 226

Sechster Teil. Insolvenzplan

normative Verortung folgt insoweit unterschiedlichen Ansätzen. Er lässt sich nach einer inhaltlich zustimmungswürdigen Auffassung auch als eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 I GG) begreifen;1 einfachgesetzlich findet überdies die Argumentation mit der Zielsetzung des § 1 S 1 Hs 1 („gemeinschaftlich zu befriedigen“) hierfür beträchtlichen Anklang,2 mag auch die begriffliche Deutlichkeit alten Rechts (§ 60 I KO: „verhältnismäßige Befriedigung“ bzw § 181 S 1 KO und § 8 I VglO: „gleiche Rechte gewähren“) leider mangeln. § 226 I überträgt diesen regulären Gleichbehandlungsgrundsatz auf die planmäßige Insolvenzabwicklung („positive Funktion“), relativiert jedoch zugleich dessen rechtlichen Geltungsbereich („negative Funktion“)3 – anders gesagt: die eigentliche Bedeutung liegt in einer dezidierten Gestattung von gewisser Ungleichbehandlung innerhalb eines konkreten Insolvenzplanverfahrens. 2 Hierin zeigt sich die Korrelation des Gleichbehandlungsgebots mit dem Mehrheitsprinzip und dessen Legitimationsfunktion.4 Nur wenn die stimmberechtigten Personen im Hinblick auf das Abstimmungsziel gleichbehandelt werden, erscheint es gerechtfertigt, die unterliegende Minderheit der obsiegenden Mehrheit zu unterwerfen; zu §§ 233 ff GemSchO wurde deshalb – konsequenterweise – genau konträr argumentiert: insoweit ein Einstimmigkeitsgebot herrscht (§§ 243/2445), ist ungleiche Behandlung Einzelner eine legitime Alternative.6 Da gem §§ 243/244 allein in den Gruppen über den Plan abgestimmt wird, bedarf es einer bloß gruppeninternen Gleichbehandlung der Beteiligten. Das legitimiert den Planeingriff.7 3 Sachgerechte Gruppenbildung (§ 222) und gruppeninterne Gläubigergleichbehandlung (§ 226) bedingen einander wechselseitig: einerseits macht die bloß gruppeninterne 1

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Gleichenstein NZI 2015, 49, 52; FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 226 Rn 1; HambK/ Thies InsO6 § 226 Rn 1; Smid BB 1992, 501, 503; Adam DZWIR 2009, 441, 442; Becker InsR3 Rn 215; vgl auch erg noch Baur/Stürner InsR12 Rn 5.37 und 6.2 bzw MünchKomm/Stürner InsO3 Einl. Rn 77; Leonardt/ Smid/Zeuner/Smid/Leonardt InsO3 § 1 Rn 34; Gassert-Schumacher Privilegien in der Insolvenz (2002), S 326. Kritisch dagegen Knospe ZInsO 2014, 861, 862 f, welcher dem insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einen anderen Adressatenkreis als Art 3 I GG beimisst; J. Bauer DZWIR 2007, 188, 189 bemerkt, dass Art 3 GG bereits zur Begründung der KO-Vorrechte herangezogen worden sei und also nicht die Regel legitimieren könne. Im Grunde steckt allerdings die Abgrenzung von wesentlich Gleichem und wesentlich Ungleichem dahinter – es fehlt am inneren Widerspruch! HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 1; Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 226 Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 226 Rn 1; Braun/Braun/Frank InsO7 § 226 Rn 1; MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 1. Zutreffend wird dagegen aber einge-

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wandt, dass gemeinschaftliche Befriedigung (§ 1 S 1 Hs 1) nicht zwingend Gläubigergleichbehandlung bedeute: § 1 Rn 6 und § 38 Rn 3 [Henckel] – ferner: Knospe ZInsO 2014, 861, HK/Sternal InsO8 § 1 Rn 4; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ahrens InsO3 § 1 Rn 30; Paulus NZI 2015, 1001, 1005; vgl auch erg noch K Schmidt/K Schmidt InsO19 § 1 Rn 5 und Prütting Kölner Schrift InsO3 S 1, 19 f [Rn 61]. HK/Haas InsO9 § 226 Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 226 Rn 1. BT-Drucks 12/2443 S 92 re. Sp. [RV], vgl auch erg BGHZ 116, 319, 322/323 [II 1a aa], 41, 98, 101 [b]. Kontrastierend zum Zwangsvergleich (§§ 166 ff GemSchO): § 175 einerseits (Gleichbehandlung, vgl Rn 6), § 177 andererseits (Mehrheitsentscheid). – Beim „Abwendungs-Vergleich“ des GemSchOEntwurfs mangelt das Pendant für § 175! Mot II S 226 f, insb S 226/227. Stellvertretend Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 1 bzw Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 3. Nur dann lässt sich sagen, die Mehrheit vertrete die Gesamtheit (Jaeger Konkursrecht 19328 § 31 Fn 2 [S 191/192]).

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Gleichbehandlung der Beteiligten

§ 226

Gleichbehandlung eine differenzierte Zuordnung notwendig (dazu Rn 4 iVm § 222 Rn 9 f und 49), wenn und weil für artgleiche Berechtigungen unterschiedliche Regelungen getroffen werden sollen;8 andererseits wird eine möglichst adaptive Plangestaltung erst mittels § 226 I möglich9 (dazu Rn 4 iVm § 222 Rn 9 f und 47), zumal erst damit eine wirklich interessenorientierte Planausgestaltung erfolgen kann. Das ist ein bedeutender Fortschritt des neuen Rechtes (Einzelheiten: Rn 5–11). Die Materialien offenbaren zwar dezidiert, dass im Planverfahren nicht an der par con- 4 ditio creditorum in ihrer herkömmlichen Form festgehalten werden sollte, kaschieren dies einleitend aber fürsorglich: „Bei der Masseverwertung durch einen Plan hat der Gleichbehandlungsgrundsatz eine andere Bedeutung als bei der konkursmäßigen Zwangsverwertung des Schuldnervermögens.“10 Wenn man dazu bedenkt, dass jene Passage die Novität „Gruppenbildung“ erklärt, zeigt dies die Brisanz, mag auch der Anschluss anderes vormachen (Notwendigkeit zukunftsorientierter Betrachtung). Für eine restriktive Handhabe der planspezifischen Gestaltungsmöglichkeiten zwecks Wahrung einer umfassenden Gläubigergleichbehandlung besteht daher kein Bedürfnis.11 Vielmehr folgt erst aus der bloß gruppeninternen Gleichbehandlung die Möglichkeit, die wirtschaftliche Effektivität des Verfahrens zu steigern.12 Die unmittelbare Motivierung des § 269 RegE [§ 226 InsO] ist etwas weniger leutselig, bezieht sich aber genauso auf § 265 RegE [§ 222 InsO]: „In diesen Grenzen [!!] wird der Gleichbehandlungsgrundsatz des geltenden Vergleichsrechts übernommen“.13 Das sagt alles und nichts. Die Beschränkung wird verschleiert, an dieser Stelle mindestens (vgl noch erg Rn 11), eigentlich ist das Umgekehrte doch intendiert: die grundsätzliche Gestaltungsmacht für insolvenzplanmäßige Differenzierung.

II. Normgenese Der Regelungsinhalt ist abstrakt betrachtet (gesetzes-) historisch geläufig. Die drei- 5 schrittige Regelungsfolge, wie sie die einzelnen Absätze besonders betonen, entspricht weitgehend altrechtlichen Vorbildern. Es geht schon seit jeher hier um grundsätzliche Gleichbehandlung (Abs 1 als Normalfall: Rn 6 mit Rn 12–19), ausnahmsweise zulässige Differenzierung der Positionen einzelner Beteiligter (Abs 2 als Sonderfall: Rn 7 f mit Rn 20– 25) und ausdrückliche zivilrechtliche Sanktionierung bei Missachtung der Spielregeln (Abs 3: Rn 8 mit Rn 26–40). Revolutionär ist aber das Überwechseln von der Gläubigergesamtheit auf die Gruppenfokussierung (siehe dazu bei Rn 1 und 12), was den Anwendungsbereich stark zusammenschrumpfen lässt.

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LG Frankfurt/Main NZI 2008, 110, 111; Braun/Braun/Frank InsO7 § 222 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO63 § 222 Rn 2 und 26; HK/Haas InsO9 § 222 Rn 5; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 222 Rn 2; Madaus ZIP 2014, 500, 507. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 5. BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp. – zuvor wortgleich schon Begr DiskE AT S 63 und Begr RefE AT S 73; viel zurückhaltender noch EB zu LS 2.2.9 (Begr S 173), siehe dazu unten Rn 10.

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So auch ua HK/Haas InsO9 § 222 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 5. Deshalb der Vorsatz bei BT-Drucks 12/2443 S 93 li. Sp.: „Dem Ziel wirtschaftlich optimaler Masseverwertung entspricht größtmögliche Flexibilität bei der Differenzierung der Planwirkungen.“ Entsprechend Kaltmeyer ZInsO 1999, 262. BT-Drucks 12/2443 S 201/202 (Zitat S 201 aE mit Hervorh vom Verf] – zuvor ebenso „vielsagend“ bereits parallel Begr DiskE BT S 235 und Begr RefE BT S 269.

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§ 226

Sechster Teil. Insolvenzplan

1. Vorgängerregelungen

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Mangels Gruppenbildung und gruppenindividueller Abstimmung gingen die Vergleichsregelungen der InsO-Vorgänger prinzipiell von einer umfassenden Gläubigergleichbehandlung aus (§ 175 S 1 GemSchO, § 181 I S 1 KO; § 16 III S 2 Hs 2 GesO bzw § 8 I VglO14 [„allen“]). Hintergrund dieses – im Grundsatz15 vollumfänglichen – Gleichbehandlungsgebots war die ubiquitäre Ausgestaltung des Vergleichs als Mehrheitsbeschluss (§ 182 I KO, § 16 IV S 3 und 4 GesO; § 74 VglO: einfache Kopfmehrheit [½] mit erhöhter Summenmehrheit [¾]). Um die Bindungswirkung des Mehrheitsvotums auf eine tragfähige Grundlage zu stellen, bedurfte es einer Gleichgewichtung der vergleichsbezogenen Interessen.16 Bei objektiver Betrachtung waren den Gläubigern damit gleiche Werte (wirtschaftliche Betrachtung), nicht notwendigerweise aber inhaltsgleiche Rechte (rechtsförmliche Betrachtung), insoweit zu gewähren.17 Beispielsweise läßt sich eine höhere Sicherung durch längere Zahlungsfristen wirtschaftlich kompensieren,18 eine Barabfindung statt einer Konsortialbeteiligung kann gleichwertig sein,19 möglich ist genauso die Kapitalisierung von Anwartschaften.20 7 Nur mit expliziter Zustimmung Betroffener (sog „zurückgesetzter Gläubiger“) konnte innerhalb eines konkursbeendenden Zwangsvergleichs (§ 181 S 2 KO) oder konkursabwendenden „Privatvergleichs“ (§ 8 II VglO) eine inhaltliche Ungleichbehandlung stattfinden; § 16 III S 2 Hs 2 GesO sah einen entsprechenden Ausnahmetatbestand nicht vor.21 Untereinander unterschieden sich die beiden Regime vor allem in ihren Mehrheitserfordernissen. § 8 II VglO forderte eine einfache Kopfmehrheit [½] mit erhöhter Summenmehrheit [¾] der zurückgesetzten anwesenden Gläubiger (mithin demgemäß „gruppenbezogen“ dasselbe Quorum wie für die Gesamtannahme: § 74 VglO); nach § 181 S 2 KO mussten alle zustimmen (Einstimmigkeitserfordernis) – und zwar unabhängig davon, ob sie ihre Forderung angemeldet hatten oder überhaupt bekannt waren.22 Hieraus folgte jedoch ein

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Inhaltsgleich § 5 I VglO/aF und § 8 I RJA („allen von ihm betroffenen Gläubigern“); leicht anders vorher § 34 I S 1 GA-VO/nF („allen beteiligten Gläubigern“). Privilegien aber vorbehalten (§ 61 KO bzw § 17 III GesO), die „rangordnend“ Gleichstellung relativierten: FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 226 Rn 1; MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 6; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 226 Rn 1. Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 1; Hess/Binz/ Wienberg GesO4 § 16 Rn 42; Kilger/ K Schmidt InsG17 § 8 VglO Anm 1. Kurz, knapp, bündig PR-Mot S 107: „im Interesse der dissentirenden und der nicht zugezogenen Gläubiger [war] als unerläßliche Bedingung aufzustellen, daß der Akkord allen Gläubigern gleiche Rechte (also zB einen gleichen Prozentsatz) gewähren muß.“ RGZ 136, 288, 292 f, insb S 292/293 (keine „Anforderung starrer Gleichmäßigkeit“) – zust: Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 2; Kilger/ K Schmidt InsG17 § 181 KO Anm 1 und § 8 VglO Anm 1; Bley/Mohrbutter VglO4 § 8

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Rn 18 und 22; Hess/Binz/Wienberg GesO4 § 16 Rn 42a f; Haarmeyer/Wutzke/Förster GesO4 § 16 Rn 17. RG, U. v. 19.06.1916 – IV 141/16 mit RGZ 136, 288, 292 („Allein darin, daß ein Gläubiger nicht dasselbe erhält wie alle anderen, liegt nicht schlechthin ein Vorzug oder ein besonderer Vorteil.“) – zust: Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 2; Kilger/K Schmidt InsG17 § 181 KO Anm 1 und § 8 VglO Anm 1; Bley/ Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 18. Offenlassend im Revisionszug RGZ 136, 288, 292 f. BGH NJW 1992, 2091, 2092 [II 2c] {23}. Haarmeyer/Wutzke/Förster GesO4 § 16 Rn 18; Hess/Binz/Wienberg GesO4 § 16 Rn 44 – trotzdem dafür freilich Kilger/ K Schmidt InsG17 § 16 GesO Anm 2b und MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 222 Rn 13. Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 5; Kilger/ K Schmidt InsG17 § 181 KO Anm 2 und § 8 VglO Anm 2a und b; Bley/Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 20; Häsemeyer InsR4 Rn 28.23.

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Gleichbehandlung der Beteiligten

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nicht unbeachtliches Risiko für die Masse und – nolens volens – das Zustandekommen des Vergleichs. Nicht zuletzt die Begünstigung von Kleingläubigern ließ sich gemäß § 8 II VglO im Vergleich zu § 181 S 2 KO signifikant einfacher realisieren: Mehrheitszwang anstelle der Pflicht zur vollen Gleichbehandlung, um eine Zurücksetzung nicht an einer fehlenden Einwilligung der unbekannten Gläubiger scheitern zu lassen.23 § 8 II VglO ist Vorläufer behutsamer Lockerung des klassischerweise so hochgehalte- 8 nen Gleichbehandlungsprinzips (dazu Rn 1). Ihren Ursprung nimmt aber die Regelung bei § 34 I S 1 GV-VO/nF: Gleichbehandlungsgebot (S 1) mit Möglichkeit konsensualer Durchbrechung (S 2) wurden beide flankiert durch eine Mehrheitsentscheidung (genau dieses Quorums), die freilich ergänzender gerichtlicher Bestätigung bedurfte („Das Gericht kann jedoch eine ungleiche Bestimmung der Rechte zulassen, wenn …“) – und zwar genau mit dem Zweck, eben das praktische „Kleingläubigerdilemma“ aufzulösen.24 Das Modell gezielter gerichtlicher Kontrolle, „daß die mit der Bevorzugung erstrebten Zwecke einwandfrei sind“,25 hat es in die VglO letzten Endes nur nicht alsdann hinübergeschafft;26 der Mehrheitszwang dagegen wurde nicht gezielt angezweifelt, sondern schlichtweg vorausgesetzt. Das wundert angesichts des Gegenparts (§ 181 S 2 KO). Offenbar ist versäumt, grundsätzlich zu differenzieren zwischen der Möglichkeit zur globalen Mehrheitsentscheidung (bezüglich gleichen Inhalts27) und Mehrheitsentscheid als Voraussetzung für Schlechterstellung. In § 34 I S 3 GV-VO/nF kann man aber die Gruppenbildung (§ 222) mit Gerichtsprüfung (§§ 231 I Nr 1, 250) schon schemenhaft etwas vorgezeichnet sehen. Ähnlich des nunmehr geltenden § 226 III (dazu Rn 26–40) konstatierten § 181 S 3 KO 9 und § 8 III VglO zudem ein Verbot von Sonderabkommen zwischen dem Schuldner oder anderen Personen und einzelnen Gläubigern;28 trotz Fehlen einer direkten gesetzlichen Regelung sollten Sonderabkommen allerdings auch nach der GesO unzulässig und nichtig sein.29 Während die Begünstigung nach § 8 III VglO nur objektiv feststehen musste („Abkommen …, durch welches diese bevorzugt werden“),30 kam es gem § 181 S 3 KO auch auf den Willen der Beteiligten zur Bevorzugung an („Abkommen …, durch welches diese bevorzugt werden sollen“).31 Übereinstimmend ließen beide Regelungen jedoch nicht den gesamten Vergleich, sondern nur das Sonderabkommen als solches unwirksam werden32 – so wie es das „Urmodell“ einiges strikter besagte (§ 173 S 3 GemSchO: „Jeder anderweitige Nebenvergleich mit einzelnen Gläubigern ist nichtig.“), aber nicht meinte (arg § 180 Nr 2 [Verwerfung] bzw § 186 [Anfechtung]). Vor allem mit Blick auf Forderungskäufe zur

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Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 5; Kilger/ K Schmidt InsG17 § 181 KO Anm 2; Bley/ Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 20. JMBl PR 1916 S 13, 24 („Aus diesen Erfahrungen des praktischen Lebens heraus …“). JMBl PR 1916 S 13, 24 („Mit Rücksicht auf die erhebliche Gefahr … [des Mißbrauchs]“). Anders vorab noch § 3 II Nr 2 RV VglO/aF – in erster Lesung gestrichen: RT-Drucks III/3430 S 7 [RA] (Antrag Kempke): „die Zustimmung des Gerichts [sei] überflüssig“. Insoweit laufen KO und VglO ganz im Gleichschritt. Ihrem Rechtsgedanken folgt zudem § 294 II, vgl BT-Drucks 12/2443 S 191 re. Sp.

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Haarmeyer/Wutzke/Förster GesO4 § 16 Rn 18; Hess/Binz/Wienberg GesO4 § 16 Rn 45. Bley/Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 33 und 38. Anders noch zuerst § 34 II GA-VO/nF; die Begründung für § 3 II Nr 2 RV VglO/aF (RTDrucks III/2340 S 17) übergeht die Änderung. Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 7; Kilger/ K Schmidt InsG17 § 181 KO Anm 3. Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 12; Kilger/ K Schmidt InsG17 § 181 KO Anm 4; Bley/ Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 41; Kilger/ K Schmidt InsG17 § 8 VglO Anm 5.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Absicherung der angestrebten Vergleichsannahme erheischte letzthin § 181 S 3 KO praktische Relevanz.33 2. Entwicklungsgang

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Unter Bezugnahme auf § 8 VglO plädierte die Insolvenzrechtskommission dafür, den Gleichbehandlungsgrundsatz innerhalb des avisierten Reorganisationsverfahrens zu flexibilisieren (EB LS 2.2.9): extragruppale Differenzierung einerseits (S 1), intragruppale Gleichstellung andererseits (S 2 Hs 1), um größeren Spielraum für einzelfallabhängige Plangestaltungen zu erhalten. Nur in Abhängigkeit von der Zustimmung der zurückgesetzten Gläubiger hielt die Kommission eine Ungleichbehandlung für zulässig (S 2 Hs 2). Hiermit wandte sich die Kommission also von § 8 II VglO ab oder blieb besser gesagt beim „Konkursmodell“ (§ 181 S 2 KO – Einstimmigkeit). Eine weitere „Zurücksetzungsabstimmung“ entfiel.34 Die Begründung sieht zweifellos das Blockadepotential gruppeninterner Planabweichler, nimmt dieses Risiko indes völlig bewusst am Ende in Kauf – um sybillinisch unscheinbar hinzufügen: „wenn nicht durch eine andere Gestaltung des Plans [noch nicht wohl durch Gruppenbildung – arg EB LS 2.2.16 I] ein Ausgleich geschaffen werden kann.“35 Die Kleingläubigerproblematik blieb hingegen ausgeblendet,36 auch war eine Nichtigkeitsregel nicht eigens angedacht. 11 Der Regierungsentwurf (§ 269 RegE – im Wortlaut übereinstimmend § 259 DiskE/ RefE) hat die einleitende negative Aussage (EB LS 2.2.9 S 1) weggelassen und sich auf jene positive Aussage (EB LS 2.2.9 S 2) fixiert: die Möglichkeit der Ungleichgleichbehandlung einzelner Abstimmungsgruppen wird nicht mehr textseitig mit aufgeführt (dazu Rn 1 aE). Die neue Überschrift zeigt dieses „Rundschleifen“ noch viel einprägsamer: aus „Ausnahmen vom Grundsatz …“ (EB LS 2.2.9) wird nun eben die „Gleichbehandlung …“ als Grundsatz. Dass das nur noch gruppenintern gilt, bleibt schlicht ausgeblendet. So folgt die Regel scheinbar bewährten Vorbildern: Gläubigergleichbehandlung (Abs 1: Rn 12)37 – Zustimmungspflicht bei Ungleichstellung (Abs 2 S 1: Rn 20) – Verbotsvorschrift gegen Sonderabkommen (Abs 3: Rn 26). Neu war nur die Verpflichtung, dem Insolvenzplan in Anlehnung an § 230 die Zustimmungserklärungen der von der „Verböserung“ Betroffenen beizufügen (Abs 2 S 2).38 Die Regel blieb nicht nur im weiteren Gesetzgebungsverfahren, sondern auch nach ihrem Inkrafttreten unverändert. Insbesondere bedurfte es keiner ESUG-Anpassung; für die Einbeziehung der am Schuldner beteiligten Personen erwies sich sein Wortlaut als vornherein hinreichend weit gefasst („Beteiligte“).39

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Immer noch recht lesenswert RGZ 30, 22, 23 f; vgl auch erg Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 11; Kilger/K Schmidt InsG17 § 181 KO Anm 3. EB-Begr S 173: „Eine solche ‚doppelte‘ Abstimmung würde das Verfahren erschweren.“ EB-Begr S 173/174. EB-Begr S 174: „läßt die … Möglichkeit offen …; allerdings müssen … alle … zustimmen.“ BT-Drucks 12/2443 S 201/202, aber zB auch MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 6.

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Kommissionsfassung („müssen den Gläubigern die gleichen Rechte gewährt werden“) und Ministerialfassung („sind allen Beteiligten gleiche Rechte anzubieten“) unterscheiden sich doch offensichtlich im Ansprechpartner und in der Beurteilungszeit (ex post/ex ante). Beide zielen indes allein auf Rechte, dh die Perspektive ist regelungs-, nicht wirkungsbezogen, vgl Rn 12. BT-Drucks 12/2443 S 202 li. Sp.: „Im Interesse der Rechtsklarheit wird jedoch verlangt, …“. Vgl HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 1.

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Gleichbehandlung der Beteiligten

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III. Besondere Gleichbehandlung (Abs 1) 1. Grundproblematik Mit Abs 1 modifiziert das Gesetz den allgemeinen insolvenzrechtlichen Gleichheits- 12 grundsatz (par conditio creditorum, vgl Rn 1 und 4) rücksichtlich des Planverfahrens40 (dazu Rn 1). Jenes geschieht nicht „rechtsfolgeseitig“ (Hs 2: „gleiche Rechte anzubieten“), sondern durch die unmittelbare „tatbestandsmäßige“ Beschränkung (Hs 1: „Innerhalb jeder Gruppe“). Anders gesagt: Es gibt noch alleinig die flexible gruppeninterne („intragruppale“) Gleichbehandlung, nicht aber unbedingt mehr die – doch recht starre – gruppenexterne („intergruppale“) Rechtsgleichheit. Nur bleiben die inhaltlichen Anforderungen hierbei im Dunkeln. Im Schrifttum wird die Frage, wann rechtlich eine relevante Gleichbzw Ungleichbehandlung vorliegt, dementsprechend unterschiedlich beurteilt.41 Die konträren einzelnen Ansichten lassen sich im Wesentlichen zwei Lagern zuordnen. Verbreitet findet sich die Auffassung, dass § 226 keine formal-juristische, sondern viel- 13 mehr eine wirtschaftliche Gleichbehandlung verlange42 – dies folgt der Linie zu § 181 I S 1 KO, § 16 III S 2 Hs 2 GesO, § 8 I VglO43 (dazu Rn 6): faktische Äquivalenz nach objektiven Kriterien. So wäre es durchaus etwa zulässig (und kein Fall von Abs 2), die Beteiligten derselben Gruppe mit höheren oder niedrigeren Quoten zu bedenken, wenn eine zusätzliche anderweitige Kompensation stattfindet, wie etwa durch unterschiedliche Zahlungstermine44 oder Gestellung einer Sicherheit45 (zB Bürgschaft). Diese unter altem Recht etablierte Sichtweise hat unter neuem Recht weniger Überzeugungskraft: jene diente früher dazu, kleinere inhaltliche Flexibilitäten einzuräumen; gegenwärtig erlaubt die Gruppenbildung als solche schließlich aber doch schon weit mehr! Es bedarf darum keiner derartigen – letzthin recht diffusen – Korrekturbemühungen. Die Gegenauffassung lehnt eine Gleichbehandlung iSv wirtschaftlich gleichwertiger 14 Masseteilhabe ab und verlangt demgegenüber, alle Beteiligten der gleichen rechtlichen Regelung zu unterwerfen. Maßgeblich soll also sein, ob die gruppenzugehörigen Personen äußerlich gleich behandelt werden.46 Dieser Sichtweise ist zuzustimmen. Die wirtschaftliche („materielle“) Gleichbehandlung lässt sich nicht nur schwer feststellen47 und brächte nachträgliche größere Unsicherheiten (arg Abs 3), sondern ignorierte dazuhin die Potentiale der Gruppenbildung. § 222 II S 1 gibt dem Planersteller doch die Möglichkeit, in Abhängigkeit von jeweils den eigenen wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten zu gruppieren, wie etwa nach deren Bereitschaft zur Leistung von Sanierungsbeiträgen (zB Stundung

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Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 226 Rn 1. Überblick zum Streitstand bei Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 4. MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 8; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 226 Rn 5; Braun/Braun/Frank InsO7 § 226 Rn 6; BK/Flöther/Wehner InsO29 § 226 Rn 6. Vgl HK/Haas InsO9 § 226 Rn 2. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 226 Rn 5; Braun/Braun/Frank InsO7 § 226 Rn 6; MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 8. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 226 Rn 6; MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 8.

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LG Berlin DZWIR 2015, 35, 41 [II 7e]; AG Berlin-Charlottenburg, B. v. 15.01.2014 – 36s IN 2196/13 [4a], BeckRS 2014, 14998; HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 226 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 6; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 226 Rn 2; Graf-Schlicker/Kebekus/ Wehler InsO4 § 226 Rn 2; wohl auch HK/ Haas InsO9 § 226 Rn 2, welcher nichtsdestoweniger an der Auffassung zum früheren Recht festhalten will. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 5 f; HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 226 Rn 2.

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oder Verzicht, siehe dazu bei § 222 Rn 111). Die Flexibilisierung ist gleichsam nach vorn verlagert – indes auch einem weiteren Gläubiger(mehrheits)votum entzogen.48 15 Ist also die Gleichbehandlung als streng regelungsbezogene Grenze zu verstehen, so kommt es maßgeblich auf die förmlich identische Änderung der Beteiligtenrechte im Gestaltungsteil (§ 221) an. Davon etwa ist auszugehen, wenn für alle Forderungen derselben Gruppe eine quotale (nicht absolute)49 Kürzung oder ein bestimmter Zahlungstermin vorgesehen wird.50 Es stört auch nicht weiter, wenn der Insolvenzplan den aufrechnungsberechtigten Gläubigern ihr – fortbestehendes (vgl § 94) – Aufrechnungsrecht belässt.51 Aus dem Plan selbst erwächst direkt eben keine unterschiedliche Gestaltung ihrer Rechtspositionen. Umgekehrt fehlt es an einer Gleichbehandlung, wenn nur ein Teil gruppenzugehöriger Gesellschafter ihre gesellschaftsvertraglichen Sonderrechte verliert („Suhrkamp“, vgl § 225a Rn 41 und 60)52 oder der Plan zwischen Anmeldern und Nachzüglern differenziert53 (sog Präklusionsklausel, vgl § 222 Rn 110). Die Nichteinhaltung des Gebots gruppeninterner Gleichbehandlung führt zur Beanstandung gemäß § 231 I S 1 Nr 154 und begründet einen wesentlichen Mangel iSd § 250.55 2. Gesetzeswortlaut

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Der Wortlaut der Regelung veranlasst drei Klärungen: (a) Abs 1 hat offensichtlich nur Gruppenbezug („Innerhalb jeder Gruppe …“), das entspricht Normzweck und Intention (dazu Rn 1–4). Das Gleichbehandlungsgebot ist bloß gruppenintern („intragruppal“) anwendbar. Jenseits dieser Schranke („intergruppal“) besteht mit Blick auf § 226 I weder ein Verbot gleicher Behandlung noch ein Gebot für Ungleichbehandlung (dazu Rn 21). Man muss aber sehen, dass mittelbar über § 245 (somit erst nach einem mehrheitlich ablehnenden Gruppenvotum! [§ 244 I]56) durchaus eine Gleichbehandlung von Gleichrangigen verlangt wird (Abs 1 Nr 2 iVm Abs 2 Nr 3 bzw Abs 3 Nr 2: Besserstellungsverbot, vgl § 245 Rn 43 f, 48). – Die beiden anderen Aussagen beruhen auf weniger erklärbaren Divergenzen zu sämtlichen Vorgängern (dazu Rn 11 Fn 37):

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Es ist also letztlich nicht stringent, wenn zB HK/Haas InsO9 § 226 Rn 2 die Gruppenbildung als Novum hervorhebt, aber trotzdem auf die wirtschaftliche Gleichwertigkeit abstellt. AG Hannover ZInsO 2015, 2385, 2386 f [III 2a]; HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 2. FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 6; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 226 Rn 2. Dazu vgl auch insb (wenngleich nur mittelbar!) BGH NJW-RR 2011, 1142, 1143 f = DZWIR 2011, 423 f: niemals Gegeneinwand {15 f} [II 4], sondern Frage der Gruppenbildung {14} [II 3e] – aA HambK/Thies InsO5 § 226 Rn 2 (Vorauflage! – Neuauflage hier eher zurückhaltend); Braun NZI 2009, 409, 411. Madaus ZIP 2014, 500, 506 – aA aber zB K Schmidt/Spliedt InsO19 § 226 Rn 4 und HK/Haas InsO9 § 226 Rn 2. BGH NJW 2015, 2660, 2662 {11, 15} [II 2b] = ZIP 2015, 2346 = WM 2015, 1291 = NZI

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2015, 697 = DZWIR 2015, 560 = KTS 2015, 221, zust Skauradzun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 549 f [V 3/4] und Madaus NZI 2015, 702, 703; best BGH NJW-RR 2016, 372 {2} = DZWIR 2016, 145 – Näheres siehe bei § 254b Rn 9–11. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 231 Rn 17; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 25. MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 1 und 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 250 Rn 6; KPB/Spahlinger InsO61 § 221 Rn 28 aE. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 2; Brünkmans/Thole/Brünkmans § 7 Rn 108 f und § 17 Rn 32; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 245 Rn 29; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 245 Rn 17; A Schmidt SanierungsR § 245 Rn 34. Demgegenüber allein auf den Minderheitenschutzantrag gem § 251 abstellend: Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 226 Rn 1.

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Gleichbehandlung der Beteiligten

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(b) Abs 1 findet einen völlig neuen Ansprechpartner („ … sind allen Beteiligten …“ – 17 früher: Gläubigern) – offenbar die Konsequenz des ausgedehnten Anwendungsbereichs (§ 217), der auch die Absonderungsbefugten und Anteilseigner mit einbezieht und weitergehend noch herkömmliche Privilegien mit fallenlässt (§ 181 S 1 KO: einfache Konkursgläubiger; § 16 III S 2 GesO: „ … müssen voll befriedigt werden; alle anderen Gläubigern …“); der Wortlaut ist entlehnt bei § 34 I S 1 GA-VO nF („allen beteiligten Gläubigern“). Auffällig ist immerhin, dass sich hier von Beginn ab gleich der offene, nebulösere Beteiligtenbegriff (vgl § 220 Rn 15) festsetzen konnte, auf welchen erst das ESUG alsdann umschwenkte (dazu Rn 11 aE). Beteiligte sind jedenfalls hier in rein materiellem Sinne angesprochen, als Planbegünstigte oder besser wohl -betroffene (arg § 221 S 1 iVm § 254 I). (c) Außerdem steckt dahinter eine Regelung von Beurteilungszeit und Vergleichsgrösse 18 („ … gleiche Rechte anzubieten.“57 – früher: zu gewähren). Maßgebend ist der Planinhalt (§ 221 S 1), so wie er aktuell erfassbar scheint. Voraussagen nach § 229 sind risikoreich, dafür muss nicht weiter eingestanden werden, wenn die Zukunft einem Gruppenmitglied mehr, dem anderen weniger in die Hände spielt.58 Es geht um eine Beurteilung ex ante, nicht etwa ex post, und darum, was jeder bekommen kann (Angebot!), nicht was man genau erhalten wird (Annahme aber unnötig – arg § 254 I). – Dass am Ende die Formulierung etwas euphemistisch wirkt, sei nur colorandi causa angemerkt: es geht primär eher um Verlierenmüssen (also darum, Lasten aufzudrängen) denn Bekommenkönnen („Rechte anzubieten“). 3. Sondervorschrift Eine parallele Regelung enthält noch § 19 IV SchVG („In einem Insolvenzplan sind den 19 Gläubigern gleiche Rechte anzubieten.“). Er geht zurück auf § 19a I SchVG/aF idF Art 53 Nr 4 EGInsO. Die ursprünglich vorgesehene Sondergruppenbildung (Art 51 Nr 4 RV: § 19a I) wurde allerdings nicht realisiert (dazu § 222 Rn 35); den Effekt dieser Lösung – die Gleichbehandlungspflicht aller Verschreibungsgläubiger mit gleicher Rechtsstellung – wollte der Ausschuss trotz seines Strebens nach weniger „Zwangsgruppen“ erhalten, ja steigern: Wiederholung von § 226 I unter Auslassung des Hinweises auf § 226 II war mithin die Lösung (Art 51 Nr 4 RA [Nr 28]:59 § 19a I). Die Dopplung erscheint allerdings überflüssig, wenn man denn annimmt, dass sie bloß Abs 1, aber nicht auch Abs 2 betrifft (und was ist mit § 226 III?). Das neue Schuldverschreibungsgesetz60 hat zwar die Neuregelung voll übernommen, markiert sie freilich als Handlungsanweisung im Außenverhältnis für den sog gemeinsamen Vertreter der Schuldverschreibungsgläubiger (§ 19 II und III SchVG – in Kontrast zu § 5 II S 2 SchVG [Mehrheitsbeschluss im Innenverhältnis], der dann indes selbst § 226 III und II ähnelt).61 Ansonsten wäre die Vorschrift in der Tat wohl schlichtweg heute überflüssig, weil Insolvenzrecht vorrangig heranzuziehen wäre (§ 19 I S 1 SchVG). Inhaltlich bleibt es darum mE dabei, dass § 226 InsO (nämlich alle drei Absätze) als ureigene Insolvenzrechtsregelung vorgehen.62

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Ganz anders deuten dies BK/Flöther/Wehner InsO29 § 226 Rn 3: Möglichkeit zur Disposition der Betroffenen – die aber folgt erst aus Abs 2! Beispielsfall: LG Berlin DZWIR 2015, 35, 41 [II 7e] (persönliche Steuerlast), zust Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 5. BT-Drucks 12/7303 S 113.

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Gesetz über Schuldverschreibungen und Gesamtemissionen (Schuldverschreibungsgesetz – SchVG) vom 31.07.2009, BGBl I Nr 50 S 2512 [in Kraft ab 05.08.2009 (Art 8 S 1)]. BT-Drucks 16/12814 S 25 re. Sp. Für eine rein klarstellende Funktion des § 19 IV SchVG: Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Bliesener/Schneider SchVG § 192 Rn 32a;

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IV. Statthafte Differenzierungen (Abs 2) 1. Materielle Zustimmung (Abs 2 Satz 1)

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Unter der Voraussetzung der Zustimmung „aller betroffenen Beteiligten“ (dazu Rn 22) kann man eine weitergehende gruppeninterne Ungleichbehandlung praktizieren. Inhaltlich richtet sich die Ungleichbehandlung iSv Abs 2 Satz 1 nach den nämlichen (umstrittenen: Rn 12–15) Maßstäben wie die Gleichbehandlung gem § 226 I – sie ist komplementär nur die Nichtwahrung gleicher Bedingungen. Zu fragen ist mithin, ob der Plan die einzelnen Beteiligten derselben Plangruppe disparaten Regelungen unterwirft.63 21 Betroffen können nur andere Gruppenmitglieder werden – gruppenextern hingegen ist natürlich Differenzierung statthaft (arg Abs 1 e contr), dh erlaubt, aber nicht zwangsläufig immer gleich geboten. Es fehlt an einer Verpflichtung intergruppaler Unterscheidung – die Gruppenbildung folgt subjektiver (Interessen-) Erforschung, die Plangestaltung ist Ergebnis objektiver Regelung. Sie kann für mehrere Gruppen demgemäß gleiche Inhalte vorsehen64 – ob das alle Gruppen akzeptieren, steht auf einem anderen Blatt. Das vermittelt dem Planersteller die Möglichkeit, bei unsicherer (Einzel-) Zustimmung der sämtlichen Betroffenen zu ihrer eigenen Ungleichbehandlung („individuelle“ Benachteiligung iSv Abs 2), eine Sondergruppe für sie einzurichten („kollektive“ Benachteiligung – mit intergruppal schlechterem, intragruppal gleichartigem Angebot von Rechten iSv Abs 1)65 – aber nur, wenn und weil zugleich unterschiedliche Rechtsstellung bzw Interessenlage (§ 222 I/II – dazu vgl dort Rn 14) vorliegt. Nur gilt zudem dann das Mehrheitsprinzip (§ 244 I – im Unterschied zu Abs 2: individuelle Zustimmungen: Rn 22). Statthaft ist lediglich die Tatbestandsdifferenzierung, nicht aber auch eine reine Rechtsfolgendifferenzierung; § 226 II reicht nicht etwa die Hand zur Mischgruppenbildung66 (dazu § 222 Rn 77): dabei wäre nämlich just die Privilegierung gegenüber den rechtlich und ggf wirtschaftlich „gleichen Dritten“ anstößig. 22 § 226 II S 1 („Zustimmung aller betroffenen Beteiligten“) ist zunächst einmal deutlich offener gefasst als dessen Vorläufer, § 181 S 2 KO („Einwilligung der zurückgesetzten [Konkurs-] Gläubiger“) und § 8 II Nr 1 Hs 1 VglO („Mehrheit … der zurückgesetzten Vergleichsgläubiger“) – siehe dazu bei Rn 7. Dieser, mitunter kritisierte,67 andere Wortlaut entspricht jedoch der – mittlerweile maßgeblichen – Regelungsbezogenheit der (Un-)Gleichbehandlung (dazu Rn 14 f). Das muss man grundsätzlich vorab berücksichtigen. 23 Welches Gruppenmitglied als betroffen anzusehen ist (Abs 2 S 1 Hs 2), bestimmt die einzelne, individuelle Planausgestaltung (Abs 2 S 1 Hs 1) durch eben die Verwendung „unterschiedliche[r] Behandlung“ (vgl Rn 17 iVm 14). Hier zählt jede Abweichung, nach oben (Verbesserung – „Plus“), wie nach unten (Verböserung – „Minus“) – so angesehen wären

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Leuering NZI 2009, 638, 640 [III 2]; Cranshaw BKR 2008, 504, 510 vgl zudem erg Verannemann/Rattunde SchVG2 § 19 Rn 10; aA Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 7a: Ergänzung; Brünkmans/Thole/ Thole § 29 Rn 8: zumindest theoretische Funktion als gruppenübergreifendes Gleichbehandlungsgebot. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 4–7. AA aber AG Köln NZI 2016, 537, 538 m abl Anm und somit iE wie hier Madaus NZI

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2016, 539, 540. So wie hier explizit auch BK/ Breutigam InsO14 § 224 Rn 1. HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 226 Rn 2 f. BGHZ 163, 344, 349 [III 4b] {15} = NJW-RR 2005, 1638 = ZIP 2005, 1648 = WM 2005, 1852 = NZI 2005, 619 = DZWIR 2006, 74. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 226 Rn 4; MünchKomm/Breuer InsO3 § 222 Rn 10; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 226 Rn 6.

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Gleichbehandlung der Beteiligten

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dann immer alle betroffen, einige positiv, andere negativ. Dieses gibt keinen Sinn. Gemeint ist hierbei das dokumentierte (Abs 2 S 2, vgl Rn 25) Einverständnis in eine eigene Schlechterstellung (nur zuzustimmen hat, wer benachteiligt ist!). Maß dafür, wer schlechtergestellt ist, gibt die Mehrheitsbehandlung in einem „doppelten“ Modus, dh bezüglich Summen wie Köpfen abgeklärt (als „Spiegelung“ von § 244 I, denn berührt wird dadurch das gruppenbezogene Mehrheitsprinzip (dazu Rn 2 und 41). Erst ist – hypothetisch – also die Gleichheit zu definieren, sodann – von Seiten der „Betroffenen“ – die Zustimmung (Abs 2 S 1 Hs 2) abzufordern. Bei hochkomplexer gruppeninterner Differenzierung, die keinen klar identifizierbaren Vor- oder Nachteil für einen bestimmten Personenkreis erkennen lässt, sind dagegen alle Mitglieder zugleich „Betroffene“68 – das führt zum Einstimmigkeitsgebot (S 1) samt Dokumentationspflicht (S 2)! Die Vorsicht wird manchmal raten, trotzdem förmliche, dezidierte (an sich – materiell – zwar unnötige) Zustimmungserklärungen einzuholen. Praktisch wichtig erscheint die Bedeutung sog salvatorischer Klauseln iSv § 251 III S 1 24 (dh „Geldablöse“ für Plannachteil: § 251 Rn 40–52 bzw 59–66) als Auslöser für mögliche Ungleichbehandlung gem § 226 II S 1. Zu fragen ist zunächst, ob bereits die Aussicht der Planobstruenten, aus Rücklagen (also in Geld – unbedenklich: arg § 45 S 1!) befriedigt zu werden, eine Ungleichbehandlung iSd § 226 II S 1 begründet.69 InsO- wie ESUG-Gesetzgeber haben aber diese Form einer ausnahmsweisen (ergänzenden) Barabfindung zugebilligt:70 fehlt es indes am Verstoß gegen die Grundregel (Abs 1), dann kommt Abs 2 nicht mehr zum Zug. Man wird zudem jedoch fordern müssen, dass alle Gruppenzugehörigen dieselbe Chance erhalten, an den Rücklagen mindestens in Höhe der Liquidationsquote teilzuhaben (es ist dann ihre Sache, persönlich nach § 251 vorzugehen …). Die Implementierung einer Wahlmöglichkeit ändert grundsätzlich nichts an der allgemeinen Gleichbehandlung der Beteiligten.71 Wichtig ist allemal, den maßgebenden Bezugspunkt festzuhalten: es geht um Gleichstellung für die Betroffenen (und zwar aller, mithin gruppenübergreifend) mit dem Regelverfahren. Denkbar sind aber genauso Konstellationen, in denen keine (globale) Schlechterstellung iSd § 251, jedoch eine (interne) Benachteiligung iSd § 226 II S 1 stattfindet. Letztlich lassen sich solche „gezielten“, gruppeninternen Unwuchten nicht vermittels § 251 III überwinden (Umkehrschluss!), sondern verlangen Billigung jedes Einzelnen.

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BT-Drucks 12/2443 S 202 li. Sp. – ferner: HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 4; vgl auch erg: HK/Haas InsO9 § 226 Rn 3; MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 10; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 226 Rn 4; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 226 Rn 4. Differenzierend Bork InsR8 Rn 377 Fn 29 („‚Betroffen‘ sind in der Regel alle Mitglieder der Gruppe.“) bzw BK/Flöther/Wehner InsO29 § 226 Rn 8 (Ausnahme: „eindeutig bevorzugt behandelt“) – einer oder einige/ wenige (Bork) bzw mehrere (Flöther/Wehner). Ausschließlich auf eine Besser-/Schlechterstellung abstellend: FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 9; Braun/Braun/Frank InsO7 § 226 Rn 7;

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Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 226 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 226 Rn 5 (mit fragwürdiger Bezugnahme auf § 226 II S 2). Dies bejahend etwa Smid ZInsO 1998, 347, 350 und 352. BT-Drucks 12/2443 S 202 li. Sp. (§ 226 I/II) und S 212 li. Sp. (§ 251) bzw BT-Drucks 17/ 5712 S 35 li. Sp. (§ 251 III). So auch Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 226 Rn 10; Braun/Braun/Frank InsO7 § 226 Rn 8; HambK/Thies InsO5 § 226 Rn 5; MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 13; per saldo genauso Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 226 Rn 7 aE (mit Blick auf Abs 3) – aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 226 Rn 5.

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§ 226

Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Förmliche Nachweisung (Abs 2 Satz 2)

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Jede notwendige Zustimmung nach S 1 (dazu Rn 20–23) muss dem Plan selbst beigefügt werden – sie wird nicht etwa ein Planbestandteil („im Plan“: § 219 Rn 10 f), sondern nur eine Anlage zum Plan („dem Plan“: § 219 Rn 13 und 19 f)72 – das schafft größere Flexibilität (spätere Zustimmungen möglich). Diese neue Formalanforderung73 dient zwei Zwecken: der raschen Information der Gruppenmitglieder (Aufklärungslast!) und der Kontrolle von Seiten des Gerichtes (Beibringungslast!); das wird gemeinhin nicht weiter unterschieden, sondern nur genannt die Wahrung der Rechtsklarheit.74 Nötig ist dafür freilich schriftlich erklärte Zustimmung, mündliches Einverständnis müsste gerichtlich protokolliert werden (so etwa im Abstimmungstermin75) oder ist eben nachträglich schriftlich beizubringen76 (arg § 231 I Nr 1 bzw § 250 Nr 1) – (nur) ansonsten droht Ablehnung von Seiten des Gerichtes.77

V. Verbotene Sonderabkommen (Abs 3) 1. Rechtsfolge

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§ 226 III erklärt sämtliche Sonderabkommen „mit einzelnen Beteiligten“ für unwirksam. Der Gesetzgeber hat sich damit bewusst an den Vorgängerregelungen (§ 181 S 3 KO [in Anlehnung an § 175 S 3 GemSchO und § 8 III VglO, vgl Rn 9]) orientiert,78 und auch unmittelbar dann die Rechtsfolge konkret umschrieben („ist nichtig“ – aber nicht unbedingt schon gleich von Beginn weg, vgl Rn 28: „schwebende“ Unwirksamkeit). 27 Die hM79 sieht die Regel traditionell als Verbotsgesetz iSd § 134 BGB. Sie wirkt indes als insolvenzrechtlich selbständige Verbotsvorschrift – es bedarf daher keines Rückgriffs auf allgemeine bürgerlich-rechtliche Grundsätze. Ursprünglich gedacht als reichseinheitliche Klarstellung gemeinrechtlicher Rechtspraxis,80 blieb jene nach der bürgerlichen Rechtseinheit unangetastet. Das erübrigt die Abwägung zwischen bloßer Ordnungsvorschrift und echtem Inhaltsverbot (obgleich klar letzteres hier vorliegt). Die Sanktion für

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BT-Drucks 12/2443 S 202 li. Sp. („als Anlagen beigefügt“). Recht einprägsam aber obiter auch einstmalig schon RGZ 136, 288, 290 zu § 5 II VglO/aF: „Sonderberücksichtigung einzelner in der Öffentlichkeit des Vergleichsverfahrens“. Im Anschluss an BT-Drucks 12/2443 S 202 li. Sp.: MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 11; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 226 Rn 7. Anders nuancierend jedoch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 226 Rn 5. Bloße Zustimmung nicht hinreichend – aA LG Berlin DZWIR 2005, 298, 301. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 226 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 226 Rn 5 – für sofortige Zurückweisung scheinbar MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 12 (anlässlich der Vorprüfung), aber uU auch BK/Flöther/ Wehner InsO29 § 226 Rn 10.

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Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 226 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 226 Rn 5; vgl auch erg HambK/Thies InsO5 § 226 Rn 3 und FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 8. BT-Drucks 12/2443 S 202 li. Sp.; HK/Haas InsO9 § 226 Rn 4; Gleiches gilt für § 294 II, vgl BT-Drucks 12/2443 S 191 re. Sp. FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 15; MünchKomm/ Breuer InsO3 § 226 Rn 15; HambK/Thies InsO5 § 226 Rn 6; BK/Flöther/Wehner InsO29 § 226 Rn 11; Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 226 Rn 8; GrafSchlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 226 Rn 3; siehe bereits zu § 181 S 3 KO: Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 6 mit Jaeger KuT 1935, 81; Kilger/K Schmidt InsG17 § 181 KO Anm 3. Eher verdunkelnd hier BGHZ 99, 36, 40 [II 2a] („dinglich wirkendes Verbot“). GemSchO Mot II S 148/149.

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Gleichbehandlung der Beteiligten

§ 226

den Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung81 (besser heute wohl: gruppenmäßigen Gleichbehandlung – Abs 1: Rn 12) folgt unmittelbar somit „auf dem Fusse“ (nur vorbehaltlich von persönlicher Zustimmung [siehe Rn 20] einerseits bzw gerichtlicher Bestätigung [siehe Rn 28] andererseits). Doch muss der Plan erst einmal bestätigt werden, damit es zu jener Nichtigkeit des Ab- 28 kommens kommt.82 Allein dann bedarf es derart starken Schutzes. Vor der gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplans ist das Abkommen lediglich schwebend unwirksam83 – es vermag gleichsam „genehmigt“ zu werden: durch Offenlegung sowie Zustimmung (Abs 2: Rn 20). – Man muss aber auch sehen, dass zuvor zweimalige Amtsprüfung eingreift (dazu § 222 Rn 169): im Rahmen der Vorprüfung stehen besonders der Gruppenzuschnitt samt Gleichbehandlung84 dabei im Fokus (§ 231 I Nr 1 Hs 1, dort Rn 20 f – ein Verstoß ist „heilbar“, arg Abs 285), im Rahmen der Bestätigung geht es außerdem um eine Verhinderung unlauterer Begünstigung86 (§ 250 Nr 2, dort Rn 48 ff), jedoch auch um eben solche, überaus wesentliche Verfahrensmängel87 (§ 250 Nr 1, dort Rn 13 ff). Es gibt mithin zusätzliche verfahrensrechtliche Absicherung! Nichtigkeit (lediglich des Abkommens, nicht etwa des Insolvenzplans) bedeutet zivili- 29 stisch genommen, dass man Versprochenes nicht einfordern, aber uU auch Erbrachtes nicht rückfordern kann (§ 814 Var 1 BGB – positive Kenntnis?). Dies wiederholt sich mit Blick auf § 817 S 2 BGB88 – mehr spricht aber dafür, alle beide Beschränkungen „generalpräventiv“ beiseitezulassen.89 Der Gesetzgeber wollte sich mit keiner Naturalobligation begnügen. 2. Tatbestand a) Subjektive Komponente: die Beteiligen (Hs 1). Besonders namentlich angeführt sind 30 Insolvenzverwalter und Gemeinschuldner (ersteres folgt § 181 S 3 KO, letzteres ist entlehnt § 8 III VglO), zumal sie beide als zugleich planvorlagebefugte Personen (§ 218 I) einer speziellen Verantwortung unterstehen, dh jene Entscheidung nicht manipulieren sollen. Erfasst werden genauso andere, beliebige Dritte, die sich nicht in einer vergleichbar starken Pflichtbindung sehen.90 Anders herum gesagt: Abs 3 schützt gegen die Angreifer von innen 81 82

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Zusammenfassend zur Zweckdiskussion BGHZ 6, 232, 238 f [III] {18}. BGHZ 6, 232, 237–240 [III] {16–18}, best MDR 1988, 576 – als Abkehr von RGZ 28, 96, 100; 30, 22, 24; GruchotsB 43 (1899), 1194, 1196; RGZ 78, 183, 185; HRR 1931 Nr 976; dahinstellend BGH KTS 1961, 88, 89 [2]. Leicht unschärfer leider BGHZ 162, 283, 290 und 292 [II 3a bb und dd (1)] {24 und 30} („falls der Insolvenzplan zustande kommt“) bzw OLG Düsseldorf ZIP 1988, 986 {4} – zust K Schmidt/Spliedt InsO19 § 226 Rn 6; HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 8. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 226 Rn 6. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 8; HK/ Haas InsO9 § 226 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 3. OLG Frankfurt/Main NZI 2013, 978, 979 f mit LS 1 = DZWIR 2014, 370 („Suhrkamp“).

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Diesen Fall betraf BGHZ 162, 283, 290–292 [II 3a bb] {24–27}, vgl Rn 39 bzw Fn 120; vgl dazu auch erg HK/Haas InsO9 § 226 Rn 4. MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 250 Rn 6; FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 8; HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 3. Marksteine: RGZ 72, 46, 48 f [II]; LZ 1910, 783, 784; JW 1936, 3190 m zust Anm Vogels S 3191 f; SeuffA 91 (1937) Nr 7, S 16, 17. Näheres siehe bei Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 14. Das erhöht den „Leidensdruck“. Es reicht nicht allein, das Verbot subjektiv aufzuweichen (so wie in RG SeuffA 91 [1937] Nr 7, S 16, 17). Schutzvorkehrung gegen Strohmannhandeln: BGHZ 162, 283, 292/293 [II 3a dd (1)] {30}.

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§ 226

Sechster Teil. Insolvenzplan

wie außen. Klar ist bloß, dass deren Handeln („Abkommen“ iSv Rn 31) zudem subjektiven Bezug zu einem – aktuell oder potentiell – Verfahrensbeteiligten (wegen des Begriffs siehe bei § 217 Rn 35–37; § 221 Rn 34–46; § 234 Rn 10–13) noch haben muss.

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b) Objektive Komponente: die Handlungen (Hs 2). Der Begriff des Abkommens in Hs 1 legt wörtlich genommen eine Vertragsbeziehung nahe, dh ein zweiseitiges, nicht unbedingt indes wechselweises, Zusammenwirken. Insoweit muss man also beachten, dass nicht der technische Begriff („Vertrag“) Verwendung findet, sondern eine stärker „situative“ Benennung erfolgt, die dazuhin allumfassend gedacht ist („jedes“). Hierauf liegt der Schwerpunkt: „Abkommen“ ist nur Ausdruck für die Gefährdungslage (möglicherweise Verletzung gruppengleicher Behandlung iSv Rn 27) und also nicht wörtlich als Schranke einzusetzen91 – Sonderbegünstigungen sollen möglichst umfassend getroffen werden! (dazu Rn 32). Besser hätte also hier die terminologische Anleihe beim Anfechtungsrecht gepasst („Rechtshandlung“). Es muss jedoch dabei irgendwie ein Gegenüber geben („Abkommen … [von] … mit …“). 32 Erfasst ist deshalb gleichfalls die einseitige Willensbetätigung, wie bspw die Abgabe einer Gestaltungserklärung oder die Erteilung einer Ermächtigung,92 ja gar auch Unterlassen, wenn es denn gleicherweise positiv Beeinträchtigung erzeugt. Ob ein Verpflichtungsoder Verfügungsgeschäft zugrundeliegt, bleibt ohne Belang (es mögen Realakte verwirklichend eigens hinzukommen müssen …), ebenso auch ob materielles oder prozessuales Verhalten zugrundeliegt, ob Heimlichkeit oder Transparenz herrscht93 etc. Stets sind (Hs 2) aber die Bevorteilung einzelner Beteiligter (dazu Rn 33), der Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren (dazu Rn 34) und die fehlende Offenlegung im Plan (dazu Rn 35 f) vorauszusetzen. „Abkommen“, denen diese Merkmale nicht innewohnen, fallen nicht unter § 226 III.94 Abverlangt wird also demzufolge (Hs 2): 33 (1) Bevorteilung einzelner Beteiligter. Das Merkmal schlägt die Brücke vom Subjektiven (Hs 1: „mit einzelnen Beteiligten“) zum Objektiven (Hs 2: „nicht im Plan vorgesehener Vorteil“). Gemeint ist hierbei die Planabweichung („Inkongruenz“), in Anlehnung an § 131 I pr.: qualitativ (Sicherung), quantitativ (Befriedigung) oder zeitlich (Fälligkeit) – aber nur in einer positiven Weise („Vorteil“ als Plus zum Plan – Sonderbegünstigung;95 teilweise hilft Auslegung, indem man damit die Begünstigung auf sämtliche Gruppenmitglieder erstreckt96); erlaubt bleibt dagegen ein Abweichen im Negativen (Planminus – Sonderbenachteiligung), wenn es denn Einzelne nur betrifft. Anders herum gesagt: die Benachteiligung eines Einzelnen gilt nicht gleich als Bevorzugung aller übrigen Einzelnen (aus eben jener Gruppe) – sog Kehrseitenproblematik. Die einvernehmliche Benachteiligung eines Gruppenzugehörigen (wie bspw die vertragliche Vereinbarung mit dem Gemeinschuldner,

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Einst vgl schon Bley/Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 35 („Allgemeinausdruck“) mit Bley KuT 1935, 177, 178 f; Obermüller DB 1976, 901, 902 – ferner: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 226 Rn 6 („jede einvernehmliche Besserstellung“). Eher reserviert aber BGHZ 99, 36, 43 [II 4]. MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 16; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 9; FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 11; HambK/Thies InsO6 § 226 Rn 7; Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 226 Rn 9; Hess InsO2 § 226 Rn 32; so schon zu § 8 III VglO:

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Bley/Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 35; krit dagegen noch Kilger/K Schmidt InsG17 § 8 VglO Anm 4a (kollusives Handeln erforderlich). BGHZ 6, 232, 239 f [III] {18} bzw BGHZ 162, 283, 290 f [II 3a bb] {25}. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 8. Es fehlt an einer Wesentlichkeitsschwelle: MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 17 mit Hinweis auf RG HRR 1937 Nr 334. BGH NJW 1992, 2091, 2093 [II 3b] {26–28}.

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Gleichbehandlung der Beteiligten

§ 226

auf die quotale Befriedigung nach der Planbestätigung zu verzichten oder Zahlungsfristen zu prolongieren) streitet somit nicht gegen den Regelungszweck, selbst wenn sie außerhalb des Insolvenzplans und damit nicht nach Maßgabe des § 226 II erfolgt.97 (2) Wechselbeziehung mit dem Insolvenzverfahren. Es geht um Konstellationen, in 34 welchen einzelnen Beteiligten (dazu Rn 33) für ihr Verhalten bei Abstimmungen (Var 1 – unmittelbarer Zusammenhang) oder sonst im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren (Var 2 – mittelbarer Verfahrensbezug) ein besonderer Vorteil (dazu Rn 33) gewährt wird. Paradebeispiel ist zweifelsohne der „Stimmenkauf“ – hierbei liegt der Verfahrensbezug klar auf der Hand. Schon Var 1 indes formuliert letztendlich inhaltlich vorsichtiger – Abstimmungsverhalten und Vorteilsgewährung müssen nicht etwa als „do ut des“ direkt verbunden werden;98 Grundtatbestand (scil. nicht etwa nur Auffangtatbestand99 – arg ex „sonst“) ist aber am Ende Var 2. Sondervorteile mit Verfahrensbezug („neben dem Plane“100), auch eventuell im Rückblick erst (dazu Rn 33), unterminieren die gruppeninterne Gleichbehandlung (Abs 1) und letzthin die zentrale Legitimationskraft des Mehrheitsentscheids (§§ 243–246). Demnach genügt schon eine Mitbeeinflussung;101 unnötig ist dagegen, dass jener Vorteil sogar die Abstimmung relevant beeinflusst hat.102 (3) Im Widerspruch zum Planinhalt. Die Vorteilsgewährung darf nicht etwa im Plan 35 vorgesehen sein, das meint nicht nur Offenlegung103 (iSv Darstellung – arg § 220 II), sondern ganz gezielt eine Inkorporation als Bestandteil (iSv Gestaltung – arg § 221 S 1).104 Nur dies passt zum Duktus neuen Rechts, während unter altem Recht nur eine unspezifische Heimlichkeit im Schwerpunkt angelastet wird.105 Es ist das eine gruppeninterne Differenzierung nach Abs 2, dh genau dessen Regeln (dazu Rn 20–25) greifen. Mitunter wird freilich eine individuelle Zustimmung für entbehrlich gehalten und hierzu argumentiert, dass es nicht um Planzuweisungen, sondern um mittelbare Vorteile gehe106 – jenes erscheint wenig stringent. Abs 3 und Abs 2 müssen jeweils aufeinander bezogen werden (siehe auch bei Rn 36 [d]), und auch die drittseitige Begünstigung ist „verdächtig“, Planinteressen zu manipulieren – darum scheint angezeigt, Nichtbegünstigte allumfassend als

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FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 12 und 14; Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 226 Rn 9; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 226 Rn 9. RGZ 136, 288, 291 [§ 96 VglO/aF] mit Hinweis auf RG LZ 1914, 1053. Ganz ähnlich wohl MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 18: im Allgemeinen (Var 2), im Besonderen (Var 1). FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 13; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 226 Rn 8; BGHZ 162, 283, 293 [II 3a dd (2)] {31} rechnet hierzu daher auch den Forderungskauf, vgl Rn 39 (aE). RGZ 136, 288, 290, ebenso dann später OLG Frankfurt/Main WM 1959, 862, 864. So früh bereits RGZ 28, 96, 99 f: jenes müsste sonst „zu den verwickeltsten Untersuchungen führen“ (S 100). So sieht es schon BT-Drucks 12/2443 S 202 li. Sp. („im Plan [!] offengelegte Vorteilszuwendungen“), wie hier zudem K Schmidt/

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Spliedt InsO19 § 226 Rn 9 (vgl aber erg auch bei Fn 106) – aA MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 20; BK/Flöther/Wehner InsO29 § 226 Rn 12. Beides vermengt allerdings Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 226 Rn 6 („oder“); die Nachweise (Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 8 und FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 11) betreffen nur dagegen die Pflicht zur Offenlegung. Recht symptomatisch schon RGZ 28, 96: „hinter dem Rücken“ (S 98); Heimlichkeiten (S 99); „geheime Abkommen“ (S 100) bzw RGZ 30, 22, 24: „Nichtigkeit aller geheimen, nicht offen gelegten Abkommen“; dann später auch BGH KTS 1961, 88, 90 [4] (§ 181 S 3 KO) bzw BGH WM 1971, 1483, 1485 [IV 1] (§ 8 III VglO): „geheime Sonderabkommen“); eher skeptisch aber BGHZ 6, 232, 239 f (§ 8 III VglO). So will es K Schmidt/Spliedt InsO19 § 226 Rn 9 (vgl aber erg auch bei Fn 103).

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§ 226

Sechster Teil. Insolvenzplan

schutzwürdig anzusehen.107 Darin fußt auch die BGH-Missbilligung des Forderungskaufs (dazu Rn 39) – ein „Abkommen“ ist alleinig bei Einbeziehung in den Insolvenzplan als solches überhaupt rechtsförmig billigungsfähig, sonst aber eben nicht (dann spielt auch Publizität oder Verdeckung keine eigene Rolle108). 36 Unnötig ist dagegen: (a) Das subjektive Bewusstsein109 der objektiven Bevorzugung (iSv Rn 33) oder gar etwa stärker noch Vorsatz110 („Wissen und Wollen“) – das hatte das RG zwar einst anders gesehen, doch ist dazu das ausschlaggebende Wortlautargument (§ 181 S 3 KO: „bevorzugt werden sollen“ / § 8 III VglO: „bevorzugt werden“111) heute ohne Kraft mehr.112 (b) Die Kausalität des Abstimmungsverhaltens des Bevorzugten113 – die Nichtigkeit tritt auch bei Gegenstimme oder Enthaltung ein bzw wenn es auch sonst gereicht hätte, die Mehrheit zu gewinnen. Jenes unabwendbare Nichtigkeitsverdikt sanktioniert schon rundheraus abstrakte Gefährdung. (c) Ein Einverständnis der Benachteiligten114 (Zustimmung hilft bloß Abs 2!). (d) Dass die Bevorzugung just aus reellen Insolvenzmitteln erfolgt – nicht etwa die Masseminderung abzuwehren ist Regelungszweck, die Norm will die korrekte Mehrheitsfindung schützen (dies erklärt auch Abs 2!); anders gesagt: es gilt gleich, ob die Vorteile dem Vermögen Dritter oder der Masse entstammen.115

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c) Zeitliche Komponente: die Bezugspunkte. Zeitlich wird verlangt, dass überhaupt ein Insolvenzplan schließlich zustande kommt (dazu Rn 28) – sonst besteht keinerlei Schutzzweck (mit Blick auf Rn 35) und auch insb kein Maß, um die Begünstigung konkret fassbar festzumachen (dazu Rn 33 iVm 35). Trotzdem genügen Abkommen „im Vorgriff“ auf Antragstellung, Insolvenzeröffnung, Planvorlegung etc116 – es soll insoweit einen „Rundumschutz“ geben. Spätere Abkommen dagegen, dh nach Bestätigung der Planvorlage117 (§ 248), erst recht nach Rechtskrafteintritt118 (§ 254 I), können rechtswirksam abgeschlossen werden – es sei denn, jene wären allein Belohnung früheren Verhaltens (Beweisproblematik!) oder gar bloß Bestätigungsakt.119 Ansonsten mangelt gemeinhin der notwendige Kausalzusammenhang.

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Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 226 Rn 8. Durchaus richtig mithin BGHZ 162, 283, 290 f [II 3b bb] {25}; vgl aber erg auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 226 Rn 7. Eindeutig RGZ 41, 41, 42 f; 72, 46, 48 [1]. Eventuell RGZ 28, 96, 97 bzw BGH WM 1968, 1055, 1056 [II 3] („Absicht“). Eher verdunkelnd dazu RG GruchotsB 43 (1899), 1194, 1196 („bezweckt“) bzw RGZ 136, 298, 290 („zum Ziel setzt“), ein Klarstellungsversuch bei BGH KTS 1961, 88, 89 [3]. AA MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 19: „Ziel“-Absicht. Eindeutig RGZ 28, 96, 99 f. Bork InsR8 Rn 377 aE; BK/Flöther/Wehner InsO29 § 226 Rn 13. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 222 Rn 6; HK/Haas InsO9 § 226 Rn 4. MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 18. So sehen es schon RG JW 1936, 3190 (zu § 34 II

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GA-VO nF) und BGH KTS 1961, 88, 89 f [2–4] („qualifizierten“ Zusammenhang vorausgesetzt), best BGHZ 99, 36, 43/44 [II 4]. Unter altem Recht: RGZ 61, 296, 298 mit S 298/299; KuT 1939, 6; BGH WM 1971, 1483, 1485 [IV 1]; Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 9; Kuhn/Uhlenbruck KO8 § 181 Rn 12; Kilger/K Schmidt InsG17 § 181 KO Anm 5; Kiesow VglO4 aF § 5 Anm 17; Vogels/Nölte VglO3 Rn II 2; Bley/Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 39d; zum geltenden Recht: Hess InsO2 § 226 Rn 44. FK/Jaffé InsO9 § 226 Rn 15. Unter altem Recht: RGZ 61, 296, 299 mit S 299/300 (denn das wäre nur eine Umgehung). Genügend sei Anlocken iSv „Inaussichtstellen“: RG LZ 1913, 399; BGH WM 1971, 1483, 1485 [IV 1] – geht mE zu weit (aA Jaeger/Weber KO8 § 181 Rn 9).

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Gleichbehandlung der Beteiligten

§ 226

3. Beispielsfälle Nichtigkeit: klassischer Stimmenkauf (aber vgl auch Rn 39); (Teil-) Bürgschaft eines 38 Dritten wegen Restschuld (RGZ 28, 96) oder gar eine eigenständige (Rest-) Zahlungspflicht von Seiten des Dritten (RGZ 78, 183, 185 f); Übernahme eines Wechsels (RG JW 1893, 427; RGZ 72, 46); Kapitalisierung nur von Versorgungsanwartschaften aus der Insolvenzschutz (in Anlehnung an BGH NJW 1992, 2091, 2093 [II 3b] {28}); Hingabe eines Wechsels (LG Köln, KTS 1966, 186). Der Fall eines Stimmenkaufs (dazu Rn 38) erscheint allzu arglistig – darum werden 39 meist mögliche Umgehungskonstruktionen ersonnen, um das Ziel (scil. Planzustimmung im Eigeninteresse) gesichert zu erreichen. Problematisch ist seit jeher hier der Forderungskauf als Paradebeispiel (debt trading „neudeutsch“ gern genannt): ist insoweit das Erwerben der Gläubigerstellung zu einem höheren Preis als der ansonsten vorgesehene, „planmäßige“ Ausgleich ein normales und erlaubtes Verfügungsgeschäft zwischen Zedent und Zessionar oder aber eine Benachteiligung der anderen Gruppenmitglieder? Ganz pikant wird es, wenn der Zessionar auch Mitglied der Gruppe ist … Der BGH bleibt auf der Linie des RG und hält alles dies für generell unzulässige Umgehung.120 In der Literatur ist seine Einordnung bisweilen auf Kritik gestoßen121 (übliche finanzwirtschaftliche Praxis!) – erforderlich und hinreichend sei, dass der Kaufvertrag nicht an die Abstimmung oder das Planergebnis anknüpfe.122 § 226 III primär an den Zielen des Erwerbers festzumachen, würde aber den Anwendungsbereich letztendlich (allzu) stark einschränken. Ist der Zessionar ein Mitglied der Gruppe, liegt wohl die Umgehung nah, genauso bei Dritten, welche Gruppenmitgliedern selbst „nahestehen“ iSv § 138 („Lagerbildung“) – im Übrigen erscheint dagegen schwierig, die Bevorzugung des bisherigen Altgläubigers dem Neugläubiger anzulasten. Dazu bedarf es sicher noch zusätzlicher „verdächtiger“ Sachindizien – so wie im BGH-Fall: der Kauf war nurmehr aufschiebend bedingt abgeschlossen (rechtskräftige Planbestätigung vorausgesetzt), zusätzlich indes mit einer sofortigen Stimmrechtsvollmacht verkoppelt – das aber zielt klar auf Absicherung der Planannahme.123 Wirksamkeit: Mit dem ESUG ist nun Schlechterstellung (bezogen auf die normale Re- 40 gelabwicklung) über eine explizite Kompensationsklausel abwehrbar (§§ 251 III, 253 II Nr 3). Sie hilft nur demjenigen, der sich wehrt (Schutzantrag bzw Zivilprozess124). Das erscheint gesetzlich „mitgedachte“ Konsequenz der Anpassung, und ist also nicht etwa nun

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BGHZ 162, 283, 288 ff (292 f) [II 3] {15 ff, 28–33} = DZWIR 2005, 255 = ZIP 2005, 719 = WM 2005, 891 = NZI 2005, 325 ZInsO 2005, 487 = NJW-RR 2005, 842 = BGH-Rep 2005, 875 bzw RGZ 30, 22, 23 f (in die Form eines Forderungskaufs gekleideter, zusätzlicher Verlustausgleich) und ObTr StriethorstsA 46 (1863) Nr 65, S 353, 357. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 226 Rn 7; HK/Haas InsO9 § 226 Rn 5; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 226 Rn 8; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 226 Rn 11. Noch anders im Ansatz hier BK/Flöther/ Wehner InsO29 § 226 Rn 11: Preis über

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der geplanten „Quotenerwartung“ unerlaubt (das wäre aber recht beliebig …). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 226 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 226 Rn 8. Das erscheint der Kernpunkt bei BGHZ 162, 283, 290 f und 292 f [II 3a bb und dd] {24 f und 29–33}. Trotzdem ist amtswegig eine Beachtung bei Vorprüfung mittels § 231 I Nr 2 möglich (Prognoseentscheidung) – so wenn und weil eigene Kompensationsmittel zum Ausgleich der Schlechterstellung fehlen (BGH NJW-RR 2017, 1130, 1131 f {8–16} [II 2b] = DZWIR 2017, 535, 536 f).

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§ 227

Sechster Teil. Insolvenzplan

unstatthafte Bevorzugung im Vergleich zu passiv bleibenden Gruppenmitgliedern125 (keine „Kollektivierung“ eines Prozesserfolges).

§ 227 Haftung des Schuldners (1) Ist im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt, so wird der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen Gläubigern befreit. (2) Ist der Schuldner eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, so gilt Absatz 1 entsprechend für die persönliche Haftung der Gesellschafter. Materialien: EB LS 2.4.9.7 I und II (Begr S 284 f) [wegen Abs 2 siehe Rn 18]; DiskE § 260 I und II (Text: S 133; Begr: BT S 236), RefE § 260 I und II (Text: S 151; Begr: BT S 270 f); RegE § 270 I und II (BT-Drucks 12/2443 S 52, 202 [RV]; BT-Drucks 12/7302 S 99, 182 [RA]) – Stammfassung. Wegen DiskE/RefE/RegE Abs 3 siehe § 334 I InsO im Anschluss an § 378b II RA (BT-Drucks 12/7302 S 99, 182 [Nr 143] bzw 194 [Nr 212]). Vorgängerregelungen (Abs 2): PR KO § 198; GemSchO § 223 S 2 (Mot II S 211); KO/aF § 200 II (Mot S 448 = Hahn IV S 395; Prot S 122 [I], S 190 [II] = Hahn IV S 614, 682] bzw KO/nF § 211 II (Nov S 46 = Hahn/Mugdan VII S 250]) bzw VglO/aF § 89 Nr 4 (RT-Drucks III/2340 S 36 [RV]; RTDrucks III/3430 S 24 [I], S 37 [II] [RA]: § 82 Nr 4); RJA § 109 Nr 3 (Mot S 87); VglO/nF § 109 Nr 3 (DJ 1935, 389, 393 li. Sp.). Literatur Blankenburg Restschuldbefreiung im Insolvenzplanverfahren und bei Einstellung des Verfahrens, ZVI 2017, 89; Brand Die Auswirkungen eines Insolvenzplans auf die Haftung ausgeschiedener Personengesellschafter, KTS 2009, 431; Dellit/Hamann Forderungserlass und Insolvenzplan – Zur entmystifizierung „der Naturalobligation“ durch systematische und funktional-teleologische Auslegung, ZIP 2015, 308; Eidenmüller Gesellschafterstellung und Insolvenzplan, ZGR 2001, 680; Flöther/Wehner Insolvenzplanbedingter Forderungserlass und Aufrechnungsbefugnis, ZInsO 2009, 503; Hänel/Harig Der Teilinsolvenzplan zur Erlangung vorzeitiger Restschuldbefreiung, ZVI 2015, 282; Harig Restschuldbefreiung mittels Insolvenzplans, ZInsO 2017, 752; Jacobi Sanierung durch Insolvenzplan versus unbegrenzte Aufrechnung, NZI 2009, 351; Jacobi/Melzer Der verfahrensbegleitende Insolvenzplan als Instrument vorzeitiger Restschuldbefreiung vor dem Hintergrund eines europäischen Paradigmenwechsels, VIA 2017, 65; Kesseler Die Behandlung persönlicher Gesellschaftersicherheiten im Verfahren der Gesellschaftsinsolvenz, DZWIR 2003, 488; Lissner Die neuen Wege aus der Schuldenfalle, ZInsO 2014, 1150, 1152 f; Lwowski/Tetzlaff Altlasten in der Insolvenz – Freigabe, Insolvenzplan und parallele Zwangsverwaltungsverfahren, NZI 2004, 225, 229–231; H-F Müller Gesellschaftliche Regelungen im Insolvenzplan, KTS 2002, 209, 255–260; Oepen Massefremde Masse (1999) S 170–187; Rugullis Aus der Vergangenheit lernen: Zum Verständnis der §§ 227, 254, 255 InsO, KTS 2012, 269; Rugullis Schuldenbereinigungsplan und Insolvenzplan – ein Rechtsfolgenvergleich, NZI 2013, 869, 872; Schröder Die Vergleichs- und Regelungsbefugnis hinsichtlich § 44a InsO und § 254 Abs. 2 InsO im Insolvenzplan, ZInsO 2015, 1033; Schwalme Die Stellung des Anteilseigners in der Unternehmensinsolvenz, DZWIR 2004, 230; Theißen Gesellschafterbürgschaften in der

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 226 Rn 10; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 226 Rn 7 aE; MünchKomm/Breuer InsO3 § 226 Rn 13.

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Siehe auch schon BT-Drucks 12/2443 S 202 li. Sp. (Barabfindung von Dissidenten) iVm S 134 li. Sp.

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§ 227

Haftung des Schuldners

Insolvenz der OHG nach neuem Recht, ZIP 1998, 1625, 1628–1630; Warrikoff Die Befreiung des Schuldners von seinen Verbindlichkeiten, ZInsO 2005, 1179.

Übersicht I. Normzweck und Normgenese . II. Sachlicher Anwendungsbereich . 1. Auffangregelung . . . . . . . 2. Gläubigerbefriedigung . . . . 3. Planbestätigung . . . . . . . . III. Persönlicher Anwendungsbereich 1. Aktivseite . . . . . . . . . . .

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Rn. 1 3 3 4 7 8 8

2. Passivseite . . . . . . . . . . . . a) Natürliche Personen (Abs 1) b) Juristische Personen (Abs 1) c) Mithafter (Abs 2) . . . . . . d) Ehegatten . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . V. Befugnis abweichender Regelung .

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Rn. 10 10 13 14 19 20 28

I. Normzweck und Normgenese Abmilderung der Schuldenlast und dabei zumeist (teilweise) Schuldenbefreiung ist 1 Kehrseite des Sanierungsakts (man spricht demnach vom Schuldenbereinigungs- oder Entschuldungsverfahren).1 Die Grundmaxime unbeschränkter Nachhaftung (§ 201 I [einst: § 164 I KO]) passt darauf im Ansatz nicht – es geht um eine nachhaltige Bereinigung der bestehenden Schuldenlast („Passiva“), wenn und weil insoweit Sanierungspläne anstehen (arg § 1 S 1 Hs 3: „insbesondere zum Erhalt des Unternehmens“ [siehe dazu Vor §§ 217 ff Rn 38 f, 45 [3], 48 iVm § 220 Rn 73 f]) und abweichend vielleicht bei Liquidationsplänen.2 Abs 1 fokussiert demgemäß auf Sanierungen (Hs 2/3) und erlaubt im Übrigen die anderweite planerische Gestaltung (Hs 1, dazu Rn 28). Es geht um eine „Aufteilung“ des erzielbaren wirtschaftlichen Sanierungsgewinns:3 die Gläubiger erhalten mehr als ihre Insolvenzquote, der (Gemein-) Schuldner verbleibt trotzdem rechtlich existent (soweit juristische Person, vgl Rn 13) bzw bekommt sogar zügiger „seine“ Restschuldbefreiung4 (soweit natürliche Person, vgl Rn 10–12). Das Regelungsmodell des Abs 15 („Restschuldbefreiung“ (Rn 1 iVm 20 ff) überträgt 2 Abs 2 sinngemäß auf die persönliche Einstandspflicht bestimmter Gesellschafter (Rn 14 f) bzw Gesellschaften (§ 11 II Nr 1). Das wird zT dann als Ausnahmebestimmung6 bzw

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Richtig K Schmidt/Spliedt InsO19 § 227 Rn 1: nicht eigentlicher Zweck, indes wesentliches Motiv – anders im Ansatz MünchKomm/ Breuer InsO3 § 227 Rn 1: Hauptzweck bzw Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 227 Rn 1: Hauptinteresse. Leicht kryptisch hierzu HK/Haas InsO9 § 227 Rn 1: „Vergleiche [?] … sollen idR die Schuldenlast erleichtern.“ Welche jedoch gleichwohl erfasst werden: Smid FS Gerhardt (2004) S 931, 937; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 227 Rn 9 – wobei sich dafür dann empfiehlt, Forthaftung anzuordnen (zutr Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 2). Sehr lesenswert dazu Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 1 f. In einem „untechnischen“ Sinne, dazu vgl auch Rn 20. Treffend aber reziprok auch BK/

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Flöther/Wehner InsO29 § 227 Rn 1 aE („Die Interessen des Schuldners haben keine Priorität.“) mit Rn 2. Jenes ist keine „Verfahrensvereinfachung“ (so sieht es indes Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 227 Rn 1 – aber: Rn 2–5 [?]), sondern Schuldnerbegünstigung und Sanierungsvereinfachung. Es gehorcht amerikanischen Mustern (FK/ Jaffé InsO9 § 227 Rn 3; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 227 Rn 1): 11 USC § 1141 lit d Nr 1 A: „Except as otherwise provided … the confirmation of a plan [!] discharges the debtor from any debt that arose before the date of such confirmation“. Liquidationspläne sind gesetzmäßig aber ausgenommen: Nr 3 A! RGZ 92, 181, 193 (KO).

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§ 227

Sechster Teil. Insolvenzplan

„nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmeregelung“7 gedeutet und demzufolge möglichst restriktiv gehandhabt. Dahinter steht letzthin die Abgrenzungsfrage, welche Norm greift: § 227 II (Haftungsfreistellung) oder § 254 II S 1 (Weiterhaftung von Mitschuldnern). Mit der (Vor-) Festlegung auf den Sonderfall, kann man jene Wertungsfrage allemal jedoch nicht gleich einfach miterledigen – siehe aber doch bei Rn 17 aE. Die Sachfrage hat Tradition (dazu Jaeger/Weber § 211 KO8 Rn 3–5) im Widerspiel von einerseits § 211 II KO „versus“ § 193 S 2 KO bzw andererseits § 109 Nr 3 VglO „versus“ § 82 II VglO – als Vorbilder für § 227 II InsO (bzw § 254 II InsO), wobei hier das Vergleichsrecht den Zwangsvergleich der Konkursordnung nur „nachgezeichnet“ hat.8

II. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Auffangregelung

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§ 227 ist Auffangnetz mangels abweichender eigener Gestaltung („normiertes Schweigen“). Sie verlangt, dass im gestaltenden Teil eines Plans nichts Gegenteiliges bestimmt wurde (Abs 1 Hs 1). Dies ist auch dann der Fall, wenn das Schicksal einer Forderung bloß partiell geregelt wird:9 wurde eine Quote von ¼ vorgesehen, so ergreift die Regelung ohne weiteres dann den „Rest“ von ¾ (Schuldbefreiung [Rn 22–24] nach § 227 I); man könnte aber ebenso das Schicksal explizit gestalten (Schuldenerlass [Rn 6, 28] nach § 254 I). Vorrang genießen jeweils freilich die Sonderregeln hinsichtlich der nachrangigen Insolvenzgläubiger: § 225 I einerseits10 (automatischer Erlass, dort Rn 10 f), § 225 III andererseits11 (keine Einschränkung, dort Rn 20 f). 2. Gläubigerbefriedigung

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Die Auffangregel (dazu Rn 3) greift lediglich, soweit überhaupt der gestaltende Planteil irgendwelche (Teil-) Befriedigungen vorsieht (Abs 1 Hs 2). Das aber würde allein genügen (vorbehaltlich der Planbestätigung, dazu Rn 7): es geht um eine „vorgesehene“ Befriedigung, also nicht eine tatsächlich „erbrachte“ Befriedigung12 iSv realer Leistung nebst Erfüllung (§ 362 I BGB); Befriedigung ist ohnedies ein prozessualer Begriff, erfasst (materiell) ebenso Erfüllung wie Surrogate (dazu § 130 Rn 12 [Henckel]), aber zB auch zwangsweise Durchsetzung oder ersatzweise Drittzahlung etc.13 Entscheidend ist, dass plangemäß ein

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OLG Dresden ZIP 2013, 1341, 1342 li. Sp. [II 1], zust HK/Haas InsO9 § 227 Rn 1 aE. KO-Mot S 448 = Hahn/Mugdan IV S 395: „Für die persönlich haftenden Gesellschafter … würde ein Zwangsvergleich fast werthlos sein, wenn die Gesellschafter neben der Vergleichsquote kraft Gesetzes für den Rest der Gesellschaftsforderungen verhaftet blieben.“ bzw RT-Drucks III/2340 S 36 li. Sp. BT-Drucks 12/2443 S 202 [§ 270 {1}]. MünchKomm/Breuer InsO3 § 227 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 3. AA bei positiver Planregelung HK/Haas InsO9 § 227 Rn 2 – aber: wieso soll der (ungeregelte) Restbetrag nicht Fall von § 225 I

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sein? Dunkel bleibt Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 227 Rn 3 („Eine Regelung [iSv § 227] liegt auch vor, wenn die Zweifelsregelung des § 225 Abs. 1 eingreift.“). MünchKomm/Breuer InsO3 § 227 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 6. AA LAG Mainz, U. v. 16.11.2005 – 10 Sa 418/05 {21} („durch die Auszahlung … von ihren restlichen Verbindlichkeiten … befreit worden“); Foerste InsR6 Rn 491; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 227 Rn 2 f; Regullis KTS 2012, 269, 273/274 mit S 274–276 [III] sowie auch einst Uhlenbruck/ Lüer InsO12 (2003) § 227 Rn 3. Baur/Stürner InsR12 Rn 19.36, vgl auch erg Baur/Stürner/Bruns ZVR 13 (2006) Rn 15.29

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Haftung des Schuldners

§ 227

Insolvenzgläubiger (§ 38) auf eben diese Forderung etwas abbekommen solle. Hinter Abs 1 steckt zudem noch ein Konkordanzgebot (der Plural ist falsch! – Rn 20) zwischen planmäßiger (Teil-) Befriedigung auf Tatbestandseite und ausgelöster (Rest-) Befreiung auf der Rechtsfolgeseite. Bezugspunkt der Vorschrift ist insoweit immer bloß die einzelne Insolvenzforderung. Es muss mithin anderweitig abgesichert werden, dass wirklich eine Befriedigung er- 5 bracht wird (dazu § 255 Rn 16 ff), wobei aber die Nichtleistung auf die Befreiungsfolge wieder zurückzuschlagen vermag, und zwar durch nachträglich rückwirkende Beseitigung von Stundung oder Teilerlass (§ 255: „Wiederaufleben“ als „Säumigkeitsfolge“ – in Anlehnung an § 9 VglO/nF bzw § 7 VglO/aF14). Insofern nämlich ein Wiedererstarken infolge Nichterfüllung erfolgt, entfällt auch zugleich die Rechtsgrundlage der Schuldbefreiung15 (volle Haftung, statt Teilung). Das greift bei erheblich aufgelaufenem Rückstand (§ 255 I – auch: Abs 3 S 2) – bezüglich einzelner Gläubiger – sowie bei einer Folgeinsolvenz (§ 255 II – aber: Abs 3 S 1) – bezüglich aller Gläubiger. Aus der Begrifflichkeit der „vorgesehenen Befriedigung“ (dazu Rn 4) folgen noch ab- 6 grenzend zwei andere Klärungen. Der (endgültigen) Befriedigung steht prozessual jeweils die (temporäre) Sicherung (§ 167 GemSchO: „Sicherstellung“) gegenüber – sie soll (und kann) demnach nicht genügen;16 Sicherung wirkt schließlich als materiell zusätzliche „Garantie“, und hier macht dann der „Rückschnitt“ des Hauptrechts von vornherein auch keinen Sinn (möglich wäre allemal aber autonome einverständliche Regelung [Rn 28]: Teilschulderlass gegen Restabsicherung). Befriedigung bedeutet außerdem quantitativ, dass mindestens etwas (bzw „ein wenig“) einzulösen ist – die vorgesehene Befriedigung kann also nicht „Null“ sein17 (im Unterschied zu § 305 [„Nullplan“], aber vgl auch erg hier Rn 11 aE). Das schließt natürlich keineswegs aus, dass der Plan „bedingungslos“ eine komplette Schuldbefreiung zugesteht, aber das wäre ausdrücklich zu vereinbaren und folgt nicht aus § 227. 3. Planbestätigung Nötig ist zudem, dass der Insolvenzplan als solcher Wirkung entfaltet, also bestätigt 7 (§§ 250/251) wird, und zwar rechtskräftig (§ 254 I).18 Das folgt zwar nicht unbedingt direkt aus § 254 I, der positive Gestaltung normiert („treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen … ein“), jedoch aus seinen systematischen Zusammenspiel mit § 227 I.

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sowie vor allem Baur/Stürner Fälle und Lösungen, Zwangsvollstreckungs- Konkursund Vergleichsrecht, 19896, S 14 f. Näheres siehe bei RT-Drucks III/2340 S 17 re. Sp. Richtig gesehen: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 3 aE; Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 227 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 227 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 227 Rn 4; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 227 Rn 4; wohl auch MünchKomm/Breuer InsO3 § 227 Rn 9 aE. AA die hM: Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 227 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 227 Rn 4; FK/ Jaffé InsO9 § 227 Rn 10; wohl auch Uhlen-

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bruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 3 „ … im Insolvenzplan zugesagte Leistungen …“. Anders Ehlers DB 2014, 131, 136 („gegen Null mögliche Grundlage“); Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 227 Rn 3 („bis hin zum Ausschluss“). BGH NJW-RR 2011, 1142, 1143 {8} [II 2] und 2012, 1255, 1255 {9} [II 2]; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 227 Rn 4; Braun/ Braun/Frank InsO7 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 227 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 227 Rn 8; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 3; MünchKomm/Breuer InsO3 § 227 Rn 8 – aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 227 Rn 2.

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§ 227

Sechster Teil. Insolvenzplan

Jene Auffangregel (dazu Rn 3) sorgt eben dafür, dass dieser Inhalt als auch (mit-) vereinbart gilt. Auf die tatsächliche Planerfüllung kommt es – vorderhand wenigstens – nicht an,19 zumal ja schon hypothetische Planerfüllung ausreicht (dazu Rn 4). Anders wäre es bei einer gezielt negativen Gestaltung/Abweichung, welche indes ohne weiteres dann wieder unter § 254 I fiele.

III. Persönlicher Anwendungsbereich 1. Aktivseite

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Mit Gläubiger erfasst das Gesetz die „normalen“, vollrangigen Insolvenzgläubiger iSd § 38;20 die Stellung nachrangiger21 Gläubiger iSd § 39 regelt abweichend bzw spezialiter vorweg § 225 I und III (siehe dazu auch schon dazu Rn 3 aE). Ob sich dieser Gläubiger am Verfahren selbst beteiligt hat (Anmeldung, Feststellung, Abstimmung, Widerspruch etc), bleibt sich gleich22 (arg § 254b): es gelten inhaltlich dieselben Wirkungen; nötig dazu ist auch keine förmliche nachträgliche Anmeldung23 (die zeitlich begrenzt nur noch statthaft wäre …), Titelwirkungen einmal ausgeklammert (§ 257 I S 1: „in Verbindung mit der Eintragung in die Tabelle“ – daher entsprechende Leistungsklage nötig24). Im Grunde ein völlig „normaler“ Insolvenzgläubiger ist auch das Finanzamt bzw die Staatskasse, wobei aber die Steuerpflichtigkeit von Sanierungsgewinnen eine besondere Problematik begründet (dazu Vor §§ 217 ff Rn 199 ff), ferner jede andere öffentliche Kasse (Versicherungs-/Versorgungsträger). 9 Die Haftung des Schuldners (Überschrift!) „nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens“ (§ 217 [S 1] Var 4) ist Kehrseite der Befriedigung der Gläubiger durch das Insolvenzverfahren oder den Insolvenzplan (§ 224 bzw § 217 [S 1] Var 1b). Die Vollrangigen bilden immer eine „Zwangsgruppe“ (§ 222 I S 2 Nr 2, dort Rn 4 und 79), zumeist aber auch mehrere Untergruppen (§ 222 II, hier Rn 20). Die Art des individuellen Betroffenseins erschließt sich demzufolge erst aus der jeweiligen komplementären Gestaltung. – Nicht berührt sind dagegen die Absonderungsberechtigten (arg § 223) – was deren dingliches Recht betrifft;25 ihre möglichen akzessorischen persönlichen Ansprüche rechnen natürlich hierher (vgl § 52 S 1), dh mit – positiver wie negativer – Vollbeachtung bei Rechtsverzicht (arg § 52 S 2 Var 1) und Teilbeachtung bei Rechtsausfall (arg § 52 S 2 Var 2) – Einzelheiten: § 222 Rn 75–78. Massegläubiger bleiben genauso ausgeklammert26 und erst recht Aussonderungsbefugte. 19 20 21

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Siehe aber zur aA bei Fn 12 mit Rn 4. LAG Sachsen, U. v. 22.11.2007 – 1 Sa 364/03 {31}. Oder lediglich „nachnachrangiger“ (iSv gleichgestellter) Gläubiger: BGHZ 185, 206, 211–213 {27 ff, 30} (stimmrechtslose Vorzugsaktionäre) (§ 225 Rn 5 aE). BGH NJW 2015, 2660, 2662 {12} [II 2b aa]; NJW-RR 2011, 1142, 1143 {8} [II 2]; 2012, 1255, 1255 f {10 f} [II 3]; AG Leipzig NZI 2011, 327, 328/329; BAGE 153, 271, 276 {21} [II 3] = NZI 2016, 175 = KTS 2016, 232 = DZWIR 2017, 515; Otte/Wieser NZI 2005, 70, 71; siehe auch schon BGHZ 32, 218, 223/224.

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AA LAG Sachsen, U. v. 22.11.2007 – 1 Sa 364/03 {42}, mit Recht dagegen OLG Celle NZI 2011, 690, 692 [II 4a bb]. BAGE 153, 271, 276 {21} [II 3]; ZIP 2013, 2268, 2270 {25 mit 49} [II vor 1 mit 2c bb (3f aa)]; eher mittelbar auch BGH NJW-RR 2012, 1255, 1256 f {14–16 mit 23} [II 4b mit 4d]. Braun/Braun/Frank InsO7 § 227 Rn 6 (Abs 1); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 5 (Abs 1/2); MünchKomm/Breuer InsO3 § 227 Rn 14 (Abs 2). Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 227 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 227 Rn 2;

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2. Passivseite a) Natürliche Personen (Abs 1). Mit Schuldner ist natürlich der Gemeinschuldner an- 10 gesprochen, und zwar einer, der insolvenzfähig ist (Abs 1 iVm § 11). Bei natürlichen Personen (§ 11 I S 1, Var 1) „konkurriert“ die eröffnete Restschuldbefreiung letztlich mit §§ 286 ff, freilich nur verdeckt, als Konsequenz nötiger Zustimmung: ein förmlich erhobener Widerspruch (§ 247 I) ist bloß dann als prozessual unbeachtlich übergehbar, wenn der Plan „voraussichtlich“ keinerlei Schlechterstellung begründet (§ 247 II Nr 1) – das würde er indes bei wesentlich verschlechterten Konditionen. Die Gesetzesmotive formulieren das noch etwas härter: der Gemeinschuldner dürfe „gegen seinen Willen durch den Plan nicht in geringerem Maße von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit werden [als im Regelverfahren mit nachfolgender Restschuldbefreiung].“27 Damit wird aber dem Prognoseelement („voraussichtlich“) nicht genügend Rechnung 11 getragen. Es muss doch darum gehen, die aktuelle (Plan-) Situation des Gemeinschuldners (unmittelbar erreichbare Entlastung – im Unterschied zu §§ 287 II und III, 287b, 295 I, 300 I: Abtretungsfrist) mit den gesamten hypothetischen Abläufen eines Restschuldbefreiungsverfahrens schon gegenwärtig zu vergleichen („Vergleichsrechnung“: § 220 Rn 78 ff). Das macht bereits rechnerisch größere Schwierigkeit, dazu kommen noch offene Prognosefragen: Wie hoch sind etwa reale Arbeitserlöse zu veranschlagen? Was kann noch als nötige Tätigkeit zugemutet werden? Hat sich der Schuldner genügend hierfür bemüht? Es geht jedoch kaum an, kurzerhand Höchstbeträge anzusetzen28 (und dadurch Schlechterstellung einfach von vornherein zu minimieren), es geht jedoch genausowenig an, den status quo zu prolongieren.29 Bei voraussichtlicher Dauerarbeitslosigkeit könnte der Vergleichswert gleich ganz auf Null sinken (was jedenfalls Zustimmung abverlangt – arg Rn 6 aE). – Unnötig ist dagegen, dass ein paralleler Restschuldbefreiungsantrag (iSv § 287 I – Fristbindung!) existiert. Beide Wege mögen ähnliche Ergebnisse erzielen, sind indes nicht etwa im Tatbestand normativ verkoppelt. Das AG Hamburg irrt, wenn es hier eine ergänzende „Bedürfnisprüfung“ abverlangt (dazu § 217 Rn 70 aE), um implizit „Druck auf dem Kessel“ zu erhalten (Mitwirkungspflichten). Alle Gläubiger entscheiden – nach Gutdünken, nicht etwa das Gericht im Vorfeld (§ 231).30 In der Praxis ist jedoch die planbezogen gewährte, „erleichterte“ Restschuldbefreiung, 12 dh losgelöst vom Verfahren der §§ 286 ff, ein zumeist entscheidender Vorteil, der unverhohlen verlockt zuzustimmen: die Schuldbefreiung ist infolgedessen hic et nunc erreichbar, nicht etwa erst das Ergebnis eines langwierigen, dornigen Weges.31 Die großzügig(er) gewährte Befreiung lässt oft erst das – jedenfalls für Fremdpläne – wichtige Einverständnis

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Leonhard/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 227 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 227 Rn 3; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 227 Rn 3. BT-Drucks 12/2443 S 202 li. Sp. [§ 270 {2}]. So aber MünchKomm/Breuer InsO3 § 227 Rn 7 (iVm Rn 2). Ohne jeden Anhalt: Braun/ Braun/Frank InsO7 § 227 Rn 7 (die zusätzlich Insolvenzplanfähigkeit bezweifeln [?] – richtig später indes dann bei Rn 9!), aber zB auch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 227 Rn 2 und HK/Haas InsO9 § 227 Rn 6; recht ähnlich zudem Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 227 Rn 4 („zu errechnen,

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was der Schuldner fiktiv [!] zu erbringen hat“ – wie?). So will es wohl Madaus NZI 2017, 697, 699 f [II 3b]. Richtig LG Hamburg ZInsO 2018, 331, 335 f [II B] gegen AG Hamburg NZI 2017, 567–569 [II 1] = ZInsO 2017, 1376 (fehlendes [Rechtsschutz-] Bedürfnis) m abl Bespr Madaus NZI 2017, 697 f [I]; m krit Anm Grote ZinsO 2017, 1380; m abl Bespr Foerste ZinsO 2017, 2424 und 2601. Insgesamt umfassender Vergleich bei Warrikoff ZInsO 2005, 1179, 1181–1183 [IV].

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des Gemeinschuldners erhoffen. Das enthebt der Notwendigkeit exakten Vergleichens.32 Im Übrigen sollte allemal das Prognoseelement („voraussichtlich“) für nötige Spielräume sorgen und vermeidet kleinliche Rechnerei. Möglich wäre uU noch dazuhin, eine materielle Anpassungsklausel für den Insolvenzverwalter vorzusehen (§ 221 S 2 Var 1), um gleichsam die Wirkungen des § 251 III faktisch zu kopieren (dazu § 221 Rn 105–107).

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b) Juristische Personen (Abs 1). Die juristischen Personen (§ 11 I S 1 Var 2) und auch die anderen insolvenzfähigen Gebilde (§ 11 S 2 und II) erlöschen normalerweise (dazu § 11 Rn 16 ff [Ehricke]), sodass für eine Nachhaftung (§ 201 I) nichts übrig bleibt. Anders im Falle einer den Träger erhaltenden Sanierung (wegen Vorteilen siehe § 225a Rn 6), hier muss dann zum Ausgleich Restschuldbefreiung ebenfalls insoweit erlaubt werden (vgl auch erg § 11 III). Das bewirkt § 227 mittels (im Unterschied zu § 286: „Ist der Schuldner eine natürliche Person“) nicht näher ausdifferenziertem Anwendungsbereich (§ 227: „wird der [Gemein-] Schuldner … befreit“). Problematisch ist jedoch die Anwendbarkeit des Schlechterstellungsverbots (§ 247 II Nr 1, dort Rn 15 ff). Man kann hier kaum sagen, juristische Personen und die übrigen insolvenzfähigen Gebilde würden jeweils schlechter behandelt, da sie ja eigentlich niemals forthaften müssten – der „Preis“ dafür ist rechtlich ihr Untergang. Das kann man ansatzweise schon gar nicht vergleichen.33 Bezugspunkt des Vergleichens können immer bloß die insoweit beteiligten (natürlichen) Personen sein: das führt zum „Normenwechsel“ von § 248 auf § 251, mit indes allemal ähnlicher Perspektive (Abs 1 Nr 2: „voraussichtlich schlechtergestellt“), aber auffällig strikterem Verfahren (Abs 2 und Abs 3).

c) Mithafter (Abs 2). Die Einbeziehung der persönlich mithaftenden Gesellschafter34 ist entlehnt von § 211 II KO und § 109 I Nr 3 VglO. aa) Tatbestand (Hs 1). Es geht um eine Insolvenz von „rechtsunfähigen Gesellschaften“ iSv § 11 II Nr 1, aber gleichwohl doch insolvenzfähigen Gesamthandsgemeinschaften mit eigener persönlicher Haftung der diese jeweils tragenden Gesellschafter (wegen Anwendungsfällen siehe Rn 15). Hier liegt nahe, die Schuldbefreiung auf die „werbenden“ Persönlichkeiten klarlegend zu erstrecken, letztlich um Sanierung zu befördern, mag auch zT hier schon die Forderungsschwächung auch gesellschaftsrechtlich zur materiellen Einwendung berechtigen (vgl § 128 S 1 HGB einerseits, § 129 I HGB andererseits35 – ergänzend: § 176 HGB36) – sog Akzessorietätsgrundsatz. 15 Anwendungsfälle (Vorgründungs- und Vorgesellschaften mit eingeschlossen37): oHGGesellschafter (§ 128 S 1 HGB); KG-Komplementäre (arg § 161 II HGB); Gesellschaften

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Vgl auch erg einerseits Bork InsR8 Rn 383 mit Fn 35 und Foerste InsR6 Rn 492 (Miteinbeziehung!) bzw Häsemeyer InsR4 Rn 28.72 andererseits (Parallelverfahren?). Wohl wie hier Jauernig/Berger InsR23 Rn 61.13. Wohl wie hier Foerste InsR6 Rn 492, HK/ Haas InsO9 § 227 Rn 6 und Braun/Braun/ Frank InsO7 § 227 Rn 7. Keinerlei Analogie statthaft für Durchgriffsoder Organhaftung: Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 227 Rn 8. BGHZ 208, 227, 238 {26} [II 1c cc] = NJW 2016, 1592 = DZWIR 2016, 331, siehe sinngemäß schon BGHZ 47, 376, 378 ff bzw

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Hadding ZGR 1973, 137, 156 – zust K Schmidt/Spliedt InsO19 § 227 Rn 5; HambK/ Thies InsO8 § 227 Rn 8; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 227 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 227 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 InsO14 § 227 Rn 9; MünchKomm/ Breuer InsO3 § 227 Rn 13 iVm 3. Siehe auch schon Art 112 ADHGB. Zutreffend erkannt von Hess/Weis/Wienberg § 227 Rn 15, zust MünchKomm/Breuer InsO3 § 227 Rn 15 und Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 227 Rn 5. Nicht aber bei AG oder GmbH: Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 8; MünchKomm/Breuer InsO3 § 227 Rn 12 aE.

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von Freiberuflern („Partnerschaft“ – § 8 I PartGG); GbR-Gesellschafter (nicht bloß bei unternehmerisch tätiger Außengesellschaft38); Partenreeder39 (§ 507 I HGB/aF – quotale Haftung!); EWiV-Beteiligte (Art 23 I EWiV-VO) – und außerdem die „Haftungsaktionäre“ (im Unterschied zu Kommanditaktionären; überhaupt bleiben lediglich begrenzt Haftende [„Kommanditisten“40] hier ausgeklammert). Die KGaA war explizit zu benennen, da sie eine juristische Person verkörpert und doch auch einen persönlich haftenden Gesellschafter kennt (§ 278 I AktG); über die KG-Regeln (§ 278 II AktG) greift für ihn oHG-Haftung (§§ 161 II, 128 S 2 HGB), sodass er zweckmäßigerweise gleich zu behandeln war. Körperschaften bleiben ausgeklammert (und zwar auch bei starker personalistischer Prägung).41 bb) Rechtsfolge (Hs 2). Abs 2 erlaubt den Zugriff auf Abs 1 (ganzer Absatz, inbegriffen 16 abweichende Disposition (iSv Rn 28), freilich bloß unter zwei Kautelen: Die erste ist klar rechtsfolgeorientiert und verordnet entsprechende Anwendung; im Grunde gelten allerdings völlig identische Regeln (dazu Rn 20 ff), dh Schuldbefreiung für den Forderungsrest (mit Offenheit gegenüber den möglichen gesellschaftsrechtlichen Spezifika). Die zweite ist auch tatbestandsrelevant, indem sie jenen zentralen Konnex von Gesellschaftsform und Personalhaftung (dazu Rn 14 iVm 2) noch einmal klar betont: nur ein persönlich haftender Gesellschafter erhält den Vorzug des speziell insolvenzrechtlichen Einwands (unbeschadet gesellschaftsrechtlicher Einwendungen). Das zwingt zur Abgrenzung. Einschränkungsfälle: Die „persönliche Haftung der Gesellschafter“ meint hier nämlich 17 bloß die gesellschaftsrechtlich angeordnete persönliche Einstandsverpflichtung und also die spezifische Gesellschafterhaftung (und zwar als Vollhafter – mit einer kleinen Einschränkung wegen § 507 I HGB/aF). Schon unter altem Recht waren keine anderen Rechtsgrundlagen berührt. Ausgenommen sind auch künftighin besondere individualvertragliche, materielle Haftungsgrundlagen (Bürgschaftserklärung; Garantiezusage; Schuldbeitritt etc,42 aber uU auch abgabenrechtliche Handlungspflichten, §§ 69 ff AO43), aber etwa insb auch eine dinglich gestellte Sicherheit; ausgenommen blieb einst gleichfalls die Weiterhaftung ausgeschiedener Gesellschafter.44 Das kann man heute eher etwas kritisch

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Welche bekanntlich BGHZ 146, 341, 343–347 [I] als rechtsfähig wertet (dann: § 128 S 1 HGB analog); wegen „traditioneller“ Sicht: BGHZ 23, 307, 313 f; 56, 355, 361 f; 72, 267, 271 (hier: §§ 427, 432; 840 I BGB). Für vor dem 25.04.2013 gegründete Reedereien: Art 71 I EGHGB. Sogar wenn sie einmal ausnahmsweise haften: RGZ 150, 163, 166 ff (KO); BGH NJW 1970, 1921, 1922 (VglO) – anders H-F Müller KTS 2002, 209, 259 f [VI 4]. BFH ZIP 2013, 1732, 1733 mit S 1733/ 1734 {19}: abgabenrechtlicher Haftungsschuldner. RGZ 23, 119, 120 (KO: Pfandbestellung); KG OLGR 32 (1916), 398, 400 (KO: Pfändungspfandrecht); RGZ 139, 252, 254 (KO: Bürgschaft); eher implizit auch BGH KTS 1969, 50, 51 [II 1] (VglO: Anerkenntnis) – zust MünchKomm/Breuer InsO3 § 227 Rn 13; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 227 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit

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InsO14 § 227 Rn 10; HK/Haas InsO9 § 227 Rn 7; HambK/Thies InsO8 § 227 Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 227 Rn 5 aE; BK/ Flöther/WehnerInsO29 § 227 Rn 9; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 227 Rn 8; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 227 Rn 5; offenlassend OLG Dresden ZIP 2013, 1341, 1342 li. Sp. [II 1] – abl Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 227 Rn 5 mit § 254 Rn 7 (Umgehung bzw Leerlauf). BFH ZIP 2013, 1732, 1733 {13}; deutlich differenzierter insoweit VG Göttingen, B. v. 29.08.2013 – 2A 648/13 {3 f}. Wegen § 93 siehe BGHZ 151, 245, 248 ff [II 2] mwN m abl Bespr Kesseler DZWIR 2003, 488 (Plädoyer extensiver Analogie: S 491/492 [II 3 aE]). RGZ 29, 38, 39 f; SeuffA 53 (1898) Nr 71 S 127; RGZ 56, 362, 366; SeuffA 82 (1928) Nr 92, S 153, 154; RGZ 142, 206, 208; BGH NJW 1970, 1921, 1922 (obiter) – krit Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 11, offen HK/Haas InsO9 § 227 Rn 7, zust

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sehen, kommt indes kaum darum herum, wenn man denn § 254 II S 1 („Mitschuldner“) ernst nimmt (str);45 allerdings scheint § 227 II allemal spezieller (vgl auch erg Rn 2). Wegen § 254 II S 1 fehlt aber ein weitreichendes Analogiebedürfnis. 18 Ein vermittelnder Ansatz ist demgegenüber bemüht, die historisch begründete Systematik (Forthaftung) rechtlich zu beachten, aber doch eine wirtschaftlich unvertretbare Weiterhaftung eines ausgeschiedenen Gesellschafters dabei möglichst zu vermeiden: Kernfrage ist, ob die fortbestehende Außenhaftung bei der Binnenabrechnung (Abfindungsguthaben) schon abgezogen wurde (dann Befreiung) oder stattdessen unberücksichtigt blieb (dann Mithaftung)46 – so wird mithin sichergestellt, dass ein Mal die Leistung auch erfolgt! Ob dies wirklich eine ergänzende Vertragsauslegung (des Insolvenzplans) vermittelt, ist aber doch etwas fragwürdig – dann empfiehlt sich von vornherein klarstellende Gestaltung! Und zudem sollte man sehen, dass der Versuch, das Problem legislativ eigens aufzulösen, bereits zweifach scheiterte, bei der KO-Novelle47 und bei der InsO-Vorlage.48

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d) Ehegatten. Im Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft gilt § 227 I nach § 334 II entsprechend (was selbst wieder auf § 236b II KO und § 114a Nr 3 VglO49 zurückgeht und ursprünglich als Abs 3 bei § 227 sollte eingestellt werden). Es geht – materiell – hier um Gesamtgutsverbindlichkeiten (§ 1459 I BGB) mit persönlicher gesamtschuldnerischer Außenhaftung der beiden Ehegatten (§ 1459 II S 1 BGB) und – prozessual voll konsequent – auch um eine Gesamtgutsinsolvenz (§ 11 II Nr 2, vgl auch erg § 37 II). § 334 II stellt somit klar, dass bei § 227 I der eine „[Gemein-] Schuldner“ hier ausnahmsweise also ebenso zwei Eheleute (oder zeitweilig auch Lebenspartner50) sein können.

IV. Rechtsfolge 20

Die Regelung erlaubt, zwischen verschiedenen Gläubigern zu differenzieren (arg „gegenüber diesen Gläubigern“), aber ebensogut eine Differenzierung zwischen einzelnen An-

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 227 Rn 5; Braun/Braun/Frank InsO7 § 227 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 227 Rn 4; HambK/ Thies InsO8 § 227 Rn 8; MünchKomm/ Breuer InsO3 § 227 Rn 15. Siehe dazu Brand KTS 2009, 431, 432–434 [II 1/2] mwN (Darstellung) iVm S 473–441 [III 1/2] (Argumente). AA hier zB Eidenmüller ZGR 2001, 680, 684 [I 1a]; H-F Müller KTS 2002, 209, 255–258 [VI 3]; dazu vgl noch Schwalme DZWIR 2004, 230, 231 [II 2b]. Brand KTS 2009, 431, 435 f [II 4] iVm S 442 ff [IV]. Siehe ähnlich schon IK-Prot B14/D15 [15.11.1983] S 10 [TOP 4.5 – Var 2]. BR-Vorlage, BR-Drucks 1897 Nr 141 [Art 1 Nr 51]: „Dies [§ 211 II KO] gilt auch in Ansehung der ausgeschiedenen Gesellschafter“ (mit Begr S 24: explizite Änderung „unter billiger Berücksichtigung der Lage eines solchen Gesellschafters“).

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EB I LS 2.4.9.7 II: „begrenzt zugleich die persönliche Haftung der Gesellschafter, die … ausgeschieden sind …“ (Begr: S 285). Eingefügt durch Art 3 I Nr 5 [KO] bzw II Nr 3 [VglO] GleichberG, BGBl I Nr 26 S 609 [in Kraft ab 01.07.1958 (Art 8 II Nr 4 Hs 1)] – dazu treffend F Baur FamRZ 1958, 252, 259 [5]: Selbstverständlichkeit. Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner vom 20.11.2015 (Art 16 Nr 5), BGBl I 2015 Nr 46 S 2010, 2012 [in Kraft ab 26.11.2015 (Art 33)]. Davor fehlte derarte Gleichstellung (arg § 334 II aF: „Ehegatten“). Sie wird nun überflüssig bei „Eheschluss“ (§ 1353 I S 1 BGB) oder „Umwandlung“ (§ 21a LPartG): Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.07.2017 (Art 1 Nr 2 und Art 2 Nr 1) [in Kraft ab 01.10.2017 (Art 3 I bzw III)].

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sprüchen desselben Inhabers, soweit vorher die Person hierzu verschiedenen Plangruppen zugerechnet wurde (§ 226 I) oder insoweit Einverständnis vorliegt (§ 226 II). Die prinzipiell „negative“ Rechtsfolge („[Rest-] Anspruchsschwächung“, vgl Rn 22–24) baut auf eine – reziprok wirkende – vereinbarte „positive“ Gestaltung („[Teil-] Anspruchsbefriedigung“, vgl Rn 4); entsprechend ist vorstellbar, zwischen Personen oder Objekten jeweils im Vorfeld plangestaltend zu unterscheiden. Es fehlt an einer Ausnahmeregelung, so wie § 302 oder § 225 III sie etwa verordnet (§ 302 Nr 2 fällt aber unter § 225 III, dazu dort Rn 20–22; unnötig war ein Pendant für Nr 3 – es gibt keinen Anspruch auf Gerichtskostenstundung51 [wegen Kostenfragen siehe Vor §§ 217 ff Rn 197 f]). Ebenfalls erfasst werden mithin Ansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung,52 vorsätzliche Unterhaltsrückstände, ferner hinterzogene Steuer (Nr 1). Die Regelung ordnet Änderung an: sie wirkt also nicht etwa als Auslegungs- oder 21 Zweifelsregel,53 sondern setzt von vornherein dispositiven (Abs 1 Hs 1) Norminhalt mit Tatbestand (Abs 1 Hs 2) und Rechtsfolge (Abs 1 Hs 3). Dieser Gehalt läuft darauf hinaus, dass die Frage (wie etwa auch die Hauptpflicht beim Kaufvertrag [§ 433 BGB]) nicht eigens geregelt werden müsste (selbstredend allerdings geregelt werden kann …). Eine Zweifelsregel würde inhaltlich durch gegenlaufende Indizien entkräftet (bzw entwertet), die Anwendungsregel als Gesetzesinhalt greift immer, indes eben vorbehaltlich sicherer abweichender Regelung. Die Rechtsfolge wird gemeinüblich als (gesetzliche) „Schuldbefreiung“ umschrieben. 22 Das wirkt ungenau, denn das Gesetz spricht davon, der Gemeinschuldner werde „von seinen … Verbindlichkeiten … befreit.“ Was genau das heißt, bleibt indes dunkel, die gegebenen Deutungen schwanken: Teilerlass54 oder Untergang,55 „Herabstufung“ des Schuldrests zur Naturalobligation56 (hM), „undurchsetzbar[e] … Verbindlichkeit“,57 Haftungsfreiheit58 bzw Durchsetzungssperre?59 Teilweise finden gar globalere „Mischformeln“ Anwendung.60 Das Gesetz gibt jedoch schon einige Fingerzeige. § 227 ist nämlich einerseits gedacht als normierte Auffangregel bezüglich der „Haftung des Schuldners nach der Been-

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BGH NJW-RR 2012, 114, 115 {11 f} [2] (für § 4b I). BGH, B. v. 17.12.2009 – IX ZR 32/08 {2}. So aber Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 227 Rn 1 und 2 („Zweifelsregelung“); Foerste InsR6 Rn 491 („im Zweifel“); Bork InsR8 Rn 383 („Vermutung“); HambK/Thies InsO8 § 227 Rn 1 („Zweifelsregelung“); Dellit/Hamann ZIP 2015, 308, 313 li. Sp. [IV 2] („Auslegungsregel“) – wohl wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 227 Rn 1. Dellit/Hamann ZIP 2015, 308, 313 f [IV 2–4] (implizit) bzw S 315 [V] (explizit: § 397 I BGB); Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 227 Rn 1; sehr unklar hier Jauernig/Berger InsR23 Rn 62.2 [3. Abs]. BK/Flöther/WehnerInsO29 § 227 Rn 3; wohl sinngemäß auch Bork InsR8 Rn 383 („Befreiung“). HM: Braun/Braun/Frank InsO7 § 227 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71

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§ 225 Rn 2. – Selbst aber wieder ein überaus schillernder Begriff: Schulze Naturalobligation [IP 134] (2008), S 188 ff, hier speziell dann S 199 mit Fn 839 iVm S 536 f mit Fn 503 und 510 (mwN). Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 227 Rn 1. HK/Haas InsO9 § 227 Rn 1 (iVm 2); wohl auch Häsemeyer InsR4 Rn 28.22 (Befreiung von der Nachhaftung – aber vgl auch Fn 60). K Schmidt/Spliedt InsO19 § 227 Rn 2 mit § 254 Rn 12 f (klar insoweit aber wiederum § 227 Rn 3); OLG Schleswig ZIP 2017, 1075, 1076 [II 1.2.1]. Beispiele: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 5 und MünchKomm/Breuer InsO3 § 227 Rn 8 (in Widerspruch zu Rn 13: „Erlassfunktion“ [?]); Häsemeyer InsR4 Rn 28.80 [1. Abs].

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digung des Insolvenzverfahrens“ (§ 217 [S 1], Var 4, dort Rn 68–71 iVm 9) und unterscheidet sich doch andererseits von § 224/225, die auffällig abweichende Terminologie verwenden. Dort ist eher untechnisch von Kürzung (§ 224 [Var 1]: „um welchen Bruchteil die Forderungen gekürzt … werden sollen“) dann die Rede, sowie bei nachrangigen Insolvenzgläubigern dogmatischer von Erlass (§ 225 I: „gelten … als erlassen“). Wenn mithin das Gesetz rechtstechnisch einen Schuldenerlass wollte, dann hätte es jenes auch gesagt.61 23 Als Folie bleibt zudem die insgesamt vergleichbar normierte (Rest-) Schuldbefreiung nach Regelinsolvenz (§ 1 S 2 iVm § 286), welche die hierzu entscheidende Regelung (§ 301) jedoch ausdrücklich trifft (§ 286: „nach Maßgabe … [des § 301]“). Freilich besteht insoweit eine erkennbare Konkordanz mit § 254 [I–III],62 der allgemein die Wirkungen des rechtsverbindlich gewordenen Insolvenzplanes beschreibt. Die angeordnete Rechtsfolge des § 227 I Hs 2 (und demnach der Begriff der sog „Schuldbefreiung“) ist also nur eine Art „definitorischer (prozessualer) Zwischenschritt“, der noch einer präziseren Ausfüllung harrt. 24 Anders gesagt: die wirkliche materielle Rechtsfolge des § 227 erschließt sich nur und erst bei (Mit-) Beachtung von § 254 II und III. Dass es sich um keine ausdrücklich autonom festgelegte Wirkung iSd Abs 1 handelt, verschlägt insoweit nichts, denn darüber hilft gezielt gerade § 227 hinweg (dazu Rn 3): man tut so, als sei es normaler (Plan-) Inhalt geworden. Beide Normen arbeiten mithin vollauf Hand in Hand. Das bedeutet schlussendlich, dass hier materiell eine ums prozessuale Durchsetzungsrecht entkleidete, „unvollkommene“ Verbindlichkeit übrig bleibt63 (arg § 254 III [dort Rn 40–44 iVm § 255 Rn 11] bzw § 301 III). Der „Restschuld“ steht kein Befriedigungsrecht mehr bei, die Titelwirkung festgestellter Forderungen (§ 257 I) ist also nicht darauf gemünzt (dazu Rn 25)! Maßstab ist hierfür, was insgesamt „ein Gläubiger … nach dem Plan zu beanspruchen hat“ – alles andere wirkt bloß noch als materieller „Behaltensgrund“ für eventuelle Mehrleistungen

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Zugegeben recht missverständlich daher letztlich BT-Drucks 12/2443 S 202 [§ 270]: „erlassen“ bzw „Erlaß“ – klar später dann jedoch S 213 li. Sp. [§ 301 {4}: „Sieht der Plan vor, daß Ansprüche teilweise erlassen werden, so … besteht eine natürliche Verbindlichkeit fort“. Wegen § 301 I S 2 jetzt § 254b; § 254 IV beschreibt einen Sonderfall – je als Konsequenz des ESUG (Art 1 Nrn 41 und 42). BGH NJW-RR 2012, 1255, 1255 {9} [II 2] und 2011, 1142, 1143 {8} [II 2] mwN: „natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten …, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann“, ähnlich BAG ZIP 2013, 2268, 2270 {28} [II vor 2a]; OLG Dresden ZIP 2013, 1341, 1342 li. Sp. [II 1]: Naturalobligation; BFH ZIP 2013, 1732, 1733 {13}: „berührt nicht den Bestand der Forderungen als solchen, sondern nur deren Durchsetzbarkeit“ bzw RFH RStBl 1929, 86, 87 (Nr 143); FG Sachsen, U. v. 16.10.2012 – 8 K 890/07 {8} und VG Stuttgart NZI 2018, 30, 31 [1a] – im Anschluss

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an RGZ 153, 338, 342/343 mwN (plus RGZ 71, 363, 364 aE; 42, 118), ferner RGZ 155, 95, 102; 160, 124, 138 bzw BGHZ 31, 174, 180; WM 1968, 39, 40 [I 1 mit 2c]; KTS 1969, 50, 53 aE [II 4]; BGHZ 57, 78, 84; 71, 309, 311 [II 1]; 82, 102, 104 [I 2]; 118, 70, 76 [II 1]. Ebenso schon vorher ROHG 8, 279, 280–282; 11, 308, 312 (ALR/PCO) bzw RGZ 6, 227, 229/230; 42, 118 (GemR); anders aber obiter wohl einmal RGZ 139, 48, 50 (VglO), aber beiläufig auch BGB-Mot II S 833 = Mugdan II S 465. Aus der Literatur: Regullis KTS 2012, 269, 281–284 [V], G Schulze Die Naturalobligation (2008), S 535–538; Klingmüller Die Lehre von den natürlichen Verbindlichkeiten (2005), S 246/247 mit S 245 f – zudem grundlegend Stech ZZP 77 (1964), 161, 183–187 [IV 1], insb S 183 f. Dagegen ziehen nunmehr Dellit/Hamann ZIP 2015, 308, 309–312 [III mit IV 1] mit S 312/313 [Zwischenfazit] indes zu Felde – indes eher mit Konsequenzen für § 254 II (S 314 f [V]), dort Rn 63 ff).

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Haftung des Schuldners

§ 227

(dazu Rn 26).64 Der Schuldgrund als solcher indes erfährt keine Umgestaltung bzw Umschaffung.65 Das führt auf folgende vollstreckungsrechtlichen Schlüsse: festgestellte, unbestrittene 25 (wie bestrittene, aber bestätigte) Forderungen werden von vornherein nur soweit tituliert, wie letztlich Haftung existiert (§ 257 I: „vollstreckbarer Tabellenauszug“ (dazu § 257 Rn 3–5). Der Titel ist daher ein beschränkter. Anders indes, wenn von früher ein alter Titel besteht, der naturgemäß nicht beschränkt ist und nunmehr wieder Zwangsvollstreckung daraus erlaubt (§ 258 I iVm § 201 I). Hier ist über die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 I ZPO) die nachträglich (§ 767 II ZPO!) beschränkte Haftung einzuwenden (materielle Einwendung gegen prozessuale Titulierung).66 Was die materiellrechtliche Aufrechnung angeht (dazu vgl auch erg § 254 Rn 46–49), 26 fehlt dann an sich die Vollwirksamkeit der Gegenforderung als Voraussetzung der Aufrechnungslage (§ 390 BGB); hierüber mag freilich § 94 hinweghelfen (wohl nicht aber § 9567), und zwar wenn die Aufrechnungslage bei Verfahrenseröffnung schon bestanden hatte (Fortbestand der Befugnis zur Aufrechnung – vorbehaltlich der Sperregeln: § 96). Für den Privatvergleich war das ausdrücklich gesetzlich festgeschrieben (§ 54 S 2 VglO: „durch die Wirkungen des Vergleichs nicht berührt.“68), die Zwangsvergleiche wurden sinnentsprechend behandelt (vgl Jaeger/Lent KO8 § 53 Rn 30 [2. Abs] iVm Rn 31);69 der InsO-Gesetzgeber wollte daran nichts verändern.70 Angesichts der speziellen Abwehrmöglichkeiten des Aufrechnungsbefugten im Planverfahren (Minderheitenschutz wegen Schlechterstellung: § 251 [Abs 1 Nr 2]) kann man dies mE auch etwas anders sehen (das zwingt ihn jedoch zur Verfahrensbeteiligung!); der BGH hat letztlich der Tradition den Vorrang eingeräumt und Aufrechnung voll zugestanden.71 Die angesprochene Abschwächung der Verbindlichkeit wirkt aber nur zugunsten des 27 Gemeinschuldners bzw Passivbeteiligten (iSv Rn 10–19); sie wirkt dagegen weder für Mit-

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Keine Kondiktion irrtümlicher Zahlungen gemäß § 813 I S 1 BGB: BGH WM 1968, 39, 40 [I 2c mit 1]. AA Ehlers DB 2014, 131, 136 („völlig neue … Grundlage“ – Novation?). Richtig schon ObTr StriethorstsA 33 (1860) Nr 64 S 290, 297 f; ROHG 8, 144, 146; KO-Mot S 424 = Hahn/Mugdan IV S 376; Hüppner ZZP 11 (1887), 82, 85 – aber zB auch BGHZ 108, 123, 131 mit NJW 1992, 2091, 2092 [II 2b] (KO) bzw Regullis KTS 2012, 269, 271 [III] (InsO). AG Leipzig NZI 2011, 327, 329, zust Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 4; BK/ Flöther/Wehner InsO29 § 227 Rn 8; wohl implizit auch BGH KTS 1969, 50, 51 [I] (VglO). So mit sehr schlüssiger Begründung VG Stuttgart NZI 2018, 30, 32–34 [1c]. Leider eingefügt ohne nähere Motivation: RT-Drucks III/3430 S 34 re. Sp. (aF) bzw DJ 1935, 389, 391 re. Sp. (nF) – aber: RJA-Mot S 72/73! Insb RGZ 80, 407, 409 ff [1], spez S 411/412 iVm S 412; LZ VII (1913), 861; JW 1915,

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1029, 1031 li. Sp.; anders für später entstehende (Miet-/Pacht-) Forderungen BGH NJW 1983, 1119, 1120 [II]. Vgl auch erg Stech ZZP 77 (1964), 161, 186 [IV 1]. BT-Drucks 12/2443 S 140 re. Sp. (wonach § 106 RegE [§ 94 InsO] „insbesondere die Annahme und Bestätigung eines Sanierungsplans“ miteinbezieht). BGH NJW-RR 2011, 1142, 1143 {10–13}, ebenso OLG Celle [XIV. ZS] NZI 2009, 183 f [2a] m abl Bespr Braun ebd S 409, 410–412 [III] und FG Sachsen, U. v. 16.10.2012 – 8 K 890/07 {8}; VG Stuttgart NZI 2018, 30, 32 [1b], zust Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 223 Rn 2 – aber siehe doch BGHZ 2, 300, 305 [GSZ]: Schutzbedürftigkeit lediglich infolge fehlender Einflussmöglichkeit. – AA aber zB auch OLG Celle [XVI. ZS] ZInsO 2008, 1327 f; Jacobi NZI 2009, 351, 353 f [IV]; Dellit/Hamann ZIP 2015, 308, 315 [V]; Braun/Braun/Frank InsO7 § 227 Rn 5; Flöther/Wehner ZInsO 2009, 503, 505 [3]; HambK/Thies InsO8 § 254 Rn 7 und HK/ Haas InsO6 § 254 Rn 5.

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§ 228

Sechster Teil. Insolvenzplan

schuldner noch Bürgen (§ 254 II S 1:72 „werden durch den Plan nicht berührt“ [so wie nach § 301 II S 1], welche mithin voll weiter haften. Indes werden deren Rückgriffsansprüche aus eigenem wie abgeleitetem Recht (siehe vor allem § 426 BGB bzw § 774 BGB), das zweite erscheint selbstredend (cessio legis: §§ 412, 404 BGB!), genauso materiell gekappt (§ 254 II S 2: „in gleicher Weise befreit wie gegenüber dem Gläubiger“ [ganz ähnlich auch § 301 II S 2: „Insolvenzgläubiger“]).73

V. Befugnis abweichender Regelung 28

Die Vorschrift ist disponibel (Abs 1 Hs 1)74 – und zwar für Tatbestand (Abs 1 Hs 2) wie Rechtsfolge (Abs 1 Hs 3), einschließlich der Haftung von Gesellschaftern75 (Abs 2: „so gilt Absatz 1 [scil. nämlich als Ganzes!] entsprechend“); eine Schranke setzt alleinig hier § 225 III (hier Rn 3 und 20 – je aE, dort Rn 20–22), der analog eingreift. Der Tatbestand mag geschwächt (zB Sicherung anstatt Befriedigung: Rn 6) oder verschärft (zB Erfordernis effektiver Erfüllung: Rn 5) werden, und Sinngemäßes gilt zur Rechtsfolge, welche man ebenso nach beiden Richtungen ändern kann (Fortbestehen der Forderungen bzw Forderungserlass). Auch Mischformen sind vorstellbar (insb zeitlich beschränkte, konkrete Nachhaftung76). Dies alles gilt nicht ganz uneingeschränkt;77 angesichts der Möglichkeit zum Widerspruch, wenn und weil der Gemeinschuldner eben durch jenen Plan schlechter steht als ohne ihn (§ 247 II Nr 1), könnte die Mühe sich am Ende auch als gänzlich vergebens erweisen; man sollte im Voraus gründlich deswegen abwägen … und nicht die benötigte Zustimmung riskieren.

§ 228 Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse 1Sollen Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben werden, so können die erforderlichen Willenserklärungen der Beteiligten in den gestaltenden Teil des Insolvenzplans aufgenommen werden. 2Sind im Grundbuch eingetragene Rechte an einem Grundstück oder an eingetragenen Rechten betroffen, so sind diese Rechte unter Beachtung des § 28 der Grundbuchordnung genau zu bezeichnen. 3Für

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In Anlehnung an § 193 S 2 KO (Mot S 422 f), vgl auch erg § 183 II/III GemSchO (Mot II S 169–171) bzw § 82 II VglO/nF = § 73 II VglO/aF (RT-Drucks III/2340 S 33 li. Sp.), vgl auch erg § 251 Hs 2 Var 3 GemSchO (Mot II S 236). Zutr Dellit/Hamann ZIP 2015, 308, 313 f [II 2–4] gegen Horstkotte ZInsO 2014, 1297, 1303/1304 [I 4]. Siehe sinnentsprechend schon RGZ 23, 119, 120, insb S 120/121 (KO). Irreführend bzw verkürzend BK/Flöther/ Wehner InsO29 § 227 Rn 2: „§ 227 Abs. 1 ist zwingend“ – gemeint ist anderes: einzige Verzichtsmöglichkeit für die Restschuldbefreiung!

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So wie hier Eidenmüller ZGR 2001, 680, 685–687 [I 1a]; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 12; HambK/Thies InsO8 § 227 Rn 9; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Silcher InsO3 § 227 Rn 7; MünchKomm/ Breuer InsO3 § 227 Rn 13; wohl auch Braun/ Braun/Frank InsO7 § 227 Rn 8 aE – aA HK/Haas InsO9 § 227 Rn 8 im Anschluss an H-F Müller KTS 2002, 209, 249–253 [VI 3 a]. Braun/Braun/Frank InsO7 § 227 Rn 10 (und dort auch zur „praktischen Psychologie“). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 7.

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§ 228

Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse

Rechte, die im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragen sind, gilt Satz 2 entsprechend. Materialien: § 260a RefE (Text: S 151, Begr: BT S 271–273); § 271 RegE (BT-Drucks 12/2443 S 52, 202 f [RV]; BT-Drucks 12/7302 S 99 [RA]) – Stammfassung. Literatur Adam Die Auflassung in gerichtlichen Vergleichen und Insolvenzplänen, NJW 2016, 3484; Brünkmans Sanierungstransaktionen in Insolvenzplänen – gilt die Formfiktion des § 254a InsO für Erklärungen außenstehender Dritter?, ZIP 2015, 1052; Wallner Partielle Universalsukzession durch Insolvenzplan, ZInsO 2010, 1419.

Übersicht I. Normzweck . . . . . . . . . II. Normgenese . . . . . . . . . 1. eigentliche Regelung . . . 2. ergänzende Regelung . . . III. Anwendungsbereich (Satz 1) 1. Ausgangslage . . . . . . . 2. Regelungsobjekt . . . . . 3. Handlungsziel . . . . . . . 4. Regelungsmittel . . . . . . 5. Schlusspunkt . . . . . . . IV. Anwendungsgrenzen (Satz 1) 1. objektive Beschränkung .

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Rn. 1 5 6 9 10 10 11 12 15 18 19 19

2. Beschränkung kraft Faktizität 3. Beschränkung kraft Spezialität 4. subjektive Beschränkung . . . V. Registervollzug (Satz 2 und 3) . . VI. Wirkungen . . . . . . . . . . . . 1. Erklärungsfiktion . . . . . . . 2. Die Bedeutung des § 925 I S 3 BGB . . . . . . . 3. Formsurrogation . . . . . . . 4. Die Bedeutung des Erwerbstatbestands . . . . . .

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Rn. 22 23 24 25 30 31

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I. Normzweck § 228 beschreibt Möglichkeiten, nicht aber deren Auswirkungen. Satz 1 formuliert die 1 Grundregel mit Begriffen (dazu Rn 10 ff) und Schranken (dazu Rn 19 ff) und Wirkungen (dazu Rn 31 und 33). Der gestaltende Teil des Insolvenzplans sagt aus, „wie die Rechtsstellung der Beteiligten … geändert werden soll“ (§ 221 S 1). Das kann man planerisch verstehen als eine Art Absichtserklärung (scil. Verpflichtungsgeschäft), das kann man ebenso juristisch deuten als Abänderung bestehender Rechtslagen (scil. Verfügungsgeschäft). Aus § 228 S 1 ist ergänzend zu entnehmen, dass man dies zT (!) in jenem letzteren Sinne bitte verstehen solle.1 Amtliche Überschrift mitsamt Begründung2 fokussieren stärker dabei auf einen anderen, ebenfalls begrifflichen Gegensatz, nämlich jenen von Schuld- und Sachenrecht: „Wer einen Insolvenzplan ausarbeitet kann sich nicht damit begnügen, in dem Plan lediglich schuldrechtliche Verhältnisse zu regeln, … Die Beteiligten können [aber] auch daran interessiert sein, die Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse unmittelbar zum Gegenstand des Plans zu machen.“ Das könnte man als zweite, verdeckte Schranke ausdeuten3 (wegen einer ersten, quasi offen im Wortlaut vermittelten Schranke [arg „Willenserklärungen“] vgl Rn 8, 15–17, 22).

1

Ganz ähnlich auch Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 228 Rn 3: „Wirkungsnorm“ (aber vgl auch Rn 30 Fn 55) bzw Rn 4: „dingliche[s] Rechtsgeschäft“.

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BT-Drucks 12/2443 S 202 re. Sp. [dort beide Zitate]. Noch anders wiederum Brünkmans ZIP 2015, 1052, 1053 [II 1]: finanz-/leistungswirtschaftliche Sanierungsperspektiven.

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§ 228

Sechster Teil. Insolvenzplan

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Es gibt nun aber anerkanntermaßen auch schuldrechtlich verortete Verfügungsakte (nämlich die Zession, §§ 398 ff BGB), welche der Normtext von Satz 1 bündig mit einschließt, wie reziprok auch sachenrechtlich geregelte Verpflichtungen (insb Schutzansprüche: §§ 985/1004 BGB). Man sollte demgemäß dem Normtext mit gewisser Zurückhaltung begegnen. Die Kernbotschaft ist letztendlich, dass der Gesetzgeber sachenrechtlich den Schulterschluss des Insolvenzrechts mit dem materiellen Recht intendiert (anders aber im Schuldrecht, vgl § 221 Rn 25; § 224 Rn 24). Weiterhin ist erkennbar, dass er dazu scheinbar „deklaratorische“ Lösungsansätze bevorzugt (Unterstützung eines Rechtsübergangs kraft Parteiwillens – ohne dass dies jedoch Rückschlüsse zur Rechtsnatur des Insolvenzplans zulässt,4 siehe ausf Vor §§ 217 ff Rn 210 ff bzw § 254 Rn 6 ff) und sich noch keine starken, konstitutiven Konstruktionen zutraut (Rechtsübergang kraft Hoheitsaktes – dann später aber: § 225a II/III iVm § 254a II). 3 Die Vorschrift des § 228 dient mehrfachem Zweck. Systematisch ist es die Klarstellung eines weitergezogenen („sachenrechtlichen“) Anwendungsfelds als vielleicht mit Blick auf § 221 S 1 vorderhand zunächst zu vermuten: Gestattung „verfügender“ Gestaltung als bedeutende praktische Planoption (dazu § 221 Rn 57 u 61); wortwörtlich ist es die im gleichen Atemzug erfolgte Begrenzung solcher Erweiterung auf ausschließlich rechtsgeschäftliche Erklärungsakte (dazu § 221 Rn 64), mitsamt einer Entscheidung gegen die direkte konstitutive Wirkung (somit gerade keine Erleichterung von Veränderungen5) – also mithin ein Geben und Nehmen zugleich! Meist wird aber bloß der spezielle Effizienzgewinn besonders hervorgehoben (dazu Rn 4): dies erscheint zwar letztlich eine Frucht fremder Normen (§ 254 I iVm § 254a I), der „Baum“ muss aber zuvor überhaupt erst gepflanzt sein (§ 228), um später Früchte zu tragen. So besehen müssen beide Normen jeweils planvoll „Hand in Hand“ arbeiten. 4 Das Zusammenspiel von § 228 und § 254 I iVm § 254a I bringt Erleichterungen und Effizenzgewinne – es spare, so heißt es, zugleich Zeit und Geld: Zeit, indem man keine weiteren Umsetzungsakte braucht6 (das hätte man jedoch ebensogut bei § 257 verorten können: es ist dies bloße unmittelbar „fiktionale“ Vollstreckung, so wie nach § 894 S 1 ZPO), Geld, weil sämtliche Beurkundungskosten entfallen7 (das erklärt nicht zuletzt die Parallelisierung mit dem Prozessvergleich, § 794 I Nr 1 ZPO). Das letztere ist durchaus ein überaus nachhaltiger Vorteil bei schon ohnehin prekären Finanzen – quasi eine Art Sanierungshilfe zur Planvollziehung. Man kann darum aber nicht etwa von einer normalen „Beurkundungsfunktion“ eines Insolvenzplanes sprechen8 (man hätte dafür den § 127a

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So indes FK/Jaffé InsO9 § 228 Rn 8: die Funktion der Beurkundung (dazu Rn 4) sei Argument für Doppelnatur [?]. AA BK/Paul InsO60 § 228 Rn 1 (trotz Erkenntnis jener Begrenzung: Rn 2!). Siehe besonders nachdrücklich FK/Jaffé InsO9 § 228 Rn 1 und BK/Paul InsO60 § 228 Rn 1 mit 4, aber zB auch Braun/Braun/Frank InsO7 § 228 Rn 1 (Beschleunigung); Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 228 Rn 3 (keine „Doppelung“ nötig); K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 228 Rn 1 (Beschleunigung); MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 1 (Erleichterung); Becker InsR3 Rn 1640. Siehe besonders nachdrücklich FK/Jaffé InsO9 § 228 Rn 1 aE, aber zB auch Andres/

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Leithaus/Andres InsO3 § 228 Rn 1; Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 Rn 8 mit Braun/ Braun/Frank InsO7 § 228 Rn 1 (Kostenreduzierung); MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 1 (Kostenersparnis). Viel reservierter noch BT-Drucks 12/7303 S 111 re. Sp. [RA]: „Das Insolvenzgericht wird darauf hinzuwirken haben, daß in schwierig gelagerten Fällen, auf die Einschaltung des Notars nicht verzichtet wird“ – offensichtlich als eine Art „Rechtsberatung“. So aber direkt FK/Jaffé InsO9 § 228 Rn 8 („wie der gerichtliche Vergleich“), aber zB auch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 228 Rn 1.

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Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse

§ 228

BGB ebenso anpassen müssen wie § 925 I S 3 BGB, dazu Rn 9, 32) – dies verwechselt doch grundlegend Ursache mit Wirkung. Man kann uU aber einen besonderen Bündelungseffekt anerkennen,9 der sicherlich lebensnaher Betrachtung entspringt: das Modell erlaubt schlicht, (fingierte) Erklärung und (wirkliche) Planannahme prozedural zu verkoppeln. Das ließe sich sonst nur recht kompliziert (§§ 158 I, 313 BGB?) lösen.

II. Normgenese Die Genese der Vorschrift zeichnet eine doppelte Spur, die etwas verwirrt: die eigentlich 5 insolvenzrechtliche Normierung (§ 228 InsO: „[gestalterische] Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse“, dazu Rn 6–8) und die parallele bürgerlich-rechtliche Ergänzung (§ 925 I S 3 Var 2 BGB: „Eine Auflassung kann auch … in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan erklärt werden.“ – dazu Rn 9 mit Rn 32). Siehe erg zudem Rn 16. 1. eigentliche Regelung EB LS 2.2.7 I S 1 formulierte eine stark gestalterische Kraft des Reorganisations- bzw In- 6 solvenzplans: „Im gestaltenden Teil … sind die Forderungen oder sonstigen Rechte, die durch den Plan geändert oder begründet werden sollen, festzulegen.“ Diese Wirkung wurde als konstitutiv (EB Mot S 168) beschrieben – nur von der Rechtskraft der Bestätigung abhängig (EB Mot S 168, 171); die Inhalte sollten aber völlig frei bleiben: „hierzu wird keine gesetzliche Fixierung des Planinhalts vorgesehen, weil sie zu starr wäre“ (EB Mot S 171). Damit war ein recht mächtiges Instrument konzipiert – man musste hierfür zudem nur EB LS 2.2.24 I als Rechtsfolge mit heranziehen: umfassende Wirkungskraft mit rechtskräftiger Bestätigung. Zwar beschönigt die Begründung, es sei an keine „Novation“ gedacht (EB Mot S 197) – das verrät schuldrechtliche Lesart; der Wortlaut von EB LS 2.2.7 I S 1 war jedoch ganz klar weiter ausgelegt. Jener erfasste neben Forderungen auch „sonstige Rechte“ und neben Änderungen auch deren neue Begründung – offenkundig mithin ebenso Verfügungen! § 254 DiskE (der weithin bereits dem aktuellen § 221 S 1 InsO entspricht) hat dann ei- 7 nerseits bloß die strukturell neuartige Gestaltungswirkung allgemein beschrieben, § 290 I S 1 DiskE (der genauso fast voll bereits dem aktuellen § 254 I InsO entspricht) andererseits die Globalwirkung der Planbestätigung. Beide Erläuterungssätze (EB LS 2.2.7 I S 1 [Planung] bzw LS 2.2.24 I S 2 [Wirkung]) waren dagegen entfallen. Normtechnisch war das zweifelsohne kürzer (mithin: „Gotik statt Barock“), aber konstruktiv auch unschädlich, wenn man denn die konkrete Erklärung im globalen Grundsatz als jetzt einfach mitumfasst erkennt. Diese dogmatisch naheliegende Sichtweise stört dann indes § 260a RefE, der Vorläufer des heutigen § 228 InsO (S 1 und S 3 bereits wortgleich gefasst, S 2 lediglich marginal divergent, vgl Rn 28 aE), zu dem sich – nun verortet bei § 290 II S 2 RefE (alsdann § 254 I S 2 Hs 1 InsO, nunmehr § 254a I InsO) – eine ausdrückliche „Erklärungsfiktion mit Formsurrogation“ hinzugesellte („gelten … Willenserklärungen … als in der vorgeschriebenen Form abgegeben“), und zwar genau für diese sachenrechtlich geplanten Veränderungen. Die Begründung sieht unumwunden darin dezidiert die Einschränkung der sonstigen (Plan-) Wirkungen (iSv § 290 I S 1 RefE)10 und regt zudem gleich dafür noch

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 228 Rn 1 – unklar dazu leider aber K Schmidt/Spliedt InsO19 § 228 Rn 1: „Konzentration … des Verfahrens [?] zum Ziel“.

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Begr RefE BT S 301 bzw BT-Drucks 12/2443 S 213 li. Sp.

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§ 228

Sechster Teil. Insolvenzplan

die Anpassung von § 925 I S 3 BGB (Auflassung) an, wie sie alsdann Art 33 Nr 26 EGInsO brachte. Hiermit hatte die Regelung eine plötzlich ganz konträre Stoßrichtung erhalten, war gleichsam ins Gegenteil nun umgekehrt (Beschränkung statt Ermöglichung). 8 Dazu kam noch als andere falsche Fährte die schließlich erfolgte Erstreckung der Erklärungssurrogation auf Verpflichtungsgeschäfte. Sie rührt vom Rechtsausschuss her, der hier die Stellungnahme der Bundesregierung aus Anlass der Prüfbitte des Bundesrats (betreffs des späteren zu § 925 I S 3 BGB) reichlich blauäugig nachkommt.11 Die neue Regel (alsdann § 254 I S 2 Hs 2 InsO, nunmehr § 254a III InsO) gilt den schuldrechtlichen Verpflichtungen und schafft auch hierfür eine formgerechte Abgabefiktion; zugleich wurden außerdem GmbH-Anteile mit einbezogen (hier aber ohne § 15 III und IV GmbHG anzutasten!). Dadurch waren nun falsche Schwerpunkte gesetzt: (a) Verfügungen sind lediglich noch beschränkt mittels „Plangestaltung“ möglich; (b) § 254 I S 2 aF ist teilweise eine Rücknahme von Satz 1 (das wird heute uU jedoch weniger deutlich als Konsequenz gegenwärtig separierter Regelungen: § 254 I einerseits, § 254a I und III andererseits); (c) es geht ferner bloß um spezifisch bezeichnete Verfügungen (samt zugehöriger Verpflichtung) (d) der Fokus wird still von fingierter Erklärungsabgabe auf eine bloße Formeinhaltung verschoben (das zeigt das Erwähnen von GmbH-Anteilen – welche damit just begründet wurde … – obgleich er ohne weiteres auch so doch erfasst gewesen wäre). – Vor allem die Schlussfolgerungen bei (a) und (c) wirken zurück auf § 228 und dessen Lesart: denn § 254 I S 1/2 (heute: § 254 I und § 254a I/III) und § 228 sind präzis aufeinander inhaltlich abgestimmt worden; die beiden gehen zurück auf letztlich dieselbe Textstufe (RefE). 2. ergänzende Regelung

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Der Vorschlag für § 260a RefE (dazu Rn 7 f) verläuft noch parallel zu der Idee, § 925 I S 3 BGB explizit zu ergänzen, dh Insolvenzplanungen wie Prozessvergleiche als Form einer Auflassung zu gestatten (Art 31 Nr 26 RegE EG – fehlt noch bei Art 11 DiskE EG) – das stieß auf Kritik,12 jedoch in völlig anderer Hinsicht (wegen Verstoßes [?] gegen § 925 II BGB). Gewollt war, dadurch die Formen zu wahren. Hiermit nimmt der EG-Gesetzgeber13 einen Ball an, den ihm der InsO-Gesetzgeber zuvor vorgelegt hatte – leider nicht ganz kunstgerecht: er blieb zu § 290 I S 2 RefE [§ 301 I S 2 RegE bzw § 254b I InsO] bei der bloßen Erklärungsform hängen14 („ergänzend … festzulegen“ – wieso, weshalb, warum?), während er hernach zu § 271 RegE [§ 228 InsO] dazuhin die gesamte Auflassungsform benennt15 („im Zusammenhang mit Satz 2“ [?]). Verfestigt hat sich nur letztlich die erste Deutung (vgl auch erg Rn 32). Im weiteren Verlauf wurde dann aus dem „einfachen“ – richtigerweise – der „rechtskräftig bestätigte“ Insolvenzplan (das sagt aber auch schon § 254 I InsO).

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BT-Drucks 12/7302 S 185 li. Sp. [Nr 181] einerseits, BT-Drucks 12/3803 S 135 re. Sp. mit S 135/136 [Nr 18] („Die Bundesregierung hält im Zusammenhang des § 301 des Entwurfs der Insolvenzordnung noch eine weitere Ergänzung für zweckmäßig: …“). Es war dies nicht inhaltlich hier veranlasst (EG InsO: S 135 li. Sp. „versus“ S 125/126 – es ging an sich um § 925 II BGB: Bedingungsfeindlichkeit).

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Näher dazu schon Rn 7 bei/mit Fn 10 bzw Rn 32 bei/mit Fn 60. Begr RegE EG: BT-Drucks 12/3803 S 79 li. Sp. Begr RegE InsO: BT-Drucks 12/2443 S 213 li. Sp. – als textliche (Voll-) Übernahme von Begr RefE InsO BT S 301 [§ 290]. Begr RegE InsO, BT-Drucks 12/2443 S 202/203 li. Sp. – speziell diese Passage fehlt noch bei Begr RefE InsO BT S 272 [§ 260a].

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Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse

§ 228

III. Anwendungsbereich (Satz 1) 1. Ausgangslage Die Regelung erscheint umfassend formuliert (war auch einst einmal genauso ange- 10 legt), unterliegt bei näherem Zusehen nun allerdings doch inhaltlich mannigfachen Einschränkungen, welche der Wortlaut eher verbirgt als direkt ausdrückt. Jedes Tatbestandsmerkmal – Regelungsobjekt (Rn 11), Handlungsziel (Rn 12–14), Regelungsmittel (Rn 15–17) – scheint mehr nämlich zuzulassen als intendiert, ist eher als Hemmschuh zu verstehen, denn als eine mächtige Gestaltungsoption … Das erklärt nicht zuletzt die amtliche Überschrift, wenn sie bloß die konkrete Veränderung sachenrechtlicher Verhältnisse anspricht. So deckt die Regel – leider – nur einen kleinen Ausschnitt planerisch sinnvoller Handlungen (siehe auch schon oben Rn 8 mit Rn 13). 2. Regelungsobjekt Regelungsobjekt sind „Rechte an Gegenständen“ – mit Blick auf § 90 BGB wären das 11 nicht allein nur Sachen (körperliche Gegenstände), bewegliche oder Immobilien, sondern ferner zudem vor allem (Vermögens-) Ansprüche (augenscheinlich am nächstliegenden – arg § 38), aber zB auch Anteilsrechte, Immaterialgüter, Gestaltungsbefugnisse etc, mithin relative wie absolute Rechte.16 Erfasst werden Vollrechte (Eigentum, Inhaberschaft, Befugnis) wie Teilrechte (insb Pfandrechte) und auch die Vormerkung angestrebter immobiliarer Abänderung,17 folgerichtig dann ebenso jede andere Anwartschaft. Gegen dies weite Verständnis indes spricht dreierlei:18 die Überschrift, die sich auf Sachenrechte („sachenrechtliche Verhältnisse“) fokussiert, die ausschließlich sachenrechtlichen Beispielsfälle, die die Regierungsbegründung hierfür erläuternd mitgibt19, sowie vor allem der Umkehrschluss aus § 254a I Hs 1: wieso wäre sonst denn nötig, GmbH-Geschäftsanteile explizit zu erwähnen (Var 2)? Dennoch sieht man insb genauso Forderungen20 und GmbH-Anteile21 hier erfasst, letztere sind mit dem ESUG ohnedies leichter verfügbar gestellt, wenn sie denn den 16

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Kurz und knapp und bündig: Sachen und Rechte (K Schmidt/Spliedt InsO19 § 228 Rn 2), per saldo ähnlich: MünchKomm/ Breuer InsO3 § 228 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 228 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 228 Rn 2; BK/Paul InsO60 § 228 Rn 3; Becker InsR3 Rn 1640. Völlig „verquer“ hierzu Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 228 Rn 5. BT-Drucks 12/2443 S 202 re. Sp. aE („entsprechend für Vormerkungen“ – Zusatz fehlt noch bei Begr RefE BT S 272!) – zust FK/ Jaffé InsO9 § 228 Rn 9; MünchKomm/ Breuer InsO3 § 228 Rn 5. Widersprüchlich FK/Jaffé InsO9 § 228 Rn 1 („insbesondere [!] sachenrechtlich“) „versus“ Rn 4–7 (ausschließlich [?] sachenrechtlich). Offene Kritik bei HK/Haas InsO9 § 228 Rn 2 („entspricht nicht dem Normzweck“) und Braun/Braun/Frank InsO7 Rn 3 Fn 5 („Der Wortlaut der Überschrift des § 228 ist insofern zu eng“).

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BT-Drucks 12/2443 S 202 re. Sp. erwähnt §§ 1255, 929, 873/925 BGB. BGHZ 175, 86, 89/90 {10} [I 1] (siehe auch noch bei Fn 25 und 32; Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 228 Rn 2 und 5; Braun/ Braun/Frank InsO7 Rn 3; Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 228 Rn 2 und 5; HK/Haas InsO9 § 228 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 228 Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 228 Rn 35; MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 2. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 228 Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 228 Rn 5 – noch weiterreichender (alle Gesellschaftsanteile) hier Braun/Braun/Frank InsO7 Rn 3 (aber: Rn 5!); Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 228 Rn 5; HK/ Haas InsO9 § 228 Rn 2; MünchKomm/ Breuer InsO3 § 228 Rn 2.

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§ 228

Sechster Teil. Insolvenzplan

konkreten Gemeinschuldner betreffen (§ 225a iVm § 254a II), aber zB auch Immaterialgüterrechte22 – am Ende schlichtweg alle Rechte.23 3. Handlungsziel

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Angestrebt ist unmittelbare Umgestaltung des Regelungsobjekts – es sollen (!) Rechte „begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben werden“. Dies scheint begrifflich auf Verfügungen hinauszulaufen – passt indes nicht ohne weiteres mit der üblichen Definition („unmittelbare Einwirkung auf ein bestehendes Recht“24) zusammen. Man kann aber die Begründung von Teilrechten (Var 1) als Abänderung des Vollrechts (Var 2) umschreiben, und auch die Belastung fällt darunter; Übertragung (Var 3) und Aufhebung (Var 4) werden so oder so erfasst; zusätzlich ist erreichbar, ganz neu auch ein Vollrecht zu begründen (Var 1), besonders eine Forderung, etwa veranlasst als Ausgleich woanders erlittenen Verlusts. 13 Praktisch sind folgende Fälle: Erklärungsakte für Übereignungen (§§ 873/925 BGB bzw §§ 929–931 BGB), komplette oder teilweise Freistellung von Sicherheiten (Perspektive: Absonderung – § 223 II) bzw Pfandverzicht (§ 1255 BGB – Nr 14 AGB-Banken!); Kürzung oder Stundung der Forderungen von Gläubigern (mit Blick auf § 224) – die „Kappung“ dinglich als Erlassvertrag zu konstruieren (§ 397 I BGB – Sonderfall: § 225 I InsO, dort Rn 2), eine Stundung eher als schuldrechtlich verortete Vertragsänderung (in Orientierung an § 271 BGB: Einredebefugnis) –, Forderungsaustausch gegen Gesellschaftsanteile (debt-equity-swap: § 225a II S 1/2, dort Rn 48–97) oder uU auch andere dingliche Rechte (Neubestellung von Sicherheiten); Neuordnung von Mitgliedschafts- oder Anteilsrechten (Perspektive: Gesellschaften als Gemeinschuldner – § 225a I, II S 3, III). Angedacht wird ebenfalls die Übertragung von Forderungen auf Treuhänder, um dem Gemeinschuldner so die Wiedererlangung der Verfügungsmacht mit Verfahrensende (§ 259 II S 2) praktisch zu verwehren25 (dazu § 259 Rn 13). 14 Die gesetzlich gewählte Textierung ist richtigerweise hierbei zukunftsorientiert gewählt – es geht um eine geplante Änderung („sollen“), nicht etwa die sofortige Umsetzung („werden“). Hierfür sind weitere Schritte notwendig (zusätzlich uU Publizität: Rn 17): Planvorlage, Vorprüfung, Abstimmung, Bestätigung, Rechtskraft – mithin nötig also das ordnungsgemäße Durchlaufen des anstehenden Planverfahrens. Das relativiert einerseits den Grundgedanken (§ 221 S 1: „wird festgelegt“) und akzentuiert andererseits die Auswirkungen gerichtlicher Entscheidung (§ 254 I „[Wirkungen] treten … ein“). Mit Blick auf Verfügungen ist der Insolvenzplan quasi zunächst nur das Surrogat eines Verpflichtungsgeschäfts. 4. Regelungsmittel

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Sachenrechtliche Rechtsänderungen oder – inhaltlich weiter verstanden – (dogmatisch) Verfügungen bzw (untechnisch) Maßnahmen dinglicher Auswirkung kann der Plan freilich

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 228 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 Rn 3; Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 228 Rn 5 (Patente); HK/Haas InsO9 § 228 Rn 2; MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 2. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 228 Rn 5; MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 2.

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Stellvertretend: MünchKomm/Bayreuther BGB7 § 185 Rn 3. Häsemeyer InsR4 Rn 28.81, zust BGHZ 175, 86, 90 {10 aE} [I 1] = NJW-RR 2008, 860 = ZIP 2008, 546 = WM 2008, 483 = ZInsO 2009, 963 = NZI 2009, 340.

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Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse

§ 228

nur eingeschränkt erzeugen. Er wirkt idR26 nicht im unmittelbaren Sinne rechtserzeugend („konstitutiv“), sondern sucht den ausgleichenden bürgerlich-rechtlichen „Schulterschluss“: er öffnet dogmatisch die Wege zum Ziel – und zwar durch dementsprechende „fingierte“ Willenserklärungen. Regelungsmittel ist Aufnahme der Willenserklärung in den Plan; sie gilt später dann als abgegeben, zudem in einer formgerechten Weise (§ 254a I Hs 2) – indes auch nicht mehr. Für das sachenrechtliche Einigungserfordernis ist die abverlangte Wechselseitigkeit einzuhalten, dazuhin Zugang abzufordern („Wirksamwerden“) scheint jedoch überflüssig (quasi eine Art Einigungsakt unter Anwesenden), und die Wirksamkeit ist mit Rechtskraft (§ 254 I) ohnehin außer jedem Zweifel. Es ist bloß sorgfältige (Plan-) Formulierung erforderlich. Die Regelung ist ein hölzern anmutender Versuch, verfahrensrechtliche Notwendigkei- 16 ten und bürgerlich-rechtliches Grundverständnis möglichst in „praktischer Konkordanz“ auszusöhnen (dazu Rn 2). Man wollte jedoch dogmatisches Neuland nicht begehen, suchte statt dessen schon scheinbar vertraute Pfade. Man konnte hierdurch faktischen Schwierigkeiten weitestgehend ausweichen (dazu Rn 22) und – unbewusst – vertraute Regelungsmodelle (§ 894 S 1 ZPO) einbinden (dazu Rn 31). Was indes spricht gegen die Vollziehung der Übergabe per Vindikation (§§ 985/986 BGB) und gegen die Grundbucheintragung kraft Berichtigungsanspruchs (§ 894 BGB – so wie zu § 90 I ZVG)? Man braucht beide allemal – die Frage ist, ob man jene schon proaktiv abfordert oder erst reaktiv nachlaufend einholt. Der ESUG-Gesetzgeber war später dann jedoch schon einiges mutiger: § 225a II/III iVm § 254a II. Man hätte alsdann womöglich § 228 analog strukturieren können … Der Bundesrat hat jenen Konnex erkannt27 – wollte insgesamt das Rad gleichsam zurückdrehen und fand damit dann – richtigerweise – kein Gehör.28 Im Umkehrschluss ist klargestellt, dass von mehraktigen Erwerbstatbeständen aus- 17 schließlich der rechtsgeschäftliche Teil „plansubstituierbar“ ist, nicht aber – falls denn nötig – auch die uU erforderlichen Publizitätsakte, wie Übergabe bei Mobilien (§ 929 S 1 BGB: Traditionsprinzip) oder Eintragung bei Grundstücken (§§ 873/925 BGB: Registerprinzip).29 Hier ist also wichtig, entsprechende Forderungen schuldrechtlich „einzuplanen“ (Übergabeanspruch; Mitwirkungspflicht) oder den Weg doch dafür so weit zu ebnen, wie dies nur geht: namentlich grundbuchrechtlich durch ergänzende Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO), sowie uU einen Eintragungsantrag (§ 13 GBO)30 (dazu siehe dann

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Sehr apodiktisch hier Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 228 Rn 1: „Die Rechtsänderung selbst kann durch den Plan nicht bewirkt werden.“ – freilich eben manchmal doch: §§ 398 ff, 413 BGB! Genau anders herum Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 228 Rn 3 aE. BT-Drucks 17/5712 S 55 f [Stellungnahme] – mit stärker „deklaratorischer“ Tendenz (für § 225a): „Änderung …, dass der Insolvenzplan selbst lediglich schuldrechtlich wirkt.“ BT-Drucks 17/5712 S 69 [Gegenäußerung] – mit stärker „konstitutiver“ Tendenz (für § 225a): „Eines der wesentlichen Elemente des Insolvenzplans ist seine gestaltende Wirkung.“ Überaus deutlich bereits BT-Drucks 12/2443 S 202 re. Sp.

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 228 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 228 Rn 7; BK/ Paul InsO60 § 228 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 228 Rn 1; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 228 Rn 3; HK/ Haas InsO9 § 228 Rn 6; MünchKomm/ Breuer InsO3 § 228 Rn 7. Abzugrenzen von der Übermittlung: HK/ Haas InsO9 § 228 Rn 11 – diese geschieht nicht amtswegig, aA MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 13: „Vollzugsaufgabe“ des Insolvenzgerichts [?]; BK/Paul InsO60 § 228 Rn 9. Einschr Braun/Braun/Frank InsO7 § 228 Rn 6 (allein ersteres, nicht letzteres) bzw Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 228 Rn 8; Bork InsR7 Rn 380 mit Fn 31; uU auch so FK/Jaffé InsO9 § 228 Rn 7 und Becker

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Sechster Teil. Insolvenzplan

zudem S 2 bzw Rn 25–28). „Willenserklärung“ kann also auch Verfahrenserklärung oder Prozesshandlung sein,31 ist also nicht etwa als materielle Radizierung misszudeuten. Was „erforderlich“ ist, regeln materielle Normen – eine Zession (§§ 398 ff, 413 BGB) ist mithin planseitig allein vollziehbar,32 denn Willensakte sind ausreichend. 5. Schlusspunkt

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Ernüchternd ist die Quintessenz, dass aus der verheißenen umfassenden Möglichkeit, per Insolvenzplan die materielle Rechtsstellung der Beteiligten umzugestalten (§ 221 S 1), insbesondere schuldrechtliche Ausgestaltungen übrigbleiben. Dies mag halbwegs noch bei Insolvenzgläubigern (§§ 224/225) passen, bei Absonderungsberechtigten (§ 223 – lies: Abs 2) fällt das schon schwerer zu glauben, bei Anteilseignern (§ 225a) zumindest musste das System scheitern. So besehen bedeutet demnach § 228 (nur noch) die partielle „Option“ sachenrechtlicher Regelung, die aber – wenn man sie denn genau wörtlich nähme – sehr wenig (Planungs-) Freiraum lässt. Die hL sieht deshalb gerne über die systematischinhaltlichen Beschränkungen weg (Näheres hierzu gleich unter Rn 19–24).

IV. Anwendungsgrenzen (Satz 1) 1. objektive Beschränkung

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Jene Regelung betrifft zweifelsohne die sachenrechtliche Veränderung bei Massegegenständen, sie unterliegen dem „Konkursbeschlag“ (§ 35 I), sind allemal wirtschaftlich dem Gemeinschuldner entzogen (§ 80 I) und dienen der verfahrensförmigen Befriedigung von Insolvenzgläubigern (§ 87 InsO) – das prägt auch schon das Regelverfahren; im Planverfahren sind weitergehender ferner Absonderungsbefugte zusätzlich von vornherein mit einbezogen (arg § 217 Hs 1, dort Rn 45). Das beschreibt das unstrittig anzunehmende Anwendungsfeld.33 20 Die hL erlaubt jedoch darüber hinaus die Miteinbeziehung von Drittgegenständen.34 Das erscheint zugegeben aus praktischen Gründen oftmals erforderlich – etwa um neue Sicherungen zu beschaffen oder kontinuierliche Produktion sicherzustellen – und führt zu einer Art freiwillig bereitgestellter „Neumasse“ (wieso auch immer: Stützung, Kulanz, Interesse, etc); dies ist aber nicht Sinn des § 22835 und überspannt den Wortlaut der Vorschrift („Willenserklärungen der Beteiligten“). Wie soll der Plan gegenüber derart Un-

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InsR3 Rn 1641 („in großzügiger Anwendung“) – abl Schiessler Insolvenzplan (1997), S 112. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 228 Rn 1 und 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 228 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 228 Rn 4; HK/ Haas InsO9 § 228 Rn 10; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 228 Rn 3 – aA Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 228 Rn 8. BGHZ 175, 86, 89/90 {10} [I 1] (obiter) = NJW-RR 2008, 860 = ZIP 2008, 546 = WM 2008, 483 = ZInsO 2009, 963 = NZI 2009, 340.

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HK/Haas InsO9 § 228 Rn 3. Sehr apodiktisch etwa Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 228 Rn 3, FK/Jaffé InsO9 § 228 Rn 10 und MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 3, aber zB auch HK/Haas InsO9 § 228 Rn 1 mit Rn 4, HambK/Thies InsO6 § 228 Rn 3; BK/Paul InsO60 § 228 Rn 3; Becker InsR3 Rn 1640. Dies erkennt sehr richtig HK/Haas InsO9 § 228 Rn 1 aE (nicht ohne die Billigung des Inhabers), zust FK/Jaffé InsO9 § 228 Rn 11.

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§ 228

beteiligten wirken? Jenes widerstreitet zudem § 254 I („Wirkungen für und gegen alle Beteiligten) bzw § 254a I („gelten … Willenserklärungen der Beteiligten als … abgegeben“) einerseits und verleugnet die Botschaft von § 230 III andererseits (Absicherungsvorgabe schon für bloße Schuldverpflichtung seitens eines Dritten, vgl § 230 Rn 31). Dies könnte man freilich heilen, wenn und weil ein Außenstehender sich selbst beteiligen könnte bzw dürfte („opt in“), dann sollte insoweit konsequent § 230 III analog auch nicht mehr gelten. Ein Dritter wird sich ohne weiteres aber wohl auch niemals der kollektiven Entscheidungsfindung (Gruppenprinzip bzw Mehrheitszwang!) schlichtweg einfach unterwerfen, sondern möchte selbst allemal „Herr im Haus“ bleiben, dh über seine eigene Erklärung weiter bestimmen (anderes ist deshalb deutlich zu erklären). Das zeigt vor allem § 230 III, der Drittunterstützung und Beteiligtenrolle sauber voneinander trennt. Die hL rudert gleich auch verständlicherweise dann wieder zurück und fordert „wirkliche“ Erklärung ab.36 Das geht aber mit und ohne Plan! Es scheint daher unnötig, vollmundig die Vorschrift auf sämtliches Dritteigentum zu erstrecken. Im Grunde besteht jedoch dogmatisch kein recht großer Dissens – wenn man sich nur 21 klarmacht, dass divergente Betrachtungszeitpunkte existieren: der Betrachtung ex ante fehlt noch der Massegegenstand, in der Betrachtung ex post ist er (erfolgreiche Verfügung unterstellt!) letztlich aber eben doch dann vorhanden. Demnach kann man wohl erlauben, dass der Insolvenzplan sämtliche Willenserklärungen der Beteiligten zum Masseerwerb bereits proaktiv enthält (das wäre uU dann nur einseitige Erklärung, nicht etwa schon eine volle Einigung!), siehe dazu auch bei Rn 24. 2. Beschränkung kraft Faktizität Die Regel setzt auf rechtsgeschäftlich bewirkte Rechtsabänderungen – und betrifft 22 auch alleinig den jeweils rechtsgeschäftlichen Teilakt bei uU nötigem mehraktigem Übertragungstatbestand („dingliche Einigung“ bzw Auflassung: §§ 929 S 1, 873/925 BGB, arg § 925 I S 3 Var 2 BGB [Rn 32 mit Rn 9] – im Unterschied zu § 929 S 2 BGB oder insb auch §§ 398 ff, 413 BGB). Anders herum gesagt: sie erbringt weder Übergabe (mag aber uU doch kraft bürgerlichen Rechts statthafte Surrogate prästieren: §§ 930/931 BGB) noch Eintragung (§§ 873/925 BGB, arg S 2/3) noch Indossament etc (jene sind eigeninitiativ alle noch herbeizuführen: dazu schon oben Rn 1737), sie kann nicht fehlende Verfügungsmacht ersetzen (aber: § 80 I38), erst recht nicht etwa andere Wirkungsmängel heilen oder erfor-

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Unmittelbar: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Silcher InsO3 § 228 Rn 6 (wenn wirklich Dritterklärung vorliegt); Braun/Braun/Frank InsO7 Rn 3 („dann unter zusätzlicher Willenserklärung des Dritten“) bzw Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 228 Rn 5 („entsprechende Willenserklärungen abzugeben“); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 228 Rn 5 („ausdrücklichen Aufnahme“) Indirekter: Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 228 Rn 4 („Zustimmung des Berechtigten“); HambK/Thies InsO6 § 228 Rn 5 („Zustimmung … nach § 230 III“ [?]); MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 6 („Einverständnis (§ 184, 185 BGB)“) bzw

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 118. Dazu erg noch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 228 Rn 9; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 228 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 228 Rn 10; FK/Jaffé InsO3 § 228 Rn 5 und 8; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 228 Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 228 Rn 6; MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 8 „versus“ Rn 5; Foerste InsR6 Rn 517. Allein insoweit zutreffend MünchKomm/ Breuer InsO3 § 228 Rn 5 aE und HK/Haas InsO9 § 228 Rn 5 aE.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

derliche Wirksamkeitserfordernisse herbeischaffen (zB § 2 GrdStVG, § 24 ff BauGB – wegen behördlicher Genehmigung siehe § 221 Rn 71). Es gilt das ganz reguläre bürgerlichund öffentlich-rechtliche Normensystem. Nur verfügende Willenserklärungen betreffend wirkt also der Plan daher unmittelbar gestaltend („konstitutiv“), sonst aber nur darstellend („deklaratorisch“). 3. Beschränkung kraft Spezialität

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In „Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen“ kann nunmehr nach Maßgabe des § 225a direkt „planerisch“ eingegriffen werden. Hier werden dann neben Beschlussfassung (§ 254a II S 1) auch alle gesellschaftsrechtlich notwendigen Begleitformalitäten ersetzt (§ 254a II S 2); der Registervollzug ist vom Insolvenzverwalter selbst herbeizuführen (§ 254a II S 3). Soweit dabei auch dingliche Rechtsänderungen vorkommen (zB Veränderung des Eigentümers), geht diese Regel vor!39 Insoweit kann man durchaus also von partiell verdrängender Spezialität sprechen. 4. subjektive Beschränkung

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Die bürgerlich-rechtliche Sichtweise, die Erklärungen dem Erklärenden bei eigener Äußerung zurechnet bzw Fremdäußerungen bei Vertretungsmacht, ist hier nicht gültig. Vertretungs- und Verfügungsmacht sind lediglich dann bedeutsam, wenn Satz 1 gerade nicht greift. Alle „Planunterworfenen“ (insb Gemeinschuldner,40 Insolvenzgläubiger41 und Absonderungsbefugte,42 arg § 217 S 1) sind davon erfasst (dazu Rn 19), nicht bloß der Planvorlegende (iSv § 218 I S 1), der sich etwa die Zustimmung oder Vollmacht der „eigentlich“ Betroffenen dafür einholen solle,43 ja diese uU sogar dokumentarisch analog § 230 als Anlage mitbeizufügen hätte,44 was wiederum das Insolvenzgericht später nachprüfen müsste45 – zumindest bei Mehrung von Pflichten! Diese Beschränkung passt schon begrifflich nicht so recht (es geht um Rechtserwerb oder uU auch -verlust), sie verkennt auch komplett die – zumindest teilweise – Gestaltungskraft der Planwirkungen.46 Es besteht auch hierbei mithin Mehrheitszwang und eben keine Konsenspflicht. – Anderes gilt dagegen, wenn und weil bisher unbeteiligte Dritte betroffen werden: sie sind persönlich von vornherein nicht erfasst47 (als Gegenschluss aus der Sonderregel des § 230 III [“Verpflichtungen“!] iVm § 257 II). 39 40

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 228 Rn 5. So ganz explizit K Schmidt/Spliedt InsO19 § 228 Rn 4 – keine „Verwaltererklärung“ nötig (aA Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 228 Rn 3 aE). Offener formuliert richtig FK/Jaffé InsO9 § 228 Rn 5: „auch gegenüber denjenigen Beteiligten, die dem Plan nicht zugestimmt haben“ [Hervorh vom Verf]. So ganz explizit MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 2 aE. So aber Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 228 Rn 4 („Willenserklärung des Planverfassers“) mit Rn 7; HK/Haas InsO9 § 228 Rn 7–9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 228 Rn 2 („selbstverständlich“), wohl zT auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 228 Rn 3 (diffe-

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renzierend!) und Häsemeyer InsR4 Rn 28.81 („jedenfalls für den Schuldner“). So etwa Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO § 228 Rn 2 (aber „Ausweg über § 185 II BGB [?]). So klar Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 228 Rn 7 (Nachweisung als Zusatzerfordernis für Bestätigung). Richtig hier dagegen Bork InsR7 Rn 380. Daher Annahme nötig – das sieht richtig Brünkmans ZIP 2015, 1052, 1054 f [II 2.2] (indes mit Fokus auf § 254a: S 2055 f) – hinsichtlich Lösungsmöglichkeiten siehe S 1059–1061 [V], es fehlt mE der begründete, vollstreckbar (!) gestellte schuldrechtliche Anspruch. Konträr, zumindest überaus missverständlich (praktisch aber wohl iE eher auch er-

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Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse

§ 228

V. Registervollzug (Satz 2 und 3) Satz 2 konkretisiert den Erklärungsinhalt der Willenserklärungen (iSv S 1) zum Zwecke späteren reibungslosen Grundbuchvollzugs. Das Grundstück als Belastungsobjekt ist bestimmt zu benennen (sachenrechtliche Spezialitätsmaxime), dh „so genau zu bezeichnen, … dass die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch keine Schwierigkeiten bereitet“.48 Letztendlich ist das selbstredend.49 Dahinter steckt freilich etwas völlig anderes: die präventive („insolvenzinterne“) Vorprüfung des späteren grundbuchlichen Vollzugs – anders gesagt: wurde diese Regel nicht eingehalten, wirkt dies als konkretes – behebbares – Hindernis bei Vorkontrolle (§ 231 I Nr 1: „den Inhalt des Plans“) und Nachprüfung (§ 250 Nr 1: „Inhalt … des Insolvenzplans“). Die insoweit nur formelle Nachprüfung ist vorverlagert, dh es kommt schon gar nicht zu einem Insolvenzplan mit eben genau diesem (scil. problematischen) Inhalt, und das anschließende Grundbuchverfahren wird hierdurch weitestgehend entlastet. Tatbestand (S 2 Hs 1): Betroffen ist allein ein Grundbuch, schon allein darum kann hier von Sachenrechten bloß noch die Rede sein (Näheres im Übrigen bei Rn 11). Es geht um entweder „eingetragene Rechte an einem Grundstück“ (Var 1: Eigentum sowie vor allem Pfandbelastungen [Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld] und Nutzungsrechte [Dienstbarkeiten], aber uU auch einmal Reallast oder Vorkaufsrecht) oder aber „Rechte … an eingetragenen Rechten“ (Var 2: mithin Nießbrauch [§§ 1068 ff BGB] oder Pfandrecht [§§ 1273 ff BGB] an Grundstücksbelastungen). Das „Betroffensein“ iSv S 2 ist auszulegen unter Rückblende auf S 1 – es kann daher nicht bloß um vorweg schon „eingetragene Rechte“ gehen (S 1 Var 2–4), sondern sollte gewiss erst „einzutragende Rechte“ miteinschließen (S 1 Var 1: Begründung). Das Grundstück muss natürlich aber vorhanden sein! Folglich gibt es auch Eigentum und demnach ein allemal als solches hierdurch gegenwärtig betroffenes „Vollrecht“. Grundbuch im Wortsinne ist neben dem „Grundstücksgrundbuch“ zudem auch das Erbbaugrundbuch (§ 14 III S 1 ErbbauRG) und sinngemäß das Wohnungsgrundbuch bzw Teileigentumsgrundbuch (arg ex § 7 I WEG „versus“ § 9 III WEG), nicht aber das bergrechtlich relevante Berechtsamsbuch (§ 75 I/II BBergG). Letztlich wollte man wahrscheinlich sog „grundstücksgleiche Rechte“ miteinschließen – dies passt fürs Erbbaurecht (§ 11 I S 1 Hs 1 ErbbauRG), aber ebenso fürs Bergwerkseigentum (§ 9 I S 1 Hs 2 BBerG), während Wohnungseigentum kraft Konstruktion ein (Grundstücks-) Miteigentumsteil ist (arg § 1 II WEG bzw § 7 I S 2 WEG). Das erklärt den Versuch zusätzlicher (parallelisierender) Klarstellung mittels S 3 – dazu: Rn 29. Zwei der drei wirken zugleich im Übrigen als reguläre Grundstücksbelastung (§ 1 I ErbbauRG; § 3 I WEG – anders indes beim Bergwerkseigentum: arg § 3 II S 2 BBergG). Rechtsfolge (S 2 Hs 2): Als eine Art „Erinnerungsposten“ (für den Planverfasser) ist bestimmte Bezeichnung angeordnet (er muss so oder so den reibungslosen Vollzug gewährleisten) und dazuhin zum „Prüfungsprogramm“ (für das Insolvenzgericht) gemacht (dazu Rn 25). Der Wortlaut ist tückisch: die betroffenen Rechte sind präzis festzulegen (wortgetreu: zu bezeichnen); das umfasst das Belastungsobjekt (passive Betroffenheit) wie auch

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wünscht), Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 228 Rn 2 aE. Richtig dagegen MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 6; HK/Haas InsO9 § 228 Rn 8 f; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 228 Rn 5. BT-Drucks 12/2443 S 202 re. Sp.

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Ebenso sieht dies K Schmidt/Spliedt InsO19 § 228 Rn 6: „gilt … für jede Rechtsänderung“; ähnlich Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 228 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 228 Rn 3.

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§ 228

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den Belastungsinhalt (aktives Betroffensein). Sie sind genau, dh spezifisch zu bezeichnen („genau meint genau“50); § 28 GBO gibt dafür bloß einen weiteren, ergänzend zu achtenden Fingerzeig – und zwar zur Umschreibung passiver Betroffenheit. Nötig ist dabei die Angabe des genauen Grundbuchblatts (so noch direkt § 260a S 2 RefE: „auf dem das Grundstück eingetragen ist“) oder anderweitig erreichte Konformität mit der Eintragung im Grundbuch, dieses ganz formal über die Eintragungsbewilligung oder den Eintragungsantrag (§ 28 GBO).51 29 Satz 3 schließlich erweitert den Satz 2 auf anderweite Fälle einer parallelen Registerpublizität: das Schiffsregister umfasst das See- und das Binnenschiffsregister (§ 3 I SchiffsRGO52), ins Schiffsbauregister sind Schiffsbauten und – im Bau befindliche wie auch schon fertiggestellte – Schwimmdocks einzutragen (§§ 65 ff SchiffsRGO), das Pfandregister für Luftfahrzeuge (nicht etwa die Luftfahrzeugrolle) dokumentiert mögliche Beleihungen (insb §§ 1 und 4 LuftFzgG bzw § 9 LuftFzgG53). Faktisch werden Mobilien hier letztlich „grundstücksähnlich“ behandelt, das begründet die Parallele. Wie aber genau hier der Hinweis auf § 28 GBO nun „entsprechend“ umzusetzen sei, bleibt im Dunkel. Ähnliche Regelungen enthalten insoweit § 24 I SchiffsRG54 (Schiffshypothek – das gilt auch bei Schiffsbauten [§ 77 S 2 SchiffsRG] und Schwimmdocks [§ 81a S 2 SchiffsRG]) und § 24 I LuftFzgG (Registerpfand), sie dürften spezialiter Vorrang erheischen – und ansonsten gilt allgemein das Spezialitätsprinzip!

VI. Wirkungen 30

§ 228 (S 1) beschreibt bloß inhaltlich die Möglichkeiten für den Planverfasser (Option iSv Rn 3, 10, 18 – arg „können“) und präzisiert die Platzierung („in den gestaltenden Teil des Insolvenzplans aufgenommen“), wenn er jene Option denn ziehen will. Die Regel ist Verbindungsglied55 zwischen abstrakter Gestaltungsmacht des Planverfassers (§ 221 S 1) und konkreten Planauswirkungen auf Planbetroffene (§§ 254–254b). Einzelheiten können hier mithin dahinstehen – es fehlt an einer unmittelbar „sachenrechtlichen“ Rechtsfolge, denn es wird ausschließlich das Sanierungsinstrument nur bereitgestellt. Man würde die Regel systematisch eher naheliegend freilich bei § 221 erwarten, sucht sie nicht im Zusammenhang mit den Plananlagen (§§ 229/230) – die erst etwas später konzipierte (§ 260a RefE, vgl Rn 7) Hinzufügung verlief so besehen unglücklich (aber zB auch Gruppenbildung [§ 222] und Gleichbehandlung [§ 226] sind ähnlich systematisch auseinandergerissen …). Die insolvenzplanend „induzierte“, sachenrechtliche Änderung folgt erst aus weiteren Zusammenhängen:

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FK/Jaffé InsO9 § 228 Rn 10; wohl auch Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 228 Rn 4: „sonst ist die Eintragung nicht wirksam“. Was nicht zuletzt natürlich beweist, dass der Plan derartige Verfahrenserklärungen mitumfasst: Rn 17. Schiffsregisterordnung vom 19.12.1940 idF der Bek vom 26.05.1994, BGBl I Nr 32 S 1133.

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Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen [LuftFzgG] vom 26.02.1959, BGBl III Nr 403–9. Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken [SchiffsRG] vom 15.11.1940, BGBl III Nr 403–4. Eher missverständlich hier Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 228 Rn 3: „Wirkungsnorm“ (aber vgl auch Rn 1 Fn 1).

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Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse

§ 228

1. Erklärungsfiktion Sachenrechtliche (§ 254a I) wie diesen eventuell zugrundeliegende schuldrechtliche 31 (§ 254a III) Willenserklärungen (Trennungsprinzip! – außerdem als Sicherung vor Kondiktion) aus dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans „gelten … als … abgegeben“56 – anders gesagt: sie werden den betroffenen Beteiligten als eigene zugerechnet. Die gewählte Formulierung erinnert ein wenig an § 416 ZPO („von den Ausstellern abgegeben“), ergänzt nur um die Fiktion konkreter Entäußerung – das Pendant ist demnach § 894 S 1 ZPO („gilt die Erklärung als abgegeben), und dazu passt auch die unmittelbar nicht ausgedrückte, aber zweifellos doch notwendige (dazu § 254a Rn 7–9 iVm 13–15), Verknüpfung mit der Rechtskraft (arg § 254 I iVm § 254b). Das sollte man nicht etwa als aufschiebende tatsächliche „Bedingtheit“ (iSv § 158 I BGB) missverstehen57 – es ist bloß schlicht eine tatbestandliche Anwendungsvoraussetzung (Rechtsbedingung). 2. Die Bedeutung des § 925 Abs 1 Satz 3 BGB Aus dem Rahmen fällt jedoch § 925 I S 3 BGB, welcher Auflassungen „in einem rechts- 32 kräftig bestätigten Insolvenzplan“ ausdrücklich erlaubt (Var 2 – wurde eingefügt durch Art 33 Nr 26 EGInsO) und sie gleichbehandelt wie Prozessvergleiche (Var 158). Dieses wird häufig mit Formfragen (dazu Rn 33 mit Rn 9) verkoppelt – für Vergleiche würde aber eigentlich dann schon § 127a BGB hinreichen, für Insolvenzpläne die Parallelität zu Urteilen eine Lösung andeuten (Rechtskraft! – arg § 894 S 1 ZPO). Insbesondere wird argumentiert,59 damit wäre ein Umkehrschluss aus § 254a I Hs 1 Var 2 (Fall der GmbH-Anteilsübertragung: § 15 III und IV GmbHG) nun ausgeschlossen – jener wäre ohne Grund: Var 2 sei schlicht überflüssig (dazu Rn 8), inhaltlich nur Superfluum, und kann auch keine Sperrkraft daher vermitteln. Ein weiterer Erklärungsversuch60 verweist auf § 925 II BGB und erklärt die Regelung als Ausnahme zum Prinzip der Bedingungsfeindlichkeit. Hiergegen steht aber die Systematik (Abs 1 vor Abs 2) sowie vor allem, dass Eintritt der Rechtskraft nur Rechtsbedingung ist (dazu Rn 31 aE). Man muss die Regelung innerhalb des Absatzes ausdeuten: sie wirkt negativ quasi als Durchbrechung des Grundprinzips gleichzeitiger Anwesenheit „beider Teile“ (S 1)60a und positiv als Klarstellung der Zuständigkeit (S 2 – was letztendlich zwar überflüssig war [„unbeschadet der Zuständigkeit weiterer Stellen“], aber historisch gut begründet ist: § 1 der VO von 1940!).

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Dieses verkennt leider Braun/Braun/Frank InsO7 Rn 4 aE (es müsste dort heißen: „durch § 228“). So aber zB Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 228 Rn 6 und Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 228 Rn 1 – richtig dagegen MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 3 aE. Wurde eingeführt durch Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 05.03.1953, BGBl I Nr 8 S 33 (33/34) (Art 3 Nr 1) [in Kraft ab 01.04.1953 (Art 6)] – die Änderung beruht freilich bereits auf § 1 der Zweiten VO über Auflassungen vom 09.01.1940, RGBl I Nr 8 S 46: „Auflassun-

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60a

gen können außer vor dem Grundbuchamt oder den anderen zuständigen Stellen auch vor den Amtsgerichten oder in gerichtlichen Vergleichen erklärt werden.“ MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 3. Siehe vor allem BT-Drucks 12/3803: S 125/126 einerseits [Stellungnahme BRat], S 135 andererseits [Gegenäußerung BReg], aber zB auch Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Silcher InsO3 § 228 Rn 1. Daher etwa auch der Gegenschluss bei § 278 VI ZPO: OLG Jena NotBZ 2015, 49, 50/51; OLG Frankfurt/Main BeckRS 2018, 13793 {15}; OLG Hamm NJW-RR 2018, 915, 916 [II] {14}.

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§ 229

Sechster Teil. Insolvenzplan

3. Formsurrogation

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Die Erklärungsfiktion (dazu Rn 31) wird zudem flankiert durch eine Formsurrogation:61 jede Erklärung gilt obendrein „als in der vorgeschriebenen Form“ erfolgt. Dabei wird nicht weiter zwischen Formarten (§§ 126–129 BGB: Schriftform, Beurkundung etc) besonders geschieden, ferner gilt gleich, worauf genau sich die einzelne Formanforderung abstützt. Praktisch geht es aber natürlich um gesetzlich verordnete Formgebote, freiwillig gesetzten („planimmanenten“) Formzwang anzunehmen, wäre allemal lebensfremd. Die Planlösung hindert jedenfalls die Nichtigkeit wegen Formmangels (§ 125 S 1 BGB); aber wirtschaftlich viel bedeutsamer ist der Nebeneffekt in der Ersparnis zusätzlichen Aufwandes (dh von Zeit und Geld) für die Wahrung von Formen. Und dies sichert dem Plan – wenn schließlich denn erfolgreich – die rasche Umsetzung. 4. Die Bedeutung des Erwerbstatbestands

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Bei gestreckten materiellen Tatbeständen (dazu Rn 17) ist aber zudem Perfektionierung noch sicherzustellen, also idR etwa Sachübergabe (§ 929 S 1 BGB – aber: §§ 929 S 2, 930, 931 BGB) oder Grundbuchvollzug (§ 873 I BGB – wegen § 925 I schon Rn 32). Das sollte man vorlaufend schon festmachen, um nicht doch am Ende die Vollstreckung zu provozieren. Man muss alternativ dafür sorgen, dass die entsprechende Verwaltungsbefugnis weiterbesteht (arg ex § 259 I S 2 – „Globallösung“, vgl § 217 Rn 66 f und § 258 Rn 16), vorherige Treuhänderschaft begründen oder – letztendlich am elegantesten – insoweit Vollzugsermächtigung erteilen (§ 221 S 2 Var 1 – „Einzellösung“, dort Rn 106); das Gesetz hat leider nur partielle Vorsorge getroffen (§ 254 II S 3). § 221 S 2 Var 1 passt aber gut („die zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“), um nachlaufenden Registervollzug zu ermöglichen. Eine Amtshilfepflicht des Insolvenzgerichts wird dagegen nicht greifen62 – stattdessen muss vorweg der einzelne Planverfasser vorsorgen.

§ 229 Vermögensübersicht. Ergebnis- und Finanzplan 1Sollen die Gläubiger aus den Erträgen des vom Schuldner oder von einem Dritten fortgeführten Unternehmens befriedigt werden, so ist dem Insolvenzplan eine Vermögensübersicht beizufügen, in der die Vermögensgegenstände und die Verbindlichkeiten, die sich bei einem Wirksamwerden des Plans gegenüberstünden, mit ihren Werten aufgeführt werden.

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Mit guten Gründen bezüglich Dritterklärungen ablehnend Brünkmans ZIP 2015, 1052: S 1055 f [II 2.2.4] (Planinhalt) bzw S 1057–1059 [III], für Verfügungen [III 1] wie Verpflichtung [III 2]. Die Rechtspraxis sieht das gerne demgegenüber lascher – zB: HambK/Thies InsO6 § 228 Rn 5 bzw § 254a Rn 4; Braun/Braun/Frank InsO7 § 254a Rn 6 (arg Abs 3); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254a Rn 3; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 161 bzw MünchKomm/Madaus

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InsO3 § 254a Rn 18. Näheres siehe bei § 254a Rn 18. MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 13 („hat … von Amts wegen … zu übermitteln“), etwas vorsichtiger schon HambK/ Thies InsO6 § 228 Rn 6 („Bei Bedarf … zu übermitteln“), ganz zurückhaltend dann Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 228 Rn 5 aE („begrüßenswert“ – aber ohne eine Verpflichtung).

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Vermögensübersicht. Ergebnis- und Finanzplan

§ 229

2Ergänzend ist darzustellen, welche Aufwendungen und Erträge für den Zeitraum, während dessen die Gläubiger befriedigt werden sollen, zu erwarten sind und durch welche Abfolge von Einnahmen und Ausgaben die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens während dieses Zeitraums gewährleistet werden soll. 3Dabei sind auch die Gläubiger zu berücksichtigen, die zwar ihre Forderungen nicht angemeldet haben, jedoch bei der Ausarbeitung des Plans bekannt sind.

Materialien: EB LS 2.2.10 (Begr S 174 f); § 262 DiskE (Text: S 133/134, Begr: BT S 237 f), § 262 RefE (Text: 152, Begr BT S 273); § 257 RegE (BT-Drs 12/2443 S 77, 172, 203 [RV]). Satz 3 wurde eingefügt durch Art 1 Nr 20 ESUG [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3)] (BT-Drucks 17/5712 S 9, 32, 56, 69). Literatur Buth Der Insolvenzplan als Sanierungsplan – Grundzüge und betriebswirtschaftliche Aspekte, DStR 1997, 1178; Dinstühler Kreditrahmenabreden gem den §§ 264ff InsO, ZInsO 1998, 243; FischerBöhnlein/Körner Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften im Insolvenzverfahren, BB 2001, 191; Heni Funktion und Konzeption insolvenzrechtlicher Planbilanzen, ZInsO 2006, 57; Hess Vom Sanierungskonzept zum Insolvenzplan, WPg 2009, 299; Köchling/von Leoprechting Mitwirkung von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern im Insolvenzverfahren, BuW 2002, 160; Mundt Rechnungslegungspflichten in der Insolvenz, DStR 1997, 621; Pink Insolvenzrechnungslegung: eine Analyse der konkurs-, handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegungspflichten des Insolvenzverwalters, Diss. Düsseldorf 1995; K Schmidt Liquidationsbilanzen und Konkursbilanzen, ZHR 1989, Beiheft 64, 75; Skauvadszun/Klauser/Battermann, Plausibilitäts-Prüfungen von Sanierungskonzepten mithilfe statistischer Methoden, DZWIR 2018, 312; Westrick Die Anlagen zum Insolvenzplan, DStR 1998, 1879.

Übersicht I. Normzweck und Systematik 1. Normzweck . . . . . . . . 2. Normgenese . . . . . . . . 3. Normsystem . . . . . . . 4. Praxiskritik . . . . . . . . II. Voraussetzung (Satz 1 Hs 1) 1. Unternehmensfortführung 2. Ertragsbeteiligung . . . . 3. Unternehmereigenschaft . III. Anlageerfordernisse . . . . . 1. Einführendes . . . . . . .

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2. Vermögensübersicht (Satz 1 Hs 2) a) Grundlagen . . . . . . . . . . b) Einzelheiten . . . . . . . . . . c) Strukturen . . . . . . . . . . . 3. Ergebnisplan (Satz 2 Hs 1) . . . . 4. Finanzplan (Satz 2 Hs 2) . . . . . 5. Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . IV. Ergänzungen (Satz 3) . . . . . . . . 1. Grundstruktur . . . . . . . . . . 2. Erfordernisse . . . . . . . . . . . 3. Haftungsfolge . . . . . . . . . . .

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Rn. 27 27 30 35 36 41 45 47 47 50 54

I. Normzweck und Systematik 1. Normzweck § 229 benennt Fälle von obligatorisch jeweils beizufügenden Anlagen (S 1: „ist beizu- 1 fügen“ bzw S 2 „ist darzustellen“ – sog Pflichtanlagen, im Unterschied zu sog Optionsanlagen: § 219 Rn 21); die Pflicht lässt sich ohne weiteres dem gewählten Normwortlaut entnehmen, die Form einer Anlage ist allerdings nur angedeutet durch Benennen des Vorgangs: S 1 („beifügen“) macht dies inhaltlich zwar etwas deutlicher als S 2 („darstellen“), beides gilt aber gleich (Rechtsfolgenseite). Die Eigenschaft „Anlage“ folgt letztlich schon unmittelbar aus § 219 S 2 (dazu § 219 Rn 19) und mittelbar vom Rückschluss aus der Überschrift des § 230 („Weitere Anlagen“). Sie zählen zum Darstellungsteil des InJoachim Münch

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solvenzplans1 (dazu § 219 Rn 13), schlagen in Wahrheit durchaus aber bereits eine Brücke von der Darstellung zur Gestaltung (dazu Rn 2 und 4). Die Separierung der Rechenwerke entlastet die eigentliche (Plan-) Darstellung (Verständlichkeit) und bewahrt betriebswirtschaftliche Übungen (Praktikabilität). 2 Verlangt wird insoweit eine ergänzende numerische Ausführung, wie sich die gedachte Plangestaltung denn voraussichtlich auswirkt2 (Plausibilität der Plankonzeption?3). Dabei kann ein statisches und ein dynamisches Element unterschieden werden. Erforderlich ist einerseits eine zeitpunktbezogene (statische) Vermögensübersicht (S 1 Hs 2 – Rn 27–35), mithin eine Plan-Bilanz, welche die Vermögengegenstände den Verbindlichkeiten gegenüberstellt; andererseits soll zudem – zeitlich etwas weiter ausgreifend – das zeitraumbezogene (dynamische) Vermögensaufkommen (S 2) möglichst genaue Darlegung finden. Hierfür dienen genauso eingeführte betriebswirtschaftliche Instrumente, hier indes nicht etwa reaktiv basierend auf Tatsachen benützt, vielmehr zum Zweck der Prognose. Verlangt ist demgemäß ein Ergebnisplan (S 2 Hs 1 – Rn 36–40) als Plan-Erträgnisrechnung („GuV“), der sich zur Realisierung späterer (idR quotaler) Befriedigung verhält (Zentralaussage: gläubigerbezogener Sanirungsgewinn), und weiterhin ein Finanzplan (S 2 Hs 2 – Rn 41–44) als Plan-Liquiditätsrechnung, der Auskunft zur anhaltenden Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gibt (Zentralaussage: schuldnerbezogener Sanierungserfolg). Das erst sind die maßgeblichen Kernaussagen zur Beurteilung des Plankonzepts. Nach § 234 sind daher neben dem Plan selbst auch sämtliche Anlagen zur Einsichtnahme der Beteiligten beim Insolvenzgericht niederzulegen. Ziel ist eine umfassende Information zur Vorbereitung der Entscheidungsfindung der 3 Abstimmenden.4 Das scheint Bestandteil der Darstellung als solcher (§ 220, vgl Rn 1), einschließlich aller deren Anforderungen (IDW S2 Rn 2, vgl § 220 Rn 37–40), reicht allemal jedoch darüber hinaus, zumal auch die Umsetzung der geplanten Gestaltung hier mitgedacht wird. Entscheidend ist aber die Einschränkung auf Fälle von unternehmerisch motivierten Entscheidungen (S 1 Hs 1, dazu Rn 15–20). Die Anlagen sollen hierbei den Gläubigern eine Beurteilung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens ermöglichen:5 ist denn die versprochene Planquote später nach Höhe und Zeit auch belastbar zu erbringen (IDW S2 Rn 48 S 1: „Investitions-/Desinvestitionsentscheidung bei Zustimmung/Ablehnung des Insolvenzplans“)? Das erklärt die Tatbestandsseite. Die Pflicht beeinflusst bereits die Entwicklung des Plankonzepts als eine Art hypothetische Realisierbarkeitskontrolle des Planvorlegers.6 4 Der Normzweck, aufs Regelwerk näher „heruntergebrochen“, zeigt durchaus überlappende Konturen („Funktionskreise“), wobei aber deren Einzelausprägungen immer im Dienst umfassender Information der Gläubiger stehen und – womöglich viel wichtiger – im vorhinein dem Verfasser als rechentechnische genaue Orientierungshilfe dienen (dazu

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Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 1; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 229 Rn 2 („besondere [Dokumentations-] Anforderungen); HK/Haas InsO9 § 229 Rn 5 mit 1; Zabel HRI2 § 27 Rn 92 („ergänzende Unterlagen“) – etwas unklar HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 1 („§ 229 erweitert [!] somit [?] § 220“). BT-Drucks 12/2443 S 203 li./re. Sp. wiederholt nur den Norminhalt – verknüpft ihn indes mit einem Normzweck: wenn und weil

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„die Gläubiger besonders daran interessiert [sind], Grundlagen für die Beurteilung der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens zu erhalten.“ (S 203 li. Sp.). FK/Jaffé InsO9 § 229 Rn 2–6. Ganz allg dazu BT-Drucks 12/2443 S 77 li. Sp.: Offenlegung, Transparenz. Westrick DStR 1998, 1879, 1880 [3]: „wie informierte Investoren“. Diesen Aspekt betont Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 229 Rn 5.

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Vermögensübersicht. Ergebnis- und Finanzplan

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Rn 3): wird der Plan später überzeugen und glattgehen können? Satz 1 zielt sehr auf kurzfristige Information und spiegelt indirekt insoweit die Liquidation als Alternative (dazu Rn 34): was wäre die Quotenerwartung bei Regelabwicklung? Oder anders gewendet: lohnt überhaupt das Anschauen jenes Plankonzepts („Ob“) oder zählt eine zeitnahe Auszahlung einem persönlich insoweit mehr? Satz 2 zielt mit einem zusätzlich verfeinerten Rechenwerk demgegenüber auf langfristige Information: wie würde die Sache letztendlich wohl weitergehen? Ist denn der Plan („Wie“) insgesamt – rechnerisch! – plausibel? Satz 3 (dazu Rn 47–54) schließlich hat Appellfunktion, um gleich von vornherein der Gefahr entgegenzuwirken, dass nachträglich angemeldete Forderungen eine Schieflage heraufbeschwören.7 – Wenn gesagt wird, ergänzend könnten jene Plananlagen eine Hilfestellung für die gerichtliche Entscheidung über die Zulassung (§ 231) sowie Bestätigung (§§ 248 ff) des Insolvenzplans bieten (IDW S2 Rn 48 S 18), so geht das fehl: die ökonomischen Chancen und Risiken abzuschätzen, ist nicht Aufgabe der Richter. 2. Normgenese Die Unterscheidung zweier Teile – Darstellung (EB LS 2.2.5 lit a mit LS 2.2.26) und Ge- 5 staltung (EB LS 2.2.5 lit b mit LS 2.2.7) – stammt schon aus den Kommissionsvorschlägen und folgt dem Muster des Modells der amerikanischen Reorganisation (dazu Vor §§ 217 ff Rn 152 iVm § 219 Rn 6 f). Fünf Pflichtanlagen („sind … beizufügen“) waren zudem noch vorgeschrieben (EB LS 2.2.10): ein Gläubigerverzeichnis (lit a) und zwei spezielle „Reorganisations-Bilanzen“, die eine rückwirkend (Istwerte) erst zur Verfahrenseröffnung (lit b: „Status“), die andere prognostisch (Sollwerte) zum hypothetisch vollzogenen Insolvenzplan (lit c: „Bilanz“); zudem muss man sehen, dass auf den Zeitpunkt der Eröffnung außerdem eine reguläre (Eröffnungs-) Bilanz verlangt wird (ZB LS 3.3.3.1), so wie es gegenwärtig § 155 II S 1 vorschreibt. Dazu kamen noch fachkundige Stellungnahmen (lit d – heute: § 232) und notwendige Zustimmungsakte (lit e – heute: § 230 I). Der Vergleich beider Bilanzen sollte gestatten zu beurteilen, „ob und wie die finanzielle Krise des Unternehmens behoben werden kann.“9 Um dieses zu erleichtern und aus ungenannten anderen „technischen Gründen“10 (das Gläubigerverzeichnis war vorweg vorhanden: EB LS 1.3.2.1; die beiden Bilanzen können gezielt später „parallelisiert“ werden), wählte man dazu die Form der Anlage. Kommentare (lit d) und Zustimmung (lit e) sollten erforderliche weitere Informationen liefern11 – sie erschienen von vornherein bereits nicht als Bestandteil des Plankonzepts. Normale Rechnungslegung und Rechenschaft sollten gemäß der Konzeption der Kom- 6 mission insolvenzrechtlich überlagert werden (ZB LS 3.3). Ziel war eine Schaffung von Synergien per Koppelung, dh angepasst fürs Reorganisationsverfahren (mit Differenzierung zwischen handelsrechtlich pflichtigen Gemeinschuldnern [ZB LS 3.3.3] und anderen Unternehmen [ZB LS 3.3.4]) und ausgesetzt in Liquidationsverfahren (ZB LS 3.3.5.1). Bei „Großbetrieben“ sollte mit Insolvenzeröffnung modifiziert bilanziert werden12 (insb ZB LS 3.3.3.6: Pflicht „verfahrensbezogener“ Zusätze) – Hintergrund: möglichst Doppelar-

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BT-Drucks 17/5712 S 32 re. Sp. Ganz ähnlich aber Ahrens/Gerlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 229 Rn 1 aE; Brünkmans/Thole/Brünkmans § 13 Rn 1. EB Begr S 174/175 [Zitat: S 175]. EB Begr S 174.

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EB Begr S 175. ZB Begr S 97: „Die allgemeinen Vorschriften – etwa des Handelsrechts oder des Abgabenrechts – werden jedoch an die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens angepaßt.“ Siehe auch den Anhang zur Steuer (ZB Begr S 223 ff).

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beit (sicher aber auch Kosten) vermeiden –, bei „Kleinbetrieben“ traten Vermögensübersichten (sic!) anstelle kompletter Bilanzen (ZB LS 3.3.4). Beiden war gemein die Vermögensbewertung (scil. Aktiva) nach Fortführungswerten (ZB LS 3.3.3.4 S 2 bzw LS 3.3.4 II Hs 2), die auf den Buch- bzw Zeitwerten aufsetzte. Dies wurde bekanntlich nicht Gesetz (vgl noch erg Rn 9–11). 7 Das Grundgerüst der Vorschrift (S 1 Hs 2) entstammt den ministerialen Entwürfen (§ 262 I DiskE/RefE), die aber zudem noch für mögliche Bagatellfälle Abweichungen erlaubten (§ 262 I DiskE/RefE: „kann verzichtet werden, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering sind.“13). Der RefE hat die Verpflichtung zur Wertangabe mit hinzugefügt, zuerst indes scheinbar bloß die Aktivmasse betreffend (Abs 1 S 2: „Bei jedem Gegenstand ist dessen Wert anzugeben.“), jetzt klar auf beides gerichtet (S 1 aE: „mit ihren Werten“). § 257 RegE fand dann den heutigen Wortlaut (Sätze 1 und 2) – mit Begrenzung und Ausdehnung des RefE: Einschränkung durch Vorgabe eines Sachmerkmals (S 1 Hs 1: Fortführungsfälle – Rn 15–20), Erweiterung durch ergänzende Verpflichtung, Ergebnis- und Finanzplan anzuschließen (S 2: „Ergänzend ist darzustellen …“ – Rn 36–44); die Überschrift wurde modifiziert, und die „Bagatellklausel“ wurde fallengelassen. Die Begründung14 ist dementsprechend neu formuliert. Sie betont nun direkt das besondere Informationsbedürfnis der Gläubiger bei der Entscheidung über Fortführungen, denn für ihre Abstimmung müssen sie die zukünftige Prosperität im Unternehmen abschätzen (können). – Satz 3 (Vorgabe „vorausschauender“, „risikominimierter“ Planung, vgl Rn 4 iVm 47–53) ist später im Rahmen des ESUG ferner klarstellend dann noch beigefügt worden (Art 1 Nr 20 ESUG). 3. Normsystem § 229 ist Teil eines Sanierungskonzeptes,15 nicht Akt einer Rechenschaftslegung. Die Anlagen sind demnach am maßgeblichen Informationsbedürfnis auszurichten – und das zielt auf ein Informieren der Gläubiger zum Entscheiden. Es geht mithin insoweit weder um insolvenzeigene („interne“) Rechnungslegung (dazu Rn 9) noch um eine unternehmerische („externe“) Rechnungslegung (dazu Rn 10 und 11), vielmehr um schlicht die rechnerische Plausibilisierung des entwickelten Sanierungskonzepts. Anders gesagt: dabei stehen keine „Istwerte“ im Rückblick an, sondern „Sollwerte“ eines Konzeptes, das hypothetisch ist (Planung, Prognose, Erwartung). 9 Die insolvenzplanrechtliche Anlagenverpflichtung des § 229 ist dreifach abzugrenzen: (a) von der klassischen insolvenzrechtlichen Dokumentation, wie sie dem Insolvenzverwalter nach Übernahme der Insolvenzmasse (§ 148) kraft Amtes obliegt; sie schafft den ersten Überblick zum Geschehen, verzeichnet die Aktivmasse (§ 151: Vermögensverzeichnis), registriert die Passivmasse (§ 152: Gläubigerverzeichnis) und fasst beide sodann gezielt zusammen zur „Eröffnungsbilanz“ des Insolvenzverfahrens (§ 153: Vermögensübersicht). Jenes Datenmaterial liegt also vor, unterscheidet sich jedoch ganz grundsätzlich von dem, was § 229 abfordert,16 welcher nicht die Vergangenheit dokumentiert, sondern Zu-

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Begr DiskE S 238 = Begr RegE S 273: „reguläre“ Vermögensübersicht plus Gestaltungsplanung genügend. BT-Drucks 12/2443 S 203 li./re. Sp. Dennoch übertrieben allemal BK/Flöther/ Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 2 [Abs 1]: „Herzstück“.

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ZB Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 2 und HK/Haas InsO9 § 229 Rn 3, aber zB auch BK/Flöther/Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 229 Rn 4 f.

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§ 229

künftiges beplant (vgl Rn 35 [Zeitpunkt] bzw Rn 37 [Zeiträume]). Und dazu kommt noch, dass insolvenzrechtlich andere Bewertungsgrundsätze gelten (möglichst „realitätsgerechte“ Bewertung, vgl Rn 12 f mit 38). Daneben stehen immer auch die handelsrechtlichen (dazu Rn 11) und steuerrechtlichen (dazu Rn 10) Rechnungslegungspflichten (§ 155 I S 1), für welche in Person der Insolvenzverwalter verantwortlich zeichnet (§ 155 I S 2 – aber: II S 2); der Insolvenzfall führt bloß zusätzlich noch zur Unterjährigkeit der Verpflichtung (§ 155 II S 1). Die Abgrenzung erfasst demzufolge ebenfalls: (b) die steuerrechtliche Rechnungslegung, die zwar auf handelsrechtlicher Buchfüh- 10 rung aufbaut (§ 5 I S 1 Hs 1 EStG), jedoch Steueroptionen belässt („es sei denn“). Insb Ansatzkritierien und Bewertungsregeln können signifikant darum differieren, Einzelheiten mögen dahinstehen. IdR ist für Steuerzwecke eine elektronische Bilanz (sog „E-Bilanz“) einzureichen (§ 5b I EStG – Ausnahme: II iVm § 150 VIII AO und § 60 ESt-DVO), die eine – gleichfalls spezifisch steuerliche – GuV-Rechnung auch mit einschließt. Dem allem liegt ein im Vergleich zum Handelsrecht weiter detailliertes Gerüst („Kerntaxonomie“) zugrunde, welches amtlich geregelt ist (aktuell: Version 6.1 vom 01.04.2017 – „Generally Accepted Accounting Principles“ [GAAP]). Diese Besonderheit des Steuerrechts wirkt aber nicht präjudizierend fürs Handels- oder gar etwa Insolvenzrecht. Was den § 229 angeht, liegt dann orientierungshalber viel näher: (c) die handelsrechtliche Rechnungslegung (3. HGB-Buch: §§ 238 ff HGB), die Einzel- 11 kaufleuten und Handelsgesellschaften obliegt (§ 238 I HGB: „Jeder Kaufmann ist verpflichtet, …“): Buchführungspflicht (§ 238 HGB); Inventarisierungspflicht (§ 240 HGB); Bilanzierungspflicht (§ 242 I iVm §§ 247–251 HGB); Gewinn- und Verlustrechnung (§ 242 II HGB) – ausgenommen sind Kleinbetriebe von Einzelkaufleuten (§§ 241a, 242 IV HGB: 600.000 EUR Umsatzerlöse; 60.000 EUR Jahresüberschuss). Die beiden letzteren bilden zusammen den – gleichermaßen nur retrospektiven – Jahresabschluss (§ 242 III HGB); dafür gelten diverse Formalvorschriften (§§ 243–246 HGB) sowie vor allem Bewertungsregeln (§§ 252–256a HGB), einschließlich der traditionellen „GoB“ (§ 243 I: Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung). Weiterreichende Detailregeln gelten für (große) Kapitalgesellschaften17 (§§ 264 ff HGB), Konzernabschlüsse (§§ 290 ff HGB; IFRS), Genossenschaften (§§ 336 ff HGB), Banken (§§ 340 ff HGB) und Versicherungen (§§ 341 ff HGB). An den Strukturen wird man sich allerdings pragmatisch sinnvollerweise orientieren. Die Insolvenz führt ebenfalls zur Unterjährigkeit der Verpflichtungen (§ 155 II S 1 [Eröffnung] bzw IDW RH HFA 1.012 Rn 28 [Aufhebung]). Die personellen Beschränkungen („Kaufmann“) und sachlichen Schwellenwerte gelten 12 insolvenzrechtlich nicht! Erfasst werden daher ebenso mithin Kleingewerbebetriebe wie nichtgewerbliche Unternehmerschaft, somit dann zB auch ein Landwirt, (Klein-) Handwerker, Freiberufler etc. Genausowenig können die zeitlichen Perspektiven eingreifen: der Jahresabschluss dokumentiert zurückblickend den Geschäftsverlauf (retrospektive Dokumentation), die Plananlagen des § 229 müssen demgegenüber zukunftsorientiert ausgerichtet werden (prospektive Dokumentation – Rn 21). Ganz entscheidend ist letztendlich aber: die möglichen finanziellen Gestaltungsräume schwinden, es muss eine harte Bewertung rücksichtlich des Planungsziels erfolgen; mögliche stille Reserven jetzt zu heben, wäre aber wohl ein atypischer sanierungstechnischer Glücksfall. Trotz allem: die Kontinuität der Fortschreibung erhöht meist sehr die Plausibilität des Plankonzeptes.

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Auch uU eine „haftungsbeschränkte“ Personengesellschaft (§ 264a-c HGB).

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Als Krux gilt aber die Verkoppelung von Planprognosen und Rechnungswesen. Um Doppelung zu vermeiden, wird zumeist18 dazu geraten, sich für Ergebnis- und Finanzplan (S 2) – kontrastierend zur Vermögensbilanz (S 1), für welche insolvenzspezifische Regeln bestünden (arg § 153), vgl Rn 28 mit 9 – unmittelbar am Handelsrecht zu orientieren. Dies fällt schwer, zumal doch Handelsrecht Istwerte zugrundelegt und doch Bewertungsspielräume lässt. Man wird daher die Dinge andersherum sehen: die Anlagen wirken hierbei als „Zielvereinbarung“ („Sollwert“) für die Rechnungslegung, die inhaltlich neu anzusetzen hat (Autonomiegedanke). 4. Praxiskritik

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Die Regelung gilt der Praxis öfters als eine unnötige „praktische Planbremse“ – man bevorzugt stattdessen meist lieber Einmalzahlungen von Plangaranten, Investoren, Kreditgebern etc aus liquide vorhandenen Mitteln, um langwieriger Dokumentation auszuweichen und Diskussion im Ansatz zu umschiffen.19 Damit wird das gesetzgeberseitig beabsichtigte Nebeneinander von Sanierungsmodellen (dazu Vor §§ 217 ff Rn 7, 28, 40–43, vgl auch erg Rn 15 aE, 59 aE, 110 bzw § 217 Rn 7 und § 218 Rn 2) im Ansatz torpediert. Gewollt war ein Versuch, insgesamt das informierte Entscheiden der Gläubiger sicherzustellen, ohne aber jene Sanierungsvariante praktisch zu behindern – man darf also die Pflicht zur Beifügung von Plananlagen nicht überspannen. Der Tatbestand (dazu Rn 15–20) greift trotz allem weit, die Rechtsfolge (dazu Rn 21–46) ist jedoch nicht strikt mathematisch zu interpretieren (Prognose!), auch bereits Komponente der Darstellung des Plankonzepts (§§ 219–221, dazu Rn 1) und nicht zuletzt zudem auf normale Rechnungslegungspflichten (rück-) bezogen (dazu Rn 9–11). Eine tragfähig geplante Sanierung wird deswegen nicht an Formalien (scil. § 229) scheitern.

II. Voraussetzung (Satz 1 Hs 1) 1. Unternehmensfortführung

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Zentrales tatbestandliches Element für die Anlagenpflicht ist die (planmäßig versuchte) Fortführung des Schuldnerunternehmens. Das meint weder die Weiterführung des Unternehmens zur Offenhaltung aller Möglichkeiten bis zum Berichtstermin noch hernach eine lediglich vorläufige Fortführung (§ 157 S 1). Gemeint ist vielmehr der endgültig gedachte Entschluss der Gläubigerschaft, den Betrieb – wie auch immer – künftig „am Laufen zu halten“. Das zielt vorrangig natürlich auf einen Sanierungsplan (dazu Vor §§ 217 ff Rn 47–50), jedoch sind ebenso gewisse Liquidationsszenarien (dazu Rn 18 f) denkbar, die zur „Anlagenpflichtigkeit“ führen. Mischpläne (wie etwa bei Weiterführung eines Betriebsteils) erfordern die genannten Anlagen in allen Fällen, die zumindest auch eine (Teil-) Erfüllung aus erwirtschafteten späteren Erträgen vorsehen (uU zuzüglich des Erlöses aus

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So Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 539; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 229 Rn 28 bzw Braun/Braun/Frank InsO7 § 229 Rn 6; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 4; Heni ZInsO 2006, 57, 61, 64 – darauf zielt gewiss auch MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 229 Rn 15 („handelsrechtliche GuV-Gliederung).

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Sehr deutlich hier BK/Flöther/Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 2 [Abs 2]; HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 1 „versus“ Rn 2: bestimmte Anlagen als Basis eigener Bewertung iSv „Realitätskontrolle“; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 229 Rn 1; wohl auch HK/Haas InsO9 § 229 Rn 1 („gewisse Skepsis“).

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einer Teilliquidation). Ausgeklammert bleibt demgegenüber eine Beteiligungsquote nur aus dem Liquidationserlös, die aber den Gläubigern wohl sinnentsprechend zu plausibilisieren wäre. Den Begriff „Unternehmen“ benützt die InsO an einigen, unterschiedlichen Stellen, in 16 den §§ 217 ff zum ersten Mal jedoch in § 229 S 1 – man muss aber sehen, dass das Planverfahren als Sanierungsverfahren für Unternehmen bei der allgemeinen Zielvorgabe schon angekündigt wurde (§ 1 S 1 Hs 3: „insbesondere zum Erhalt des Unternehmens“). Andere Bezugsnormen bilden die Überschuldungsbilanz nach Fortführungswerten (§ 19 II S 1: wenn und weil „die Fortführung des Unternehmens […] nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich [ist]“ – vgl auch erg § 151 II S 1), wie überhaupt die Entscheidung zur Fortführung (§§ 156 I S 2, 157 S 1, 158, 161 II Nr 1, 162 I pr., 163 I) und die Organisation der Fortführung (§ 230 I S 1 [Selbstträgerschaft] bzw § 260 III [Übernahmegesellschaft]). Der Unternehmensbegriff ist schillernd und wandelbar von Rechtsgebiet zu Rechtsge- 17 biet: handels-, kartell-, konzern-, steuer- oder uU eben insolvenzrechtlicher („weiter“!) Unternehmensbegriff. Allemal jedoch nicht gilt der verbraucherrechtlich induzierte Unternehmerbegriff (§ 14 BGB). Unternehmen scheint mehr als bloß ein Betrieb (arg 260 II: „das Unternehmen oder einen Betrieb“ – ähnlich: §§ 161 II Nr 1, 162 I pr., 163 I). Der Begriff hängt nicht an der Kaufmannseigenschaft (§§ 1–3 HGB), erfasst somit ebenso nicht eingetragene Kleingewerbe (§ 1 II HGB „versus“ § 2 HGB), aber auch Land- und Forstwirtschaft (§ 3 HGB) und gleichfalls freiberufliche oder künstlerische Betätigung. Es geht um eine ökonomische Wertung, nicht etwa die juristisch korrekte Definition. Ein Gemeinschuldner mag einige Unternehmen gleichzeitig führen. Bei §§ 156 ff ist gemeinhin damit ein jedes organisatorisches Gebilde erfasst, welches dessen vermögenswerte Rechte bündelt20 („Sammelbegriff“). Dies passt ebenso gut auch hier. 2. Ertragsbeteiligung Als weitere Tatbestandsvoraussetzung erfolgt die Befriedigung der Gläubiger aus zu- 18 künftig erwirtschafteten Erträgen21 („earn-out“, vgl Vor §§ 217 ff Rn 38). Alsdann entstehen ureigen unternehmerische Risiken. Eine derartige Befriedigung ist nach dem insoweit nicht differenzierenden Wortlaut stets anzunehmen, wenn sie zumindest zeit- oder teilweise aus künftig unternehmerischer Betriebstätigkeit erfolgt (sei es als Ratenzahlung oder abschließend einmalige Ausschüttung). Erfasst wird hier ebenso die kurzfristige Fortführung zur Ausproduktion (Liquidationsfall)22 oder für eine Überbrückung bis zur Übertragung (Sanierungsfall), hinsichtlich des kompletten Unternehmens wie einzelner Betriebsteile23 – indes dann mit entsprechend zeitlicher oder sachlicher Beschränkung: Planhorizont ist hier der beschränkte Fortführungszeitraum bzw der fortgeführte Unternehmensbereich. Maßgebend ist das Herkommen, nicht aber die Abwicklung. Nicht erfasst werden demnach (ausschließliche) Einmalzahlungen24 aus Mitteln von Plangaranten oder

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Uhlenbruck/Zipperer InsO14 § 158 Rn 3; AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 229 Rn 3: jedwede Fortführung erfasst. HK/Haas InsO9 § 229 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 229 Rn 2; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 229 Rn 2 – aA: Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 229 Rn 3.

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HK/Haas InsO9 § 229 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 2; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 1; Braun/Braun/Frank InsO7 § 229 Rn 1. Westrick DStR 1998, 1879, 1880; ähnlich: Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 229 Rn 1; Braun/Braun/Frank InsO7 § 229 Rn 15.

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Neuinvestoren („cash-out“, vgl Vor §§ 217 ff Rn 38), im Unterschied zu lediglich kumulativer (Quoten-) Ergänzung. 19 Im Falle geplanter übertragender Sanierung (dazu Vor §§ 217 ff Rn 40, 42, 45 iVm 46–48) ist weitergehend zu hinterfragen, was Planszenario ist. Das kann einerseits sein die Veräußerung mit Erlösauskehr, alsdann trägt die Gläubigerschaft kein Unternehmerrisiko – es erfolgt gerade keine Befriedigung aus Firmenertrag (iSv Rn 18), Anlagen sind hierfür gesetzesmäßig nicht vorgeschrieben.25 Es fehlt an einem schutzwürdigen Gläubigerinteresse an ausführlicher Sachinformation gemäß § 229, die längerfristig ausgerichtet ist: cash-outFall als Form einer generellen liquidativen Verwertung. Vorstellbar ist andererseits die Fortführung mit Gewinnanteil, dh Fortführung seitens eines Dritten (dazu Rn 20) mit zukünftiger Beteiligung der Gläubigerschaft am Betriebsgewinn. Und hier müssen dann die Gläubiger eine typische eigene Investitionsentscheidung fällen (earn-out-Fall),26 also umfänglich auch informiert sein – die Anlagen sind demnach nötig. Es sind mithin im Umfang eben dieser Weiterführung sowohl Ertragsentwicklung wie Liquiditätsverlauf für die Nachfolge- oder Übernahmegesellschaft gemäß der Regel des § 229 auszuweisen und beizufügen.27 3. Unternehmereigenschaft

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Allemal nur entscheidend ist das Weiterführen als solches (dazu Rn 19), nicht wer jenes tut.28 Erfasst sind nämlich ganz explizit die Weiterführung des Schuldnerunternehmens durch den alten Unternehmensträger (Var 1: „[weiterhin] vom Schuldner“ – „überformende“ Sanierung [vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 67] bzw Eigensanierung) wie mittels eines neuen Dritten, dh durch Austausch jenes Unternehmensträgers (Var 2: „von einem Dritten“ – „übertragende“ Sanierung [vgl dazu Vor §§ 217 ff Rn 67] bzw Fremdsanierung). Hier findet also einmal der Praxisweg übertragender (Plan-) Sanierung29 ausdrücklich Erwähnung; immer muss indes auch zusätzlich Erlösbeteiligung (dazu Rn 18) vorgesehen sein. Die Benennung wirkt aber nicht einengend als Entweder-Oder-Variante bzw strikt „binäres“ System; erfasst werden ebenso Zwischenformen und Schattierungen, wie hier insb auch der Debt Equity Swap (arg § 225a – Einzelheiten: § 225a Rn 48–86). Man kann die Norm daher so lesen: wer Unternehmereigenschaft hat, soll bedeutungslos sein.

III. Anlageerfordernisse 1. Einführendes

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Die Vermögensübersicht ist zeitpunktbezogen (dazu Rn 2 und 35). Beide anderen Pläne, dh Ergebnisplan (dazu Rn 36–40) wie Finanzplan (dazu Rn 41–44), müssen dagegen Zeiträume darstellen. Die Dauer ist dabei gesetzlich klar festgelegt (Hs 1: „Zeitraum, während dessen die Gläubiger befriedigt werden sollen“; Hs 2: „während dieses Zeit-

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Zabel HRI2 § 27 Rn 93; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 229 Rn 10 (aber vgl auch Rn 11–13) – anders scheinbar jedoch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 229 Rn 8a. Vgl hierzu MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 229 Rn 4, 10b. Vgl auch Ahrens/Gerlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 229 Rn 3.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 229 Rn 5; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 4. Braun/Braun/Frank InsO7 § 229 Rn 1 mit Fn 2; HK/Haas InsO9 § 229 Rn 2. Siehe dazu hier nur BT-Drucks 12/2443 S 95.

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Vermögensübersicht. Ergebnis- und Finanzplan

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raums“) – es ist derjenige Zeitraum, der alle abstimmenden Gläubiger interessiert („Abführungsdauer“): mit welcher Ausschüttung ist jeweils zu rechnen? Wann ist jene verdient (Hs 1) und für das Unternehmen letztlich entbehrbar (Hs 2)? Problematisch erscheint demgegenüber, die notwendige Verlaufsdynamik abzubilden, um sich ein letztendlich auch verlässliches Bild „über die Zeit“ machen zu können. Es geht um eine entsprechend abschnittsweise Aufbereitung (nämlich der „Abfolge“!). Nicht gesetzlich genau festgelegt sind die dazu geltenden Periodenlängen. Man wird 22 nicht alles über denselben Leisten schlagen können. Entscheidend ist vielmehr die erforderliche Informationsvermittlung, so wie im konkreten Einzelfall angezeigt. Vier Grundregeln dazu: (a) Über allem stehen die individuell insolvenzplanmäßig angedachten Sanierungsschritte; wichtige Weichenstellungen sollten möglichst auch ihre Abbildung finden, und ebenso die unterjährig erwartbare Entwicklung im Unternehmen.30 (b) Die Länge ist keineswegs stur immer gleich anzusetzen, sondern situationsbedingt geprägt. Je feiner das Raster, desto höher prognostisch die Aussagekraft (und später die Möglichkeit, daran die Realität zu messen …). (c) Umgekehrt sollte man keinerlei Scheingenauigkeiten fingieren – je mehr Zeit ins Land geht, desto schwerer eine Prognose. Also empfiehlt sich, sukzessive die planerisch abgebildeten Abschnitte zu vergrößern.31 (d) Beide Pläne sollten zudem immer das nämliche Rastermaß anwenden, um vollständige Kohärenz zu gewährleisten (IDW S2 Rn 52: „nach einem identischen phasenorientierten Zeitraster“). Unter Berücksichtigung jener Binsenweisheiten empfiehlt die Praxis den Ausgleich von 23 (b) und (c) durch eine anfangs recht enge Periodenlänge (wöchentlich/monatlich), zumal jene mit niedrigeren Prognoserisiken vorbelastet ist, um dann in allmählich größeren Zeiträumen (Quartal, Halbjahr, regulär [scil. jährlich]) die Planung fortzuschreiben. Insoweit bietet sich an, die maßgebliche Periodendauer im Jahresturnus auszuweiten (IDW S2 Rn 52: „zB“ monatlich [Jahr 1], quartalsweise [Jahr 2], halbjährlich [Jahr 3] …32), um Schwankungen zu nivellieren. Gerade am Anfang kann aber auch eine engmaschige ausgestaltete Wochenplanung naheliegen. Hier ist viel dem Fingerspitzengefühl des jeweiligen Planerstellers überlassen; er sollte jedoch zusätzlich die Forderungen (a) und (d) mit einbeziehen (Überzeugungskraft!). Die Form der Darstellung ist aber offen. Das Gesetz beschreibt allein das Ob; wie 24 darzustellen ist, das bleibt bewusst ungeklärt. Es fehlt (insolvenzrechtlich!) somit an zwingender Vorgabe für die jeweiligen Anlagen. Maßgeblich ist einerseits der Einzelfall (Planintention, Unternehmenszweck, Betriebsgröße etc33) und hier insb dann das Informationsbedürfnis der Gesamtgläubigerschaft, die letztlich ja zustimmen muss. Orientierung gibt andererseits das übliche betriebswirtschaftliche Agieren, einschließlich standesrechtlicher Präzisierungen (IDW S234). Einzelheiten hierzu müssen dahinstehen. Tabellarische Darstellung ist also darum kein Muss, es mag eine schriftliche Erläuterung ausreichend sein,35 30 31

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Brünkmans/Thole/Harmann § 13 Rn 27. AA einerseits Braun/Braun/Frank InsO7 § 229 Rn 7: „möglichst enges zeitliches Raster“ und andererseits BK/Flöther/Wehner/ Paul InsO60 § 229 Rn 7 aE: „wenig nützlich, eine ständige Akutalisierung zu verlangen“ (für S 2 Var 1 – im Gegensatz zu S 2 Var 2: Rn 11 [1. Abs]. Enger dagegen die Taktung bei Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz (1997), S 544: ½ Jahr: wöchentlich, 1½ Jahre: monatlich, danach dann pro Quartal.

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Siehe auch die Andeutungen bei BGH NZI 2010, 101 {3} [II] = WM 2010, 225 = ZIP 2010, 341 = ZInsO 2010, 85. Anforderungen an Insolvenzpläne vom 10.02.2000: WPg 6/2000, 285 = FN IDW 3/2000, 81 ff. Eher nebenbei dazu BGH NZI 2010, 101 {3} [II] = WM 2010, 225 = ZIP 2010, 341 = ZInsO 2010, 85.

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Tabellenform scheint aus Gründen der Übersichtlichkeit aber wohl empfehlenswert. Die Gliederung der Vermögensübersicht (dazu Rn 30–34) sollte dabei dann dem klassischen Bilanzgliederungsschema (§§ 247, 265/266 HGB) entsprechen,36 der Ergebnisplan (dazu Rn 36–40) die entsprechenden GuV-Vorgaben (§§ 265/275 HGB) beachten,37 die Liquiditätsplanung (dazu Rn 41–44) den regulären BWL-Üblichkeiten gehorchen. 25 Zum Inhalt der Darstellung gilt schließlich auch Sinngemäßes: sie folgt dem Zweck insolvenzrechtlicher Information iVm handelsrechtlichen Grundsätzen und betriebswirtschaftlichen Erfahrungen. Es bestehen aber durchweg höhere Prognoserisiken bei Bewertungen und Verlaufsannahmen. Dem kann man möglicherweise etwas entgegenwirken durch Benennung eines Korridors (IDW S6 Rn 80, 82: real case / worst case / best case) und methodisch fundierten Kontrollrechnungen (IDW S6 Rn 72 f iVm 84 f: Kennzahlen, Variantenrechnung, Simulation etc). Der zeitliche Bezugspunkt der einzelnen Plananlagen (dazu Rn 21 f) beruht oft selbst auf groben Schätzwerten (Verfahrensdauer?), insb bei sehr früh und unabgestimmt eingereichten Planvorlagen38 (prepackaged plan, vgl § 218 Rn 75 f), was große, weitere Bewertungsrisiken bedingt.39 26 Unklar ist bisher, ob die drei Anlagen eigenständig bleiben, bloß inhaltlich aufeinander abgestimmt sein sollten („kumulierte“ Unternehmensplanung iSv Parallellauf), oder dem – gleichsam summiert – ein ganz eigenständiges Gesamtkonzept zugrundeliegt („konsistente“ Unternehmensplanung iSv Integration). Letzteres entspricht vorrangig betriebswirtschaftlich geprägter Herangehensweise für Unternehmensbewertung (IDW S1 Rn 4.240) wie Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S6 Rn 72 f iVm 78): die einzelnen betrieblichen Teilpläne werden „katalysiert“ (Unternehmensidee bzw Sanierungsplan) und „aggregiert“ in Rechenwerk („Verprobungsrechnung“) – es geht anders gesagt also um quantitative „Übersetzung“ qualitativer „Perspektive“ zur Veranschaulichung des Sanierungsablaufs. Die richtig begriffene sog integrierte Unternehmensplanung ist somit Mittel zum Zweck (Planungsmethode) und betont die nötige wechselseitige Beachtlichkeit (Konsistenzgebot), sie ändert indes nichts daran, dass rechtlich eigenständige Einzelanlagen vorliegen.41 So besehen schadet es nicht, methodisch (nicht: juristisch) auf integrierte Sanierungsplanung aufzusetzen. 2. Vermögensübersicht (Satz 1 Hs 2)

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a) Grundlagen. Der Wortlaut liefert drei wichtige Konkretisierungen zur Vermögensübersicht: (a) Sie weist Aktiva („Vermögensgegenstände“) und Passiva („Verbindlichkeiten“) gegenüberstellend aus, hat also die Form einer Eröffnungsbilanz für den Sanierungszeitraum. (b) Die bewusst hypothetische Formel („gegenüberstünden“) markiert

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Westrick DStR 1998, 1879, 1880; Zabel HRI2 § 27 Rn 121. Brünkmans/Thole/Harmann § 13 Rn 31 – aber: vgl oben Rn 12. Zabel HRI2 § 27 Rn 143–147; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 229 Rn 10 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 229 Rn 15 aE. Die Praxis bevorzugt nicht zuletzt darum deshalb gerne Ablösungen durch Plangaranten oder Investoren (sog Einmalzahlung, vgl Rn 18 aE): HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 1.

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IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 idF 2008 Stand 04.07.2016 – IDW Life 2016 S 731 ff). Zugegeben mit wichtiger wechselseitiger Interdependenz: Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 539 ff; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 3; Brünkmans/Thole/Harmann § 13 Rn 24 f – Zur Verflechtung sämtlicher vom Insolvenzplan erforderter Verzeichnisse und Übersichten: IDW S2 Rn 14 iVm Rn 48 ff.

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Vermögensübersicht. Ergebnis- und Finanzplan

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die „Bilanz“ als Prognose – in einem dreifachen Sinne („bei einem Wirksamwerden des Plans“): subjektiv bedingt durch die Zustimmung der Beteiligten; zeitlich mit dem Stichtag der rechtskräftigen, gerichtlichen Planbestätigung als maßgeblichem Zeitpunkt des Eintretens der gestaltenden Wirkungen (§ 254 I S 1); vor allem gezielt rechnerisch geprägt durch das Planszenario als Bezugspunkt. Es ist also keine tatsächliche – retrospektive – Handelsbilanz, sondern zahlenmäßige Plausibilisierung des vorgelegten Plankonzeptes mit zeitlich (Zukunft) und fachlich (Planung) hierzu (hoffentlich: richtig) „gegriffenen“ Werten (Vermögensrechnung42). (c) Aktiva und Passiva sind entsprechend der Verknüpfung von (a) und (b) infolgedessen variabel zu bewerten („mit ihren Werten“), je nach Zeitpunkt sowie vor allem dem Planziel,43 welches falladäquat genau anzustreben ist. Während sich demnach die Vermögensübersicht des § 153 I auf solide Istwerte stützt 28 und dazuhin retrospektiv ansetzt („auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“, dh basierend auf Tatsachen), zielt jene des § 229 Satz 1 Hs 2 – obgleich selbst auch stichtagsbezogen44 (dazu Rn 2, 21) – auf eine recht komplizierte, hypothetische Wertermittlung (Sollwerte geplanten Szenarios – jene ist also planungszentriert bzw zukunftsorientiert). Neben den mit der reinen Bewertung verbundenen Risiken besteht damit dann dazuhin noch die Schwierigkeit, die Verfahrensdauer bis zur Rechtskraft der Bestätigung45 und zwischenzeitliche Unternehmenstätigkeit zu prognostizieren.46 Es fehlt mE indes an einer Dauerpflicht, Realwerte permanent nachzuführen,47 mit Ausnahme von grundlegenden Veränderungen (arg § 220 Rn 92). Die Bewertung nämlicher Positionen kann folglich nach § 153 I und § 229 S 1 Hs 2 erheblich unterschiedlich ausfallen,48 mag auch die eine (Ist-) Vermögensübersicht die schließlich dem Insolvenzplan anzufügende Fassung der anderen erleichtern, dh die faktische (Rechen-) Grundlage der nötigen Überleitungsrechnung (dazu § 220 Rn 80) abgeben. Folgewirkung der Vermögensübersicht des § 229 S 1 ist weitergehend (a) die Umfangs- 29 bestimmung einer Kreditermächtigung (§ 264 I S 3). Die Altgläubiger können zurücktreten (§ 264 I S 1) und einen Kreditrahmen geben (§ 264 I S 2), um noch frisches Geld zu akquirieren – allerdings nur freiwillig (§ 264 II: Ausschluss zwangsweisen Nachrangs). Die Obergrenze dafür beschreibt die Aktivseite der jeweiligen Vermögensübersicht (§ 264 I S 3: „darf den Wert der Vermögensgegenstände nicht übersteigen“ – Näheres siehe bei § 264 Rn 10–12). Anders herum gesagt: Für Kreditgeber muss genügend Substrat bestehen, ihre Kredite sollen gedeckt sein, sie gehen genauso den anderweitigen Neugläubigern vor (§ 265). – Und dazu kommt noch, dass (b) die zeitpunktbezogene Vermögensübersicht (S 1) als „Eröffnungsbilanz“ den rechnerischen Ausgangspunkt der zeitraumbezogenen Ergebnis- und Finanzplanung (S 2) darstellt, die erst die maßgebende Kernaussage an Information vermitteln (dazu Rn 38) und damit die eigentliche Entscheidungsfindung im Abstimmungstermin motivieren. 42

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FK/Jaffé InsO9 § 229 Rn 7 (Prognoserechnung); Uhlenbruck/Sinz InsO14 229 Rn 2 (Plan-Vermögensübersicht); HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 4 (Plan-Bilanz); MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 229 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 229 Rn 4; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 229 Rn 3. Westrick DStR 1998, 1879, 1881; Gottwald/ Koch/de Bra InsRHb5 § 67 Rn 31; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 229 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 229 Rn 3.

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Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 534 mit S 537; Zabel HRI2 § 27 Rn 120. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 229 Rn 3 u 6 (voraussichtlich eintretende Planwirksamkeit) – aA Westrick DStR 1998, 1879, 1881 [4.1.2.] (Abstimmungsakt). Westrick DStR 1998, 1879, 1881 [4.1.3]. AA aber insoweit BK/Flöther/Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 4. Vgl Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 536 mit Fn 333; Westrick DStR 1998, 1879, 1880 [4.1.1].

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b) Einzelheiten. Zweck der Vermögensübersicht ist dabei die bilanzmäßige Darstellung der gestaltenden Auswirkungen des Insolvenzplans bzw der Plansanierung49 (aber nicht eine momentane Verlaufsprognose iSv künftiger Bilanzsanierung – das leistet anschließend S 2 [Rn 36, 38, 40 bzw 41] – hoffentlich!). Die Grobgliederung ist jene jeder Bilanz50 (Rn 24). Man sollte tunlichst die gewohnten Formen einhalten, das erleichtert die Vermittlung („Wiedererkennungseffekt“), dabei aber klar auch den zwangsläufigen Prognosecharakter (dazu Rn 27 [b]) kommunizieren. Verlangt ist Ausweis der „wahren“ Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Gemeinschuldners, nicht etwa der Buchwerte.51 Es geht um eine zahlenbasierte Prognose eines Erfolges jenes Sanierungsplans, oftmals auf Grundlage von Schätzungen. 31 Aktiva: Dabei empfiehlt sich dann weiterhin die traditionelle Unterscheidung von Anlagevermögen (Grundstücke, Maschinen, Ausstattung etc, aber zB auch immaterielle Unternehmenswerte) und Umlaufvermögen (Materialien, Lagerbestand, Forderungen etc); dazu kommen uU jedoch noch insolvenzspezifische Vermögenspositionen (insb § 142 I). Als guter Ausgangspunkt dient das Vermögensverzeichnis des Insolvenzverwalters (§ 151 I S 1 [Posten] iVm II [Summen] – Näheres: § 151 Rn 23–54), das jedoch augenscheinlich zeitlicher Fortschreibung bedarf (zukünftiger Bezugspunkt! – Rn 9). Unter der Prämisse der Unternehmenssanierung sind antizipierte Fortführungswerte (going-concern-Werte) plausibel zu bestimmen, handelt es sich hingegen um ein tatbestandlich mit inbegriffenes (dazu Rn 15 aE, 18 f) Liquidationsszenario, müssen erwartete Liquidationswerte angesetzt werden.52 Im Falle der teilweisen Veräußerung des Schuldnerunternehmens sind sowohl der verbleibende Vermögensbestand als auch der antizipierte Verwertungserlös als Aktiva aufzunehmen53 (wegen Spezifika übertragender Sanierung siehe Rn 18–20). 32 Passiva: Das meint die Gesamtsumme der Belastungen, nicht also etwa nur (voll-/nachrangige) Insolvenzforderungen (§§ 38/39), welche doch primär „verfahrensbetroffen“ sind. Ausgangspunkt ist dafür das Gläubigerverzeichnis (§ 152 I), so wie es der einzelne Insolvenzverwalter erstellt, welcher dabei die vorhandenen Informationen allumfassend ausschöpft (§ 152 I aE: „oder auf andere Weise bekannt geworden“ – Näheres: § 152 Rn 16–20). Dass Anmeldung nicht notwendig ist, hierfür hätte es gewiss demnach keines Zusatzes (S 3 – dazu: Rn 47–53) bedurft. Man sollte bei S 1 mithin die Beifügung nicht missdeuten (als eine Art Umkehrschluss: Ausschluss anderer Gläubiger?); sie fungiert ohnedies nur praktisch als „Merkposten“ (dazu Rn 48). Hierher zählen genauso jedoch absonderungsfähige54 und aufrechnungsbelastete Rechtspositionen, erst recht wenn der Plan diese ganz unbeeinträchtigt lässt (arg § 152 II S 1 Var 1 und III S 1) und außerdem die späteren Masseverbindlichkeiten nach geschätztem Wert (zukünftiger Bezugspunkt! – Rn 21),

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Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 2; Zabel HRI2 § 27 Rn 45 – Braun/Braun/Frank InsO7 § 229 Rn 3 aE bzw Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 229 Rn 9. BT-Drucks 12/2443 S 172 li. Sp. zu § 153: „ähnlich wie in einer Bilanz“ [§ 172 {1}]. Dazu siehe etwa FK/Jaffé InsO9 § 229 Rn 8 f; Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 537 (letztlich empfehlenswerte Anlehnung); Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 229 Rn 6; MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 229 Rn 6. BT-Drucks 12/2443 S 172 li. Sp. zu § 153: „nicht zulässig“ [§ 172 {1}] – zu § 229 S 1:

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Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 534 aE, 536 f. Westrick DStR 1998, 1879, 1880; Braun/ Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 528/529 und 534; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 229 Rn 3; MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 229 Rn 5; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 229 Rn 14; HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 4; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 229 Rn 4. MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 229 Rn 4 mit Rn 7. Recht klar schon Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 537 mit S 537/538.

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Vermögensübersicht. Ergebnis- und Finanzplan

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inbegriffen die Zahlungspflichten aus Sozialplänen (§ 123 [II S 1]). Hierbei hilft § 152 III S 2 indes weniger, weil diesem andere Zeithorizonte (alsbaldige Beendigung, …) sowie andere Verlaufsideen (…, weniger mögliche Sanierung) zugrundeliegen (im Gegensatz zu § 152 III S 2: „im Falle einer zügigen Verwertung des Vermögens“). Die Annahmen sollten deswegen im Darlegungsteil eigens textlich präzis plausibilisiert werden. Es gilt implizit eine grundlegende inhaltliche Beschränkung. Als Aktiva betroffen kann 33 ausschließlich die Insolvenzmasse sein, dh was Gemeinschuldnervermögen (§ 35) und insolvenzbefangen (§ 36) ist. Sieht der Plan eine übertragende Sanierung vor, hat die Vermögensübersicht lediglich Aktiva (insb Kaufpreisforderung) und Passiva (insb Verbindlichkeiten ./. Anspruchsverzicht) des veräußerten Unternehmens (nicht auch der übernehmenden Gesellschaft55 – im Unterschied zu Rn 19) und zudem im Falle nur teilweiser Veräußerung des beim Gemeinschuldner verbleibenden Unternehmensteils auszuweisen. Eventuell zurückbleibende „Restposten“ müssen gleichfalls aufgenommen werden. Ausgeklammert bleiben demgegenüber Drittvermögen (Aussonderung), pfändungsfreie Gegenstände, zukünftiger Eigenerwerb und gleichfalls natürlich, was der Verwalter freigegeben hat. – Die Passiva beziehen sich reziprok ebenfalls nur auf Insolvenzgläubiger (§ 38), welche ganz allein verfahrensbefangen sind (§ 87 InsO), nicht etwa auf Übernehmer, Garanten, andere Dritte. Geraten wird zumeist, eine unmittelbare Vergleichsrechnung mit Liquidationswerten 34 noch mitzuliefern („dritte Spalte“).56 Davon entbindet nicht § 153 I, da disparate Bezugspunkte vorliegen (dazu Rn 9, 28). Aber § 229 (S 1 Hs 2) sagt davon nichts – es ist also keine Pflichtanlage (dazu Rn 1) in jenem formellen Sinne. Jene Vergleichswerte sind allerdings unbedingt zusätzlich notwendig (nämlich direkt gemäß § 220 II – Näheres: § 220 Rn 78–87), um eine aufgeklärte Entscheidung zwischen Liquidation und Sanierung treffen zu können: dann liegt nahe, obwohl es formal letztlich verboten erscheint (der Inhalt wird zur Anlage), die Information im Vermögensverzeichnis zu integrieren (so sieht es IDW S2 Rn 14, 32, 5157), auf welche der Darstellungsteil jedoch ausdrücklich bezugnehmen sollte. c) Strukturen. Die Vermögensübersicht des § 229 S 1 ist einmalig zu erstellen58 und 35 stichtagsbezogen (dazu Rn 28), dh dementsprechend nicht fortzuschreiben. Für den folgenden Sanierungs- bzw Ausschüttungszeitraum erwartete Veränderungen von Aktiva und Passiva müssen insolvenzrechtlich59 demgemäß nicht zwingend (!) fortgeschrieben werden60 (dazu Rn 41) – aber: das gilt für § 229 S 1 und die „planende Prognose“; das gilt nicht betriebswirtschaftlich (IDW S6 Rn 78) und nicht mit Blick auf § 220 II (dazu § 220 Rn 87): prognostisch erstellte Planbilanzen veranschaulichen den (erwarteten) Planerfolg der Sanierungsidee und sind daher mithin erste Wahl für weitere „optionale“ Anlagen61

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Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 229 Rn 4 – aA: Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 229 Rn 10–13. ZB Nerlich/Römermann/Braun InsO InsO9 § 229 Rn 16. Die Vergleichsrechnung ist allerdings eigenständig begründet: Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 229 Rn 5. Aber zB auch Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 539 [oben] mit S 538; demgegenüber hält Westrick DStR 1998, 1879, 1881 eine (weitere) Ausweisung der Zerschlagungswerte für unnötig.

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ZB Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 2. Ergänzend besteht selbstverständlich immer die reguläre „retrospektive“ Bilanzierungspflicht aufgrund handels- und steuerrechtlicher Vorgaben: § 155 I S 1 bzw Rn 10–12. HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 4; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 2. Dafür vor allem MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 229 Rn 6; BK/Flöther/Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 5a („Im Interesse einer höheren Transparenz“); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 229 Rn 6. – AA HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 4.

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(„Antizipation“ durch Fortschreibung – quasi eine Art „Stresstest für die Sanierung“). Die faktische Schwierigkeit, eine längere Zeitspanne einigermaßen effektiv zu beplanen (Belastbarkeit? Prognoserisiken? Schlüssigkeit?) sollte gegenüber dem Bestreben, größtmögliche Transparenz für die Entscheidung herzustellen, angesichts betriebswirtschaftlicher Instrumente kein überzeugendes Gegenargument sein. 3. Ergebnisplan (Satz 2 Hs 1)

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Die Benennung gehorcht der amtlichen Überschrift, gemeint ist hiermit die übliche Gewinn- und Verlustrechnung („GuV“) bzw Aufwands- und Ertragsrechnung62 (entsprechend dem Normwortlaut) oder kurz auch bloß Ergebnisrechnung63 (sieht auf den Saldo!). Sie kann nicht jedoch vollkommen handelsrechtlichen Prinzipien (insb §§ 265/275 HGB) folgen64 (dazu Rn 13, 24), mag sich aber gerne strukturell daran orientieren. Ziel kann nicht etwa sein, stille Reserven anzuhäufen. Ihr Zweck ist, die zukünftige Rentabilität des Plankonzepts und also die Plausibilität der Planprämissen darzulegen; und dies meint im Grund eine Art Machbarkeitsstudie für die Sanierungskonzeption:65 können die in dem gestaltenden Teil vorgesehenen Akte später nachhaltig in die Gewinnzone führen? 37 Vom Wortlaut her wird zweierlei noch abgeklärt: die Angaben sind jeweils zeitraumbezogen (im Unterschied zu S 1, welcher Zeitpunktbezug vorgibt – Rn 2, 21, 35). Um einen solchen Zeitraum konkret darzustellen, sind diverse Zeitschnitte jeweils erforderlich, sicher zu Beginn und dann am Ende, dazwischen anfangs in engerer, alsdann in loserer zeitlicher Abfolge (dazu Rn 22 f). Der Ergebnisplan ist periodisierte Erfolgsrechnung, keine ausschließlich singuläre Einzelrechnung, denn er soll ja – anders als üblich – vorausschauen, nicht zurückblicken. Er vermittelt den Gläubigern ihre Entscheidungsgrundlage: macht Sanierung Sinn? Der genaue Zeitraum selbst ist gesetzlich klar festgelegt: solange die Gläubiger am Ertrag teilhaben sollen ([gläubigerbezogener] Ausschüttungszeitraum – der muss sich nicht decken mit dem [schuldnerbezogenen] Sanierungszeitraum66). 38 Etwas schief wirkt jedoch wegen Rn 36 dann der Wortlaut wohl insoweit, als er auf Zweitrangigkeit des separaten Ergebnis- und Finanzplans hindeutet („Ergänzend ist darzustellen, … und …“). Das wäre indes falsch. Vom Aussagegehalt her bringen beide Pläne die eigentlich schlussendlich ökonomisch entscheidende Botschaft, ob die per Plan verheißenen künftigen Erträgnisse („Planidee“) halbwegs realistisch scheinen („Stresstest“). Es geht um eine (darstellende) rechnerische Plausibilisierung („Verprobungsrechnung“, vgl Rn 26) des (gestaltenden) planerischen Sanierungskonzepts – mit aber allen Risiken jeder Prognose. Die Ergebnisrechnung (S 2 Hs 1) sollte glaubhaft klarlegen können, dass zukünftig auszuschüttende Betriebsgewinne entstehen („Quotenersatz“). 39 Jene Aufstellung erfolgt naheliegend nach § 275 HGB – wenn und weil das Unternehmen ohnedies handelsrechtlicher Rechnungslegung unterfällt (dazu Rn 11–13 – Synergie62

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HK/Haas InsO9 § 229 Rn 4 – marginal anders insoweit BK/Flöther/Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 6: „Aufwendungs- und Ertragsrechnung“. Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 4. AA Zabel HRI2 § 27 Rn 102. Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 4 mit Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 534; HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 229 Rn 5 (Prognoserechnung).

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Dies übersehen wohl MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 229 Rn 11 und Zabel HRI2 § 27 Rn 102 Fn 126, aber zB auch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 229 Rn 5; HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 5 – richtig: Braun/Braun/Frank InsO7 § 229 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 229 Rn 5 mit 3 aE; Westrick DStR 1998, 1879, 1882.

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Vermögensübersicht. Ergebnis- und Finanzplan

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effekte!), dh untereinander in Staffelform (Abs 1 S 1) mit Einzelausweis (Abs 1 S 2) und Zwischensummen entsprechend dem Bruttoprinzip. Es ist wohl heute die meist gebrauchte Darstellungsform. Gestattet ist wahlweise das Gesamtkostenverfahren (Abs 2) mit letztendlich hoher Aggregation (Ausrichtung gemäß vertypter Arten von Aufwand und Erlösen) und das Umsatzkostenverfahren (Abs 3) mit stärker herkunftsbedingter Ordnung (Ausrichtung an einzelnen betrieblichen Bereichen). Jenes erscheint wohl letztlich etwas aussagekräftiger.67 Ansonsten kommt aber auch die Kontoform in Betracht: sie weist den Saldo als Haben (Verlust) oder Soll (Gewinn) und infolgedessen also nebeneinander aus. Der Ergebnisplan ist ausschlaggebend als Entscheidungsgrundlage: verspricht das Sa- 40 nierungskonzept den Gläubigern die für Sie letzthin bessere Lösung (verglichen mit der Liquidation)? Darin liegt seine Hauptaufgabe und Zielrichtung68 (anterograde Betrachtung). Mit Planannahme und Durchführung wird sich freilich dies dann umdrehen (retrograde Betrachtung): entspricht die Planprognose der Entwicklung (Vergleich von Planwerten und Istwerten)? Der Ergebnisplan mutiert zur Messlatte des Erfolgs – ist Überprüfungsgrundlage für den Sanierungsfortschritt, quasi eine Art „Zielvereinbarung“. Auch dafür dient jene abverlangte periodisierte Darstellung: die Gläubiger ersehen möglichst zeitnah, ob der Insolvenzplan eingehalten werden kann oder von ihm abgewichen werden muss.69 4. Finanzplan (Satz 2 Hs 2) Diese juristisch „unverfänglichere“ Definition folgt hier der amtlichen Überschrift, ge- 41 meint ist aber klar die betriebswirtschaftliche, unmittelbar aus der GuV-Planung abgeleitete, Plan-Liquiditätsrechnung70 oder kürzer noch: Liquiditätsplan71 bzw Dokumentation geplanter Kapitalflüsse. Es geht um Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit („zweites Element“: Zielbestimmung) für die Dauer geplanter Ausschüttungen („drittes Element“: Zeitfestlegung). Die Zielbestimmung ist komplementär zu orientieren an § 17: Vermeiden „neuerlicher“ Insolvenz (Zahlungsstockung [§ 17 Rn 23] wäre noch „unverfänglich“), mithin objektiv vorgegeben; die Zeitfestlegung ist hingegen subjektiver Ausdruck der Sanierungsidee des einzelnen Planverfassers. Dabei darf man (unternehmensbezogenen) Sanierungszeitraum und (gläubigerbezogenen) Ausschüttungszeitraum miteinander nicht verwechseln; jener letztere zählt (der Hs 2 nimmt Bezug auf Hs 1: „während dieses Zeitraums“). Verlangt wird eine formelle Liquiditätsplanung – „Einnahmen und Ausgaben“ („erstes Element“: Planung der „Abfolge“ als die eigentliche, entscheidende Sachaussage) ist deswegen berichtigend schlicht als „Einzahlungen und Auszahlungen“ zu lesen,72 dh als tatsächlich periodisch verfügbare Liquidität. Entscheidend ist dementsprechend der Zahlungsmittelbestand, nicht etwa die Entwicklung von Verbindlichkeiten und Forderungen.

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Bork/Hölzle/Henschel Hdb InsR § 29 Rn 25; aA aus Gründen der Praktikabilität für das Gesamtkostenverfahren: Beck/Depré/Pechartscheck/Zupancic PdI3 § 19 Rn 23; für eine Fortführung der vorinsolvenzlich verwendeten Methode zum Zwecke der Vergleichbarkeit: Zabel HRI2 § 27 Rn 102 mit Fn 129. BK/Flöther/Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 7 (Prognoseakt) mit Rn 8 (Transparenz).

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Vgl MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 229 Rn 10 mit Rn 11 und Rn 14; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 229 Rn 27 f. HK/Haas InsO9 § 229 Rn 4. BK/Flöther/Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 229 Rn 13. So recht sehr früh schon ua Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz (1997), S 543 mit Fn 346; Eidenmüller Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz (1998), S 60 mit Fn 25.

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Auszugehen ist dazu vom Istzustand (Barkasse, Kreditlinie, Guthaben), den man interpolatorisch auf den Zeitpunkt eventueller Planannahme (dazu Rn 28) fortführt. Von dort aus sind die inhaltlich maßgeblichen Planperioden (dazu Rn 21–23) abzubilden, anfänglich eher engmaschig, später notgedrungener Weise gröber (scil. zunehmend prognostischer Charakter). Und jenes erfolgt durch die Saldierung der erwarteten und demzufolge hypothetischen Aus- und Einzahlungen (dazu Rn 43). 43 Was ist als relevant zu erfassen?73 Als Einzahlungen (wörtlich [Rn 41 aE]: „Einnahmen“) zählen ua Erlöse (nicht etwa die Forderungen!) aus Lieferungen und Leistungen, sonstige liquiditätsrelevante Erträge aus regulär ablaufendem Geschäftsbetrieb, Geldeingänge infolge Teilliquidation, aber zB auch aus planmäßiger Veräußerung des sanierten Unternehmens oder eines Teiles. Positiv rechnen gleichfalls offene Kreditlinien74 – sie sind quasi geldgleich unmittelbar verwendbar. Als Auszahlungen (wörtlich [Rn 41 aE]: „Ausgaben“) rechnen ua dagegen zum laufenden Geschäftsbetrieb getätigte Geldaufwendungen, vorgenommene, zusätzliche Investitionen, Abgaben und Steuern (mitsamt der Besteuerung von Sanierungsgewinnen75 – siehe dazu Vor §§ 217 ff Rn 199 ff) etc. Berücksichtigung müssen zudem auch die im Insolvenzplan vorgesehenen Ausschüttungen an die Gläubiger finden,76 ebenso auch uU noch übrige Masseverbindlichkeiten.77 44 Von einem Finanzplan redet dazuhin – innerhalb des Normtexts – genauso § 258 II S 2 (dazu näher dort Rn 21–24): planerische Sicherstellung nichtfälliger Masseansprüche. Die Regel gewährt freilich ein Ermessen („kann“) und zielt auf einen anderen Kreis (Massegläubiger). Aufgrund dessen Vorrangs (§ 53) beeinträchtigt die Befriedigung die Insolvenzquote – dahinter stehen also notgedrungen liquiditätsrelevante, ebenso hier dann also zu berücksichtigende Auszahlungen.78 5. Fehlerfolgen

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Fehlen die Pflichtanlagen nach Satz 1 und/oder Satz 2, dann ist der Plan problemlos und amtswegig vom Insolvenzgericht bei Vorkontrolle (§ 231 I Nr 1 Var 2a) zurückzuweisen und bei Schlussprüfung (§ 250 Nr 1 Var 1) die Bestätigung zu versagen (sofortige Beschwerde [§ 567 I Nr 1 ZPO] statthaft bloß bei Ablehnung [§ 231 III] bzw auch bei Bestätigung [§ 253 I])! Das völlige Mangeln ist zweifelsohne ein Formalfehler79 (im Unterschied zu Rn 46), allerdings ein behebbarer. Fraglich ist hingegen, wie hoch die Prüfungsdichte bezüglich der Darlegung ist bzw ob das Gericht auf Inhaltsfehler ebenfalls prüfen muss. Das geht zu weit, würde die Gerichte nur überfordern (Rechtskontrolle, keine Tatsachenprüfung) und kann allenfalls für eine dezente Plausibilitätskontrolle angehen80 (offensichtliche Unstimmigkeiten?). Das Gericht ist niemals hingegen dazu da, die wirtschaftliche Belastbarkeit gegenzurechnen; das obliegt den Abstimmenden und eben ihrer freien Wil-

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Näheres siehe bei Westrick DStR 1998, 1879, 1883. Sie würde genauso Zahlungsunfähigkeit hindern: BGH, U. v. 20.01.2011 IX ZR 32/10 {11} [3]. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 229 Rn 6. HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 5 – indes bloß als „Rechenposten“: BK/Flöther/Wehner/ Paul InsO60 § 229 Rn 10 aE.

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AA HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 5: „sinnvollerweise“ – somit offenbar nicht zwingend. Anders im Ansatz HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 5 und BK/Flöther/Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 11 [Abs 2]. Brünkmans/Thole/Harmann § 13 Rn 3 – sehr verhalten hier BK/Flöther/Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 2 [Abs 1 aE]. Sinnentsprechend BK/Flöther/Wehner InsO29 § 231 Rn 9: Elementarkontrolle.

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lensbildung. Darum passt der vom BGH81 dazu etwas beiläufig zitierte Grundsatz nicht so recht, wesentlich iSv § 250 Nr 1 Hs 2 sei alles, was „Einfluss auf die Annahme des Insolvenzplans gehabt haben könnte“. Dies würde doch arg weit übers Ziel hinausschießen! Möglich bleibt – selbstverständlich – indes eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit 46 des verantwortlich zeichnenden Planvorlegers, sei es auf insolvenzrechtlich beruhender Rechtsgrundlage (§ 60 I: Verwalterhaftung!), sei es aus uU allgemeinen Grundsätzen (§§ 823 ff BGB – Vermögensschaden?). Eine exakte Prognose (!) vorzulegen, liefe auf etwas völlig Unmögliches hinaus; und auch für Bewertungen sollte man allein bei groben, offenbaren, eindeutigen Fehleinschätzungen („Kunstfehler“) geradestehen müssen. Es geht dann am Ende eher um einen Dokumentationsmangel, nicht um einen Einschätzungsfehler – Chancen und Risiken präzis abzuwägen, bleibt die Verantwortung der Abstimmenden und kann nicht haftungsrechtlich überwälzt werden, wenn der Plan später schiefgeht. Wenn überhaupt, sind es eher die „harten Zahlen“ des S 1, nicht die Fälle von S 2, welche haftbar machen (wegen S 3 siehe Rn 54 – Sonderproblematik!). Daher wird zT hier die Beanspruchung externen Sachverstandes angeregt82 (mit § 311 III S 2 BGB als Rückgriffsanker …?), wobei aber der Verwalter selbst vorher gründlich zwischen Zusatzkosten und -nutzen zuvor abzuwägen haben wird. Auch die (Eigen-) Bewertung lässt ihm Einschätzungsspielräume (dazu Rn 27, 30).

IV. Ergänzungen (Satz 3) 1. Grundstruktur Die mit dem ESUG zusätzlich angefügte Regelung (dazu Rn 7 aE) will Unwägbarkeiten 47 infolge Nichtbeteiligung mildern (dazu Rn 4). Zweck ist nicht, den Weg für „Nachzügler“ zu erleichtern83 – sie dürfen natürlich prozessual noch nachmelden (§ 177), und das geht bis zur Veröffentlichung und Niederlegung des Schlussverzeichnisses (arg § 188),84 müssen dies jedoch auch, um bei Verteilungen zu partizipieren (abweichende Plangestaltung vorbehalten, vgl § 217 Rn 51 einerseits, § 221 Rn 85–88 andererseits); Zielsetzung ist demzufolge, die Planidee zu schützen: wäre denn der Plan auch bei tatsächlicher Anmeldung dieser Gläubiger realisierbar?85 Jenes soll der Planverfasser unmittelbar „miteinpreisen“ (Risikofaktor bzw „stille Lasten“!); hier mag auch die nachträgliche Durchsetzungswahrscheinlichkeit hineinspielen und selbstverständlich die Gruppenzuordnung.86 S 3 ist verknüpft sowohl mit S 1 wie S 2 („Dabei …“) – das gilt offenkundig ganz un- 48 mittelbar für alle Rechtsfolgen (S 2 iVm S 1 Hs 2 [näher dazu bei Rn 21 ff]: Vorgabe zur Ausgestaltung der Anlagen) und zudem dadurch gleichsam vermittelt für den Tatbestand87 81

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BGH NZI 2010, 101 {3} [II] = WM 2010, 225 = ZIP 2010, 341 = ZInsO 2010, 85. MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 229 Rn 8; BeckOK/Fridgen/Geiwitz/Göpfert InsO8 § 229 Rn 9 (§ 60 II entlastet aber allenfalls bloß teilweise), wohl auch Beck/ Depré/Zimmer PdI3 Rn 159. Hier aA wohl HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 6 aE. Genau anders herum FK/Jaffé InsO9 § 229 Rn 11: Inhaberschaft nicht offenzulegen, um objektive (Verwalter-) Stellung zu bewahren. BGH NZI 2007, 401, 402 {10} [II 2b aa (2)].

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86 87

Sehr treffend dazu Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 229 Rn 7: „An sich versteht es sich von selbst, …“ bzw Braun/Braun/Frank InsO7 § 229 Rn 8. Das sieht richtig FK/Jaffé InsO9 § 229 Rn 12 f. Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 9; HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 12; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 229 Rn 7; BK/ Flöther/Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 12 [4. Abs]; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 229 Rn 7; wohl auch FK/Jaffé InsO9 § 229 Rn 13 (en passant: „im Fortführungsplan“).

Joachim Münch

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§ 229

Sechster Teil. Insolvenzplan

(S 1 Hs 1 [näher dazu bei Rn 15 ff]: Fortführungs-Konstellation). Die Vorschrift hat inhaltlich nur letztlich ergänzenden Charakter: bei Unternehmensfortführung zum Zwecke der Gewinnerwirtschaftung sind zwingend alle bekannten Verbindlichkeiten (Gläubiger) einzubeziehen. S 3 sollte klarstellend wirken, aber keinesfalls einen Umkehrschluss tragen für Insolvenzpläne anderer Zielrichtungen: 49 Bei anderen Plänen können (nicht: müssen) solche Angaben ebenso gemacht werden. Nachzügler sind gleichfalls den gestaltenden Planwirkungen unterworfen (§ 254b Var 1 iVm § 254 I), haben also sonst auch einen entsprechenden Quotenanspruch (eventueller Vollstreckungsschutz [§ 259a] und Verjährungseintritt [§ 259b] vorbehalten). Hier empfiehlt sich, prophylaktisch die Verbindlichkeit mit einzustellen, um späteren Schieflagen gleicherweise effektiv vorzubeugen (reziprok verhindert das die mögliche Gefährdung iSv § 259a; die Vollendung der Verjährung iSv § 259b erbringt zusätzlich verfügbare „Reserven“; die Planung muss demnach den schlechtesten Fall [„worst case“] zugrundelegen – Nachschlag als Glücksfall [„best case“]). Das lässt sich ohne weiteres freilich hier auch über die Generalklausel (§ 220 II, dazu vgl dort Rn 49) rechtfertigen.88 2. Erfordernisse

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Anmeldende Gläubiger sind per se beteiligte Gläubiger, fernbleibende Gläubiger werden ebenfalls jedoch betroffen (arg § 254b Var 1). Sie müssen vorausschauend mitberücksichtigt werden – wenn und weil hiervon positive Kenntnis besteht (man muss das bestehende Beteiligungsrisiko offenlegen oder korrekter wohl: mitberücksichtigen); Unkenntnis ist unschädlich, sogar wenn sie vorwerfbar ist oder gar grob fahrlässig. Ausschlaggebend ist Kenntnis des Planerstellers,89 verstanden im Rechtssinn, dh des Planvorlegenden iSv § 21890 (Gemeinschuldner oder Insolvenzverwalter), aber uU auch § 284,91 nicht etwa die Dritter, und erst recht nicht jene des jeweils anderen (es sei denn, sie unterrichteten sich wechselseitig). 51 Dem Vorleger ist freilich die vorhandene Faktenkenntnis seiner Hilfspersonen anzulasten (arg § 166 II BGB, aber nicht etwa § 85 II ZPO – Wissenszurechnung, keine Handelndenhaftung!). Beim Gemeinschuldner wird man wohl meist jedoch voraussetzen können, dass er all seine Gläubiger kennt – anders indes beim Verwalter, der bloß auf existente Dokumentationen zugreifen kann.92 Beauftragt der Vorlegende selbst eine Person, was statthaft ist (es fehlt an einer Höchstpersönlichkeit – Näheres siehe bei § 218 Rn 55), zählt eigentlich zwar Kenntnis des Vertreters (§ 166 I Hs 1 Var 2a BGB), beim „Handeln auf Weisung“ gilt freilich § 166 I S 1 BGB ohne weiteres (vollkommen „normale“ Vertretung93): jegliches Wissen des Vertretenen von Gläubigern ist schädlich (wegen Verstoßfolgen siehe Rn 54).

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So wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 229 Rn 7; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 9. BT-Drucks 17/5712 S 32 re. Sp. („legt dem Planersteller die Verpflichtung auf, alle ihm bekannten Forderungen in die Plangestaltung aufzunehmen“ [Hervorh vom Verf]). Der Bundesrat wollte dies im Text eigens klargestellt wissen (BT-Drucks 17/5712 S 56 re. Sp. [BRat] „versus“ S 69/70 [BReg]. Gleichfalls „global“ bezeichnend Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 229 Rn 7; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 229 Rn 8 („Aufsteller“); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 229 Rn 7.

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Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 8; BK/ Flöther/Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 12 [Abs 2]. HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 8. Darauf zielt auch die Stellungnahme des Bundesrates: BT-Drucks 17/5712 S 56 re. Sp. (mit scheinbar divergenter Folgerung …). Es bedarf hierzu mithin keines speziellen Analogieschlusses: HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 8 aE (ohne Norm) – aA Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 8; unklar BK/ Flöther/Wehner/Paul InsO60 § 229 Rn 12 [2. Abs].

Joachim Münch

Weitere Anlagen

§ 230

Bezugspunkte der Sachkenntnis sind Gläubiger bzw Forderung: nötig ist somit einer- 52 seits personelle Verortung: wer wäre denn der potentiell (Teilnahme-) Berechtigte (iSv § 38)? Gemeint sind hiermit alle vollrangigen Gläubiger, nicht auch die nachrangigen Gläubiger (iSv § 39 – ausgenommen den Spezialfall des § 225 I/II). Verlangt wird außerdem andererseits sächliche Umschreibung: was wäre hier die Grundlage möglicher Teilnahme? Im Gegensatz zu § 174 II S 1 Hs 1 scheint die Kenntnis des Grundes schließlich schon hinreichend, der Betrag wäre sodann somit festzustellen oder abzuschätzen – das wird indes leider oftmals unnötigen (insb unwirtschaftlichen) Zusatzaufwand bedeuten.94 Jene Norm enthält dazuhin noch eine zusätzliche zeitliche Eingrenzung: es geht um 53 Kenntnis „bei der Ausarbeitung des [Insolvenz-] Plans“. Dieses lässt sich sehr leicht negativ benennen: spätere Kenntniserlangung schadet danach nicht mehr dem Vorlegenden (mit Blick auf Rn 54), indes aber uU doch dem Planvollzug (der Plan liegt dann vor – es kommt zu einer Liquiditätslücke). Die positive Umschreibung hingegen fällt schwerer, zumal hier die Benennung vorgangsbezogen erscheint. Das wäre indes pragmatisch kaum handzuhaben – der Plan ist doch ein Gesamtwerk, tritt erst mit erfolgter Vorlegung tatsächlich in Erscheinung (dazu § 218 Rn 19 f). Es ist mithin insoweit konsequent zeitpunktbezogen (Vorlegungsakt!) anzuknüpfen (und dies heißt mithin konkret: bei Kenntnisnahme vor Vorlegung ist nachzubessern). 3. Haftungsfolge Es besteht die normale Zurückweisungsmöglichkeit des Insolvenzgericht bei Vorprü- 54 fung (§ 231 I Nr 1 Var 2a)95 bzw ein Nichtbestätigungsgrund bei Schlussprüfung (§ 250 Nr 1 Var 1)96 – Amtsprüfung (sofortige Beschwerde [§ 567 I Nr 1 ZPO] statthaft bloß bei Ablehnung (§ 231 III] bzw auch bei Bestätigung [§ 253 I])! Wichtiger ist folgendes: die ausdrücklich betonte Pflichtigkeit führt dann nolens volens wohl zur Ersatzverantwortung des Insolvenzverwalters97 (§ 60 I – für einen vorlegenden Gemeinschuldner fehlt die spezifische Anspruchsgrundlage). Wer Gläubiger kennt und diese „vergisst“, kann später kaum auf eventuellen Vollstreckungsschutz (§ 259a) spekulieren.98

§ 230 Weitere Anlagen (1) 1Ist im Insolvenzplan vorgesehen, daß der Schuldner sein Unternehmen fortführt, und ist der Schuldner eine natürliche Person, so ist dem Plan die Erklärung des Schuldners beizufügen, daß er zur Fortführung des Unternehmens auf der Grundlage des Plans bereit ist. 2Ist der Schuldner eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, so ist dem Plan eine entsprechende Erklärung der Personen beizu-

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Mit Recht krit HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 9; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 229 Rn 7. HK/Haas InsO9 § 229 Rn 1 aE.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 229 Rn 6 aE (e contr.). HambK/Thies InsO6 § 229 Rn 9. Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 229 Rn 9 aE.

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§ 230

Sechster Teil. Insolvenzplan

fügen, die nach dem Plan persönlich haftende Gesellschafter des Unternehmens sein sollen. 3Die Erklärung des Schuldners nach Satz 1 ist nicht erforderlich, wenn dieser selbst den Plan vorlegt. (2) Sollen Gläubiger Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte oder Beteiligungen an einer juristischen Person, einem nicht rechtsfähigen Verein oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit übernehmen, so ist dem Plan die zustimmende Erklärung eines jeden dieser Gläubiger beizufügen. (3) Hat ein Dritter für den Fall der Bestätigung des Plans Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern übernommen, so ist dem Plan die Erklärung des Dritten beizufügen. Materialien: § 263 DiskE (Text: S 134, Begr: BT S 238 f), § 263 RefE (Text: S 152/153, Begr BT S 273–275), § 274 RegE (BT-Drucks 12/2443 S 52, 203 f [RV], BT-Drucks S 100 [RA]) – Abs 1 S 2 wurde modifiziert durch Art 1 Nr 20 ESUG, BGBl 2011 I Nr 64 S 2582, 2584 [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3)], dazu vgl auch Rn 6 – Entwürfe: Art 1 Nr 14 DiskE (Text: S 5, Begr S 35 – ZIP 28/2010 Beil 1); Art 1 Nr 19 RefE (Text: S 9, Begr S 48 – ZIP 6/2011 Beil 1); Art 1 Nr 19 RegE (BT-Drucks 17/ 5712 S 9, 32 [RV] bzw 17/2511 S 13 [RA]). Vorgängerregelungen (Abs 3 – siehe dazu näher Rn 9): § 183 III GemSchO (Mot II S 168 f), § 179 KO/aF (Mot S 424 f = Hahn IV S 376; Prot S 186 = Hahn IV S 678) bzw § 194 KO/nF; § 251 Hs 2 GemSchO-Entwurf (Mot II S 236), § 61 GA-VO/nF (JMBl PR 1917 Nr 9 S 32), § 75 I VglO/aF (RT-Drucks III/2340 S 33 re. Sp. [§ 68]), § 85 I RJA (Begr S 50), § 85 II VglO/nF (DJ 1935, 389, 392). Literatur Brünkmans Sanierungstransaktionen in Insolvenzplänen – gilt die Formfiktion des § 254a InsO für Erklärungen außenstehender Dritter?, ZIP 2015, 1052; Brünkmans/Thole Handbuch Insolvenzplan (2016), § 13 Rn 74–88; Kübler Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz (20152), § 27 Rn 171–214; Madaus Der Insolvenzplan (2011) S 417–420; Thole Die Restrukturierung von Schuldverschreibungen im Insolvenzverfahren, ZIP 2014, 293; Warrikoff Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzplan KTS 1997, 527, 538; Westrick Die Anlagen zum Insolvenzplan DStR 1998, 1879.

Übersicht I. II. III. IV.

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Grundlagen und Normzweck . . . . . . Normengenese . . . . . . . . . . . . . . Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schuldnererklärungen (Abs 1) . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . b) Fortführungserklärung natürlicher Personen (Satz 1 und 3) . . c) Fortführungserklärung persönlich Haftender (Satz 2) . . . . . . . . d) Weiterführung juristischer Personen ausgeklammert . . . . . e) Rechtsfolgewirkung . . . . . . . .

Rn. 1 6 10 13 13 13 14 19 24 25

2. Gläubigererklärungen (Abs 2) a) Personenkreis . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . c) Sonderfall: Schuldverschreibungsgläubiger . . . d) Erweiterungen . . . . . . . 3. Dritterklärungen (Abs 3) . . . a) Personenkreis . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . c) Formpflichten . . . . . . . d) Durchsetzung . . . . . . . V. Fehlerfolgen . . . . . . . . . . .

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Rn. 26 26 28 31 32 35 36 38 42 45 46

Weitere Anlagen

§ 230

I. Grundlagen und Normzweck § 230 beschreibt absatzweise drei disparate Planszenarien1 (mit letztendlich vier Fall- 1 gruppen – wegen Einzelheiten siehe Rn 13–45), die auf das förmliche Anfügen konkreter Zustimmungserklärungen (dazu Rn 10) der vom jeweiligen Planszenario Betroffenen hinauslaufen. Sie fungiert als eine Art normatives Auffangbecken für Spezialfälle.2 Die Vorschrift ist insoweit subjektiv gegliedert, dh inhaltlich daran orientiert, wer betroffen ist: Schuldner (Abs 1: Rn 13–25), Gläubiger (Abs 2: Rn 26–34), Dritter (Abs 3: Rn 35–45). § 219 S 2 und zusätzlich die Überschrift („Weitere Anlagen“) offenbaren den Zusammenhang mit § 229 (Plananlagen, vgl § 219 Rn 19 f) – es geht um ausgelagert „mitvermittelte“ Planinhalte, zT wie dort zur Information der Beteiligten („Entscheidungsgrundlage“ – Abs 1), zT indes noch weitergehend auch mit durchaus selbständigem Versprechensinhalt („Verpflichtungsgrundlage“ – Abs 2 und 3). Die Normenstruktur birgt jedoch dogmatisch einige Risiken (dazu Rn 2–5). Einerseits suggeriert die Zusammenfassung in einem Paragraphen nun gewisse Ge- 2 meinsamkeiten, die mangeln. Personenkreis und Zielrichtung differieren nämlich grundlegend (dazu Rn 1). Über die bloß „formale Klammer“ hinaus, dass es um eine weiterreichende („planergänzende“) Sondererklärung geht (dazu Rn 4 – das gilt indes auch für § 226 II, siehe gleich folgend Rn 3), lässt sich kaum etwas inhaltlich Überzeugendes entdecken. Die Versuche, teleologische Gemeinsamkeiten hervorzuheben, stoßen an Grenzen oder müssen sich mit unscharfen Allgemeinplätzen bescheiden: Absicherung der Beteiligten und Abwicklung des Verfahrens;3 Verbot von Verträgen mit Drittpflicht;4 Klärung im Vorfeld5 – irgendwie Schutz des Geschäftsgrunds der Plandurchführung. Das sagt recht vieles, aber letztlich auch nichts. Daher wird meist mehr die pointilistische Regelungsstruktur herausgestellt.6 Die konkrete Zusammenfassung ist auch nicht etwa auf Vollständigkeit angelegt. Das 3 zeigt zum einen § 226 II S 2; das sahen schon die Gesetzesverfasser7: die Zustimmung von Gläubigern zur „intragruppalen“ Ungleichbehandlung ist gleichfalls mit beizufügen (und wird damit ebenso zur Anlage, vgl § 226 Rn 25). Sie wäre wohl bei Abs 2 (Gläubigererklärungen) genauso systematisch anzusiedeln gewesen, passt indes besser zu § 226 I S 1; ebenso gut könnte man Schuldnererklärungen (Abs 1) sogleich bei § 218 verorten und Gläubigerklärungen (Abs 3) später im Umfeld von § 254 (als Erweiterung des Begriffs der Beteiligten). Zum anderen war einstig eine weitere Sonderregel geplant für benötigte behördliche Erlaubnis bzw weitere Zustimmung Dritter (§ 261 DiskE/RefE bzw § 272 RegE) –

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Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 230 Rn 1 („eigene Regelungen mit unterschiedlicher Zielrichtung“). BT-Drucks 12/2443 S 203 li. Sp.: „In besonderen Fällen … erforderlich“. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 230 Rn 1. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 230 Rn 1 („an sich eine Selbstverständlichkeit“) – Problem aber ist doch bereits, ob denn insoweit überhaupt „Vertragsstrukturen“ vorliegen (dazu Rn 10). FK/Jaffé InsO9 § 230 Rn 1. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 230 Rn 1 („eigene Regelungen“); Braun/ Braun/Frank InsO7 § 230 Rn 1 (mit Rn 2)

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bzw Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 1 (mit Rn 2, 4, 15) (Einzelzwecke); HK/ Haas InsO9 § 230 Rn 1 („mehrere Anliegen“); BK/Paul InsO62 § 230 Rn 1 („unterschiedliche Konstellationen“); Uhlenbruck/ Sinz InsO14 § 230 Rn 1 („drei unterschiedliche Sachverhalte“); MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 1 („aus ganz unterschiedlichen Gründen“) – indifferent HambK/Thies InsO6 § 230 Rn 1. BT-Drucks 12/2443 S 203 li. Sp.: § 269 II RegE = § 226 II InsO. Ebenso: Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 230 Rn 3.

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§ 230

Sechster Teil. Insolvenzplan

im Plan (!) sollte angegeben werden, „ob die Genehmigung oder die Erklärung vorliegt [Var 1: „Erfüllung“], ob sie verbindlich zugesagt ist [Var 2: „Anwartschaft“] oder aus welchen Gründen mit ihr gerechnet werden kann [Var 3: „Erwartung“].“ Es war eine wichtige Zusatzinformation zur Tragfähigkeit bzw Umsetzbarkeit des Planungskonzeptes („Geschäftsgrundlage“), unmittelbar als Teil der Darstellung (heute [Anwendungs-] Fall von § 220 II,8 dort Rn 11) – bloß indirekt formuliert (Bericht). Die Lösung des § 230 ist letztlich die direktere, nämlich die Form einer aktiven, gestaltenden Selbstverpflichtung (wegen Konsequenzen siehe Rn 25, 33 f, 39–41 iVm 45). 4 Andererseits verleitet die Ausdifferenzierung in drei Absätze dazu, Unterschiede zu konstruieren, welche fehlen. So suchen namentlich Braun/Frank (klarstellen [Abs 1] / selbstbestimmen [Abs 2] / versichern [Abs 3]) und Eidenmüller (sicherstellen [Abs 1] / schützen [Abs 2] / informieren [Abs 3]) absatzintern je Einzelzwecke zu verifizieren.9 Beides liest sich gut, vernachlässigt aber Strukturelles: auch Abs 2 hat infolge § 225a II S 2 weithin10 nur letztlich klarstellenden Charakter; bezüglich der Entscheidungsfindung der Gläubiger ist jedwede Zusatzinformation (Abs 1–3) wichtig – und wird darum auch als formelle Plananlage (iSv § 219) geregelt, und klar geht Abs 3 doch über den reinen Deklarationswillen bzw Informationsgehalt hinaus und begründet selbständig Klagbares (dazu Rn 45), macht aus jenem Dritten einen gezielt in den Plan „Miteinbezogenen“. 5 Schließlich gilt es, noch eventuellen Missverständnissen vorzubeugen. Es geht insoweit nicht an, einen gemeinschaftlichen Planbegriff unterzulegen. Nur Abs 1 S 1 benennt ganz gezielt hier Fortführungspläne (Abs 1 S 2 nimmt dies auf vermittels „entsprechende[r] Erklärung“!), bei Abs 2 ist es vielleicht implizit oftmals mitgedacht (über die Werthaltigkeit der Anteilsrechte vor allem bei Unternehmensfortführung), wieso aber der Abs 3 nicht auch bei geplanter Liquidation oder Übertragung eingreife,11 bleibt im Dunkel. Der Umkehrschluss von Abs 1 auf Abs 3 liegt viel näher als offenbar die Analogie, der auch § 229 kaum nützt (selbständige tatbestandliche Beschreibung). Umgekehrt schützt Abs 1 niemals vor anders ausgerichteten Plänen.12 Es geht ebensowenig aber an, die Erklärungsnatur zu parallelisieren. Nur Abs 1 betrifft den Gemeinschuldner und die Insolvenzmasse – es ist aber keine klagbare Rechtsverpflichtung verlangt13 („Bereitschaftswille“, dazu Rn 1 aE), Abs 2 und 3 zeitigen dagegen rechtlich ureigene Wirkung (dazu Rn 33, 39–41 iVm 45).

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Der erst vom Rechtsausschuss einst eingefügt wurde, vgl § 258 II RA mit BTDrucks 12/7302 S 182 li. Sp. [Nr 138]: „Statt detailliert aufzuzählen, welche Anforderungen an den darstellenden Teil des Insolvenzplans zu stellen sind, wird allgemein bestimmt, welchen Inhalt dieser Teil haben sollte.“ Braun/Braun/Frank InsO7 § 230 Rn 2 (mit Rn 1) [wohl etwas anders dagegen Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 2, 4, 15 (mit Rn 1): Eigenschutz [Abs 1 und 2] bzw Drittschutz [Abs 3]) bzw MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 1. Aber vgl doch erg auch Rn 29 und Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 230 Rn 7 aE.

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Irrig so FK/Jaffé InsO9 § 230 Rn 1, aber uU auch Ahrens/Gerlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 220 Rn 1 – wie hier indes Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 1a („alle Arten von Insolvenzplänen“ bzw Rn 1 aE („nicht nur die Unternehmensfortführung“); Eidenmüller MünchKomm InsO3 § 230 Rn 1 aE. Dies meint wohl Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 230 Rn 1: „Die Insolvenzordnung zwingt den Schuldner nicht zur Durchführung eines … Insolvenzplans.“ (richtig: Rn 5). Hier aA wohl Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 230 Rn 1 und MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 20: klagbare schuldrechtliche Pflicht!

Joachim Münch

Weitere Anlagen

§ 230

II. Normengenese Die Vorschrift als solche entspricht nahezu wortgleich den diskutierten Vorfassungen 6 (§ 263 DiskE/RefE = § 274 RegE). Abs 1 und 2 (wegen Abs 3 siehe Rn 9) können auf keinen konkurs- oder vergleichsrechtlichen Vorfahren zurückblicken und stellen somit Neuland für das deutsche Insolvenzrecht dar. Das nimmt jedoch nicht Wunder, kannte man einst mit Blick auf Abs 1 doch auch bloß den Vergleichsvorschlag auf Schuldnerinitiative hin (§ 173 KO; § 2 I S 2 VglO – heute: Abs 1 S 3; näher Rn 14); nur durch die Ausweitung der Planvorlageberechtigten (§§ 254/255 RegE, dazu § 218 Rn 13) entstand Handlungsbedarf, wobei dann die parlamentarische Einschränkung der Vorlagerechte (dazu § 218 Rn 14) allein quantitativ, nicht qualitativ, wirkte (Verwalterpläne neben Schuldnerplan! – § 218 I S 1 Var 1 und 2). Durch Art 1 Nr 21 ESUG wurde Abs 1 S 2 [Hs 2] marginal geändert, um auf alle Fälle auch den eventuellen Anteilseignerwechsel mit zu erfassen14 (aF: „entsprechende Erklärung der persönlich haftenden Gesellschafter beizufügen“ – nF: Maßgeblichkeit künftiger Plangestaltung!): gemeint sind nunmehr klar verbleibende Altgesellschafter15 wie eintretende Neugesellschafter (dazu Rn 19), die beide künftig haften müssten. Der Ansatz geht zurück auf EB LS 2.2.10 lit e der Insolvenzrechtskommission (Schuld- 7 nereinverständnis mit der Reorganisationsmaßnahme), die aber nicht bloß die späteren Personalhafter erfasste, sondern neben den Einzelkaufleuten alle Personengesellschafter (auch Kommanditisten!). Er zielte primär darauf, die rechtliche Statthaftigkeit der Reorganisation darzulegen,16 die gegen den Einzelkaufmann oder gegen alle (nicht auch: einzelne!) Personengesellschafter von vornherein unzulässig war (EB LS 2.4.9.3 II „versus“ EB LS 2.2.20 III S 1). S 1 bildet somit also den „Einzelkaufmann“ ab, S 2 aber hat zwei wichtige Konkretisierungen erhalten, haftungsrechtlich die Fokussierung auf Selbsthafter, planungsrechtlich die Verpflichtung, den Individualwillen ausnahmslos zu akzeptieren. Anders gesagt: Aus Kommissionssicht war Nichteinigkeit das Entscheidende (Blickwinkel auf Negativum bzw Kollektiv), nunmehr zählt die Individualzustimmung; einstmals konnte bei individueller Zustimmung reorganisiert werden (Austrittsrecht für Widersprechende: EB LS 2.4.9.3 I S 2), jetzt bloß bei kollektivem Einvernehmen der Selbsthafter (bei Ausschlussmacht [vgl § 225a II S 3 und III Hs 1] und Austrittsrecht [arg § 225a V S 1]). Die Änderung von Abs 1 S 2 (Art 1 Nr 20 ESUG, vgl Rn 6 aE) wurde teilweise schon angedacht durch EB LS 2.4.9.3 I S 1 Var 1. Abs 2 wurde ergänzt wegen der neuen Möglichkeit eines Debt-Equity-Swap, für wel- 8 chen er anfangs als „normativer Anker“ fungierte (dazu § 225a Rn 4), weil andere – mächtigere – Vorgaben wegbrachen. Er ging materiell zwar zurück auf EB LS 2.4.9.3 I S 2 Var 2 („Im Plan kann nicht vorgesehen werden, … Forderungen von Insolvenzgläubigern gegen deren Willen in Gesellschaftsanteile umzuwandeln“ – heute: § 225a II S 2) – erfasste das Problem nur anderweit, nämlich prozessual (Zustimmungserfordernis: Rn 10) und dazuhin genereller (Anteilsrechte: Rn 28–30 bzw § 225a Rn 22–24). Abs 2 ist vom ESUG inhaltlich unberührt verblieben – er war aber zuvor (ohne den § 225a) inhaltlich „führende“ Vorschrift; er tritt nun quasi ins zweite Glied zurück, ist seit § 225a I-III nur noch inhaltlich

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BT-Drucks 17/5712 S 32 re. Sp. (Erweiterung?) – man hätte das schon aus § 230 I S 2 aF (es ging um insoweit fortführende und also damit forthaftende Personen) jedoch herauslesen können (Klarstellung!).

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Nicht aber die austretenden bisherige Gesellschafter, vgl Rn 15 aE. EB Begr S 175.

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§ 230

Sechster Teil. Insolvenzplan

„folgende“ Vorschrift, die verfahrensmäßig umsetzt, was planerisch gewollt ist. Anfangs war insoweit gar angedacht, eine gesetzliche Zustimmungsfiktion für Nichtselbsthafter einzuführen (Art 1 Nr 14b DiskE ESUG, vgl § 225a Rn 9), was bald indes fallengelassen wurde. Beim Debt-Equity-Swap kann man auch beide Anweisungen heute kombinieren: keine Umwandlung wider (§ 225a II S 2) oder auch nur etwa ohne (§ 230 II) Willen17 – förmliche (Gläubiger-) Zustimmung notwendig. Jeder Versuch einer Verschweigenslösung ist hierdurch zugleich hinfällig geworden. 9 Abs 3 hat zumindest mittelbare Vorläufer – er adressiert die Problematik der sog Vergleichsgaranten. § 194 KO meinte damit vor allem Bürgen18 und normierte die Titelwirkungen des Zwangvergleichs („gegen … diejenigen, welche in dem Vergleiche für dessen Erfüllung neben dem Gemeinschuldner ohne Vorbehalt der Einrede der Vorausklage [!] Verpflichtungen übernommen haben“); § 85 II Hs 1 VglO regelte es ähnlich, präzisierte jedoch weitergehend Formen („durch eine dem Vergleichsgericht eingereichte schriftliche Erklärung oder im Vergleichstermin durch mündliche Erklärung zu Protokoll“), sie sollte möglichst der Schuldner gleich zum Antrag dazufügen (§ 4 I Nr 4 VglO), man konnte sie jedoch gleichfalls auch nachreichen (§ 85 II Hs 2 VglO). Sowohl Inhalt wie Formen werden heute abgebildet durch § 257 II, den EB LS 2.2.24 III anfangs nicht erwähnt hatte. Jene Vorgängernormen sind dementsprechend dort „untergekommen“, immerhin wurde freilich durch § 4 I Nr 5 Var 2 VglO die frühzeitige Dokumentation abgefordert („Dem Antrag sind beizufügen … die Bürgschaftserklärung“). Abs 3 verallgemeinert den Rechtsgedanken bzw entkoppelt ihn mit Recht von der Bürgschaft.

III. Erklärung 10

Maßgebender Erklärungsinhalt und Begleitumstände differieren je nach Fallgruppe bzw Beteiligtem (Abs 1–3) – die Dogmatik bleibt dieselbe (wegen „Verwerfungen“ siehe Rn 2–5). Jene Erklärung hat letztlich eine Doppelnatur:19 sie wirkt zum einen als materiellrechtliche Willenserklärung, die gezielt Verpflichtungsinhalte zeitigt, indes auch als „informatorische“ (Abs 1: Rn 25) bzw „konstitutive“ (Abs 3: Rn 39–41 iVm 45) Prozesshandlung (bei Abs 2 trifft wohl am Ende beides zu), welche die Stellung als Beteiligter gestaltet oder als solche gar erst begründet. Man kann das schwerlich strikt auftrennen in materielle Erklärung einerseits, prozessuale Beifügung andererseits – und dementsprechend disparate Regelungswerke einsetzen:20 Erklärung und Beifügung müssen gesetzlich schlicht „Hand in Hand“ laufen – anders gesagt: Inhalt und Formen sind ohne einander jeweils gänzlich

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 230 Rn 7 aE. So noch explizit Mot S 424 = Hahn IV S 376 – wurde jedoch nicht darauf beschränkt – entscheidend war nämlich die primäre Selbsthaftung (arg „neben dem Gemeinschuldner“): Jaeger/Weber KO8 § 194 Rn 5 bzw Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 21 [a]. Eingehend dazu Kleemeyer, Die Sicherstellung der Vergleichserfüllung durch Dritte im gerichtlichen Vergleichsverfahren (1972). AA für Abs 1 (lediglich materielle Erklärung) Ahrens/Gerlein/Ringstmeier/Silcher InsO3

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§ 230 Rn 2; BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO8 § 230 Rn 3 – das verwechselt Rechtsnatur mit Verpflichtungsinhalt (dazu Rn 25) – eher nebulös hier HambK/Thies InsO6 § 230 Rn 12. So aber MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 9–16; 27, 35 f; 59–62; 72, 86 f, 93; Madaus Insolvenzplan (2011), S 418. Dem wohl folgend: Ahrens/Gerlein/Ringstmeier/ Silcher InsO3 § 230 Rn 2 (ausdrücklich nur für Abs 1 erwähnt); Zabel HRI2 § 27 Rn 177, 186, 196 (hinsichtlich Abs 3 nicht eindeutig, vgl Rn 200).

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wertlos. Das lässt sich weder forensisch noch dogmatisch auseinanderdividieren – und führt gezielt damit zur Doppelnatur! Auf die Erklärung finden trotz Doppelnatur schwerpunktmäßig die regulären BGB- 11 Regeln Anwendung, insbesondere die Vorschriften zu Auslegung (§§ 133/157 BGB – besonders zum Umfang bei möglicher Planänderung bzw – anpassungen21), zur Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff BGB), zu Willensmängeln (§§ 116 ff BGB) oder zur Anfechtung der Erklärung (§§ 119 ff, 142 ff BGB), wobei aber die spezielleren Vorschriften der §§ 217 ff nicht unterlaufen werden dürfen.22 Unter Anwendung von § 130 I S 1 iVm III BGB wird die Erklärung mit Vorlage des Insolvenzplans an das Insolvenzgericht wirksam (nicht erst mit Bestätigung iSv § 248 I oder gar etwa Rechtskraft nach § 254 I), nicht jedoch sofort bindend. Unnötig ist allemal, die Vorschriften für Konsens und Dissens (§§ 145 ff BGB) aufzugreifen – es geht um eine lediglich einseitige Erklärung! Sie zeitigt jedoch mittels der „Planmechanik“ uU parallele vertragliche Wirkungen – dann muss man aber insoweit interessenorientiert einen Bindungsausschluss annehmen (in Anlehnung an § 145 Hs 2 BGB – umgekehrt greifen keine Akzeptfristen: §§ 147–149 BGB): bis zur Abstimmung über den Insolvenzplan („Annahme“) kann der Erklärende seine einseitige Verpflichtungserklärung widerrufen.23 Es gibt aber kleinere Überlagerungen durch InsO-Vorschriften. Vorderhand die wich- 12 tigste: Mit rechtskräftiger Planbestätigung ist jegliche Mängelrüge von Beteiligten gesperrt24 (Absicherung und Vorrang der Rechtskraft! – siehe dazu Vor §§ 217 ff Rn 269). Möglich ist genauso die lediglich bedingte (§ 158 BGB) Erklärung oder auch eine Befristung (§ 163 BGB) – sie darf den Plan allerdings nicht gefährden (Passigkeit zum Planinhalt25 – sonst drohen nämlich § 231 I Nr 1 bzw § 250 Nr 1 – Nachholung?). Das meint vor allem die bedingte Erklärung des Gemeinschuldners, das Unternehmen nur im Falle der Planbestätigung fortführen zu wollen (im Zweifel so gemeint26), im Grunde jedoch eine Rechts-, keine Zufallsbedingung („Wirkung, wenn wirksam“). Andere grundlegende Erfordernisse folgen unmittelbar aus § 230. Zum einen die Ausdrücklichkeit (arg Abs 1 S 3 e contr, vgl Rn 14), zum anderen die Schriftlichkeit (arg „beizufügen“ [und zwar als Plananlage] – es gelten inhaltlich hierzu allgemeine Regeln, vgl § 218 Rn 18).

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Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 1; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 88. Für §§ 80 ff ZPO statt §§ 164 ff ZPO deshalb RG KTS 1933, 118, 119. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 89 f; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 1 (bzw Rücktritt bei Verträgen – so weit kommt es aber nicht!) – aA K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 230 Rn 9 (zumindest für Abs 3). Restriktiver zunächst MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 19 (Schuldner) bzw Rn 66 (Gläubiger) bzw Rn 96 (Dritter): nur wenn und weil man auch die Mangelhaftigkeit selbst mitverantwortet. Wie hier BeckOK/Geiwitz/Dackelmann InsO7 § 230 Rn 15. Für Dritte fehlt global jedwede Rechtskrafterstreckung, Madaus Insolvenzplan (2011),

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S 419 f (hingegen bleibt MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 66 wieder disparat – ist hier somit per saldo dann gar großzügiger!). Wegen sog Vergleichsgaranten (dazu Rn 48) siehe RGZ 57, 270, 271 f (Zwangsvergleich); RGZ 127, 372, 375 (GA-VO-Vergleich); BGH KTS 1961, 152, 153 f [II 1] (Privatvergleich) – vorbehalten ein Mangel des Tatbestands: RGZ 122, 361, 363 f; 153, 85, 89. Ausführlich MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 14; dazu vgl auch BK/Paul InsO62 § 230 Rn 2 (Verwirklichung vor Planbestätigung – arg § 249). Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 2; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 14; HambK/Thies InsO6 § 230 Rn 3; Zabel HRI2 § 27 Rn 177 aE.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

IV. Tatbestände 1. Schuldnererklärungen (Abs 1)

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a) Anwendungsbereich. Erfasst werden Fälle der insolvenzplanmäßigen Unternehmensfortführung („Ist im Insolvenzplan vorgesehen“) – es geht idR hier um Sanierungspläne, partiell auch um Abwicklungspläne; weitere Fälle dürften mangels Masse ohnehin kaum realistisch sein (Liquidationsplan?). Jenes Merkmal entspricht § 229 S 1 Hs 1 (dort Rn 15). Der Wortlaut deckt insoweit die lediglich zeitweilige Fortführung zur Überbrückung bis zur Übertragung („Veräußerung“) oder Liquidation („Ausproduktion“) und ebenfalls die teilweise Fortführung, dh die Aufspaltung mit Sanierung einerseits und Liquidation andererseits. Entscheidend sind zwei Gesichtspunkte: Unternehmerherrschaft (arg „sein Unternehmen …“ – personelle Autorität) und Unternehmenskongruenz (arg „ … fortführt“ – sachliche Kontinuität). Ausschlaggebendes Korrelat von Haftung ist Eigenverantwortung.

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b) Fortführungserklärung natürlicher Personen (Satz 1 und 3). Eine Weiterführung des Unternehmens ohne entsprechende (Inhaber-) Bereitschaft dazu, erscheint „nicht sinnvoll“:27 der unternehmerisch tätige Gemeinschulder muss sich weiter verantwortungsvoll insoweit einbringen – jedoch eben selbst auch haften (dazu Rn 13 aE). Das frühzeitig klarzustellen, intendiert die Vorschrift. Für natürliche Personen (§ 11 I S 1 Var 1, dort Rn 14) erfordert das Gesetz (S 1) mithin stringent seine dezidierte Bereitschaftserklärung. Sie gewährleistet dem Gemeinschuldner die Kenntnis der genauen Planerfordernisse (was verlangen die Planungen? – „Passivseite“), und den Gläubigern bzw Stimmenden gibt das eine Sicherheit „belastbarer“ Gestaltung (was übernimmt der Schuldner? – „Aktivseite“). Der Schuldner soll und kann unmöglich gegen seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss zur Unternehmensfortführung und der damit verbundenen Haftung während des Planverfahrens gezwungen werden28 (arg § 247 II Nr 2); § 230 I wirkt aber genau genommen noch stärker: das geht nicht ohne das ausdrücklich erklärte Einvernehmen (also: nicht ohne seinen Willen) – statt Berechtigung nachträglichen Widerspruchs (§ 247 I) gilt hier eine Verpflichtung vorheriger Konsentierung (§ 230 I). Das erlaubt praktisch im folgenden den Einwand des venire contra factum proprium nulli conceditur; bis zur Abstimmung ist das Einvernehmen aber widerrufbar (dazu Rn 7). 15 Die Fortführungserklärung muss ernsthaft (scil. plausibel) sein, hat dabei dazuhin immer ein bestimmtes Planszenario zur Geschäftsgrundlage („auf der Grundlage des Plans bereit“) – anders gesagt: der Gemeinschulder muss sich mit dem Plan auch perspektivisch selbst identifizieren, mindestens im Zeitpunkt der Abstimmung (neudeutsch: „commitment“) – abgekoppelt davon, dass sich die Wirklichkeit ökonomisch später möglicherweise anders entwickelt. Dies ist sein individuelles Haftungsrisiko. 16 Der Singular („die Erklärung“) ist dabei nämlich auf einen anderen Singular („des Unternehmens“) bezogen und umfasst hierdurch zugleich mittelbar den Plural. Umgekehrt gilt ebenfalls: liegt „bloß“ ein Unternehmen vor, ist dies nicht zwangsläufig als Einzelunternehmer nun fortzuführen – wenn man denn nur mitleitet und mithaftet! (dazu Rn 13/14). Erfasst wird jedoch teleologisch29 hier ebenso eine Fortführung als Gesellschaft

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BT-Drucks 12/2443 S 203 re. Sp. Westrick DStR 1998, 1879; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 230 Rn 1; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 2 mit Rn 1.

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 6.

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(Strukturänderung), wenn und weil der Gemeinschuldner weiter unbeschränkbar haftet (Personalhaftung). Es entsteht darum durch Umwandlungsakte keine Lücke zwischen S 1 und S 2! Nimmt man den Zweck (dazu Rn 14 zA) ernst, erklärt sich dadurch die Einschränkung 17 (S 3) für schuldnerische Insolvenzpläne gleich von selbst: die explizite Erklärung ist entbehrbar, weil implizit schon miterklärt. Erstellen und Vorlegung des ureigenen Plans entbehrten (mit Blick auf Rn 13 aE) sonst sämtlichen Sinns. Man mag das als schlüssige Fortführungserklärung bezeichnen,30 man kann indes genausogut vielleicht sagen, dass bereits legislativ (!) teleologische Reduktion erfolgt. Drei andere Aussagen – genommen vom Wortlaut der Ausnahme – sind ebenso rele- 18 vant. (a) Es geht bloß um Erklärungen „nach Satz 1“ (also nicht auch: S 2!31 – Rn 19–23), dh Individualerklärungen, im Unterschied zu „Kollektivverantwortung“, den Vorlegenden mit inbegriffen. Hier ist so rechtsformell zu dokumentieren, dass alle „am selben Strang“ ziehen.32 (b) Der Äußerungsakt ist bloß „nicht erforderlich“ (und erst recht dessen Beifügung …), wenn erfolgt, aber allemal doch unschädlich. Er mag sich sogar zur Klarstellung bei komplexen Planstrukturen (zB intendierte zeit- oder teilweise Fortführung) empfehlen. Das „Übersoll“ ist mitgedeckt von § 220 II. (c) Nötig ist zudem, dass der Schuldner „den Plan selbst vorlegt“ – befreit ist demnach ausschließlich die Eigenvorlage iSv § 218 I S 1, Var 2 (dort Rn 55–57); bei Konkurrenz mit Vorlagen des Verwalters gilt dafür weiter Abs 1 S 1, und ebenso für „Auftragspläne“ bei Eigenverwaltung.33 Beide Male steht nämlich die Selbstverpflichtung des Gemeinschuldners hierfür aus. c) Fortführungserklärung persönlich Haftender (Satz 2). S 2 verpflichtet bei weiteren 19 insolvenzfähigen „Gebilden“ (Hs 1 – Rn 20) zur Fortführungserklärung und modifiziert die Normvorgabe (Hs 2): nicht so stark in zunächst objektiver Hinsicht („entsprechende Erklärung“ – das zielt auf S 1 [Rn 14–16]; S 3 dagegen fällt aus34 [Rn 17]), alsdann freilich subjektiv. Nach der Stammfassung sollten sämtliche persönlich haftenden Gesellschafter zustimmen müssen, nach der ESUG-Fassung (Art 1 Nr 21) sind solche betroffen, „die nach dem Plan persönlich haftende Gesellschafter des Unternehmens sein sollen“. Das dient der Öffnung für Wechsel im Bestand persönlich haftender Gesellschafter (die anderen werden erfasst von Abs 2 Var 3! – Rn 28). Die neue Fassung legt offen, dass nur alle künftig personell (!) Haftenden gemeint sind: verbleibende Altgesellschafter wie eintretende Neugesellschafter, nicht aber die ausscheidenden Altgesellschafter.35 Dies zielt auf jene neuen Möglichkeiten, welche § 225a öffnet (gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen). Einschlägig ist die Anforderung bei den insolvenzfähigen sog „Gesellschaften ohne 20 Rechtspersönlichkeit“ iSv § 11 II Nr 1 (oHG, KG, PartG, GbR, EWiV, wegen Partenreedereien siehe Art 71 EGHGB]) mit persönlich verantwortlichen, haftenden Gesellschaftern

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Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 230 Rn 4; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 230 Rn 7. BT-Drucks 12/2443 S 203 re. Sp.: „für die persönlich haftenden Gesellschafter gilt diese Ausnahme nicht.“ Dem folgend: Warrikoff KTS 1997, 527, 538; Uhlenbruck/Maus InsO13 § 230 Rn 2; FK/Jáffe InsO8 § 230 Rn 6; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 2.

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Gegenausnahmen teleologisch begründbar – und zwar bei gemeinsamer Planvorlage (zutr MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 26 aE. Zabel HRI2 § 27 Rn 176 aE; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 7. Insoweit zweifelnd allerdings MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 7 – Stichwort: „entsprechende Erklärung“ (scil. eine nach S 1, für welche letztlich auch S 3 gilt). BT-Drucks 17/571 S 32 re. Sp.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

(Var 1), für welche es ebenso um ihre höchstpersönliche Haftungsverantwortung geht; dazuhin ist genannt die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), die zwar als juristische Person anerkannt ist, dh unter § 11 I S 1 Var 2 fällt, indes gleichwohl – anders als normal (vgl § 278 I iVm II AktG) – neben schlichten Kommanditaktionären mindestens einen persönlich voll Haftenden kennt (Var 2). Hier besteht infolgedessen eine analoge Interessenlage. Erfasst laut hM36 sind ebenso Vorgesellschaften und Vorgründungsgesellschaften; hier ist aber offensichtlich zu differenzieren. Die Vorgründungsgesellschaft juristischer Personen (in der Zeit vom informellen Gründungswillen bis zum förmlichen Vertragsschluss) ist GbR oder oHG und fällt ohne weiteres also unter die Var 1 (vgl auch erg § 218 Rn 69); die Vorgesellschaft juristischer Personen (in der Zeit von Vertragsschluss bis Registereintrag) ist durchaus „handlungsfähige“, körperschaftlich strukturierte Vorstufe und bloß in Form der KGaA somit erfasst (vgl auch erg § 218 Rn 59). 21 Die verlangten Erklärungen sind Individualerklärungen jeweils der konkret verpflichteten (scil. haftenden) Gesellschafter, dh jeder muss die Fortführungsbereitschaft für sich selbst erklären, und der Plan ist nur formgerecht, wenn das alle getan haben, welche dies angeht. Das verlangt der Wortlaut, obwohl man ihn klarer noch hätte fassen mögen („Erklärung [all] der Personen …“). Viel wichtiger ist umgekehrt, dass gesellschaftsrechtliche Mehrheitsbeschlüsse (im Unterschied zu Rn 23) insoweit nicht genügen37 – insolvenzplangestaltete Unternehmensfortführung bedarf konsequent des Einvernehmens der Vollhafter. 22 Nicht genannt sind dagegen einerseits die Nachlässe und Gesamtgüter (§ 11 II Nr 2), die eher wohl auf zügige Abwicklung zielen, nicht aber auf Fortführen oder Sanierung. Die Regel scheint wortgemäß unanwendbar („Ist der Schuldner …“). Man wird insb S 2 (aber ebensogut auch S 1 und 3) indes analog heranziehen können, wenn und weil ein entsprechendes Unternehmen im betroffenen „Vermögensverband“ saniert werden würde. Das Telos zählt stärker, zumal auch die Haftungsbegrenzung dann hinfällig wäre. – Ungenannt bleibt ebenfalls der nichtrechtsfähige Verein. Er wird allein „insoweit“ (scil. nur hinsichtlich der Rolle als Gemeinschuldner) den juristischen Personen gleichgestellt (§ 11 I S 2). Hier empfiehlt sich,38 zwischen Wirtschafts- und Idealverein substantiell zu unterscheiden, zumal nachdem § 54 S 1 BGB (Verweisung auf GbR-Regelungen) weithin jetzt ins Leere läuft, falls man dem BGH folgt: die Außengesellschaft sei rechtsfähig mit persönlicher Mitgliederhaftung entsprechend § 128 HGB (beim Wirtschaftsverein39) bzw umfänglich beschränkter Anteilshaftung (beim Idealverein40). Dies spricht dafür, bloß noch den ersteren Fall gleichzusetzen (Konsens mit der Haftung für die Zukunft), den zweiten hingegen auszuscheiden (sinngemäß gilt passender hier Rn 28). 23 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft führt gesetzlich zu deren Auflösung41 – was zunächst nur die Änderung des „werbenden“ Gesell36

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Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 230 Rn 3; Brünkmans/Thole/Brünkmans § 31 Rn 30. Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 1; BK/ Paul InsO62 § 230 Rn 4. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 23; HK/Haas InsO9 § 230 Rn 2. Wohl folgend Zabel HRI2 § 27 Rn 184 Fn 189. BGHZ 146, 190, 201 [II 3a] {32} = NJW 2001, 748, 750 = WM 2001, 364 = ZIP 2001, 373 = NZG 2001, 327 – letztendlich die Vorwegnahme aus BGHZ 146, 341, 358 [B] {39}.

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BGH NJW-RR 2003, 1265 [1] {8} = WM 2003, 1670 = ZIP 2003, 2023 = NZG 2003, 878 im Anschluss besonders an BGHZ 50, 326, 329 und OLG Schleswig NVwZ-RR 1996, 103. § 728 I S 1 BGB [GbR]; § 131 I Nr 3 HGB [oHG/KG]; § 289 I AktG iVm § 131 I Nr 3 HGB [KGaA]; § 9 PartGG iVm § 131 I Nr 3 HGB [PartnerG]; Art 36 S 1 EWiV-VO iVm § 131 I Nr 3 HGB [EWiV]; Art 71 EGHGB § 506a S 1 HGB aF [Partenreedereien]). – Prinzipiell parallel für juristische Personen: § 42 I S 1 BGB (e.V.); § 60 I Nr 4 Hs 1

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schaftszwecks ausdrückt. Die Weichenstellung ist Liquidation („Sterben“) oder Fortführung („Heilung“). Um aber am Ende die gesetzlich vorgesehene Auflösung im Planverfahren abzuwettern, muss die Gesellschaft noch den gesellschaftsrechtlich nötigen Fortsetzungsbeschluss fassen42,43 – dies ist eine Kollektiverklärung und hier (im Gegensatz zu Rn 21) gilt das Mehrheitsprinzip. Wer individuell die insolvenzrechtliche Fortführungserklärung abgibt, muss später freilich – gesellschaftsrechtlich – billigen (anderes würde auf perplexes, treuwidriges Verhalten hinauslaufen); hier zeigt sich damit eine greifbare materielle Rechtsfolge der Fortführungserklärung als die Vorfestlegung der Stimmabgabe für den Fortsetzungsbeschluss (der nach den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Regularien zustande kommt – bzw seit dem ESUG gleicherweise planmäßig surrogierbar erscheint: § 225a III iVm § 254a II – berührt nicht die Fortführungserklärung, die weiterhin erforderlich erscheint!44). Der korporationsrechtlich erforderliche Fortsetzungsbeschluss mag außerdem nach Planbestätigung erst erfolgen.45 d) Weiterführung juristischer Personen ausgeklammert. Mit Ausnahme der KGaA 24 (Var 2, dazu Rn 20) sind juristische Personen (insb AG, GmbH, eG – aber zB auch e.V. und Stiftung) nicht betroffen;46 die Mitgliedschaft bzw die Stellung als Anteilsinhaber ist infolge Insolvenzeröffnung bereits wirtschaftlich wertlos, es fehlt an einer künftigen weiteren Belastung (anders wenn Dritte zusätzlich – neu! – dazukommen sollen – das wäre ein Fall von Abs 2 Hs 2 Var 1, vgl Rn 28), ja überhaupt an konkret unbegrenzter persönlicher Haftung (Liquidation wäre die Türe zum Aussteigen!). Das zentrale Haftungsargument läuft bei ihnen ins Leere. Jener Gedanke lässt sich teleologisch noch prolongieren: Ist als persönlich haftender Gesellschafter eine juristische Person eingesetzt (zB GmbH & Co. KG), ist Abs 1 S 2 gleichfalls nicht einschlägig, da im Ergebnis keine natürliche Person persönlich für die zukünftigen Gesellschaftsverbindlichkeiten einsteht und eine vom Schutzzweck der Regelung erfasste Gefahr damit nicht droht.47 e) Rechtsfolgewirkung. Der auch materielle (Erklärungs-) Charakter (näher dazu bei 25 Rn 10) wird gerne mit einer zusätzlichen materiellen Verpflichtung gegenüber sämtlichen Gläubigern begründet.48 Gibt es hier Erfüllungsansprüche bzw Schadensersatz bei womöglich schuldhafter Pflichtverletzung? Eine Vollstreckung nach § 257 I indes scheidet

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GmbHG (GmbH); § 262 I Nr 3 AktG (AG); § 101 GenG [e.G.]; § 86 S 1 BGB iVm § 42 I S 1 BGB (Stiftung). Quasi ein Aliud: Brünkmans/Thole/Brünkmans § 31 Rn 7 mit 24; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 10; Zabel HRI2 § 27 Rn 187 mit 190. § 728 I S 2 BGB [GbR]); § 144 I HGB [oHG/KG]; § 289 I AktG iVm § 144 I HGB [KGaA]; § 9 PartGG iVm § 144 I HGB [PartnerG]; Art 36 S 1 EWiV-VO iVm § 144 I HGB [EWiV]; Art 71 EGHGB § 506a S 2 HGB aF [Partenreedereien]. – Prinzipiell parallel für juristische Personen: § 42 I S 2 BGB (e.V.); § 60 I Nr 4 Hs 2 GmbHG (GmbH), § 274 II Nr 1 AktG (AG); § 117 I S 1 Var 2 GenG [e.G.]; § 86 S 1 BGB iVm § 42 I S 2 BGB (Stiftung). Brünkmans/Thole/Brünkmans § 31 Rn 33 f.

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LG Potsdam ZIP 2014, 641 {10–12} [e.V.]. LG Potsdam ZIP 2014, 641 {7–9} [e.V.]; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 23; BK/Paul InsO62 § 230 Rn 5; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 230 Rn 5; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 230 Rn 6. Zabel HRI2 § 27 Rn 184; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 230 Rn 5 aE; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 24; Brünkmans/Thole/Brünkmans § 31 Rn 30. AA HambK/Thies InsO6 § 230 Rn 3; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 2. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 10; Zabel HRI2 § 27 Rn 177; Ahrens/ Gerlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 230 Rn 2; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 230 Rn 4.

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ohne weiteres aus: Vollstreckungsziel ist doch nicht etwa, die festgestellte Insolvenzforderung iSv § 174 durchzusetzen.49 Demnach bliebe normale bürgerlich-rechtliche Zivilklage. Die Naturalerfüllung zu erzwingen, macht aber wenig Sinn (§ 888 I ZPO) – wie soll man „den Hund zum Jagen bringen“? Und später Schadensersatz zu betreiben, dieses scheitert wohl gemeinhin an einer anfänglich dafür genügenden Masse. Wirtschaftlich führt das alles zur Zweitinsolvenz und konterkariert die eigentlichen Sanierungsbemühungen. Die „Pflicht“ ist auch wohl nicht konkret genug und immer dazuhin situationsgebunden (was sich uU über das Verschulden freilich halbwegs abbilden ließe). Mir scheint es demnach aufrichtiger, von konkreter Haftung abzusehen. Es geht um eine Übernahme der Haftung aus Tätigkeit (Einstandspflicht) nicht etwa für Tätigkeit (Fortführungspflicht), dh Haftungsübernahme (selbst in Person!), nicht Anspruchsübernahme (gegenüber jedermann?). Deshalb wirkt der Erklärungsakt durchaus (selbst-) verpflichtend – ist mehr als eine bloße Absichtserklärung und eher damit eine Art Zielvereinbarung. 2. Gläubigererklärungen (Abs 2)

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a) Personenkreis. Wer erfasst ist, beschreibt das Gesetz mit einem relativ allgemeinen Begriff: „Gläubiger“; den Gemeinschuldner wie dessen vollhaftende ( ! ) Anteilseigner nimmt Abs 1 ins Visier („Aktivbetroffene“), alle anderen sind „Dritte“ nach Abs 3. Unter Abs 2 fallen gewiss die Insolvenzgläubiger iSv § 38 („Passivbetroffene“), einschließlich der nachrangigen iSv § 39. Für jene gilt die Geldliquidation (arg § 45 S 1) mit Barzahlung der Quote als Konsequenz – dieses auch im Planverfahren. Man kann ihnen mithin schon deswegen hier kein Surrogat aufdrängen, sie erst recht nicht etwa ins alternative Prokrustesbett von Korporationen einzwängen. Das folgt nunmehr schon aus § 225a II S 2 iVm S 1 (dort Rn 61–63), war aber vor dem ESUG durch Abs 2 gleicherweise schon abgesichert. Aber was ist denn mit den Absonderungsberechtigten und den Massegläubigern? Mas27 segläubiger werden nicht weiter beeinträchtigt (§ 53), sind also letztendlich schon ursprünglich wie substantiell nicht passivbetroffen (mithin eher Dritte nach Abs 3), Absonderungsberechtigte sind von vornherein etwa bei akzessorischer Haftung uU schon selbst bereits Insolvenzgläubiger (§ 52). Bedenkt man allemal den Planhorizont, kann der Plan die Befriedigung von Insolvenzgläubigern (§ 217 S 1 Var 1b) wie Absonderungsberechtigten (§ 217 S 1 Var 1a) jedoch gleichermaßen regeln, dh dann müssen letztere ebenso auch unter die Regel fallen.50 Jenes erlaubt der offen gefasste Normwortlaut („Gläubiger“) schlussendlich relativ unkompliziert – sie werden ebensogut von der Planung „passiv“ berührt.

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b) Anwendungsbereich. Der Anwendungsbereich der Zustimmungsregel ist sachlich eingeschränkt – es geht um von Gläubigern (dazu Rn 26 f) zu erwerbende Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte ( dazu Rn § 225a Rn 22–24) oder Beteiligungen (wegen der „Mehrfachnennung“ siehe bei Rn 30) an bestimmten Körperschaften oder Gesellschaften, welche abstrakt (dazu Rn 29) ebenso auch selbst insolvenzfähige Gemeinschuldner sein können: juristische Personen (Var 1 bzw § 11 I S 1 Var 2 – insb AG, GmbH, e.G., Stiftung, e.V. – Näheres: § 11 Rn 33–53), ihnen gleichgestellte nicht rechtsfähige Vereine (Var 2 bzw § 11 I S 2) oder sog Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (Var 3 bzw § 11 II Nr 1 [Legalde-

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 20. Ebenso Zabel HRI2 § 27 Rn 194; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 230 Rn 8; BK/Flöther/

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Wehner InsO53 § 217 Rn 4; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 49; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 4.

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finition!] – mithin oHG, KG, PartG, GbR, EWiV – Näheres: § 11 Rn 58–80) – im Gegensatz zu sonstigen Gesamthandsanteilen (arg § 11 II Nr 2 e contr.), welchen Abwicklungstendenz (Nachlass) oder Höchstpersönlichkeit (Gesamtgut) eignet. Diese Anteile müssen nicht unbedingt an dem insolventen schuldnerischen Unterneh- 29 men bestehen (ein Schluss, zu welchem womöglich die Parallele mit § 11 [Rn 28] verleitet), sondern können auch Anteile an anderen Gesellschaften sein.51 Das unterstützt ein Textvergleich von § 225a II („Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner“) mit § 230 II (wo genau dieser Zusatz fehlt!). In erster Linie wird es sich jedoch wohl um Schuldneranteile (und also einen Debt-Equity-Swap – Näheres siehe bei § 225a Rn 50 ff) drehen; in Betracht käme freilich ebenso eine – vielleicht später erst noch zu gründende! – Übernahmeoder Auffanggesellschaft; Anteile des Schuldners bei anderen nicht insolventen Unternehmen könnten indes genauso vom Verwalter direkt freihändig verwertet werden (was der einfachere und gangbarere Weg ist …). Auffällig ist die dreifache begriffliche Umschreibung des konkreten Anwendungsbe- 30 reichs – Anteilsrechte, Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungen – die aber eigentlich doch einen Einheitsbegriff meint: Oberbegriff ist die Beteiligung,52 indes in einem untechnischen Sinne; als stärker technischer Begriff präzisiert das Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht (dazu § 225a Rn 22–24) den Norminhalt ganz maßgeblich. Er geht aber weiter (als eingängiger Gegenschluss aus § 225a I S 1 – wo diese Ergänzung fehlt) und umfasst auch Formen einer lediglich mittelbaren Teilnahme (zB Treuhand, Nießbrauch, Beherrschung, Innengesellschaft), wenn sie denn auf komparable Mithaftung hinausläuft. Hierbei wirkt der alte Beteiligungsbegriff nach, welchen §§ 154 II, 181 III, 261 S 2 RegE eigens beschrieben hätten (Abs 2 entstammt genau jener Textstufe!53 – und hat die späteren Kürzungsbemühungen des Rechtsausschusses „überlebt“). c) Sonderfall: Schuldverschreibungsgläubiger. Eine einzelne, spezialgesetzliche Ausnah- 31 me zum Grundsatz der persönlich erfolgenden Zustimmung findet sich in § 5 III Nr 5 Var 1 SchVG für Schuldverschreibungsgläubiger,54 wonach Schuldverschreibungen durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden können [§ 225a Rn 60]. Hier reicht dann (wider die Regel: Rn 26 [Individualzustimmung]), den Kollektivakt mit hinzuzufügen (insoweit Rechtskraft vorliegt55) oder alternativ auch die Zustimmung des bestellten gemeinsamen Vertreters der Gläubiger (§ 19 III SchVG, vgl § 225a Rn 63), da dieser im Außenverhältnis wirksam alle Rechte im Insolvenzplanverfahren für die Anleihegläubiger verfolgen,56 sprich auch einer Umwandlung zustimmen kann.57

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 230 Rn 5; BK/ Paul InsO62 § 230 Rn 7 – ebenfalls so wie im Folgenden: Braun/Braun/Frank InsO7 § 230 Rn 7 [1. Abs]; FK/Jaffé InsO9 § 230 Rn 11; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 53. Sehr treffend HK/Haas InsO9 § 230 Rn 1: Übernahme „in einem weiteren Sinne zu verstehen“. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 55; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 230 Rn 5; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 4, zust HambK/Thies InsO6 § 230 Rn 7. Wohl darum fehlt jede weitere Ausführung: BT-Drucks 12/2443 S 203/204.

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Näheres siehe bei Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 230 Rn 8; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 58. UU aber vorzeitige Freigabe erreichbar: § 20 III S 4 SchVG iVm § 246a AktG – Näheres siehe bei Rubner/Pospiech GWR 2015, 507. Veranneman/Rattunde SchVG2 § 19 Rn 78; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/ Schneider SchVG2 § 19 Rn 19. Dieses ist für die Anleihegläubiger auch nicht ungebührlich einschneidend, da der gemeinsame Vertreter sich regelmäßig schadensersatzpflichtig gem § 7 III SchVG macht, wenn er einer Umwandlung ohne vorherige Abstimmung nach § 19 III SchVG zustimmt.

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d) Erweiterungen. Nicht miterfasst sind eindeutig alle Beteiligungen beim Einzelkaufmann (scil. bei der natürlichen Person) – dagegen steht der Wortlaut der Regelung. Man könnte daran denken, die Regelung per Analogie auf Konstruktionen stiller Beteiligungen (§§ 230 ff HGB) inhaltlich zu erstrecken.58 Als Innen-GbR würde die stille Gesellschaft zwar dazurechnen, jedoch müsste dies auf weitgehenden Einschluss schuldrechtlicher Positionen hinauslaufen (das passt nicht: Rn 33): Die Grundform zielt auch bloß auf Gewinnbeteiligung bei gleichzeitigem Ausschluss von Haftungsrisiko (vgl § 231 II HGB) und Einflussnahme auf Geschäftsführung.59 Eine solche Regelung dürfte rein tatsächlich den gesellschaftsrechtlichen Charakter derart überlagern, dass eine entsprechende Analogie auf Einzelkaufleute von vornherein als unangemessen entfällt. Die Position des „Stillen“ ist insolvenzrechtlich von doch stark schuldrechtlicher Natur (arg § 236 I HGB). Es mangeln im Übrigen Gründe, warum denn ein Planersteller ohne Rücksprache mit dem jeweiligen Gläubiger diesem eine stille Teilhaberschaft zuordnet, anstatt schlicht von vornherein ein gestrecktes Barangebot im Plan vorzusehen. 33 Die Regel schützt vor einem erzwungenen unternehmerischen Tätigwerden (mit Verantwortung und Risikotragung) – jenes aber nur im Außenverhältnis und demzufolge im Dinglichen. Erfolgsabhängige schuldrechtliche Ansprüche (so wie etwa Gewinnschuldverschreibung oder Wandelgenussscheine – aber ebenso auch stille Beteiligungen: Rn 32) rechnen schon ansatzweise nicht hierher60 – sie sind nur Teil der gläubigerseitig anzustellenden Erfolgsprognose, unterliegen dem klassischen Mehrheitszwang, indes reziprok auch zugleich einem Individualschutz (§ 245 I Nr 1 mit II bzw § 251). 34 Jenes Zustimmungsgebot wird indes gerne weiter verallgemeinert auf jedes Surrogat barer Erfüllung. Man erweitert den Normzweck („Rundumschutz“ gegen Nichtbargebote61), bemüht die Motive, die sich indes deutlich aufs Tauschen gegen zukünftiges Mitunternehmertum beschränken62 (demnach liegt näher ein Umkehrschluss für die „Regelfälle“), und findet mystische Systemzusammenhänge, die real nicht existieren.63 Der alte Bargebotsgrundsatz (§ 7 III VglO) hat sich insoweit eben nicht erhalten, das neue Insolvenzplanrecht (§ 217 S 1 [Var 1b], dazu vgl dort Rn 54–56) eröffnet die Gestaltung der Befriedigung (damit auch der Geldliquidationsmaxime des § 45 S 1). Neben quantitativen (§ 223 II) sind gleichfalls auch qualitative Abänderungen des Regelablaufs der Befriedigung möglich und erlaubt – genau das macht das Planverfahren aus (Flexibilität!). Die ökonomische Gleichwertigkeit festzustellen, kann schwierig sein – aber was „im Hin“ geht (§ 45 S 1), sollte „im Her“ kaum schwieriger sein – das erfordert nur Eigenverantwortung und Gleichbehandlung (§ 226 I!), und es ist folglich eine Mär, dass die Leistung an Erfüllungs statt durchweg Einverständnis verlange.64

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 52. Blaurock/Blaurock Hdb Stille Gesellschaft8 Rn 1.29. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 56. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 230 Rn 5 f; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 230 Rn 5. BT-Drucks 12/2443 S 203 re. Sp. aE: „Keinem Gläubiger sollen gegen seinen Willen Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte oder Beteiligungen anstelle einer Befriedigung in

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Geld aufgedrängt werden.“ Das wird mit Recht für sich schon angezweifelt: MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 47; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 230 Rn 2. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 12–14. So jedoch hartnäckig Braun/Braun/Frank InsO7 § 230 Rn 7 [3. Abs]; K Schmidt/ Spliedt InsO19 Rn 6; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 4 aE. So wie hier Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 230 Rn 2.

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3. Dritterklärungen (Abs 3) Der Anwendungsbereich ist gleich vierfach beschränkt: personell auf Aktivseite („Hat 35 ein Dritter …“, dazu Rn 33) wie Passivseite („ … gegenüber den Gläubigern“, dazu Rn 34) und inhaltlich in einer ebenfalls doppelten Weise: es geht um eine prozessual bedingte („für den Fall der Bestätigung des Plans …“, dazu Rn 35 „versus“ Rn 38) materielle Zusatzverpflichtung („ … Verpflichtungen … übernommen“, dazu Rn 36 f). – Wichtig zum Verständnis ist dazuhin – unabhängig verfahrensmäßiger Einbettung des Verpflichtungsakts (dazu Rn 39–41) – die Einordnung als Plananlage (siehe allg schon § 219 Rn 20): die Bindung wird demnach nicht „plangeschaffen“, sondern steht autonom (auf „eigenem Fuß“) infolge der Verpflichtungserklärung (dazu Rn 38–41 mit Rn 45) des Dritten. Sie bleibt trotz allem jedoch ein Teil des Plankonzepts, dh ist darstellend mit einzubinden65 (also: „§ 220 statt § 221“), sonst könnte sie selbst nämlich nie gleich mitvollstreckt werden (§ 257 II: „Aus dem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan … [Abs 1]“ – siehe dazu noch bei Rn 40 [c], 45). a) Personenkreis. Wer verpflichteter „Dritter“ ist, möchte man leicht missverstehen. 36 Das wird nicht prozessual (iSv „Nichtbeteiligter“) verstanden, das muss man vielmehr materiell erfassen (iSv Masseerweiterung bzw Haftungsergänzung, aber ebenso sonstige Sanierungsunterstützung bzw Verbindlichkeitsentlastung). Das ergänzende Versprechen ist maßgeblich, mag es von insgesamt Verfahrensfremden herrühren (zB Familienangehörige, Muttergesellschaft66), von ökonomisch nicht Tangierten (Aussonderungsbefugte, Massegläubiger, Finanzkasse, Insolvenzverwalter), mag es ein normaler Insolvenzgläubiger erklären.67 Denn für alle restlichen Insolvenzgläubiger ist entscheidend, dass zusätzliche Haftungsmasse „hereinkommt“68 bzw – aktuelle oder gar auch künftige – womöglich „sanierungshemmende“ Verbindlichkeiten entfallen. Erfasst werden jegliche natürlichen wie juristischen Personen, auch solche öffentlichen Rechts – einschließlich des Gemeinschuldners. Dagegen steht allemal nicht, dass er doch so oder so schon haften würde69 – es geht um verpflichtende Erweiterungen (vor allem von §§ 35/36 – zB erwirtschaftetes künftiges Arbeitseinkommen?), ganz losgelöst von möglicher Werthaltigkeit. Nicht erfasst wird jedoch die Gesamthand als solche70 (§ 11 II hilft insoweit nicht), nötig wäre die Verpflichtung aller Gesamthänder. Wer begünstigter „Gläubiger“ ist, bereitet ebenfalls Probleme. Begrifflich rechnen of- 37 fenkundig hierher nicht nur Insolvenzgläubiger (§§ 38/39), der Wortlaut reicht hierüber hinaus: Absonderungsgläubiger können miterfasst werden (arg § 217 S 1 Var 1a), aber

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Das wohl meint BT-Drucks 12/2443 S 204 li. Sp. („nimmt der Plan auf sie [die Erklärung] Bezug“) – anders im Ansatz MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 74. Die Beispiele aus BT-Drucks 12/2443 S 204 li. Sp. Das galt schon unter altem Recht: RG JW 1896, 6 bzw Jaeger/Weber KO8 § 194 Rn 6 und 8 – wegen neuem Recht siehe HK/Haas InsO9 § 230 Rn 7; HambK/Thies InsO6 § 230 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 230 Rn 8. Hier aA wohl Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 5 und Zabel HRI2 § 27 Rn 203; allein im Anfang missverständlich MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 75. Auf totaler Begriffsverwechslung gründet

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OLG Düsseldorf NZI 2008, 689, 690: Verzicht gem § 230 III („Dritter“), nicht Regelung iSv § 221 S 1 iVm § 254 I („Gläubiger“), war notwendig. Das muss man auch nicht gruppenspezifisch weiter „herunterbrechen“ (so sehen es indes Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 230 Rn 9; HK/Haas InsO9 § 230 Rn 7); siehe noch bei Rn 37. Sehr lesenswert dazu Brünkmans ZIP 2015, 1052, 1058 [III 2] (indes mit Fokus auf § 254a III). AA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 75 aE: Bestandteil gestaltenden (§ 221 S 1) Planinhalts. AA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 75.

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ausnahmsweise (arg § 210a) auch Massegläubiger bei Unzulänglichkeit. Anknüpfungspunkt ist die Planbetroffenheit (sie fehlt uU bei einem Absonderungsrecht: § 223 I S 1) und die Planbegünstigung (sie fehlt gemeinüblich bei allen Nachrangigen: § 225 I). Es geht insoweit dann um unmittelbare Verbesserung. Möglich ist hierbei sogar, dass der Verpflichtungsinhalt (dazu Rn 39 f) nur einzelne Gläubiger(gruppen) betrifft,71 das würde nie gegen § 226 I verstoßen (gruppenintern gleiche Begünstigung!); eine gruppeninterne – verheimlichte bzw unkonzedierte – Differenzierung hingegen wäre anstößig (§ 226 III „versus“ II). Begünstigt ist primär immer jedoch die Gesamtheit (Plural!). Es gibt jedoch außerdem mittelbare Verbesserung: Zusagen für spätere tatsächlich erfolgreiche Plansanierung72 ohne direkt auch gleich vollstreckbare (§ 257 II – siehe dazu bei Rn 40 [c] einerseits, Rn 45 andererseits) Verpflichtung. Schon das liegt im wohlverstandenen Gläubigerinteresse.

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b) Anwendungsbereich. Das Gesetz unterlegt vorweg erst einmal ergänzend eine Bedingung, und zwar die aufschiebende Bedingung (§ 158 I BGB) wirklicher Planumsetzung: mit „Bestätigung des Plans“ umschreibt es den Schlussakt des Verfahrens, meint also den Rechtskrafteintritt des Gerichtsbeschlusses73 (§ 248 I iVm §§ 252/254), dh das sodann effektive Inkrafttreten der Planwirkungen (vgl § 254 I). Dies ist gleichsam hier die Geschäftsgrundlage der Zusatzverpflichtung. 39 Der Versprechungsinhalt kann mannigfaltig ausgestaltet sein: Bürgschaftserklärungen, Schuldübernahmen, Garantiezusagen etc (sog „Vergleichsgarantien“74), jedoch übers alte Recht hinaus kommen zudem auch alle sonstigen planfördernden Maßnahmen („Sanierungsgarantien“) in Betracht, sei es zur Bilanzbereinigung, sei es zum Beschaffen von Liquidität (was dann beides auch gemäß § 229 noch abzubilden wäre): Gestellung dinglicher Sicherheit, Zuschießen von Barmitteln, Förderzusagen der öffentlichen Hand, Erlasszusagen des Finanzamtes (Sanierungsgewinne? – allgemein: Vor §§ 217 ff Rn 199 ff), Sonderpreis von Lieferanten (Rabattierung), Verpflichtung zur Abnahme von Endprodukten etc75 – jene Reihe ließe sich beliebig weiterführen. Solche Informations- oder Dokumentationspflicht trifft daher zB auch den Erwerber bei planmäßig durchgeführter übertragender Sanierung.76 Denkbar sind jeweils77 zeitliche Schranken (Bindungszeitraum), Benennen sachlicher Umstände (Zusatzbedingungen – etwa je nach Sanierungsverlauf) oder auch eine dezidierte persönliche Fokussierung (die dann die Gruppenbildung aber widerspiegeln muss – dazu schon oben Rn 37). § 230 III liefert für die spätere Entscheidungsfindung die nötige Grundlage „informierter“ Bewertung. 40 Der Versprechensinhalt ist Gegenstand parteiautonomer Gestaltung und wird immer völlig autonom (freiwillig!78) erteilt – man kann den Insolvenzgläubigern zwar etwas

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 80. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 80; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 6; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 20; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 230 Rn 8; HambK/Thies InsO6 § 230 Rn 9 – Beispiele: Unterhaltsverzicht durch Angehörige, Gebührenverzicht eines Verwalters. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 79; Zabel HRI2 § 27 Rn 203. Beispielsfälle: BGH KTS 1961, 152 [I vor 1]; 1970, 45, 46/47 [I 2].

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Statt vieler siehe Warrikoff KTS 1997, 527, 538; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 230 Rn 8; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 6; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 76 mwN. Im Anschluss an BT-Drucks 12/2443 S 204 li. Sp.: Braun/Braun/Frank InsO7 § 230 Rn 11; FK/Jaffé InsO9 § 230 Rn 15; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 5. Beispielsfall: BGH KTS 1961, 152, 153 [I 1]. Recht abwegig daher OLG Düsseldorf NZI 2008, 689, 690: „cram down“ (in Anlehnung an § 245). Sehr weitgehend auch RG KTS 1933, 118, 119.

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zwangsweise (scil. „planmäßig“) nehmen, dagegen sie niemals zum zusätzlichen Geben verpflichten. Die Norm birgt jedoch noch weitere drei Tücken. (a) Verität wie Bonität müssen immer noch die Begünstigten selbst kontrollieren (Eigenverantwortung). Daher geht weder an, dass insoweit die Gerichte in Zweifelsfällen eine Erfüllbarkeit prüfen79 (arg § 231 I Nr 3 e contr. [lediglich „vom Schuldner“] – ein „Notbehelf“ ist womöglich Nr 2!) noch dass eine inhaltliche Überprüfung stattfindet. (b) „Verpflichtungen“ sind klassischerweise nur schuldrechtliche Akte. Man kann die Norm nicht erweitern auf die Verfügung,80 diese fällt möglicherweise indes unter § 228, dh ist unmittelbar schon vollziehbar gemacht (allerdings nur für Beteiligte: § 228 Rn 24) – auch mag dem eine zusätzliche eigenständige Verpflichtung zugrundeliegen (arg § 254a III). (c) Zielrichtung der Verpflichtung kann unmittelbar eine Erfüllungszusage sein (dann gilt § 257 II – siehe dazu auch bei Rn 37 aE, 45) oder abstrahierend, eher allgemeingehalten, eine Sanierungszusage zur Unterstützung der Planumsetzung. Von vornherein verlangt die Regelung allerdings die wirkliche Selbstverpflichtung, in- 41 klusive des zentralen Rechtsbindungswillens.81 Hierher zählt nicht die (noch) unverbindliche Absichtserklärung (aber vgl hier Rn 45) oder allein der Wunsch (Belastbarkeit des Plankonzepts?), eine verbindliche Zusatzleistung einzuwerben (das wäre der Fall einer Planbedingung: § 249): es kommt hier konsequenterweise zwar zu einem Gruppenvotum, der Bestätigungsakt an sich ist dann jedoch hinausgeschoben. c) Formpflichten. Prozessual ist jedenfalls Schriftlichkeit maßgeblich – es geht um 42 Planformen (dazu § 218 Rn 23–24) und dazu die Plananlage (dazu Rn 12 aE): wie wäre sie denn sonst „beizufügen“?82 Das ergibt ebenfalls die teilweise (Zweck-) Koppelung mit § 257 II („eingereichte schriftliche Erklärung“, vgl Rn 45). Besondere Probleme bereiten materielle Formvorschriften (zB Schriftformgebot für die Bürgenerklärung, § 766 S 1 BGB). § 254a III hilft insoweit nicht – es geht zwar um Verpflichtungserklärungen, aber nur solche für eine „Maßnahme nach Abs 1 oder 2“ (scil. plangesteuerte Verfügungsakte). Allemal zu Unrecht sehen manche83 einen Funktionszusammenhang: hier erweist sich die Differenzierung zwischen Gestaltungsinhalt (§ 221 S 1) und Anlagenerklärung (§ 230) letztendlich als folgenschwer. Allemal deckt indes die prozessuale Formpflicht mit Blick auf § 257 II die regelmäßigen materiellen Problemfälle. Der Wortlaut wirkt zunächst ungenau: der Zeitpunkt bleibt ungenannt (ebenso wie 43 vorher bei Abs 1 und 2) – nur dass sich hier die historisch altbekannte (dazu Rn 9) Kontroverse anschließt, welche Zeitpunkte gelten. Materiell ist das unwichtig: die Bedingung verlagert die Wirkungen sogar auf einen Zeitpunkt nach der Abstimmung (dazu Rn 48).

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So aber Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 5 aE – wie hier indes Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 230 Rn 9. So aber MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 78 bzw Brünkmans ZIP 2015, 1052, 1056 re. Sp. [III vor 1] („allgemeine Meinung“ [??]) – wie hier indes Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 230 Rn 9. RGZ 122, 361, 365/366 – hier anders [?] jedoch offenbar Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 18 (lediglich „Bereitschaftserklärung“ notwendig) bzw MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 77 (hinsichtlich materieller Wirksamkeit).

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 85; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 19; FK/Jaffé InsO9 § 230 Rn 14 und 16 (trotz der Divergenzen im Detail). BK/Paul InsO62 § 230 Rn 9 sieht dies – unrichtig – bloß für Abs 3. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 254a Rn 17; Braun/Braun/Frank InsO7 § 254a Rn 6; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 254a Rn 3 – vorsichtiger HK/Haas InsO9 § 230 Rn 7 („werden die Erkl Dritter [in den Plan] aufgenommen“) bzw MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 91 (Analogie!) mit § 217 Rn 161.

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Prozessual geht es um eine Plananlage, die sinnvoll auch „mit dem Plan“ einkommt (der Plan wäre sonst offensichtlich doch unvollständig). Die Motive lassen gleichwohl – das Erbe schimmert hier durch – ebenso Nachreichung gelten: „Liegt die Verpflichtungserklärung des Dritten jedoch bereits vor, bevor der Plan eingereicht wird, und nimmt der Plan auf sie Bezug, so ist sie dem Plan beizufügen.“84 Die Beilage dient der Informationsversorgung der Gläubiger (dazu Rn 4) und soll zugleich natürlich auch ein Argument für eine Zustimmung zum Plan liefern. Im Grunde ist weiter zu differenzieren:85 44 (1) Die Verpflichtung als Teil des Plankonzeptes ist beizufügen (§ 230 III: Planvorlegung), insoweit sie denn schon vorliegt, oder anzukündigen und nachzureichen (§ 249: Planbedingung) – entsprechend variiert das Risiko der Abstimmenden. (2) Bei nachträglichen Veränderungen des Plankonzepts (arg § 240) muss man fragen, ob eine vorliegende Verpflichtungserklärung weitergilt (Auslegungsfrage: Rn 7) oder uU eine Neuerklärung – erstmalig oder variierend – erforderlich wird. (3) Außerhalb von Terminen sind solche Erklärungen analog Abs 3 gleicherweise zu dokumentieren,86 in Terminen reicht die Abgabe zu Protokoll;87 nach dem Abstimmungsbeginn ist aber jedwedes Nachbringen verwehrt.88 (4) Ob eine später – jenseits der Regelung des § 249 – erklärte Verpflichtung (in Anlehnung an § 328 BGB) noch Titelwirkung (mit Blick auf § 257 II InsO) zeitigen kann, ist eine separate Problematik89 (dazu § 257 Rn 35).

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d) Durchsetzung. Insolvenzgläubiger mit festgestellter und unbestrittener Tabellenforderung (arg § 257 I S 1 bzw S 2) haben die Möglichkeit, gegen den Plangaranten zu vollstrecken90 (§ 257 II, siehe dazu näher dort Rn 34), so wie es ebenfalls § 194 KO bzw § 85 II VglO erlaubten (dazu Rn 9). Formell ist hierfür „eine dem Insolvenzgericht eingereichte schriftliche Erklärung“ erforderlich (dafür sorgt § 230 III [arg „Beifügung“, vgl Rn 39), materiell ist notwendig die Planerfüllungszusage in Form primärer Selbstverpflichtung („ohne die Einrede der Vorausklage“). Dies deckt zahllose Garantien (später gegebene ebenso91) – aber doch nicht alle, denn § 230 reicht noch weiter … (dazu Rn 37). Ist § 257 II tatsächlich nicht einschlägig, bleibt aber eine eigene Erfüllungsklage zur Titelerlangung,92 die aber immer dann nur inter partes wirkt.

V. Fehlerfolgen 46

Fehlende, unvollständige oder unzureichende Erklärungen führen zur gerichtsseitigen Zurückweisung, schon bei einer Vorkontrolle (§ 231 I Nr 1) und erst recht dann bei

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BT-Drucks 12/2443 S 204 li. Sp. Vermengend BK/Paul InsO62 § 230 Rn 8. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 85; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 19; wohl auch HK/Haas InsO9 § 230 Rn 7 (Statthaftigkeit oder Verpflichtung?). Das will Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 19 wohl sagen (freilich in Kontrast zu Rn 17: fehlender rechtserheblicher Charakter [?]). Maßgebend ist Beginn der Abstimmung: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 16; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230

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Rn 83; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 230 Rn 9; wohl auch Uhlenbruck/ Sinz InsO14 § 230 Rn 7, leicht unklar HK/ Haas InsO9 § 230 Rn 7 (was ist mit § 241?). Siehe auch schon BGH KTS 1961, 152, 153 [I 2]. BT-Drucks 12/2443 S 214 li. Sp.: „betrifft vor allem den Fall [des § 274 III RegE, nun § 230 III InsO] …“. BT-Drucks 12/2443 S 214 li. Sp.: „ …; sie erfaßt aber auch eine in anderer Weise [später] … eingereichte … Erklärung.“ BGH KTS 1961, 152, 153 [I 3]; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 100.

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Schlussprüfung (§ 250 I) – beide Male ist freilich der Wortlaut („Planinhalt“) scheinbar zunächst störend: es geht um eine Plananlage. Indes kann weder nach Darstellung und Gestaltung (§§ 219–221) noch nach Inhalt und Anlage weiter differenziert werden (dazu § 231 Rn 20 und 42; § 250 Rn 16–18 iVm 31) – einzig zählt doch das Plankonzept, für welches die Zusatzerklärungen des § 230 – je für sich – maßgebende Entscheidungsgrundlagen darstellen: steht das Ganze auf festen Beinen oder tönernen Füßen? Zumal Ökonomisches ganz eingeschränkt bloß überprüfbar ist (mit Blick auf § 231 I Nrn 2 und 3), zählt hier die verlangte Formalie (Bereitschafts-/Zustimmungs-/Verpflichtungserklärung93) besonders. Sie erzeugt nämlich ein Seriositätsindiz für die Plandurchführung („Information“ iSv Rn 4) – und zwar als eine justiziable (Formal-) Anforderung. Diese wird ins Prüfraster mit einbezogen.94 Die Mängel sind jedoch immer im Nachhinein zu beseitigen (Nachreichen auf Nach- 47 fordern), daher erfolgt bloße Mängelrüge mit Fristsetzung zur Nachholung. Das gilt gewiss hier für § 231 I Nr 195 und dürfte ebenfalls § 250 Nr 1 ergreifen – dort steht aber weiterreichend die Schranke der Wesentlichkeit (dazu § 250 Rn 7 f): Diese wird meistens dann so konkretisiert, dass Mängel wesentlich wirken, wenn und weil sie „Einfluss auf die Annahme des Insolvenzplans gehabt haben könnte[n]“.96 Kann aber eine mangelnde – vertrauensfördernde – Beifügung ein erfolgtes oder fingiertes Mehrheitsvotum in Frage stellen? Die Nichtbeifügung hat primären Einfluss auf Nichtannahme, dagegen haben hier die Gruppen offenbar ja trotzdem positiv gestimmt. Bei Abs 1 und 2 lässt sich aber die Sanierung ohne Mitwirkung nicht durchführen – essentialia –, so dass durchaus Anfordern (notfalls: Abweisung) erfolgen soll; anders wohl jedoch bei Abs 3 – accidentialia.97 Haben hier doch die Gläubiger auf parallele Verpflichtungserklärungen (mit Vollstreckbarstellung: § 257 II) verzichtet – auf jedoch ureigenes Risiko hin. So weit sollte keine (Rechts-!) Fürsorge gehen. Man könnte allenfalls die unterlassene frühere Bemängelung (gem § 231 I Nr 1) als eigenen Ablehnungsgrund (iSv § 250 Nr 1) ansehen. Die positive Vorkontrolle präjudiziert zunächst die spätere Nachprüfung niemals (dazu § 231 Rn 46 aE); es fehlt an einer prozessualen Verkoppelung; und wenn die Richtigkeit des Ergebnisses der Erstprüfung insoweit durchgängig selbst „wesentlich“ wäre,98 dann wäre am Ende doch alles rügbar gemacht. Neben prozessualen mögen vor allem bei Abs 3 materielle (Haftungs-) Mängel inso- 48 weit in Betracht kommen. Inhaltlich gelten ja materielle Regeln mit „prozessualer Überlagerung“ (dazu Rn 11 f). Dementsprechend muss man auch differenzieren: (a) § 230 kann von vornherein bloß die innerprozessualen Erklärungen treffen – eine andere materielle Zusage (zugunsten Dritter) könnte gleichwohl gelten (vorbehaltlich unlauterer Begünsti-

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LG Hamburg ZInsO 2016, 47 f [II]. Anders im Ansatz: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 230 Rn 1 (Abs 1 S 1: materieller Schwerpunkt) einerseits und andererseits Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 8 f und 19 (Abs 3: prozessual laufend Nachholung möglich). BT-Drucks 12/2443 S 204 li. Sp. [zu §§ 275/274 RegE = §§ 231/230 InsO]. HambK/Thies InsO6 § 230 Rn 10 und § 231 Rn 13; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 230 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 230 Rn 1; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 18, 65, 96.

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BGH NZI 2010, 101 {3} [II] und NZI 2012, 139, 140 f {11} [II 2b bb] (Zitat), best BGH WM 2012, 1640 f {9} [III 1]. Allgemein für Beachtung: Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 230 Rn 1; Nerlich/ Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 9. So sehen es MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 18, 65, 96 mit § 217 Rn 195 f bzw MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 20; BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO8 § 230 Rn 15–17; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO68 § 230 Rn 1.

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gung: § 226 III). (b) Solche Erklärungen können nachgebracht werden (dazu Rn 40 f), dafür genügt jedoch nicht die allgemeine (Plan-) Zustimmung99 – die „Beifügung“ ist förmlich und sachlich selbständig (vor allem bei Abs 3 wegen § 257 II)! (c) Materielle Rechtsmängel förmlicher Erklärungen heilt dann aber die Rechtskraft der Bestätigung – sie werden hiermit irrelevant (dazu Rn 12), aus Gründen der höheren Rechtssicherheit. Was Teil des Prüfprogramms war, ist auch Teil der Rechtskraftfolge. Das kann aber nur wirkliche Rechts-, nicht Faktenmängel betreffen – dem „Planphantom“ wird damit kein Leben eingehaucht.

§ 231 Zurückweisung des Plans (1) 1Das Insolvenzgericht weist den Insolvenzplan von Amts wegen zurück, 1. wenn die Vorschriften über das Recht zur Vorlage und den Inhalt des Plans, insbesondere zur Bildung von Gruppen, nicht beachtet sind und der Vorlegende den Mangel nicht beheben kann oder innerhalb einer angemessenen, vom Gericht gesetzten Frist nicht behebt, 2. wenn ein vom Schuldner vorgelegter Plan offensichtlich keine Aussicht auf Annahme durch die Beteiligten oder auf Bestätigung durch das Gericht hat oder 3. wenn die Ansprüche, die den Beteiligten nach dem gestaltenden Teil eines vom Schuldner vorgelegten Plans zustehen, offensichtlich nicht erfüllt werden können. 2Die Entscheidung des Gerichts soll innerhalb von zwei Wochen nach Vorlage des Plans erfolgen. (2) Hatte der Schuldner in dem Insolvenzverfahren bereits einen Plan vorgelegt, der von den Beteiligten abgelehnt, vom Gericht nicht bestätigt oder vom Schuldner nach der öffentlichen Bekanntmachung des Erörterungstermins zurückgezogen worden ist, so hat das Gericht einen neuen Plan des Schuldners zurückzuweisen, wenn der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Gläubigerausschusses, wenn ein solcher bestellt ist, die Zurückweisung beantragt. (3) Gegen den Beschluss, durch den der Plan zurückgewiesen wird, steht dem Vorlegenden die sofortige Beschwerde zu. Materialien: DiskE § 264 (Text: S 134 f, Begr: BT S 239–241), RefE § 264 (Text: 153 f, Begr: BT S 275–277); RegE § 275 (BT-Drucks 12/2443 S 204 [RV], BT-Drucks 12/7302 S 182/183 [RA]). – Einige Änderungen durch ESUG Art 1 Nr 22 (BT-Drucks 17/5712 S 32 f [Art 1 Nr 20]) [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3 ESUG] – Näheres siehe bei Rn 8. Vorgängerregelungen: (a) Abs 1: GemSchO § 239 (Mot II S 231 f); VglO/aF §§ 21–23 (RTDrucks III/2340 S 22 f [RV: §§ 17/18]; RT-Drucks III/3430 S 10–12 [I], 32 f [II], 47 [Red] [RA: §§ 17, 18]); RJA §§ 15–17 (Mot S 58–60); VglO/nF §§ 15–18 (DJZ 1935, 389, 390 li. Sp.). – (b) Abs 2: GemSchO (Mot II S 153 f); KO/aF § 163 (Mot S 410 f = Hahn IV S 364 f; Prot S 111 [I] und S 183 aE [II] = Hahn IV S 605, 676]) bzw KO/nF § 176.

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AA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 18, 65; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 230 Rn 8.

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Literatur Adam Regeln für die Verwaltung unzulänglicher Massen, DZWIR 2011, 485, 492; Brünkmans/ Uebele Rechtsschutz gegen missbräuchliche Insolvenzanträge und insolvenzzweckwidrige Insolvenzpläne?, ZInsO 2014, 265, 272 f; Dahlmann/Dittmar Ungeschriebene gerichtliche Zurückweisungskompetenzen bei Verbraucherinsolvenzplänen, ZVI 2018, 224; Horstkotte Der Insolvenzplan in der gerichtlichen Vorprüfung, ZInsO 2014, 1297; Kröger Welches sind die Rechtsgründe, die zur Versagung der Bestätigung des Insolvenzplans führen können? (2014), S 51 ff; Martini/Horstkotte Häufige Fehler bei der Aufstellung von Insolvenzplänen und der Durchführung von Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2017, 1913, 1915 f; Paul §§ 231, 232 InsO: Planzurückweisung trotz vorliegender Stellungnahme der Beteiligten?, ZinsO 2012, 259; Schmelzer Die Position des Arbeitnehmers im Recht des Insolvenzplanes (2002) S 99–107; M Schmidt Die gerichtliche Vorprüfung von Schuldenbereinigungsplänen, ZVI 2017, 51, 52–54; Skauradszun/Spahlinger/Tresselt Insolvenzpläne auf dem Prüfstand, DZWIR 2015, 539; Smid Kontrolle der sachgerechten Abgrenzung der Gläubigergruppen im Insolvenzplanverfahren, InVo 1997, 169; Smid Sanierungswidrigkeit“ als Maßstab des Insolvenzrechts. Ein Beitrag zu den Aufgaben des Rechtspflegers im neuen Insolvenzrecht, Rpfleger 1997, 503; Smid Vorprüfung des Insolvenzplans, insbesondere in Schutzschirm- und Eigenverwaltungsverfahren, ZInsO 2016, 61 und 128; Stahlschmidt Der Insolvenzplan lebt! – Die Rechtsprechung der letzten Jahre zur gerichtlichen Vorprüfung des Insolvenzplans, ZInsO 2018, 494; Stapper/Jacobi Der Insolvenzplan – Was prüft das Gericht?, ZInsO 2014, 1821, 1823–1826 [III]; Warrikoff Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzplan, KTS 1997, 527, 548.

Übersicht I. Normzweck . . . . . . . . . . II. Normgenese . . . . . . . . . . III. Normstruktur . . . . . . . . . 1. Prüfungsgründe . . . . . . . 2. Prüfungsstrukturen . . . . . 3. Prüfungsdichte . . . . . . . IV. Allgemeine Prüfgründe (Abs 1 Satz 1 Nr 1) . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . 2. Prüfungsgegenstand (Hs 1) . a) Grundstrukturen . . . . b) Vorlagebefugnis (Var 1): §§ 217/218 . . . . . . . c) Inhaltsvorgaben (Var 2): §§ 219–230 . . . . . . . 3. Prüfdichte . . . . . . . . . . 4. Mangelkorrekturen (Hs 2) .

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V. Besondere Prüfgründe . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussichtslosigkeit (Abs 1 Satz 1 Nr 2) 3. Nichterfüllbarkeit (Abs 1 Satz 1 Nr 3) 4. Prüfdichte . . . . . . . . . . . . . . . 5. Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse 6. Unplausible Wiederholung (Abs 2) . a) Sachliche Voraussetzungen (Hs 1) b) Förmliche Voraussetzungen (Hs 2) VI. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . 1. Fristvorgabe . . . . . . . . . . . . . . 2. Eröffnungsbeschluss . . . . . . . . . 3. Sachverhaltsaufklärung . . . . . . . . 4. Verfahrenshilfe . . . . . . . . . . . . 5. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . a) Zurückweisung . . . . . . . . . . b) Planfreigabe . . . . . . . . . . . .

Rn. 26 26 27 30 32 35 36 37 39 40 40 41 42 43 44 44 46

I. Normzweck Die Einführung der sog Vorprüfung (und namentlich die Vorschrift des Abs 1) be- 1 zweckt ein baldiges Liquidationsverfahren, wo Sanierung chancenlos verbleibt. Es wäre in solchen Fällen überaus fahrlässig, weiter zuzuwarten und die unvermeidliche „Versilberung“ hinauszuzögern. Das kostete nur Zeit und Mühe und brächte womöglich Verlust, wenn hierdurch Veräußerungschancen schwinden. Fehlerhafte, aussichtslose, verzögernde Planentwürfe sollen möglichst sofort ausgefiltert werden1 („grober erster Rechen“). Es 1

BGH NJW 2017, 2280, 2281 {16} [II 2a bb] = DZWIR 2017, 334 = ZIP 2017, 482 = WM 2017, 489 („in erster Linie“) bzw BGH NJW-RR 2017, 1130, 1131 {9 aE} [II 2b aa]

= NZI 2017, 751 – gerne zusammengefasst unter dem Gebot der Beschleunigung: MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 1;

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macht daher also einen guten Sinn, eine staatliche Vorprüfung anzusetzen (§ 231) und nicht nur Nachkontrollen (§§ 250–253) vorzuschreiben (dazu Rn 11). Was dort vielleicht eher den notwendigen Minderheitenschutz sicherstellt, wirkt hier zT auch als Sicherung für die Majorität2 (Nrn 2 und 3, aber auch Abs 2 – besondere Prüfgründe: Rn 9, 26 ff) und garantiert die Integrität des Verfahrens (Nr 1 – allgemeine Prüfgründe: Rn 9, 15 ff), nicht aber die Optimierung des Planinhalts!3.Die Vorprüfung wirkt wenig bedeutend, markiert aber eine zentrale Weichenstellung im Planverfahren. Sie unterstellt den Planentwurf der ersten ernsthaften Belastungsprobe von extern4 (weitere folgen: § 232 bzw §§ 235 ff). 2 Die Prüfgründe sind abschließend aufgezählt5 (Enumerationsprinzip) und mithin Erweiterungen abhold (Exklusivitätsprinzip). Der Gesetzgeber hat sich auf verfahrensnotwendige Gesichtspunkte beschränkt. Nachdem der Grundgedanke des Insolvenzplanes auf – ausnahmsweise zugestandenes (arg § 1 S 1 Hs 3 [arg § 217 Rn 5 und 8–10]: erlaubte „abweichende Regelung“) – souveränes Gläubigerhandeln zurückgeht, ist es natürlich an der Gläubigerschaft, die maßgeblichen Grundentscheidungen parteiautonom selbst zu fällen. Deshalb war allemal gesetzgeberische6 und ist genauso gerichtliche Zurückhaltung geboten.7 Das Gericht soll nicht Vormund werden, sondern nur die Achtung der Regeln absichern. 3 Abs 2 ist eine recht wirkstarke Schutzregel gegen wiederholte Planvorschläge des Gemeinschuldners. Man kann dreierlei daraus entnehmen: (a) Neben dem Recht auf Anpassungen des Planentwurfs (§ 240)8 gibt es auch die Möglichkeit zum kompletten inhaltlichen „Neustart“ („zweite Chance“), jeweils bloß solange das Verfahren als solches noch schwebt (anderenfalls wäre die Norm überflüssig9). (b) Für den Gemeinschuldner gilt die Grundregel aber nur eingeschränkt, nämlich unter dem Vorbehalt abweichender Planungen von Insolvenzverwalter (und Gläubigerausschuss) („erster Anlauf“); das entfaltet einen gewissen Druck auf den Realitätswillen des Gemeinschuldners. Wer fürchten muss, endgültig zu scheitern, versucht weniger, das mögliche Maximum auszureizen („Salamitaktik“). Die Vorschrift hat demzufolge einen bedeutenden präventiven Zweck, der gern vernachlässigt wird.10 (c) Und dazu tritt dann als (alter: vgl Rn 4) repressiver Zweck,

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Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 231 Rn 4; HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 1; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 231 Rn 1; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 231 Rn 1 – leicht variierend jedoch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 1; HK/ Haas InsO9 § 231 Rn 1; Braun/Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 1. Daher differenzieren BGH NJW 2017, 2280, 2281 {16} [II 2a bb] = DZWIR 2017, 334 = ZIP 2017, 482 = WM 2017, 489 und Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 231 Rn 5 nicht ausreichend! Insoweit richtig durchaus Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 231 Rn 5, zust Stephan NZI 2017, 666, 667. BK/Flöther/Wehner InsO29 § 231 Rn 2: „schwierigste Aufgabenstellung“ [Gericht] bzw „erheblicher Vertrauensverlust“ [für Verwalter bei Ablehnung]. LG München I ZVI 2003, 473, 474 – zust Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 4

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und 6; siehe auch Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 231 Rn 3 („nur in engen Grenzen“). MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 1. BGH NJW 2015, 2660, 2661 {8} [II 2a] = DZWIR 2015,560 = KTS 2016, 221 im Anschluss an BSGE 90, 157, 160 {18}; LG Hamburg ZInsO 2018, 331, 334 [II vor A]. Offenbare Fehler mag auch der ermächtigte Insolvenzverwalter berichtigen (§ 221 S 2 Var 2). BT-Drucks 12/2443 [RV/InsO] S 196 li./re. Sp. [§ 255 {1}]: „eine wiederholte Ausübung des Vorlagerechts ist nur unter eingeschränkten Voraussetzungen möglich“. Siehe zwar schon FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 40 („disziplinieren“), gleichwohl aber (b) und (c) dann verknüpfend: „Somit dient die Norm letztlich der Verfahrensbeschleunigung.“

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missbräuchlicher Verfahrensverschleppung gegenzusteuern11 (und allein als Reflex: Kosten zu senken12). – Abs 3 reflektiert die gesteigerte Relevanz der Zurückweisung des Entwurfs (Nutzlosigkeit der Bemühung des Planvorlegers).

II. Normgenese Konkursordnung: Die Konkursordnung kannte keine eigene gerichtlich verantwortete 4 inhaltliche Vorprüfung, sondern bloß gewisse Unzulässigkeitsgründe oder besser wohl Unwürdigkeitsgründe (§ 175 KO13), welche an die Person anknüpfen; es ging nicht etwa um die Prüfung des Vergleichsvorschlags als solchen. Ein Vorprüfungstatbestand steckte allerdings dennoch in § 176 KO („kann … zurückweisen“), dem Vorbild für Abs 2; die sachliche (Vor-) Bewertung kam allein dem Gläubigerausschuss zu (§ 177 I KO: „hat … sich über die Annehmbarkeit des Vorschlags zu erklären“). Das wäre als Ausdruck liberaler Grundlinie mit relativ großer Skepsis gegenüber staatlicher Kontrolle grundlegend aber missgedeutet – zumal doch die Normverfasser geradezu vehement nachträgliche Kontrolle einforderten (§§ 184–189 KO);14 nur sollen vorher die Gläubiger selbst erst einmal befinden: „die Annehmbarkeit des proponirten Vergleichs zu entscheiden, ist nicht Sache der allgemeinen Verwaltung, sondern individueller Entschließung.“15 Vergleichsordnung: Anders der Ansatz zum einstigen konkursabwendenden Vergleich 5 (§§ 15–18 VglO). Hier gab es förmliche und persönliche, aber eben auch sachliche Versagungsgründe (§ 18 Nr 4 VglO: soweit sich ergibt, „daß im Falle der Fortführung des Unternehmens seine Erhaltung durch den Vergleich offenbar nicht zu erwarten ist“ [Abs 1 S 1 Nrn 2 und 3]); dazu war eine frühzeitige Einschätzung abgefordert, ob ein finaler Versagungsgrund besteht (§ 15 I aE VglO: wenn und weil „die Beseitigung dieses Grundes nicht möglich oder mit Sicherheit nicht zu erwarten ist“ [Abs 1 S 1 Nr 1]) – man sieht gewisse Anklänge zur Regelung des Abs 1. Indes sollte man ebenso sehen, dass hier uno actu die Grundentscheidung zur Verfahrenseröffnung gefällt wurden musste (Vergleich oder [Anschluss-] Konkurs), was heute separat geschieht (§§ 26 ff InsO), freilich auch parallel doch erfolgen kann (dazu Vor §§ 217 ff Rn 117 mit 105–107). So war klar, dass dann vorherige gerichtliche Aufklärung erforderlich war (§ 16 VglO). Insolvenzordnung: Die Insolvenzrechtskommission hatte noch keine spezielle Vorprü- 6 fung vorgesehen, sondern sehr rigoros das einheitliche Insolvenzverfahren anempfohlen (EB LS 2.1.1 I) – indes mit einem „step-out-Vorbehalt“ (EB LS 2.2.2 I: „unverzüglich von Amts wegen das Liquidationsverfahren einzuleiten, sobald sich herausstellt, daß eine Reorganisation offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat“). Die aktuelle Regelung mit „goin-Vorprüfung“ entstammt den folgenden Ministerialvorschlägen und reagiert offenbar auf starke öffentliche Kritik (dazu § 218 ff Rn 75 f). Die Regelungsstruktur verblieb anfangs weithin stabil (DiskE/RefE/RegE – aber: Rn 7): in Abs 1 pr. DiskE war noch die 11

BT-Drucks 12/2443 S 204 re. Sp. [§ 275 {2}] – zust: MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 1 und 22; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 1 und 18; FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 40; Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 231 Rn 16; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 231 Rn 30 – zurückhaltend insoweit Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 231 Rn 11, der

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von der Möglichkeit der Verhinderung einer Verschleppung spricht. Abweichend die Gewichtung bei MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 2. Dazu vgl auch Nr 48 der KO-Novelle – Reformplädoyers: Berges KTS 1955, 2, 6; Tidow KTS 1956, 100, 102 f; Böhle-Stamschräder KTS 1959, 66, 73. KO-Mot S 399 f = Hahn S 355–357. GemSchO Mot II S 153 f [Zitat S 154].

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Selbstverständlichkeit unnötig eigens erwähnt worden, dass Zurückweisung immer zuvor einer Planvorlegung bedürfe (dazu Rn 40); in Abs 1 Nr 1 RefE wird aus bloß einfacher Aufforderung die strengere Fristsetzung zur Mangelbehebung, was aber wohl nur klarstellende Präzisierung ist (Aufforderung mit/ohne Fristvorgabe als Ausdrucksform richterlicher Prozessleitung!). 7 Der Rechtsausschuss hat drei textliche Änderungen vorgenommen: eine eher strukturelle, eine klar redaktionelle und außerdem eine Straffung. Strukturelle Änderung (Abs 1) ist die Differenzierung der Gründe für Zurückweisung in allgemeine Gründe, die sämtliche Planentwürfe betreffen (Nr 1), und besondere Gründe, die allein für Schuldnerpläne gelten (Nrn 2 und 3 – aber konsequent auch Abs 2), dazu näher gleich Rn 9. Das impliziert, dass Verwalterpläne üblicherweise nicht offensichtlich (!) aussichtslos oder unerfüllbar sind16 und erspart daher konsequenterweise diese Prüfung (was auch „verschlankend“ wohl wirkt). Redaktionelle Änderung (Abs 2) ist die Anpassung des Wortlautes an die Konzentration des Initiativrechts auf Insolvenzverwalter und Gemeinschuldner (§§ 254/255 RegE – § 218 I S 1 InsO). Schließlich wurde noch als eine quasi „verschlankende“ Änderung (Abs 3) das Beschwerderecht des Insolvenzverwalters gegen abgelehnte Zurückweisung iSv Abs 2 gestrichen – man kann davon ausgehen, dass die Gerichte ihren „Pflichten“ nachkommen. 8 Die Stammfassung wurde dann durch Art 1 Nr 22 ESUG mit Wirkung zum 01.03. 2012 (Art 10 S 3 ESUG) wie folgt leicht geändert: (a) Einfügung einer wichtigen Präzisierung (Abs 1 Nr 1: „Vorschriften über … den Inhalt des Plans, insbesondere zur Bildung von Gruppen“, dazu Rn 21) – die sachgerechte Gruppenbildung erfordert besonderes Augenmerk, zumal dies die Mehrheitsfindung bekanntlich praktisch präjudiziert;17 (b) Ersetzung von „Gläubiger[n]“ durch „Beteiligte“ (Abs 1 Nr 2 und Abs 2), um Anteilseigner mit einzubeziehen; (c) zusätzlicher „Druck aufs Tempo“ über einen Beschleunigungsappell gegenüber den Gerichten (Abs 1 S 2 [neu]: „Die Entscheidung des Gerichts soll innerhalb von zwei Wochen nach Vorlage des Plans erfolgen.“, dazu Rn 40). Die Botschaft dahinter lautet, eine Vorprüfung unverzüglich (!) anzugehen, um dadurch Sanierungschancen zu erhöhen.18 Weiterhin finden die Eigenheiten des Einzelfalls mittelbar aber ihre Beachtung („soll“). Alle Änderungen entsprechen der Regierungsvorlage und wurden vom Rechtsausschuss übernommen.

III. Normstruktur 1. Prüfungsgründe

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Wie zu den Insolvenzgründen, kann man hier unterscheiden (dazu siehe schon eben Rn 7): allgemeine Gründe, welche immer gelten, egal wer konkret den Plan vorlegt (Abs 1 S 1 Nr 1 – Einzelheiten: Rn 15 ff) und besondere Gründe, die lediglich Gemeinschuldnerpläne betreffen (Abs 1 S 1 Nrn 2 und 319 bzw Abs 2 – Einzelheiten: Rn 26 ff). Ein vom Insolvenzverwalter, sei es aus Eigeninitiative oder auf Gläubigerauftrag hin, vorgelegter Planentwurf hat also ein „begrenzteres (Vor-) Prüfprogramm“ inhaltlich zu überstehen. Das begründet sich inhaltlich damit, dass externe Einschätzung vorliegt, die verstärkte Objektivität verspricht, während bei Gemeinschuldnerplänen die eigenen Wunschvorstellungen vielleicht doch nicht selten überwiegen (scil. maßgebende Realitäten verzeichnen).

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BT-Drucks 12/7302 S 182/183. BT-Drucks 17/5712 S 32 [Art 1 Nr 20 {1}]. BT-Drucks 17/5712 S 33 [Art 1 Nr 20 {3}].

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OLG Dresden NZI 2000, 436, 437 [1d] – unhaltbar aA weiterhin MünchKomm/ Breuer InsO3 § 231 Rn 3.

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Man kann jedoch noch eine zweite wichtige Differenzierung erkennen: Bei Nr 1 [Hs 1: 10 Tatbestände] geht es klar um förmliche Gründe, die später gemeinhin in eine Bestätigungsversagung münden (§ 250 Nr 1), dazu Rn 12; die Regel ist indes „abgefedert“ mittels der Möglichkeit zur Abhilfe [Hs 2: Beseitigung], der nicht zuletzt gerichtliche Mitverantwortung (fristgebundene Abhilfeverfügung) zugrunde liegt. Aber eben auch: „Die wirtschaftliche Angemessenheit der im Plan vorgesehenen Regelungen wird vom Gericht nicht geprüft.“20 Nrn 2 und 3 benennen umgekehrt sachliche Kriterien: Erfolgsaussichten (Nr 2) und Erfüllbarkeit (Nr 3), denen erkennbar Prognosecharakter innewohnt; Abs 2 liegt dazu etwas quer und kombiniert Verfahrensvorgaben mit Sacheinschätzung. 2. Prüfungsstrukturen Die frühzeitige Zurückweisung (§ 231 – „Vorkontrolle“) ist vor dem Hintergrund der 11 notwendigen gerichtlichen Bestätigung (§§ 250/251 – „Nachprüfung“) am Schluss zu sehen. Beide Regeln haben jedoch unterschiedliche „Prüfprogramme“. Eine gewisse Parallelität besteht wohl jedoch zwischen § 231 I S 1 Nr 1 und § 250 Nr 1 (hier Rn 12, 29; dort Rn 6), ohne dass aber eine Bindungswirkung für später eintritt! (dazu Rn 46 aE) – die sonstigen Tatbestände späterer Nachprüfung betreffen den objektiven (§ 250 Nr 2) und subjektiven (§ 251) Minderheitenschutz, diejenigen der Vorprüfung eher eine prognostisch (!) angelegte Einschätzung von weiterem Verfahrensgang (§ 231 I S 1 Nr 2) bzw wirtschaftlicher Durchführbarkeit (§ 231 I S 1 Nr 3) oder Sinnhaftigkeit (Abs 2). Eine kleine „unscheinbare Verklammerung“ bringt freilich Nr 2 Var 2: Vorwegnahme offenkundig zu versagender Bestätigung. Ein genauerer Vergleich von § 231 I S 1 Nr 1 und § 250 Nr 1 fördert letztendlich vier Divergenzen zutage, die für die praktische (Rechts-) Anwendung bedeutsame weitere Erkenntnis bringen. Die beiden offenkundig bestehenden Divergenzen gelten den Prüfungsgründen (Hs 1): 12 (a) Die gerichtlich finale Nachprüfung greift einerseits („in der Breite“) inhaltlich weiter und erfasst neben dem Inhalt des Planes (§ 231 I S 1 Nr 1 Var 2, vgl Rn 20 f) jegliche verfahrensmäßigen Schritte (im Unterschied zu § 231 I S 1 Nr 1 Var 1: „Recht zur Vorlage“, vgl Rn 19), einschließlich des Zustimmungsakts (welcher auch später erst erfolgt – aber: § 231 I S 2 Nr 2 Var 1!). (b) Sie kennt andererseits dabei aber einen weniger strikten Maßstab („in der Tiefe“), es sind allein wesentliche Punkte relevant. Dies Merkmal dort mangelt hier. – Zwei weitere Unterschiede sind dagegen nicht sogleich zu erkennen, es geht um die Möglichkeiten der Nachbesserung (Hs 2): (c) Die Vorkontrolle sieht ausschließlich den Vorlegenden und seine eigenen Möglichkeiten, und (d) sie erwähnt neben den objektiven Hindernissen (Var 1) zusätzlich die subjektive Verantwortlichkeit (Var 2), des Vorlegers – und reziprok des Gerichts (Hinweispflicht, Abhilfeverfügung, Fristsetzung). 3. Prüfungsdichte Man kann zunächst – eindeutig normativ markiert – zwischen den Tatbeständen amt- 13 licher Nachprüfung (Abs 1: „von Amts wegen“) und denen dispositiver Natur (Abs 2: „Zurückweisung beantragt“) unterscheiden. Das entspricht den Strukturen der gerichtlichen Nachkontrolle (dazu Rn 11 – § 250: „ist … zu versagen versus § 251: „Auf Antrag …

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BT-Drucks 17/5712 [RV/ESUG] S 32/33 [§ 231 {1}]. Mit Blick auf § 250 siehe vor allem BGH NJW 2015, 2660, 2661 {8} [B II 2a]; NJW-RR 2018, 817, 818 {14} [III 1], mit

Blick auf § 231 zuletzt LG Hamburg NZI 2018, 261, 262 [II A 2 vor a] m zust Anm Madaus S. 263, 264 [2].

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Sechster Teil. Insolvenzplan

zu versagen“). Dies ist zu unterscheiden von der früher (§§ 22/23 VglO/aF; §§ 175/176 KO) einmal eingesetzten Kategorisierung von obligatorischen und fakultativen Ablehnungsgründen,21 die teilweise Gerichtsermessen erlaubten. Das Gericht hat nunmehr ohne eigene Wahl zurückzuweisen, wenn und weil die konkreten Voraussetzungen vorliegen (zu denen uU indes entsprechende Antragstellung zählt! [Abs 2]). 14 Eine weitere Frage der Prüfungsdichte mit etwas anderer Gruppierung der Tatbestände ist die Unterscheidung von „Vollprüfung“ (Abs 1 Nr 1 und Abs 2, vgl Rn 22) einerseits, die bewiesene Einschlägigkeit abfordert, und „Teilprüfung“ (Abs 1 Nrn 2 und 3 – arg „offensichtlich“, vgl Rn 32–34) andererseits, welche auf eine Art Beurteilung „prima facie“ hinausläuft. Offensichtlichkeit kann man kaum bei Nr 1 „hineininterpretieren“;22 jenes Kriterium wurde eindeutig bestimmten Tatbeständen (Nrn 2 und 3) zugeordnet. Indes muss man sehen, dass dort keine retrospektive Prüfung durchgeführt wird, vielmehr Prognoseentscheidungen anstehen („prospektive Beurteilung“). Das bereits rechtfertigt allemal die gegenüber einem Regelfall inhaltlich abgesenkte Prüfdichte.

IV. Allgemeine Prüfgründe (Abs 1 Satz 1 Nr 1) 1. Einführung

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Erfasst wird jeglicher Plan (dazu Rn 9 iVm Rn 7), er mag vom Insolvenzverwalter oder Gemeinschuldner herrühren. Die sog allgemeinen Prüfgründe zielen auf vorgeschaltete – begrenzte (dazu Rn 22 iVm 42) – Rechtskontrolle (vgl Hs 1), einerseits um zeitnah rechtlich unbegründete Eingriffe herauszufiltern („repressive“ Kontrollfunktion), freilich jedoch andererseits auch, um Hindernisse möglichst auszuräumen (arg Hs 2 – „präventive“ Stützungsfunktion). Die Vorprüfung wirkt demnach nicht zuletzt als eine Art Abhilfeverfahren im Interesse erfolgreicher Sanierung. Der Gläubigerschaft sollen ausschließlich prinzipiell annahmefähige Planentwürfe präsentiert werden. Dies führt zu einer sehr hilfreichen Verfahrensbeschleunigung (siehe auch schon oben Rn 1). 2. Prüfungsgegenstand (Hs 1)

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a) Grundstrukturen. Der Wortlaut ist mehrfach missverständlich ausformuliert. Gemeint war allemal die Prüfung des Planentwurfs anhand sämtlicher, bisher greifender Normen (§§ 217–230). Die Motive bestimmen das direkt numerisch,23 mit zugegeben zwei Ausnahmen – ungenannt blieben dabei § 253 RegE und § 256 RegE. Die letztere Regel („Kosten des Planes“) wurde ohnedies nicht Gesetzesinhalt,24 aber die erstere hat sich erhalten und betrifft die grundsätzliche autonome Gestaltungsmacht mittels Insolvenzplans (heute: § 217). Die Norm ist also nachdrücklich mit einzubeziehen,25 man kann sie wohl

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Dagegen siehe bei RJA-Mot S 58 – anders vorher RT-Drucks III/3430 S 11. Verwirrend insoweit allerdings BTDrucks 12/2443 [RV/InsO] S 196 li. Sp. [§ 255 {1}]: ein offensichtlich aussichtsloser Plan [kann] vom Gericht zurückgewiesen werden“ und BT-Drucks 17/6712 [RV/ ESUG] S 32 [§ 231 {1}] betreffend Nr 1: „in erster Linie [?] … auf offensichtliche Mängel [!] zu überprüfen“.

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BT-Drucks 12/2443 [RV/InsO] S 204 li. Sp. [§ 275 {1}]: §§ 254/255 bzw §§ 257– 274. Wie etwa übrigens auch die Straftatbestände (§ 260 RegE), die doch recht überraschend miteinbezogen waren. Wohl aA aber Schiessler Insolvenzplan (1997), S 130; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 231 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 4 ff; MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 9 und 11 – wohl wie hier LG München I

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nur nicht klar einer der genannten Fallgruppen beiordnen. Betroffen sind zulässige Planinhalte (Var 2, dazu Rn 20 f), aber genauso auch – eventuell gar vorrangig26 – die Rechtsmacht des Planvorlegers (Var 1, dazu Rn 19). Dieser „globale“ Ansatz mag zudem einen kleinen lapsus linguae erklären: die beiden 17 Fallgruppen (dazu Rn 18–21) wurden mit „und“ verkoppelt, gemeint indes war „oder“27 (alles andere macht keinen Sinn!). Es geht um Alternativität nicht Kumulativität. Wenn man aber von vornherein hier mitbedenkt, dass jegliche Norm geprüft werden sollte, liegt der Fokus dann auf (einzelnen) „Vorschriften“ und nicht der Einführung zweier neuer Fallgruppen. Die Unterscheidung zweier spezifischer Fallgruppen hat sich derweilen aber etabliert; 18 daran soll hier auch nicht weiter gerüttelt werden. Man sollte lediglich reflektieren, dass alle bisher einschlägigen Normen (§§ 217–230) unter jeweils jenen Bezügen (dazu Rn 19– 21) erfasst werden; Nachfolgendes (§§ 231–234) ist auch naturgemäß noch nicht überprüfbar – die verwandte systematische Normfolge deckt voll die Zeitfolge. Später folgt dann die prozessual „verfahrensmäßige Behandlung“, so wie es bei § 250 Nr 1 Hs 1 Var 2 richtig danach heißt (dazu Rn 12). Nähere Hinweise bringt deshalb die Einzelkommentierung der Bezugsvorschriften. Der Zweiklang wird neuerdings indes um die Gruppenbildung noch vervollständigt (dazu Rn 8, 21). Dies ist kein Versingen („insbesondere“), indes auch keine Solorolle – die anderen (Prüf-) Normen wiegen demnach nicht weniger! b) Vorlagebefugnis (Var 1): §§ 217/218. Beim „Recht zur Vorlage … des Plans“ wird 19 meist bloß die persönliche Komponente (§ 218) angesprochen.28 Vorlageberechtigt sind Insolvenzverwalter und Gemeinschuldner (§ 218 I), aber nicht auch Dritte!29 Ein solcher Planentwurf verfällt unheilbar (aber siehe doch § 218 Rn 1, 3, 46–54); die „Auftragsbindung“ des Insolvenzverwalters (§ 218 II) ist nicht prüfbar30 (Innenbeziehung bei eigener Außenmacht). Streitig ist hingegen,31 ob die Einhaltung der Beteiligungsrechte (§ 218 III)

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ZVI 2003, 473, 474 (Planarten) bzw Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 231 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 3; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 3; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 14; HK/Haas InsO9 § 231 Rn 2; Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 231 Rn 9; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 231 Rn 10 – siehe noch zudem BT-Drucks 17/5712 S 32. Jene würde dann indes keiner Nachkontrolle mehr „ausgesetzt“ sein (§ 250 Nr 1 Var 1) – zutr anders der Ansatz bei BGH DZWIR 2009, 331 = NJW-RR 2009, 839 {24–26}. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 231 Rn 4; MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 8. MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 8 f; K Schmidt/Spliedt InsO19; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 231 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 231 Rn 9; HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 4; FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 4 [1. Abs]; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Silcher InsO3 § 231 Rn 2; HK/Haas InsO9

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§ 231 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 231 Rn 8; Hess/Hess InsO2 § 231 Rn 3; aber auch C Schmidt/Stahlschmidt HRI2 § 35 Rn 10; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 14.12. FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 4 [1. Abs] mit Rn 5; MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 9. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 3 – aA Evers/Möhlmann ZInsO 1999, 21, 22 [I]. Heilbarer Mangel: Herzig Das Insolvenzplanverfahren (2001), S 42 f; HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 5 und 15; BK/Flöther/Wehner InsO29 § 231 Rn 8; unklar, aber wohl ebenso Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 218 Rn 9; so noch ferner Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 218 Rn 6 (heilbar?) in Widerspruch zu § 231 Rn 2 (irrelevant). Irrelevanter Mangel: Braun/Braun/Frank InsO7 § 218 Rn 10 f; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 231 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 231 Rn 8; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 14.15.

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mit dazugehört. Das Gesetz sieht hierzu die beratende Mitwirkung („Benehmen“) vor, was wohl einem verbürgtem Beteiligungsrecht entspricht (dazu § 218 Rn 4, 94 f). Damit ist die Regel freilich in Wahrheit eine Vorschrift prozessual einwandfreier „verfahrensmäßige[r] Behandlung“ nach § 250 Nr 1 Hs 1 Var 2 (mithin folglich eine Ausnahme zu Rn 18) – und hier nicht erfasst. Unterlassen vorheriger Beteiligung wäre ferner kaum jemals relevant (Wesentlichkeit?), zumal aber doch durch spätere Stellungnahme (§ 232 I Nr 1) geheilt; der Planverfasser hat replizierend insoweit nur darzutun, wieso jene Anregungen nicht übernommen sind (dazu § 218 Rn 4 und 95 – es fehlt an einem Zustimmungserfordernis!32 – unbesehen des Umstandes, dass rechtzeitige Einbeziehung selbstredend dem intendierten Einigungsprozess zugutekommt, vgl § 218 Rn 4, 82–102). – Daneben tritt als prozessuale (rechtliche) Komponente die Gestaltungsbefugnis des Planentwerfenden (§ 217),33 die auch unter Rn 20 fällt.

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c) Inhaltsvorgaben (Var 2): §§ 219–230. Die übrigen Vorschriften formen den Rahmen zur Umsetzung zulässiger Planinhalte. Gemeint ist hierbei34 die Prüfung, ob alle rechtlichen Vorgaben eingehalten sind, also Gliederungsstruktur (§§ 219–221 [Vorlage] und §§ 229/230 [Anlagen], die erforderliche Vergleichsrechnung [ausf vgl dazu § 220 Rn 78 ff, insb 80–85] als Informationsmittel35 mit inbegriffen), Gruppenbildung (§ 222 – klarstellend besonders prononciert, vgl Rn 21), Behandlung einzelner Personen (§§ 224–227), aber insb auch Erfordernisse der Planumsetzung (§ 228: sachenrechtliches Bestimmtheitsgebot – nicht aber schon § 249 [Zeitpunkt!]): „Auf die Beseitigung von Unklarheiten hat notfalls das Gericht hinzuwirken“36, vgl Rn 42 f). Gemeint ist jeweils die Überprüfung der Art der Ausführung („abstrakte Inhaltskontrolle“), nicht etwa die inhaltlich gewählte Gestaltung; das abwägend zu bewerten, ist Gegenstand nachfolgenden (Abstimmungs-) Verfahrens (dazu Rn 2 aE). Eine Ausnahme gilt: überprüft wird ebenfalls – mittels der Vorgabe aus § 217 (dazu Rn 19 iVm 16) – die Macht zur Ausführung („konkrete Befugniskontrolle“), dh ob nämlich überhaupt solcher Gestaltungsspielraum besteht (Beispiele: Statthaftigkeit eines Liquidationsplans;37 Unzulässigkeit der Abbedingung des Feststellungsverfahrens gem §§ 174 ff38 [arg § 237] – Näheres: § 217 Rn 47; Verbot zur Festsetzung der Verwaltergebühren39). – Geprüft wird jeweils das Einhalten rechtlicher Erfordernisse.40 Von Sollregeln mag jedoch abgewichen werden, ersatzweise besteht indes dann die Pflicht,

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Unheilbarer Mangel: MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 10 bzw MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 56 f; Hess/Hess InsO2 § 231 Rn 3. AA aber uU MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 10 aE. Siehe oben bei Rn 16 mit Fn 23 und hier die Fn 28. So wie in § 250 Nr 1 Var 1, dort Rn 13 ff, dazu vgl auch Stapper/Jacobi ZInsO 2014, 1821, 1824–1826 [III 1a-g und 2] mit S 1830 [V]. Keinesfalls Prüfung auf umfassende rechnerische oder ökonomische Richtigkeit – LG Hamburg ZInsO 2018, 331, 335 [II A 3] – ferner: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 6, HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 8; Madaus NZI 2017, 697, 699 f [II 3 vor a und c], wohl auch C Schmidt/Stahlschmidt HRI2 § 35

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Rn 30, siehe auch § 25 Rn 11 und 14 – hier aA wohl Stapper/Jacobi ZInsO 2014, 1821, 1826 [III 2] Fn 41 (lediglich „einstweilige“ [?] Zulassung). BT-Drucks 12/2443 [RV/InsO] S 200 li. Sp. [§ 267 – Zitat] iVm S 202 re. Sp. [§ 271 {3}] und S 204 li. Sp. [§ 275 {1}]. LG München I ZVI 2003, 473, 474. BGH DZWIR 2009, 331 = NJW-RR 2009, 839 {25 f} (§ 250). BGH NJW 2017, 2280, 2282 {20 ff} [II 2b bb] = DZWIR 2017, 334 = ZIP 2017, 482 = WM 2017, 489 BSGE 90, 157, 160 {18} benennt sie „formale Anforderungen“; inzwischen treffender hingegen BGH NJW 2015, 2660, 2661 {8} [II 2a] = DZWIR 2015, 560 = KTS 2016, 221.

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dies besonders zu begründen.41 Die Praxis dürfte bei Schuldnerplänen regelmäßig kritischer hinschauen als bei Verwalterplänen – rechtlich begründet ist dies nicht. Eigene Erwähnung finden zudem – seit dem ESUG: Rn 8 – noch die Rechtsvorgaben 21 zur Gruppenbildung als Regelbeispiel abstrakter Vorkontrolle (dazu Rn 18 aE); das zielt auf § 222, nicht auch auf § 226, der gleiche inhaltliche Behandlung innerhalb von Gruppen einfordert – und allemal komplementär wichtig ist! Geprüft wird so oder so42 nämlich das Erfordernis sachgerechter Abgrenzung: Gleiches muss gleich, Ungleiches mag anders behandelt werden. Das hatte schon der InsO-Gesetzgeber präzise so gewollt,43 die Praxis gemeinhin getreu umgesetzt44 und dann der ESUG-Gesetzgeber dezidiert noch im Text verankert.45 Verlangt wird insoweit eine begründete sachgerechte Abgrenzung („Konzeptschlüssigkeit“), aber nicht auch wirtschaftliche Angemessenheit. Ob strategische Überlegungen dahinterstehen, bleibt freilich unbeachtet (nicht aber die offensichtlich [!] manipulative Gruppenbildung – Näheres: § 222 Rn 121–125).46 (Kleinere) Mängel sind uU behebbar (iSv Rn 23 „versus“ Rn 24), jedoch nicht mehr bei grundlegender Veränderungen der Planstruktur46a (arg § 240 bzw „Kern“); Vorsicht erscheint freilich – schon mit Blick auf §§243–245 – insgesamt durchaus angezeigt! 3. Prüfdichte Der Umkehrschluss aus Nrn 2 und 3 (arg „offensichtlich“, vgl Rn 14, 32–34) verpflich- 22 tet das Gericht zur Vollprüfung (zumeist Detailprüfung genannt47), nicht eben bloß auf

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BT-Drucks 12/3803 [EGInsO] S 111 re. Sp. aE zu § 7 IV S 5 BetrAVG: Sollverpflichtung auf Besserungsschein. Anders aber zu § 222 III: Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 231 Rn 16 und MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 13. Wegen § 226 siehe OLG Frankfurt/Main DZWIR 2014, 730 = ZIP 2013, 2018 = NZG 2013, 978 {22} [Suhrkamp]. BT-Drucks 12/2443 [RV/InsO] S 199 li. Sp. [§ 265 {6}] und S 204 li. Sp. [§ 275 {1}]. Implizit erst einmal BGH, B. v. 24.07.2003 – IX ZB 238/02 {2} [§ 231] = BeckRS 2003, 7445 bzw BGHZ 163, 344, 347 ff [III 4] = DZWIR 2006, 74 = NJW-RR 2005, 1562 = ZIP 2005, 1648 = WM 2005, 1852 [§ 250]; dann allerdings eher vorsichtig noch LG Berlin DZWIR 2005, 298, 300 {31} (obiter: jedenfalls bei Neuvortrag) – klarer: AG Bielefeld, B. v. 10.6.2008 – 43 IN 1320/03 = BeckRS 2011, 01185 und LG Bielefeld B. v. 24.06.2011 – 23 T 767/10 {15} = BeckRS 2012, 00017. Völlig klar (schon unter neuem Recht!) jedoch dann LG Neuruppin NZI 2013, 646, 647 sowie vor allem BGH NJW 2015, 2660, 2661 {9 f} [II 2a] = DZWIR 2015,560 = KTS 2016, 221. Wegen der Lehre: Burger/Schellberg DB 1994, 1833, 1835; Smid InVo 1997, 169,

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176 f; Evers/Möhlmann ZInsO 1999, 21, 22 [I]; Uhlenbruck/Lüer InsO13 § 231 Rn 21 ff; FK/Jaffé InsO6 § 231 Rn 4 [2. Abs], 6; MünchKomm/Breuer InsO1+2 § 231 Rn 10 bzw MünchKomm/Eidenmüller InsO1+2 § 222 Rn 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 231 Rn 14; sa BK/Flöther/Wehner InsO29 § 231 Rn 10. BT-Drucks 17/5712 [RV/ESUG] S 32/33 [Nr 20 {1}]: „In der Praxis sind vereinzelt Zweifel über den Umfang der gerichtlichen Vorprüfung … aufgetaucht“. Beides ausklammernd früher K Schmidt/ Spliedt InsO18 § 231 Rn 4, nun wohl wie hier – ebenso auch HK/Haas InsO9 § 231 Rn 4; HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 10; MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 12. Das sieht richtig LG Hamburg NZI 2018, 261, 262/263 [II A 2a] (Annäherung der Planquote an Regelquote) – grosszügiger Madaus NZI 2018, 263, 264 [1]. So wie hier BGH NJW 2015, 2660, 2661 {8} [II 2a] = DZWIR 2015, 560 = KTS 2016, 221: insoweit eindeutiger Wortlaut – ebenso: Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 231 Rn 3; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 231 Rn 2; nun auch HK/Haas InsO9 § 231 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 4 und 10; MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 17 – aA Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 231

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Kontrolle von Plausibilität, Evidenz, Schlüssigkeit etc.48 Insoweit ist aber doch auch noch näher zwischen Amtsermittlung und Amtsprüfung zu unterscheiden (dazu Rn 42). Wenn und weil es sich „nur“ um ein Vorprüfungsstadium handelt, ist amtswegige Ermittlung nachrangig (bzw nachfolgend noch nachholbar: § 250 Nr 1 Var 1: Inhaltsvorgaben [Rn 20 f] – im Gegensatz zu § 231 I S 1 Nr 1 Hs 1 Var 1: Vorlagebefugnis [Rn 19]); dann mag sich die Amtsprüfung auf konkrete Anhaltspunkte fixieren. Allemal sind Zweifel dann offenzulegen (arg § 139 III ZPO, vgl Rn 43). Nichts hindert das Gericht jedoch, eigenen Zweifeln nachzugehen – und etwa ein Gutachten in Auftrag zu geben.49 Dies mag Zeit (und Geld) kosten, spart aber meist auch Mühen im weiteren Verfahrensablauf. Daher sollte immer beides gründlich gegeneinander abgewogen werden. Was nützt die frühzeitige (Über-) Beschleunigung angesichts späteren Scheiterns? 4. Mangelkorrekturen (Hs 2)

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Es gilt, drei einzelne Möglichkeiten zu unterscheiden: a) Behobene Mängel machen keinerlei weitere Probleme. Insoweit Entscheidungsreife vorliegt, ist dann der Plan zur näheren Anhörung (§ 232) sogleich freizugeben (dazu Rn 46). Dafür spielt keine eigene Rolle, ob der Vorlegende eigeninitiativ korrigiert oder bloß auf früheren Gerichtshinweis reagiert. Maßgebend ist lediglich, dass aktuell ein rechtlich vertretbarer Planentwurf existiert. Man grenzt zuweil ein, es dürfe insgesamt „kein neuer Plan“ entstehen;50 das sollte in dieser Allgemeinheit allemal kaum richtig sein: jedwede Verbesserung bewirkt Veränderung, welche dann später erst – implizit – etwas begrenzt wird (§ 240 – dazu näher dort Rn 10). Wenn man bloß maßgebliche Veränderungen (eine Art „aliud“) einbezieht, ändert sich nichts – der Planentwurf würde novelliert neu danach wieder vorgelegt werden können (vorbehaltlich der Sonderregelung für Schuldnerpläne: Abs 2, vgl Rn 36–39 – gerade hier machen also verfahrensinterne Fehlerkorrekturen Sinn!). 24 b) Unbehebbare Mängel (Var 1) [Lehrbuchbeispiel: Vorlage seitens Dritter: Rn 19]. Sie sind offen vorneweg zu benennen (Gewähr rechtlichen Gehörs, dazu erg auch Rn 43), daraufhin erfolgt alsbaldige Zurückweisung des Planentwurfes (dazu Rn 44); die Fristsetzung (dazu Rn 25) ist entbehrlich. 25 c) Unbehobene Mängel (Var 2) [Lehrbuchbeispiel: Fehlen benötigter Zustimmungen: Rn 31 aE]. An sich behebbare Mängel können beseitigt werden. Das Gericht setzt hierfür Frist: angemessen ist die Fristdauer, wenn sie alle Umstände des Einzelfalles (Informationsbedarfe, Schwierigkeit, Prüfungszeitraum etc) berücksichtigt. Eine allgemeine (Pauschal-) Empfehlung kann demnach nicht gegeben werden.51 Was angemessen im Einzelfall ist, ob-

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Rn 3; widersprüchlich K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 3 einerseits, Rn 13 andererseits. So aber Braun/Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 3 (total ungeeignete Pläne?); HK/Haas InsO9 § 231 Rn 3 f (mit Ausnahme der Sachgerechtigkeit der Gruppenbildung [?]); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 3 (allein offensichtliche Mängel) bzw Rn 14 („keine eigenen Ermittlungen“); Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 231 Rn 3 und HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 26 (nurmehr „summarische“ Prüfung – arg Abs 1 S 2). AA MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 17 aE; Stephan NZI 2017, 666, 667 aE.

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Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 231 Rn 7, zust MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 15 aE. Eher offen (jedoch nur obiter) indes hier BGH NZI 2007, 521, 521 {7} [II 3]. HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 16 (mit Höchstgrenze von 1 Monat) und Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 37 (mit Praxisgrenze von 2 Wochen) – aA die hL mit diversen Vorschlägen: FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 18 (2 Wochen – arg § 232 III S 2); Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 231 Rn 4 (2–4 Wochen); MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 16 und Hess/Hess InsO2 § 231 Rn 10 (unter einem Monat); BK/Flöther/ Wehner InsO29 § 231 Rn 15 (2–6 Wochen).

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liegt gerichtlicher Vorgabe (Betätigung pflichtgemäßen Ermessens!); Zurückweisung nach unangemessen kurzer Frist wäre ein Grund zur Rüge (Abs 3 bzw Rn 44 f). Wie § 232 III S 1 (dort Rn 18) ist dies aber keine Präklusionsfrist gemäß §§ 230/231 ZPO, weil sich noch eine dezidierte gerichtliche Entscheidung anschließt. Solange mithin nicht (rechtskräftig52) zurückgewiesen wurde, ist die Mangelbeseitigung noch berücksichtigungsfähig (freilich sollte Zurückweisung sofort erfolgen).

V. Besondere Prüfgründe 1. Einführung Die besonderen Prüfgründe sollen perspektivlose Planentwürfe des Gemeinschuldners 26 (dazu Rn 9 iVm Rn 7) herausfiltern, Fälle in denen die Sanierung der falsche Weg scheint und Liquidation erfolgen sollte. Das kann auf gerichtliche (Plausibilitäts-) Einschätzung zurückgehen (Abs 1 S 1 Nrn 2 und 3 – dazu: Rn 27–31 – wegen des Maßstabes siehe bei Rn 32–34) oder auf eine übereinstimmende Meinungsbildung von Insolvenzverwalter und Gläubigerausschuss (Abs 2 – dazu: Rn 36–39). Es geht um zusätzliche Prüfgründe, die neben diejenigen allgemeiner Natur (dazu Rn 15 ff) hinzutreten. Hier existiert aber keinerlei „Rangverhältnis“, alle Tatbestände stehen eigenständig, eine Zurückweisung zu rechtfertigen. Bei einer ausnahmsweisen Einschlägigkeit gleich mehrerer Ablehnungsgründe wird man aber die Wertung von Abs 1 S 1 Nr 1 berücksichtigen und heilende Nachholung eröffnen anstatt unmittelbar zurückzuweisen53 (dazu Rn 31 aE). 2. Aussichtslosigkeit (Abs 1 Satz 1 Nr 2) Gemeint ist hiermit die gerichtsseitige Prognose der nächsten Verfahrensschritte. Es 27 geht um eine verfahrensbezogene Verlaufseinschätzung; die Einschätzung wirtschaftlicher Entwicklungen fällt hingegen unter Nr 3 (dazu Rn 30 f). Wird der Planentwurf wohl die anstehenden Hürden bewältigen können? Der konkrete Zeithorizont ist halbwegs überschaubar, die Bewertung dennoch schwierig, zumal das Gericht nicht dem Entschluss der Beteiligten (§ 244) vorgreifen sollte. Dazu kommt noch, dass selbstredend für die abstimmenden Beteiligten die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten des vorgeschlagenen Sanierungsweges ganz klar zentrales Entscheidungsmotiv darstellen. Trotzdem sollte zwischen Nr 2 und Nr 3 besser getrennt werden54 (obschon immer ein unerfüllbares Plankonzept [Nr 3] bei „vernünftiger Gläubigersicht“ ein aussichtsloses Plankonzept [Nr 2] darstellen müsste). Die Beteiligten mögen allerdings genauso unvernünftig handeln (wieso auch immer …). 28 Daher wird die Var 1 [„Aussicht auf Annahme“?] (§§ 243/244, 246–24755) allemal seltener greifen. Freilich kann es Fälle geben, in denen schon eindeutige Vorausentscheidungen der Gläubigerversammlung existieren (arg Abs 2 Hs 1 Var 1) oder klar erkennbar die Gläu-

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BGH NJW 2015, 2660, 2665 {40} [II 4] = DZWIR 2015, 560 = KTS 2016, 221. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 30: Nr 1 verdränge Nr 2 (und Nr 3) – aA LG München I ZinsO 2001, 1018, 1019 (notwendige Zustimmung). Anders aber zB FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 27 f; MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 18 f; Braun/Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 5 f;

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Andres/Andres/Leithaus InsO3 § 231 Rn 6 und 9; BK/Flöther/Wehner InsO29 § 231 Rn 20 ff. Partiell abw insoweit K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 9: §§ 243–246a – auch der Gemeinschuldner ist aber begrifflich ein Beteiligter (dazu § 234 Rn 12), wegen § 245 siehe K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 9.

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biger keinerlei Sanierung wünschen56 oder sonstwie anders optieren (zB betreffend die Person des Verwalters57) – immer vorbehaltlich neuer Tatsachenlage.58 Es geht um eine Prognoseentscheidung,59 welche mithin (offensiv) genauso als solche begründet werden sollte (vermittelt durch Tatsachen!). Solche voluntativen Festlegungen (im Unterschied zu [motivbildenden] wirtschaftlichen Einschätzungen) formen daher wohl den eigentlichen Anwendungsbereich. Ihm tritt zur Seite die Var 2 [„Aussicht … auf Bestätigung“?], die aber insgesamt etwas einfacher liegt, weil ja hier das Gericht seine eigene Entscheidung (§§ 248– 25060) prognostiziert. 29 Diese weitere Variante erlaubt, schon gerichtliche Einschätzungen zur Nachkontrolle vorzuziehen. Jedoch gilt es, tatbestandlich zu differenzieren. § 250 Nr 1 (Rechtskontrolle) überschneidet sich zwar großflächig mit Abs 1 S 1 Nr 1, aber zeigt auch manch Divergenz (dazu Rn 11 f). In Betracht kämen dann für Nr 2 sonstige offenkundige (§ 231) wie wesentliche (§ 251) Mängel „verfahrensmäßige[r] Behandlung“, und auch bloß bei Unbehebbarkeit (anderenfalls: Nachbesserung!). Das wird kaum der Fall sein.61 § 250 Nr 2 (Lauterkeitskontrolle) scheidet schon deswegen aus, weil sich sein „Prüfprogramm“ auf spätere Vorgänge (Abstimmung zur Planannahme – Stimmenkauf?) bezieht.62 Es bleibt also mithin § 251 (Schutzkontrolle) bei erkennbarer voraussichtlicher Schlechterstellung; indes ist offen, ob denn am Ende insoweit Schutzantrag gestellt bzw zunächst – formal genügend – auch schriftlich widersprochen wird. Also bleibt fast nichts.63 3. Nichterfüllbarkeit (Abs 1 Satz 1 Nr 3)

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Das verlangt nach noch weiterer Zukunftsprognose über den Gang der Entwicklung nach Beendigung des eigentlichen Planverfahrens (§§ 254 ff). Die rechnerische Erfüllbarkeit kann man leicht nach den Plananlagen (§ 229, siehe auch dort bei Rn 40) durchprüfen, sie beruht jedoch auf Annahmen, Wertungen, Hoffnungen, Erwartungen etc als die im Grunde eigentlich „kritischen“ Punkte; die wirtschaftliche Realisierbarkeit ist ungleich schwerer zu beurteilen. Chancen und Risiken abzuwägen obliegt letztlich aber unmittelbar

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BGH ZInsO 2011, 1550 f {3 f} [1 und 2] im Anschluss an BT-Drucks 12/2443 S 204 li. Sp. [§ 275 {1}]; BK/Flöther/Wehner InsO29 § 231 Rn 25; Burger/Schellberg DB 1994, 1833, 1835; FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 26 – aA Braun/Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 231 Rn 7; MünchKomm/ Breuer InsO3 § 231 Rn 19 (siehe noch bei Fn 58). BGH, B. v. 06.04.2006 – IX ZB 289/04 {6–8}, BeckRS 2006, 05020. Allein in dieser kleinen Einschränkung richtig MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 19 und ebenso Braun/Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 5 – so wie hier: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 10; HK/Haas InsO9 § 231 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 29 aE. BGH NJW-RR 2017, 1130, 1131 {10} [II 2b aa] = NZI 2017, 751.

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Partiell abw insoweit K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 9: §§ 248–251 – richtig aber alsdann Fn 9. Bejaht von LG Hamburg NZI 2016, 34 [II] {12–14} für allein fehlerhafte Vergleichsrechnung – fragwürdig! Restriktiver für Sonderfälle Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 30. Nicht differenziert genug demgegenüber LG Wuppertal NZI 2016, 494, 495 {20} und AG Köln ZInsO 2016, 1218, 1218 {2 und 4}, aber zB auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 231 Rn 20. Der Beispielsfall von BT-Drucks 12/2443 S 204 li. Sp. [§ 275 {1}] (wegen verweigerter Restschuldbefreiung [§ 227] keine Aussicht auf Zustimmung des Gemeinschuldners) ist obsolet (vgl Rn 7 und 9). Als weitere Konstellation: BGH NJW-RR 2017, 1130, 1131 {10–13} [II 2b] = NZI 2017, 751 m zust Anm Madaus (S 251, 252 [2]): neuerliche Planvorlage plus vorherige Verweigerung.

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den Betroffenen im Erörterungs- und Abstimmungstermin; das Insolvenzgericht kann (und soll) ausschließlich erkennbare Fehlleistungen ausfiltern. Regelmäßig geht es hier um lediglich extreme Ausnahmen,64 nicht etwa die Regelfälle (das führt am Ende zu einer praktischen Zweifelsregel gegen gerichtliche Zurückweisung). Beispielsfälle: (rechtskräftige) Gewerbeuntersagung65 bzw Zulassungsentzug66 oder 31 Verlust anderer notwendiger Betriebsgrundlagen (zB Patent, Lizenz) verhindert Betriebsfortführung; augenscheinlich fehlender Realitätsbezug67 („Gute-Hoffnungs-Plan“) bzw unspezifizierte „Drittmittelgeber“68 (vgl auch erg § 230 III); unberücksichtigte Steuerzusatzbelastung von anschließenden Sanierungsgewinnen (falls kein Erlass belastbar schon etwa vorab in Aussicht gestellt ist69); Schuldenbelastung über das Existenzminimum hinaus,70 „haushoch“ überkalkulierte Verwertungserlöse;71 fehlende Möglichkeit späteren Registervollzugs.72 Wirtschaftlich nicht realisierbar ist auch ein Plan, dem notwendige Zustimmungserklärungen (§ 230) ermangeln; berührt ist hierbei zugleich allerdings der notwendige förmliche Planinhalt, so dass ebenso Nr 1 greift (dazu Rn 25); das gewährt den Vorteil der Mangelbehebung von Seiten des Gemeinschuldners innerhalb der Nachfrist. 4. Prüfdichte Die Kontrolle bei Nrn 2 und 3 ist wortwörtlich eine abgemilderte bloße Teilprüfung 32 (arg „offensichtlich“) auf augenscheinliche („greifbare“) Perspektivlosigkeit (im Unterschied zu Nr 1 bzw Rn 22). Die Lehre bemüht hierzu recht unterschiedliche Umschreibungen: Abfilterung aller eindeutigen Fälle;73 Evidenzkontrolle;74 „umgemünzte“ verwaltungsrechtliche Nichtigkeit (scil. der Zurückweisungsgrund muss dem Plan „auf der Stirn

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OLG Dresden NZI 2000, 436, 437 [1d]; MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 20 rät lediglich zur Zurückhaltung. AG Siegen NZI 2000, 236/237 lässt bereits akutes Drohen genügen, vgl auch erg K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 12 und BK/ Flöther/Wehner InsO29 § 231 Rn 20–22. Wie etwa bei Anwälten (§ 14 II Nr 7 BRAO), Steuerberatern (§ 46 II Nr 4 StBerG), Notaren (§ 50 I Nr 6 BNotO), dazu vgl Paul ZinsO 2007, 856, 857. Solche Verfahren verlaufen eigenständig: BGH DNotZ 2007, 552, 553 {11} [II 1a]. BGH, B. v. 06.04.2006 – IX ZB 289/04 {9 aE} (obiter), BeckRS 2006, 05020; sehr anschaulich auch FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 32. AG Hamburg ZIP 2014, 1601 [III] – LG Hamburg NZI 2016, 34 [II] {11} sieht darin – vorgelagert – schon einen Rechtsmangel (§ 231 I Nr 1 – arg § 230 III); deutlich konzilianter letztens LG Hamburg ZinsO 2018, 333, 334 [II A 2] gegen AG Hamburg NZI 2017, 567, 569 [II 3]. Großzügig LG Bielefeld ZIP 2002, 951, 952 re. Sp.: Zusagen wohlwollender Prüfung. BT-Drucks 12/2443 S 204 li./re. Sp. [§ 275 {1}].

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Hier ist aber das Prognoseelement zu berücksichtigen (wohl sinngemäß auch BGH NJW 2015, 2660, 2665 {36–39, insb 38} [II 3b] = DZWIR 2015,560 = KTS 2016, 221) – gegen jedwede (Realitäts-) Prüfung daher Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 31. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 13. Im Anschluss an BT-Drucks 12/2443 S 204 re. Sp. [§ 275 {1}] en passant nun genauso auch BGH NJW-RR 2017, 1130, 1131 {10} [II 2b aa] = NZI 2017, 751 – ferner: Schiessler Insolvenzplan (1997), S 131; Evers/Möhlmann ZinsO 1999, 21, 22 [I]; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 231 Rn 23; Hess/Obermüller/Hess Insolvenzplan3 Rn 58; Andres/Leithaus InsO3 § 231 Rn 7 aE [Nr 2]; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 9 (gegen Rn 13?); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 29 [Nr 2]. Andres/Leithaus InsO3 § 231 Rn 7 [Nr 2]; Braun/Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 3 (total ungeeignete Pläne?); HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 18 (evidentes Vorliegen zumindest für Nr 2 verlangt); Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 231 Rn 17; FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 20 – ebenso BSGE 90, 157, 160 {18}.

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geschrieben stehen“75); Grobkontrolle auf Plausibilität;76 Rückgriff auf das Beweismaß („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“77 – das würde aber auch sonst greifen); beachtlich sei bloß, was sich „geradezu aufdrängt“78 etc. Es geht dabei immer um eine (negative) Prognose des Scheiterns, nicht etwa die viel schwierigere (positive) Voraussage späteren Erfolgseintritts79 – anders gesagt: es geht um offensichtliche Unplausibilität („Planversagen“) – immer aber nur um Ausnahmen, nicht etwa den Regelfall.80 33 Die Offensichtlichkeit von Ablehnungsgründen begegnet einem etwa auch bei einer ordre-public-Prüfung (zB § 328 I Nr 4 ZPO; Art 6 EGBGB). Sie wird verstanden als ohne weiteres erkennbarer, eklatanter Widerspruch.81 Freilich ist insoweit zu berücksichtigen, dass dort – anders als hier (Nrn 2 und 3! – seinerseits im Unterschied zu Nr 1, vgl Rn 15 und 16) – Rechtsanwendungskontrolle erfolgt, und dazuhin Kontrolle im Nachgang. Hier stehen aber Tatsachenerkenntnis und Prognosebewertungen an, nicht etwa die Beschränkung einer Rechtsprüfung. Abzugrenzen ist gleichfalls die Offenbarkeit, als Voraussetzung nachträglicher Berichtigungen (§ 319 ZPO); in diesem Sinne bemüht allerdings § 221 S 2 Var 2 irrtümlicherweise die Umschreibung als „offensichtlich“ (dazu § 221 Rn 111). Drei Erkenntnisse sind insoweit zu gewinnen: erstens, die Vorlage muss unmittelbar „aus sich heraus“ widersprüchlich erscheinen; zweitens, dass insoweit die Umstände „ohne weiteres“ selbst für Dritte erkennbar sein sollten;82 drittens schadet jedoch nicht, wenn jene Unstimmigkeiten erst noch näheres Zusehen brauchen. Dies kann ab und an hier auch einen Fingerzeig geben. 34 Maßstab für derartige Plausibilitätserwägungen könnte indes aber Offenkundigkeit (§ 291 ZPO) sein, was fehlende Beweisbedürftigkeit bedeutet, die ihrerseits Allgemeinoder Gerichtskundigkeit abverlangt. Das trifft sich bündig mit Überlegungen, die Amtsprüfung zu relativieren (dazu Rn 42) und eine Beschränkung auf bloß „präsente“ Beweismittel (§ 294 ZPO?) anzunehmen. Aber eigentlich doch beschreibt „offensichtlich“ einen Erkenntnisstand nicht etwa den Prüfungsvorgang, dh die Art der Herangehensweise („summarisch“; „prima facie“). In jenem eigenen Spannungsfeld bewegen sich dann deshalb auch alle bislang erwogenen Formulierungen. In prozessualen Kategorien ausformuliert, sind „unschlüssige“ Planentwürfe auszufiltern – sei es aus innerer Widersprüchlich75

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 31 aE [Nr 3]; Andres/Leithaus InsO3 § 231 Rn 10 [Nr 3]. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 13 (gegen Rn 9?). LG München I ZVI 2003, 473, 474; BK/Flöther/Wehner InsO29 § 231 Rn 28 und 31 aE (mit Rn 30: „Schwierige Grenzfälle brauchen nicht überprüft zu werden.“); MünchKomm/ Breuer InsO3 § 231 Rn 19. HK/Haas InsO9 § 231 Rn 8 (zumindest zu Abs 1 Nr 3); MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 6 aE; Braun/Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 5 – ebenso LG Bielefeld ZIP 2002, 951, 952 re. Sp. FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 35: „Das Gericht antizipiert nicht die möglichen Erfolgsaussichten des Insolvenzplans“ – falsch darum etwa LG München I ZInsO 2001, 1018, 1019, korrigierend LG München I ZVI 2003, 473, 474 (siehe oben bei Fn 77). Eher

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zurückhaltend auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 10. Bzw lediglich extreme Ausnahmen: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 29 und 31. Beispielhaft BGHZ 203, 350, 358 {28} [II 2b] = NJW 2015, 479, best BGH ZInsO 2017, 2136, 2137 {14} [B II 2b aa (1)] (Widersprüchlichkeit) bzw BGH NJW 2014, 1597, 1598 {5–9} [1b/c] = SchiedsVZ 2014, 98 (Offensichtlichkeit – entgegen dem Wortlaut des § 1059 II Nr 2b). Das BVerfG benützt die Formel dazuhin zur Konturierung des Willkürverbots: BVerfGE 87, 273, 278 f [B II 2a] mwN; 96, 189, 203 [C II 2]. Grundlegend BGHZ 78, 22, 22/23 (explizit), best BGH NJW 1985, 742 [II 2a] im Anschluss an BGHZ 20, 188, 192 (implizit), best BGH NJW 1958, 1917]; ähnlich vorher bereits BAG NJW 1960, 1635/1636 („jedem Außenstehenden erkennbare Unrichtigkeit“).

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keit (Rechenfehler, Fehlannahmen, Scheingebilde …) oder äußerer Perspektivlosigkeit; im Zweifel aber obliegt die Endentscheidung der Gläubigerschaft (dazu Rn 2). 5. Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse Teilweise wird vertreten, die sichere Deckung der Masseschulden (§ 55) sei ungeschrie- 35 benes Erfordernis der gerichtsseitigen Vorprüfung; die Nichtdeckung der Massekosten (§ 54) ist demgegenüber ohnedies schon relevant als Eröffnungserfordernis (§ 26) bzw für Verfahrensbeendigung (§ 207) – also völlig anders verortet83 (insoweit also durchaus systematisch „a priori“ vorgeschaltet). Es kann mithin hier allein um angezeigte (§§ 208–211) oder erkennbare (§ 231 I S 1) Masseunzulänglichkeit gehen, die eine Zustimmung unwahrscheinlich erscheinen lässt (Nr 284 [Var 185] – siehe Rn 27) oder derart belastet, dass keine weitere (Plan-) Erfüllung erfolgt (Nr 386 – siehe Rn 30). Das lässt sich indes problemlos unter die regulären Tatbestände einordnen und bedarf keinerlei ungeschriebenen Ergänzung – doch gelten dann konsequenterweise auch ebenso alle Erfordernisse dieser Tatbestände. Anders herum gesagt: die Masselosigkeit als solche wirkt nicht selbst als Zurückweisungsgrund.87 Die ursprünglich geplante Sonderregel (§ 323 I RegE) für Masseunzulänglichkeit (S 1: „Vorlage eines Insolvenzplans nicht ausgeschlossen“) und zur Rechtsstellung der Massegläubiger (S 2) wurde schlicht gestrichen,88 letzteres allerdings wieder derweilen korrigiert (§ 210a InsO idF Art 1 Nr 13 ESUG). 6. Unplausible Wiederholung (Abs 2) § 231 II (heute: „hat … zurückzuweisen“) entspricht tatbestandlich weitgehend § 176 36 KO (dazu Rn 4) – mit jedoch insgesamt verschärften Rechtsfolgen (einst: „kann … zurückweisen“), nämlich mit nunmehr Versagung gerichtlichen Ermessens.89 Damit soll (und kann) einer fortwährenden unplausiblen Wiederholung effektiv Einhalt geboten werden. Betroffen sind lediglich Gemeinschuldnerpläne (dazu Rn 9), die Entscheidung liegt allein in Händen der „Gegenseite“. Bereits der KO-Gesetzgeber hat gesehen, dass wiederholte Versuche Zermürbung bewirken können, sich gleichwohl aber verweigert, „das Kind mit dem Bade auszuschütten.“90 Er wollte bewusst kein Verbot setzen, sondern flexible Lösungen gestatten. Man muss förmliche (dazu Rn 39) und sachliche (dazu Rn 37 f) Voraussetzun83

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Das verkennen LG Neubrandenburg ZInsO 2002, 296 (LS), aber zB auch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 231 Rn 6 (Nr 2); Smid/ Leonhardt/Zeuner/Rattunde InsO3 § 231 Rn 48 (Nr 2); FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 22. Richtig hier dagegen LG München I ZInsO 2001, 1018, 1019. Dafür Smid/Leonhardt/Zeuner/Rattunde InsO3 § 231 Rn 48; an sich ebenso K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 12 (Begründung) gegen Rn 9–12 (Gliederung). AA insoweit BK/Flöther/Wehner InsO29 § 231 Rn 27: Var 2. Dafür Häsemeyer InsR4 Rn 28.13; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 5 aE; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 231 Rn 22. Uhlenbruck/Lüer InsO13 § 231 Rn 35; Paul Kölner Schrift InsO2 S 931, 964 f [Rn 121 ff];

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Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz, S 520; wohl auch MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 24, anders dagegen freilich Busch DZWIR 2003, 171, 175. BT-Drucks 12/7302 [RA] S 180 re. Sp. gegen BT-Drucks 12/2443 [RV] S 221 li. Sp. – Der [Rechts-] Ausschuss überlässt dieses Problem der Rechtsprechung. Missverständlich FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 38 („können“) und MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 22 (Zurückweisungsrecht). – Deutlich hingegen: Schiessler Insolvenzplan (1997), S 132 („verpflichtet“); Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 231 Rn 14; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 8 („muss“); HK/Haas InsO9 § 231 Rn 9 („muss“); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 18. KO-Mot S 410 f = Hahn IV S 354 f [Zitat S 410 = Hahn IV S 365].

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gen insoweit unterscheiden. Parallel hilft zuweilen der formell ähnlich strukturierte § 233 S 2 Var 2 (sog „Gegenantrag“, vgl § 233 Rn 24), selbst beim ersten Planvorschlag.

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a) Sachliche Voraussetzungen (Hs 1). Betroffen sind lediglich Folgepläne (Zweit-/Dritt-/ Viertplan etc) nach gescheitertem ersten Planvorschlag. Als Gründe dafür werden anerkannt (folgend gesetzlicher Reihung): (a) Ablehnung des Erstplans in der Gläubigerversammlung (§ 244) [Var 1]; (b) verweigerte gerichtliche Bestätigung (§§ 250/251), die aber mE noch zudem vorherigen Rechtskrafteintritt (§ 253 II) abverlangt [Var 2] (vorher wird meist auch kein [abgeänderter] Folgeplan ausformuliert vorliegen); (c) Rückzug der Vorlage (siehe dazu bei § 218 Rn 103) nach öffentlicher Bekanntmachung des anschließenden Erörterungstermins (§ 235 II S 1) [Var 3], dh mit Beginn des dritten Tages nach Einstellung der Nachricht im Netzportal (§ 9 I S 3, dort Rn 5) – vorbehaltlich des Schutzes des Wochenendes, § 222 II ZPO (iVm § 4 InsO).91 Entsprechend den Zeitabfolgen sollte (c) zuerst geprüft werden, hernach (a) und alsdann (b). Ungenügend ist früheres Scheitern bei Vorprüfung;92 nicht darunter fällt spätere Korrektur (§ 221 S 2 iVm § 248a) oder konsensual erfolgte, spätere Abänderung93 (siehe oben bei Rn 23 iVm § 218 Rn 103 ff). 38 Zum Fall (c) wird zudem eine teleologische Reduktion vorgeschlagen:94 es müsse an echten („sachangemessenen“) Rücknahmegründen fehlen, weil sonst kein Missbrauch vorliegen könne, insb wenn und weil nur eine schlichte Reaktion auf Umstände erfolge, welche die selbst beherrschte Verantwortungs- und Einflusssphäre übersteigen. Das geht zu weit, würde auch das jeweilige Gericht unnötig belasten, die herrschende Motivationslage aufzuklären („schwer durchführbare inquisitorische Thätigkeit“95). Der Gesetzgeber hat zudem gezielt früheres Ermessen ersetzt (dazu Rn 4), wollte demnach offenbar Entscheidungsspielräume einengen, mitnichten etwa vergrößern. Man kann (und darf) insgesamt darauf vertrauen, dass Insolvenzverwalter (oder Gläubigerausschuss) die besonderen äußeren Umstände richtig erkennen, einschätzen, bewerten … – und darum alsdann dementsprechend bewusst eben keinen Zurückweisungsantrag (dazu Rn 39) stellen. Es ist ihre freie Einschätzung, Folgepläne zuzulassen.

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b) Förmliche Voraussetzungen (Hs 2). Hinzukommen muss der prozessuale Zurückweisungsantrag („antragsgebundener“ Zurückweisungsgrund – siehe eben schon Rn 38 aE). Antragsberechtigt sind für sich der Insolvenzverwalter, wenn kein Gläubigerausschuss (§ 67 I) existiert, ansonsten Insolvenzverwalter und Gläubigerausschuss gemeinsam. Im letzteren Falle müssen die beiden einheitlich handeln („Einvernehmen“), sei es per gemeinsamer (zeitgleicher) oder identischer (sukzessiver) Antragstellung; möglich ist genauso Antragstellung (des Verwalters) mit vorheriger Genehmigung (arg § 184 BGB) oder nachfolgender Zustimmung (arg § 183 BGB) (des Ausschusses). Die „Zustimmung“ ist prozessual ein Erfordernis mit Außenwirkung96 – im Unterschied zu §§ 160–163 (arg § 164 e contr). „Der“ Antrag ist mithin prozessual erst ab dann beachtlich bzw wirksam gestellt. 91 92

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BGHZ 64, 1, 3 [2b]. BGH NJW 2015, 2660, 2665 {42} [III 1] mwN = DZWIR 2015, 560 = KTS 2016, 221 – ferner: Andres/Leithaus/AndresInsO3 § 231 Rn 11. Beispielsfall: AG Frankfurt/Oder DZWIR 2006, 87. Sehr kryptisch zur Vorprüfung hier BGH NZI 2007, 521 {7} [II 3] = ZinsO 2007, 713. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 231 Rn 32, zust Braun/Braun/Frank InsO7 § 231

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Rn 8, MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 23; wohl auch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 231 Rn 11. So wie hier K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 231 Rn 19; HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 24. So Mot II S 153 zu § 170 GemSchO. Missverständlich FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 39 („verfahrensinterne Maßnahme in Bezug auf das Gericht“ [?]) im Anschluss an Heidland Kölner Schrift InsO2 S 711, 733 [Rn 57].

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Zurückweisung des Plans

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VI. Verfahrensfragen 1. Fristvorgabe Die Amtsprüfung sollte am besten unverzüglich geschehen, das will Abs 1 S 2 (dazu 40 Rn 8 [c]) noch etwas unterstreichen durch die Zweiwochenvorgabe mit Empfehlungscharakter97 („soll“). Sie rechnet vom Einlangen des vollständigen Planentwurfs, somit auch der nötigen Anlagen (iSv § 219 S 2) und nicht ausschließlich des Plans (iSv § 219 S 1). Der Wortlaut scheint auf anderes freilich hinzudeuten – dann wäre zwar Nr 1 prüfbar, aber kaum eine genauso ernsthafte Prüfung betreffend Nrn 2 und 3 ermöglicht. Der Zeitpunkt des Einganges sollte festgehalten werden. Die Frist macht nur dann einen Sinn, wenn keinerlei Probleme auftreten. Sie mögen in der Schwierigkeit des Einzelfalles liegen oder behebbaren Mängeln entstammen – anders gesagt: die zeitnahe „Entscheidung des Gerichts“ kann dreierlei Formen annehmen: Zurückweisung, Abhilfeverfügung (selbstredend unter Fristsetzung – nach deren Ablauf dann keine neuanlaufende Zweiwochenfrist!), Weiterleitung. – Nicht ausdrücklich fristgebunden wurde zwar der Zurückweisungsgrund des Abs 2 (dazu Rn 36–39); es gilt sinngemäß aber insoweit die Erwartung unverzüglicher Ablehnung (nach Stellen des Antrags), um Beschwerde (Abs 3) zu gestatten. 2. Eröffnungsbeschluss Der formelle Abschluss der Vorprüfung setzt dogmatisch vorher Verfahrenseröffnung 41 (§ 27) voraus (siehe auch bei § 232 Rn 17): ohne eröffnetes Insolvenzverfahren, keine Befugnisse „planerischer“ Gestaltung! Praktisch kann sich zwar empfehlen, mit Beantragung schon eingereichte Pläne (informell) vorher zu prüfen, um einige Zeit zu sparen und mögliche Mängel proaktiv kurzerhand zu beseitigen.98 Förmliche Fristsetzung (welche uU selbst zum späteren Zurückweisungsgrund erstarkt: Abs 1 S 1 Nr 1 Hs 2 Var 2, vgl Rn 25), erst recht eine Zurückweisung,99 verlangen aber vorherige Eröffnung des Verfahrens (notfalls zeitgleich parallel veranlasst!). Alles andere würde gleichsam „Wäsche ohne Leine“ aufhängen und prozessuale Prioritäten missachten. 3. Sachverhaltsaufklärung Wie auch sonst gilt der allgemeine Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 I) – das bestreitet 42 die hM:100 es soll allein aufgrund vorliegender Urkunden101 oder immerhin doch zuzüglich vorliegender102 oder eingeholter103 Stellungnahmen104 unmittelbar gleich entschieden

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BT-Drucks 17/5712 S 33 [Nr 20a {3}] – anders im Ansatz FK/Jaffé InsO9 § 231 Rn 37: unschädlicher Pflichtverstoß [?]. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 35, zust Braun/Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 10 f. AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 35, abl Braun/Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 11. Ähnlich wie hier nun dagegen Smid ZInsO 2016, 61, 69 f [E]. Madaus NZI 2015, 697, 703/704 [5] in Anm zu BGH NZI 2015, 697, 698 {9} [II 2a] (§ 220) = NJW 2015, 2660 – ferner: Braun/

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Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 1; wohl auch MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 6. BGH ZIP 2011, 340 {3}, best ZInsO 2011, 1550 f {2 f} [1]; AG Hamburg BeckRS 2016, 19415 [1.2]. BGH NJW-RR 2017, 1130, 1131 {7} [II 2a] = NZI 2017, 751 m zust Anm Madaus (S 252 f [1]: „Mittelweg“) – arg § 5 I. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 29 mit Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 231 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 3 und 14.

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§ 231

Sechster Teil. Insolvenzplan

werden (arg Abs 1 S 2). Man sollte aber strikt allgemeine Amtsermittlung und spezielle Amtsprüfung (vgl Abs 1 S 1) auseinanderhalten. Letztere bedeutet, dass das Gericht die Initiative dort selbst ergreifen mag, wo es dafür Anhaltspunkte sieht. Das führt zur Plausibilitätskontrolle des vorgelegten Planentwurfs (mitsamt den Anlagen) als maßgebender Faktengrundlage. Verbliebenen Zweifeln wäre amtsermittelnd aber nachzuspüren. Und hier wirkt dann das tatbestandlich eingeschränkte „Prüfprogramm“ bei Abs 1 S 1 Nrn 2 und 3 (dazu Rn 32–34) gleichsam inhaltlich korrigierend und verdrängt ausnahmsweise die geläufige Amtsermittlung: „offensichtlich“ bzw „offenkundig“ kann nur sein, was schon vorab „auf dem [Richter-] Tisch“ liegt.105 § 231 I S 2 Nrn 2 und 3 entmachten spezialiter infolgedessen § 5 I S 1. Anders ist das jedoch für die allgemeinen Prüfgründe (Abs 1 S 1 Nr 1, vgl Rn 22) und ebenfalls bei Abs 2 bezüglich der Aufgreifkriterien. Meist werden dagegen alle diese Fälle über denselben Kamm geschoren106 (vgl auch erg § 220 Rn 24 aE). 4. Verfahrenshilfe

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Die Möglichkeit für Korrekturen (Nr 1 Hs 2 bzw Rn 23–25) ist abzugrenzen von allgemeinen Verfahrenspflichten. An vorderster Stelle steht sicherlich die Gewähr rechtlichen Gehörs (Art 103 I GG): der Planentwurf ist nicht einfach abzuweisen, sondern dem Vorlegenden das Monitum mitzuteilen, um insoweit Stellungnahme zu eröffnen107 (das kann sich auf erläuternden Meinungsaustausch beschränken – und wird es auch bei faktischer [Nr 1] oder rechtlicher [Nrn 2 und 3] Unmöglichkeit einer Nachbesserung!). Über § 4 InsO iVm § 139 III ZPO wird das auf eine gerichtliche Hinweispflicht „verdichtet“, mit Blick auf Nr 1 (!)108 Bedenken zu benennen (Hs 1), aber vielleicht auch taugliche Abhilfemöglichkeiten anzuraten (Hs 2). 5. Entscheidung

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a) Zurückweisung. Die Zurückweisung erfolgt förmlich mittels Beschluss (Abs 3 – dazu allg auch § 5 III S 1 InsO [fakultative mündliche Verhandlung] bzw § 128 IV ZPO), der zuzustellen ist (arg § 6 II). Der Entscheid nämlich unterliegt der Beschwerde des Vorlegenden (Abs 3), die sofortige Beschwerde ist. Das verheißt der Wortlaut, das folgt systematisch zudem aus § 6 I S 1 InsO (der allein sofortige [InsO-] Beschwerden anerkennt) und auch aus § 4 InsO iVm §§ 567 ff ZPO – das ZPO-RG hat einfache Beschwerden schlicht abgeschafft. Einlegung beim AG (§ 6 I S 2 InsO – mit Möglichkeit, ihr abzuhelfen: § 572 I

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 29: „aus dem Plan heraus“; HK/Haas InsO9 § 231 Rn 8 und 11; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 11: „aus der Gerichtsakte“; siehe auch ebenso Paul ZInsO 2012, 259, 260, der betont, dass § 232 eine gerichtsseitige Einbeziehung systematisch erst nach erfolgter Vorprüfung vorsehe. Beispiele: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 14, Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 231 Rn 3 und MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 6. Offenlassend allerdings insoweit BGH NJW 2015, 2660, 2661 {6} [II 1] = DZWIR 2015,

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560 = KTS 2016, 22 – aA einerseits Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 231 Rn 7 und 10 bei sog Teilprüfung (dazu Rn 14, 32–34), andererseits K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 15 mwN: gänzlicher Gleichlauf. Aber nicht auch Nrn 2 und 3: Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 Rn 38; Smid ZInsO 2016, 61, 62; Vallender DB 2012, 1669, 1671; sa HK/Haas InsO9 § 231 Rn 7; demnach also am Ende richtig AG Hamburg, B. v. 19.04.2016 – 67c IN 232/13 [2.5] {45 f} = BeckRS 2016, 19415. Unklar BK/Flöther/ Wehner InsO29 § 231 Rn 37 f; Stephan NZI 2017, 666, 667 aE.

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Zurückweisung des Plans

§ 231

S 1 Hs 1 ZPO), Entscheidung durch das LG (§ 72 I S 1 GVG), dann uU noch zulassungsbedingte (§ 574 I S 1 Nr 2 iVm II S 2 ZPO) Rechtsbeschwerde zum BGH (§ 133 GVG). Lediglich der Vorlegende ist beschwerdebefugt, nicht auch die Gläubigerschaft; sie 45 kann zwar einen Planauftrag erteilen (§ 157 S 1 Hs 1), ist aber nicht Vorlegender im Rechtssinn (§ 218 I S 1).109 In Betracht kommen entweder Insolvenzverwalter (alternativ der Sachwalter: § 284) oder Gemeinschuldner – wegen der verschiedenen Prüfungsgründe (vgl Rn 7 und 9) ist zudem der Beschwerdestoff entsprechend ausdifferenziert. Deren Beschwerde dient dazu, ihr Planvorlagerecht gerichtlich durchzufechten;110 für den Gemeinschuldner kommt erschwerend hinzu, dass seine „zweite Chance“ unter dem Damoklesschwert gemäß Abs 2 (dazu Rn 3 bzw Rn 36–39) steht. b) Planfreigabe. Andere Verfahrensweisen müssen hingenommen werden (arg § 6 I – 46 Enumerationsprinzip!), namentlich die Planfreigabe, dh die Weiterleitung des Planes zur Stellungnahme (§ 232) und die Ansetzung des Erörterungs- und Abstimmungstermins (§ 235 I). Dafür bedarf es keines Beschlusses111 (mag auch damit Zurückweisung jetzt ausgeschlossen sein!112) – es ist dies faktisches Fortführen des anhängigen Verfahrens („amtswegiger Prozessbetrieb“); und dagegen gibt es kein Rechtsmittel – auch nicht im Falle nach Abs 2, wenn das Gericht den Antrag des Verwalters zu Unrecht missachtet.113 Dies rächt sich uU bei der anschließenden Gläubigerversammlung (Planverweigerung), indes wohl nicht mehr bei späterer Nachkontrolle (§ 250 Nr 1: „verfahrensmäßige Behandlung“): wenn trotz allem jene Gläubigerversammlung zustimmt, kann man wohl keinen „wesentlichen“ Mangel mehr unterstellen; im Übrigen fehlte bereits ein eigenes Beschwerderecht des Insolvenzverwalters (dazu Rn 47 aE). Die Planfreigabeentscheidung in der Vorprüfung entfaltet hinsichtlich der späteren Planbestätigungsprüfung (§ 250) aber keinesfalls Bindungswirkungen.114 Beschwerdeunfähig ist auch an sich die verzögernde Nichtweiterleitung ohne förm- 47 lichen Zurückweisungsakt (und also die Missachtung der Fristvorgabe des Abs 1 S 2). Die Prüfungsdauer bestimmt das Gericht nach eigenem (pflichtgemäßen) Ermessen (arg „soll“). Man könnte lediglich erwägen, ob das grundlose, dauerhafte Nichtstun irgendwann in faktische Zurückweisung umschlägt (Ausnahmefall oder Amtshaftung – § 839 III BGB?115). Soweit die Gründe noch wiederholbar sind (§ 250 I Nr 1 Hs 1 Var 1/2), besteht dann eine neue, weitere Beschwerdebefugnis (§ 253 I), für den Gemeinschuldner und die Insolvenzgläubiger, nicht aber mehr den Insolvenzverwalter.116 109

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Genau anders herum später die Beschwerdeberechtigung bei § 253 I, dort Rn 5–7 – eingehend BGH NJW-RR 2009, 839, 840 {10–13} [II 3] = DZWIR 2009, 331 = ZIP 2009, 480 = WM 2009, 518 = NZE 2009, 230. BGH DZWIR 2009, 331 = NJW-RR 2009, 839 {11 f} (implizit). AA (gegen hM) Smid/Leonhardt/Zeuner/ Rattunde InsO3 § 231 Rn 2. Eine Ausnahme gilt: die Zurückweisung bei unplausibler Wiederholung (Abs 2), die ihrerseits Antragstellung abverlangt (zutr Schiessler Insolvenzplan (1997), S 133 Fn 15). Richtig Paul ZInsO 2012, 259 f, zust K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 16.

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Anfänglich noch vorgesehen: § 275 III S 2 RegE – Streichung: BT-Drucks 12/7302 S 183 {3} (dazu Rn 7 aE). BGHZ 163, 344, 347 ff [III 4] = DZWIR 2006, 74 = NJW-RR 2005, 1562 = ZIP 2005, 1648 = WM 2005, 1852 und BGH DZWIR 2009, 331, 332 {11 f} [II 3a] = NJW-RR 2009, 839 (implizit) bzw BGH NJW 2017, 2280, 2281 {14–16} [II 2a] mwN = DZWIR 2017, 334 = ZIP 2017, 482 = WM 2017, 489 (explizit), best BGH NJW-RR 2018, 817 {13} [III vor 1]. So auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 231 Rn 13. Unklar MünchKomm/Breuer InsO3 § 231 Rn 22 aE: uU Verwalterhaftung (§ 60) [?]. BGH DZWIR 2009, 331 = NJW-RR 2009, 839 {7 ff} mwN [explizit].

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§ 232

Sechster Teil. Insolvenzplan

§ 232 Stellungnahmen zum Plan (1) Wird der Insolvenzplan nicht zurückgewiesen, so leitet das Insolvenzgericht ihn zur Stellungnahme zu: 1. dem Gläubigerausschuß, wenn ein solcher bestellt ist, dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuß der leitenden Angestellten; 2. dem Schuldner, wenn der Insolvenzverwalter den Plan vorgelegt hat; 3. dem Verwalter, wenn der Schuldner den Plan vorgelegt hat. (2) Das Gericht kann auch der für den Schuldner zuständigen amtlichen Berufsvertretung der Industrie, des Handels, des Handwerks oder der Landwirtschaft oder anderen sachkundigen Stellen Gelegenheit zur Äußerung geben. (3) 1Das Gericht bestimmt eine Frist für die Abgabe der Stellungnahmen. 2Die Frist soll zwei Wochen nicht überschreiten. Materialien: DiskE § 265 (Text: S 135/136; Begr BT S 241), RefE § 265 (Text: S 154/155; Begr BT S 279); RegE § 276 (BT-Drucks 12/2443 S 204 [RV], BT-Drucks 12/7302 S 183 [RA]) – Abs 3 S 2 wurde angefügt durch Art 1 Nr 23 ESUG (BT-Drucks 17/5712 S 33 [Art 1 Nr 21], dazu Rn 20) [in Kraft ab 01.03.2012 (Art 10 S 3 ESUG)]. Vorgängerregelungen: GemSchO § 169 S 2 (Mot II S 153 f) und § 238 (Mot II S 230/231 iVm S 231); KO/aF § 164 I (Mot S 411 = Hahn IV S 365 mit S 365/366, Prot S 111 [I] und S 184 [II] = Hahn IV S 605, 676) bzw KO/nF § 177 I; GA-VO § 21 II (RAnz 1916 Nr 298 S 4 li. Sp.); VglO/aF § 20 (RT-Drucks III/2340 S 20 f [RV: § 16] und RT-Drucks III/3430 S 32 [RA: §§ 16, 16a]), RJA § 14 (Mot S 58), VglO/nF § 14 (DJ 1935, 389, 390 li. Sp.). Literatur Gilles Die Beteiligung des Betriebsrates im Insolvenzplanverfahren (2009), S 130–132; Hamberger Der Betriebsrat im Insolvenzverfahren (2010), S 318–324; Paul §§ 231, 232 InsO: Planzurückweisung trotz vorliegender Stellungnahme der Beteiligten?, ZinsO 2012, 259; Scheibner Zu Besonderheiten beim Insolvenzplan in eingetragenen Genossenschaften, DZWIR 1999, 2; Schmelzer Die Position des Arbeitnehmers im Recht des Insolvenzplanes (2003) S 105–107; Veismann Das Gutachten der amtlichen Berufsvertretung gemäß § 14 Vergleichsordnung, KTS 1968, 40.

Übersicht I. Normzweck . . . . . . . . . . . . II. Normgenese . . . . . . . . . . . . III. Berechtigte . . . . . . . . . . . . . 1. Angefragte Kommentare . . . . 2. Geborenes Auditorium (Abs 1) 3. Gekorenes Auditorium (Abs 2) 4. Unerbetene Kommentare . . . .

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Rn. 1 4 7 7 9 12 15

IV. Rahmenregeln . . . . . . . . . . . . 1. Verfahrensbeginn . . . . . . . . . 2. Verfahrensschluss . . . . . . . . . 3. Stellungnahme und Sachäußerung 4. Verfahrensfehler . . . . . . . . . 5. Verfahrenskosten . . . . . . . . .

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Rn. 17 17 18 21 24 25

I. Normzweck 1

Abs 1 ist weniger ein Ausfluss der Gewähr rechtlichen Gehörs (welches betroffenen Beteiligten zukommt) als vielmehr ein probates Informationsbeschaffungsmittel. Es kann einerseits die endgültige gerichtliche Bestätigung unterstützen (§ 248 – unbeschadet von Amtsermittlung [§ 5 I] und gesetzlich vorgeschalteter Vorprüfung [§ 231]) und anderer-

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Stellungnahmen zum Plan

§ 232

seits auch insbesondere1 die informierte Gläubigerentscheidung vorbereiten (§ 234 [schriftlich] bzw §§ 235 ff [mündlich]). Das erspart oft spätere langwierige Diskussionen im Erörterungs- und Abstimmungstermin bzw eröffnet rechtzeitig mögliche Anpassungen (§ 240)2 und fördert den Konsens („Konsensbeförderungsmittel“). Denn plausible Kritik erscheint noch ausräumbar, unplausible vielleicht [?] hinnehmbar (allemal mit Blick auf spätere Mehrheitsfindung! – dazu: Rn 3). Abs 2 erlaubt zudem, auf besondere Sachkunde amtlicher Berufsvertretungen (Var 1) 2 oder anderer sachkundiger Stellen (Var 2) einfach zuzugreifen (und zwar nicht etwa als angeforderte sachverständige Begutachtung, sondern als beigebrachte freiwillige Stellungnahme im „altruistischen“ Eigeninteresse – letzthin ein Ausdruck der institutionellen [!] Verpflichtungen, im Unterschied zu individueller Interessenlage (und daher mit einem „Gütesiegel“ besonderer Objektivität3). – Abs 3 will beide Male durch Fristsetzung (S 1) bzw Fristvorgabe (S 2) möglichen Verzögerungsgefahren vorbeugen. Die Anhörungsphase reflektiert den Planentwurf als vorläufiges Endresultat und ver- 3 mittelt ihn inhaltlich der abschließenden Entscheidungsfindung („endgültige Endfassung“), welche noch einige Modifikationen zu berücksichtigen vermag (§ 240). Das aber ist bloß Reaktion („auf Grund der Erörterung“), nicht mehr – wie vorher – gestaltende Aktion. Bloß scheinbar besteht letztlich eine Duplizität von § 218 III und § 232 I betreffend die Beteiligung beim Planentwurf des Verwalters4 („wirken … beratend mit“). Denn Zielrichtung (Gestaltung/Abänderung) und Auditorium (interne Beratung/externe Kritiken) unterscheiden sich grundsätzlich. Wer weitsichtig die Annahmechancen mit einkalkuliert, ist allemal gut beraten, die maßgebenden „Player“ zeitig einzubeziehen – das gilt nicht minder für Planentwürfe des Gemeinschuldners.

II. Normgenese Konkursordnung: § 177 I KO sah so wie I eine Begutachtung (!) des Vorschlags zum 4 Zwangsvergleich von Seiten des Gläubigerausschusses vor.5 Die Zeitgrenze war genauso („Wird der Vergleichsvorschlag nicht zurückgewiesen, …“) gesetzt, die Aufgabe war wortlautgemäß jedoch eine andere („ … so hat der Gläubigerausschuss sich über die Annehmbarkeit des Vorschlags zu erklären.“). Indes muss man sehen, dass die Erklärung lediglich einen Empfehlungscharakter hatte (arg § 178 KO) und die endgültige Vergleichsentscheidung – wie heute – der Gläubigerversammlung anheimfiel (vgl § 182 KO). Die Ablehnung hatte zumindest die (Zusatz-) Wirkung, dass eine frühere Verwertungssperre wegfiel (§ 177

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BT-Drucks 12/2443 S 204 re. Sp. mit EB Mot S 179. Sehr treffend dazu außerdem BGH DZWIR 2007, 343, 343 {9 aE} [II 1b cc] = NZI 2007, 341 = WM 2007, 951 = ZIP 2007, 784: „den Beteiligten … die Problematiken des Plans und seine Auswirkungen verdeutlichen“. Eher ersteres: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO61 § 218 Rn 50 bzw mehr letzteres: FK/ Jaffé InsO9 § 232 Rn 1. Beides sieht wohl BK/Flöther/Wehner/Paul InsO62 § 232 Rn 1. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 2 aE. Die Praxis scheint freilich zurückhaltend:

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BK/Flöther/Wehner/Paul InsO62 § 232 Rn 2 mit 7. Siehe dazu näher Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 2. Recht ähnlich zuvor bereits § 238 I pr. GemSchO-Entwurf („Die Vertrauensmänner haben auf Grund der vom Antragsteller vorzulegenden Geschäftsbücher und Schriftstücke sich gutachtlich zu äußern: …“); sie sollten im Vorfeld, dh bei Aufstellung des Vergleiches, allerdings ebenso einbezogen werden (§ 237 GemSchO-Entwurf). Ergänzend war mündliche Berichtspflicht angedacht (§ 247 I GemSchO-Entwurf).

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§ 232

Sechster Teil. Insolvenzplan

II KO gegen § 135 II KO); das wird heute jedoch eigenständig erfasst und steckt hinter dem sog „Gegenantrag“ des § 233 S 2 Hs 2 InsO (dort Rn 24). Eine Stellungnahme des Konkursverwalters war hingegen nicht verordnet, wurde aber meist praktisch wohl eingeholt. 5 Vergleichsordnung: Das Vergleichsrecht sah zwingend6 die Anhörung der Berufsvertretung vor (§ 21 II GA-VO; § 20 VglO/aF; § 14 VglO/nF) – dieses war Muster für Abs 2 (Anhörungspflicht) wie Abs 3 (Äußerungsfrist, die allerdings gesetzlich vorgegeben war, vgl dazu erg Rn 19 f). Es ging um Miteinbeziehung „bessere[r] Erkenntnisquellen“ („Gutachterersatz“) sowie vor allem die Sicherstellung einheitlicher Sachbehandlung7 („Gleichheitsgewähr“). 6 Insolvenzordnung: Die Vorschrift wirkt heute inhaltlich als legislative Kombination aus KO-System (Abs 1) und VglO-Modell (Abs 2/3) – greift aber weiter: der Kreis möglicher Berechtigter wurde entscheidend erweitert. Zunächst wurden alleinig, aber doch sämtliche Verfahrensbeteiligte als äußerungsbefugt angesehen (EB LS 2.2.12 IV lit a), dann zudem auch Betriebsrat (§ 265 I DiskE, vgl Rn 10) und Berufsvertretung (§ 265 II DiskE, vgl Rn 13) und schließlich noch weitergehend der Sprecherausschuss (§ 265 I RefE, vgl Rn 10) und die „anderen sachkundigen Stellen“ (§ 265 II RefE, vgl Rn 13). Im Gesetzgebungsverfahren ist dann noch der Wortlaut leicht angepasst worden an das dann etwas zurückgenommene Planvorlagerecht (§ 276 I RA gegen RV); vor allem wurde die Frist (heute Abs 3 S 1) wiederbelebt, um möglichen Verzögerungen entgegenzuwirken.8 Die Regel zur Dauer (heute Abs 3 S 2) ist nachträglich erst 2012 noch hinzugekommen (Art 1 Nr 23 ESUG, siehe dazu unten Rn 20).

III. Berechtigte 1. Angefragte Kommentare

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Das Gesetz unterscheidet verschiedene (Anhörungs-) Berechtigte (Abs 1: Rn 9–11 bzw Abs 2: Rn 12–14); sie haben die Möglichkeit, sich zum Plan vorneweg zu erklären. Ihre Einschätzung wird den „einfachen“ Beteiligten kundgetan (letztendlich nur „passiv“ per Niederlegung, § 234 [dazu näher dort Rn 5] – im Gegensatz zu § 235 III 2 und 3 mit „aktiver“ Übersendung [jedoch nur des Plans!]). Dies ist prozessual nur Last (reines Stellungnahmerecht), jedoch niemals zwingend zu erfüllen (keine Stellungnahmepflicht9 – Abs 2: „auch … Gelegenheit“), jedoch gemeinhin sicher angeraten („Obliegenheit im Eigeninteresse“), wenn man eine konkrete Planabänderung (§ 240) erstrebt. Es ist auch nicht Gewähr rechtlichen Gehörs, das alleinig Beteiligte erhalten (dazu § 234 Rn 10–13, 15), sondern quasi nur verfahrensbezogen die „Verbreiterung“ der Informationsbasis. 8 § 116 Nr 4 GenG [Art 49 Nr 38 EG InsO] enthält zudem bei Genossenschaften eine spezialgesetzlich normierte Anhörungspflicht: „vor dem Erörterungstermin hat das Insolvenzgericht den Prüfungsverband, dem die Genossenschaft angehört [Pflichtmitgliedschaft: §§ 54 ff GenG!], darüber zu hören, ob der Plan mit den Interessen der Mitglieder vereinbar ist.“ Die Regelung folgt früherer Anhörungspflicht beim Zwangsvergleich 6

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Zum Zusammenhang mit § 116 VglO (Amtsermittlung) vgl Veismann KTS 1968, 40, 42 [I 2]. RT-Drucks III/2340 S 20. BT-Drucks 12/7302 S 183 li. Sp.: Folgeänderungen.

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 6; BK/Flöther/Wehner/Paul InsO62 § 232 Rn 9. Das ist abzugrenzen von dem (vergütungsrechtlichen) Pflichtenkreis des Insolvenzverwalters (keine Vergütungserhöhung nötig: AG Hannover ZInsO 2016, 2107, 2108 [III 2] {19}), vgl noch erg Rn 25.

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Stellungnahmen zum Plan

§ 232

(§ 115e II Nr 1 GenG10 – in Anlehnung an § 111 Nr 3 VglO/nF11). Inhaltlich steht heutzutage diese Pflicht etwas konträr zum Regelungsmodell der Insolvenzordnung: mit Abs 1 teilt sie ihren verpflichtenden Charakter, von Abs 2 nimmt sie das Bedürfnis, externe Sachkunde mit einzubeziehen. Man sollte auch diesen Informationsfluss verfahrensförmig berücksichtigen12 (mit sinngemäßer Konsequenz bei § 234 [dort Rn 5 aE]). 2. Geborenes Auditorium (Abs 1) Zwingend (!) ist zunächst – in Anlehnung an § 177 I KO (dazu näher oben Rn 4) – der 9 bestellte Gläubigerausschuss [Nr 1 Var 1] anzuhören („leitet … [zur Stellungnahme: Rn 22] zu“ – „muss“). Es ist die Form, in der sich die Gläubigerschaft vorzeitig Gehör verschafft. Der Gedanke wird jetzt aber einiges erweitert: einerseits auf nachhaltig sonst Betroffene (Nr 1 Var 2 und 3 – siehe dazu bei Rn 10: Arbeitnehmerinteressen), andererseits auf andere Beteiligte (Nrn 2 und 3 – siehe dazu bei Rn 11: Verfahrensinteressen). Ihre Anhörung ist verpflichtend (vorbehaltlich der Alternativität von Nrn 2 und 3), ohne dass das eine reziproke Äußerungspflicht begründet. Allen nach Nr 1 jetzt noch Anzuhörenden, sollte aber der Plan keiner Überraschung gleichkommen – sie sollten ja bereits die Aufstellung beratend begleiten (§ 218 III). Arbeitnehmerinteressen artikulieren der Betriebsrat [Nr 1 Var 2] (§§ 1 ff BetrVG) so- 10 weit eingerichtet oder stattdessen der Gesamtbetriebsrat (§ 47 BetrVG) soweit vorhanden, nicht aber ein Konzernbetriebsrat (§ 54 BetrVG), wegen der Rechtsautonomie der Teile (arg § 35 InsO), und der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten [Nr 1 Var 3] (SprAuG), ebenfalls soweit vorhanden. Nr 1 (nicht etwa nur Var 1) steht allgemein unter dem Vorbehalt einer tatsächlich vorhandenen Einrichtung („wenn ein solcher bestellt ist“). Die Aufzählung im Einzelnen rechtfertigt den Umkehrschluss, dass andere Arbeitnehmervertretungsorgane (zB Betriebsversammlung [§§ 42 ff BetrVG], Jugend- und Auszubildendenvertretung [§§ 60 ff], Bordvertretung [§ 115 BetrVG]) und Tarifvertragsparteien – mindestens im Regelfalle – auch nicht nach Nr 2 anzufragen sind. Verfahrensinteressen (welche im Grunde immer auch Eigeninteressen sind) macht vor 11 allem der Gläubigerausschuss [Nr 1 Var 1] (§§ 67 ff InsO) geltend, wenn und weil vom befassten Insolvenzgericht einer bestellt wurde; sonst bleibt es jedoch dabei, dass letztlich jeder Gläubiger selbst handeln sollte (§ 234 einerseits, § 235 andererseits). Mit Gemeinschuldner [Nr 2] und Insolvenzverwalter [Nr 3] erhalten ferner noch die Planvorlagebefugten (§ 218 I 1) ein Stellungnahmerecht für jeweils den „Fremdplan“ (quasi „über Kreuz“) – und zwar auch bei konkurrierend eigenem Planvorschlag. Demnach zählt die kritische(re) Außensicht jeweils am meisten.

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Gesetz vom 20.12.1933 [Art 1 Nr 10], RGBl I Nr 145 S 1089 [in Kraft ab 01.01.1934 (Art 2 I)] und Gesetz vom 30.10.1934 [Art II Nr 2], RGBl I Nr 122 S 1077 [in Kraft ab 15.12.1934 (RGBl I Nr 133 S 1227 – Art I Abs 1)]. Bzw § 91 Nr 4 VglO/aF – näher dazu siehe RT-Drucks III/3430 S 50 li. Sp [2]: „ebenso wie die amtliche Berufsvertretung und neben ihr“ [Hervorh vom Verf].

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Anders einerseits Scheibner DZWIR 1999, 8, 9 [III], wohl auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 232 Rn 1 (Äußerung als Voraussetzung der Wirksamkeit – mit Recht dagegen MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 6), Bley/Mohrbutter VglO4 § 14 Rn 1 [b] andererseits (eigenständiges Anhörungsregime).

Joachim Münch

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§ 232

Sechster Teil. Insolvenzplan

3. Gekorenes Auditorium (Abs 2)

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Eventuell wird ergänzend – in Anlehnung an § 14 S 1 VglO (dazu näher oben Rn 5) – eine amtliche Berufsvertretung angehört („kann … Gelegenheit [zur Äußerung: Rn 22] geben“); das verbreitert die maßgebende Informationsbasis für das Insolvenzgericht wie die Abstimmenden (und dies nicht bloß für Fortführungspläne13). Die Entscheidung ist pflichtgemäßem (Richter-) Ermessen anheimgestellt14 (hier anders noch § 14 S 1 VglO: „hat … zu hören“): ohne Gerichtsinitiative kein Stellungnahmerecht! Es bedarf aber keines förmlichen Zulassungsakts (Beschluss), es genügt tatsächliche Aufforderung als solche,15 auch insbesondere wegen Fristsetzung nach Abs 3 (dazu Rn 18–20). 13 Amtliche Berufsvertretungen beruhen auf staatlicher Legitimation (im Unterschied zu freiwilligen Zusammenschlüssen, Branchenverbänden etc), unabhängig von der jeweiligen Rechtsform im Einzelfall (Körperschaftsmodell? Selbstverwaltungsform?16). Angesprochen sind insbesondere Industrie- und Handelskammern [IHK] (Var 1a/b: „der Industrie, des Handels, … [§ 1 I IHKG]), Handwerkskammern [HwK] (Var 1c: „ …, des Handwerks …“ [§§ 90 ff HwO]) und Landwirtschaftskammern [LWK] (Var 1d: „ … oder der Landwirtschaft“ [LandesR]). Der Katalog ist – anders als früher (§ 14 S 1 VglO) – ausdrücklich nicht abschließend (Var 2: „anderen sachkundigen [!] Stellen“). Entscheidend ist letztendlich damit also die eingebrachte Sachkunde, weniger indes die wirkliche Amtlichkeit – nur haben die eigens Genannten die nötige Sachkunde gleich vorneweg gesetzlich attestiert bekommen. Ohne weiteres sind gleich zu erachten weitere berufsständische Kammern:17 Ärztekammer, Anwaltskammer, Architektenkammer, Ingenieurkammer, Notarkammer, Steuerberaterkammer, Wirtschaftsprüferkammer, Zahnärztekammer etc. Verlangt wird freilich eine gewisse organisatorische „Verfestigung“ (arg „Stellen“), was Anhörung einzelner Personen ausschließt (sie können uU jedoch als gerichtliche Sachverständige herangezogen werden18, dazu § 231 Rn 42). 14 Angehört wird gemäß Var 1 genau jene amtliche Berufsvertretung, welche Zuständigkeit für den Gemeinschuldner innehat. Es geht um sachliche Zuständigkeit (welche Art Stelle? – bei „Mischformen“ entscheidet der Schwerpunkt der Tätigkeiten19 [Singular!], folgend der Einschätzung des Gerichts, im Übrigen hilft alsdann Var 2!), ferner auch um örtliche Zuständigkeit. Die Zuständigkeitsbezirke von Insolvenzgerichten und Berufsvertretungen werden sich selten wohl decken. Bei Var 2 fließt alles über das Kriterium materieller Sachkunde ein; jenes darf jedoch nicht dazu dienen, die örtliche Zuständigkeit kurzerhand zu ignorieren: beide Merkmale unterliegen jeweils „ihrer“ Vorgabe.

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So sehen es indes BK/Flöther/Wehner/Paul InsO62 § 232 Rn 7. MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 10: inklusive bisheriger Erfahrungen – für rigide Handhabung FK/Jaffé InsO9 § 232 Rn 15 und Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 232 Rn 6 ff: „in aller Regel untunlich“; BK/Flöther/Wehner/Paul InsO62 § 232 Rn 7: „nur in schwierigen Ausnahmefällen“; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 8: „vor allem in Sonderfällen“; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 232 Rn 1 aE: „keinen erkennbaren Nutzen“.

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So wie hier MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 10. Bley/Mohrbutter VglO4 § 14 Rn 1 [a]. MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 11; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 15.5. Das gilt insb etwa für Prüfungsinstitute – vermengend Schiessler Insolvenzplan (1997), S 135 [Mitte] und MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 11. AA MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 11.

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Stellungnahmen zum Plan

§ 232

4. Unerbetene Kommentare Man sollte folgende Fälle scheiden: (a) Die Stellungnahme eines „Mussbeteiligten“ 15 (Abs 1: Rn 9–11) ist ohne weiteres zu beachten, selbst wenn vorher versehentlich Zuleitung des Entwurfes unterblieben ist (problematisch ist dann bloß die Authentizität: liegt denn der richtige Planentwurf zugrunde?). (b) Bei „Kannbeteiligten“ (Abs 2: Rn 12–14) ist bewusste Zuziehung dagegen unerlässlich geboten – das Äußerungsrecht muss konstitutiv vorher zugebilligt werden; ohne diese Aufforderung getane Äußerungen bleiben deswegen verfahrensmäßig ganz unberücksichtigt.20 (c) Die Meinung von Dritten mag wohl einzelnen Abstimmungsberechtigten bedeutsam sein, sie wird aber nicht prozessual zum Gegenstand des Verfahrens, und bleibt intern unbeachtlich. – Die Fälle sub (b) sind folglich also unter (a) und (c) damit letzthin aufzuteilen. Der unerbetene Kommentar ist begrifflich abzugrenzen vom vorzeitigen Kommentar. 16 Gemeint ist hiermit, dass der Planverfasser eine Stellungnahme vorab selbst einholt und vorgreifend mit übermittelt.21 Hier stellt sich die Frage, ob damit die gesetzesgemäß vorgesehene (Abs 1) bzw ermöglichte (Abs 2) Kommentierung gerichtsseits erneut veranlasst werden muss – meist mit der Folge, dass keine weitere Sachäußerung erfolgt. Dann wäre dies eine unnötige Förmelei, welche bloß unnütz Zeit kostet. Die Gerichtspflicht entfällt alsdann aufgrund Zweckerfüllung,22 allemal soweit gegen Vollständigkeit und Authentizität keine begründeten Zweifel existieren. Man kann das wohl dadurch ebenso gut korrigieren, dass dann jedenfalls kein wesentlicher Verfahrensfehler existierte23 (dazu Rn 24), zumal per Saldo doch die vollständigen Informationen gewährleistet waren (§ 234).

IV. Rahmenregeln 1. Verfahrensbeginn Kommentierung wird bloß und erst nach erfolgreich überstandener Vorprüfung (§ 231) 17 eröffnet, alles andere würde unnützen Aufwand bedeuten (denn es käme zu keinem anschließenden Meinungsbildungsprozess) und zudem ohne Grund die folgende Verwertung hinauszögern.24 Das bringt zwar allein nur Abs 1 wörtlich zum Ausdruck („Wird der Insolvenzplan nicht zurückgewiesen, …“), das gilt indes (erst recht) auch für zusätzlich an-

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 8; MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 16; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 232 Rn 5. Unabhängig von praktischer Einbeziehung bei Planerstellung (arg § 218 III, vgl dort Rn 4, 82–102): Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 3! K Schmidt/Spliedt InsO19 § 232 Rn 4; FK/ Jaffé InsO9 § 232 Rn 7; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 232 Rn 5 [a] und auch in Braun/Braun/Frank InsO7 § 232 Rn 5; HambK/Thies InsO6 § 232 Rn 2; BK/Flöther/Wehner/Paul InsO62 § 232 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 232 Rn 4 aE; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 4 aE; MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 8;

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 Rn 3. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 8; MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 9. Jenen Aspekt betont bereits RTDrucks III/2340 S 21 [§ 20 II VglO/aF]. Bei Beschwerde (§ 232 III) ist zuzuwarten – und soweit erfolgreich ggf nachzuholen: Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 4; MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 232 Rn 1; ebenso Paul ZInsO 2012, 259, 260; so angedeutet, aber offengelassen bei BGH NJW-RR 2017, 1130, 1131 {7} [II 2a] = NZI 2017, 751 = ZInsO 2017, 1779 – aA aber AG Hamburg ZIP 2014, 237, 238 = ZInsO 2014, 569, 570 {12}.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

geforderte Kommentare iSv Abs 2:25 die Äußerung erfolgt immer auf derselben faktischen Grundlage, nämlich genau dem Planentwurf, welchem das Gericht letztlich gewisse Erfolgschancen zubilligt. Das zusätzliche Stellungnahmerecht (Abs 2) würde sich sonst gegenüber dem autonomen Stellungnahmerecht (Abs 1) womöglich unzulässig vordrängeln. Denknotwendig wird dabei immer auch vorausgesetzt, dass überhaupt ein (Insolvenz-) Verfahren zustande kommt (Eröffnungsbeschluss [§ 27] – relevant für mögliche prepackaged-Gestaltungen! [siehe dazu bei § 217 Rn 28 und § 218 Rn 18]). Dies folgt jedoch weniger aus der praktisch nötigen Terminabfolge26 als aus rechtlich prinzipiellen Erwägungen (Planverfahren als Insolvenzverfahren); und zudem könnte es vorher nie einen Gläubigerausschuss geben. Während des Laufens der Fristen gilt eine „Veränderungssperre“:27 der Planinhalt muss inhaltlich gleichbleiben, um Kommentare zu vergleichen; nichts hindert jedoch, im Vorgriff auf § 240 bereits geplante Änderungen als Reaktion auf Kommentare separat offenzulegen. 2. Verfahrensschluss Die Stellungnahme ist gerichtsseits zwingend zu befristen (S 1)28, wobei aber ein versehentliches Unterlassen keinen rügefähigen Verfahrensfehler begründet (dazu Rn 24 [c]). Man handhabt die Frist regelmäßig als bloße Beibringungsfrist ohne Präklusionsfolge nach § 4 InsO iVm § 230 ZPO. Sie hat nur Appellfunktion, keine Ausschlusskraft in dem Sinne, dass später Nachgebrachtes völlig irrelevant bliebe.29 Fristablauf bewirkt aber, dass dann das normale Verfahren weiterläuft (oder besser wohl: weiterlaufen darf), die Stellungnahme zwar „einzuspielen“ ist (dazu § 234 Rn 5), indes nur in dem Stand, in welchem jenes Verfahren jetzt aktuell gerade steht. Und mithin besteht die Gefahr zeitlicher Überholung (arg § 235 I 3). 19 Die Fristdauer ist knapp mit höchstens zwei Wochen bemessen, allerdings nur Empfehlung (S 2: „soll“). Als relativ praktisch erweist sich die Absolutfrist (Enddatum), die alle Empfänger gleich behandelt und für klare Verhältnisse sorgt. Das dient einem zügigen Verfahrensfortgang mit gleichzeitig erfolgter Terminierung des Erörterungs- und Abstimmungstermins (§ 235 I 3), verkürzt aber zugleich uU die effektiv verbleibende Bearbeitungszeit. Die genaue Fristbemessung sollte daher auch die Übersendungszeit mit einkalkulieren. Möglich wäre genauso eine Relativfrist (Zeitraum)30, die dann freilich auch die Festhaltung des jeweiligen „Auslösetatbestandes“ abverlangt (vgl auch erg § 4 InsO iVm § 221 ZPO) – an sich genügt formlose Zuleitung, förmliche Zustellung31 (oder Verkündung) erscheint überflüssig. Solche Relativfristen werden wie üblich berechnet: § 222 I ZPO iVm §§ 186 ff BGB; Absolutfristen enden demgegenüber zur festgesetzten Zeit, an-

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MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 5. Wegen Einzelheiten siehe MünchKomm/ Breuer InsO3 § 232 Rn 7 mit Uhlenbruck/ Lüer InsO13 § 232 Rn 4 (anders nun jedoch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 4: vorherige Einholung statthaft). Das sieht richtig AG Hamburg BeckRS 2016, 19415 [1.1.1 mit 1.1.2]. AA Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 232 Rn 9: fakultativ. Ganz explizit noch EB Mot S 179 („Ordnungsvorschrift … [ohne] … Ausschlusswirkung“) – ferner: MünchKomm/Breuer InsO3

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§ 232 Rn 14; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 232 Rn 9 („muss das Gericht nicht, kann es aber berücksichtigen“); wohl auch HK/Haas InsO9 § 232 Rn 4 – aA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 7 aE. AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 7; MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn15 – so ganz explizit § 4 S 2 und 3 VglO (siehe noch bei Fn 33). Anders Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 5; MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 6 (für Abs 1), in Widerspruch zu Rn 10 (für Abs 2).

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Stellungnahmen zum Plan

§ 232

sonsten am Tagesende (§ 222 II/III ZPO bzw § 193 BGB sind insoweit unanwendbar!). Möglich sind spätere Fristverlängerungen32 (arg § 4 InsO iVm § 224 II ZPO). Das entspricht der Vorschrift des § 14 S 2 und 3 VglO, welche einst aber als zu strikt 20 für profunde Stellungnahmen empfunden wurde.33 Der Gesetzgeber hatte daher ursprünglich auf konkretere Fristvorgaben verzichtet, sie dann aber mit Art 1 Nr 23 ESUG trotzdem wieder aktiviert34 – immerhin jedoch bloß in etwas abgeschwächter Weise (Regelerwartung); das diene der Verfahrensbeschleunigung: „Die Stellungnahmen zum Plan sollen so schnell wie möglich vorliegen, …“.35 Das Gericht sollte trotz allem jedoch jeweils gründlich abwägen, ob denn am Ende eine derartige Schnelligkeit der Gründlichkeit schadet und etwa zwangsläufig auch der Informationsgehalt leidet. Oft ist mit „Überbeschleunigung“ niemandem wirklich gedient – die Frist sollte nicht gleich abschreckend wirken. 3. Stellungnahme und Sachäußerung Ziel ist es, Betroffene (Abs 1 Nr 1 Var 2 und 3) und Beteiligte (Abs 1 Nr 1 Var 1 und 21 Nrn 2/3) vorweg „anhörend“ einzuschalten bzw externen Sachverstand zuzuziehen (Abs 2). Das erfordert die zeitgleiche Übermittlung der maßgebenden Informationen, dh des eingereichten Planentwurfes nebst seiner Anlagen36 (entgegen dem Wortlaut [„ihn“] und trotz der Regel des § 234 [„mit seinen Anlagen“], dazu Näheres dort Rn 4). Das „geborene Auditorium“ (Abs 1: Rn 9–11) erhält die Unterlagen zur Stellung- 22 nahme, das „gekorene“ Auditorium (Abs 2: 12–14) hingegen nur zur Äußerung – ohne dass aber die Materialien die verschiedene Wortwahl explizit rechtfertigen. Vorgebracht werden können Zustimmung wie Ablehnung, aber zB auch Vorschläge für Änderungen.37 Man kann vielleicht die eher egoistische (Abs 1) oder altruistische (Abs 2) Motivationslage hierin rückgespiegelt finden; im einen Fall sind mehr oder weniger Interne gefragt, im anderen Fall dagegen wird externe Einschätzung erbeten; die Stellungnahme wird dementsprechend stark subjektiver Einschätzung entsprechen, die Äußerung vielleicht insgesamt objektiver bewerten. Beides aber sind Formen kommentierender Meinungskundgabe, die prozessual gleiche Behandlung erheischen. Sie dienen der reinen Information der Beteiligten – haben also nicht etwa weiterreichenden Erklärungsgehalt, wie etwa bei Abs 2 als Haftungsgrund für „Falschberatung“ (c.i.c.? [§§ 241 II, 311 III BGB] oder gar etwa § 839 BGB iVm Art 34 GG38 – Grenze: § 826 BGB!)39 oder bei Abs 1 als eine Art prozessuale

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AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 7. S 2: „unverzüglich, spätestens jedoch vor Ablauf einer Woche“ – S 3: „auf Antrag … um eine weitere Woche verlängern“) – zur Kritik bei Bley/Mohrbutter § 14 VglO Rn 8: drei bis vier Wochen; sa Veismann KTS 1968, 40, 42 f [I 3]. Mit Wirkung zum 01.03.2012: Art 10 S 3 ESUG. Zuvor wurden meist 2–3 Wochen empfohlen: Uhlenbruck/Lüer InsO13 § 232 Rn 7 [bb] (arg § 274 III 1 ZPO) – Variationen: MünchKomm/Breuer InsO2 § 232 Rn 11: nicht über 3 Wochen, ausnahmsweise bei Großverfahren länger bzw Braun/Braun/ Frank InsO4 § 232 Rn 4: maximal 2 Wochen.

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BT-Drucks 17/5712 S 33 li. Sp. So auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 232 Rn 1; BK/Flöther/Wehner/Paul InsO62 § 232 Rn 1 Fn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 5; MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 6. EB LS 2.2.12 IV lit a: „insbesondere Einwendungen und Änderungsvorschläge mitzuteilen“. Erwogen von Veismann KTS 1968, 40, 43 f [I 4]. Kritisch ist auch der Schaden: Bley/Mohrbutter VglO4 § 14 Rn 7 [1. Abs]; Veismann KTS 1968, 40, 43 f [I 4].

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Sechster Teil. Insolvenzplan

oder materielle Anerkennung nicht weiter konkret gerügter (Plan-) Passagen.40 Die Stellungnahme als solche entfaltet auch keinerlei Bindungswirkung – man darf sie also immer besserer Einsicht anpassen (wegen eventueller „Verfristung“ siehe Rn 18–20) bzw als einzelner, persönlicher Gläubiger (Abs 1 Nr 1, Var 1a – aber: § 67 III!) jeweils anders stimmen. 23 Die Kommentierung muss in deutscher Sprache erfolgen (arg § 184 S 1 GVG), und sollte schriftlich eingereicht werden; möglich wäre genauso eine Erklärung zu Protokoll der jeweiligen Geschäftsstelle (arg ex § 4 InsO [dort Rn 17] iVm § 496 ZPO – so ganz explizit § 238 II GemSchO-Entwurf). Körperliche Verfestigung allerdings erscheint unausweichlich notwendig, um anschließend Niederlegung (§ 234, dort Rn 17) zu ermöglichen. Sprachnachrichten oder Bildaufzeichnungen sind dagegen untauglich.41 4. Verfahrensfehler

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Dem „geborenen“ Auditorium (Abs 1: Rn 9–11) muss Stellungnahme ermöglicht werden (kumulativ [Nr 1] bzw alternativ [Nrn 2/3]), Verstöße dagegen erzeugen als wesentliche Verfahrensfehler42 einen zeitweiligen Ablehnungsgrund (§ 250 Nr 1) – er ist eben durchweg43 vermittels Nachholung44 behebbar! Möglich erscheint genauso „Vorholung“, wenn unmittelbar der Planvorleger die Stellungnahme bereits selbst einholt – anders gesagt: die Stellungnahme ohne vorangehende gerichtliche Aufforderung bedeutet keinen wirklich wesentlichen Mangel (dazu Rn 16 aE). – Dem „gekorenen“ Auditorium (Abs 1: Rn 12–14) müssen Äußerungsrechte eigens zugestanden werden; die Ermessensausübung ist keinesfalls aber justiziabel; würden unerbetene Stellungnahmen widerrechtlich einbezo-

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… oder gar etwa als Haftungsgrund schuldhafter Nichtaufklärung (§ 60 InsO?) – aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 232 Rn 2 (aber vgl auch ebd § 217 Rn 19!). Prozessual aber zustimmend: ebd § 232 Rn 3 im Anschluss an BGH DZWIR 2007, 343 {7 f „versus“ 9 f} [II 1b] = NZI 2007, 341 = WM 2007, 951 = ZIP 2007, 784. Anders herum gilt Verwalterhaftung für (offensichtlich) sachwidrige Stellungnahme, wenn sie eine plausible Planannahme verhindert: MünchKomm/Brandes InsO3 § 60 Rn 65a; Kübler/Prütting/Bork/Lüke InsO35 § 60 Rn 68; Nerlich/Römermann/Rein InsO31 § 60 Rn 46. Dabei wird idR wohl die Kausalität kaum nachzuweisen sein. Ganz explizit noch EB LS 2.2.12 IV lit a: „schriftlich“. Insoweit richtig noch Uhlenbruck/Lüer InsO13 § 232 Rn 8 (mittlerweile aber anders in Uhlenbruck/Lüer/Streit § 232 InsO14 Rn 8); MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 9; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 232 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 232 Rn 4 („kann … sein“ [?]); FK/Jaffé InsO9 § 232 Rn 4 – aA: Braun/Braun/Frank InsO7 § 231 Rn 2;

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HambK/Thies InsO6 § 231 Rn 4; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 231 Rn 6; BK/Flöther/Wehner/Paul InsO62 § 232 Rn 6; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO71 § 231 Rn 4. Einschränkend aber demgegenüber Schiessler Insolvenzplan (1997), S 135. Dies meint jedoch schriftliche Stellungnahme (iSv Rn 21–23); wohl auch MünchKomm/ Breuer InsO3 § 232 Rn 9 und 14; FK/Jaffé InsO9 § 232 Rn 4 – aA die hM: Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 Rn 8; HambK/Thies InsO6 § 232 Rn 4; Braun/Braun/Frank InsO7 § 232 Rn 2; ebenso K Schmidt/Spliedt InsO19 § 232 Rn 6: Heilung durch Ladung? (die freilich so oder so erfolgen muss: § 235 III 1). Noch anders Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 232 Rn 4 aE: regelmäßig sei Bestätigung auch ohne Heilung nicht (!) zu versagen [?]. Es geht ebenso wenig hier an, zwischen den insoweit Anzuhörenden zu differenzieren: HK/Haas InsO9 § 232 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 232 Rn 6 (hier aA noch InsO18: „Nur die Verwalter-Stellungnahme zu einem Schuldnerplan ist wesentlich“).

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Aussetzung von Verwertung und Verteilung

§ 233

gen (dazu Rn 15), würde das wohl keine wesentliche Verfälschung implizieren. – Die unterlassene Fristsetzung (Abs 3: Rn 18–20) beinhaltet keinen wesentlichen Mangel, zumal wenn trotzdem doch die konkrete Kommentierung erfolgte.45 5. Verfahrenskosten Wer sich äußert, agiert ganz auf eigene Kosten. Die Äußerung erfolgt im eigenen Inte- 25 resse und immer auf einer freiwilligen Basis (dazu Rn 7 und 9), nicht etwa in Form eines Gutachtensauftrags. Das gilt auch für Insolvenzverwalter:46 die eigene Stellungnahme zu fremdem Planentwurf ist Gegenstand „normaler“ Betätigung; das gilt ebenfalls auch bei Auswertung fremder Äußerungen zum eigenen Planentwurf, nur dass bereits der Planentwurf als solcher zumeist Regelsatzerhöhung erlaubt (§ 3 lit e InsVV).

§ 233 Aussetzung von Verwertung und Verteilung 1Soweit die Durchführung eines vorgelegten Insolvenzplans durch die Fortsetzung der Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse gefährdet würde, ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners oder des Insolvenzverwalters die Aussetzung der Verwertung und Verteilung an. 2Das Gericht sieht von der Aussetzung ab oder hebt sie auf, soweit mit ihr die Gefahr erheblicher Nachteile für die Masse verbunden ist oder soweit der Verwalter mit Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung die Fortsetzung der Verwertung und Verteilung beantragt.

Materialien: DiskE § 266 I (Text: S 136; Begr: BT S 241–243) [abweichend]), RefE § 266 I (Text: S 155; Begr: BT S 277–279); RegE § 277 I (BT-Drucks 12/2443 S 203 f [RV], BT-Drucks 12/7302 S 183 [RA]) – wegen DiskE § 266 II, RefE § 266 II, RegE § 277 II siehe EG Art 20 Nr 3a [insb § 30d I S 1 Nr 3 und II ZVG] (BT-Drucks 12/7303 S 108 f) – Stammfassung. Vorgängerregelungen: KO/aF § 121 Nr 1 aE (Mot S 411 = Hahn IV S 365), § 123, § 148 (Prot S 106/107 [I] und S 184 [II] = Hahn IV S 603, 676) und § 164 II (Mot S 411 = Hahn IV S 366; Prot S 111 [I] und S 184 [II] = Hahn IV S 605, 676) bzw KO/nF §§ 133 Nr 1 aE, 135, 160, 177 II. Literatur Hölzle Gesellschaftsrechtliche Veränderungssperre im Schutzschirmverfahren, ZIP 2012, 2427, 2429–2431; Obermüller Eingriffe in die Kreditsicherheiten durch Insolvenzplan und Verbraucherinsolvenzverfahren, WM 1998, 438.

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Ohne diesen einschränkenden Zusatz freilich MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 12. Das sieht richtig AG Hannover ZInsO 2016, 2107, 2108 [III 2] {19}). Unklar vermengend

leider MünchKomm/Breuer InsO3 § 232 Rn 17 – aA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 232 Rn 9: „geht zulasten der Masse“; BK/ Flöther/Wehner/Paul InsO62 § 232 Rn 9.

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§ 233

Sechster Teil. Insolvenzplan

Übersicht I. Normzweck . . . . . . . II. Normgenese . . . . . . . 1. Konkursordnung . . . 2. Diskussionsentwurf . . 3. Insolvenzordnung . . . III. Zulässigkeit . . . . . . . 1. Zuständigkeit . . . . . 2. Antragsbefugnis . . . 3. Antragszeitraum . . . 4. Rechtsschutzbedürfnis 5. Einzelanordnung . . .

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Rn. 1 6 6 7 8 9 9 10 11 14 17

IV. Begründetheit . . . . 1. Gefährdungslage . 2. Beweisbelastung . . 3. Gesamtabwägung . 4. Einzelanordnung . V. Entscheidung . . . . . 1. Gesamtanordnung 2. Einzelanordnung .

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Rn. 18 18 21 22 25 26 26 29

I. Normzweck 1

Zweck der Regel ist es, der vorzeitigen Zerschlagung einer Betriebseinheit vorzubeugen. Mag auch die Veräußerung einzelner Gegenstände uU für sich genommen finanziell sinnvoll erscheinen (Einzelbetrachtung), so kann sie doch in größerem Zusammenhang (Planumsetzung, sanierendes Gesamtkonzept, Zukunftssicht etc) Folgeschäden auslösen (Gesamtbetrachtung). Sie dient daher dem Langfristziel bestmöglicher Befriedigung (§ 1 S 1 Hs 1) – das erklärt nicht zuletzt das spürbare Spannungsverhältnis zwischen Satz 1 (dazu näher gleich Rn 2) und Satz 2 (dazu näher gleich Rn 3). Dahinter steckt eine – legislativ bewusst so intendierte – temporäre Begünstigung planerischer Sanierung (arg ex S 1), jedenfalls zumindest der ernstlich erstrebten Sanierung mit realer Chance der Umsetzung (S 2 e contr – siehe auch schon § 177 II KO). 2 § 266 I DiskE hatte bloß den Normgehalt des Satz 1 ausgedrückt; von dort stammt auch die Zweckbestimmung, man dürfe das Planvorlagerecht praktisch nicht aushöhlen: „Dem Plan könnte durch den Fortgang der Verwertung [und Verteilung] die tatsächliche Grundlage entzogen werden, schon bevor die Gläubiger Gelegenheit hatten, über die Annahme des Plans zu entscheiden.“1 Man heißt das gerne ein Unterminierungsverbot,2 treffender wäre allerdings wohl die Zweckbeschreibung als Offenhaltungsgebot. Es wird durch eine gerichtsseitige einstweilige Verwertungssperre durchgesetzt (Absicherung von Sachmitteln) und kann auf eine einstweilige Verteilungssperre hinauslaufen (Absicherung von Barmitteln). Die Norm präsentiert sich als (insolvenz[plan]spezifische) Erscheinungsart einstweiligen, nicht vorbeugenden Rechtsschutzes.3 3 § 266 I S 2 RefE setzte indes dann den Normgehalt des Satz 2 hiergegen; von daher rührt der folgende Gedanke: „Hätte die Vorlage eines Plans stets die Aussetzung der Verwertung und Verteilung zur Folge, so könnte zB der [Gemein-] Schuldner eine bereits ausgehandelte, für die Gläubiger günstige Unternehmensveräußerung durch die Vorlage eines Fortführungsplans für beträchtliche Zeit blockieren und dadurch möglicherweise ganz zum Scheitern bringen.“4 Das ist nun in der Tat ein Unterminierungsverbot, jedoch in völlig anderer – gegenläufiger – Gestalt: es sichert gegen die „Aushöhlung“ der Liquidation

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BT-Drucks 12/2443 S 204 [§ 277 {1}] in Anlehnung an DiskE-Mot BT S 241/242. MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 1.

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Wegen der Begrifflichkeiten siehe bei Henckel AcP 174 (1974), 97, 98 ff [I] und Münch LA Henckel (2015) S 231, 234 ff [II]. BT-Drucks 12/2443 S 204/205 [§ 277 {2}] (Zitat: S 205) in Anlehnung an RefE-Mot S 277/278.

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Aussetzung von Verwertung und Verteilung

§ 233

(durch eine nur „verschleppende“ Planinitiative) und firmiert als Abwägungskriterium im Gläubigerinteresse. § 233 erlaubt eine globale Sistierung der Liquidation (Gesamtanordnung). Er ist zu- 4 sammenzusehen mit § 30d ZVG (speziell: Zwangsversteigerung) und § 153b ZVG (generell: Zwangsverwaltung), die einstweilige Einstellung der schwebenden Grundstücksvollstreckung ermöglichen, vor allem wenn „durch die Versteigerung die Durchführung eines vorgelegten Insolvenzplans gefährdet würde“ (vgl § 30d I 1 Nr 3 ZVG [Verwalter], aber erg auch Abs 2 [Schuldner]) (Einzelanordnung). Diese richtet sich scheinbar ganz gezielt gegen konkurrierende Befriedigungsmöglichkeiten von „immobiliaren“ Absonderungsberechtigten (§ 165),5 vgl Rn 19 f iVm 15. Der Rechtsausschuss hat jedoch dann wieder die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts hergestellt und den Tatbestand ins ZVG verschoben6 (§ 49 InsO: „nach Maßgabe des … [ZVG] …“). Daraus folgt eine am Ende grundlegend veränderte Zielrichtung als prozessuale Spezi- 5 alregel ohne Entscheidungsmacht des Insolvenzgerichts. Das bringt den Vorzug unmittelbar verfahrensnaher Entscheidung, birgt jedoch die Gefahr eines eventuellen Widerspruchs kraft unterschiedlicher Gerichtsprognose. Man möchte dem Vollstreckungsgericht deshalb gerne raten, die Entscheidung parallelen Globalantrags abzuwarten (in Anlehnung an § 148 ZPO7): „prozessual“ geht die Einzelanordnung klar der Globalanordnung vor, „materiell“ erfolgt indes die generelle Bewertung aufgrund insolvenzrechtlicher Prognose. Und zudem scheint nunmehr durch die separate Regelung die engere Verkoppelung mit der Absonderung gelöst (dazu schon eben Rn 4 aE). Wegen weiterer Besonderheiten siehe insoweit Rn 17, 25, 29.

II. Normgenese 1. Konkursordnung Die einstige Regelung war inhaltlich geprägt durch größere Diversität.8 Es gab zwei 6 Ansatzpunkte: Zum einen das Erfordernis, die Genehmigung des Gläubigerausschusses bei vorzeitiger Veräußerung einzuholen (§ 133 Nr 1 KO: Verkauf bevor „ein … eingereichter Zwangsvergleichsvorschlag erledigt ist“ [jetzt: S 1], und zwar für „Gegenstände, deren Verkauf ohne offenbaren Nachteil für die Masse ausgesetzt werden kann“ [jetzt: S 2]); der Gemeinschuldner war ferner in Kenntnis zu setzen (§ 135 I KO [jetzt: § 161 S 1]), das Konkursgericht konnte sodann auf seinen Antrag „die Vornahme der Rechtshandlung vorläufig untersagen und zur Beschlußfassung über die Vornahme eine Gläubigerversammlung berufen“ (§ 135 II KO [jetzt: § 161 S 2]); Pflichtverstöße machten indes die Verfügung nicht unwirksam (§ 136 KO [jetzt: § 164]). Zum anderen die gerichtliche Aussetzung der anstehenden Verteilung (erfolgt auf Antrag des Gemeinschuldners) bei vorgeschlagenem Zwangsvergleich (§ 160 KO) [jetzt: S 1]; sie wurde hinfällig bei einer Zurückweisung des

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Deswegen ursprünglich unmittelbar verortet in § 266 II DiskE f § 266 II RefE f § 277 II RegE in Ergänzung zu §§ 177–179 DiskE f §§ 177–179 RefE f §§ 187–190 RegE. BT-Drucks 12/7302 S 160 li./re. Sp. [§ 56 RegE], S 176 re. Sp. [§§ 187–190 RegE] („Der Ausschuß sieht es als rationeller an, …“), S 183 li. Sp. [§ 277 RegE] mit BTDrucks 12/7303 S 108 f.

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Es geht freilich hier um letztlich parallele Vorfragen. Notfalls sollte aber § 30f I 1 Var 1 ZVG helfen (Aufhebung der Einstellung mit Wiederaufnahme). DiskE-Mot BT S 242 („in erheblich komplizierterer Weise“) bzw RefE-Mot BT S 278 und BT-Drucks 12/2443 S 205 li. Sp. [§ 277 {3}] („in etwas komplizierterer Weise“).

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§ 233

Sechster Teil. Insolvenzplan

Akkordvorschlags von Seiten des Gläubigerausschusses (§ 177 II KO) [jetzt: S 2], dazu erg auch § 232 Rn 4. 2. Diskussionsentwurf

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§ 266 I DiskE regelte zunächst etwas gänzlich Anderes: er gab eine Handlungsanweisung an den Insolvenzverwalter für den Fall, dass ein Plan von Dritten vorgelegt worden war und er ihn zur näheren Stellungnahme erhielt – alsdann hätte der Insolvenzverwalter „die Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse insoweit [!] auszusetzen [gehabt], als diese Handlungen die Durchführung des Plans gefährden würden.“ Der Tatbestand (S 1 Hs 1: Rn 18–22 – aber: S 2!) hat sich offenbar weitgehend erhalten, die Rechtsfolge (S 1 Hs 2: Rn 26–28) ist hingegen grundlegend geändert: es folgt gerichtliche Entscheidung unter umfassender Abwägung der beteiligten Interessen. Die anfängliche Konzeption war indes die eines Schutzrechtes für Dritte als Planvorleger (Verbot „[vor-] schneller“ Fakten), der Insolvenzverwalter als Planverfasser und Masseverwerter in Personalunion bedurfte keines Schutzes. Jener Schutz griff jedoch erst nach erfolgreich überstandener Vorprüfung (§ 264 DiskE [§ 231 InsO]), die stets der Stellungnahme (§ 265 DiskE [§ 232 InsO]) begrifflich vorgeschaltet war. 3. Insolvenzordnung

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§ 266 I RefE bzw § 277 I RegE eröffnete die Dialektik von S 1 zu S 2 (dazu Rn 1–3), der Rechtsausschuss verlagerte anschließend ergänzend Abs 2 ins ZVG (dazu Rn 4 f). Damit wird einerseits zwar der grundbuchbezogenen Spezialzuständigkeit (§ 1 I ZVG: Vollstreckungsgericht!) gewisse Rechnung gezollt, andererseits ein „Auseinanderlaufen“ der Anordnungen in Kauf genommen; der Wortlaut der Regelung des heutigen § 233 hat indes dadurch jetzt die unmittelbare systematische Beschränkung auf materiell „absonderungsfreie“ Gegenstände (bzw Grundstücke) eingebüßt (dazu Rn 19 f iVm Rn 15). Dazu tritt eine weitere, zunächst offenbar ebensowenig bemerkte Änderung (dazu Rn 10 mit 7): die eindeutig zweckgebundene Zuweisung der Antragsrechte (§ 277 I 1 Hs 1 RegE: „des Vorlegenden oder des Insolvenzverwalters“) ist schlichtweg einfach untergegangen (ist heute Handeln „über Kreuz“ möglich? – Näheres siehe bei Rn 10). In beiden Fällen ist insoweit zu befinden, ob man die alte systematische Konzeption gleichwohl aufrechterhält oder sachlich dem Normwortlaut entsprechend neu anknüpft. – Der Wortlaut entspricht komplett der InsO-Stammfassung.

III. Zulässigkeit 1. Zuständigkeit

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Der Antrag ist zu richten ans verfahrensführende Insolvenzgericht (Annexzuständigkeit). Zuständig ist seit dem 01.01.2013 der Richter als solcher (§ 18 I Nr 2 RpflG idF Art 5 Nr 2a [aa] ESUG), nicht mehr wie früher der Rechtspfleger (§ 3 Nr 2e RpflG). Aus der AGKompetenz (§ 2 I) folgt ergänzend die generelle Postulationsfähigkeit (arg ex § 4 InsO iVm § 79 I 1 ZPO [„Parteiprozess“] „versus“ § 78 I 1 ZPO).9

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Ganz allg dazu MünchKomm/Ganter/Lohmann InsO3 § 4 Rn 46; Uhlenbruck/Pape

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InsO14 § 233 Rn 4; HambK/Rüther InsO6 § 4 Rn 21.

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Aussetzung von Verwertung und Verteilung

§ 233

2. Antragsbefugnis Die Aussetzung bedarf eines gezielten, eigenen Antrages (S 1 Hs 2), erfolgt mithin nicht 10 etwa von Amts wegen. Wortwörtlich bestehen selbständige Antragsbefugnisse, und zwar für Gemeinschuldner (Var 1) und Insolvenzverwalter (Var 2). Gemeint ist hiermit ein Antragsrecht des Planverfassers, was jedoch missverständlich ausformuliert worden ist. Die Regelungsintention des Regierungsentwurfs nämlich war eine andere (Absicherung des Planentwurfs von Minderheiten10 – RV: „Antrag des Vorlegenden oder des Insolvenzverwalters“); man konnte daraus schließen, der Insolvenzverwalter hätte aus eigenem Antrieb für einen Planinitiator unterstützend eingreifen können (scil. originäres Antragsrecht des Vorlegenden [das konnte der Insolvenzverwalter sein!], sekundäres Antragsrecht des Beauftragten). Der Rechtsausschuss hat bekanntermaßen das Vorlagerecht insoweit eingeschränkt – indes dann bei § 277 I RV die (Folge-) Korrektur jedoch fälschlich vollzogen:11 „Antrag des Vorlegenden“ hätte stehenbleiben sollen, hingegen der Nachsatz („oder des Insolvenzverwalters“) jedoch entfallen müssen – es gab kein Minderheitenschutzbedürfnis mehr. In der Gesetz gewordenen Lesart ist es nun demgegenüber weitaus naheliegender, dass abhängige Antragsbefugnisse vorliegen, dh „[Gemein-] Schuldner“ [Var 1] und „Insolvenzverwalter“ [Var 2 – dazu siehe noch Rn 7 f] mit Blick auf § 218 I S 1 als Planverfasser hier angesprochen sind.12 Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss sind beide wortlautgemäß nicht selbst antragsbefugt;13 indes – weil vorlageberechtigt (§ 284 I) – aber ein Sachwalter bei Eigenverwaltung.14 3. Antragszeitraum a) Beginn. Der Antrag erscheint nur statthaft, wenn und weil ein Insolvenzplan bereits 11 als solcher präsentiert ist (arg S 1 Hs 1 „eines vorgelegten Insolvenzplans“). Gemeint ist offenkundig Planeingang bei Gericht (dazu § 218 Rn 18). Einerseits spricht jedoch nichts dagegen, einen bedingt gestellten vorzeitigen Antrag zuzulassen, wenn es denn zu einem tatsächlichen späteren Insolvenzplan kommt („Antrag auf Vorrat“). Ob das Sinn macht, mag sicher bezweifelt werden; klar ist doch, dass eine Beurteilung der Begründetheit die vorherige Planvorlage erfordert (um hieran Gefährdung [Rn 18–22] zu prüfen); man sollte insgesamt jedoch den voreiligen Antrag nicht gleich überhastet als unzulässig zurückweisen, sondern ihn stattdessen „auf Halde“ parken.15

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13

BT-Drucks 12/2443 S 196 li./re. Sp. [§ 255 {1}]. BT-Drucks 12/7302 S 183 („Folgeänderungen“). AA die hM: Schiessler Insolvenzplan (1997), S 136 ff; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 233 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 233 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 8; MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 4 mit Rn 1; HK/Haas InsO9 § 233 Rn 2 f; Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 233 Rn 3. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 15; MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 5 – hier aA Smid/Leonhardt/Zeuner/Rattunde InsO3 § 233 Rn 15. Möglich ist dagegen ein „Spiel über Bande“ –

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arg §§ 157, 159 (Verpflichtung des Verwalters zum „Auftragsplan“: § 218 Rn 1, 3, 46–54), zutr Häsemeyer InsR4 Rn 28.10. Nur iE so Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 8 (Analogie). Noch weitergehend wohl MünchKomm/ Breuer InsO3 § 233 Rn 7 mit (freilich zweifelhafter) Berufung auf Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 233 Rn 9 und Hess/Weis/ Wienberg InsO2 § 233 Rn 10: vorzeitige Entscheidung [?] ermöglicht (unklar insoweit leider K Schmidt/Spliedt InsO19 § 233 Rn 5). Das widerstreitet dem Gesetzeswortlaut! Allemal zutr dagegen Obermüller WM 1998, 483, 485 [II 2a]: Antragstellung vor Eröffnungsbeschluss.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

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Andererseits versucht man zusätzlich zu verhindern, dass gerichtliche Entscheidungskompetenzen konkurrieren; mit Rückgriff auf Systematik und Normzweck wird demgemäß noch verlangt, dass der eingereichte Planentwurf die gerichtliche Vorprüfung übersteht (was grundsätzlich Verfahrenseröffnung voraussetzt, vgl § 231 Rn 4116), dh mithin Zurückweisungsgründe (§ 231 I und II) fehlen17. So weit möchte ich jedoch nicht gehen (wiewohl gerade hier die „verfrühte“ Antragstellung [dazu Rn 11] naheliegt18). Bedenkt man nämlich den „interimistischen Schutzcharakter“ (dazu Rn 1 f), kann auch für jene Zeit der Vorprüfung ein handfestes „Offenhaltebedürfnis“ existieren (wenn und weil sich der Plan nicht etwa prima facie als schon zweifelsfrei zurückweisungsreif präsentiert …). Man sollte den Antrag demgemäß für zulässig halten – und dann alles andere der nachfolgenden Begründetheitsprüfung überantworten.19 Das macht vor allem dann besonderen Sinn, wenn gegen eine Zurückweisung Beschwerde (§ 231 III) geführt wird, zumal doch das Anordnungsrecht beim Ausgangsgericht liegt. 13 b) Schluss. Der Antrag ist auch nach der Planvorlage noch einbringbar; möglicherweise ergibt sich ja erst später die tatbestandlich vorausgesetzte Gefährdungslage (dazu Rn 18– 22). Er ist solange möglich wie das Insolvenzverfahren als solches noch schwebt (und also darum Verwertung bzw Verteilung droht). Der Antrag wird mithin erst unstatthaft mit förmlicher Aufhebung des jeweiligen Verfahrens, nicht etwa schon mit rechtskräftiger Planbestätigung20 (arg § 258). Denn bis dahin ist eine tatsächliche Plangefährdung vorstellbar und sollte dieser vorgebeugt werden können. Danach gelten demgegenüber andere Regeln zur Sicherung planerischer Umsetzung (vgl § 255 [Wiederaufleben), § 260 [Überwachung], sowie vor allem § 259a [Vollstreckungsschutz]21). 4. Rechtsschutzbedürfnis

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Die hM spricht – folgend den Motiven22 – der Regelung die Relevanz ab für alle Pläne, die vom Verwalter selbst herrühren, zumal er stets ja solch gefährdende Verwertung und Verteilung veranlassen müsste (§ 159).23 Das wäre von ihm wohl ein materiell widersprüchliches Verhalten; und prozessual ermangelt demzufolge das Rechtsschutzbedürfnis, zumal

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AA Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 233 Rn 12 aE. HM: K Schmidt/Spliedt InsO19 § 233 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 9; HambK/Thies InsO6 § 233 Rn 2; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 233 Rn 2; HK/ Haas § 233 InsO8 Rn 7. Das folgt per saldo der Regel des § 266 DiskE („Sobald … zur Stellungnahme zugeleitet“, vgl Rn 7 aE), vgl Mot BT S 242. Unklar FK/Jaffé InsO9 § 233 Rn 12 („gilt“?); Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 233 § 233 Rn 12 (siehe oben bei Rn 16); MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 6 (siehe oben bei Rn 15). Jene „tolerieren“ hier prozessual auch Obermüller WM 1998, 483, 485 [II 2 a]; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 9; MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 7; HambK/Thies InsO6 § 233 Rn 2. Dies vermengen etwa Häsemeyer InsR4 Rn 28.10 und MünchKomm/Breuer InsO3

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§ 233 Rn 6 (in auffälligem Widerspruch zu Rn 7). So aber Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 9; Hess/Hess InsO2 § 233 Rn 11; MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 7 und 10. BT-Drucks 17/5712 [RV/ESUG] S 37 f. RefE-Mot BT S 278/279 (bzw RegE-Mot S 205 li. Sp. [§ 278 {4}]: „Kein Anlaß für eine besondere Aussetzungsanordnung des Gerichts besteht …“ – im Anschluss an § 266 I DiskE, der allerdings anders konzipiert war (dazu Rn 7). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 2 f; FK/Jaffé InsO9 § 233 Rn 14; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 233 Rn 2–5 bzw Braun/Braun/Frank InsO7 § 233 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 Rn 10. Lediglich im Grundsatz so (gelte ausschließlich für Auftragspläne gemäß § 157 S 2 – siehe aber bei Fn 26): K Schmidt/Spliedt InsO19 § 233 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 233

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Aussetzung von Verwertung und Verteilung

§ 233

hier ein direkterer Schutzmechanismus offensteht, der noch zudem unmittelbarer wirkt. Zwar würde ebenso die nötige Gefährdungslage (dazu Rn 18–22) fehlen; der Fall scheint indes derart eindeutig, dass man auf eine zusätzliche Begründetheitsprüfung verzichten kann und hier regelmäßig (bereits im Vorfeld – Zulässigkeitsprüfung!) ein konkretes Schutzbedürfnis ermangelt. Eine Korrektur wäre konsequenterweise aber angezeigt für alle Fälle, in denen dem 15 Verwalter derartige „Selbsthilfemöglichkeiten“ fehlen. Solches kann sich ergeben bei Massegegenständen mit Absonderungsrecht. Bei Grundstücken konkurrieren die Verwertungsrechte zwar – aber: jenen Fall deckt just § 30d I Nr 3 ZVG ab, mit expliziter Möglichkeit, die Einstellung zu beantragen; der Insolvenzverwalter mag sich des Spezialbehelfs bedienen (Einzelanordnung: Rn 17 iVm 4 f), muss also nicht etwa die globale Anordnung (§ 233) bemühen. Bei Mobilien und Forderungen hat zumeist der Verwalter die Vorhand, doch verbleibt eine wichtige Einschränkung: Gegenstände in Drittbesitz (§ 166 I einerseits, § 173 andererseits). Solche Verwertungsmaßnahmen könnte der Verwalter allemal verzögern möchten, wenn sie denn die zukünftige Planumsetzung erschweren (anders der Ansatz der hM, siehe dazu bei Rn 19). Ihm wird zB24 hier wenig an einer Ablösung verpfändeter Mobilien liegen, zumal auch umgekehrt doch die Planumsetzung ebensowenig sichergestellt ist. – Keinerlei Einschränkung erfordert demgegenüber § 168 (III), denn die Übernahme durch einen Gläubiger setzt vorher immer Veräußerungswillen des Insolvenzverwalters voraus. Man denkt meist an eine andere Ausnahme:25 die haftungsrechtliche Absicherung des- 16 jenigen Insolvenzverwalters, der Sanierung bevorzugt und folgerichtig Verwertung zurückstellt. Dafür aber ist § 233 allemal das falsche Instrument – er kann (und will) keinen materiellen „Freibrief“ verschaffen, sondern ausschließlich prozessuale Möglichkeiten offenhalten; die entscheidende Pflichtbindung kann nicht „prätorisch“ modifiziert werden. Außerdem fehlt es zum „Ob“ der geplanten Sanierung an jeglicher Bewertung. Jene Haftungsfrage wird offenkundig woanders entschieden. Wer hier als Insolvenzverwalter sicher sein möchte, muss sich einen Gläubigerauftrag holen26 (arg § 159: „hat … zu verwerten, soweit die Beschlüsse der Gläubigerversammlung nicht entgegenstehen“). 5. Einzelanordnung § 30d ZVG differenziert die Tatbestände danach, wer insoweit die Planinitiative er- 17 greift (dazu Rn 10), sei es der Insolvenzverwalter (Abs 1 S 1 Nr 3), sei es der Gemeinschuldner (Abs 2 Hs 1); nur in dem letzteren Fall wird gefordert, dass der Plan auch die ge-

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Rn 2 aE; MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 4; wohl auch BK/Flöther/Wehner InsO29 § 233 Rn 8. AA (keine Einschränkung nötig?) zB Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 233 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 233 Rn 2; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 233 Rn 2; wohl auch Hess/Hess InsO2 § 233 Rn 4. Jenen Fall nennt BT-Drucks 12/2443 [§ 200 RegE]. So der Vorschlag von Smid/Leonhardt/Zeuner/Rattunde InsO3 § 233 Rn 2; HambK/

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Thies InsO6 § 233 Rn 6 und K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 233 Rn 1 f iVm Rn 5 – siehe dagegen indes Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 5–7; MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO71 § 233 Rn 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 233 Rn 2, aber s auch Fn 2; FK/Jaffé InsO9 § 233 Rn 14. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 7 aE. Dies übersieht mE letztlich hier MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 4 (als Ausnahme – siehe aber bei Fn 21).

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Sechster Teil. Insolvenzplan

richtliche Vorprüfung überstanden hat (dazu Rn 12). Eine Versteigerung soll erst nach rechtskräftiger Ablehnung bekanntgemacht werden (§ 30d III Hs 1 iVm § 30b IV ZVG).

IV. Begründetheit 1. Gefährdungslage

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Dem Normwortlaut nach erforderlich ist Planvorlage einerseits, Gefährdung andererseits; sie müsste eigentlich „durch die Fortsetzung der Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse“ noch ausgelöst sein. Das lässt sich als insgesamt offensichtliche, konkret fassbare Beeinträchtigung verstehen. Man sollte jedoch gleichsam in Anlehnung an § 1004 I S 2 BGB (und zwar trotz Rn 2 aE) neben Wiederholungsgefahr (oder besser hier: Vertiefungsgefahr) eine reelle Erstbegehungsgefahr ebenso ausreichen lassen; inzwischen verschwimmt dogmatisch bekanntlich die formelle Grenzlinie zwischen reagierender und vorbeugender Unterlassungsklage im Gefährdungsmoment.27 Die Frage ist damit, inwieweit eine abstrakt spürbare Beeinträchtigung genügend verdichtet vorliegt. Das erscheint immer Ergebnis einer Einzelfallbewertung, welche man jedoch vom vorher erfolgten Verwertungsbeginn abkoppeln sollte – anders gesagt: bevorstehende Einleitung von Verwertung oder Verteilung vermag bereits genügen.28 Begrifflich fordert das dann nicht zwangsläufig einen Sanierungsplan, ein Liquidationsplan mit höherer Quotenerwartung genügt29 (arg Rn 2 f). 19 Erfasst werden sämtliche Gegenstände der Insolvenzmasse (§§ 35–37), auch was noch hernach dazu gelangt (§ 143). Eine Einschränkung etwa dahingehend, dass bloß solche Gegenstände erfasst sind, welche der Insolvenzverwalter zu verwerten (iSv §§ 166 ff „versus“ § 173 I; siehe dazu schon Rn 15) kompetent ist, wie dies die hM30 unterstellt, entbehrt gesetzlicher Regelung; sie reduziert die Anordnung zu Unrecht auf die Gehalte in § 173 II, dh die Möglichkeit des Verwalters, die Verwertung zu übernehmen (mithin an sich zu ziehen). Der Wortlaut ist glasklar aber allumfassend hier ausformuliert: es geht um alle dinglich dem Gemeinschuldner zugeordneten (oder im Fall von § 143: zuzuordnenden) Gegenstände, unabhängig von der Besitzlage. Der Normzweck (dazu Rn 1 f) deutet Nämliches an: sämtliche Mittel zur Planumsetzung sollen „sichergestellt“ werden. Die bestehende Verwertungsbefugnis (des Verwalters) kann daher nicht noch ungeschriebenes zusätzliches Tatbestandsmerkmal sein. Es fehlt ein Grund, jene Rechteinhaber zu privilegieren; ihre Sicherheit bleibt als solche ganz untangiert! Dennoch ist jeweils der Vorrang der Einzel- vor der Gesamtanordnung insoweit zu beachten (dazu Rn 15). Freilich mag generell die nötige Gefährdungslage fehlen, wenn und weil die Gegenstände schon gar nicht „planrelevant“31 sind (vgl auch erg § 223). 27 28

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Siehe dazu bei Soergel/Münch § 1004 BGB Rn 198 iVm Rn 228 ff. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 233 Rn 4; HK/ Haas InsO9 § 233 Rn 6; MünchKomm/ Breuer InsO3 § 233 Rn 8; HambK/Thies InsO6 § 233 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 10 aE; Braun/Braun/Frank InsO7 § 233 Rn 6; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 233 Rn 4; FK/Jaffe InsO8 § 233 Rn 13. Eher indifferent dazu K Schmidt/Spliedt InsO19 § 233 Rn 4; HambK/Thies InsO § 233 Rn 4.

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 10; MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger § 233 InsO71 Rn 13; HK/Haas InsO9 § 233 Rn 5 – meistens im Anschluss an Obermüller WM 1998, 483, 485 f [II 2b] bzw Schiessler Insolvenzplan (1997), S 140; wohl (leider etwas unklar) auch FK/Jaffé InsO9 § 233 Rn 3. So wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 233 Rn 6. Insoweit richtig mithin K Schmidt/Spliedt InsO19 § 233 Rn 6 und wohl auch HK/Flessner InsO6 Rn 5: sachliche Beschränkung statthaft.

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Aussetzung von Verwertung und Verteilung

§ 233

Hiergegen steht womöglich aber letztlich ein Systemargument: die wichtigen absonde- 20 rungsberechtigten Gläubiger mit autonomen Verwertungsbefugnissen (nämlich die Inhaber von Grundpfandrechten, vgl § 165 InsO einerseits, § 30d I S 1 Nr 3 und II ZVG andererseits) werden anderweit erfasst, wobei dann die Einzelanordnung die Gesamtanordnung verdrängt (lex specialis, vgl Rn 4 f) – also: Umkehrschluss oder Auffangregel? Ein Verkoppeln mit Verwertungsbefugnissen des Verwalters würde hier zwar die randscharfe Abgrenzung im Wettstreit von Gesamt- und Einzelanordnung gestatten – jedoch um den Preis offener Flanken (§ 173 I). Mir scheint die materielle „Klammer“ aufgegeben, und zwar zugunsten selbständiger, konkurrierender Antragsrechte. Die Einzelanordnung ist demnach heute nur noch Konzession „grundbuchgeführter“ Abwicklung (mit Überantwortung ans Vollstreckungsgericht als die „rationellere“ Art der Abwicklung32), trägt aber keine teleologische Einschränkung entgegen dem Wortlaut, welcher einschränkungslos dasteht. 2. Beweisbelastung Es gilt Amtsermittlung nach § 5 I. Das Insolvenzgericht muss demgemäß amtswegig 21 aufklären und Fakten herausfinden (Betätigung pflichtgemäßen Ermessens!). Schwerpunkt wird meist indes eine Gefährdungsbewertung sein (und eher nicht Gefährdungsermittlung), es geht um eine letztendlich vorläufige Einschätzung als Ausdruck einstweiligen Schutzes (dazu Rn 1 f). Doch bedarf es keiner weiteren Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) von Seiten des Antragstellers (arg § 259a I und II e contr). Zwei Punkte sind strikt abzugrenzen: (a) Trotz Amtsermittlung gilt vorgeschaltet der Dispositionsgrundsatz, daher ist immer Antragstellung nötig (dazu Rn 10–16), gar auch in Form eines „Gegenantrags“ (S 2 Var 2, dazu Rn 24) als sachliches Entscheidungskriterium; (b) Amtsermittlung befreit nicht vom Unaufklärbarkeitsrisiko (non liquet). Dieses trägt – wie immer – dann der Antragsteller (iSv S 1 – bei S 2 Var 2 freilich allenfalls für die Zustimmung relevant), und zwar einschließlich auch der Zulässigkeitsfragen. 3. Gesamtabwägung S 1 setzt mehr auf Plandurchführung, S 2 dagegen setzt auf Masseerhaltung; S 1 sieht 22 hier die Zukunftschancen, S 2 realisiert dagegen die aktuellen Risiken. Die beiden Gesichtspunkte müssen gegeneinander abgewogen werden. Meist wird man aber beide Bereiche nicht deutlich abzugrenzen vermögen: es geht am Ende um eine gerichtsseitige Gesamtabwägung von Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken („SWOT-Analyse“ – siehe dazu schon § 220 Rn 36) als eine Art „Momentaufnahme“. Es geht aber auch um Zeitfaktoren, nicht etwa nur Sachkriterien. Die Gesamteinschätzung kann sich dementsprechend somit im Lauf der Zeit ändern (sei es, dass etwa alternative Möglichkeiten sich offenbaren [S 2] oder Planvorgaben etwas umgestaltet werden [S 1]). Das Gesetz berücksichtigt mithin konsequent sowohl die aktuelle („sieht von der Aussetzung ab …“) wie auch die künftige („ … oder hebt sie auf“) Entwicklung. Man wird das aber nicht etwa auf S 2 beschränken, sondern allgemein Aufhebbarkeit gestatten. Als sachlicher Versagungsgrund (S 2 Hs 1) wirkt einzelfallabhängig stets die tatsachen- 23 fundierte erhebliche Massegefährdung. Was derartige erhebliche Nachteile begründet, lässt sich schwer abstrakt festmachen. Es geht um eine komplizierte Abwägung finanzieller

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Vor- und Nachteile33 (und zwar ex ante), doch existieren zwei Fallbeispiele klarer Einordnung. (a) Als erheblich wird angesehen, wenn infolge weiteren Wartens eine übertragende Sanierung unterbleiben müsste, freilich nicht ohne weiteres: sie sollte ausgehandelt bereits vorliegen („Greifbarkeit“) und sich für alle Gläubiger günstiger darstellen („Nützlichkeit“)34 – verhinderte „Nachteile für die Masse“ bedeuten reziprok immer auch gewonnene „Vorteile für die Gläubiger“; Vieles wird trotz allem jedoch in einer schweren Prognose enden („Spatz in der Hand“ gegen „Taube auf dem Dach“). (b) Als unerheblich werden betrachtet die Zinsnachteile, die zwangsläufig aus verspätetem Rückfluss folgen.35 Denn die zeitliche Verzögerung erscheint doch als solche gebilligt; es müssen zusätzlich Massenachteile befürchtet werden – anders gesagt: die Umkehrung ist nicht erlaubt: gewonnene „Vorteile für die Gläubiger“ können auch in (letztendlich ja abzuwehrende) „Nachteile für die Masse“ umschlagen. (c) Angesichts solch verzwickter Abwägungsprobleme hilft vielleicht als Faustregel die Überlegung, dass dies als Einschränkung (Ausnahme) ausformuliert ist, im Zweifel also deshalb Aussetzung erfolgt, mindestens wenn und weil der Planvorschlag die gerichtliche Vorprüfung (§ 231) überstanden hat,36 zumal sich dadurch auch die jeweiligen Realisierungschancen „verdichten“ (aber vgl auch Rn 12). 24 Als förmlicher Versagungsgrund (S 2 Hs 2) ist zusätzlich noch vorgesehen ein nicht prognostisch, sondern voluntativ geformtes Ablehnungskriterium, der sog Gegenantrag, der gerichtliche Prüfung vollständig erübrigt.37 (Formal) Antragsberechtigt ist ausschließlich der Insolvenzverwalter, er muss aber seinen Antrag (materiell) mit den Gläubigern koordinieren („mit Zustimmung“); sie sprechen mit durch ihren Gläubigerausschuss, falls denn einer besteht (§ 67 I), sonst ist damit die Gläubigerversammlung (§§ 74 ff) explizit zu befassen. Dies ist eine Art „rückgekoppelte“ Antragstellung, alle beide müssen im Konsens agieren; fraglich ist freilich, ob die Beauftragung des Verwalters zur Planerstellung (§ 157 S 2) auch solch Tätigwerden mit einbegreift. Sicher liegt zwar die Verwertungshoheit beim Insolvenzverwalter (§ 159 Hs 1), aber doch bloß „soweit die Beschlüsse der Gläubigerversammlung nicht entgegenstehen“ (§ 159 Hs 2). Man sollte mithin der Gläubigerschaft im Innenverhältnis das letztliche Prä zugestehen;38 im Außenverhältnis müssen die beiden zusammenwirken!39 Spricht sich die Gläubigerschaft für Sofortverwertung aus, liegt bei einem fortführungsrelevanten Massebestandteil dann spätere Planablehnung ohnehin nahe (vgl auch erg § 231 I Nr 2, dort Rn 28). Ergänzend gilt natürlich, dass sich beide Gegengründe nicht ausschließen, dh ein Votum der Gläubigerversammlung (iSd Var 2) ein Indiz für Massegefährdung (iSd Var 1) sein kann; jedoch macht erst das Einvernehmen den „formalisierten“ Ablehnungsgrund aus, der meist der Verhinderung verzögernder, ungewollter Planentwürfe dient (dazu Rn 3).

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MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 11; FK/Jaffé InsO9 § 233 Rn 17; HK/Haas InsO9 § 233 Rn 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 233 Rn 13 – eher nichtssagend dazu K Schmidt/Spliedt InsO19 § 233 Rn 7: Notwendigkeit „hoher“ Anforderungen. So die zwei meist „vergessenen“ Randbedingungen: BT-Drucks 12/2443 S 205 li. Sp. [§ 277 {2}]. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 233 Rn 12; zust MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 12.

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MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 11 aE (bei einem Erstplan). K Schmidt/Spliedt InsO19 § 233 Rn 8; HK/ Haas InsO9 § 233 Rn 11 f; HambK/Thies InsO6 § 233 Rn 7; MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 13. Notfalls bleiben allein indes wohl §§ 58–60. MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 13.

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Aussetzung von Verwertung und Verteilung

§ 233

4. Einzelanordnung Verlangt wird parallel die Gefährdung der Durchführung des Insolvenzplans (§ 30d I 1 25 Nr 3 ZVG [Insolvenzverwalter] bzw § 30d II Hs 2 ZVG [Gemeinschuldner]).40 Dabei sind zusätzlich aber die Interessen des absonderungsberechtigten Grundpfandrechtsinhabers mit abzuwägen (§ 30d I 2 ZVG), dagegen fehlt aber ein Pendant für S 2 (dazu Rn 23 f), jene können also allein eine allgemeine Plangefährdung begründen. Indes sind – deutlich strenger (dazu Rn 21) – hier die Voraussetzungen für die Einstellung vom Antragenden beizubringen bzw glaubhaft zu behaupten (§ 30d III Hs 2 ZVG bzw § 294 ZPO). Tatbestände nachträglicher Aufhebung nennt noch recht versteckt § 30f I ZVG.

V. Entscheidung 1. Gesamtanordnung Die Entscheidung ergeht durch Beschluss41 (§§ 5 II 1, 4 InsO iVm § 329 ZPO) des 26 Richters (§ 18 I Nr 2 RPflG) und sollte begründet werden. Es geht um eine umfassende Sachabwägung kollidierender Interessen (Durchführungsinteresse [„Sanierung“] / Verwertungsinteresse [„Liquidierung“]: Rn 22), deren Gründe man wissen müsste: es fehlt zwar an einer Beschwerdemöglichkeit42 (mangels gesetzlicher Vorgabe: § 6 I), es gibt jedoch ein Wiederholungsrecht, sei es als Folgeantrag (S 1), sei es als Gegenantrag (S 2). Deshalb sollte konkret dokumentiert sein, warum speziell so befunden wurde. Der Entscheid entfaltet allenfalls partielle Bindungen. Es geht um eine lediglich einst- 27 weilige Anordnung, die Planumsetzung vorläufig offenzuhalten. Satz 2 stellt klar, dass nachträgliche Veränderungen immer Berücksichtigung finden (Hs 1 Var 2: „oder hebt sie auf“), und zwar bei Massegefährdung (Hs 2 Var 1, vgl Rn 23; von Amts wegen) bzw auf Verwalterinitiative hin (Hs 2 Var 2, vgl Rn 24 – dafür Antragstellung nötig). Die Enumeration dieser Tatbestände deutet an, dass jede andere Veränderung wohl ausscheiden sollte. Das offenbare Entfallen der Gefährdungslage des Satzes 1 wäre also bloß dann berücksichtigungsfähig, wenn das zu einem Verwertungsnachteil führt (Var 1) oder gezielt Antragstellung erfolgt (Var 2). Man kann das aber vielleicht so „abfangen“, dass alle nicht benötigten Gegenstände der Versilberung ohnedies anheimfallen, so dass dann somit jedwedes weitere Zuwarten schadet. Die Regelung ergreift „an sich“ aber jedweden insolvenzbefangenen Vermögensgegen- 28 stand (dazu Rn 19 f). Jene Anordnung kann also ganz allgemein sein („Gesamtanordnung“), das prozessuale Bestimmtheitsgebot ist auf die Einzelvollstreckung beschränkt (insolvenzrechtliches Universalitätsprinzip); sie darf ebensogut aber näher differenzieren – muss das uU auch tun (arg S 1 Hs 1.: „Soweit … gefährdet würde“), kann mithin besondere Schranken nennen.43 Das ist prozessual nur ein Minus, materiell indes dem begrenz40

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Kritisch B Schmidt InVo 1999, 73, 75 ff [II 4], wonach die Befugnisse zur Plangestaltung in Verbindung mit den Rechten aus § 30d InsO zu falschen Anreizen des Verwalters führen könne, die betroffenen Grundpfandgläubiger zu einer Auslösung des Grundpfandrechtes anzuregen. AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 16: lediglich verfahrensleitende Verfügung.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 233 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 16; MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 14. Hier aA noch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO13 § 233 Rn 10 – richtig nunmehr Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 233 Rn 10), ferner: MünchKomm/Breuer InsO3 § 233 Rn 9; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 233 Rn 6 aE; Braun/Braun/Frank InsO7 § 233 Rn 3; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 233 Rn 10;

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§ 234

Sechster Teil. Insolvenzplan

ten Schutzzweck geschuldet (Übermaßverbot). Ohne Planrelevanz darf nicht weiter sistiert werden als nötig scheint (ansonsten wird verwertet!). Alsdann ist allemal die bestimmte (oder mindestens doch bestimmbare) Bezeichnung der erfassten Gegenstände bzw Wertbestände verlangt (zB Gattungsbezeichnung). 2. Einzelanordnung

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Die Gesamtregelung des § 233 ist ferner wiederum strikt zu unterscheiden von Einzelanordnungen im Zwangsversteigerungsverfahren von Immobilien (§ 30d I Nr 3 und II, 30f I 1 ZVG), die das Vollstreckungsgericht trifft; nach § 30d III Hs 1 ZVG gilt: legislativ vorgegebene Beschlussform (§ 30b II 1 ZVG); Entscheidung des Rechtspflegers (§ 3 Nr 1 lit i RpflG – Vollübertragung!); hiernach sofortige Beschwerde (§ 30b III Hs 1 ZVG [iVm § 11 I RpflG] – „vor der Entscheidung ist der Gegner zu hören“ [Hs 1]), bereits darum besteht Begründungspflicht.

§ 234 Niederlegung des Plans Der Insolvenzplan ist mit seinen Anlagen und den eingegangenen Stellungnahmen in der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen. Materialien: EB LS 2.2.11 II S 1 (Mot S 175/176), dann weithin [DiskE] bzw vollauf wortgleich: DiskE § 267 (Text: S 136; Begr: BT S 243), RefE § 267 (Text: S 156, Begr: BT S 279); RegE § 278 (BTDrucks 12/2443 S 53, 205 [RV], BT-Drucks12/7302 S 102 [RA]) – Stammfassung. Vorgängerregelungen: GemSchO § 172 (Mot II S 155) bzw § 243 IV; KO/aF § 165 (Mot S 412 = Hahn IV S 366/467, Prot S 111 [I] und S 184 [II] = Hahn IV S 605. 676) bzw KO/nF § 178 (Kom S 120 = Hahn/Mugdan VII S 347). Wegen § 120 VglO siehe Rn 2. Partikularrecht: § 172 DN-VO HB; § 181 III S 2 KO PR. Literatur Schuster/Friedrich Die Akteneinsicht im Insolvenzverfahren, ZIP 2009, 2418; Zipperer Private und behördliche Einsicht in Insolvenzakten – eine systematische Bestandsaufnahme, NZI 2002, 244, 251 ff.

Übersicht I. Normzweck und Normgenese II. Gegenstand (Hs 1) . . . . . . . 1. Festlegung . . . . . . . . . . 2. Begrenzung . . . . . . . . . III. Offenlegen (Hs 2) . . . . . . . 1. Ort und Zeit . . . . . . . . 2. Berechtigung . . . . . . . .

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Rn. 1 3 3 6 7 7 10

HK/Haas InsO9 § 233 Rn 5; HambK/Thies InsO6 § 233 Rn 3; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 233 Rn 6; wohl auch

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a) Einführung . . b) Kategorisierung c) Abgrenzung . . 3. Art und Weise . . . 4. Einsichtnahme . . IV. Verstoßfolgen . . . .

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 233 Rn 13.

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Rn. 10 11 16 17 18 21

Niederlegung des Plans

§ 234

I. Normzweck und Normgenese § 234 ist zusammenzusehen mit § 235 und dient der inhaltlichen (informatorischen) 1 Vorbereitung des Erörterungs- und Abstimmungstermins,1 mithin der Gewähr rechtlichen Gehörs (Art 103 I GG2 – „sachlicher Zweck“). Darum wird auch das Einsichtnahmerecht öffentlich bekanntgemacht (§ 235 II 2 [dazu näher dort Rn 51–54] iVm § 9 – in Parallele zu § 74 II 1), um verfahrensmäßig so möglichst alle am Ende zu erreichen (Gewähr „fairer Chance“). Für die Beteiligten ist das schließlich der Zeitpunkt, ab welchen sie nunmehr im klaren Mittelpunkt stehen (selbstverantwortete – „informierte“ – Entscheidungsfindung), jedenfalls prozessual, nicht etwa nur informell vor der Vorlegung (Hauptgläubiger) oder mediatisiert bei der Aufstellung (§ 218 III). Die Regelung schlägt zugleich eine normative Brücke vom Ersten zum Zweiten Abschnitt der Insolvenzplanregeln: mit der Planniederlegung ist die „interne“ Ausarbeitung formell abgeschlossen, jetzt sind die jeweils Stimmbefugten (§§ 237–238a) gefragt. Die Niederlegung dokumentiert den Übergang zum nächsten Verfahrensabschnitt (Schluss inhaltlicher Arbeit – „förmlicher Zweck“) – vorbehaltlich späterer Anpassungen in Reaktion auf das Erörtern (§ 240), indes auch sonst noch (letztendlich keinerlei „Versteinerung“). Die Vorschrift entspricht der InsO-Stammfassung. Sie war sowohl bei der Vorbereitung 2 (§ 267 DiskE/RefE) wie bei der Gesetzgebung (§ 278 RegE) nicht kontrovers und geht auf EB LS 2.2.11 II S 1 zurück, der jedoch primär auf starke prozessuale Vereinfachung zielte (Einsichtnahme statt Übersendung)3 und ferner Ausgleich suchte mit Geheimhaltungsinteressen im Falle einer späteren Unternehmensfortführung (Abs 2 S 2). Diese letztere Passage fehlt (dazu Rn 6). Sie entspricht im Grundmodell dem § 178 KO. Als eine Vorgängerregelung wird meist zusätzlich § 120 VglO betrachtet; er normierte jedoch allgemein die Akteneinsichtsbefugnis (Abs 1/3: Einsichtsbefugnis – Abs 2: Versagungsrecht, vgl Rn 6), die grundlegend inhaltlich abzugrenzen ist (dazu vgl auch Rn 16, 20) und eher auf weitergehende Informationsbeschaffung ausgerichtet ist. Hier geht es aber mehr um Informationsgewährung als Mittel der Entscheidungsfindung. – Parallelregelungen: § 150 S 2 InsO (Protokoll der [Ent-] Siegelung), § 154 (Masseverzeichnisse), § 175 I S 2 InsO (Insolvenztabelle), §§ 188 S 2, 194 III S 1 InsO (Verteilungsverzeichnis), § 214 I S 2 InsO (Einstellungsantrag), § 307 I S 2 Hs 2 InsO (Schuldenbereinigungsplan und Vermögensübersicht bei Verbraucherinsolvenzverfahren).

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BT-Drucks 12/2443 S 205: „ermöglicht es allen Beteiligten, sich über den Inhalt des Plans genau zu unterrichten“ sowie auch schon KO-Mot S 412 aE = Hahn S 366/367: „für eine ausreichende Vorbereitung der Gläubiger zu sorgen“ bzw EB S 176: „Die Verfahrensbeteiligten müssen sich … genau und vollständig unterrichten können.“ K Schmidt/Spliedt InsO19 § 234 Rn 2 (implizit); MünchKomm/Breuer InsO3 § 234 Rn 2; sa Schuster/Friedrich ZIP 2009, 2418, 2423.

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EB Mot S 176: „wäre es zu zeit- und kostenaufwendig, wenn jedem Verfahrensbeteiligten ein vollständiges Stück nebst allen Anlagen übersandt werden müßte.“ – im Unterschied zu 11 USC § 1025 lit b S 1: „transmitted … the plan or a summary of the plan [meint den gestaltenden Teil, § 221], and a written disclosure statement“ [meint den darstellenden Teil, § 220 – aber: lit c! (Statthaftigkeit „klassenweiser“ Differenzierung)].

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Sechster Teil. Insolvenzplan

II. Gegenstand (Hs 1) 1. Festlegung

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Entwurfsfassung. Das Gesetz nennt primär den „Insolvenzplan“ gem § 219 S 1 (siehe dazu näher dort Rn 10–18), gemeint ist hiermit der Planentwurf, so wie er die gerichtliche Vorprüfung überstanden hat und zur Stellungnahme herausgegangen ist (§ 232 I pr.).4 Das schon spricht gegen die Möglichkeit einer Begrenzung (dazu Rn 6) und zielt auf den Zwang zur Vollständigkeit. Nur so ist Vorinformation (dazu Rn 1) umfassend sichergestellt. Im Falle konkurrierender Pläne (dazu § 218 Rn 112–119) sind sie alle (mitsamt den Anlagen: Rn 4) offenzulegen, um Vergleich zu gestatten. 4 Weitere Anlagen. Separat genannt werden zudem noch die „Anlagen“ gem § 219 S 2 (siehe dazu näher dort Rn 19–21), also (inhaltlich bloß informativ) Vermögensübersicht (§ 229 S 1), Ergebnisplan (§ 229 S 2 Hs 1: Aufwendungen und Erträge), Finanzplan (§ 229 S 2 Hs 2: Einnahmen und Ausgaben) und zusätzlich auch konstitutiv die maßgeblichen Bereitschaftserklärungen (§ 230). Das gibt ein Bild des gesamten Sanierungskonzepts. 5 Stellungnahmen. Schließlich sind beizufügen alle Stellungnahmen nach § 232 I und II5 (Entlastung späterer Diskussion), und zwar nicht bloß die fristgerecht (iSv § 232 III [dort Rn 19, hier Rn 8]) eingelangten,6 sondern auch spätere:7 einerseits bewirkt § 232 III niemals Präklusion (dort Rn 18), andererseits wäre anderenfalls möglichst umfassende Information behindert. Sie sind daher dann mit Eingangsvermerk den bisherigen Unterlagen beizufügen. Die Stellungnahme des Prüfverbandes der Genossenschaft (§ 116 Nr 4 GenG) sollte gleichbehandelt werden (dazu § 232 Rn 8). 2. Begrenzung

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Inhaltliche Beschränkungen des Einsichtsrechts – hinsichtlich der Beteiligten (Rn 10–13, 15 – in Abgrenzung zu Rn 14 und 16 iVm 20)8 – sind jedoch generell abzulehnen (siehe auch schon Rn 3). Das wurde erwogen im Vorfeld (EB LS 2.2.11 II S 2) in Anlehnung an § 120 II VglO („Gläubigern kann die Einsicht in solche Teile der Akten versagt werden, deren Kenntnis für sie ohne Bedeutung ist oder deren Geheimhaltung nach Angabe des Schuldners für die Fortführung seines Unternehmens erforderlich ist.“), dann jedoch richtigerweise wieder fallengelassen.9 Es geht nicht um eine möglicherweise (all-) umfassende Akteneinsicht, sondern die Vorbereitung der genauen Willensbildung (siehe auch bei Rn 1). 4

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Was dann zum Insolvenzplan wird, entscheiden die Beteiligten (§§ 241–247) und das Insolvenzgericht (§§ 248–253). Trotz dort der allemal unterschiedlichen Diktion: „zur Stellungnahme“ (§ 232 I) bzw „zur Äußerung“ (§ 232 II), vgl § 232 Rn 22. So aber Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 2 (verspätete müssen nicht, können aber); ebenso Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 234 Rn 4; Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 232 Rn 9; wohl auch Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 234 Rn 1, § 232 Rn 6 und FK/Jaffé InsO9 § 232 Rn 1 und Rn 4. So auch HK/Haas InsO9 § 234 Rn 4; BK/ Paul InsO60 § 234 Rn 2; ebenso Münch-

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Komm/Breuer InsO3 § 234 Rn 5 (sind beizufügen), widerspricht aber MünchKomm/ Breuer InsO3 § 232 Rn 14 (Ermessen); Häsemeyer InsR4 Rn 28.28. Insoweit vermengend freilich MünchKomm/ Breuer InsO3 § 234 Rn 11; wohl wie hier Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 234 Rn 12 f (nur gerichtliche Kontrolle der Berechtigung: „nicht jeder, sondern wirklich nur ‚Beteiligte‘“ [Rn 13]). Partiell einschränkend freilich K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 234 Rn 3 (§ 131 III 1 Nr 1 AktG analog?); viel genereller noch Schuster/Friedrich ZIP 2009, 2418, 2423 (Verwehrung offensichtlichen Missbrauchs).

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Niederlegung des Plans

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Daher sind von vornherein nur bestimmte Unterlagen (dazu Rn 3–5) zugänglich, eine weitere Begrenzung erscheint infolgedessen obsolet und würde dem Zweck der Einsichtnahme voll zuwiderlaufen.

III. Offenlegen (Hs 2) 1. Ort und Zeit Niedergelegt wird „in der Geschäftsstelle“, dh in den Diensträumen der jeweiligen 7 „Serviceeinheit“ des zuständigen Insolvenzgerichts (§ 153 GVG), nicht etwa einer anderen Abteilung10 oder eines weiteren Referats innerhalb des (Insolvenz- bzw Amts-) Gerichtes. Die Einsichtnahme muss zu den üblichen Dienstzeiten erfolgen – vorbehaltlich von Sonderabsprachen aus Kulanzgründen. Die Herausgabe der Unterlagen (auch eine bloß kurzzeitige) ist ausgeschlossen – jene würde andere, weitere Einsichtnahmen hindern. Bei ausnahmsweiser Konkurrenz verschiedener Beteiligter ist zeitliche Priorität maßgebend; allerdings muss auch organisatorisch sichergestellt sein, dass alle Einsichtswünsche befriedigt werden können (wie etwa durch Verlängerung der Öffnungs- bzw Auslagezeit oder durch eine Bereitstellung von Ausfertigungen). Niederzulegen ist frühestens mit Fristablauf iSv § 232 III 11 (Vorgabe vom Gericht: abs- 8 trakte Befugnis auf Einsicht/Einsichtschance), spätestens mit öffentlicher Bekanntmachung des Erörterungs- und Abstimmungstermins12 (arg § 235 II) oder Terminsladung von Beteiligten13 (iSv § 235 III – Ausgang bei Gericht: konkrete Befugnis zur Einsicht/Vorhaltepflicht) – je nachdem, welcher Zeitpunkt der frühere ist. Beide möglichen Zeitpunkte indes wollen nicht so recht passen. ME ist erst (bzw schon) dann niedergelegt, wenn der Plan aus dem normalen Geschäftsgang genommen und den Beteiligten „offiziell freigegeben“ ist. Denn der Plan(entwurf) ist kein Bestandteil der Insolvenzakte (dazu Rn 20); faktische Bereitstellung wäre freilich wohl genügend (scil. keine Freigabeverfügung nötig). Wie lange die Niederlegung währt, ist offen. Entsprechend dem Informationszweck 9 (dazu Rn 1) läuft die Frist mindestens bis zum Folgetermin (§ 235 I 1: Erörterungs- und Abstimmungstermin), konkret bis zur letzten Stimmabgabe14 (wichtig bei Trennung der Termine [§ 241 I – arg II S 5] mit dann uU auch einer schriftlichen Abstimmung [§ 242]). Regelmäßig sind nach Erörterung auch noch weitere Planänderungen möglich (§ 240 S 1); diese müssen jedoch nicht selbst niedergelegt werden, wenn und weil die endgültige Ab10

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AA BGHZ 55, 313, 318 [I 4] (§ 1039 ZPO/aF – Sonderfall! [Niederlegung eines Schiedsspruchs]; bloß Parteiinteresse, kein Offenlegungsakt). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 3 (freilich mit Empfehlung zur Vorverlegung auf Einreichung oder Vorprüfung gemäß § 231); leicht anders MünchKomm/Breuer InsO3 § 234 Rn 8: unmittelbar nach Fristablauf. Ganz anders noch vorher MünchKomm/ Breuer InsO2 § 234 Rn 4: mit Weiterleitung zur Stellungnahme, aktuell noch so HambK/ Thies InsO6 § 234 Rn 3; Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 234 Rn 2. Wieder anders BK/Paul InsO60 § 234 Rn 3:

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mit Anberaumung des Erörterungstermins (§ 235 II). Das nivelliert den Unterschied zwischen frühest und spätest möglichem Zeitpunkt vielleicht etwas vorschnell. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 234 Rn 17 Fn 3 mit Hinweis auf HK/Haas InsO9 § 234 Rn 4. FK/Jaffé InsO9 § 234 Rn 6. So wie hier Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 234 Rn 5 – wohl auch MünchKomm/Breuer InsO3 § 234 Rn 8 und Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 3 („empfiehlt es sich, … zu belassen“) – aA HambK/Thies InsO6 § 234 Rn 3 aE (endet erst mit Versagung der Bestätigung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens).

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stimmung sich unmittelbar anschließt (§ 240 S 2), sonst aber schon! Der eigens alsdann nötige Hinweis „auf die Änderung“ (§ 241 II S 5) ersetzt das niemals,15 muss er doch in seinem genauen Bezugszusammenhang gesehen werden (können), welchen sonst der schwebende Erörterungstermin herstellt. 2. Berechtigung

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a) Einführung. Einsichtsbefugt sind alle „Beteiligten“, ohne dass aber die Insolvenzordnung die Benennung eigens definiert (siehe allg bei § 217 Rn 35–37 und § 221 Rn 36– 46), sondern stattdessen meist nur einzelne Verfahrensrollen festlegt (zB Insolvenzgläubiger [§ 38], Ab-/Aussonderungsbefugte [§§ 47 ff], Massegläubiger [§ 53]). Das birgt eine „gewisse“ Unschärfe, die aber wenig schädlich wirkt.16 Bei Zurückgreifen auf traditionelle fG-Terminologie kann man zwei methodische Beteiligtenbegriffe unterscheiden (nunmehr „formalisierender“ regelnd: § 7 I-III FamFG): formell beteiligt sind die am Verfahrensgang aktiv Teilnehmenden (wie etwa die Insolvenzgläubiger kraft Forderungsanmeldung); materiell beteiligt sind demgegenüber alle vom Verfahrensgang passiv Betroffenen (somit also zB auch ein Insolvenzgläubiger ohne Forderungsanmeldung).

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b) Kategorisierung. Es existieren unterschiedlichste Vorschläge, den Begriffsinhalt zu konkretisieren17 (dazu § 221 Rn 36 ff, insb 44–49). Wenn man aber den hier maßgeblichen Gesetzeszweck (dazu Rn 1: Vorinformation) zugrunde legt, klärt sich sehr viel sehr rasch (zudem auch leicht anders als zu §§ 217/221). Einerseits lässt sich schwerlich an § 232 I und II anknüpfen, denn die Stellungnahmerechte sind mit ausgeübter Stellungnahme verbraucht. Andererseits sind Erörterung wie Abstimmung hier vorzubereiten; man kann also nicht einseitig auf spätere Stimmrechte abheben, sondern muss hierbei die Möglichkeit beratender Teilnahme mitbedenken. Die öffentliche Bekanntmachung verheißt zwar Einsicht (§ 235 II) – nur aber eben den Beteiligten (§ 234 – quasi eine Art „Ladung, wen es angeht“). Verbindet man das schließlich mit dem „doppelten“ Beteiligungsbegriff (siehe eben bei Rn 10), sind auf alle Fälle jene (formell) beteiligt, welche regelmäßig aufgrund Gesetzes teilnehmen sollen, dh eigens geladen werden18 (§ 235 III 1). Dass ihnen dabei vorab gewisse Planinhalte zugehen (§ 235 III 2: Abdruck bzw Angaben), erleichtert die (Teil-) Information, ersetzt jedoch nicht etwa ihr Einsichtsrecht (Vollinformation). Der Rückgriff auf die Ladungen garantiert klare Anknüpfung; Abwägungen im Einzelfall sind lediglich für (mögliche) materiell Beteiligte anzustellen – ein Gewinn für praktische Handhabung.19 Das ergibt nachfolgende Kategorisierung: 12 Formelle Beteiligung (§ 235 III): anmeldende Insolvenzgläubiger, bekannte Absonderungsberechtigte (und zwar trotz § 223 I S 1 – quasi eine Art „Kontrollrecht im Eigeninteresse“!20), Insolvenzverwalter und Gemeinschuldner (bei Gesamthand eingeschlossen

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AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 3; MünchKomm/Breuer InsO3 § 234 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 234 Rn 5 aE. Deutliche Kritik von Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 234 Rn 2. Überblick bei MünchKomm/Breuer InsO3 § 234 Rn 10. So wie hier Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO13 § 234 Rn 4 („ergibt sich fast zwingend“);

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MünchKomm/Breuer InsO3 § 234 Rn 10 („nur“?). Das konzediere ich MünchKomm/Breuer InsO3 § 234 Rn 11 – dennoch ist der Begriff materiell zu erweitern! AA Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 234 Rn 7, dann einschr aber Rn 11 iVm 9.

Joachim Münch

Niederlegung des Plans

§ 234

die jeweiligen Gesellschafter21), Betriebsratsvertreter und Vertreter des Sprecherausschusses der leitenden Angestellten. Materielle Beteiligung:22 sonstige Insolvenzgläubiger (und zwar wegen § 224), unbe- 13 kannte Absonderungsberechtigte bei planerischer Einbeziehung iSv § 223 I S 1, Massegläubiger bei eingetretener und angezeigter Unzulänglichkeit einer vorhandenen Masse (§ 210a). Man kann auch die Gesellschafter (GmbH) bzw Anteilseigner (AG) juristischer Personen darunter subsumieren,23 die zwar nicht formell beteiligt werden, aber zweifellos dann betroffen sind, wenn und weil deren Rechte tangiert werden (§ 217 S 2 iVm § 225a II-V einerseits, § 225a I andererseits – sogar bei bloßem Fortsetzungsbeschluss24, vgl § 225a Rn 37). Wer ergänzende Planleistungen (iSv § 221 Rn 47 ff) verspricht, der wird nicht allein dadurch zum materiellen (Plan-) Beteiligten25 – die Mitwirkung ist abweichend sichergestellt (§ 230 III). Keinerlei Beteiligung (§ 232 II): Vertreter der möglichen Berufsvertretungen26 und von 14 „anderen sachkundigen Stellen“. Außerdem rechnen hierzu Aussonderungsberechtigte27 (welche „planfrei“ stehen, dh keinen wirklichen Rechtsverlust befürchten müssen, vgl § 217 Rn 37) sowie bei genügender Masse (sonst: § 210a!) die Massegläubiger28 (vgl § 217 Rn 37), ferner insb Dritte.29 Problematisch erscheint letztendlich lediglich, wie man mit nachrangigen Gläubigern 15 verfährt. Man sieht diese als generell einsichtsbefugt oder immerhin bei Berücksichtigung in Gläubigergruppen30 (§ 222 Nr 3) oder will sie auch ganz ausschließen.31 Gemäß Rn 11 folgt aber deren Beteiligtenstellung aus der Ladungsverpflichtung (formelle Beteiligung); § 235 III differenziert hierbei in anderen Kategorien (Anmeldung?), und alle nachrangigen Nichtanmelder sind gemäß § 225 zumindest materiell betroffen. Man sollte mithin nicht weiter danach differenzieren, ob insoweit Nachrang vorliegt. Schon mit Blick auf § 199 S 1 haben auch die Nachrangigen ein Interesse, die planerische Grundkonzeption individuell nachzuvollziehen. Man tut gut, sie transparent und rechtzeitig zu informieren. c) Abgrenzung. Außenstehende sind Unbeteiligte (zB Dritte, Presse); die Insolvenzver- 16 fahren und namentlich die Gläubigerversammlungen sind prinzipiell nicht öffentlich (es fehlt an einem „erkennenden Gericht“ gemäß § 169 GVG); dementsprechend ist das Ein21 22

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 5. Entsprechend wohl auszudeuten K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 234 Rn 3: „alle, denen gegenüber der Plan Wirkungen entfaltet“, zust Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 4 aE. FK/Jaffé InsO9 § 234 Rn 4. Kein Gegenschluss über § 235 III 3 Hs 1 „versus“ Hs 2! – unklar hier leider Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 5, aber zB auch Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 234 Rn 2 und BK/Paul InsO60 § 232 Rn 4 aE. AA Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 234 Rn 3 und BK/Paul InsO60 § 232 Rn 4 aE (speziell Aussonderungsbefugte) bzw HambK/Thies InsO6 § 234 Rn 4 (generell Drittverpflichtete).

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 5 aE – aA Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 234 Rn 10. MünchKomm/Ganter InsO3 § 47 Rn 494; Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 234 Rn 8 bzw Braun/Braun/Frank InsO7 § 234 Rn 4 – letztlich zu großzügig: MünchKomm/ Breuer InsO3 § 234 Rn 10 aE (regelmäßig zu erteilende Akteneinsicht, dazu vgl aber Rn 16 und 20), mit Recht deshalb abschwächend Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 Rn 7a (Glaubhaftmachung). MünchKomm/Hefermehl InsO3 § 53 Rn 63 mwN; BGH NJW 2017, 2280, 2282 {21 f} [II 2b bb (1)] = ZIP 2017, 482 = NZI 2017, 260, 261 = DZWIR 2017, 334. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 6. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 4. Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 234 Rn 6.

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§ 234

Sechster Teil. Insolvenzplan

sichtsrecht auf die wirklichen Beteiligten beschränkt. Das würde man durch nicht nachgeprüfte Einsichtsgewährung konterkarieren. Vermengt indes wird damit oftmals die Möglichkeit zur Akteneinsicht, welche uU Dritten offensteht32 (§ 4 InsO iVm § 299 II ZPO: „kann … nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird“ – näher dazu siehe § 4 Rn 24–26). Dem Zugriff von Konkurrenten etc steht mE schon entgegen, dass der offengelegte Plan kein Bestandteil der Insolvenzakte ist (dazu Rn 20); im Übrigen ist rigides Ablehnen zumeist angezeigt. 3. Art und Weise

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Wortwörtlich ist insoweit Niederlegung verlangt, es muss also der gesetzlichen Grundkonzeption entsprechend ein physisch fassbares Exemplar vorhanden sein (Körperlichkeit bzw Schriftlichkeit). Verantwortlich ist einerseits der Planersteller (Einlangen!), andererseits das Gericht (Vorprüfung!). – Trotz des recht traditionellen Verständnisses lässt sich elektronisch vieles vereinfachen, wenn es denn letztlich dabei verbleibt, dass mindestens ein physisch fassbares Exemplar existiert („Einsichtsstück“ – als eine Art „Notnagel“). Es wird für alle Seiten inzwischen viel einfacher sein (zumindest sicher bei großen Verfahren), ein elektronisches Scanexemplar (pdf-Datei) vorzufertigen bzw weiterzuleiten: die Geschäftsstelle erspart sich dadurch Publikumsverkehr, die Beteiligten das Durchsehen und Exzerpieren (dazu Rn 18), und das noch „vor Ort“ (dazu Rn 7); und bessere (intensivere) Information ist dadurch jedenfalls doch ermöglicht. Man muss sich nur klarmachen, dass das „Surrogatstück“ nicht auch die amtliche Authentizität des Originalstücks innehat – wer sich ausreichend informiert sieht, vermag nun aber allemal leichten Herzens wohl auf physische Einsichtnahme verzichten. Ferner existiert die Gefahr, dass sensible Informationen einfach an Konkurrenten oder Presseorgane gelangen (was sich aber nie ganz ausschließen lässt). Man könnte versuchen, per expliziter Vertraulichkeitsverpflichtung vorzubeugen. 4. Einsichtnahme

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Eröffnet wird Einsicht, dh Studium, Durchsicht, Lektüre – einschließlich der Möglichkeit, Exzerpte zu fertigen bzw Abschriften (selbst) vorzunehmen33 (und zwar auch durch technische Hilfsmittel: Kopiergerät, Fotoapparat34 etc; es fehlt allerdings an einem Anspruch auf – möglicherweise auch kostenpflichtige – Mitbenutzung vorhandener Gerätschaften). Die Einsichtnahme bedeutet keine Befugnis, dass derartige Abschriften seitens des Geschäftsstellenpersonals hergestellt werden35 (hier anders etwa § 299 I ZPO: „durch die Geschäftsstelle … erteilen lassen“ bzw § 13 III FamFG: „auf ihre Kosten [!] durch die Geschäftsstelle“ – wegen Kostenerstattung siehe § 28 I S 1 GKG bzw KV Nr 9000), und erst recht kein Recht auf Übersendung des Planentwurfs, die jedoch – elektronisch gehandhabt (siehe aber erg noch bei Rn 17) – keine übermäßigen Belastungen birgt.36

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MünchKomm/Breuer InsO3 § 234 Rn 10 aE mit Rn 11; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 234 Rn 7a; FK/Jaffé InsO9 § 234 Rn 4 – große Zurückhaltung raten Schuster/ Friedrich ZIP 2009, 2418, 2424 [IV 1] an. So schon zu § 178 KO: Jaeger/Weber KO8 § 178 Rn 1: „darf jeder Beteiligte erheben“. KG KGJ 44 (1913) Nr A 23, S 88, 90 f (§ 11 GBO/aF) bzw FGPrax 2011, 108 (§ 12 GBO/nF).

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AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 234 Rn 4; MünchKomm/Breuer InsO3 § 234 Rn 7. Entgegen der früheren legislativen Einschätzung (BT-Drucks 12/2443 S 205 im Anschluss an EB Mot S 176 iVm S 178/179), die noch immer kolportiert wird: Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 1; MünchKomm/Breuer InsO3 § 234 Rn 4 mit Fn 3; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 234 Rn 9.

Joachim Münch

Niederlegung des Plans

§ 234

Trotzdem wäre Versendung allerdings auch zulässig (und zwar als Gefälligkeit, vgl 19 auch erg Rn 18), sie wurde gesetzlich ausdrücklich nicht verpflichtend festgelegt.37 Die Pflicht dazu kann aber allemal aus § 235 III S 2 folgen, vor allem mit Blick auf sämtliche anmeldende Gläubiger:38 sie erhalten den „Kernplan“ (Var 1 [Rn 3] – aber nicht auch Anlagen [Rn 4] und Stellungnahmen [Rn 5]!) oder mindestens „eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts“ als eine Art „Planinfo“ (Var 2 – Näheres siehe bei § 235 Rn 70) ohnedies mit Ladung übersandt. Umfassende Information bietet aber allein tatsächliche Einsichtnahme! Oft wird zudem Einsichtnahme und Akteneinsicht gem § 4 InsO iVm § 299 ZPO zu- 20 sammengebracht.39 Dabei bestehen recht wichtige Unterschiede: Niederlegung zur Einsichtnahme (§ 234 InsO) ist regelmäßige Offenlegung, dh sie sucht aktiv die Publizität – anders gesagt: Einsicht ist erstrebt (Informationszweck/Einsichtslast, vgl Rn 1). Akteneinsicht ist dagegen ein Kontrollmittel der Prozessparteien (§ 299 ZPO) bzw Verfahrensbeteiligten (§ 13 FamFG), welches freilich Informationswünsche ebenfalls befriedigt … (Einsichtsrecht). Die Akten werden nämlich im Prinzip durchweg vertraulich gehalten und ausnahmsweise nur offengelegt zur Einsichtnahme. Der verbindlich niedergelegte Planentwurf ist also nicht etwa ein Bestandteil der Prozessakten (dazu Rn 8 und 16), sondern etwas Eigenes – zugänglich nur für die Beteiligten (iSv Rn 10–13, 15). Für solche Einsichtnahme fallen keinerlei Gerichtsgebühren an.

IV. Verstoßfolgen Mangelnde Niederlegung ist regelmäßig wesentlicher Verfahrensmangel iSv § 250 21 Nr 140 („verfahrensmäßige Behandlung“, aA § 250 Rn 40), führt also idR dann zur amtswegig verfügten Ablehnung. Ohne Information wird sachbezogene Meinungsbildung verunmöglicht – es ist hier nie auszuschließen, dass doch anders abgestimmt worden wäre (potentielle Kausalität ausreichend – arg Art 103 I GG); Abhilfe dürfte zumeist aus-

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BT-Drucks 12/2443 S 205; vgl auch erg EB LS 2.2.12 III: „kann“ – krit Nerlich/Römermann/Braun InsO9 § 234 Rn 14–16. Ausschlaggebend ist hier der Ladungszeitpunkt – den „Nachmeldern“ bleibt ausschließlich das Einsichtsrecht: LG Hannover ZInsO 2003, 719, 720 zust K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 234 Rn 2 (explizit). Zumeist bei Bestimmung des Umfangs (aber: Rn 6!): MünchKomm/Breuer InsO3 § 234 Rn 7 und 11; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO71 § 234 Rn 6; Nerlich/Römermann/ Braun InsO9 § 234 Rn 18. Anders im Duktus (Erweiterung begründend): Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 234 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 234 Rn 5 iVm 3 und wohl auch HambK/Thies InsO6 § 234 Rn 4.

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 19 f; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 22; HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO71 § 250 Rn 5 und 11; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 4 und 7; BK/Flöther/Wehner InsO63 § 250 Rn 16 – wohl auch HK/ Haas InsO9 § 250 Rn 3; Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 250 Rn 4; Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 4. AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 234 Rn 2; MünchKomm/Breuer InsO3 § 234 Rn 6; wohl auch BK/Paul InsO60 § 234 Rn 5 („kann“ [?]) mit Rn 1 bzw Fn 1: entbehrbar bei Versendung an sämtliche Beteiligten; es geht aber auch um materiell (nicht etwa nur formell) Beteiligte: Rn 10–13. Das Risiko, die Gewähr rechtlichen Gehörs teilweise zu verletzen, ist viel zu hoch!

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§ 234

Sechster Teil. Insolvenzplan

scheiden (abstrakte Möglichkeit unbekannter Gläubiger41) bzw eine vollständige Neuvornahme erforderlich sein. Hingegen lassen sich jedoch durchaus Abhilfemöglichkeiten bei teilweisen Mängeln vorstellen; hier empfiehlt sich, weitergehend zu unterscheiden: 22 Subjektive Mängel betreffen lediglich bestimmte einzelne Personen (Beispiel: unstatthaft verweigerte oder beschränkte Einsichtnahme); Behebung erfolgt einfach durch Nachholung (wie etwa durch Übersendung oder genauso auch erneute Einsichtnahme); Dritte waren hier von vornherein nicht betroffen. – Objektive Mängel betreffen alle Beteiligten gleich (Beispiel: unvollständige Niederlegung). Folgend dem Normzweck ist alsdann die Wesentlichkeit dieses Mankos ausschlaggebend: konnte jeder sich die planerische Grundkonzeption klarmachen? Maßgebend ist ein abstrakter Durchschnittsbetrachter. Hatte jedoch bislang überhaupt niemand Einsicht begehrt, steht Nachholung aber jedenfalls offen.

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Hier aA wohl MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 22; HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 8; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250

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Rn 20 – aber letztlich auch MünchKomm/ Breuer InsO3 § 234 Rn 6 (siehe noch bei Fn 40).

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Erörterungs- und Abstimmungstermin

§ 235

ZWEITER ABSCHNITT Annahme und Bestätigung des Plans § 235 Erörterungs- und Abstimmungstermin (1) 1 Das Insolvenzgericht bestimmt einen Termin, in dem der Insolvenzplan und das Stimmrecht der Beteiligten erörtert werden und anschließend über den Plan abgestimmt wird (Erörterungs- und Abstimmungstermin).2 Der Termin soll nicht über einen Monat hinaus angesetzt werden.3 Er kann gleichzeitig mit der Einholung der Stellungnahmen nach § 232 anberaumt werden. (2) 1 Der Erörterungs- und Abstimmungstermin ist öffentlich bekanntzumachen. 2 Dabei ist darauf hinzuweisen, daß der Plan und die eingegangenen Stellungnahmen in der Geschäftsstelle eingesehen werden können.3 § 74 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. (3) 1 Die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, die absonderungsberechtigten Gläubiger, der Insolvenzverwalter, der Schuldner, der Betriebsrat und der Sprecherausschuß der leitenden Angestellten sind besonders zu laden. 2 Mit der Ladung ist ein Abdruck des Plans oder eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts, die der Vorlegende auf Aufforderung einzureichen hat, zu übersenden. 3 Sind die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen, so sind auch diese Personen gemäß den Sätzen 1 und 2 zu laden; dies gilt nicht für Aktionäre oder Kommanditaktionäre. 4 Für börsennotierte Gesellschaften findet § 121 Absatz 4a des Aktiengesetzes entsprechende Anwendung; sie haben eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts des Plans über ihre Internetseite zugänglich zu machen. Materialien: DiskE § 268 (S 137 – Erörterungstermin); RefE § 268 (S 157 – Erörterungstermin); RegE §§ 279 (BT-Drucks 12/2443, S 53 – Erörterungstermin), 285 f (BT-Drucks 12/2443, S 54 – Abstimmungstermin bzw. Verbindung von Erörterungs- und Abstimmungstermin); Rechtsausschuss § 279 (BT-Drucks 12/7302, S 102); DiskE ESUG § 235 nF (Hirte/Knof/Mock Das neue Insolvenzrecht nach dem ESUG, S 75); RegE ESUG § 235 nF (BT-Drucks 17/5712, S 9 f). Vorgängerregelungen: § 179 KO; §§ 66 I, 70 VglO; § 16 IV GesO. Literatur Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz (1997), insb S 481–485; Brüning Gesellschafter im Insolvenzplan (2006); Buchalik/Stahlschmidt Die neue richterliche Zuständigkeit bei Insolvenzplänen in Eigenverwaltung – ein Erfahrungsbericht, ZInsO 2014, 1144; Büttner Wohin mit alten Plänen? – Das Problem der Überleitung laufender Planverfahren, ZInsO 2012, 2019; Eidenmüller Mediationstechniken bei Unternehmenssanierungen, BB Beilage 1998, Nr 10, S 19; ders Der Insolvenzplan als gesellschaftsrechtliches Universalwerkzeug, NJW 2014, 17; Flessner Sanierung und Reorganisation (1982); Frind Das hindernisreiche Insolvenz-Planverfahren für natürliche Personen, BB 2014, 2179; Gareis LG Hanau: Keine Ersetzung der unterlassenen Ladung zum Erörterungstermin über einen Insolvenzplan durch öffentliche Bekanntmachung, NZI 2001, 238; Haas Mehr Gesellschaftsrecht im Insolvenzplanverfahren, NZG 2012, 961; Hamberger Der Betriebsrat im Insolvenzverfahren (2010), insb S 324–330; Hess/Weis Der Insolvenzplan, WM 1998, 2349; Karsten Schmidt Gesellschaftsrecht

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§ 235

Sechster Teil. Insolvenzplan

und Insolvenzrecht im ESUG-Entwurf, BB 2011, 1603; Kußmaul/Steffan Insolvenzplanverfahren: Der prepackaged Plan als Sanierungsalternative, DB 2000, 1849; Lang/Muschalle Suhrkamp-Verlag – Rechtsmissbräuchlichkeit eines rechtmäßig eingeleiteten Insolvenzverfahrens? NZI 2013, 953; Madaus Der Insolvenzplan (2011); Martini/Horstkotte Häufige Fehler bei der Aufstellung von Insolvenzplänen und der Durchführung von Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2017, 1913; Schmelzer Die Position des Arbeitnehmers im Recht des Insolvenzplanes (2002), insb S 108–115; Skauradszun/Spahlinger/Tresselt Insolvenzpläne auf dem Prüfstand, DZWIR 2015, 539; Smid Verfahrensteilnahme und Stimmrecht fehlerhaft im Insolvenzverfahren vertretener Gläubiger, InVo 2007, 3; ders/Rattunde/ Martini Der Insolvenzplan4 (2015), insb Kap 16; Stöber Die Kompetenzverteilung bei Kapitalerhöhungen im Insolvenzverfahren, ZInsO 2012, 1811; Thole Treuepflicht-Torpedo? Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im Insolvenzverfahren, ZIP 2013, 1937; von Spee Gesellschafter im Reorganisationsverfahren (2014); Weber/Schneider Die nach dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vorgesehene Umwandlung von Forderungen in Anteils- bzw. Mitgliedschaftsrechte (Debt-Equity-Swap) ZInsO 2012, 374; Weßling Zur nichtigen Stimmabgabe im Abstimmungstermin über einen Insolvenzplan, ZInsO 2017, 1595; Wieneke/Hoffmann Der Erhalt der Börsennotierung beim echten und unechten Debt Equity Swap in der Insolvenz der börsennotierten AG, ZIP 2013, 697.

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Überblick 1 2. Vorläufer, Entstehungsgeschichte und Änderungen . . . . . . . . . . . 3 II. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 8 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . 8 2. Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . 9 a) Recht zur Teilnahme . . . . . . . 9 b) Notwendigkeit der Teilnahme . . 11 3. Äußerer Ablauf . . . . . . . . . . . . 14 a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . 14 b) Protokoll . . . . . . . . . . . . . 15 c) Leitung der Erörterung und Abstimmung . . . . . . . . . . . 16 d) Dauer . . . . . . . . . . . . . . . 17 e) Nichtöffentlichkeit . . . . . . . . 19 III. Inhalt des Erörterungs- und Abstimmungstermins (Abs 1 S 1) . . . . 21 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Erörterung des Insolvenzplans . . . . 23 a) Gegenstand der Erörterung . . . . 23 aa) Planinhalt . . . . . . . . . . . 23 bb) Vergleichende Erörterung . . 25 cc) Planänderung . . . . . . . . . 27 b) Ablauf der Erörterung . . . . . . 28 c) Ergebnis der Erörterung . . . . . 30 aa) Grundsatz . . . . . . . . . . 30 bb) Planrücknahme . . . . . . . . 31 cc) Planänderung . . . . . . . . . 32 3. Erörterung der Stimmrechte der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Gegenstand der Erörterung . . . . 33 b) Ablauf der Erörterung . . . . . . 35 c) Ergebnis der Erörterung . . . . . 38 4. Abstimmung über den Plan . . . . . 39

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IV. Vorbereitung des Termins . . . . . . . 1. Voraussetzungen der Terminbestimmung . . . . . . . . . . . . . 2. Terminsbestimmung 44 a) Zuständigkeit und Rechtsnatur b) Bestimmung des Termins . . . . c) Zeitrahmen . . . . . . . . . . . d) Ort . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Öffentliche Bekanntmachung . . . a) Ausführung der Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . b) Angaben . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten bei Vertagung . 4. Ladung 57 a) Besonders zu ladende Personen . aa) Insolvenzgläubiger . . . . . bb) Absonderungsberechtigte Gläubiger . . . . . . . . . . cc) Insolvenzverwalter und Schuldner . . . . . . . . . . dd) Betriebsrat und Sprecherausschuss der leitenden Angestellten . . . . . . . . . ee) Anteilsinhaber . . . . . . . b) Ausführung der Ladung . . . . c) Inhalt der Ladung . . . . . . . . d) Ladungsfrist . . . . . . . . . . . e) Beizufügende Unterlagen . . . . aa) Zweck . . . . . . . . . . . . bb) Zusammenfassung des wesentlichen Planinhalts . . f) Zusammenfassung des Plans auf der Internetseite . . . . . . . . .

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Erörterungs- und Abstimmungstermin

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Alphabetische Übersicht Ablauf des Termins 14 ff – Aktiver Richter 16 – Dauer der Abstimmung 18 – Dauer der Erörterung 17 – Formelle Voraussetzungen 16 – Zutritt 20 Erörterung des Insolvenzplan 23 ff – Gelegenheit 23, 29 – Mehrere Pläne 24, 26 – Mündlichkeitsgrundsatz 28 Erörterung der Stimmrechte 33 ff – Anteilsinhaber 36 – Gelegenheit 37 – Gläubiger 35 – Stimmgewicht 34 – Stimmliste 38 – Voraussetzungen 10 Gläubigerversammlung 8 Ladung 57 ff – Ad-hoc Publizität 66 – Aktionäre 57, 64 – Börsennotierte Gesellschaften 66, 76 – Gesonderter Abstimmungstermin 63 – Kommanditaktionäre 57, 64 – Passwortgeschütze Zusammenfassung 76 – Zustellung 65 Mehrere Pläne 24, 26, 40, 46

Öffentliche Bekanntmachung 51 ff – Hinweis auf Einsichtnahme 54 – Internet 51 – Verlegung 56 Reihenfolge der Erörterung 21 Reihenfolge Abstimmung 39 ff Teilnahme 9 ff – Aussonderungsberechtigte 10 – Beistand 10 – Massegläubiger 10 – Persönlich haftende Gesellschafter 9 – Vertretung 10, 12 f Terminsbestimmung 41 ff – Einheitlicher Termin 4 f, 22, 45 – Einholung der Stellungnahmen 42 – Ermessen 49 – Gerichtsstelle 50 – Mehrere Insolvenzpläne 46 – Monatsfrist 48 – Niederlegung 43 – Planvorlage 41 – pre-packaged plan 48 – Staatshaftung 49 – Verfügung 44 f – Zeitpunkt der Terminierung 47 Verbindung in einem Termin 4 f, 22, 45

I. Einleitung 1. Überblick Da der Insolvenzplan Abweichungen vom Regelinsolvenzverfahren vorsehen kann 1 (§ 217), verlangt das Gesetz eine Annahme des Plans durch die Beteiligten und eine Zustimmung des Schuldners; auf der Grundlage von Annahme und Zustimmung bestätigt das Insolvenzgericht den Insolvenzplan (vgl § 248) mit der Folge, dass die im gestaltenden Teil des Plans festgelegten Wirkungen eintreten (vgl § 254 I). Der Zweite Abschnitt des Sechsten Teils der Insolvenzordnung, der etwas verkürzt nur mit „Annahme und Bestätigung des Plans“ überschrieben ist, befasst sich mit den Verfahrensschritten, die unmittelbar zur Bestätigung des Plans oder deren Versagung führen. Die Annahme durch die Beteiligten erfolgt im Wege einer Abstimmung, die auf einer 2 breiten Informationsgrundlage stattfinden und nur denjenigen offen stehen soll, die tatsächlich von dem Plan betroffen werden. Daher soll der Abstimmung eine Erörterung des Plans und der Stimmrechte vorangehen. All dies erfolgt nach der gesetzlichen Grundkonzeption in einem einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin vor dem Insolvenzgericht, zu dessen Inhalt und Vorbereitung § 235 Regelungen enthält. Abs 1 S 1 sieht den Termin vor und beschreibt dessen Inhalt (Rn 9 ff). Abs 1 S 2 und 3 befassen sich mit der Terminsbestimmung (Rn 41 ff), Abs 2 schreibt die öffentliche Bekanntmachung und deren Inhalt vor (Rn 51 ff). Abs 3 bestimmt, welche Personen gesondert zu laden sind und wie diese Ladung zu erfolgen hat (Rn 57 ff); zudem verpflichtet er börsennotierte Gesellschaften zur Publikation im Internet (Rn 76) und ggf in europaweit verbreiteten Medien (Rn 66).

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§ 235

Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Vorläufer, Entstehungsgeschichte und Änderungen

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Als Vorschrift über den mit der Insolvenzordnung erstmals eingeführten Insolvenzplan hat § 235 wie alle Vorschriften über den Insolvenzplan keinen direkten Vorläufer. Eine gewisse Nähe besteht jedoch zwischen dem Insolvenzplan und dem Zwangsvergleich der Konkursordnung bzw dem Vergleich der Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsordnung.1 Die Konkursordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 67 ff) sah für den Zwangsvergleich einen Vergleichstermin vor, in dem eine Zustimmung der Gläubiger mit den erforderlichen Mehrheiten festzustellen war (§§ 179 ff KO). Nicht explizit vorgeschrieben war allerdings eine vorherige Erörterung. Dem Erörterungs- und Abstimmungstermin auch textlich sehr nahe kommt jedoch der Vergleichstermin der Vergleichsordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 75 ff). In diesem Termin wurde über den Vergleichsvorschlag verhandelt (§ 66 I VglO), was der Erörterung des Plans entspricht; die Forderungen wurden erörtert und das Stimmrecht festgestellt (§§ 70 ff VglO), worin eine gewisse Parallele zur Erörterung der Stimmrechte liegt; und es wurde über den Vergleichsvorschlag abgestimmt (§ 74 VglO), wie heute über den Plan abgestimmt wird. Auch die Gesamtvollstreckungsordnung (Münch § 222 Rn 17) schließlich enthielt eine rudimentäre Regelung für einen Vergleichstermin (§ 16 IV GesO). In den Entwürfen einer Insolvenzordnung waren Erörterungstermin und Abstimmungstermin zunächst als getrennte Termine vorgesehen; zwischen Erörterungstermin und Abstimmungstermin sollte nicht mehr als ein Monat liegen.2 Die Zeit zwischen den Terminen sollte den Beteiligten „Gelegenheit zu weiteren Überlegungen und Beratungen“ bieten.3 Eine Verbindung war aber möglich und sollte bei überschaubaren Vermögensverhältnissen und einer geringen Zahl der Gläubiger oder einer geringen Höhe der Verbindlichkeiten stattfinden.4 War zunächst verbunden worden, so musste dennoch ein gesonderter Abstimmungstermin stattfinden, wenn der Vorlegende den Plan nach der Erörterung ändern wollte, es sei denn, alle von der Änderung Betroffenen waren im Termin anwesend.5 Der Rechtsausschuss schlug dann die Verbindung der Termine als Regel vor und strich konsequenterweise die gesonderte Vorschrift über die Verbindung.6 Grund hierfür war der Wunsch nach einer Straffung des Verfahrens.7 Noch vor Inkrafttreten der InsO wurde durch Art 2 Nr 11 EGInsOÄndG8 Abs 2 S 3 angefügt, der durch Verweis auf § 74 II S 2 bei Vertagung einen Verzicht auf die erneute Terminsbekanntmachung erlaubt. Durch Art 1 Nr 24 lit a aa ESUG9 wurde in Abs 1 S 1 das Wort „Gläubiger“ durch das Wort „Beteiligten“ ersetzt. Grund war die gleichzeitige Einführung des § 225a (Art 1 Nr 19 ESUG), nach dessen Abs 2 und 3 der Plan auch die Rechte der Anteilsinhaber verändern kann, insbesondere durch einen Debt-Equity-Swap, sodass seither auch die Anteilsinhaber

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Dazu etwa auch Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 1. DiskE §§ 268 (Erörterungstermin, S 137), 274 (Abstimmungstermin, S 139 f); RefE §§ 268 (Erörterungstermin, S 157), 274 (Abstimmungstermin, S 160); RegE §§ 279 (Erörterungstermin, BT-Drucks 12/2443, S 53), 285 (Abstimmungstermin, BTDrucks 12/2443, S 54). DiskE Begr zu § 268 (S B245).

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DiskE § 275 Abs 1 (S 140); RefE § 275 Abs 1 (S 160); RegE § 286 Abs 1 (BT-Drucks 12/2443, S 54). DiskE § 275 Abs 2 (S 140); RefE § 275 Abs 2 (S 160); RegE § 286 Abs 2 (BT-Drucks 12/ 2443, S 54). Rechtsausschuss § 279 (BT-Drucks 12/7302, S 102, 104). Rechtsausschuss, BT-Drucks 12/7302, S 183. G v 19.12.1998, BGBl I, S 3836. G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582.

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Erörterungs- und Abstimmungstermin

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gem § 238a (Art 1 Nr 25 ESUG) ein Stimmrecht haben.10 Aufgrund der Ersetzung durch das Wort „Beteiligte“ kann und muss dieses Stimmrecht im Termin nun ebenfalls erörtert werden. Angefügt wurden durch das ESUG auch Abs 1 S 3, der aus Gründen der Verfahrensökonomie und -beschleunigung11 eine gleichzeitige Anberaumung des Termins mit der Einholung der Stellungnahmen erlaubt, und Abs 3 S 3, 4, die die Ladung von Anteilsinhabern vorsehen und deren Modalitäten näher regeln, wenn die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte in den Plan einbezogen werden.

II. Grundlagen 1. Rechtsnatur Bis zum Inkrafttreten des ESUG war der Erörterungs- und Abstimmungstermin ein 8 Termin, an dem im Wesentlichen dieselben Personen teilnahmen wie an einer Gläubigerversammlung (vgl § 74 I S 2). Er konnte daher mit einer gewissen Berechtigung als Gläubigerversammlung angesehen werden.12 Allerdings waren schon seinerzeit der Betriebsrat und der Sprecherausschuss nur zur Teilnahme am Erörterungs- und Abstimmungstermin, nicht zur Teilnahme an einer Gläubigerversammlung berechtigt. Auch ordnete das Gesetz seit jeher, etwa in Abs 2 S 3 und in § 237 I S 1, § 238 I S 3, ausdrücklich nur die entsprechende Geltung bestimmter Vorschriften zur Gläubigerversammlung an; gerade die Stimmrechte in der Abstimmung über den Plan konnten schon bisher durchaus anders ausfallen als die Stimmrechte in der Gläubigerversammlung (dazu § 237 Rn 7 ff). Dies sprach schon bisher gegen eine Einordnung des Erörterungs- und Abstimmungstermins „als“ Gläubigerversammlung. Da nunmehr auch die Anteilsinhaber am Erörterungs- und Abstimmungstermin teilnehmen, sofern sie einbezogen sind (vgl Abs 3 S 3), wird man nicht mehr sagen können, dass der Termin eine Gläubigerversammlung „ist“.13 Ist der Erörterungs- und Abstimmungstermin demnach keine Gläubigerversammlung, so muss man ihn als einen Termin eigener Art („Beteiligtenversammlung“14) ansehen. Gleichwohl kommt er einer Gläubigerversammlung im Hinblick auf Inhalt, Teilnehmer und Ablauf sehr nahe. Dies erlaubt nahezu durchweg die entsprechende Anwendung der für die Gläubigerversammlung geltenden Regeln. 2. Teilnehmer a) Recht zur Teilnahme. Wer am Erörterungs- und Abstimmungstermin teilnehmen 9 darf, ergibt sich aus Abs 1 iVm §§ 237 ff sowie aus Abs 3.15 Dies sind zunächst die Beteiligten iSd Abs 1 S 1, also die Insolvenzgläubiger, die absonderungsberechtigten Gläubiger

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BT-Drucks 17/5712, S 33. Vgl BT-Drucks 17/5712, S 33. So etwa Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 235 Rn 10. Ähnlich Böcker DZWIR 2014, 331, 335 Rn 26; FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 1: „besondere Gläubigerversammlung“; Haas NZG 2012, 961, 964: „(um die in § 235 III InsO genannten Personen verstärkte) Gläubigerversammlung“; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 3: „besondere Beteilig-

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tenversammlung“; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 22: „(spezielle) Gläubigerbzw Beteiligtenversammlung“; aA Braun/ Braun/Frank InsO7 § 235 Rn 1; Hiebert ZInsO 2014, 113; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 2; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 241 Rn 2, 3. So zB Stöber ZInsO 2012, 1811, 1817. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 13.

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und die Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten, sofern diese Rechte in den Plan einbezogen sind, sodann der Insolvenzverwalter, der Schuldner, die Mitglieder des Betriebsrats und des Sprecherausschusses der leitenden Angestellten. Über den Wortlaut hinaus sind bei Personengesellschaften oder Schuldnern ohne Rechtspersönlichkeit auch die persönlich haftenden Gesellschafter teilnahmeberechtigt, da ihre Rechtsstellung im Plan geregelt werden kann (§ 227 II).16 Nicht teilnahmeberechtigt sind Aussonderungsberechtigte und – mit Ausnahme eines Planverfahrens bei Masseunzulänglichkeit, dessen Zulässigkeit und Sinnhaftigkeit nicht unzweifelhaft sind17 – Massegläubiger.18 10 Die teilnahmeberechtigten Personen bzw Gremien dürfen nach allgemeinen Regeln mit einem Beistand, insbesondere einem Rechtsanwalt, erscheinen (§ 4 iVm § 90 ZPO) und sich – mit Ausnahme des Insolvenzverwalters (Rn 12) – auch vertreten lassen (§ 4 iVm § 79 II ZPO),19 wobei anwaltliche Vollmacht nur auf Rüge hin geprüft wird (§ 4 iVm § 88 ZPO),20 unter Verstoß gegen § 43a IV BRAO erteilte Vollmachten aber gem §§ 134, 139 BGB nichtig sein können.21

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b) Notwendigkeit der Teilnahme. Den Beteiligten iSd Abs 1, also Gläubigern und Anteilsinhabern, steht es frei, am Termin teilzunehmen (vgl § 244); dasselbe gilt für die Mitglieder des Betriebsrats und des Sprecherausschusses, die als solche ohnehin kein Stimmrecht haben. Hält das Insolvenzgericht allerdings die Teilnahme einer dieser Personen im Interesse einer sachgerechten Verfahrensbehandlung für erforderlich, darf es bei deren Nichterscheinen den Termin vertagen, sofern nicht – wie allerdings wohl meist – durch die Verzögerung Nachteile drohen, die die Vorteile eines späteren Termins unter Teilnahme aller für wichtig gehaltener Personen überwiegen. 12 Die Teilnahme des Insolvenzverwalters ist stets notwendig,22 da er die Rechte der Gläubigergesamtheit wahrzunehmen hat; er schützt damit nicht nur die Interessen der nicht anwesenden Gläubiger, sondern repräsentiert auch ein Gesamtinteresse, das über die Einzelinteressen hinausgeht. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob der Insolvenzverwalter oder der Schuldner den zur Erörterung und Abstimmung stehenden Plan vorgeschlagen haben. Angesichts der hohen Bedeutung, die das Gesetz der Person des Insolvenzverwalters beimisst (vgl §§ 56 ff), kann sich der Insolvenzverwalter auch nicht vertreten lassen;23 ist er abwesend, muss ein neuer Termin bestimmt werden. 13 Ebenfalls notwendig ist die Teilnahme des Schuldners.24 Denn nur bei Anwesenheit des Schuldners ist sichergestellt, dass dieser seine Entscheidung über die Zustimmung auf guter Informationsgrundlage trifft und im erforderlichen Umfang kooperationsbereit ist. Der Schuldner kann sich aber vertreten lassen, wobei die Vertretung wegen des Gewichts und der Komplexität der zu verhandelnden Fragen und der Abstimmung durch einen Rechtsanwalt oder einen anderen Bevollmächtigten, der den Anforderungen des § 79 II S 2 ZPO

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HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 14; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 9; implizit Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 22. Jaeger/Windel InsO § 208 Rn 84–88. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 22. FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 18; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 13. FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 19; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 26. Vgl LG Hamburg NZI 2007, 415 und Frind NZI 2007, 374, 376 f (krit dazu Braun/

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Braun/Frank InsO7 § 237 Rn 10 Rn 16); AG Duisburg NZI 2007, 728; Gundlach/Frenzel NZI 2009, 107, 108; Weßling ZInsO 2017, 1595 ff. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 25; aA Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 13. Vgl zum Prüfungstermin Jaeger/Gerhardt InsO § 56 Rn 90. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 25; aA Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 13.

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Erörterungs- und Abstimmungstermin

§ 235

genügt, erfolgen muss (§ 243 Rn 10). Ist der Schuldner weder anwesend noch vertreten, so muss das Insolvenzgericht einen neuen Termin bestimmen; hält es seine persönliche Anwesenheit für erforderlich, kann es vertagen.25 3. Äußerer Ablauf a) Zuständigkeit. Der Termin findet vor dem Insolvenzgericht statt. Funktionell zu- 14 ständig ist seit dem ESUG der Richter, nicht mehr der Rechtspfleger (§§ 3 Nr 2 lit e, 18 I Nr 2 RPflG nF).26 b) Protokoll. Über den wesentlichen Inhalt der Erörterung ist ein Protokoll aufzuneh- 15 men, § 4 iVm § 159 I S 1 ZPO.27 Für den Inhalt des Protokolls gilt § 160 I, II, III, IV, V ZPO entsprechend. Damit ist die Durchführung der Erörterung von Plan und Stimmrechten sowie der Abstimmung festzuhalten. Innerhalb der Erörterung des Plans muss jedenfalls die Vornahme von Planänderungen im Termin (vgl § 240) protokolliert werden; innerhalb der Erörterung der Stimmrechte ein Bestreiten, eine Einigung und eine Entscheidung des Insolvenzgerichts (vgl § 237 I S 1 iVm § 77 I S 1, II, III Nr 1; § 238 I S 2, S 3 iVm § 77 II, 3 Nr 1) sowie ein Verzicht auf abgesonderte Befriedigung (§ 237 I S 2). Was die Abstimmung angeht, so ist für jede Gruppe das Abstimmungsergebnis und wegen § 253 II Nr 2 auch die ausdrückliche Ablehnung eines Stimmberechtigten, soweit bekannt, aufzunehmen. Besonders zu protokollieren sind weiter Vertagungen (vgl Abs 2 S 3), Planänderungen im Termin und Widersprüche (vgl § 251 I Nr 1, § 253 II Nr 1). c) Leitung der Erörterung und Abstimmung. Dem Insolvenzgericht obliegt nicht nur 16 die Terminsbestimmung und die Terminsvorbereitung, sondern auch die Leitung der Erörterung und der Abstimmung.28 Für die Leitung ergab sich dies bis zur Einbeziehung der Anteilsinhaber aus einer entsprechenden Geltung des § 76 I, da es sich um eine besondere Gläubigerversammlung handelte (vgl Rn 8). Nunmehr kann dies entweder weiterhin auf eine entsprechende Geltung dieser Vorschrift oder über § 4 auf § 136 I ZPO gestützt werden.29 Auf die Eröffnung (§ 136 I ZPO) folgt eine Prüfung der formellen Voraussetzungen, insbesondere der Ordnungsmäßigkeit von Bekanntmachung und Ladungen, und eine Feststellung der Anwesenheit der erschienenen Personen.30 Für die Erörterung gelten im Übrigen über § 4 die § 136 I, II S 1, III ZPO zur formellen Prozessleitung sowie § 139 ZPO zur materiellen Prozessleitung entsprechend. Der Insolvenzrichter ist also wie im Erkenntnisverfahren ein aktiver Richter,31 der freilich die Beteiligten nicht bevormunden darf.32 Danach hat das Insolvenzgericht insbesondere Fragen zu stellen und Hinweise zu geben, wenn

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Vgl MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 25. FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 4; HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 13; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 235 Rn 13. Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 235 Rn 29; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.21. FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 9; Jaeger/Gerhardt InsO § 2 Rn 28 f; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 13; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.20.

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Vgl FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 3; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 235 Rn 30; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 8. FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 18; HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 16; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 235 Rn 23; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 26. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 14; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.20. Häsemeyer InsR4 Rn 3.05; Jaeger/Gerhardt InsO § 2 Rn 31.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

es dies für erforderlich halten muss. Auch wenn es sich nicht um ein streitiges Erkenntnisverfahren handelt,33 ist das Insolvenzgericht aufgrund der Interessengegensätze der Beteiligten zudem dazu aufgerufen, eine Einigung zu fördern (vgl § 4 iVm § 278 I ZPO). Diese Aufgabe tritt neben die Aufgabe des Insolvenzverwalters, der ebenfalls auf eine Einigung bedacht sein wird und großen tatsächlichen Einfluss haben kann,34 allerdings die Gläubigerinteressen ins Zentrum stellen muss.

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d) Dauer. Die Dauer der Erörterung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts (§ 4 iVm § 136 IV ZPO). Dabei ist einerseits auf eine erschöpfende Erörterung und die Gehörswahrung aller an dem Termin zulässigerweise teilnehmenden Personen zu achten, andererseits aber auch das Interesse an einer schleunigen und konzentrierten Behandlung zu berücksichtigen und eine Blockade zu vermeiden. Ist erkennbar, dass die erforderlichen Mehrheiten für den Plan gesichert sind, kann das Gericht die Erörterung beenden, auch wenn einzelne Gläubiger eine weitere Erörterung verlangen.35 Da es den Stimmberechtigten zudem freisteht, gegen den Plan zu stimmen, müssen keineswegs alle denkbaren Fragen gestellt und beantwortet sein; darf der Richter davon ausgehen, dass die wesentlichen Gesichtspunkte zur Sprache kamen und daher eine geordnete Willensbildung und Abstimmung möglich sind, kann er die Erörterung schließen.36 18 Die Dauer der Abstimmung ergibt sich daraus, dass alle Gruppen effektiv abgestimmt haben müssen (§ 244) oder ihnen hierzu jedenfalls Gelegenheit gegeben wurde (vgl §§ 246 Nr 2, 246a), soweit ihre Zustimmung nicht von vornherein als erteilt gilt (§ 246 Nr 1).

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e) Nichtöffentlichkeit. Der Erörterungs- und Abstimmungstermin ist nicht öffentlich.37 § 169 GVG und Art 6 EMRK gelten nicht, da es sich nicht um einen Termin im Rahmen eines Erkenntnisverfahrens,38 sondern um einen Termin im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens handelt. Das Insolvenzgericht muss aber nicht ohne Anlass kontrollieren, ob eine erschienene Person zum zugelassenen Personenkreis gehört; die Anwesenheit einer hierzu nicht berechtigten Person oder auch nur die versehentliche Bezeichnung des Termins als „öffentlich“ sind ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der im Termin vorgenommenen Handlungen. 20 Gem § 175 II S 1 GVG kann das Gericht einzelnen Personen den Zutritt gestatten. Hierunter fallen etwa Vertreter der Medien bei Verfahren mit Bedeutung für die Öffentlichkeit39 oder Dritte, die für den Fall der Planbestätigung eine Verpflichtung gegenüber den Gläubigern übernommen haben (§ 230 III).40 Die Entscheidung trifft das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei sind die Interessen der Beteiligten und das Informationsoder sonstige Interesse des Dritten bzw der Öffentlichkeit gegeneinander abzuwägen.

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S nur Jaeger/Gerhardt InsO § 2 Rn 10. Vgl Braun/Braun/Frank InsO7 § 235 Rn 10: „mediative Funktion des Insolvenzverwalters“; Eidenmüller BB Beilage 1998, Nr 10, S 19, 24 f: „mediative Rolle“. BGH NZI 2010, 734, 737 Rn 39. Vgl BGH NZI 2010, 734, 736 f Rn 34, 37. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 235, 236 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 14; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 235 Rn 23; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 8; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 13;

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Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.21. Allgemein Jaeger/Gerhardt InsO § 2 Rn 10; für den Erörterungs- und Abstimmungstermin Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 13. LG Frankfurt ZIP 1983, 344 (zum Vergleichstermin gem § 66 VglO in der AEG-Insolvenz); MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 22; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.21. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 23.

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Erörterungs- und Abstimmungstermin

§ 235

III. Inhalt des Erörterungs- und Abstimmungstermins (Abs 1 S 1) 1. Allgemeines Inhalt des Termins ist die Erörterung des Insolvenzplans und der Stimmrechte der 21 Beteiligten sowie die Abstimmung über den Plan; der Termin ist, was seinen Inhalt angeht, mithin dreigeteilt.41 Dabei müssen die Erörterungen der Abstimmung vorangehen (Rn 39).42 In welcher Reihenfolge Plan und Stimmrechte erörtert werden, ist demgegenüber ohne Belang und steht im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts;43 zulässig, wenn auch wenig ratsam, ist die gemeinsame Erörterung.44 Die Verbindung von Erörterung und Abstimmung in einem Termin dient der Beschleu- 22 nigung. Nicht zuletzt die Erfahrung mit Terminsequenzen auf dem Gebiet des Erkenntnisverfahrens zeigt, dass eine Vielzahl von Terminen besser vermieden wird. Dies gilt erst recht in der für den Schuldner kritischen Situation, in der ein Insolvenzplan vorgelegt wurde. Denn dann besteht bis zur Rechtskraft des Beschlusses über die Bestätigung des Plans oder deren Versagung Rechtsunsicherheit, die dem Schuldner die weitere wirtschaftliche Betätigung erheblich erschwert. Die auf den Rechtsausschuss zurückgehende gesetzgeberische Entscheidung zur Verbindung von Erörterung und Abstimmung verdient daher Zustimmung.45 2. Erörterung des Insolvenzplans a) Gegenstand der Erörterung aa) Planinhalt. Im Termin wird vor der Abstimmung „der Insolvenzplan“ erörtert. 23 Erörterung des Insolvenzplans bedeutet, dass den Beteiligten die Gelegenheit eingeräumt werden muss, zum Inhalt des vorgelegten Plans in seiner Gesamtheit – darstellender wie gestaltender Teil – Stellung zu nehmen und ihn zu diskutieren.46 Wurden – was zwar theoretisch möglich ist, aber in der Praxis selten vorkommt47 – 24 mehrere Pläne vorgelegt, so muss der Inhalt aller vorgelegten Pläne erörtert werden.48 bb) Vergleichende Erörterung. Neben dem Planinhalt darf auch erörtert werden, ob 25 überhaupt ein Planverfahren durchgeführt werden soll. Dies erfolgt insbesondere durch eine vergleichende Erörterung der Stellung der zur Teilnahme am Erörterungstermin berechtigten Personen bzw repräsentierten Personengruppen mit dem vorgelegten Plan und ohne einen Plan.

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FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 16; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 12; Weßling ZInsO 2017, 1595, 1598. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 4. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 12. Ähnlich Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 243 Rn 8; aA Braun/Braun/Frank InsO7 § 235 Rn 4: Erörterung des Plans vor der Erörterung der Stimmrechte. Eine informelle Koordination mit den Beteiligten für sinnvoll haltend FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 15;

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Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 11. FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 10; ähnlich MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 3. Vgl BK/Flöther/Gelbrich InsO64 § 235 Rn 16 f; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 12; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.22. Vgl HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 5; Smid/ Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.26. FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 43; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 10 f.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

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Auch wenn mehrere Pläne vorgelegt wurden, sind vergleichende Erörterungen angezeigt, und zwar Erörterungen, die die Stellung der teilnahmeberechtigten Personen bzw der von ihnen repräsentierten Personengruppen unter den mehreren Plänen und ohne Plan einander gegenüberstellen.49

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cc) Planänderungen. Aus der Möglichkeit einer Änderung des Plans auf Grund der Erörterung im selben Termin (§ 240) folgt schließlich, dass die Beteiligten auch Änderungsvorschläge einbringen und diskutieren dürfen.

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b) Ablauf der Erörterung. Im Termin gilt der Mündlichkeitsgrundsatz. Der Planinhalt ist daher mündlich zum Gegenstand der Erörterung zu machen. Dies setzt nicht voraus, dass der Plan in seiner Gesamtheit verlesen werden muss;50 vielmehr reicht es aus und erscheint vorzugswürdig, zunächst die Grundlinien des Plans darzustellen und dann dort in Einzelheiten zu gehen, wo Erörterungsbedarf erkennbar ist und wird.51 Das Insolvenzgericht kann den Inhalt des Plans selbst schildern bzw verlesen oder dies dem Planverfasser aufgeben; zumeist wird sich Letzteres empfehlen.52 Auch die Stellungnahmen der Beteiligten haben mündlich zu erfolgen.53 29 Wurde der Planinhalt im Wesentlichen angesprochen, so reicht es aus, dass alle zur Teilnahme am Erörterungstermin berechtigten Personen Gelegenheit zur näheren Erörterung haben.54 Eine tatsächliche Erörterung des gesamten Planinhalts ist nicht vorgeschrieben. c) Ergebnis der Erörterung

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aa) Grundsatz. Das Gesetz sieht nicht ausdrücklich vor, ob die Erörterung des Plans ein Ergebnis haben muss und ggf wie dieses aussehen kann. Eine gerichtliche Entscheidung, die ein Ergebnis förmlich feststellen würde, ist nicht vorgesehen und im Normalfall nicht erforderlich. Zwei Sonderkonstellationen kommen jedoch in Betracht.

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bb) Planrücknahme. Aufgrund der Erörterung kann sich ergeben, dass der Plan keine Aussicht auf Annahme hat oder anders wirken wird, als sich dies der den Plan vorlegende Schuldner oder Insolvenzverwalter vorgestellt hat. In diesem Fall kann der Schuldner bzw der Insolvenzverwalter, der den Plan vorgelegt hat, den Plan zurücknehmen.55 Damit ist, wenn nicht der jeweils andere zur Planvorlage Berechtigte sich den Plan vollumfänglich zu eigen macht oder noch ein weiterer Plan vorgelegt wurde, der Termin beendet; eine Abstimmung kann mangels Gegenstands nicht mehr stattfinden.56 Das Gericht schließt den Termin durch Verfügung; auf Antrag kann entsprechend § 269 IV S 1 ZPO ein Beschluss ergehen.

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Vgl HK/Haas InsO9 § 235 Rn 11. Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 235 Rn 24; HK/ Haas InsO9 § 235 Rn 3; anders noch § 66 Abs 2 Hs 1 VglO sowie darauf rekurrierend FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 20. Ähnlich Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 12. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 26. HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 15. Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 243 Rn 4; vgl Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 235 Rn 26; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 3.

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Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 9: Für einen nach § 218 Abs 2 zustande gekommenen Plan ist im Falle der Rücknahme eine Entscheidung der Gläubigerversammlung nicht vonnöten. Ab dem Zeitpunkt der Abstimmung über den Plan soll nach der hM die Rücknahme des Plans unzulässig sein, so Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 9; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 235 Rn 17.

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Erörterungs- und Abstimmungstermin

§ 235

cc) Planänderung. Wurde der Plan in der Erörterung abgeändert (§ 240), muss Ergeb- 32 nis der Erörterung die Feststellung des Plans sein, über den sodann abgestimmt werden soll. Diese Feststellung kann formlos durch Verfügung stattfinden, in Betracht kommt aber auch ein Beschluss. 3. Erörterung der Stimmrechte der Beteiligten a) Gegenstand der Erörterung. Zu erörtern sind neben dem Plan auch die Stimmrechte 33 der Beteiligten. Beteiligte, deren Stimmrechte Gegenstand der Erörterung sein können, sind die Insolvenzgläubiger (vgl § 237), die absonderungsberechtigten Gläubiger (vgl § 238) und die Anteilsinhaber (vgl § 238a).57 Aus dem Zusammenhang folgt, dass derselbe enge Beteiligtenbegriff zugrunde liegt wie bei §§ 226, 254b, nicht der weite, auch Schuldner, Insolvenzverwalter und Organe der Gläubiger umfassende Begriff der Verfahrensbeteiligten des Zweiten Teils. Erörtert werden können die Voraussetzungen der Stimmrechte, also die Frage der 34 Gläubiger- bzw Anteilsinhaberstellung und deren Beeinträchtigung durch den Plan, sowie die für das jeweilige Stimmgewicht ausschlaggebende Größe, also die Höhe der Forderung oder der Anteil der Beteiligung (vgl § 244).58 Innerhalb der Erörterung finden ggf das Bestreiten, die Einigung und die Entscheidung des Insolvenzgerichts statt (vgl § 237 I S 1 iVm § 77 I S 1, II und III Nr 1; § 238 I S 3 iVm § 77 II, III Nr 1). b) Ablauf der Erörterung. Die Stimmrechte der Gläubiger werden auf der Grundlage 35 der Feststellung der Forderungen im Prüfungstermin erörtert, wobei eine Erörterung nach Gruppen sinnvoll erscheint; nur auf Verlangen einer am Erörterungstermin teilnahmeberechtigten Person sollte eine Einzelerörterung stattfinden. Wird der Prüfungstermin mit dem Erörterungstermin verbunden (§ 236), so bietet es sich an, jeweils die Forderung und das Stimmrecht gemeinsam zu erörtern. Sind auch Stimmrechte von Anteilsinhabern zu erörtern, so empfiehlt sich eine Erörte- 36 rung aufgrund einer vom Schuldner bzw vom Insolvenzverwalter erstellten Liste über die Anteils- bzw Mitgliedschaftsrechte; bei einer GmbH ist die Gesellschafterliste heranzuziehen (§§ 16, 40 GmbHG), bei einer Aktiengesellschaft mit Namensaktien das Aktienregister (§ 67 AktG). Wiederum genügt es, dass das Insolvenzgericht oder der hierzu aufgeforderte Insol- 37 venzverwalter oder der Schuldner mündlich präsentiert, welche Stimmrechte aus seiner Sicht bestehen, und den am Erörterungstermin teilnahmeberechtigten Personen die Gelegenheit der Erörterung gibt (vgl Rn 29). c) Ergebnis der Erörterung. Die nachfolgende Abstimmung macht eine Feststellung 38 der Stimmrechte erforderlich. Im Einzelnen erfolgt die Feststellung der Stimmrechte nach den §§ 237–238a mit den dort in Verweis genommenen Regeln über die Gläubigerversammlung. Das Ergebnis der Erörterung wird gem § 239 in der Stimmliste festgehalten.59

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Nur im Falle eines Planverfahrens bei Masseunzulänglichkeit (Rn 9) sind Gegenstand der Erörterung die Stimmrechte der Massegläubiger. Vgl BK/Flöther/Gelbrich InsO64 § 235 Rn 18.

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Madaus Insolvenzplan S 420 f; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 26; ebenso auch noch BK/Breutigam InsO60 § 235 Rn 14.

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§ 235

Sechster Teil. Insolvenzplan

4. Abstimmung über den Plan

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Die Einzelheiten der Abstimmung sind in den §§ 243–246a geregelt (näher § 243 Rn 6 ff); zentrales Merkmal der Abstimmung ist die Abstimmung in Gruppen (§ 244),60 wobei die Reihenfolge der Abstimmung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht.61 Abs 1 S 1 ordnet nicht nur an, dass eine Abstimmung zu erfolgen hat, sondern gibt zudem vor, dass diese Abstimmung erst nach Erörterung des Plans und der Stimmrechte stattfinden darf.62 40 Liegen mehrere Insolvenzpläne vor, so ist über jeden Plan einzeln abzustimmen.63 Die Abstimmung kann jeweils nach der Erörterung eines Plans oder nach Ende sämtlicher Erörterungen erfolgen (Rn 46). Im letztgenannten Fall bestimmt das Gericht mangels gesetzlicher Vorgabe die Abstimmungsreihenfolge nach seinem pflichtgemäßen Ermessen.64 Die Festlegung der Abstimmungsreihenfolge ist Teil der gerichtlichen Leitungsaufgaben und dient einer zügigen und geordneten Verfahrensgestaltung; die Beteiligten können freilich Anregungen geben. Die Bestimmung der Abstimmungsreihenfolge den Beteiligten – Gläubigern und ggf Anteilsinhabern – zu überlassen, brächte eine Verzögerung, die in keinem Verhältnis zum „Autonomiegewinn“ steht, zumal man wohl wiederum in Gruppen abstimmen müsste.

IV. Vorbereitung des Termins 1. Voraussetzungen der Terminsbestimmung

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Ein Erörterungs- und Abstimmungstermin ist nur durchzuführen, wenn ein Insolvenzplan vorgelegt wurde, den das Insolvenzgericht nicht gem § 231 zurückgewiesen hat. Das Gericht muss also jedenfalls nach erfolgreicher Prüfung des Plans gem § 231 I, II einen Termin für einen Erörterungs- oder Abstimmungstermin bestimmen.65 Die Terminsbestimmung setzt jedoch eine solche Prüfung nicht voraus; insbesondere kann sie auch schon vor Planvorlage im Hinblick auf einen angekündigten Plan erfolgen (Rn 47).66 Allerdings hindert eine Terminsbestimmung das Gericht nicht daran, den Plan noch zurückzuweisen, solange über die Zurückweisung keine Entscheidung ergangen ist. 42 Aus I S 3 folgt, dass die Einholung der Stellungnahmen nach § 232 noch nicht erfolgt zu sein braucht, dann aber zugleich mit der Terminsbestimmung stattfinden muss.67 In diesem Fall sind die Fristen aufeinander abzustimmen.68 Der Termin darf jedenfalls nicht vor Ablauf der Stellungnahmefrist (§ 232 III) anberaumt werden.69 60 61 62 63 64

Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 12. FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 22. Vgl BK/Flöther/Gelbrich InsO64 § 235 Rn 19. HK/Haas InsO9 § 235 Rn 13; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 8. Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 243 Rn 4: „unstreitig“; abw FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 22; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 14; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 8, die einer Entscheidung der Gläubigerversammlung über die Abstimmungsreihenfolge Vorrang einräumen; aA allerdings FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 45 und wohl HambK/Thies

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InsO6 § 235 Rn 5, nach denen ausschließlich die Gläubiger zur Festlegung der Abstimmungsreihenfolge befugt sind. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 5. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 6; aA HK/Haas InsO9 § 235 Rn 4: Nötig für die Terminsbestimmung ist stets die Niederlegung des Insolvenzplans. HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 3; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 6. BT-Drucks 17/5712, S 33. HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 2.

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Erörterungs- und Abstimmungstermin

§ 235

Auch eine Niederlegung in der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten nach § 234 43 muss, wie aus Abs 2 S 2 folgt, zumindest gleichzeitig mit der Bekanntmachung erfolgen; bei einer der Bekanntmachung vorangehenden Terminsbestimmung muss der Plan indes noch nicht niedergelegt sein. 2. Terminsbestimmung a) Zuständigkeit und Rechtsnatur. Zuständig für die Bestimmung des Erörterungs- 44 und Abstimmungstermins ist gem Abs 1 S 1 das Insolvenzgericht. Bei der Terminsbestimmung handelt es sich um eine verfahrensleitende Verfügung, gegen die Rechtsmittel nicht zur Verfügung stehen.70 b) Bestimmung eines Termins. Abs 1 S 1 geht von einem einheitlichen Termin aus, in 45 dem sowohl die Erörterung des Plans und der Stimmrechte als auch die Abstimmung erfolgt. § 241 lässt indes auch die Bestimmung eines gesonderten Abstimmungstermins zu, was zugleich einen gesonderten Erörterungstermin impliziert. Die Regeln des § 235 über die Terminsbestimmung gelten in diesem Fall für den gesonderten Erörterungstermin;71 für den Abstimmungstermin gilt die weitere Monatsfrist des § 241 I S 2.72 Auch der Erörterungstermin lässt sich aufspalten, etwa in einen Termin zur Erörterung der Stimmrechte und einen Termin zur Erörterung des Plans. Stets möglich ist, wie der Verweis auf § 74 II S 2 in S 3 erkennen lässt, eine Vertagung;73 der Termin für die Fortsetzung ist dann gem § 4 iVm § 136 III Hs 2 ZPO sofort zu bestimmen. Auch die Vertagung als verfahrensleitende Verfügung ist nicht anfechtbar.74 Umstritten ist die Terminierung in dem Fall, dass mehrere Insolvenzpläne vorgelegt 46 wurden. Der Regierungsentwurf, der neben Insolvenzverwalter und Schuldner auch einer bestimmten Zahl weiterer Beteiligter das Planvorlagerecht gewährte,75 hatte auf der Grundlage seiner Trennung von Erörterungs- und Abstimmungstermin bei mehreren Plänen einen einheitlichen Erörterungstermin ausdrücklich vorgesehen.76 Vom Rechtsausschuss, der die Erörterung mit der Abstimmung in einem Termin verbunden sehen wollte, wurde diese Vorschrift gestrichen, allerdings nur aus redaktionellen Gründen und unter Hinweis darauf, dass das Recht der Planvorlage auf Schuldner und Verwalter beschränkt sein sollte.77 Klare Argumente für oder gegen die einheitliche Terminierung sind der Gesetzesgeschichte daher nicht zu entnehmen. Während sich einige Autoren für einen einheitlichen Termin aussprechen,78 ist nach anderen stets79 oder im Regelfall80 ein eigenständi70

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Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 235, 236 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 17; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 33; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 6. Abw HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 4: Monatsfrist des § 241 I S 2 gilt. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 235, 236 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 5. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 7. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 235, 236 Rn 1. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 8. RegE § 255 (BT-Drucks 12/2443, S 50).

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So explizit noch RegE § 294 (BT-Drucks 12/ 2443, S 55). Rechtsausschuss, BT-Drucks 12/7302, S 184. FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 43; HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 10; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 235 Rn 7: „im Regelfall“; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 235 Rn 10; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 235 Rn 8: „sollten“. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO13 § 235 Rn 7; nunmehr aber für gemeinsame Erörterung und Abstimmung jedenfalls bei Plänen, die in engem zeitlichem Zusammenhang vorgelegt wurden, Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 7. Braun/Braun/Frank InsO7 § 235 Rn 8.

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§ 235

Sechster Teil. Insolvenzplan

ger Termin für jeden Plan anzuberaumen. Im Falle eines einheitlichen Termins kann man noch überlegen, ob – in Anlehnung an den Regierungsentwurf – zunächst die Erörterung der Pläne und sodann die Abstimmung über die Pläne stattfinden soll oder der Termin nach Plänen gegliedert wird, also jeweils der Plan zu erörtern und dann über ihn abzustimmen ist. Die einheitliche Terminierung ist gewiss zulässig, da sie dem – in § 235 deutlich sichtbaren – Gedanken der Konzentration entspricht. Auch eine getrennte Terminierung oder eine Gliederung des Termins nach Plänen muss jedoch zulässig sein. Denn eine getrennte Erörterung und Abstimmung würde auch dann stattfinden, wenn ein neuer Plan jeweils erst nach der Ablehnung oder Versagung der Bestätigung des vorhergehenden Plans vorgelegt worden wäre. Richtig erscheint es, die Terminierung und die Gliederung des Termins zunächst von den Terminierungsfristen81 und den Bekanntmachungs- und Ladungserfordernissen abhängig zu machen, ansonsten aber ins pflichtgemäße Ermessen des Insolvenzgerichts zu stellen. Das Insolvenzgericht wird sich bei seiner Entscheidung vom gesetzgeberischen Interesse an Konzentration und Beschleunigung leiten lassen, kann aber auch die größere Übersichtlichkeit eigenständiger Termine oder einer Gliederung eines einheitlichen Termins berücksichtigen.82 47 Wann der Termin zu bestimmen ist, sagt die Insolvenzordnung nicht. Gem § 4 gilt daher § 216 II ZPO entsprechend, sodass der Termin unverzüglich zu bestimmen ist, wenn das Gericht sich von seiner Notwendigkeit überzeugt hat. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn das Gericht entschieden hat, den Plan nicht gem § 231 zurückzuweisen.83 Zulässig ist aber auch eine Terminierung schon vor der Prüfung, ob der Plan zurückzuweisen ist; wurde die Vorlage eines Plans angekündigt, kann das Gericht sogar schon vor dessen Vorlage den Erörterungs- und Abstimmungstermin terminieren (Rn 41).84

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c) Zeitrahmen. Als Zeitrahmen für den Termin – nicht seine Bestimmung (dazu Rn 45) – gibt Abs 1 S 2 eine Monatsfrist vor. Der Beginn dieser Frist ist nicht ausdrücklich festgelegt. In der Rechtsprechung wurde beiläufig die Verfahrenseröffnung als maßgeblicher Zeitpunkt angesehen;85 in der Literatur wird überwiegend auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung des Termins,86 teils aber auch auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Stellungnahmefrist (§ 232 III) abgestellt.87 Die Anknüpfung an die Verfahrenseröffnung kommt nur bei einem Eröffnungsantrag mit Planvorlage („pre-packaged plan“) in Betracht; wollte man diese Lösung verallgemeinern, wäre als Fristbeginn die Planvorlage anzusehen. Das Gericht müsste bei dieser Lösung aber spätestens zwei Wochen nach Planvorlage über die Zurückweisung entscheiden (§ 231 I S 2) und den Termin dann noch innerhalb der nächsten zwei Wochen abhalten, was praktisch selten möglich sein wird, zumal ja gem § 236 S 1 auch der Prüfungstermin noch vor oder mit dem Erörterungs- und Abstimmungstermin

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So auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 7. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 8. HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 3; Martini/ Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1921. Auf den Zeitpunkt der Niederlegung des Plans abstellend HK/Haas InsO9 § 235 Rn 5; abw Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 6: „spätestens mit Niederlegung des Plans“. Ebenso Braun/Braun/Frank InsO7 § 235 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 6.

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AG Hamburg ZIP 2014, 237 Rn 12. Andres/Leithaus/Andres InsO3 Rn 4; BK/ Flöther/Gelbrich InsO64 § 235 Rn 3; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 235 Rn 3; HambK/ Thies InsO6 § 235 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 7; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 7. Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.9.

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Erörterungs- und Abstimmungstermin

§ 235

stattfinden muss. Eine Anknüpfung an den Ablauf der Stellungnahmefrist führte demgegenüber im Ergebnis zu einer mindestens sechswöchigen und damit recht langen Frist nach der Entscheidung, den Insolvenzplan nicht zurückzuweisen, die zudem wegen zweier Sollvorschriften nur einen abgeschwächten Appellcharakter hätte. Gegen die Bekanntmachung als maßgeblichen Zeitpunkt spricht, dass Adressat der Frist das Gericht ist, es also nicht auf eine Kundbarmachung nach außen ankommen muss. Vorzugswürdig erscheint es daher, auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem das Gericht entschieden hat, den Plan nicht gem § 231 zurückzuweisen. Ein Termin binnen eines Monats sollte zu finden sein; durch eine verzögerte Bekanntmachung kann das Gericht die Frist nicht beeinflussen. Da allerdings für Außenstehende nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann das Gericht die Entscheidung iSd § 231 I getroffen hat, wird man die Bekanntmachung als spätesten Fristbeginn ansehen können. Es handelt sich um eine Sollvorschrift, dh ihre Verletzung zieht keine Rechtsfolgen für 49 das Insolvenzverfahren nach sich.88 Das richterliche Ermessen wird jedoch dahin begrenzt, dass eine Überschreitung der Frist nur in begründeten Ausnahmefällen gestattet ist. Ob die Bestimmung eines späteren Termins ohne sachlichen Grund eine Staatshaftung begründet, ist umstritten.89 Selbst wenn man dies bejaht, wird das erforderliche Verschulden selten gegeben sein. Der nunmehr in § 198 GVG geregelte Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gilt im eröffneten Insolvenzverfahren nur, soweit es um die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung geht (§ 198 VI Nr 2 Hs 2, 3 GVG). Zwar gehört der Erörterungs- und Abstimmungstermin zu dem Verfahren, das mit der Planbestätigung schließt. Da aber zuvor noch die Planannahme erfolgen muss, die keine richterliche Entscheidung, sondern eine Entscheidung der Stimmberechtigten ist, wird man die Terminierung nicht als Teil eines auf gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfahrens ansehen können. d) Ort. Der Termin findet grundsätzlich an der Gerichtsstelle, also im Gerichtsge- 50 bäude,90 statt (§ 4 iVm § 219 I Hs 1 ZPO). Wenn der Termin – etwa wegen einer Vielzahl an Beteiligten – dort nicht durchgeführt werden kann, darf er außerhalb der Gerichtsstelle – etwa in einer Messehalle – stattfinden.91 Dabei muss die Verlegung notwendig sein, bloße Nützlichkeit reicht nicht aus.92 Die Entscheidung über den Ort wird in Form einer Verfügung getroffen und ist nicht anfechtbar. 3. Öffentliche Bekanntmachung a) Ausführung der Bekanntmachung. Abs 2 S 1 sieht eine öffentliche Bekanntmachung 51 des Termins vor, die gem § 9 I grundsätzlich im Internet auf www.insolvenzbekanntmachungen.de erfolgt. Mit „Termin“ ist hier das bestimmte Datum des bevorstehenden Termins gemeint, nicht gemeint sind Inhalt und Ergebnisse des erfolgten Termins. Sinn und

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FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 24; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 6: für die „Bestätigung des Insolvenzplans“ unschädlich; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 235 Rn 5. Dagegen MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 8; dafür wohl Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 235 Rn 7; Smid/Rattunde/ Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 5.

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Musielak/Voit/Stadler ZPO13 § 219 Rn 2; Stein/Jonas/Roth ZPO23 § 219 Rn 2. Vgl Jaeger/Gerhardt InsO § 74 Rn 21 (für Gläubigerversammlungen); implizit FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 24; weiter Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1923. Vgl Jaeger/Gerhardt InsO § 74 Rn 21: „notfalls“; allgemein Musielak/Voit/Stadler ZPO13 § 219 Rn 2.

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§ 235

Sechster Teil. Insolvenzplan

Zweck der öffentlichen Bekanntmachung ist es, alle teilnahmeberechtigten Personen – insbesondere auch diejenigen, die nicht besonders geladen werden – über den Termin und die Möglichkeit zur Einsichtnahme in den niedergelegten Plan nebst Stellungnahmen zu informieren. Wurde der Termin nicht bekanntgemacht, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel iSd § 250 Nr 1 vor, der die Versagung der Planbestätigung zur Folge hat, falls nicht alle Teilnahmeberechtigten zum Termin erscheinen (§ 250 Rn 41).93 52 Muss der Termin nach der ursprünglichen Bekanntmachung verlegt werden, bedarf es einer erneuten Bekanntmachung, da mit der Verlegung der ursprünglich bestimmte Termin aufgehoben und ein neuer bestimmt wird.94

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b) Angaben. Die Bekanntmachung enthält die Angabe, dass in einem genau bezeichneten Insolvenzverfahren ein Erörterungs- und Abstimmungstermin stattfindet,95 wann dieser stattfindet, was eine Angabe von Datum und Uhrzeit beinhaltet, und wo der Termin abgehalten wird, was insbesondere bei Durchführung des Termins an einem anderem Ort als dem Gerichtsort entscheidend ist. 54 Darüber hinaus muss die Bekanntmachung gem Abs 2 S 2 auch den Hinweis enthalten, dass der Plan und die Stellungnahmen in der Geschäftsstelle – wo sie gem § 234 niedergelegt sind – eingesehen werden können.96 Ein Fehlen des Hinweises wird zwar im Regelfall keinen wesentlichen Verfahrensmangel iSd § 250 Nr 1 darstellen. Im Einzelfall ist dies aber denkbar, wenn infolge des fehlenden Hinweises die Beteiligungsrechte nicht mehr sinnvoll wahrgenommen werden können (vgl § 250 Rn 41); ist der Hinweis unterblieben, sollte er also nach Möglichkeit rechtzeitig nachgeholt werden.97 Man kann daher keineswegs sagen, der Hinweis sei nicht zwingend.98

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c) Besonderheiten bei Vertagung. Nach dem Verweis in Abs 2 S 3 auf § 74 II S 2 kann eine erneute öffentliche Bekanntmachung unterbleiben, wenn im Termin selbst eine Vertagung stattfindet.99 Dies rechtfertigt sich daraus, dass das Datum des neuen Termins gem § 4 iVm § 136 III Hs 2 ZPO „sofort“, also noch im Termin selbst, zu bestimmen ist; wer im Termin anwesend ist, erfährt mithin direkt von der Terminsbestimmung. Termin ist nur der Erörterungs- und Abstimmungstermin, nicht eine sonstige Gläubigerversammlung,100 da sich der Teilnehmerkreis nicht deckt. 56 Muss allerdings der Termin, auf den im Termin vertagt wurde, seinerseits verlegt werden, bedarf es einer erneuten öffentlichen Bekanntmachung (vgl Rn 52).

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BK/Flöther/Gelbrich InsO64 § 235 Rn 6; FK/ Jaffé InsO9 § 235 Rn 27; HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 6; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 235 Rn 13; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 235 Rn 15; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 11. Vgl Stein/Jonas/Roth ZPO23 § 227 Rn 3. Zumindest schlagwortartige Bezeichnung, nicht lediglich Mitteilung einer Paragraphenkette, vgl BGH NZI 2008, 430 mAnm Gundlach/Frenzel; 2011, 713 Rn 7.

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HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 6; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 15; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.11. AA noch BK/Breutigam InsO60 § 235 Rn 5. So aber Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 235 Rn 17. FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 26; HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 235 Rn 15. AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 11.

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Erörterungs- und Abstimmungstermin

§ 235

4. Ladung a) Besonders zu ladende Personen. Abs 3 sieht vor, dass bestimmte Personen und Gre- 57 mien besonders zu laden sind. Die zu ladenden Beteiligten zählen Abs 3 S 1 und S 3 abschließend auf; es sind dies gem S 1 die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, die absonderungsberechtigten Gläubiger, der Insolvenzverwalter, der Schuldner, der Betriebsrat und der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten sowie schließlich gem S 3 die Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten, sofern diese in den Plan einbezogen sind und es sich nicht um Aktionäre oder Kommanditaktionäre handelt.101 aa) Insolvenzgläubiger. Zu laden sind zunächst alle Insolvenzgläubiger, die ihre Forde- 58 rungen angemeldet haben.102 Zu diesen gehören auch nachrangige Insolvenzgläubiger, sofern sie ihre Forderungen ausnahmsweise anmelden konnten, weil das Insolvenzgericht gem § 174 III hierzu aufgefordert hatte.103 Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen einer Anmeldung ist der Zeitpunkt, zu dem der Insolvenzverwalter dem Gericht auf dessen Verlangen ein Verzeichnis der angemeldeten Forderungen zum Zwecke der Vorbereitung des Termins übersendet. Auch Insolvenzgläubiger, die ihre Forderung nach Ablauf der im Eröffnungsbeschluss gem § 28 I gesetzten Anmeldefrist angemeldet haben, sind zu laden.104 Wenn der Prüfungstermin noch nicht stattgefunden hat oder Erörterungs- und Prü- 59 fungstermin gem § 236 miteinander verbunden werden, sind die bekannten Gläubiger zu laden; Ermittlungen, die über die Akten und ggf eine Erkundigung beim Schuldner und (vorläufigen) Insolvenzverwalter hinausgehen, muss das Gericht hierzu indes keine anstellen. bb) Absonderungsberechtigte Gläubiger. Absonderungsberechtigte Gläubiger sind be- 60 sonders zu laden, soweit sie bekannt sind (vgl § 152 I, II).105 Ob der vorgelegte Plan einen Eingriff in die Absonderungsrechte vorsieht oder nicht, ist ohne Belang.106 cc) Insolvenzverwalter und Schuldner. Insolvenzverwalter und Schuldner sind stets be- 61 sonders zu laden, um ihre – notwendige (Rn 12 f) – Teilnahme am Termin sicherzustellen. Praktische Schwierigkeiten sollten sich insoweit nicht ergeben. dd) Betriebsrat und Sprecherausschuss der leitenden Angestellten. Betriebsrat und 62 Sprecherausschuss dürfen am Erörterungs- und Abstimmungstermin teilnehmen, obwohl sie nicht unmittelbar in ihren Rechten betroffen werden und daher nicht stimmberechtigt sind. Grund ist, dass die Wirkungen des Plans die von ihnen repräsentierten Personengruppen typischerweise erheblich berühren und die Mitglieder dieser Personengruppen häufig

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FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 29 ff; HambK/ Thies InsO6 § 235 Rn 7 f; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 1. BK/Flöther/Gelbrich InsO64 § 235 Rn 9; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.12; abw Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 18, der zugleich die „anderweitig bekannt gewordenen“ Insolvenzgläubiger nach § 229 S 3 zu den zu ladenden Beteiligten rechnet; aA Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 235 Rn 16: nur die Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen angemeldet haben.

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HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 7; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 19; Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1922; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 12; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 12. AA LG Hannover ZinsO 2003, 719, 720. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 18. Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1922; wohl auch BK/Flöther/Gelbrich InsO64 § 235 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 235 Rn 19.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

auch Insolvenzgläubiger sind. Da Betriebsrat und Sprecherausschuss zudem auch Stellungnahmen abgeben können (§ 232 I Nr 1) und die Arbeitnehmer ggf sogar eine Gruppe bilden sollen (§ 222 III), haben sie durchaus gewichtige Möglichkeiten, auf das Insolvenzplanverfahren Einfluss zu nehmen. Die Ladung richtet sich an das Gremium, nicht seine einzelnen Mitglieder.107 Die Mitglieder sind aber, da das Gremium komplett geladen ist, sämtlich teilnahmeberechtigt;108 redeberechtigt ist allerdings nur der Vorsitzende.109 63 Findet ein gesonderter Abstimmungstermin statt (§ 241), so ist Betriebsrat und Sprecherausschuss die Anwesenheit auch in diesem Termin unabhängig davon gestattet, ob einzelne oder alle Arbeitnehmer oder leitende Angestellte stimmberechtigt sind. Dies dient der Transparenz und damit dem Betriebsfrieden, was auch im Interesse des Schuldners, der Anteilsinhaber und der Gläubiger steht. Dass die Anwesenheit von Mitgliedern des Betriebsrats und des Sprecherausschusses Einfluss auf das Abstimmungsverhalten haben kann, ist, wenn nicht gewollt, so jedenfalls in Kauf zu nehmen.

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ee) Anteilsinhaber. Die Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten am Schuldner sind nur dann zu laden, wenn sie in den Plan „einbezogen“ sind (§ 217 S 2).110 Eine solche Einbeziehung liegt vor, wenn der Plan ausdrücklich (§ 225a I aE) eine der in § 225a II oder III genannten Regelungen trifft. Selbst dann nicht zu laden sind gem Abs 3 S 3 Hs 2 Aktionäre oder Kommanditaktionäre111 unabhängig von der Börsennotierung. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass es sich bei Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien „oftmals“ um Publikumsgesellschaften mit weit gestreuten Anteilen handle und zudem Name und Anschrift „meist“ nicht bekannt sein werden.112 Auch wenn letzteres infolge der Aktienrechtsnovelle 2016 an Gewicht verlieren dürfte,113 ist doch die gesetzgeberische Entscheidung zu billigen, da unverhältnismäßige Kosten zu vermeiden sind; steht eine AG oder KGaA nicht in Streubesitz, ist ohnehin davon auszugehen, dass die Aktionäre oder Kommanditaktionäre über die die Gesellschaft betreffenden Vorgänge informiert sind. Bei einer GmbH können die zu ladenden Personen anhand der Gesellschafterliste (§§ 16, 40 GmbHG) bestimmt werden.114

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b) Ausführung der Ladung. Ladung ist die Bekanntgabe eines gerichtlichen Termins verbunden mit der Aufforderung, im Termin zu erscheinen.115 Die „besondere“ Ladung ist eine Ladung, die über die öffentliche Bekanntmachung des Abs 2 hinausgeht; § 9 III gilt insoweit nicht.116 Das Unterbleiben einer gebotenen besonderen Ladung zwingt in der Regel zur Versagung der Planbestätigung.117 Die besondere Ladung erfolgt durch das Insolvenzgericht von Amts wegen (§ 4 iVm § 214 ZPO) und richtet sich regelmäßig an den Adres-

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Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.13; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 12. AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 12. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 12. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 18. HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 8; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 18. BT-Drucks 17/5712, S 33. Vgl §§ 10, 67 idF des G v 22.12.2015, BGBl I, S 2565. HK/Haas InsO9 § 235 Rn 7; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 13.

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S nur Stein/Jonas/Roth ZPO23 vor § 214 Rn 9, § 214 Rn 1. LG Hanau NZI 2001, 238 (berichtet von Gerhard Gareis). AA wohl BK/Breutigam InsO60 § 235 Rn 9. BGH ZIP 2011, 781 f Rn 5; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 23; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 235 Rn 19: keine Heilungsmöglichkeit bei unterbliebener Ladung; aA offenbar LG Berlin DZWIR 2005, 301, 304: Unwesentlicher Verstoß, wenn Teilnahme keinen Einfluss auf Ergebnis der Abstimmung gehabt hätte; einschränkend Braun/Braun/Frank InsO7 § 235 Rn 7: nur, wenn Landungsmangel unstreitig, ansonsten

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Erörterungs- und Abstimmungstermin

§ 235

saten persönlich oder seinen Verfahrensbevollmächtigten (§ 4 iVm § 172 I S 1 ZPO). Entgegen der hM118 muss die Ladung zugestellt werden (§ 8). Denn Grundregel ist die Zustellung von Ladungen;119 eine gesetzliche Ausnahme für die Ladung zum Erörterungsund Abstimmungstermin gibt es nicht. Zwar setzt die Ladung keine Frist in Gang; sie enthält jedoch eine Terminsbestimmung (vgl. § 329 II S 2 Alt 2 ZPO). Gem § 8 III kann der Insolvenzverwalter mit der Durchführung der Ladung beauftragt werden.120 Besonderheiten gelten gem Abs 3 S 4 Hs 1 iVm § 121 IVa AktG für börsennotierte Ge- 66 sellschaften (§ 3 III AktG): Haben diese nicht ausschließlich Namensaktien ausgegeben oder laden diese nicht alle Aktionäre mit eingeschriebenem Brief, so muss die Ladung121 über Medien erfolgen, bei denen mit einer Verbreitung der Information in der ganzen EU zu rechnen ist.122 Der Verweis in Abs 3 S 4 Hs 1 beschränkt sich allerdings auf § 121 IVa AktG. Alle sonstigen aktienrechtlichen Bestimmungen für die Einberufung der Hauptversammlung gelten nicht;123 Rechtsschutz können die Aktionäre nur gem §§ 251, 253, nicht gem §§ 241 ff AktG, erlangen.124 Im Übrigen ist von Unternehmen, deren Anteile an einem geregelten Markt gehandelt werden oder deren Zulassung beantragt haben, die Pflicht zur Herstellung von Ad-hoc-Publizität nach Art 17 I UAbs 1 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu beachten.125 c) Inhalt der Ladung. Die Ladung bezeichnet den Schuldner, nennt Zeit und Ort des 67 Termins126 und fordert den Adressaten unter Hinweis darauf, zu welcher zu ladender Personengruppe er gehört, zur Teilnahme am Termin auf. Erforderlich ist auch ein Hinweis auf die Notwendigkeit eines Widerspruchs und einer Ablehnung des Plans für die Rechtsbehelfe der §§ 251, 253,127 der etwa dem bei § 253 Rn 20 aufgeführten Muster folgen kann. Fraglich ist, ob die Ladung weitere Belehrungen und Hinweise enthalten sollte. In Anlehnung an § 4 iVm § 215 I ZPO könnte man an eine Belehrung darüber denken, dass auch ohne Teilnahme eines stimmberechtigten Adressaten der Plan mit der qualifizierten Mehrheit des § 244 angenommen werden kann, im Falle seiner Bestätigung an die Stelle des Regelinsolvenzverfahrens tritt und seine gestaltenden Wirkungen eintreten. Solche gesetzlich nicht vorgesehenen zusätzlichen Inhalte schaffen indes Fehlerquellen, die ihrerseits

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wirke gerade § 9 III InsO; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 235 Rn 21: Heilung bei Erscheinen des nicht oder nicht ordnungsgemäß Geladenen, es sei denn, dieser rügt den Mangel. HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 10; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 17; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 235 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 20. Vgl. Musielak/Voit/Stadler ZPO14 § 214 Rn 4; Stein/Jonas/Roth ZPO23 vor § 214 Rn 10. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 17; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 20. AA BT-Drucks 17/5712, S 33: Bekanntmachung. FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 34; HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 235 Rn 27; Wieneke/Hoff-

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mann ZIP 2013, 697, 700, die eine Bekanntmachung der Ladung via Internetpublikation über den elektronischen Bundesanzeiger für ausreichend erachten. Eidenmüller NJW 2014 17, 18; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 18. Implizit Haas NZG 2012, 961, 964. Eidenmüller NJW 2014, 17, 18; Haas NZG 2012, 961, 965; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 28; Thole ZIP 2013, 1937, 1940; 1945; Weber/Schneider ZInsO 2012, 374, 382. Dazu Wieneke/Hoffmann ZIP 2013, 697, 700. Zur Möglichkeit der Selbstbefreiung siehe Art 17 IV iVm Erwägungsgrund 50 Verordnung (EU) Nr. 596/2014. BGH NZI 2010, 734, 736 Rn 29 f; Hess/ Hess Insolvenzrecht2 § 235 Rn 11; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 17. Buchalik/Stahlschmidt ZInsO 2014, 1144, 1149; HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 9.

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§ 235

Sechster Teil. Insolvenzplan

zu Verzögerungen und Rechtsmitteln führen können. Es erscheint daher vorzugswürdig, diese Hinweise im Termin selbst zu geben, wenn dies notwendig erscheint; wer trotz Ladung am Termin nicht teilnimmt und sich nicht vertreten lässt, muss mit dem Risiko eines Rechtsverlusts rechnen.

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d) Ladungsfrist. Eine Ladungsfrist sieht die Insolvenzordnung nicht ausdrücklich vor. Die Ladung erfüllt aber nur dann ihren Sinn, wenn sie dem Geladenen die Möglichkeit gibt, tatsächlich am Termin teilzunehmen und den der Ladung beigefügten Abdruck des Plans bzw die Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts bis dahin zur Kenntnis genommen und durchdacht zu haben. Zwar lässt § 217 ZPO in anhängigen Sachen ohne Anwaltszwang eine Ladungsfrist von drei Tagen ausreichen. Die Ladung zum Abstimmungsund Erörterungstermin ähnelt wegen der erstmaligen Mitteilung des Plans oder seiner Zusammenfassung aber eher der Zustellung der Klageschrift im Zivilprozess. In Anlehnung an § 274 III S 1 ZPO ist daher eine Ladungsfrist von zwei Wochen zu beachten.128 e) Beizufügende Unterlagen

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aa) Zweck. Gem Abs 3 S 2 ist mit der Ladung ein Abdruck des Plans oder eine Zusammenfassung des wesentlichen Planinhalts zu übersenden. Zweck der Beifügung ist es, dem Adressaten die Entscheidung über die Teilnahme am Termin und die Vorbereitung des Termins zu erleichtern.129

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bb) Zusammenfassung des wesentlichen Planinhalts. Das Insolvenzgericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen,130 ob es eine Zusammenfassung des wesentlichen Planinhalts anfordert und der Ladung beifügt oder die Ladung mit einem vollständigen Abdruck des Plans vornimmt. Sinnvoll ist eine Zusammenfassung insbesondere bei einem sehr komplexen Plan oder einem Plan, dessen gestaltender Teil Forderungen oder Anteils- bzw Mitgliedschaftsrechte von Beteiligten berührt, die mit dem Schuldner als Privatpersonen in Kontakt getreten sind. Da die Beifügung der Zusammenfassung Alternative zur Beifügung des vollständigen Plans ist, muss sie – dem Zweck der Beifügungspflicht entsprechend (Rn 69) – den Adressaten der Ladung die Gesichtspunkte des darstellenden und gestaltenden Teils dergestalt deutlich machen, dass ihnen eine informierte Entscheidung über die Teilnahme am Termin und die Einsichtnahme in den niedergelegten Plan zur Vorbereitung des Termins möglich ist.131 Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hat das Insolvenzgericht zu prüfen. Eine Zusammenfassung, die diesen Anforderungen nicht entspricht, darf nicht beigefügt werden, sondern ist – sinnvollerweise unter Setzung einer Frist zur Behebung der Mängel – zurückzuweisen. Übersieht das Insolvenzgericht Mängel der Zusammenfassung und fügt diese bei, ist bis zur Bestätigung ein neuer Termin zu bestimmen und bekanntzumachen, zu dem dann korrekt zu laden ist; nach Rechtskraft der Bestätigung gilt allein der Inhalt des rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans.132 Eine Staatshaftung wird

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IE ebenso BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 235 Rn 20. So auch BK/Flöther/Gelbrich InsO64 § 235 Rn 12; FK/Jaffé InsO9 § 235 Rn 39; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 20. Terminologisch anders Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 235 Rn 16: „freies Ermessen“; dagegen Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 Rn 160.

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Deswegen bei der Zusammenfassung des Planinhalts als „Pflichtanlage mindestens eine Vermögensübersicht, eine Plan- [sic!] Gewinn- und Verlustrechnung und eine Liquiditätsplanung“ fordernd Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 20. UU kann eine Unkenntlichmachung sensibler Stellen erforderlich sein. Vgl dazu Wieneke/Hoffmann ZIP 2013, 697, 700 f. BGHZ 199, 344, 349 f Rn 18.

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Erörterungs- und Abstimmungstermin

§ 235

durch unterlassene oder unsorgfältige Prüfung der Zusammenfassung nicht begründet; die Einsichtnahme in den gesamten Plan und die Teilnahme am Termin sind insofern Obliegenheit bzw Last.133 Die Zusammenfassung hat die Person, die den Plan vorgelegt hat, auf Aufforderung einzureichen;134 das Insolvenzgericht kann und darf sie nicht selbst erstellen.135 Freilich darf es jedoch Verbesserungsvorschläge machen oder Verbesserungen selbst anbringen. Die Kosten der Erstellung einer Zusammenfassung trägt derjenige, der den Plan vorgelegt hat.136 Eine Fristsetzung zur Einreichung der Zusammenfassung ist nach allgemeinen Regeln möglich und rätlich. Wird die Zusammenfassung nicht oder nicht rechtzeitig eingereicht oder entspricht sie nicht den Anforderungen, so kann das Insolvenzgericht demjenigen, der den Plan vorgelegt hat, eine erneute Frist setzen und ggf den Termin vertagen, unter Beifügung eines vollständigen Abdrucks des Plans zum Termin laden oder den Plan analog § 231 I S 1 Nr 1 zurückweisen. Den Druck der Anlagen und des Versands wird meist derjenige übernehmen, der den Plan vorgelegt hat. Übernimmt das Gericht den Druck und Versand, so stellt es die Kosten als Verfahrenskosten der Masse in Rechnung.137

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f) Zusammenfassung des Plans auf der Internetseite. Börsennotierte Gesellschaften 76 (§ 3 II AktG) haben nach Abs 3 S 4 Hs 2 eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts des Plans über ihre Internetseite zugänglich zu machen. Aus der Verortung in Abs 3 ergibt sich, dass diese Vorgabe nur gilt, wenn Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten zu laden sind und dass auch nur diese Personen Zugang zu der Zusammenfassung haben müssen. Die Zusammenfassung kann also passwortgeschützt eingestellt werden, wenn den Aktionären das Passwort mitgeteilt wird.138 Die Zusammenfassung ist hier keine Alternative zur Mitteilung des Plans, sondern muss im Internet zugänglich gemacht werden. Es handelt sich um eine Pflicht der schuldnerischen Gesellschaft, die vom Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Verwaltungsbefugnis zu erfüllen ist; kommt der Verwalter dieser Pflicht nicht nach, gelten §§ 59 f. Grundsätzlich ist entsprechend Abs 3 S 2 die Person zur Erstellung der Zusammenfassung verpflichtet, die den Plan vorgelegt hat. Da Abs 3 S 4 Hs 2 aber die börsennotierten Gesellschaften in die Pflicht nimmt, ist davon auszugehen, dass diese nicht nur zur Zugänglichmachung der Zusammenfassung, sondern notfalls auch zu deren Erstellung verpflichtet sind; die Pflicht trifft dann wiederum den Insolvenzverwalter. Die Kosten der Erstellung kann die Gesellschaft von der Person ersetzt verlangen, die den Plan vorgelegt hat. Die Pflicht, eine Zusammenfassung auf der Internetseite zugänglich zu machen, tritt an die Stelle der Pflicht zur Beifügung des Plans oder seiner Zusammenfassung gem Abs 3 S 2. 133

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Vgl BGHZ 199, 344, 349 f Rn 18 (Einsichtnahme und Lesen des Plans sind zumutbar). BK/Flöther/Gelbrich InsO64 § 235 Rn 12; HK/Haas InsO9 § 235 Rn 7. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 18; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.17; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 17. AA wohl HK/Haas InsO9 § 235 Rn 7: „Gerichtskosten“; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 235 Rn 31: „Massekosten“.

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HK/Haas InsO9 § 235 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 19. Vgl BT-Drucks 17/5712, S 33; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 235, 236 Rn 4; HambK/Thies InsO6 § 235 Rn 8; aA zu § 252 II S 3 MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 21. Wieneke/Hoffmann ZIP 2013, 697, 701 halten dies in Bezug auf sensible Informationen „wenig praxisgerecht“ und erachten daher eine Übermittlung nur auf Nachfrage gegen Bestätigung der Aktionärseigenschaft für möglich.

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§ 236

Sechster Teil. Insolvenzplan

§ 236 Verbindung mit dem Prüfungstermin 1

Der Erörterungs- und Abstimmungstermin darf nicht vor dem Prüfungstermin stattfinden. 2 Beide Termine können jedoch verbunden werden. Materialien: RefE § 269; RegE § 280 (Erörterungstermin, BT-Drucks 12/2443, S 53); Rechtsausschuss § 280 (BT-Drucks 12/7302, S 102). Vorgängerregelungen: §§ 173, 180 KO; §§ 66 f, 70 f VglO, § 16 II, IV S 2 GesO. Literatur Breutigam/Kahlert Forderungsfeststellung im Planverfahren – eine unendliche Geschichte? ZInsO 2012, 469; Martini/Horstkotte Häufige Fehler bei der Aufstellung von Insolvenzplänen und der Durchführung von Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2017, 1913; Otte/Wiester Nachmeldungen im Planverfahren, NZI 2005, 70; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 (2015), insb Kap 16.

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Vorläufer und Entstehungsgeschichte 2 II. Reihenfolge bei getrennten Terminen (S 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Hintergründe . . . . . . . . . . . . . 4 2. Konsequenzen für die Terminierung . 7 3. Prüfungstermin iSd § 236 . . . . . . 9

III. Verbindung der Termine (S 2) . . . . . 1. Hintergründe . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit einer Verbindung . . . 3. Entscheidung über die Verbindung 4. Vorbereitung des gemeinsamen Termins . . . . . . . . . . . . . . . 5. Durchführung des gemeinsamen Termins . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

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I. Einleitung 1. Überblick

1

§ 236 sieht vor, dass der Prüfungstermin (§ 29 I Nr 2, § 176) spätestens zusammen mit dem Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 235) stattfinden muss (S 1, Rn 4 ff), und erlaubt eine Verbindung beider Termine (S 2, Rn 10 ff). 2. Vorläufer und Entstehungsgeschichte

2

Wie alle Vorschriften über den Insolvenzplan hat auch § 236 keinen direkten Vorläufer; KO, VglO und GesO kannten im Zusammenhang mit dem Vergleich aber Vorschriften mit teils ähnlichem Gehalt. In der Konkursordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 67 ff) erlaubte § 173 KO den Zwangsvergleich, „[s]obald der allgemeine Prüfungstermin abgehalten“ war; § 180 KO gestattete dem Gericht, auf Antrag des Gemeinschuldners und ggf des Gläubigerausschusses den Vergleichstermin mit dem allgemeinen Prüfungstermin zu verbinden. Unter der Vergleichsordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 75 ff) wurden die Forderungen im Vergleichstermin nach Maßgabe der §§ 70 f VglO erörtert und festgestellt (§ 66 I S 1 VglO); einen eigenen Prüfungstermin kannte die Vergleichsordnung nicht. Die Gesamtvollstreckungsordnung (Münch § 222 Rn 17) sah hingegen wie die KO explizit vor, dass der Vergleich nach Abhaltung des allgemeinen Prüfungstermins abzuschließen ist (§ 16 II GesO), dass Prüfungstermin und Vergleichstermin aber auch verbunden werden können (§ 16 IV S 2 GesO).

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Verbindung mit dem Prüfungstermin

§ 236

Der Diskussionsentwurf, der im Regelfall Erörterungstermin und Abstimmungstermin 3 trennte,1 sah lediglich eine Verbindung des Erörterungstermins mit dem Berichtstermin vor.2 Im Referentenentwurf, der an der Trennung von Erörterungstermin und Abstimmungstermin festhielt, wurde diese Vorschrift gestrichen und stattdessen unter Hinweis auf §§ 173, 180 KO3 eine Regelung eingefügt, die in S 1 die Reihenfolge von Erörterungstermin und Prüfungstermin festlegte, in S 2 die Verbindung beider Termine erlaubte.4 Der Regierungsentwurf brachte keine Änderungen.5 Im Vorschlag des Rechtsausschusses, welcher Erörterungs- und Abstimmungstermin zusammenfasste, fand sich dann die heutige Regelung.6

II. Reihenfolge bei getrennten Terminen (S 1) 1. Hintergründe S 1 verbietet es, den Erörterungs- und Abstimmungstermin vor dem Prüfungstermin 4 durchzuführen. Da der Prüfungstermin seinerseits mindestens eine Woche nach Ablauf der Frist zur Anmeldung von Forderungen durchzuführen ist (§ 29 I Nr 2), ist damit gewährleistet, dass bei Erörterung und Abstimmung alle fristgerecht angemeldeten Forderungen berücksichtigt werden können.7 Eine möglichst gute Kenntnis der Forderungen ist sowohl für die Erörterung als auch 5 die Abstimmung wertvoll:8 In der Erörterung des Plans sind die Erfolgsaussichten des vom Regelinsolvenzverfahren abweichenden Konzepts des Insolvenzplans zu diskutieren. Die Erfolgsaussichten hängen typischerweise davon ab, welche Zahl und Höhe an Verbindlichkeiten bestehen. In der Erörterung der Stimmrechte muss geklärt werden, welche Gläubiger stimmberechtigt sein sollen, was wiederum eine Prüfung und Feststellung ihrer Forderungen voraussetzt. Auf dieser Grundlage findet dann die Abstimmung statt. Zudem kann, wenn der Prüfungstermin vor dem Erörterungs- und Abstimmungster- 6 min stattfindet, das Ergebnis des Prüfungstermins, insbesondere die Tabelle (§ 175), der Erörterung und Abstimmung und ggf auch der Ladung zum Erörterungs- und Abstimmungstermin (vgl § 253 III) zugrunde gelegt werden. 2. Konsequenzen für die Terminierung Das Insolvenzgericht muss den Erörterungs- und Abstimmungstermin so terminieren, 7 dass er nicht vor einem bereits terminierten Prüfungstermin liegt. Wurde ein Prüfungstermin noch nicht bestimmt, empfiehlt es sich, Prüfungstermin und Erörterungs- und Abstimmungstermin in ein und derselben Verfügung zu bestimmen. Wurde zunächst falsch termi-

1

2 3 4 5 6

DiskE §§ 268, 274 (S 137, 139 f); Verbindung von Erörterungstermin und Abstimmungstermin gem § 275 (S 140). DiskE § 269 (S 137). RefE Begr zu § 269 (S 282); ebenso RegE Begr zu § 280 (BT-Drucks 12/2443, S 206). RefE § 269 (S 157). RegE § 280 (BT-Drucks 12/2443, S 53). Rechtsausschuss § 280 (BT-Drucks 12/7302, S 102).

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FK/Jaffé InsO9 § 236 Rn 2; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 236 Rn 2. Vgl RefE Begr zu § 269 (S 281 f); BK/Flöther InsO64 § 236 Rn 1; FK/Jaffé InsO9 § 236 Rn 3 ff; HambK/Thies InsO6 § 236 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 236 Rn 1; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 236 Rn 1; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 236 Rn 3; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 236 Rn 2; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.53.

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§ 236

Sechster Teil. Insolvenzplan

niert, so muss einer der Termine in geeigneter Form, insbesondere unter Wahrung der Fristen (§ 29 I Nr 2; § 235 Rn 48), verlegt werden. Muss der Prüfungstermin verlegt oder in einem weiteren Termin fortgesetzt werden, so muss der Termin, auf den er verlegt oder in dem er fortgesetzt wird, ebenfalls vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin liegen oder gem S 2 mit diesem verbunden werden. 8 Die Abstimmung der Termine macht keine Schwierigkeiten, da jeweils der Richter für die Terminsbestimmung zuständig ist:9 Die Terminierung des Prüfungstermins gehört als Teil des Eröffnungsbeschlusses (§ 29 I Nr 2) zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag, die gem § 18 I Nr 1 RPflG dem Richter vorbehalten ist; die Terminierung des Erörterungsund Abstimmungstermins ist als Teil des Insolvenzplanverfahrens gem § 18 I Nr 2 RPflG nunmehr ebenfalls dem Richter vorbehalten. 3. Prüfungstermin iSd § 236

9

Prüfungstermin iSd § 236 ist nur der allgemeine Prüfungstermin iSd § 176, wie er im Eröffnungsbeschluss gem § 29 I Nr 2 bestimmt wurde. S 1 zwingt daher nicht zu einer Verlegung des Erörterungs- und Abstimmungstermins, wenn gem § 177 I S 2 aufgrund einer nachträglich angemeldeten Forderung oder gem § 177 II aufgrund zu kurzer Anmeldungsfrist für nachrangige Gläubiger ein besonderer Prüfungstermin bestimmt oder eine Prüfung im schriftlichen Verfahren angeordnet wird.10

III. Verbindung der Termine (S 2) 1. Hintergründe

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Die von S 2 erlaubte Verbindung der Termine kann sinnvoll sein, insbesondere der Verfahrensbeschleunigung dienen. Denn die im Prüfungstermin vorgesehene Prüfung der Forderungen mit Einzelerörterung bestrittener Forderungen (§ 174) und die im Erörterungstermin vorgesehene Erörterung und Feststellung der von den Forderungen abhängenden Stimmrechte der Gläubiger (vgl § 235 I S 1, §§ 237 f) sind zwar rechtlich als eigene Verfahren konzipiert,11 überschneiden sich aber inhaltlich. 2. Zulässigkeit einer Verbindung

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Durch die Verbindung wird der Termin zugleich zum Prüfungstermin. Es müssen also die Vorschriften für den Prüfungstermin eine Verbindung erlauben. Zu beachten sind insoweit insbesondere die Fristen der § 28 I S 2, § 29 I Nr 2, die im Normalfall ein Fenster von drei Wochen bis fünf Monaten nach dem Eröffnungsbeschluss gewähren.12

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BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 236 Rn 4. Vgl Braun/Braun/Frank InsO7 § 236 Rn 4; HambK/Thies InsO6 § 236 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 236 Rn 2 f; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 236 Rn 8; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 236 Rn 2. Wird die Forderung erst nach dem Erörterungs- und Abstimmungstermin angemeldet, so ändert

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dies nichts an der Bindung des Gläubigers durch den Plan; s. nur Breutigam/Kahlert ZInsO 2002, 469 ff; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 236 Rn 9; Otte/Wiester NZI 2005, 70 ff. Vgl Braun/Braun/Frank InsO7 § 236 Rn 4. Vgl Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 236 Rn 2; BK/Flöther InsO64 § 236 Rn 2; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 236 Rn 3.

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Verbindung mit dem Prüfungstermin

§ 236

3. Entscheidung über die Verbindung Die Entscheidung darüber, ob die Termine zu verbinden sind, trifft das Insolvenzgericht von Amts wegen13 im Wege einer unanfechtbaren14 verfahrensleitenden Verfügung15 nach pflichtgemäßem Ermessen.16 Wichtigster Gesichtspunkt ist dabei die Frage, ob die Verbindung, insbesondere die gemeinsame Prüfung und Erörterung der Forderungen und des Stimmrechts, im konkreten Fall einen Zeit- und Effizienzgewinn erhoffen lässt. Gegen eine Verbindung spricht es, wenn eine so lange Dauer des Prüfungstermins zu erwarten ist, dass eine konzentrierte Teilnahme von Anfang bis Ende nicht mehr gesichert erscheint oder es ohnehin zu einer Vertagung kommen würde.17 Gegen eine Verbindung spricht auch, wenn die Prüfung komplex und streitig zu werden droht18 und deshalb im Anschluss an die Prüfung mit einer aufgeheizten, für eine rationale Erörterung und Abstimmung über den Plan ungeeigneten Stimmung zu rechnen ist. Für eine Verbindung spricht es, wenn das Verfahren nur eine geringe Komplexität aufweist, etwa weil die Zahl der Beteiligten nicht allzu groß ist und Streitigkeiten über ihre jeweiligen Rechte nicht zu befürchten sind.19 Auch bei großer Zahl der Beteiligten und schwierigen Rechtsbeziehungen kann aber eine Verbindung geboten sein, wenn sich die Gläubiger oder jedenfalls die wichtigsten Gläubiger und der Schuldner sowie ggf seine Anteilsinhaber im Vorfeld so verständigt haben, dass eine problemlose Durchführung der Termine erwartet werden kann. Eine solche Verständigung sollte daher dem Insolvenzgericht mitgeteilt werden. Hält das Insolvenzgericht die Mitteilung für verlässlich, was insbesondere bei einer Mitteilung durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter oder den (vorläufigen) Sachwalter in aller Regel angenommen werden kann, ist das Ermessen des Insolvenzgerichts normalerweise dahin reduziert, dass eine Verbindung anzuordnen ist. Die Praxis geht denn auch überwiegend so vor.20 In Kombination von § 29 II S 1 und § 236 ist auch eine Verbindung von Berichtstermin, Prüfungstermin und Erörterungs- und Abstimmungstermin möglich.21 Sinnvoll ist eine solche Mehrfachterminverbindung nicht nur bei einer überschaubaren Zahl von Verbindlichkeiten und sonstigen Rechtsbeziehungen, die keine besonderen Schwierigkeiten aufweisen,22 sondern wiederum auch bei einer guten Vorbereitung des Planverfahrens, insbesondere einer – typischerweise vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter oder Sachwalter

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FK/Jaffé InsO9 § 236 Rn 7; HK/Haas InsO9 § 236 Rn 3; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 236 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 236 Rn 4; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 236 Rn 4. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 236 Rn 4. AA offenbar BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 236 Rn 4: „im Wege des Beschlussverfahrens“. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 236 Rn 4. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 236 Rn 4. Vgl Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1922. Vgl Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1922. Vgl Braun/Braun/Frank InsO7 § 236 Rn 6.

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RegE Begr zu § 280 (BT-Drucks 12/2443, S 206); BK/Flöther InsO64 § 236 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 236 Rn 6; FK/ Jaffé InsO9 § 236 Rn 8; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 235, 236 Rn 5; HambK/Thies InsO6 § 236 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 236 Rn 4; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 236 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 236 Rn 5; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 236 Rn 4; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 236 Rn 5 f; Smid/ Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.53. Nur in diesen Fällen halten eine Mehrfachverbindung für sinnvoll FK/Jaffé InsO9 § 236 Rn 10; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 236 Rn 5.

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§ 236

Sechster Teil. Insolvenzplan

beförderten oder moderierten – Verständigung zwischen den Gläubigern und dem Schuldner. Auch hier muss das Insolvenzgericht von dieser Abstimmung erfahren, was am besten durch eine Mitteilung seitens des (vorläufigen) Insolvenzverwalters bzw Sachwalters geschieht. In der Praxis findet eine Mehrfachterminverbindung insbesondere bei Vorlage eines Plans mit dem Eröffnungsantrag („pre-packaged plan“) statt.23 16 Einmal verbundene Termine können auch wieder getrennt werden. Haben Prüfung und Erörterung schon stattgefunden und wird nur die Abstimmung zeitlich abgetrennt, handelt es sich insoweit um einen gesonderten Abstimmungstermin iSd § 241, was gem § 242 schriftliche Stimmausübung erlaubt.24 4. Vorbereitung des gemeinsamen Termins

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Soll ein gemeinsamer Termin stattfinden, so muss in der öffentlichen Bekanntmachung und in der Ladung (§ 177 III S 1, 2; § 235 II S 1, III) ausdrücklich hierauf hingewiesen werden.25 Entscheidet sich das Insolvenzgericht erst nachträglich zur Verbindung der Termine, zB weil erst nach Bekanntmachung des Prüfungstermins ein Insolvenzplan vorgelegt wurde oder der Prüfungstermin auf den Erörterungs- und Abstimmungstermin vertagt wird, so muss auf jeden Fall noch einmal eine Bekanntmachung und Ladung erfolgen, die diesen Hinweis und die übrigen gebotenen Hinweise (§ 235 Rn 54, 67) enthält. 18 Da die Leitung des Prüfungstermins nach wie vor dem Rechtspfleger obliegt (§ 3 Nr 2 lit e RPflG), der Erörterungs- und Abstimmungstermin aber nunmehr dem Richter vorbehalten ist (§ 18 I Nr 2 RPflG nF) und eine Aufspaltung der Leitungsaufgaben zwischen Rechtspfleger und Richter im gemeinsamen Termin nicht sinnvoll erscheint, sollte sich der Richter zugleich mit der Bestimmung des gemeinsamen Termins die Durchführung des Insolvenzverfahrens hinsichtlich des Prüfungstermins vorbehalten bzw diesen Termin wieder an sich ziehen (§ 18 II RPflG).26 5. Durchführung des gemeinsamen Termins

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Bei einer Verbindung von Prüfungstermin und Erörterungs- und Abstimmungstermin kann entweder der einheitliche Termin in eine Prüfungsphase, eine Erörterungsphase und eine Abstimmungsphase gegliedert werden, sodass nur eine zeitliche Aneinanderreihung vorliegt, oder es können die Prüfung der Forderungen und die Erörterung der Stimmrechte, die sie gewähren, gemeinsam erfolgen.27 Eine Straffung lässt sich vor allem durch die gemeinsame Prüfung der Forderungen und ihrer Stimmrechte erreichen; sinnvoll erscheint es, an die Prüfung der Stimmrechte der Gläubiger ggf die Prüfung der Stimmrechte der Anteilsinhaber anzuschließen. Ob die Forderungsprüfung und die Erörterung der Stimm-

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FK/Jaffé InsO9 § 236 Rn 9; MünchKomm/ Hintzen InsO3 § 236 Rn 6; Smid/Rattunde/ Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.53; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 236 Rn 2. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 236 Rn 3. FK/Jaffé InsO9 § 236 Rn 13; MünchKomm/ Hintzen InsO3 § 236 Rn 3. HambK/Thies InsO6 § 236 Rn 2 iVm § 235 Rn 4, 13; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 236 Rn 3.

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AA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 236 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 236 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 236 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 236 Rn 4; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 236 Rn 3: stets Forderungsprüfung vor Erörterung und Abstimmung; abw Hess/ Hess Insolvenzrecht2 § 236 Rn 4: Forderungsprüfung sollte beendet sein.

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Stimmrecht der Insolvenzgläubiger

§ 237

rechte vor oder nach der Erörterung des Plans erfolgt, entscheidet das Insolvenzgericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. In jedem Fall muss die Abstimmung am Ende des Termins stehen.

§ 237 Stimmrecht der Insolvenzgläubiger (1) 1 Für das Stimmrecht der Insolvenzgläubiger bei der Abstimmung über den Insolvenzplan gilt § 77 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 Nr. 1 entsprechend. 2 Absonderungsberechtigte Gläubiger sind nur insoweit zur Abstimmung als Insolvenzgläubiger berechtigt, als ihnen der Schuldner auch persönlich haftet und sie auf die abgesonderte Befriedigung verzichten oder bei ihr ausfallen; solange der Ausfall nicht feststeht, sind sie mit dem mutmaßlichen Ausfall zu berücksichtigen. (2) Gläubiger, deren Forderungen durch den Plan nicht beeinträchtigt werden, haben kein Stimmrecht. Materialien: DiskE § 270; RefE § 270; RegE § 281 (BT-Drucks 12/2443, S 53 f); Rechtsausschuss § 281 (BT-Drucks 12/7302, S 102 f). Vorgängerregelungen: §§ 95 f KO; §§ 27, 71 I–III, 72 I VglO. Literatur Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz (1997), insb S 482–485; Frind Die Grenze zwischen Gestaltung und Manipulation im Insolvenzverfahren, NZI 2007, 374; Fritz Besser Sanieren in Deutschland? Wesentliche Aspekte der Einpassung der Europäischen Insolvenzverordnung in das deutsche Recht, BB 2017, 131; Smid Verfahrensteilnahme und Stimmrecht fehlerhaft im Insolvenzverfahren vertretener Gläubiger, InVo 2007, 3; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 (2015), insb Kap 16; Wimmer Übersicht zur Neufassung der EuInsVO, jurisPR-InsR 7/2015 Anm 1.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorläufer und Entstehungsgeschichte II. Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten für bestimmte Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachrangige Insolvenzgläubiger . b) Absonderungsberechtigte Gläubiger . . . . . . . . . . . . . III. Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigenständigkeit der Regelung . . . . 2. Allgemeine Voraussetzungen . . . . . a) Anmeldung . . . . . . . . . . . . b) Beeinträchtigung durch den Plan (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nachteilige rechtliche Veränderung . . . . . . . . . bb) Ursache . . . . . . . . . . . . cc) Feststellung . . . . . . . . . .

Rn. 1 1 2 4 4 5 5 6 7 7 8 8 10 11 15 16

Rn. 3. Besondere Voraussetzungen in bestimmten Fällen . . . . . . . . . a) Bestrittene Forderungen . . . . aa) Bestreiten . . . . . . . . . . bb) Stimmrecht trotz Bestreitens b) Aufschiebend bedingte Forderungen . . . . . . . . . . . aa) Aufschiebende Bedingung . bb) Stimmrecht trotz aufschiebender Bedingung . . . c) Absonderungsberechtigte Gläubiger . . . . . . . . . . . . aa) Grundlagen . . . . . . . . . bb) Verzicht . . . . . . . . . . . cc) Ausfall . . . . . . . . . . . 4. Erörterung und Feststellung . . . . IV. Stimmgewicht . . . . . . . . . . . . . V. Internationales . . . . . . . . . . . . .

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§ 237

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Alphabetische Übersicht – Hauptforderung 11 – Isolierte Betrachtung 12 – Nebenrecht 11 – Rechtliche Veränderung 13 – Rechtswirkung des Insolvenzplans 15 – Wirtschaftliche Schlechterstellung 13 Bestrittene Forderungen 18 ff – Amtsermittlungsgrundsatz 24 – Äußerung eines Widerspruchs 18 – Bindung des Insolvenzgericht 24 – Einigung 21, 23 – Entscheidung des Insolvenzgerichts 21, 24 – Grund des Bestreitens 19 – Rechtskräftige Feststellung 21 f Sekundärinsolvenzverfahren 36

Absonderungsberechtigte Gläubiger 6, 27 ff – Doppelte Berücksichtigung 28 – Formloser Verzicht 30 – Mutmaßlicher Ausfall 33 – Persönliche Haftung des Schuldners 27 – Prozesshandlung 29 – Umfang des Verzichts 31 Anmeldung der Forderung 8 f – ungeprüfte Forderungen 8 – unterbliebene Anmeldung 9 – verspätete Anmeldung 8 Beeinträchtigung durch den Plan 10 ff – Debt-Equity-Swap 11 – Formelle Betroffenheit 13 – Gestaltungsrecht 11

I. Einleitung 1. Überblick

1

Die Annahme des Insolvenzplans setzt neben der Zustimmung des Schuldners (§ 247) eine Zustimmung der Beteiligten – Gläubiger und ggf Anteilseigner – mit bestimmten Mehrheiten voraus (§§ 244 ff). Da die Beteiligten in Gruppen abstimmen, bedarf es einer Festlegung der Stimmrechte. Diese Festlegung ist Gegenstand der §§ 237–238a. § 237 verweist in Abs 1 S 1 für das Stimmrecht der Insolvenzgläubiger auf die Vorschriften zum Stimmrecht in der Gläubigerversammlung (Rn 7 ff); Abs 1 S 2 regelt eigenständig in Anlehnung an §§ 52 S 2, 190 II S 1 das Stimmrecht absonderungsberechtigter Gläubiger in der Gruppe der Insolvenzgläubiger (Rn 6, 10 ff). Abs 2 hält fest, dass nur diejenigen Insolvenzgläubiger ein Stimmrecht haben, deren Forderungen durch den Plan beeinträchtigt werden (Rn 6, 27 ff). 2. Vorläufer und Entstehungsgeschichte

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Der Zwangsvergleich der Konkursordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 67 ff) wurde in einem Vergleichstermin von den Gläubigern mit den Mehrheiten des § 182 KO beschlossen. Für die Stimmrechte galten die allgemeinen Regeln der §§ 95 f KO, wobei § 95 I KO eine dem heutigen § 77 II ähnliche Regelung enthielt und § 96 I KO die Stimmberechtigung der Absonderungsberechtigten und der Gläubiger aufschiebend bedingter Forderungen bei Widerspruch in die Hand des Gerichts legte. Die Vergleichsordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 75 ff), die eine Vollregelung neben der Konkursordnung versuchte, regelte die Stimmrechte bei der Abstimmung über den Vergleich unmittelbar in den §§ 71 f VglO. Die Beteiligung absonderungsberechtigter Gläubiger als Vergleichsgläubiger insgesamt, nicht nur deren Stimmrecht, regelte § 27 VglO; im Ergebnis ergab sich für das Stimmrecht aber genau das, was heute Abs 1 S 2 vorsieht. War eine Forderung bestritten oder aufschiebend bedingt und konnten sich die Beteiligten nicht über das Stimmrecht einigen, sollte das Gericht entscheiden (§ 71 II, III VglO); die Regelung entsprach damit im Wesentlichen dem heute von Abs 1 S 1 in Bezug genommenen § 77 II S 2. Eine Parallelregelung zu Abs 2, die allerdings nur auf die „Kapitalsforderungen“ abstellte, enthielt § 72 I VglO. In der Gesamtvollstreckungsordnung (Münch § 222 Rn 17) schloss § 16 IV S 4 GesO lediglich das Stimmrecht bevorrechtigter Gläubiger aus.

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Stimmrecht der Insolvenzgläubiger

§ 237

Diskussionsentwurf und Referentenentwurf enthielten bereits einen § 270, dessen 3 Abs 1 und 2 den heutigen beiden Absätzen im Wesentlichen entsprachen und auf die entsprechenden Vorschriften der Gläubigerversammlung verwiesen; angefügt war ihnen noch ein Abs 3, der sich heute in § 244 II findet.1 Im Regierungsentwurf war dann der Abs 3 von Diskussionsentwurf und Referentenentwurf in Gestalt einer Verweisung auf die entsprechende Vorschrift zur Gläubigerversammlung in die Entwurfsfassung des damaligen § 289 – heute § 244 – verschoben.2 § 281 des Regierungsentwurfs entsprach damit dem heutigen § 237;3 dasselbe gilt für § 88 des Regierungsentwurfs, auf den § 281 I S 1 des Regierungsentwurfs verwies.4 Der Rechtsausschuss schlug keine Änderungen vor,5 sodass die Vorschrift als § 237 mit Verweis auf § 77 Gesetz wurde.

II. Insolvenzgläubiger 1. Grundsatz Insolvenzgläubiger im Sinne des § 237 sind alle Gläubiger, die bei Verfahrenseröffnung ei- 4 nen Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38), mithin auch nachrangige Gläubiger und durch ein Absonderungsrecht gesicherte Insolvenzgläubiger (§ 39). Dementsprechend gelten Abs 1 S 1 und Abs 2 für alle diese Gläubiger. Dass auch die nachrangigen Gläubiger ein Stimmrecht haben, zeigen zudem die Herausnahme des – das Stimmrecht nachrangiger Gläubiger in der Gläubigerversammlung ausschließenden – § 77 I S 2 aus dem Verweis in I S 1 sowie § 246; dass auch die absonderungsberechtigten Gläubiger grundsätzlich erfasst sind, zeigt die Beschränkung des Stimmrechts dieser Gläubigergruppe in Abs 1 S 2. 2. Besonderheiten für bestimmte Gläubiger a) Nachrangige Insolvenzgläubiger. Dass § 237 auch für nachrangige Insolvenzgläubi- 5 ger gilt, sagt indes noch nichts darüber, ob diese tatsächlich an der Abstimmung teilnehmen. Normalerweise ist dies nicht der Fall.6 Denn die Forderungen der nachrangigen Insolvenzgläubiger gelten mangels anderer Bestimmung im Plan als erlassen (§ 225 I), sodass für die nachrangigen Gläubiger keine Gruppen gebildet werden müssen (arg ex § 225 II). Dann braucht auch das Stimmrecht der nachrangigen Gläubiger nicht festgesetzt zu werden. § 237 gilt für die nachrangigen Insolvenzgläubiger also nur dann, wenn diese an der Abstimmung teilnehmen.7 b) Absonderungsberechtigte Gläubiger. Die von Abs 1 S 2 vorgesehene Beschränkung 6 des Stimmrechts für Insolvenzgläubiger mit Absonderungsrecht lässt diese nur bei Verzicht auf abgesonderte Befriedigung oder für den realisierten oder mutmaßlichen Ausfall zur Abstimmung als Insolvenzgläubiger zu. Sie vermeidet damit eine doppelte Berücksichtigung desselben Betrags8 in verschiedenen Gruppen, nämlich einer Gruppe der Insolvenz-

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DiskE § 270 (S 137 f); RefE § 270 (S 158). RegE § 289 (BT-Drucks 12/2443, S 54). RegE § 281 (BT-Drucks 12/2443, S 53 f). RegE § 88 (BT-Drucks 12/2443, S 22). BT-Drucks 12/7302, S 102 f. Braun/Braun/Frank InsO7 § 237 Rn 6; FK/ Jaffé InsO9 § 237 Rn 7. Begr zu § 281 RegE, BT-Drucks 12/2443, S 206; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239

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Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 237 Rn 7 f; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 5; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 237 Rn 6; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 237 Rn 34. Vgl Jaeger/Meller-Hannich InsO § 190 Rn 1 f.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

gläubiger und einer Gruppe der Absonderungsberechtigten (§ 222 I S 2 Nr 1). § 237 gilt für die absonderungsberechtigten Gläubiger also nur insoweit, als sie wegen Verzichts oder realisierten oder mutmaßlichen Ausfalls als Insolvenzgläubiger an der Abstimmung teilnehmen.9 Denn in diesem Umfang sind sie nicht oder nicht mehr gesichert; sie sind daher wie alle anderen Insolvenzgläubiger zu behandeln.

III.Stimmrecht 1. Eigenständigkeit der Regelung

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Der Erörterungs- und Abstimmungstermin ist keine Gläubigerversammlung (§ 235 Rn 8). Die §§ 237–238a enthalten eigene Regeln über das Stimmrecht,10 die nur teilweise die entsprechende Geltung der Regeln über das Stimmrecht in der Gläubigerversammlung anordnen. Es ist daher nicht widersprüchlich, wenn ein Gläubiger in der Gläubigerversammlung abstimmen darf, nicht aber im Erörterungs- und Abstimmungstermin über den Plan. So hat etwa bei der Abstimmung über den Plan stets bereits der Prüfungstermin oder jedenfalls die Prüfung der Forderungen stattgefunden (vgl § 236), während dies bei den frühen Gläubigerversammlungen nicht der Fall ist; wird eine Forderung erst im Prüfungstermin bestritten und der Widerspruch nicht beseitigt, nimmt dieser Gläubiger an der Abstimmung über den Plan nicht teil. Auch ist ein Gläubiger, dessen Gläubigerstellung unbestritten ist, von der Teilnahme an einer Abstimmung über den Plan ausgeschlossen, wenn seine Rechte nicht beeinträchtigt sind (Abs 2); er hat aber in den Gläubigerversammlungen ohne Weiteres ein Stimmrecht. Schließlich kann sich auch der Erkenntnishorizont im Laufe des Verfahrens ändern.11 2. Allgemeine Voraussetzungen

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a) Anmeldung. Gem Abs 1 S 1 iVm § 77 I S 1 muss der Gläubiger die Forderung angemeldet haben. Die Anmeldung entscheidet, soweit kein Widerspruch erfolgt, über das Bestehen und die Höhe der Forderung.12 Da der Prüfungstermin vor oder spätestens gemeinsam mit dem Erörterungs- und Abstimmungstermin stattfinden muss (§ 236) und die Frist zur Forderungsanmeldung mindestens eine Woche vor dem Prüfungstermin abläuft (§ 29 I Nr 2), ist diese Voraussetzung jedenfalls bei allen fristgerecht angemeldeten Forderungen erfüllt. § 77 I S 1 verlangt indes keine fristgerechte Anmeldung. Daher gewähren zudem auch solche Forderungen ein Stimmrecht, die nach Ablauf der Anmeldefrist, aber bis zum Prüfungstermin, angemeldet und noch geprüft wurden (§ 177 I S 1, S 2 Var 1, 2). Forderungen, die erst nach dem Prüfungstermin angemeldet wurden, können überhaupt nur dann berücksichtigt werden, wenn die Anmeldung vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin bzw dem selbständigen Erörterungstermin (vgl § 241) erfolgte, in dem die Stimmrechte festgelegt wurden. Sie sind sicher zu berücksichtigen, wenn eine Prüfung in einem besonderen Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren stattgefunden hat (§ 177 I S 2 Var 3); die Terminierung eines nachträglichen Prüfungstermins unmittelbar vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin kann zweckmäßig sein.13 Fraglich bleibt dann nur, 9 10

Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 237 Rn 9. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 8; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 237 Rn 13 ff; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 237 Rn 1.

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Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 237 Rn 15 f. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 6, 9. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 3.

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Stimmrecht der Insolvenzgläubiger

§ 237

ob verspätet angemeldete und nicht geprüfte Forderungen einzubeziehen sind. Zwar ist die Prüfung eine wichtige Grundlage für die Stimmrechtsfeststellung, was auch § 236 zum Ausdruck bringt. Gegen die zwingende Notwendigkeit vorheriger Prüfung spricht aber zum einen, dass § 77 I S 1 nur eine Anmeldung, hingegen keine vorherige Prüfung verlangt,14 zum anderen, dass auch bei der Feststellung des Stimmrechts gem § 77 I S 1 wie in § 178 eine Widerspruchsmöglichkeit besteht und nur bei fortbestehendem Widerspruch statt der Feststellung gem § 179 eine sofortige Entscheidung durch das Insolvenzgericht erfolgt (§ 77 II S 2). Mithin kommt es nur darauf an, dass eine Forderung bis zum Erörterungs- und Abstimmungstermin, genauer bis zur Erstellung der Stimmliste,15 angemeldet wurde.16 Eine Forderung, die nicht angemeldet wurde, gewährt kein Stimmrecht. Warum die 9 Anmeldung unterblieb, ist unerheblich. b) Beeinträchtigung durch den Plan (Abs 2). Allgemeine Voraussetzung dafür, dass ein 10 Insolvenzgläubiger als solcher ein Stimmrecht hat, ist weiter gem Abs 2, dass seine Forderung durch den Plan17 beeinträchtigt wird. Diese Voraussetzung gilt für alle Insolvenzgläubiger, gleich ob es sich um gewöhnliche, nicht nachrangige Forderungen, um nachrangige Forderungen oder um Ausfallforderungen eines absonderungsberechtigten Gläubigers handelt.18 aa) Nachteilige rechtliche Veränderung. Eine Forderung wird durch den Plan beein- 11 trächtigt, wenn sie durch den Plan irgendwelche nachteiligen rechtlichen Veränderungen erfährt,19 also die Rechtsstellung des Gläubigers unter dem Plan schlechter ist, als die Rechtsstellung des Gläubigers ohne den Plan. Nachteilige rechtliche Veränderungen können die Hauptforderung oder Nebenrechte betreffen und hierbei sowohl Primär- als auch Sekundäransprüche vertraglicher oder gesetzlicher Art; die Veränderung kann dem Gebiet des materiellen Rechts und dem Gebiet des Verfahrensrechts zuzuordnen sein. Beispiele für eine nachteilige Veränderung der Hauptforderung sind die Herabsetzung des Kapitalbetrags oder das Hinausschieben der Fälligkeit insgesamt oder einzelner Raten;20 hierher gehört auch ein Debt-Equity-Swap (§ 225a II).21 Beispiele für eine nachteilige Veränderung von Nebenrechten sind die Herabsetzung oder das Hinausschieben der Fälligkeit vertraglicher oder gesetzlicher Zinsansprüche, die Beschränkung sowie der Ausschluss eines vereinbarten oder gesetzlichen Rücktritts- oder Kündigungsrechts oder der Ausschluss eines vereinbarten Rechts, wonach eine gleich- oder besserrangige Besicherung anderer Gläubiger der Zustimmung bedarf. Eine nachteilige Veränderung liegt auch vor, wenn ein ausgeübtes gesetzliches oder vertragliches Gestaltungsrecht wie etwa ein vereinbartes Recht zur Gesamtfälligstellung bei Eintreten eines bestimmten Ereignisses – Verzug oder auch nur Verschlechterung des Credit Rating – oder ein wirksam erklärter Rücktritt wegen Nicht-

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S nur Jaeger/Gerhardt InsO § 77 Rn 5. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 239 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 239 Rn 4. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 237 Rn 3; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 7; aA Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 237 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 237 Rn 3; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 237 Rn 24–27; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 237 Rn 10: bei verspäteter Anmeldung ohne nachträgliche Prüfung kein Stimmrecht.

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Es handelt sich dann um einen Sanierungsplan, vgl Fritzsche Insolvenzplan als Vertrag, S 266. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 237 Rn 5. HambK/Thies InsO6 § 237 Rn 3a; HK/Haas InsO9 § 237 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 9. LG Berlin DZWIR 2015, 35, 41. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 9.

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oder Schlechterfüllung als nicht ausgeübt angesehen wird. Daher liegt eine Beeinträchtigung auch vor, wenn bei einem Darlehen, das in Raten zurückgezahlt werden sollte, aufgrund Verzugs des Schuldners vor Verfahrenseröffnung Gesamtfälligkeit eingetreten ist, der Plan aber die Wiederaufnahme der vertraglich vereinbarten Ratenzahlung vorsieht.22 Eine nachteilige Veränderung verfahrensrechtlicher Art kann etwa in einer Einschränkung der Verwertungsrechte eines gesicherten Gläubigers gegenüber den §§ 165 ff liegen.23 12 Zur Beurteilung, ob eine nachteilige rechtliche Veränderung vorliegt, ist jede Forderung isoliert zu betrachten; es kommt nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung einer Forderung durch einen Vorteil, den der Plan für diesen Gläubiger an anderer Stelle vorsieht, ökonomisch ausgeglichen wird.24 Darüber hinaus ist auch jeder Teilaspekt der Forderung isoliert zu betrachten; die vorteilhafte Abänderung einer Bedingung hebt die nachteilige Abänderung einer anderen Bedingung nicht auf.25 13 Entscheidend ist allein das Vorliegen einer rechtlichen Veränderung („formelle Betroffenheit“); ob mit ihr eine wirtschaftliche Schlechterstellung gegenüber der Regelabwicklung einhergeht, ist für das Vorliegen einer Beeinträchtigung unerheblich.26 Damit kommt es insbesondere nicht darauf an, ob eine rechtliche Veränderung einen messbaren Einfluss auf den (Markt-)Wert der Forderung hat. Für eine rein rechtliche und keine wirtschaftliche Betrachtung spricht zum ersten der Wortlaut des Abs 2, der eine Beeinträchtigung ausreichen lässt und nicht wie § 245 I Nr 1, § 247 II Nr 1, § 248a III, § 251 I Nr 1, II und § 253 II Nr 3 eine – ggf glaubhaft gemachte, voraussichtliche – Schlechterstellung verlangt. Zum zweiten spricht für die rechtliche Betrachtung, dass die Feststellung einer nachteiligen rechtlichen Veränderung einfacher und sicherer als die Feststellung einer nachteiligen wirtschaftlichen Veränderung ist, was nicht nur das Verfahren im Vorfeld der Abstimmung beschleunigt, sondern auch den Gläubiger besser schützt. Zum dritten erleiden die übrigen Beteiligten und der Schuldner keinen erheblichen Nachteil dadurch, dass Gläubiger an der Abstimmung teilnehmen, deren Forderung zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich eine nachteilige Veränderung erfährt. Denn im Regelfall werden diese Gläubiger dem Plan zustimmen; tun sie dies aber nicht, so kann die Zustimmung ihrer Gruppe mangels wirtschaftlicher Schlechterstellung vielfach fingiert werden (vgl § 245 I Nr 1); Rechtsbehelfe stehen solchen Gläubigern nicht zu (für den Antrag auf Versagung der Bestätigung bei Planänderung § 248a III, für den Antrag auf Versagung der Planbestätigung im Übrigen § 251 I Nr 2, II, für die sofortige Beschwerde gegen die Planbestätigung § 253 II Nr 3). Keine nachteilige rechtliche Veränderung ist gegeben, wenn eine Forderung nach dem 14 Plan in voller Höhe und ohne Stundung erfüllt wird.27 Ebenfalls keine nachteilige Verän-

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 236 Rn 6 f, § 245 Rn 21; anders 11 US Code § 1124(2). K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 9. Braun/Braun/Frank InsO7 § 237 Rn 8; HK/ Haas InsO9 § 237 Rn 7. Vgl Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 20. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 237 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 1, 9; nicht ganz klar MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 12: „Beeinträchtigung in die

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27

rechtliche und wirtschaftliche Position des Gläubigers“. Begr zu § 281 RegE (BT-Drucks 12/2443, S 206 f); BK/Flöther InsO64 § 237 Rn 14; FK/ Jaffé InsO9 § 237 Rn 23; Frind BB 2014, 2179, 2183; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 12; anders Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 237 Rn 11: Der Gläubiger ist trotz Erfüllung beeinträchtigt, wenn sich der Erfüllungszeitpunkt durch die Insolvenz verzögert – der Gläubiger erleidet insofern einen Verzugsschaden.

Christoph Kern

Stimmrecht der Insolvenzgläubiger

§ 237

derung liegt darin, dass eine Forderung, die lediglich aufgrund von § 41 sofort fällig geworden war, vom Plan wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt wird.28 bb) Ursache. Ursache der nachteiligen rechtlichen Veränderung muss eine Rechtswir- 15 kung des Insolvenzplans sein. Dies ist zunächst dann der Fall, wenn der gestaltende Teil des Plans für eine Forderung eine bestimmte Festsetzung iSd § 224 enthält. Es reicht aber auch aus, dass die rechtliche Veränderung automatisch mit dem Wirksamwerden des Plans eintritt. Daher liegt eine nachteilige Veränderung für nachrangige Insolvenzgläubiger auch dann vor, wenn deren Forderungen kraft Gesetzes, nämlich aufgrund von § 225 I, als erlassen gelten.29 Ein Nachteil, der allein aus der faktischen Verzögerung folgt, die ein Planverfahren typischerweise mit sich bringt, oder auf einer Anordnung gem § 233 beruht, reicht indes nicht aus.30 cc) Feststellung. Ob eine nachteilige Veränderung in diesem Sinne vorliegt, die den 16 Gläubiger zur Teilnahme an der Abstimmung berechtigt, wird im Rahmen der Erörterung festgestellt. Dabei gelten für die Frage der Beeinträchtigung dieselben Regeln wie für die Frage, ob eine Person überhaupt Gläubiger ist und mit welchem Rang: Es kommt darauf an, ob die Forderung bestritten ist und wenn ja, ob der Widerspruch durch Einigung oder Entscheidung des Insolvenzgerichts beseitigt wurde (Abs 1 S 1 iVm § 77 I S 1, II).31 3. Besondere Voraussetzungen in bestimmten Fällen Aus Abs 1 S 1 iVm § 77 I S 1, II, III Nr 1 und I S 2 folgt, dass die allgemeinen Voraus- 17 setzungen ausreichen, wenn eine Forderung weder vom Insolvenzverwalter noch von einem stimmberechtigten Gläubiger bestritten wurde und es sich nicht um die Forderung eines absonderungsberechtigten Gläubigers oder eine aufschiebend bedingte Forderung handelt. Liegt hingegen einer dieser Fälle vor, gewährt die Forderung nur unter weiteren, besonderen Voraussetzungen ein Stimmrecht. a) Bestrittene Forderungen aa) Bestreiten. Bestreiten ist die Äußerung eines Widerspruchs gegen die Beteiligung 18 des Gläubigers an der Abstimmung wegen einer bestimmten Forderung oder Forderungshöhe. Das Bestreiten ist eine Verfahrenshandlung, für die die Regeln über Prozesshandlungen gelten. Es muss im Rahmen der Erörterung der Stimmrechte geäußert werden. Ein früheres Bestreiten, etwa im Prüfungstermin, wirkt nicht fort; ein verspätetes Bestreiten, also ein Bestreiten, das erst erfolgt, nachdem die konkrete Forderung erörtert wurde, ist unbeachtlich. Aus welchem Grund der Insolvenzverwalter oder der andere stimmberechtigte Gläubi- 19 ger die Forderung bestreiten, ist unerheblich, solange sich das Bestreiten konkret gegen die Berücksichtigung der Forderung insgesamt oder in der angemeldeten Höhe richtet. Grund kann das Nichtbestehen der Forderung sein, aber auch das Nichtvorliegen der Vorausset-

28 29 30

Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 237 Rn 36a. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 20. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 20; Braun/Braun/Frank InsO7 § 237 Rn 9; FK/ Jaffé InsO9 § 237 Rn 24; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 237 Rn 3; HambK/

31

Thies InsO6 § 237 Rn 3a; HK/Haas InsO9 § 237 Rn 9; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 9; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 12; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 237 Rn 35 f. AA Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 237 Rn 38.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

zungen für ein Stimmrecht, insbesondere das Fehlen der Beeinträchtigung iSd Abs 2. Der Grund des Bestreitens muss für dessen Wirksamkeit nicht angegeben werden. Bei fehlender Einigung entscheidet indes das Gericht (§ 77 II S 2). Ohne Angabe eines Grundes für das Bestreiten wird das Gericht dem Gläubiger wegen der Forderung ein Stimmrecht zusprechen. Daher empfiehlt es sich, das Bestreiten zu begründen. 20 Für das Stimmrecht in der Abstimmung über einen Insolvenzplan schadet nach § 77 I S 1 nur ein Bestreiten durch den Insolvenzverwalter oder einen Gläubiger, bei dem seinerseits alle Voraussetzungen für ein Stimmrecht beliebigen Stimmgewichts gegeben sind. Auch ein absonderungsberechtigter oder ein nachrangiger Gläubiger kann bestreiten, sofern er im konkreten Fall ein Stimmrecht hat (Rn 5 f). Das Bestreiten durch den Schuldner ist unerheblich,32 ebenso das Bestreiten durch die Anteilsinhaber33 oder Betriebsrat und Sprecherausschuss, mögen diese auch am Erörterungstermin teilnehmen.

21

bb) Stimmrecht trotz Bestreitens. Trotz Bestreitens gewährt eine Forderung ein Stimmrecht – wenn und soweit sie rechtskräftig festgestellt ist, falls sich der Widerspruch gegen ihren Bestand, nicht gegen das Fehlen einer Beeinträchtigung iSd Abs 2 richtet, – wenn und soweit sich Verwalter und erschienene stimmberechtigte Gläubiger im Erörterungs- und Abstimmungstermin über das Stimmrecht geeinigt haben (Abs 1 S 1 iVm § 77 II S 1) oder – wenn und soweit mangels Einigung das Insolvenzgericht entschieden hat, dass die Forderung ein Stimmrecht gewährt (Abs 1 S 1 iVm § 77 I S 2).

22

Die rechtskräftige Feststellung schließt den Widerspruch in den zeitlichen Grenzen ihrer Rechtskraft aus. War die Feststellung gegenüber dem Schuldner erfolgt, so ist ein Bestreiten unerheblich, wenn es sich nicht auf Gründe stützt, die mit einer Wiederaufnahme (§§ 578 ff ZPO), mit § 826 BGB wegen sittenwidriger Titelerschleichung oder -ausnutzung oder einer Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) geltend gemacht werden können. Zwar bindet die Rechtskraft eines Titels zwischen Gläubiger und Schuldner die anderen Gläubiger und den Insolvenzverwalter nicht; das Insolvenzverfahren gibt diesen aber nicht die Möglichkeit, Verbindlichkeiten zu beseitigen, von denen sich der Schuldner nicht mehr befreien könnte. Wurde nach dem Prüfungstermin eine bestrittene Forderung rechtskräftig mit Wirkung gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§ 183 I) festgestellt, ist ein Widerspruch gegen den Bestand und die Höhe der Forderung unerheblich, es sei denn, es werden Gründe vorgebracht, die, wie etwa eine zwischenzeitliche Erfüllung, von den zeitlichen Grenzen der Rechtskraft dieses Titels nicht erfasst sind oder die eine Durchbrechung der Rechtskraft dieses Titels erlauben. Die Einigung muss im Rahmen der Erörterung stattfinden und verlangt, dass am Ende 23 die einhellige Zulassung der Forderung durch den Insolvenzverwalter und alle erschienenen stimmberechtigten Gläubiger erreicht ist.34 Die Einigung wird vom Gericht geleitet;35 es soll auf eine Einigung hinwirken (vgl § 278 I ZPO).36 Eine Einigung kann auch darin bestehen, dass die erschienenen stimmberechtigten Gläubiger Stimmrechtsvorschläge des In-

32

33

Allg Meinung, zB Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 3; BK/Flöther InsO64 § 237 Rn 5; Braun/Braun/Frank InsO7 § 237 Rn 3; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 237 Rn 1; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 237 Rn 4. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 4.

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34 35 36

Vgl Jaeger/Gerhardt InsO § 77 Rn 10; Braun/Braun/Frank InsO7 § 237 Rn 4. Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 237 Rn 10. Vgl Jaeger/Gerhardt InsO § 77 Rn 11.

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Stimmrecht der Insolvenzgläubiger

§ 237

solvenzverwalters oder einer anderen teilnahmeberechtigten Person widerspruchslos hinnehmen.37 Die Einigung kann den Widerspruch ganz oder nur zum Teil, also hinsichtlich eines Teilbetrags der angemeldeten Forderung, beseitigen;38 in Höhe des verbleibenden Widerspruchs bedarf es dann der Entscheidung des Insolvenzgerichts. Eine Entscheidung des Insolvenzgerichts setzt voraus, dass es zu keiner Einigung zwi- 24 schen Verwalter und stimmberechtigten Gläubigern kam.39 Sind sich Verwalter und erschienene stimmberechtigte Gläubiger hingegen einig, dass die Forderung kein Stimmrecht oder nur ein Stimmrecht wegen eines bestimmten Forderungsbetrags gewährt, bleibt es bei diesem Ergebnis; der betroffene Gläubiger, der nicht erschienen war, kann diese Entscheidung nicht anfechten.40 Das Gericht ist in seiner Entscheidung nicht frei, vielmehr gilt im Ausgangspunkt sogar der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 I). Wegen der Notwendigkeit sofortiger Entscheidung darf sich das Gericht aber im Regelfall auf die Tatsachen und Beweismittel stützen, die der Bestreitende und der bestrittene Gläubiger vortragen bzw beibringen; es wird im Übrigen die erschienenen Personen, insbesondere den aufgrund der von ihm gem §§ 151 ff zu erstellenden Verzeichnisse gut informierten Insolvenzverwalter anhören und sonst präsente Beweismittel nutzen.41 Das Insolvenzgericht entscheidet dabei ohne Bindung an frühere Stimmrechtsfestsetzungen in der Gläubigerversammlung und ohne Bindung an die Ergebnisse des Prüfungstermins;42 es wird diesen jedoch einiges Gewicht beimessen. Für die Entscheidung des Insolvenzgerichts gilt dasselbe wie für eine Entscheidung im Rahmen einer gewöhnlichen Gläubigerversammlung (§ 77). Die Entscheidung ergeht in der Form eines Beschlusses,43 der weder isoliert anfechtbar ist (vgl § 6 I S 1)44 noch in einem anschließenden Verfahren über die Bestätigung des Insolvenzplanes überprüft werden kann.45 Die Entscheidung des Insolvenzgerichts kann aber auf Antrag des Verwalters oder eines erschienenen Gläubigers vom Insolvenzgericht geändert werden, wobei der Gläubiger nicht stimmberechtigt sein muss (§ 77 II S 3), sodass auch der Gläubiger, dessen Stimmrecht verneint wurde, den Antrag stellen kann. Dieser Antrag kann indes nur bis zum Ende der Erörterung der Stimmrechte gestellt werden.46 Die Entscheidung des Gerichts beschränkt sich auf die Frage des Stimmrechts; für die Frage, ob einer als Gläubiger aufgetretenen Person materiellrechtlich die behauptete Forderung zusteht, wirkt sie nicht Rechtskraft.

37 38 39

40 41 42

43 44

AG Duisburg NZI 2003, 447: Stimmrechtsvorschläge des Sachwalters. Vgl Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 237 Rn 11. AG Duisburg NZI 2003, 447; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 4; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 237 Rn 1; Jaeger/Gerhardt InsO § 77 Rn 9, 11. AG Duisburg NZI 2003, 447. Jaeger/Gerhardt InsO § 77 Rn 12; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 237 Rn 20 f. Braun/Braun/Frank InsO7 § 237 Rn 4; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 8, 24; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 237 Rn 15. Jaeger/Gerhardt InsO § 77 Rn 12. Begr zu § 89 RegE (BT-Drucks 12/2443, S 135); BGH NZI 2009, 106, 107 Rn 8 m zust Anm Gundlach/Frenzel NZI 2009, 107, 108, Keller EWiR 2009, 117; Frind NZI

45

46

2007, 374, 375; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 10; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 237 Rn 12. Zur Verfassungsmäßigkeit unter der früheren Rechtslage, als die Entscheidung des Rechtspflegers richterlicher Kontrolle unterlag, BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats) NZI 2010, 57. Richtigerweise wird man auch die endgültige gerichtliche Entscheidung mit Abänderungsmöglichkeit unter geltendem Recht für verfassungsmäßig halten müssen. BGH ZIP 2011, 781, 782 Rn 7; NZI 2009, 106 Rn 10; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 237 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 10. IE wie hier MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 28: bis zum Beginn der Abstimmung; aA LG Bielefeld ZIP 2002, 951, 952; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 21: Ende des Abstimmungstermins.

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§ 237

Sechster Teil. Insolvenzplan

b) Aufschiebend bedingte Forderungen

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aa) Aufschiebende Bedingung. Gem Abs 1 S 1 iVm § 77 III Nr 2, II darf die Forderung grundsätzlich auch nicht aufschiebend bedingt sein. Eine aufschiebende Bedingung liegt vor, wenn die Parteien die Wirksamkeit der Forderung oder des ihr zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhängig gemacht haben (§ 158 BGB). Keine aufschiebende Bedingung ist es, wenn Tatbestandsmerkmale für das Entstehen einer Forderung noch nicht erfüllt sind.

26

bb) Stimmrecht trotz aufschiebender Bedingung. Ist die Forderung aufschiebend bedingt, so gewährt sie dennoch ein Stimmrecht, wenn und soweit sich Verwalter und erschienene stimmberechtigte Gläubiger dahingehend einigen oder bei Uneinigkeit das Insolvenzgericht der Forderung ein Stimmrecht zuspricht.47 Von einem Stimmrecht ist auszugehen, wenn der Bedingungseintritt nicht derart unwahrscheinlich ist, dass der Forderung kein gegenwärtiger Vermögenswert mehr zukommt.48 Es handelt sich also insoweit um eine „Alles-oder-Nichts-Entscheidung“, die mit der gebotenen Sorgfalt zu treffen ist; dies gilt umso mehr, als die Möglichkeit einer gerichtlichen Feststellung auf Betreiben des Gläubigers nicht besteht. Im Übrigen gilt das zu bestrittenen Forderungen Ausgeführte; vgl § 237 I S 1, § 77 III Nr 1. c) Absonderungsberechtigte Gläubiger

27

aa) Grundlagen. Das Stimmrecht absonderungsberechtigter Gläubiger im Hinblick auf ihr Absonderungsrecht behandelt § 238. § 237 trifft für absonderungsberechtigte Gläubiger nur insoweit eine Regelung, als es um ihr Stimmrecht als Insolvenzgläubiger (vgl Abs 1 S 2) geht. Insolvenzgläubiger sind absonderungsberechtigte Gläubiger nur dann, wenn ihnen der Schuldner auch persönlich haftet (§§ 38, 52 S 1, deklaratorisch Abs 1 S 2 Hs 1). Hieran fehlt es, wenn ein Absonderungsrecht an einem Gegenstand des Schuldnervermögens allein die Forderung gegen einen Dritten sichert oder wenn gar keine Forderung existiert, etwa bei einer forderungslosen Grundschuld. 28 Insolvenzgläubiger, deren Forderung durch ein Absonderungsrecht gesichert ist, können zwar ihre gesamte Forderung zur Tabelle anmelden. Um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden, steht ihnen gem Abs 1 S 2 Hs 1 ein Stimmrecht als Insolvenzgläubiger indes nur insoweit zu, als sie auf die abgesonderte Befriedigung verzichten oder bei ihr ausfallen. Damit entspricht Abs 1 S 2 Hs 1 dem § 52 S 2, der für die Berechtigung zur anteilsmäßigen Befriedigung im Regelinsolvenzverfahren Verzicht oder Ausfall verlangt.49 Übersteigt die persönliche Forderung die Sicherheit, kann man mithin sagen, dass für die Feststellung des Stimmrechts zwischen dem § 238 unterfallenden gesicherten Teil und der § 237 unterfallenden Ausfallforderung zu unterscheiden ist.50

29

bb) Verzicht. Der Verzicht auf abgesonderte Befriedigung ist eine Prozesshandlung.51 Als solche ist er nicht widerruflich.52 Ob in der Erklärung zugleich ein Verzicht auf das

47 48

49 50

BK/Flöther InsO64 § 237 Rn 7. FK/Jaffé InsO9 § 237 Rn 17; Graf-Schlicker/ Kebekus/Wehler InsO4 § 237 Rn 1; zur Gläubigerversammlung Jaeger/Gerhardt InsO § 77 Rn 23. HK/Haas InsO9 § 237 Rn 5. BK/Flöther InsO64 § 237 Rn 11; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 237 Rn 9.

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51

52

AA Jaeger/Meller-Hannich InsO § 190 Rn 13: Verzicht auf das Recht selbst erforderlich; dagegen aber BGH DZWIR 2011, 118; NZI 2017, 345, 346 Rn 12. Braun/Pehl InsO7 § 190 Rn 6.

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Stimmrecht der Insolvenzgläubiger

§ 237

Recht liegt, sodass es sich um einen Doppeltatbestand handelt, ist eine Frage der Auslegung.53 Schon die Prozesshandlung hat jedenfalls zur Folge, dass der Gläubiger zumindest im konkreten Verfahren54 nicht mehr abgesonderte Befriedigung verlangen kann. Somit kann seine Rechtsstellung in diesem Verfahren durch einen Plan nicht mehr beeinträchtigt werden. Folglich hat der Gläubiger kein Stimmrecht als absonderungsberechtigter Gläubiger (§ 238 II iVm § 237 II); es kommt also zu keiner doppelten Berücksichtigung durch seine Beteiligung an der Abstimmung als Insolvenzgläubiger. Der Verzicht kann bis zur Abstimmung erklärt werden. Der Verzicht kann formlos erklärt werden.55 Auch ein konkludenter Verzicht ist mög- 30 lich. Allerdings kommt ein konkludenter Verzicht nur bei Vorliegen klarer Anhaltspunkte in Betracht. Insbesondere liegt er nicht schon in der Anmeldung zur Tabelle ohne Beschränkung auf den Ausfall56 oder in dem Verlangen auf Teilnahme an der Abstimmung. Im Zweifel muss das Gericht nachfragen (§ 4 iVm § 139 I ZPO). Der Umfang des Verzichts steht im Belieben des absonderungsberechtigten Gläubigers. 31 Möglich ist ein vollumfänglicher, aber auch ein nur teilweiser Verzicht. Dies folgt aus dem Wortlaut („insoweit“), aber auch schon ganz allgemein aus der Privatautonomie. cc) Ausfall. Ein Stimmrecht des Absonderungsberechtigten als Insolvenzgläubiger 32 führt auch insoweit zu keiner doppelten Berücksichtigung, als der Gläubiger mit seinem Absonderungsrecht ausgefallen ist. Denn ein Ausfall setzt die Realisierung des Absonderungsrechts voraus, das Absonderungsrecht ist dann aber infolge seiner Realisierung erloschen. Mangels Absonderungsrechts, das durch den Plan beeinträchtigt werden könnte, scheidet ein Stimmrecht als absonderungsberechtigter Gläubiger aus (§ 238 II iVm § 237 II). Zum Zeitpunkt der Abstimmung über den Plan steht nun allerdings – anders als im von 33 § 52 geregelten Fall der Befriedigung im Regelinsolvenzverfahren – typischerweise noch nicht fest, inwieweit eine Befriedigung aus dem Absonderungsrecht möglich ist. Daher bestimmt Abs 1 S 2 Hs 2 insoweit über § 52 S 2 hinaus, dass absonderungsberechtigte Insolvenzgläubiger mit dem mutmaßlichen Ausfall zu berücksichtigen sind, solange der Ausfall nicht feststeht. Der mutmaßliche Ausfall errechnet sich aus der Differenz zwischen Forderungshöhe und Wert des Absonderungsrechts. Für den Wert des Absonderungsrechts ist der mit ihm belastete Gegenstand zu bewerten. Sieht der Insolvenzplan wie meist eine Fortführung vor und ist diese für den konkreten Gegenstand relevant, so muss der Gegenstand mit seinem Fortführungswert angesetzt werden, anderenfalls mit seinem Liquidationswert.57 Dabei ist für die Ausfallforderung und das Stimmrecht als Absonderungsberechtigter derselbe Wert des belasteten Gegenstands zugrundezulegen;58 um dies zu erreichen, kann das Gericht auch das Stimmrecht wegen der Ausfallforderung nur vorläufig festlegen

53 54

55

56 57

Allgemein Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 ZPO Rn 245. Für eine bindende Wirkung über das Verfahren hinaus die hM, zB Braun/Pehl InsO7 § 190 Rn 6. BGH DZWIR 2011, 118 f; aA Jaeger/MellerHannich InsO § 190 Rn 13: materiellrechtliche Formvorschriften gelten. BGH NZI 2017, 345, 346 Rn 16. BGH NZI 2005, 619, 621 (Grundstück) unter Verweis auf Begr zu § 281 RegE, BT-

58

Drucks 12/2443, S 206; Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 239 Rn 10; BK/Flöther InsO64 § 237 Rn 12; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 237 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 237 Rn 11; MünchKomm/ Hintzen InsO3 § 238 Rn 21 (Bsp); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 237 Rn 8. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 9; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 15 ff; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 237 Rn 31.

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§ 237

Sechster Teil. Insolvenzplan

und bei der Erörterung des Stimmrechts als Absonderungsberechtigter eine endgültige Entscheidung treffen.59 Die Höhe der Ausfallforderung kann wie jede Insolvenzforderung bestritten werden. Kommt es zu keiner Einigung, muss gem § 77 II S 2 das Insolvenzgericht entscheiden.60 Diese Entscheidung ist wiederum unanfechtbar.61 Widersprechen hingegen weder der Insolvenzverwalter noch ein anderer stimmberechtigter Gläubiger, so bestimmt sich der mutmaßlich Ausfall allein nach den Angaben des absonderungsberechtigten Gläubigers.62 4. Erörterung und Feststellung

34

Während § 238 I S 1 vorschreibt, dass die Stimmrechte der Absonderungsberechtigten einzeln zu erörtern sind, fehlt eine entsprechende Vorgabe für die Stimmrechte der Insolvenzgläubiger. Die Stimmrechte der Insolvenzgläubiger können daher einzeln, aber auch, solange kein Widerspruch erfolgt, zusammengefasst erörtert und festgestellt werden. Insoweit ist zu sehen, dass die Forderungen grundsätzlich schon geprüft wurden (vgl § 236), dass typischerweise eine gewisse Zahl gleichartiger Forderungen besteht und dass Rangfragen, wie sie bei Sicherungsrechten auftreten können, bei den Insolvenzgläubigern normalerweise keine Rolle spielen.

IV. Stimmgewicht 35

Das Stimmgewicht legt § 237 nicht unmittelbar fest. Dass es nicht nur auf das „Ob“ eines Stimmrechts, sondern auch auf die Forderungssumme ankommt, folgt erst aus § 244 I, der neben der Kopf- auch die Summenmehrheit verlangt. Damit wird aber relevant, in welcher Höhe eine Forderung ein Stimmrecht gewährt. Dies bestimmt sich wiederum danach, in welcher Höhe die Voraussetzungen für ein Stimmrecht gegeben sind, also in welcher Höhe die Forderung angemeldet wurde63 und weder vom Insolvenzverwalter oder einem stimmberechtigten Gläubiger bestritten wurde (Abs 1 S 1 iVm § 77 I S 1), sofern nicht nach dem Bestreiten eine Einigung oder eine positive Entscheidung des Insolvenzgerichts stattgefunden haben (Abs 1 S 1 iVm § 77 II S 1, 2).

V. Internationales 36

Gem Art 36 EuInsVO nF kann der Verwalter eines Hauptinsolvenzverfahrens zum Zwecke der Vermeidung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat eine Zusicherung geben, wonach er die potentiellen Gläubiger eines Sekundärinsolvenzverfahrens im Hinblick auf das Vermögen in jenem Mitgliedstaat so behandeln wird, wie sie bei einem Sekundärinsolvenzverfahren stünden. Diese Zusicherung bedarf gem Art 36 V S 1 EuInsVO nF der Billigung seitens der lokalen Gläubiger. Für die Billigung gelten gem Art 36 V S 2 EuInsVO nF die Regeln über Mehrheit und Abstimmung, die das Recht jenes Mitgliedstaats für die qualifizierte Mehrheit und die Abstimmung vorsieht. In

59 60

Braun/Braun/Frank InsO7 § 237 Rn 6. Vgl Braun/Braun/Frank InsO7 § 237 Rn 6; FK/Jaffé InsO9 § 237 Rn 15; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 237 Rn 6.

600

61 62 63

Braun/Braun/Frank InsO7 § 237 Rn 10; FK/ Jaffé InsO9 § 237 Rn 16. FK/Jaffé InsO9 § 237 Rn 13. Vgl MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 6.

Christoph Kern

Stimmrecht der absonderungsberechtigten Gläubiger

§ 238

Deutschland wären dies die §§ 237, 77.64 Allerdings wird die vorherige Feststellung häufig noch nicht erfolgt sein. Nach Erwägungsgrund 44 S 2 EuInsVO nF sollen indes die „Forderungen der Gläubiger für die Zwecke der Abstimmung über die Zusicherung als festgestellt gelten, wenn die Abstimmungsregeln für die Annahme eines Sanierungsplans nach nationalem Recht die vorherige Feststellung dieser Forderungen vorschreiben“. Diese in einem Erwägungsgrund versteckte materiell-insolvenzrechtliche Regelung ist kritisch zu sehen.65

§ 238 Stimmrecht der absonderungsberechtigten Gläubiger (1) 1 Soweit im Insolvenzplan auch die Rechtsstellung absonderungsberechtigter Gläubiger geregelt wird, sind im Termin die Rechte dieser Gläubiger einzeln zu erörtern. 2 Ein Stimmrecht gewähren die Absonderungsrechte, die weder vom Insolvenzverwalter noch von einem absonderungsberechtigten Gläubiger noch von einem Insolvenzgläubiger bestritten werden. 3 Für das Stimmrecht bei streitigen, aufschiebend bedingten oder nicht fälligen Rechten gelten die §§ 41, 77 Abs. 2, 3 Nr. 1 entsprechend. (2) § 237 Abs. 2 gilt entsprechend. Materialien: DiskE § 271 (S 138); RefE § 271 (S 158 f); RegE § 282 (BT-Drucks 12/2443, S 54); Rechtsausschuss § 282 (BT-Drucks 12/7302, S 103). Vorgängerregelungen: Keine. Literatur Flessner Sanierung und Reorganisation (1982); Fritzsche Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag (2017); Jauernig Versuch, einige Dunkelheiten der Insolvenzordnung aufzuhellen, FS Uhlenbruck (2000) S 3; Madaus Der Insolvenzplan (2011); Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 (2015), insb Kap 16.

Übersicht Rn.

Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Vorläufer und Entstehungsgeschichte 2 II. Einzelerörterung betroffener Absonderungsrechte (Abs 1 S 1) . . . . 4 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . 4 2. Gegenstand der Erörterung bei Einbeziehung von Absonderungsrechten 5 3. Regelung der Rechtsstellung absonderungsberechtigter Gläubiger 8 4. Einzelerörterung . . . . . . . . . . . 9 III. Stimmrecht (Abs 1 S 2 und 3, Abs 2) . . 7 1. Allgemeine Voraussetzungen . . . . . 10 a) Beeinträchtigung durch den Plan (Abs 2 iVm § 237 II) . . . . . . . 10 b) Kein Anmeldungserfordernis . . . 13

64

Fritz BB 2017, 131, 134; sa Fehrenbach GPR 2017, 38, 40.

2. Besondere Voraussetzungen in bestimmten Fällen . . . . . . . . . a) Bestrittene Rechte . . . . . . . . aa) Bestreiten . . . . . . . . . . bb) Stimmrecht trotz Bestreitens b) Aufschiebend bedingte Rechte . aa) Aufschiebende Bedingung . bb) Stimmrecht trotz aufschiebender Bedingung . . . c) Nicht fällige Rechte . . . . . . . aa) Fehlende Fälligkeit . . . . . bb) Stimmrecht trotz fehlender Fälligkeit . . . . . . . . . . IV. Stimmgewicht . . . . . . . . . . . . . V. Internationales . . . . . . . . . . . . .

65

. . . . . .

15 16 16 18 19 19

. . .

20 21 21

. . .

22 23 24

Wimmer jurisPR-InsR 7/2015 Anm 1.

Christoph Kern

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§ 238

Sechster Teil. Insolvenzplan

I. Einleitung 1. Überblick

1

§ 238 schreibt die Einzelerörterung der Rechtsstellung vom Plan betroffener Absonderungsberechtigter vor (Rn 9) und stellt Voraussetzungen für deren Stimmrecht in der Gruppe oder den Gruppen der Absonderungsberechtigten (§ 222 I Nr 1) auf (Rn 10 ff). 2. Vorläufer und Entstehungsgeschichte

2

Die Konkursordnung bezog absonderungsberechtigte Gläubiger nur wegen ihres mutmaßlichen Ausfalls ein (§ 96 I KO); der Zwangsvergleich ließ Absonderungsrechte unberührt (§ 193 KO). Auch in der Vergleichsordnung war für absonderungsberechtigte Gläubiger zwar deren Beteiligung als Vergleichsgläubiger geregelt (§ 71 III VglO), nicht aber die Einbeziehung der Absonderungsrechte in den Vergleich (vgl § 27 VglO). Die Gesamtvollstreckungsordnung ließ Pfandrechte unberührt (§ 12 GesO), äußerte sich aber ansonsten nicht zu Absonderungsberechtigten.

3

Die Entwürfe1 enthielten von Anfang an eine dem heutigen § 238 entsprechende Vorschrift, deren Abs 1 S 1 aufgrund der Trennung von Erörterungs- und Abstimmungstermin2 nur vom „Erörterungstermin“ sprach. Der Rechtsausschuss, der die Termine zusammengefasst sehen wollte, schlug die heutige Fassung vor, in der nur vom „Termin“ die Rede ist.3

II. Einzelerörterung betroffener Absonderungsrechte (Abs 1 S 1) 1. Hintergrund

4

§ 235 I S 1 sieht allgemein eine Erörterung des Stimmrechts der Beteiligten vor. Für Insolvenzforderungen erfolgt diese nach § 237 I S 1 iVm § 77 I S 1, II, sodass bei Anmeldung und Nichtbestreiten nichts weiter erörtert zu werden braucht. Abs 1 S 1 verlangt hingegen für absonderungsberechtigte Gläubiger, deren Absonderungsrechte durch den Plan eine Regelung erfahren, dass deren Rechte einzeln erörtert werden. Dies erklärt sich daraus, dass Absonderungsrechte nicht angemeldet zu werden brauchen (vgl § 28 I, 2; Rn 13) und im Prüfungstermin, der vor oder mit dem Erörterungs- und Abstimmungstermin stattfinden muss (§ 236), nicht geprüft werden.4 Damit sind Bestehen und Umfang dieser Rechte vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin noch nicht anderweitig bekannt und festgestellt. 2. Gegenstand der Erörterung bei Einbeziehung von Absonderungsrechten

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Im Falle der Regelung von Absonderungsrechten durch den Plan sind Gegenstand der Erörterung also zunächst die Rechte der absonderungsberechtigten Gläubiger, die gem

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DiskE § 271 (S 138); RefE § 271 (S 158 f); RegE § 282 (BT-Drucks 12/2443, S 54). DiskE §§ 268, 274 (S 137, 139 f); RefE §§ 268, 274 (S 157, 160); RegE §§ 279, 285 (BT-Drucks 12/2443, S 53, 54).

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3 4

Rechtsausschuss § 282 (BT-Drucks 12/7302, S 103). Braun/Braun/Frank InsO7 § 238 Rn 3; HambK/Thies InsO6 §§ 237, 238 Rn 8; HK/ Haas InsO9 § 238 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 238 Rn 2.

Christoph Kern

Stimmrecht der absonderungsberechtigten Gläubiger

§ 238

Abs 1 S 1 einzeln erörtert werden müssen. Ziel der Erörterung ist die Feststellung, ob ein Recht besteht und mit welchem Geldbetrag es zu bewerten ist.5 Die Bewertung mit einem Geldbetrag ist zum einen erforderlich, weil nur so in der Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger (§ 222 I Nr 1) die „Summenmehrheit“ des § 244 I Nr 2 – hier in Gestalt einer „Wertmehrheit“ – festgestellt werden kann.6 Zum anderen muss der Wert in einem Geldbetrag auch dann festgestellt sein, wenn ein absonderungsberechtigter Gläubiger einen – zumeist mutmaßlichen – Ausfall als Insolvenzgläubiger geltend macht; denn zur Bestimmung des Ausfalls ist derselbe Wert wie zur Bestimmung des Stimmrechts in der Gruppe der Absonderungsberechtigten zugrundezulegen (§ 237 Rn 27 ff).7 Für die Wertbestimmung kommt es darauf an, was der Insolvenzplan insgesamt und konkret für das Absonderungsrecht vorsieht;8 soll der Schuldner saniert werden und der Absonderungsgegenstand im Schuldnervermögen verbleiben, ist ein Fortführungswert anzusetzen,9 dessen Höhe sich ggf nach den wirtschaftlichen Aussichten des sanierten Schuldners richtet (§ 237 Rn 33). Gem § 235 I S 1 müssen sodann aber auch noch die auf diesen Rechten beruhenden 6 Stimmrechte erörtert werden, da es sich bei den absonderungsberechtigten Gläubigern, sofern sie einbezogen sind, um Beteiligte iSd § 235 I S 1 handelt. Für die Stimmrechte ist zwar keine Einzelerörterung vorgeschrieben; diese werden aber typischerweise mit der Erörterung der Rechte festgestellt. Auch wenn die Absonderungsrechte durch den Plan geregelt werden, braucht ein Ab- 7 sonderungsrecht nicht einzeln erörtert zu werden, wenn der Gläubiger in vollem Umfang auf abgesonderte Befriedigung verzichtet hat; sein Stimmrecht ist dann allein gem § 237 zu bestimmen.10 Dasselbe gilt, wenn zum Zeitpunkt der Erörterung ausnahmsweise bereits ein vollumfänglicher Ausfall mit dem Absonderungsrecht feststeht oder sicher zu erwarten ist.11 Betreffen Verzicht oder Ausfall hingegen nur einen Teil des Rechts, so muss dieses insgesamt einzeln erörtert werden. 3. Regelung der Rechtsstellung absonderungsberechtigter Gläubiger Zu erörtern sind die Absonderungsrechte nur, soweit die Rechtsstellung absonderungs- 8 berechtigter Gläubiger geregelt wird (Abs 1 S 1). Das Gesetz geht davon aus, dass Absonderungsrechte von einem Insolvenzplan unberührt bleiben (§ 223 I S 1).12 Mit Ausnahme von Finanzsicherheiten iSv § 1 XVII KWG (Münch § 223 Rn 16), für die eine Regelung im

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 238 Rn 4. BK/Flöther InsO64 § 238 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 238 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 238 Rn 4. Braun/Braun/Frank InsO7 § 238 Rn 9; BK/ Flöther InsO64 § 238 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 238 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238 Rn 6; vgl Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 238 Rn 1. FK/Jaffé InsO9 § 238 Rn 3; HambK/Thies InsO6 §§ 237, 238 Rn 7; HK/Haas InsO9 § 238 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238 Rn 7. BGHZ 163, 344, 349; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 238 Rn 3; HambK/

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Thies InsO6 §§ 237, 238 Rn 7; HK/Haas InsO9 § 238 Rn 7; Graf-Schlicker/Kebekus/ Wehler InsO4 § 238 Rn 1; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 238 Rn 7; krit K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238 Rn 3: Fortführungseinzelwerte seien eine Fiktion; entscheiden müsse der Wert, „auf dem der gestaltende Teil des Plans basiert und der einer etwaigen Obstruktionsentscheidung zugrunde zu legen ist“. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238 Rn 3. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238 Rn 3. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238 Rn 5.

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§ 238

Sechster Teil. Insolvenzplan

Plan gänzlich ausgeschlossen ist (§ 223 I S 2), kann der Plan Absonderungsrechte aber einbeziehen, dh einer Regelung unterwerfen (vgl § 223 II). Unter Regelung ist jede rechtliche Veränderung der Stellung absonderungsberechtigter Gläubiger im gestaltenden Teil des Plans zu verstehen, wobei hier nur die Stellung gerade als Inhaber des Absonderungsrechts gemeint ist, nicht eine eventuell daneben bestehende Stellung als Insolvenzgläubiger. Relevante Regelung ist also etwa die von § 223 II beispielhaft genannte Kürzung oder Stundung des Absonderungsrechts oder eine Regelung, die die Verwaltungs- und Verwertungshoheit über den betroffenen Gegenstand einer anderen Person zuweist, die Erlösverteilung, insbesondere die pauschalierten Abzüge für Kosten, abweichend von § 170 bestimmt oder Vorgaben für die Art der Verwertung macht (zu den möglichen Regelungen Münch § 223 Rn 24–32). 4. Einzelerörterung

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Einzelerörterung meint, dass jedes vom Plan geregelte, also jedes betroffene Absonderungsrecht einzeln aufgerufen und die Art der Veränderung durch den Plan genannt wird. Damit soll insbesondere vermieden werden, dass ein Absonderungsberechtigter Änderungen seiner Rechtsstellung, die im Plan vorgesehen sind, versehentlich übersieht. Letztlich dient dies dazu, einer zu starken Aushöhlung des Werts von Absonderungsrechten entgegenzuwirken.

III. Stimmrecht (Abs 1 S 2 und 3, Abs 2) 1. Allgemeine Voraussetzungen

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a) Beeinträchtigung durch den Plan (Abs 2 iVm § 237 II). Ein Stimmrecht gewähren Absonderungsrechte aufgrund des Verweises in Abs 2 auf § 237 II nur, wenn sie durch den Plan beeinträchtigt werden.13 Unter „Beeinträchtigung“ ist wie bei § 237 II (§ 237 Rn 10 ff) jede nachteilige rechtliche Veränderung in der Rechtsstellung eines Gläubigers, hier eines Absonderungsberechtigten, zu verstehen,14 wobei wie bei den Forderungen (§ 237 Rn 12) jedes Absonderungsrecht und jedes einzelne Merkmal isoliert zu betrachten ist. 11 An einer Beeinträchtigung fehlt es selbst dann nicht, wenn ein Insolvenzverwalter ernannt wurde, dieser weiter im Amt bleibt und der Plan dieser Person die Verwertung nach den Regeln der §§ 165 ff überträgt. Denn nach Planbestätigung besteht das Amt des Insolvenzverwalters als solches allenfalls zum Zwecke der Überwachung des Plans (§ 261 I) und ggf der Zustimmung (§ 263) fort. Selbst wenn dieselbe Person das Amt des überwachenden Verwalters und aufgrund des Plans die Verwertung nach den im Regelinsolvenzverfahren geltenden Vorschriften durchführt, handelt sie bei der Verwertung mithin nicht als Insolvenzverwalter, sodass weder die Regeln über die Haftung des Verwalters noch über die Aufsicht durch das Insolvenzgericht greifen. Hierin allein liegt eine Beeinträchtigung, die ein Stimmrecht rechtfertigt. 12 Umstritten ist, ob Abs 2 mit seinem Verweis auf § 237 II überflüssig ist.15 Hierzu kommt man, wenn man „Regelung“ iSd Abs 1 S 1 bzw iSd § 223 II, „Eingriff“ iSd § 222 I

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BK/Flöther InsO64 § 238 Rn 6; HK/Haas InsO9 § 238 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 238 Rn 11.

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HambK/Thies InsO6 § 238 Rn 3a. Ähnlich Fritzsche Insolvenzplan als Vertrag, S 265 ff; HK/Haas InsO9 § 238 Rn 4: Vor-

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Stimmrecht der absonderungsberechtigten Gläubiger

§ 238

Nr 1 und „Beeinträchtigung“ iSd Abs 2 iVm § 237 II gleichsetzt. Auf eine Gleichsetzung dieser Begriffe deuten die konkreten Beispiele hin, die § 223 II für eine Regelung bringt, nämlich Kürzung und Stundung. Allerdings nennt § 223 II auch „sonstige Regelungen“, die möglicherweise eine getreue Abbildung des Zustands ohne Plan oder gar eine Besserstellung sein könnten. Lässt man auch derartige Regelungen als „Eingriff“ ausreichen, können Absonderungsberechtigte auch ohne Beeinträchtigung Teil einer Gruppe sein. In ihrer Gruppe haben die nicht beeinträchtigten Absonderungsberechtigten dann allerdings aufgrund von Abs 2 iVm § 237 II kein Stimmrecht. Ob eine solche Gruppenbildung wirklich Klarheit schafft, wie dies als Argument für diese Lösung angeführt wird,16 erscheint jedoch zweifelhaft. Es kann aber durchaus auch irrig eine Gruppe gebildet worden sein. Jedenfalls zur Vermeidung von Unsicherheit erscheint die Regelung in Abs 2 daher sinnvoll. b) Kein Anmeldungserfordernis. Anders als für Insolvenzforderungen (§ 237 Rn 8) gilt 13 für Absonderungsrechte kein Anmeldungserfordernis.17 Dies entspricht § 28, der in Abs 1 die Aufforderung zur Forderungsanmeldung innerhalb einer Frist vorsieht, in Abs 2 hingegen die Aufforderung zur unverzüglichen Mitteilung von Sicherungsrechten ohne Frist. Absonderungsrechte, die nicht unverzüglich mitgeteilt wurden, schließt Abs 1 S 2 indes nicht von der Berücksichtigung aus. In irgendeiner Form muss der Absonderungsberechtigte sein Recht indes rechtzeitig 14 geltend machen, damit es erörtert werden kann. Vielfach wird insoweit eine Angabe bzw Anmeldung beim Insolvenzverwalter verlangt,18 was sich auf § 28 II stützen lässt. Man wird indes auch eine Mitteilung an das Gericht auf die Ladung gem § 235 III hin oder eine Geltendmachung im Erörterungstermin ausreichen lassen müssen.19 2. Besondere Voraussetzungen in bestimmten Fällen Gem Abs 1 S 2, 3 gewähren Absonderungsrechte stets ein Stimmrecht, wenn sie weder 15 vom Insolvenzverwalter noch von einem absonderungsberechtigten Gläubiger noch von einem Insolvenzgläubiger bestritten werden und es sich nicht um ein aufschiebend bedingtes oder nicht fälliges Recht handelt. Liegt hingegen einer dieser Fälle vor, gewährt das Absonderungsrecht nur unter weiteren, besonderen Voraussetzungen ein Stimmrecht. a) Bestrittene Rechte aa) Bestreiten. Bestreiten ist hier die Äußerung eines Widerspruchs gegen die Beteili- 16 gung des Gläubigers an der Abstimmung wegen eines bestimmten Absonderungsrechts oder wegen des Umfangs dieses Rechts. Bei akzessorischen Rechten (Mobiliarpfandrecht, Hypothek) ist auch das Bestreiten der gesicherten Forderung als Bestreiten des Rechts anzusehen. Im Übrigen gelten die Ausführungen zum Bestreiten von Forderungen entsprechend (§ 237 Rn 18 ff). Auch hier muss für das Bestreiten kein Grund angegeben werden (vgl § 237 Rn 19), die Angabe eines Grundes empfiehlt sich indes.

schrift „hat keine selbstständige Bedeutung“; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 238 Rn 4: „überflüssig“; Jauernig FS Uhlenbruck S 3, 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238 Rn 5: „Redaktionsversehen“; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 238 Rn 11.

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 238 Rn 8. HambK/Thies InsO6 §§ 237, 238 Rn 8. HambK/Thies InsO6 §§ 237, 238 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238 Rn 3. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 238 Rn 25.

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§ 238

Sechster Teil. Insolvenzplan

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Relevant sind bei Absonderungsrechten gem Abs 1 S 2 ein Bestreiten des Insolvenzverwalters, eines absonderungsberechtigten Gläubigers oder eines Insolvenzgläubigers. Den Kreis der Widerspruchsberechtigten zieht der Wortlaut damit sehr weit. Ob hier nicht trotz des weiten Wortlauts eine Einschränkung geboten ist, wird nur teilweise erörtert. Nach einer Ansicht sollen Insolvenzgläubiger nicht widersprechen können, es sei denn, es handle sich „um den durch das Absonderungsrecht gesicherten Gläubiger (Einheitsentscheidung)“.20 Diese Formulierung ist indes unklar, da der gesicherte Gläubiger dem von ihm geltend gemachten Absonderungsrecht kaum widersprechen wird. Auch lässt sich eine solche Einschränkung kaum aus dem Gesetz ableiten. Eine andere Ansicht hält ein Bestreiten durch einen Absonderungsberechtigten nur dann für beachtlich, wenn der Absonderungsberechtigte derselben Gruppe angehört oder den Gegenstand, an dem das bestrittene Absonderungsrecht besteht, für sich beansprucht.21 Diese Einschränkung hat einiges für sich, ist aber ebenfalls im Gesetz nicht angelegt. Auffällig ist indes, dass Abs 1 S 2 anders als § 77 I S 1, auf den § 237 I S 1 Bezug nimmt, seinem Wortlaut nach nicht verlangt, dass der widersprechende absonderungsberechtigte Gläubiger oder Insolvenzgläubiger auch stimmberechtigt sein müssen. Für eine solche Einschränkung spricht neben dem Gleichlauf mit § 237 I S 1 iVm § 77 I S 1, dass es keinen ersichtlichen Grund gibt, nicht stimmberechtigten und damit vom Ausgang des Plans nicht betroffenen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, ein Stimmrecht betroffener Absonderungsberechtigter zu verhindern. Da die Begründung zu den Entwürfen meinte, für absonderungsberechtigte Gläubiger gälten „entsprechende Grundsätze wie für das Stimmrecht der Insolvenzgläubiger“,22 dürfte ein Redaktionsversehen vorliegen. Beachtlich ist mithin nur der Widerspruch stimmberechtigter absonderungsberechtigter Gläubiger und Insolvenzgläubiger. Der Widerspruch des Schuldners ist unerheblich, ebenso ein Widerspruch der Anteilsinhaber23 oder von Betriebsrat und Sprecherausschuss.

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bb) Stimmrecht trotz Bestreitens. Ein Bestreiten, das sich auf das Nichtbestehen des Absonderungsrechts stützt, ist unbeachtlich, wenn das Recht gegenüber dem Schuldner rechtskräftig festgestellt wurde, es sei denn, der Widerspruch bringt zugleich Gründe vor, die entweder von den zeitlichen Grenzen der Rechtskraft nicht erfasst sind oder eine Rechtskraftdurchbrechung erlauben. Das Bestreiten wird weiter gem Abs 1 S 3 iVm § 77 II S 1 überwunden, wenn und soweit sich die Beteiligten hierauf geeinigt haben.24 An die Stelle der nach § 77 II neben dem Verwalter maßgeblichen erschienenen stimmberechtigten Gläubiger muss man hier, wo Abs 1 S 3 nur die entsprechende Geltung von § 77 II anordnet, angesichts von Abs 1 S 2 die erschienenen absonderungsberechtigten Gläubiger und die erschienenen Insolvenzgläubiger setzen,25 wobei nach hier vertretener Ansicht (Rn 17) diese beiden Gläubigergruppen auch noch stimmberechtigt sein müssen. Kommt es zu keiner Einigung, kann noch das Insolvenzgericht gem Abs 1 S 3 iVm § 77 II S 2 ein Stimmrecht gewähren.26 Die Ausführungen bei § 237 Rn 24 gelten entsprechend.

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 238 Rn 5. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 11; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238 Rn 8; dagegen im Falle der Einigung BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238 Rn 4. Begr zu § 271 DiskE (S B248); Begr zu § 271 RefE (S 284); Begr zu § 282 RegE (BTDrucks 12/2443, S 207).

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238 Rn 2. BK/Flöther InsO64 § 238 Rn 3; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 238 Rn 5; Smid/Rattunde/ Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.62. Ebenso K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238 Rn 4: alle anwesenden (gesicherten und ungesicherten) Gläubiger. BK/Flöther InsO64 § 238 Rn 3; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.62.

Christoph Kern

Stimmrecht der absonderungsberechtigten Gläubiger

§ 238

b) Aufschiebend bedingte Rechte aa) Aufschiebende Bedingung. Abs 1 S 3 erfasst unter anderem „aufschiebend be- 19 dingte Rechte“, der in Bezug genommene § 77 III Nr 1 spricht von „aufschiebend bedingten Forderungen“. Damit ist nicht klar, ob die Bedingung dem Recht oder der Forderung beigegeben sein soll. Gemeint sein können also zum einen Absonderungsrechte, die aufschiebend bedingte Forderungen sichern, zum anderen aufschiebend bedingte Absonderungsrechte zur Sicherung herkömmlicher oder ihrerseits aufschiebend bedingter Forderungen. Bei akzessorischen Sicherungsrechten besteht zwar ein Gleichlauf, wenn Schuldner und Sicherungsgeber identisch sind. Bei nichtakzessorischen Rechten, etwa einer durch das Absinken des Credit Rating bedingten Sicherungsübereignung eines Bestands an Wertpapieren, und bei Drittsicherheiten, etwa einer Hypothek an einem schuldnerischen Grundstück für eine aufschiebend bedingte Forderung gegen einen Dritten (vgl § 1113 II BGB),27 kann die Frage aber auftreten. Da eine bedingte Verfügung auch nach Verfahrenseröffnung noch eintreten kann, wenn sie nicht für den Insolvenzfall vereinbart ist28 – im Beispiel der nichtakzessorischen Sicherungsübereignung etwa, wenn nicht das Credit Rating des Schuldners, sondern das eines Dritten maßgeblich war –, kann die zweite Konstellation eines aufschiebend bedingten Rechts nicht von vornherein ausgeschlossen werden, auch wenn die erste Konstellation, die aufschiebend bedingte Hauptforderung, wohl relevanter sein dürfte.29 Sowohl bei einer aufschiebend bedingten Forderung als auch bei einem aufschiebend bedingten Absonderungsrecht ist indes nicht klar, ob der Gläubiger jemals absondern können würde. Daher erscheint es sinnvoll, beide Konstellationen als erfasst anzusehen. bb) Stimmrecht trotz aufschiebender Bedingung. Abs 1 S 3 und § 77 III Nr 1 verweisen 20 auf § 77 II. Danach gewähren solche Rechte nur ein Stimmrecht, wenn sich Verwalter und – nach hier vertretener Ansicht: stimmberechtigte (Rn 17) – erschienene Insolvenzgläubiger und absonderungsberechtigte Gläubiger (Rn 17) hierauf geeinigt haben oder das Insolvenzgericht dies anordnet.30 Im Übrigen gilt das bei § 237 Ausgeführte (§ 237 Rn 25 f) entsprechend. c) Nicht fällige Rechte aa) Fehlende Fälligkeit. Abs 1 S 3 erfasst auch „nicht fällige Rechte“. Hier stellt sich 21 wie bei den aufschiebend bedingten Rechten (Rn 19) die Frage, ob die fehlende Fälligkeit die gesicherte Hauptforderung31 oder das Sicherungsrecht charakterisiert. Auch hier empfiehlt es sich, beide Konstellationen unter diese Regelung zu fassen. bb) Stimmrecht trotz fehlender Fälligkeit. Nicht fällige Rechte gelten zunächst gem 22 Abs 1 S 3 iVm § 41 I für die Zwecke der Festlegung des Stimmrechts als fällig.32 Sodann bedarf es gem Abs 1 S 3 iVm § 77 II S 1 der Einigung – wiederum von Verwalter und – nach hier vertretener Ansicht: stimmberechtigten (Rn 17) – erschienenen Insolvenzgläubigern 27

28 29

Dazu, dass § 1113 II BGB gerade die aufschiebend bedingte Forderung meint, BeckOGK/Kern BGB (01.01.2018) § 1113 Rn 95 f. Vgl MünchKomm/Breuer InsO3 § 91 Rn 36–38. Nur auf diesen Fall abstellend BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238 Rn 5.

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32

BK/Flöther InsO64 § 238 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238 Rn 9. Nur auf diesen Fall abstellend wiederum BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238 Rn 5. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238 Rn 10.

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§ 238a

Sechster Teil. Insolvenzplan

und absonderungsberechtigten Gläubigern (Rn 17); anderenfalls entscheidet gem Abs 1 S 3 iVm § 77 II S 2, 3 das Insolvenzgericht.33 Für Einzelheiten kann wieder auf die Ausführungen zu § 237 verwiesen werden (§ 237 Rn 17 ff). Die nach Abs 1 S 3 entsprechend § 41 II vorzunehmende Abzinsung ist bei der Bestimmung der erforderlichen Mehrheiten zu berücksichtigen.

IV. Stimmgewicht 23

Statt einer Regelung des Stimmgewichts ist auch bei absonderungsberechtigten Gläubigern § 244 I zu beachten, der die Wertverhältnisse im Rahmen der Mehrheitsfeststellung berücksichtigt (vgl § 237 Rn 35).

V. Internationales 24

Zur Billigung einer Zusicherung des Verwalters eines ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens gem Art 35 V EuInsVO nF gilt das bei § 237 Rn 36 Gesagte entsprechend.

§ 238a Stimmrecht der Anteilsinhaber (1) 1 Das Stimmrecht der Anteilsinhaber des Schuldners bestimmt sich allein nach deren Beteiligung am gezeichneten Kapital oder Vermögen des Schuldners. 2 Stimmrechtsbeschränkungen, Sonder- oder Mehrstimmrechte bleiben außer Betracht. (2) § 237 Absatz 2 gilt entsprechend. Materialien: DiskE ESUG § 238a (Hirte/Knof/Mock Das neue Insolvenzrecht nach dem ESUG, S 75); RegE ESUG § 238a (BT-Drucks 17/5712, S 10). Vorgängerregelungen: Keine. Literatur Andrianesis Zur Dogmatik der Einbeziehung der Gesellschafterrechte in den Insolvenzplan, WM 2017, 362; Böcker Gesellschaftsrecht versus Insolvenzrecht oder Suhrkamp: Verfall eines Verlages, DZWIR 2014, 331; Brockdorff/Heintze/Rolle „Change of Control“ im Planinsolvenzverfahren – verbesserte Chancen für Gesellschafter und Investoren durch das ESUG, BB 2014, 1859; Eidenmüller Der Markt für internationale Konzerninsolvenzen: Zuständigkeitskonflikte unter der EuInsVO, NJW 2004, 3455; ders Gesellschaftsstatut und Insolvenzstatut, RabelsZ 70 (2006), 474; ders Der Insolvenzplan als gesellschaftsrechtliches Universalwerkzeug, NJW 2014, 17; Flessner Sanierung und Reorganisation (1982); Fritzsche Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag (2017); Hölzle Der Insolvenzantrag als Sanierungsoption – auch gegen den Willen von Gesellschaftern? ZIP 2013, 1846; Madaus Keine Reorganisation ohne die Gesellschafter, ZGR 2011, 749; ders Schutzschirme für streitende Gesellschafter? Die Lehren aus dem Suhrkamp-Verfahren für die Auslegung des neuen Insolvenzrechts, ZIP 2014, 500; Meyer Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Gesellschaftsrecht? – Überlegungen zur Position des Minderheitsgesellschafters im Schutzschirmverfahren, ZInsO 33

Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 238 Rn 6.

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Stimmrecht der Anteilsinhaber

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2013, 2361; Schäfer Insolvenzplan als Lösungsmittel für Mehrheits-/Minderheitskonflikte? – Lehren aus dem Fall Suhrkamp, ZIP 2013, 2237; ders Suhrkamp und die Folgen – Konsequenzen aus dem vorläufigen Abschluss des Suhrkamp-Insolvenzverfahrens, ZIP 2015, 1208; Seibt/Bulgrin Strategische Insolvenz: Insolvenzplanverfahren als Gestaltungsinstrument zur Überwindung bestandsgefährdender Umstände, ZIP 2017, 353; Simon/Merkelbach Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121; Skauradszun Die Übertragung vinkulierter Gesellschaftsanteile in der Insolvenz des Gesellschafters, NZG 2012, 1244; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 (2015); Spliedt Insolvenz der Gesellschaft ohne Recht der Gesellschaft? ZInsO 2013, 2155; Stöber Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren und gesellschaftsrechtliche Treuepflicht – der Fall Suhrkamp, ZInsO 2013, 2457; Thole Treuepflicht-Torpedo? Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im Insolvenzverfahren, ZIP 2013, 1937; von Spee Gesellschafter im Reorganisationsverfahren (2014); M-Ph Weller Das autonome Unternehmenskollisionsrecht, IPRax 2017, 167; Westermann Der „Suhrkamp“-Gesellschafter unter dem Schutzschirm der Gesellschaftsinsolvenz, NZG 2015, 134; Zipperer Rechtsschutzmöglichkeiten des Gesellschafters im Insolvenzeröffnungsverfahren, ZIP 2015, 2002.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . II. Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . a) Kapital- bzw vermögensmäßige Beteiligung (Abs 1 S 1) . . . . . aa) Ausgangspunkt . . . . . . . bb) Einzelfälle . . . . . . . . . cc) Maßgeblicher Zeitpunkt . . dd) Feststellung . . . . . . . . . b) Irrelevanz verbandsrechtlicher Stimmrechtsregeln (Abs 1 S 2) .

. . . . .

Rn. 1 1 2 3 3

. . . . .

3 3 4 12 13

.

15

aa) bb) cc) dd) ee)

Grundfragen . . . . . . . . . Stimmrechtsbeschränkungen Sonderstimmrechte . . . . . . Mehrstimmrechte . . . . . . Schuldrechtliche Stimmrechtsregelungen . . . . . . . c) Beeinträchtigung durch den Plan (Abs 2 iVm § 237 II) . . . . . . . 2. Kein Bestreiten oder andere Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stimmgewicht . . . . . . . . . . . . . . IV. Internationales . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 15 18 22 23 24 25 27 28 29

Alphabetische Übersicht Amtsermittlungsgrundsatz 14 Ausländisches Verbandsstatut 29 ff Ausscheiden eines Gesellschafters 12 Befangenheit 19 Debt-Equity-Swap 2, 25 Genossenschaft 10 GmbH & Co KG 7 Haftkapital 4 Höchstpersönliches Stimmrecht 20 Kapitalgesellschaft 4 f Kapitalkonto 6 Kapitalmarktrecht 21 KGaA 3

Personengesellschaft 6 Privatkonto 6 Satzungsmäßige Stimmrechtsbeschränkung 18 Schuldnereigene Anteile 1 Stiftung 11 Stiller Gesellschafter 8 Stimmbindungsvereinbarung 18 Thesaurierte Gewinne 6 Treuepflicht 18 Verein 9 Verfassungsrecht 17 Vetorecht 18 Vorzugsaktie 18, 22

I. Einleitung 1. Überblick § 238a regelt das Stimmrecht der Anteilsinhaber des Schuldners, die iSd § 217 S 2 in 1 den Plan einbezogen bzw iSd § 225a II–III vom Plan berührt werden. Das Stimmrecht als wichtigster Bestandteil der Teilnahme am Erörterungs- und Abstimmungstermin ist neben dem Minderheitenschutz (§ 251) und dem Beschwerderecht (§ 253) eines der Mittel, mit Christoph Kern

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§ 238a

Sechster Teil. Insolvenzplan

denen das Gesetz dem Eigentumsrecht der Anteilsinhaber verfahrensmäßigen Schutz zuteilwerden lässt.1 Nach Abs 1 entscheidet allein die Beteiligung (Rn 3 ff), nach Abs 2 iVm § 237 II InsO haben nur beeinträchtigte Anteilsinhaber ein Stimmrecht (Rn 23 ff). 2. Entstehungsgeschichte

2

§ 238a wurde durch Art 1 Nr 25 ESUG2 eingeführt und gilt seit dem 1.3.2012. Er steht im Zusammenhang mit dem ebenfalls durch das ESUG eingefügten § 225a II–III, wonach die Rechte der Anteilsinhaber vom Plan berührt werden können, etwa indem ein DebtEquity-Swap (dazu näher Münch § 225a Rn 50 ff) vorgesehen wird. In einem solchen Fall müssen die Anteilsinhaber an der Abstimmung beteiligt werden.

II. Stimmrecht 1. Voraussetzungen a) Kapital- bzw vermögensmäßige Beteiligung (Abs 1 S 1)

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aa) Ausgangspunkt. Gem Abs 1 S 1 setzt das Stimmrecht eine kapital- bzw vermögensmäßige Beteiligung voraus. Zwar nicht aus dem Wortlaut, aber aus dem System sowie aus Sinn und Zweck zu entnehmen ist, dass nur eine Beteiligung in der Hand eines Dritten ein Stimmrecht gewähren kann. Hält also der Schuldner eigene Anteile, zB Aktien, so kann er nicht wegen dieser Aktien in der Gruppe der Anteilsinhaber abstimmen; seine Mitwirkung ist vielmehr stets auf die Zustimmung (§§ 248 I, 247) beschränkt.3

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bb) Einzelfälle. Bei Kapitalgesellschaften kommt es allein auf die Beteiligung am eingetragenen Haftkapital an.4 Eine alternative Bestimmung des Stimmrechts anhand eines Anteils am schuldnerischen Vermögen kommt nicht in Betracht.5 Mithin entscheidet bei der AG und der SE (vgl Art 63 SE-VO) der Anteil am eingetragenen Grundkapital (§ 39 I S 1 AktG, § 3 SEAG), der bei Nennbetragsaktien aus der Aktie selbst hervorgeht, bei Stückaktien aus ihrer Zahl im Verhältnis zu dem diesen Aktien zugeordneten Grundkapital berechnet wird.6 Bei der GmbH einschließlich der UG richtet sich das Stimmrecht nach dem Nennbetrag des Geschäftsanteils am eingetragenen Stammkapital (§ 10 I S 1, § 14 GmbHG).7 5 Bei der KGaA bestimmt sich das Stimmrecht für die Kommanditaktionäre nach deren Beteiligung am eingetragenen Grundkapital (vgl § 278 I AktG), für den Komplementär

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Andrianesis WM 2017, 362, 363. G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582. HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 10 und 15; HK/Haas InsO9 § 238a Rn 3 und 4; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238a Rn 7 und 8; MünchKomm/Madaus InsO3 § 238a Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 6 aE; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 9 aE. Begr zu § 238a RegE (BT-Drucks 17/5712, S 33); Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 238a Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74

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§ 238a Rn 6; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.55. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238a Rn 2; differenzierend Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 1. HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 12 f; HK/ Haas InsO9 § 238a Rn 4; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 238a Rn 8. HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 7; HK/Haas InsO9 § 238a Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 238a Rn 7.

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Stimmrecht der Anteilsinhaber

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entscheidet entweder dessen Beteiligung am Grundkapital (vgl § 285 I S 1 AktG) oder dessen in der Satzung festgesetzte sonstige Vermögenseinlage (vgl § 281 II AktG), die dann – etwa bei mehreren Komplementären8 – dem Recht der Personengesellschaft unterliegt.9 Bei den Personengesellschaften entscheidet der vertraglich vereinbarte Vermögens- bzw 6 Kapitalanteil (vgl § 121 I S 1, § 168 HGB);10 fehlt eine Vereinbarung, ist zunächst auf erbrachte Einlagen oder den vereinbarten Gewinnanteil abzustellen, sonst von einer gleichmäßigen Verteilung auszugehen.11 Werden, wie in Handelsgesellschaften üblich, verschiedene Konten geführt, so können diese zur Bestimmung des Kapitalanteils herangezogen werden. Das Kapitalkonto I, auf dem ein fester, zumeist der vereinbarten Einlage entsprechender Betrag gebucht wird,12 ist auf jeden Fall zu berücksichtigen. Umstritten ist hingegen, ob hierzu der Saldo des Kapitalkontos II, in dem Gewinn- und Verlustanteile, geleistete Einlagen und Entnahmen erfasst werden,13 zu addieren ist. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht bilden der feste Kapitalanteil des Kapitalkontos I und der variable Kapitalanteil des Kapitalkontos II einen einheitlichen Kapitalanteil.14 Auch werden weder im Inland noch im Ausland stets zwei Kapitalkonten geführt, von denen eines einen festen Kapitalanteil enthält. Vielmehr ist gesetzliches Leitbild des HGB der variable Kapitalanteil.15 Die gesellschaftsrechtliche Lage in Deutschland, aber auch die bessere internationale Kompatibilität, sprechen daher bei Führung zweier Kapitalkonten für deren Addition.16 Dem wird man nicht entgegensetzen können, hiermit würden die Personengesellschaften anders behandelt als GmbH und AG, bei denen es weder auf die vollständige Einlagenleistung noch auf thesaurierte Gewinne ankomme.17 Denn der Insolvenzverwalter kann bei den Kapitalgesellschaften nicht geleistete Einlagen einfordern, sodass der Anteilsinhaber insoweit durchaus als solcher wirtschaftlich beteiligt ist.18 Dass thesaurierte Gewinne aus der Vergangenheit bei Kapitalgesellschaften das Stimmrecht nicht erhöhen,19 dürfte sich aus deren Struktur erklären. Das Privatkonto schließlich, das die Ansprüche und Verbindlichkeiten zwischen Gesellschafter und Gesellschaft enthält,20 verzeichnet als Forderungskonto kein Kapital; vielmehr sind eventuelle Forderungen des Gesellschafters als – ggf gem § 39 I Nr 45 InsO nachrangige – Insolvenzforderungen zu behandeln. Damit steht fest, dass das Privatkonto nicht zu berücksichtigen ist.21

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Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 13. Allg Hölters/Müller-Michaels, AktG2 § 281 Rn 3. HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 20; aA Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238a Rn 11a: „tatsächliche Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft“ ist maßgeblich. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 16 f; MünchKomm/Madaus InsO3 § 238a Rn 6. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Ehricke HGB3 § 120 Rn 75; MünchKomm/Priester HGB4 § 120 Rn 101–104, 106. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Ehricke HGB3 § 120 Rn 76; MünchKomm/Priester HGB4 § 120 Rn 105. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Ehricke HGB3 § 120 Rn 79; MünchKomm/Priester HGB4 § 120 Rn 106. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Ehricke HGB3 § 120 Rn 71, 75.

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So auch Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 22; implizit HK/Haas InsO9 § 238a Rn 5; aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 9, 13 (auch für ausländische Gesellschaften). So aber K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 9. Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 9: „wirtschaftliche Risikoexposition“. Entgegen K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 9 sagt dies auch Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 22 nicht explizit; ein Widerspruch zu I S 1, der vom „gezeichneten Kapital“ spricht, ist auch mit Blick auf § 264c II S 2, § 272 I HGB nicht erkennbar. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Ehricke HGB3 § 120 Rn 81; MünchKomm/Priester HGB4 § 120 Rn 106. Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 22.

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Ein Gesellschafter, der am Vermögen nicht beteiligt ist, wie es bei einer KomplementärGmbH in der GmbH & Co KG häufig der Fall ist,22 hat kein Stimmrecht.23 Dies gilt auch dann, wenn es sich ausnahmsweise um eine nicht personengleiche GmbH & Co KG handelt, da auch bei Liquidation der KG das Mitspracherecht der GmbH verloren wäre.24 Mangels „Anteils“ kein Stimmrecht als Anteilsinhaber haben stille Gesellschafter (§§ 230 ff HGB),25 und zwar auch, wenn es sich um atypische stille Gesellschafter handelt.26 Beim Verein ist, sofern ein Insolvenzplanverfahren überhaupt in Betracht kommt, jedem Mitglied in Anlehnung an § 32 BGB eine Stimme einzuräumen.27 Bei einer Genossenschaft kommt es – unabhängig von der Leistung von Beiträgen – auf den Nennbetrag des Geschäftsanteils (§ 7 Nr 1 GenG) an;28 kann oder muss sich ein Mitglied mit mehreren Geschäftsanteilen beteiligen (§ 7a I, 2 GenG), so sind deren Nennbeträge zu addieren. Dass nach § 43 III S 1 GenG genossenschaftsrechtlich jedes Mitglied eine Stimme hat, ist für das Stimmrecht in der Abstimmung über den Insolvenzplan unerheblich.29 Bei der Europäischen Genossenschaft (SCE) entscheidet ebenfalls der Nennbetrag des Geschäftsanteils am Grundkapital (vgl Art 4 SCE-VO).30 Eine vermögens- bzw kapitalmäßige Beteiligung an einer Stiftung existiert nicht; § 238a findet daher keine Anwendung.31 cc) Maßgeblicher Zeitpunkt. Entscheidend ist, wer zum Zeitpunkt der Abstimmung festgestellter Inhaber eines Kapital- bzw Vermögensanteils ist.32 Wird die Abstimmung wegen Feststellung eines Verfahrensfehlers wiederholt und hat in der Zwischenzeit die Person des Anteilsinhabers gewechselt, so kommt es auf den neuen Anteilsinhaber an, sofern nochmals in die Erörterung eingetreten wird. Nach Feststellung des Stimmrechts gilt indes über § 4 § 265 II S 1 ZPO; der bisherige Anteilsinhaber ist damit gesetzlicher Verfahrensstandschafter des neuen Anteilsinhabers. Ist der Anteilsinhaber zwischenzeitlich ausgeschieden, etwa aufgrund eines rechtskräftigen Urteils oder eines sofort wirksamen Gesell-

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Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Ehricke HGB3 § 120 Rn 80. Braun/Braun/Frank InsO7 § 238a Rn 2; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238a Rn 3; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 238a Rn 11; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 20. AA MünchKomm/Madaus InsO3 § 238a Rn 7; ders ZGR 2011, 749, 764 ff. Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 24. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238a Rn 6 f; aA offenbar Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 24. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 16 f; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238 Rn 5; HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 27; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 238a Rn 13; MünchKomm/ Madaus InsO3 § 238a Rn 12; grds ebenso, aber für eine Berücksichtigung von Mehrfachstimmrechten, Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 17; differenzierend K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 238a Rn 11 f; aA HK/Haas

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InsO9 § 238a Rn 6: nur die Anfallberechtigten nach § 45 BGB. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 16 f; HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 24; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238a Rn 12; MünchKomm/Madaus InsO3 § 238a Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 10; abw Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 15. MünchKomm/Madaus InsO3 § 238a Rn 10; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238a Rn 4. AA wohl Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 16. Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 18. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238a Rn 8: Zeitpunkt der Abstimmung; HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 4; MünchKomm/Madaus InsO3 § 238a Rn 3; ähnlich K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 6; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 25: Beschlussverkündung gem § 252 InsO.

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Stimmrecht der Anteilsinhaber

§ 238a

schafterbeschlusses,33 so sollte die Abstimmung wiederholt werden; anderenfalls ist der mit abstimmende Gesellschafter insoweit als Verfahrensstandschafter aller übrigen Gesellschafter anzusehen. dd) Feststellung. § 238a sagt nicht ausdrücklich, wie die Stellung als Anteilsinhaber 13 festgestellt wird. Auch fehlt ein Verweis auf § 77. Da es sich um einen Umstand handelt, der für das Insolvenzverfahren von Bedeutung ist, erfolgt die Feststellung durch das Insolvenzgericht (§ 5 I S 1).34 Die Regeln über das Nichtbestreiten (§ 237 I S 1 iVm § 77 I S 1, § 238 II S 1) und die Einigung (§ 237 I S 1 bzw § 238 II S 3 je iVm § 77 II S 1) können nicht – auch nicht analog – herangezogen werden,35 da die Anteilsinhaber mangels gesetzlicher Anordnung nicht mit derart einschneidenden Folgen ihres Schweigens bzw Fernbleibens rechnen können und müssen. Lediglich eine entsprechende Anwendung von § 77 II S 3 erscheint möglich und auch angezeigt. Dies bedeutet insbesondere, dass die Entscheidung des Insolvenzgerichts abgeändert werden kann (§ 77 II S 3), jedoch weder isoliert (§ 6 I S 1) noch mit der Beschwerde gegen die Planbestätigung (§ 253) anfechtbar ist.36 Für die Feststellung gilt im Ausgangspunkt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 I).37 14 Dieser ist jedoch unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit zu handhaben. Daher darf sich das Gericht mangels irgendwelcher Anhaltspunkte für einen Sonderfall auf präsente Beweismittel, insbesondere auf Augenschein und Urkunden, verlassen. Wichtige Beispiele sind zunächst das Handelsregister, aus dem Stamm- bzw. Grundkapital hervorgehen,38 weiter bei Inhaberaktien der Besitz der Aktienurkunde oder ein Depotauszug (vgl § 123 IV S 1 AktG) sowie bei Namensaktien die Eintragung im Aktienregister (§ 67 II S 1 AktG),39 bei GmbH-Anteilen die (ohnehin gem § 16 I S 1 GmbHG40 maßgebliche) Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG)41 und bei Genossenschaftsanteilen die Mitgliederliste (§ 30 GenG). Bei anderen Gesellschaften sind der Gesellschaftsvertrag und ggf die Abtretungserklärungen heranzuziehen.42 Im Übrigen wird es auf die Angaben des Insolvenzverwalters und der erschienenen Personen vertrauen. b) Irrelevanz verbandsrechtlicher Stimmrechtsregeln (Abs 1 S 2) aa) Grundfragen. Werden die Rechte der Anteilsinhaber durch den Plan berührt, so 15 handelt es sich um gesellschaftsrechtlich relevante Maßnahmen wie etwa eine Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens nach den allgemeinen

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Vgl BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238a Rn 10. IE ebenso HK/Haas InsO9 § 238a Rn 10. AA HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 32: § 77 II analog zwischen Insolvenzverwalter und Anteilsinhabern. IE ebenso K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 17; HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 34; HK/Haas InsO9 § 238a Rn 10; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238a Rn 18; aA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238a Rn 8: Überprüfung „im Wege des Rechtsmittelverfahrens“. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238a Rn 8. MünchKomm/Madaus InsO3 § 238a Rn 9.

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HK/Haas InsO9 § 238a Rn 4; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 238a Rn 7; Uhlenbruck/ Hirte InsO14 § 238a Rn 26. § 16 I S 2 GmbHG ist hingegen auf Abstimmungen nicht anwendbar, da das Stimmrecht vor der Teilnahme an der Abstimmung feststehen muss; ähnlich HK/Haas InsO9 § 238a Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 8. HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 8; HK/Haas InsO9 § 238a Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 238a Rn 7; Uhlenbruck/ Hirte InsO14 § 238a Rn 25. Vgl MünchKomm/Madaus InsO3 § 238a Rn 4; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 27.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

gesellschaftsrechtlichen Regeln einer Zustimmung der Anteilseigner bedürfen können. Unter den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regeln entspricht das Stimmrecht aber nicht notwendigerweise der vermögens- bzw kapitalmäßigen Beteiligung des Anteilsinhabers; insbesondere gibt es Stimmrechtsbeschränkungen, Sonder- oder Mehrstimmrechte. Der Gesetzgeber hatte zu entscheiden, ob die außerhalb der Insolvenz geltenden Abweichungen von einem der vermögens- bzw kapitalmäßigen Beteiligung akzessorischen Stimmrecht auch bei der Abstimmung über den Plan gelten sollten. 16 Für eine Fortgeltung des außerinsolvenzrechtlichen Stimmrechts spricht, dass für die Anteilsinhaber stets eigene Gruppen zu bilden sind (§ 222 I Nr 4),43 sodass ihr Stimmrecht zunächst eine Frage des Verhältnisses der Anteilsinhaber zueinander ist.44 Insoweit gilt, dass ein Anleger den Umfang seiner Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft etc beim Erwerb des Anteils kannte und sich die Einflussnahmemöglichkeit daher auch im Erwerbspreis niederschlug; auch wenn jedenfalls seit Geltung des ESUG die Anteilsinhaber in Rechnung stellen müssten, dass für die Abstimmung über einen Insolvenzplan die Stimmrechte eventuell abweichend bestimmt werden, werden sie das in der Praxis selten tun. 17 Der Gesetzgeber entschied sich indes gegen eine Fortgeltung der gesellschaftsrechtlichen Stimmrechtsregeln und bestimmte für die Abstimmung über den Insolvenzplan, dass allein die vermögens- bzw kapitalmäßige Beteiligung iSd Beteiligung am gezeichneten Kapital oder Vermögen erheblich sein solle (Abs 1 S 1). Dass Stimmrechtsbeschränkungen, Sonder- und Mehrstimmrechte in dieser Abstimmung bedeutungslos seien, hielt er nochmals ausdrücklich fest (Abs 1 S 2); dies gilt entsprechend auch für alle anderen Abweichungen des Stimmrechts von der Beteiligungsquote. Gerechtfertigt wurde dies damit, dass in der Insolvenz „lediglich noch die Kapitalbeteiligung relevant sein“ könne;45 der Gesetzgeber gewährt ein Stimmrecht also nur und gerade für das „Wertinteresse“.46 Diese Begründung allein überzeugt nicht ganz, da im Verhältnis der Anteilsinhaber zueinander wie gesehen viel für eine Fortgeltung der bisherigen Verteilung der Mitwirkungsbefugnisse spricht (Rn 16). Allerdings hat die gesetzgeberische Entscheidung den Vorteil, dass die vermögens- bzw kapitalmäßige Beteiligung zumeist einfacher zu bestimmen ist und sich das Gericht und die Beteiligten nicht mit Besonderheiten der Stimmrechte des konkreten Schuldners auseinandersetzen müssen. Angesichts der Bedeutung einer schnellen und sicheren Entscheidung über das Stimmrecht lässt sich die Lösung des Abs 1 mithin auch vor Art 14, 9 und 3 GG rechtfertigen.47 Aus diesem Grund wird man auch den Eingriff in die Mitwirkungsrechte der Anteilsinhaber, den die Einführung des Abs 1 für diejenigen mit sich brachte, die zu diesem Zeitpunkt an dem Schuldner beteiligt waren, für verfassungsmäßig halten müssen. Insbesondere verstieß die Einführung des § 238a nicht gegen das Rückwirkungsverbot, da sie ex nunc griff, das Innehaben des Anteils aber keinen abgeschlossenen Tatbestand darstellt.

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bb) Stimmrechtsbeschränkungen. Stimmrechtsbeschränkungen geben einer Stimme weniger Gewicht, als dies der Kapital- oder Vermögensbeteiligung eines Anteilsinhabers entsprechen würde. Sie können vereinbart sein (vgl etwa § 45 I GmbHG) oder auf dem Gesetz beruhen. Eine Stimmrechtsbeschränkung, die außer Betracht bleibt (Abs 1 S 2 Var 1),

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Andrianesis WM 2017, 362, 365. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 2. Begr zu § 238a RegE (BT-Drucks 17/5712, S 33).

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Spliedt GmbHR 2012, 462, 466. IE ebenso HK/Haas InsO9 § 238a Rn 1; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 3.

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Stimmrecht der Anteilsinhaber

§ 238a

ist etwa der Ausschluss des Stimmrechts bei einer stimmrechtslosen Vorzugsaktie.48 Der Inhaber einer solchen stimmrechtslosen Vorzugsaktie ist mithin auch dann an der Abstimmung über den Insolvenzplan zu beteiligen, wenn er nach gesellschaftsrechtlichen Regelungen kein Stimmrecht hat, also dieses nicht wegen mehrfacher Nichtzahlung des Vorzugs aufgelebt ist (§ 140 II S 2 AktG).49 Dies rechtfertigt sich auch daraus, dass der Vorzug, der üblicherweise in einer garantierten Ausschüttung liegt, in der Insolvenz wertlos ist.50 Außer Betracht bleiben auch satzungsmäßige Beschränkungen des Stimmrechts für Aktionäre nichtbörsennotierter Gesellschaften, denen mehrere Aktien gehören (§ 134 I S 2–4 AktG).51 Stimmrechtsbeschränkung iSd Abs 1 S 2 ist auch ein von der Satzung angeordnetes Ruhen der Gesellschafter- oder Stimmrechte; es ist daher unbeachtlich.52 Unbeachtlich sind auch Vetorechte.53 Ebenfalls unerheblich ist, ob die Einlage vollständig geleistet ist, obwohl zB für die AG § 134 II S 1 AktG vor vollständiger Leistung der Einlage das Stimmrecht ausschließt;54 allerdings folgt dies nicht nur aus der für die AG gesetzlich angeordneten Stimmrechtsbeschränkung, sondern auch daraus, dass der Insolvenzverwalter ausstehende Einlagenteile einfordern wird.55 Daher ist auch bei der GmbH unerheblich, ob die Einlage geleistet wurde.56 Auch Stimmbindungsvereinbarungen,57 sofern sie überhaupt verbandsrechtlicher und nicht nur schuldrechtlicher Natur sind, und Klauseln über die Zwischenschaltung eines gemeinsamen Vertreters sind für die Abstimmung über den Plan irrelevant58. Keinen Einfluss auf das Stimmrecht der Anteilsinhaber im Insolvenzplanverfahren hat auch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.59 Keine Stimmrechtsbeschränkung iSd Abs 1 S 2, aber schon sachlich nicht einschlägig, 19 sind Stimmrechtsausschlüsse wegen eigener Betroffenheit („Befangenheit“) wie § 34 BGB,

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Begr zu § 238a RegE (BT-Drucks 17/5712, S 33); Braun/Braun/Frank InsO7 § 238a Rn 2; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238a Rn 11; FK/Jaffé InsO9 § 238a Rn 3; Graf-Schlicker/Kebekus/ Wehler InsO4 § 238a Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 18; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 238a Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 238a Rn 9; MünchKomm/ Madaus InsO3 § 238a Rn 10; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 238a Rn 8; Smid/Rattunde/ Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.44; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 1, 6. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238a Rn 9; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 6. Braun/Braun/Frank InsO7 § 238a Rn 2; MünchKomm/Madaus InsO3 § 238a Rn 10; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 1. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238a Rn 9; HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 16; MünchKomm/Madaus InsO3 § 238a Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 7; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 7. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238a Rn 10. Wälzholz GmbH-StB 2012, 313, 318 f. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 238a Rn 9; HambK/Thies

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InsO6 § 238a Rn 14; HK/Haas InsO9 § 238a Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238a Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 8. Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 9. HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 9; HK/Haas InsO9 § 238a Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 238a Rn 7; Uhlenbruck/ Hirte InsO14 § 238a Rn 9; iE ebenso K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 5. HK/Haas InsO9 § 238a Rn 7. HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 30; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 15; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 28. Vgl FK/Jaffé InsO9 § 238a Rn 4; s iÜ OLG Frankfurt aM NZI 2013, 978, 979 Rn 18 ff; Böcker DZWIR 2014, 331, 335; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 238a Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 31a; Hölzle ZIP 2013, 1846, 1847; Madaus ZIP 2014, 500, 504; Seibt/Bulgrin ZIP 2017, 353, 359; Thole ZIP 2013, 1937, 1942 f; aA LG Frankfurt ZInsO 2013, 2015, 2019 Rn 62 ff; Fölsing ZInsO 2013, 2021, 2022; ders ZInsO 2013, 2115, 2116; Spliedt ZInsO 2013, 2155, 2158; Stöber ZInsO 2013, 2457, 2463 f.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

§ 47 IV GmbHG, § 136 I AktG, § 43 VI GenG.60 Dass die Anteilsinhaber vom Plan betroffen sind, setzt Abs 2 iVm § 237 II gerade voraus. Vor allem aber regelt der Plan nicht nur das bilaterale Verhältnis zwischen Verband und Anteilsinhaber, sondern das multilaterale Verhältnis zwischen schuldnerischem Verband, Gläubigern und Anteilsinhabern. Daher gilt ein Stimmrechtsausschluss selbst dann nicht, wenn der Plan Ansprüche zwischen Verband und einzelnen Anteilsinhabern, wie etwa vertragliche Ansprüche oder Anfechtungsansprüche, regelt.61 20 Ebenfalls keine Stimmrechtsbeschränkung iSd Abs 1 S 2, aber in der Abstimmung unbeachtlich, sind verbandsrechtliche Regelungen, nach denen das Stimmrecht nur höchstpersönlich ausgeübt werden kann.62 Denn der Insolvenzplan ist kein rein verbandsrechtliches Instrument, sondern greift darüber hinaus; er ist dem Insolvenzrecht zuzuordnen. Über die Frage der Vollmachtserteilung zur Abstimmung über den Plan entscheidet also ausschließlich das Insolvenzrecht. Dieses verlangt keine Höchstpersönlichkeit (§ 235 Rn 10). 21 Problematisch sind kapitalmarktrechtliche Regelungen, nach denen bei Verletzung bestimmter Pflichten die Aktionärsrechte – darunter das Stimmrecht – ruhen (zB § 44 iVm §§ 33, 38, 39 ff WpHG; letztlich kapitalmarktrechtlicher Natur ist auch § 20 VII AktG). Zwar handelt es sich der Sache nach um Stimmrechtsbeschränkungen. Auch bleibt das Kapital des pflichtwidrig Handelnden weiter in der schuldnerischen Gesellschaft gebunden. Die Sanktion liefe in der Insolvenz aber leer, was nicht gerechtfertigt erscheint. Daher sind solche Regelungen zu beachten,63 und zwar auch dann, wenn sie von einem ausländischen Gesetzgeber angeordnet sind.

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cc) Sonderstimmrechte. Sonderstimmrechte sind alle sonstigen Stimmrechte, die nicht der Kapitalbeteiligung entsprechen, also etwa Stimmrechte eines am Kapital nicht beteiligten Geschäftsführers oder ein Recht einer Person zum „Stichentscheid“ bei Stimmengleichheit. Diese Sonderstimmrechte sind in der Abstimmung über den Insolvenzplan unbeachtlich.64 Nicht hierher gehört das sogenannte Sonderstimmrecht des Vorzugsaktionärs bei Nichtzahlung des Vorzugs, da schon die Beschränkung als solche unerheblich ist (Rn 18).

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dd) Mehrstimmrechte. Unerheblich sind auch gesetzliche oder vereinbarte Regelungen, nach denen die Stimme eines Anteilsinhabers größeres Stimmgewicht hat, als dies seiner Kapitalbeteiligung entspricht.65 In Deutschland sind Mehrstimmrechtsaktien nur noch nach Maßgabe des § 5 I EGAktG zulässig (vgl § 12 II AktG); Mehrstimmrechte können aber auch in anderen Verbandsformen (vgl etwa § 45 I GmbHG, § 43 III S 2, 3 GenG) begegnen.

60

61 62 63 64

IE wie hier HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 29; HK/Haas InsO9 § 238a Rn 7; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238a Rn 15; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 15. HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 29; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 15. IE wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 16. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 10. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 238a Rn 1; Hess/Hess Insolvenzrecht2

616

65

§ 238a Rn 2; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 122; Skauradszun NZG 2012, 1244, 1246 f. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 238a Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 17; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 238a Rn 2; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 122; Skauradszun NZG 2012, 1244, 1246 f; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 6. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238a Rn 10.

Christoph Kern

Stimmrecht der Anteilsinhaber

§ 238a

ee) Schuldrechtliche Stimmrechtsregelungen. § 238a trifft nur eine Regelung über das 24 Stimmrecht, nicht jedoch über dessen Ausübung. Ein Stimmberechtigter kann schuldrechtlich verpflichtet sein, das Stimmrecht in einer bestimmten Art und Weise auszuüben. Für die Abstimmung ist eine solche Pflicht aber in aller Regel ohne Belang. Zum einen kann die pflichtgemäße Stimmabgabe nicht erzwungen werden, da dies das Insolvenzverfahren belasten würde.66 Allein in Betracht kommen mithin Schadensersatzansprüche, die selbständig zu verfolgen sind. Zum anderen hängt von der Befolgung einer eventuellen schuldrechtlichen Pflicht die Wirksamkeit der Stimmabgabe nicht ab; eine Stimmbindungsvereinbarung hat mithin nicht die Qualität eines „prozessualen Verfügungsvertrags“.67 Die Stimmabgabe ist also auch dann wirksam, wenn der Stimmberechtigte anders abstimmt, als er dies schuldrechtlich müsste; umgekehrt ist die Stimmabgabe auch dann wirksam, wenn der Stimmberechtigte einer vermeintlichen Pflicht nachkommt, die aber in Wahrheit nicht bestand.68 Dass die Stimmabgabe als solche wirksam ist, folgt auch aus § 250 Nr 2, der davon ausgeht, dass der Plan auch dann angenommen ist, wenn die Annahme unlauter herbeigeführt wurde, und gerade deshalb einen eigenen Versagungsgrund normiert. c) Beeinträchtigung durch den Plan (Abs 2 iVm § 237 II). Ein Stimmrecht gewähren 25 Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte aufgrund des Verweises in Abs 2 auf § 237 II nur, wenn diese Rechte durch den Plan beeinträchtigt werden. „Beeinträchtigung“ ist auch hier jede nachteilige rechtliche Veränderung in der Rechtsstellung eines Anteilsinhabers.69 Dabei kommt es nur auf den in Rede stehenden Anteil, nicht auf den Anteilsinhaber, an; eine eventuelle Kompensation an anderer Stelle ist mithin unerheblich. Eine solche Veränderung kann insbesondere darin bestehen, dass neben die bisherigen Anteilsinhaber im Wege eines Debt-Equity-Swap neue Anteilsinhaber treten, die bislang Gläubiger waren, sodass der Anteil der bisherigen Anteilsinhaber „verwässert“ wird.70 Rein tatsächliche wirtschaftliche Nachteile, etwa durch Verzögerungen, bleiben auch hier (vgl § 237 Rn 13) von vornherein außer Betracht. Wie bei § 238 II iVm § 237 II ist für § 238a II iVm § 237 II umstritten, ob diese Rege- 26 lung überflüssig ist.71 Bei Absonderungsrechten deutet der Wortlaut des § 222 I Nr 1 durchaus darauf hin, dass bei korrekter Gruppenbildung stets eine Beeinträchtigung vorliegt. § 222 I Nr 4 nennt bei Anteilsinhabern indes nur die „Einbeziehung“; § 221 S 1 stellt nur auf eine Änderung ab. Daher spricht hier weniger gegen eine Beteiligung auch solcher Anteilseigner, deren Rechte zwar verändert, aber nicht beeinträchtigt, also nachteilig verändert, werden. Unabhängig hiervon kann aber eine Gruppe auch irrig geschaffen worden sein. Deshalb erscheint die Regelung jedenfalls zur Klarstellung sinnvoll.72

66 67 68 69 70

Vgl auch OLG Frankfurt aM NZI 2013, 978 Rn 6 ff. Allgemein Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 Rn 330 ff. Ähnlich HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 30. HK/Haas InsO9 § 238a Rn 1 und 9. Braun/Braun/Frank InsO7 § 238a Rn 3; Friedl BB 2012, 1102, 1103; HK/Haas InsO9 § 238a Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238a Rn 16.

71

72

So Fritzsche Insolvenzplan als Vertrag S 265 ff; HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 33 und HK/Haas InsO9 § 238a Rn 9: „deklaratorisch“; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 18. MünchKomm/Madaus InsO3 § 238a Rn 2; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 31; vgl LG Frankfurt NZI 2013, 986 Rn 76.

Christoph Kern

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§ 238a

Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Kein Bestreiten oder andere Sonderfälle

27

Anders als bei §§ 237, 238 gibt es keine Sonderregeln für bestrittene, aufschiebend bedingte und nicht fällige Rechte. Während die fehlende Fälligkeit bei Anteilsinhabern nicht passt und eine Bedingung allenfalls Frage des maßgeblichen Zeitpunkts sein kann (Rn 12), ist ein Bestreiten durchaus denkbar. Wird die Beteiligung bestritten, so hat dieses Bestreiten keine Wirkung, die nur durch eine Einigung oder, in Ermangelung einer Einigung, durch Entscheidung des Insolvenzgerichts überwunden werden könnte (vgl § 77 II).73 Vielmehr spielt das Bestreiten nur im Rahmen der Feststellung der vermögens- oder kapitalmäßigen Beteiligung eine Rolle. Das Insolvenzgericht entscheidet hier aber sogleich in eigener Verantwortung; eine etwaige Einigung der erschienenen Beteiligten bindet es nicht.

III. Stimmgewicht 28

Anders als die §§ 237 f, die das Stimmgewicht der Insolvenzgläubiger und der Absonderungsberechtigten nicht selbständig regeln, kann Abs 1 S 1 schon entnommen werden, dass für das Stimmgewicht der Anteilsinhaber das konkrete Ausmaß ihrer Beteiligung am gezeichneten Kapital oder Vermögen erheblich sein soll.74 § 244 III mit seinem Verweis nur auf § 244 I Nr 2 verlangt tatsächlich für Gruppen von Anteilseignern nur eine Mehrheit der „Summe der Beteiligungen“, keine Kopfmehrheit.

IV. Internationales 29

In inländischen Insolvenzverfahren gilt für die Abstimmung über den Insolvenzplan stets inländisches Recht (vgl Art 7 I, II lit j EuInsVO 2015).75 Verbandsstatut („Gesellschaftsstatut“) des Insolvenzschuldners kann indes ausländisches Recht sein. Dies ist in erster Linie dann der Fall, wenn es sich um einen Schuldner handelt, dessen Verbandsstatut nicht nach der Sitztheorie zu bestimmen ist. Denn die Sitztheorie knüpft an den tatsächlichen Verwaltungssitz an.76 Die Eröffnung eines inländischen Hauptinsolvenzverfahrens, in dem dann auch inländisches Recht gilt, setzt voraus, dass der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen (Center of Main Interests, COMI) im Inland hat (Art 7 iVm Art 3 I EuInsVO 2015). Da Verwaltungssitz und Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen idR zusammenfallen,77 ist bei Geltung der Sitztheorie meist ein Gleichlauf gegeben. Die Sitztheorie gilt aber nicht gegenüber Verbänden, die dem Recht eines anderen EUMitgliedstaats, EWR-Vertragsstaats oder US-amerikanischen Einzelstaats unterstehen und ihren Verwaltungssitz im Inland haben. Bei solchen Schuldnern treffen im Falle eines in-

73

74

K Schmidt/Spliedt InsO19 § 238a Rn 17; aA MünchKomm/Madaus InsO3 § 238a Rn 4; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 29. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 238a Rn 18. FK/Jaffé InsO9 § 238a Rn 2; Graf-Schlicker/ Kebekus/Wehler InsO4 § 238a Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 238a Rn 3; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 238a Rn 2; HK/Haas InsO9 § 238a Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 238a Rn 3.

618

75 76

77

HK/Haas InsO9 § 238a Rn 2; Uhlenbruck/ Hirte InsO14 § 238a Rn 4. Henssler/Strohn/Servatius IntGesR Rn 15; MünchKomm/Kindler BGB6 IntGesR Rn 420; MünchKomm/Weller GmbHG2 Einl Rn 320; ders IPRax 2017, 167, 170. Eidenmüller NJW 2004, 3455, 3456 f; MünchKomm/Kindler BGB6 IntGesR Rn 422; MünchKomm/Weller GmbHG2 Einl Rn 322.

Christoph Kern

§ 239

Stimmliste

ländischen Hauptinsolvenzverfahrens inländisches Insolvenzstatut und ausländisches Verbandsstatut aufeinander. Insolvenzstatut und Verbandsstatut fallen zudem auch dann auseinander, wenn ein inländisches Partikularverfahren über inländisches Vermögen eines Schuldners eröffnet wird, der ausländischem Recht untersteht; in diesem Partikularverfahren gilt dann wiederum inländisches Recht (Art 7 iVm Art 3 II EuInsVO 2015).78 Für Schuldner, die nach den Regeln des Kollisionsrechts ausländischem Recht unterste- 30 hen, bestimmt sich im inländischen Insolvenzplanverfahren nach dem ausländischen Verbandsstatut, wer an dem ausländischen Verband beteiligt ist und worin genau seine Position besteht. Sodann ist nach inländischem Recht festzustellen, ob die vom ausländischen Recht vorgesehene Position eine vermögens- bzw kapitalmäßige Beteiligung darstellt. Ist eine vermögens- bzw kapitalmäßige Beteiligung an dem ausländischen Schuldner 31 festgestellt, kommt es darauf an, ob diese in den Plan einbezogen ist. Hierfür ist zu fragen, ob die vom Insolvenzplan vorgesehene Regelung nach dem ausländischen Verbandsstatut überhaupt möglich ist und ob und welche Folgen sie nach dem ausländischen Verbandsstatut hat. Im Anschluss ist strenggenommen wiederum nach inländischem Recht zu prüfen, ob die Folgen die Stellung des Beteiligten berühren; waren Folgen nach ausländischem Verbandsstatut festgestellt, wird dies indes regelmäßig zu bejahen sein. Auch bei solchen Insolvenzschuldnern, die ausländischem Recht unterliegen, sind 32 schließlich verbandsrechtliche Stimmrechtsbeschränkungen, Sonderstimmrechte, Mehrstimmrechte oder sonstige Stimmrechtsregeln, die nach dem Verbandsstatut das Stimmrecht von der Kapital- bzw Vermögensbeteiligung lösen, für die Abstimmung über den Plan unbeachtlich.79

§ 239 Stimmliste Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hält in einem Verzeichnis fest, welche Stimmrechte den Beteiligten nach dem Ergebnis der Erörterung im Termin zustehen. Materialien: DiskE § 272 (S 139); RefE § 272 (S 159); RegE § 283 (BT-Drucks 12/2443, S 54); Rechtsausschuss § 283 (BT-Drucks 12/7302, S 103). Vorgängerregelungen: § 71 IV VglO.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte II. Zweck . . . . . . . . . . III. Inhalt . . . . . . . . . . . 1. Stimmberechtigte . . . 2. Stimmrechte . . . . . .

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Rn. 1 1 2 5 6 7 8

Eidenmüller RabelsZ 70 (2006) 474, 476.

IV. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . V. Unmöglichkeit direkter Anfechtung . . VI. Berichtigungsfähigkeit unrichtiger Vermerke . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

Rn. 11 12 13

Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 238a Rn 4.

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§ 239

Sechster Teil. Insolvenzplan

I. Einleitung 1. Überblick

1

§ 239 sieht zur Gewährleistung einer zügigen, fehlerfreien Abstimmung vor, dass die in der Erörterung festgestellten Stimmrechte der Beteiligten durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in einem Verzeichnis, der Stimmliste, festzuhalten sind. 2. Entstehungsgeschichte

2

Eine reine Stimmliste kannten weder die Konkursordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 67 ff) noch die Vergleichs- und die Gesamtvollstreckungsordnung. Unter der Vergleichsordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 75 ff) hatte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nach der Erörterung einer jeden Forderung im Gläubigerverzeichnis ein eventuelles Bestreiten der Forderung sowie Einigungen oder gerichtliche Entscheidungen über das Stimmrecht zu vermerken (§ 71 IV VglO). Hieraus hatte sich eine Praxis entwickelt, die dem heutigen § 239 entsprach.1 3 Die Praxis, die sich unter der Vergleichsordnung herausgebildet hatte, griffen die Entwürfe von Anfang an auf. Da sie zunächst einen vom Abstimmungstermin getrennten Erörterungstermin vorsahen,2 sollte sich die Stimmliste nach dem Ergebnis des Erörterungstermins richten. Im Rechtsausschuss, der den später Gesetz gewordenen gemeinsamen Erörterungs- und Abstimmungstermin vorschlug, kam es dann zur heutigen Formulierung, die auf das „Ergebnis der Erörterung im Termin“ abstellt.3 4 Das ESUG4 (Münch Vor §§ 217–269 Rn 135 f) erlaubte mit §§ 217 S 2, 225a II, III Maßnahmen, die die Rechtsstellung der Anteilsinhaber berühren, und gestand den Anteilsinhabern dementsprechend in § 238a ein Stimmrecht zu. Da somit nicht mehr nur Gläubiger, sondern auch Anteilsinhaber abstimmen können, und es sinnvoll erscheint, diese ebenfalls in der Stimmliste aufzuführen, änderte Art 1 Nr 26 ESUG das Wort „Gläubiger“ in „Beteiligte“ ab.5

II. Zweck 5

Die Stimmliste dient dazu, in übersichtlicher Form abschließend über die in der Erörterung festgestellten Stimmrechte der Beteiligten Auskunft zu geben. Sie wird der Abstimmung über den Insolvenzplan zugrundegelegt, sodass diese schnell und fehlerfrei vonstatten gehen kann; daher muss sie vor der Abstimmung erstellt sein.6 Nach Aufstellung der Stimmliste erfolgende Anmeldungen werden in der Abstimmung nicht mehr berücksichtigt.7 Außerhalb des Insolvenzplanverfahrens hat die Stimmliste keine Bedeutung.

1

2

3

Begr zu § 272 DiskE (S B248); Begr zu § 272 RegE (S 284); Begr zu § 283 RegE (BTDrucks 12/2443, S 207). DiskE §§ 268, 274 (S 137, 139 f); RefE §§ 268, 274 (S 157, 160); RegE §§ 279, 285 (BT-Drucks 12/2443, S 53, 54). Rechtsausschuss § 283 (BT-Drucks 12/7302, S 103).

620

4 5

6

7

G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582. Vgl HK/Haas InsO9 § 239 Rn 1; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 239 Rn 2. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 239 Rn 3; Weßling ZInsO 2017, 1595, 1597. HK/Haas InsO9 § 239 Rn 1.

Christoph Kern

§ 239

Stimmliste

III. Inhalt Die Stimmliste ist ein vom Gläubigerverzeichnis (§ 152) getrennt zu errichtendes Ver- 6 zeichnis über die Stimmrechte der Gläubiger und der Anteilsinhaber in der Abstimmung über den Insolvenzplan.8 Sie hat nur die erforderlichen Angaben über die Stimmberechtigten und deren Stimmrechte zu enthalten. 1. Stimmberechtigte Die Stimmberechtigten – Insolvenzgläubiger, ggf nachrangige Insolvenzgläubiger und 7 Anteilsinhaber – sind mit Namen und entsprechend § 152 II S 2 mit ihrer Anschrift zu identifizieren. 2. Stimmrechte Aufzunehmen sind die Stimmrechte, wie sie nach dem Ergebnis der Erörterung (§ 235 I 8 S 1) festgestellt sind. Dies richtet sich nach den §§ 237–238a, sodass etwa unbestrittene Forderungen, aber auch Forderungen, über deren Stimmrecht sich die Beteiligten geeinigt haben oder deren Stimmrecht das Insolvenzgericht bejaht hat, aufzunehmen sind. Teils wird angenommen, in der Stimmliste müsse auch protokolliert werden, ob das 9 Stimmrecht auf Nichtbestreiten, auf einer Einigung der Beteiligten oder auf einer Entscheidung des Insolvenzgerichts beruhte; im letztgenannten Fall solle auch aufgenommen werden, auf welcher Grundlage und aus welchen Gründen das Insolvenzgericht entschieden habe.9 Diese Informationen gehören aber eher in das von der Liste getrennt zu führende Protokoll;10 sie tragen nicht zur Übersichtlichkeit bei und sind in der Abstimmung im Regelfall nicht von Interesse. Die Stimmrechte müssen so bezeichnet werden, dass die Liste ihrem Zweck entspre- 10 chend verwendet werden kann. Dies bedeutet, dass die Stimmliste alle zur erfolgreichen Durchführung der Abstimmung erforderlichen Informationen enthalten muss. Da in Gruppen (§ 222) abgestimmt wird (§ 243) und eine Annahme des Plans grundsätzlich die mehrheitliche Zustimmung in jeder Gruppe voraussetzt (§ 244), muss die Liste die Informationen enthalten, die eine eindeutige Zuordnung zu einer Gruppe und die Mehrheitsfeststellung erlauben.11 Festzuhalten sind in der Liste also die Gruppenzugehörigkeit des Stimmberechtigten mit dem in Rede stehenden Stimmrecht sowie die Höhe der Ansprüche bzw Beteiligungen, auf die es gem § 244 I Nr 2, III für die zusätzlich zur Kopfmehrheit des § 244 I Nr 1 erforderliche Summenmehrheit ankommt. Es empfiehlt sich, die Liste von Anfang an entsprechend der Gruppenbildung im darstellenden Teil zu gliedern.12 8 9

Vgl HK/Haas InsO9 § 239 Rn 1. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 22; Braun/Braun/Frank InsO7 § 239 Rn 1 m Fn 1; FK/Jaffé InsO9 § 239 Rn 1; HambK/ Thies InsO6 § 239 Rn 2; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 239 Rn 3; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 239 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 239 Rn 3; für die Aufnahme nur der gerichtlichen Entscheidung mit ihren Gründen MünchKomm/ Hintzen InsO3 § 239 Rn 1; das Argument einer gerichtlichen Neufestsetzung nach Erst-

10

11

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entscheidung durch den Rechtspfleger trägt unter § 18 RPflG nF indes nicht mehr. Für eine Aufnahme in Stimmliste und Protokoll BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 239 Rn 2. Vgl BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 239 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 239 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 239 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 239 Rn 3. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 239 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 239 Rn 3.

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§ 240

Sechster Teil. Insolvenzplan

IV. Zuständigkeit 11

Zuständig für die Erstellung der Stimmliste ist nach § 239 der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle. Die Stimmliste kann aber auch der Richter selbst erstellen.13 Unzulässig ist es jedoch, die Aufgabe an den Insolvenzverwalter oder einen anderen Beteiligten zu delegieren. Problemlos zulässig ist es indes, dass der Insolvenzverwalter auf der Basis der Insolvenztabelle bzw des Prüfungstermins und sonstiger Verzeichnisse und Informationen ein Formular in elektronischer Form vorbereitet, in das im Termin die erforderlichen Eintragungen gemacht werden.14

V. Unmöglichkeit direkter Anfechtung 12

Die Verzeichnung eines Stimmrechts in der Stimmliste kann nicht mit einem Rechtsbehelf angegriffen werden. Führt eine fehlerhafte Verzeichnung eines Stimmrechts allerdings dazu, dass ein Beteiligter zu Unrecht unberücksichtigt geblieben ist oder in einer falschen Gruppe oder in falschem Umfang berücksichtigt wurde, liegt ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften vor (§ 250). Zudem kommt ein Minderheitenschutzantrag (§ 251) sowie eine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss über die Planbestätigung (§ 253) in Betracht; eine eventuell erforderliche Schlechterstellung wird bei mindestens einem Beteiligten in aller Regel vorliegen.

VI. Berichtigungsfähigkeit unrichtiger Vermerke 13

Stimmt ein Vermerk in der Stimmliste nicht mit dem objektiv zutreffenden Prüfergebnis überein, kann und muss der unrichtige Vermerk in der Stimmliste durch das Insolvenzgericht korrigiert werden.15 Dasselbe gilt für nachträglich unrichtig gewordene Stimmrechtsvermerke.16

§ 240 Änderung des Plans 1

Der Vorlegende ist berechtigt, einzelne Regelungen des Insolvenzplans auf Grund der Erörterung im Termin inhaltlich zu ändern. 2 Über den geänderten Plan kann noch in demselben Termin abgestimmt werden.

13

14

Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 239 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 239 Rn 2; aA Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 239 Rn 22; HambK/Thies InsO6 § 239 Rn 2; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 239 Rn 4. Braun/Braun/Frank InsO7 § 239 Rn 1; FK/ Jaffé InsO9 § 239 Rn 5; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 239 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 239 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 239 Rn 3; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 239 Rn 3.

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15

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S schon OLG Hamm Rpfleger 1965, 78 f zur unrichtigen Eintragung in die Konkurstabelle, § 145 I KO; FK/Jaffé InsO9 § 239 Rn 5; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 239 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 239 Rn 5. Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 239 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 239 Rn 5.

Christoph Kern

§ 240

Änderung des Plans

Materialien: DiskE § 273 (S 139); RefE § 273 (S 159 f); RegE § 284 (BT-Drucks 12/2443, S 54); Rechtsausschuss § 284 (BT-Drucks 12/7302, S 103). Vorgängerregelungen: § 76 VglO. Literatur Brüning Gesellschafter im Insolvenzplan (2006); Eidenmüller Mediationstechniken bei Unternehmenssanierungen, BB Beilage 1998, Nr 10, 19–25; Hiebert Zur verfahrensrechtlichen Behandlung von Planänderungen im Erörterungs- und Abstimmungstermin – zwischen Gläubigerautonomie und gerichtlicher Verfahrensleitung, ZInsO 2015, 113; Madaus Die zeitliche Grenze des Rechts zur Rücknahme eines Insolvenzplans durch den Planinitiator, KTS 2012, 27; Martini/Horstkotte Häufige Fehler bei der Aufstellung von Insolvenzplänen und der Durchführung von Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2017, 1913; Smid Große Reform oder Beseitigung der Insolvenzordnung durch ein neues Konkursverfahren? DZWIR 2010, 397; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 (2015).

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Vorläufer und Entstehungsgeschichte 2 II. Sinn und Zweck der Norm . . . . . . . 4 III. Änderung einzelner Regelungen des Plans (S 1) . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Regelungen . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Änderung . . . . . . . . . . . . . . . 8 a) Inhaltliche Änderung . . . . . . . 8 b) Form . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3. Einzelne Regelungen . . . . . . . . . 10 a) Maßstab . . . . . . . . . . . . . . 10 b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . 12 c) Entscheidung über die Zulassung der Änderung . . . . . . . . . . . 13

Rn.

IV. V.

VI. VII.

d) Entscheidung über die Zurückweisung . . . . . . . . . . . . . . Berechtigung des Vorlegenden (S 1) . . . Änderung auf Grund der Erörterung (S 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erörterung der bisherigen Regelung . 2. Erörterung der geänderten Regelung „Im Termin“ (S 1) . . . . . . . . . . . . Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 1. In demselben Termin (S 2) . . . . . . 2. In einem späteren Termin . . . . . . 3. Entscheidung über die Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 16 18 19 20 21 25 26 28 32

Alphabetische Übersicht Nachholung von Verfahrensschritten 29 ff Rückgängigmachung einer Änderung 15 Transparenz 5, 23 Unterbrechung 25, 27 f Verfahrensökonomie 4, 14 Vertagung 25 ff Vorlage eines neuen Plans 8 f, 11 Zahl der Änderungen 11

Änderungen im darstellenden Teil 7 Änderungen im gestaltenden Teil 6 Änderungen nach dem Termin 24 Änderungen vor dem Termin 23 Anhörung der erschienenen Beteiligten 14 Einwilligung in die Planänderung 14 Forderung einer Änderung 19 Information über Änderungen 19 f Konzentrationsmaxime 26

I. Einleitung 1. Überblick § 240 gestattet dem Vorlegenden, auf die Erörterung im Termin mit der Änderung ein- 1 zelner Regelungen zu reagieren, ohne dass das gesamte Verfahren von Neuem begonnen oder für die Abstimmung ein neuer Termin angesetzt werden müsste.1 1

Vgl nur Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 240 Rn 1.

Christoph Kern

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§ 240

Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Vorläufer und Entstehungsgeschichte

2

Die Vergleichsordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 75 ff) enthielt lediglich eine Regelung für Änderungen des Vergleichsvorschlags zuungunsten der Gläubiger. Über eine solche Änderung konnte nur abgestimmt werden, wenn alle Vergleichsgläubiger im Termin anwesend waren oder der geänderte Vergleichsvorschlag den Gläubigern durch das Gericht vor dem Termin mitgeteilt worden war (§ 76 S 1 VglO). Nachteilige Änderungen im Termin selbst waren daher nur bei Anwesenheit aller Vergleichsgläubiger möglich. 3 Die Entwürfe2 enthielten in einem ersten Absatz eine Regelung zur Planänderung, die auf der Grundlage einer Trennung von Erörterungs- und Abstimmungstermin3 eine Änderung auf Grund der Erörterung erlaubte; die Änderung musste aber im Erörterungstermin angekündigt und binnen einer vom Gericht gesetzten Frist ausgearbeitet werden.4 Ein zweiter Absatz sah die sofortige Zurückweisung des Plans bei Aussichtslosigkeit oder offensichtlich fehlender Erfüllbarkeit vor, sofern der Plan nicht entsprechend abgeändert würde. Der Rechtsausschuss änderte Abs 1 dahingehend, dass eine Änderung des Plans nur in einzelnen Regelungen die Abstimmung noch in demselben Termin nicht ausschließen sollte.5 Abs 2 hielt der Rechtsausschuss für entbehrlich;6 er schlug daher seine Streichung vor. In dieser Fassung wurde die Norm Gesetz.7

II. Sinn und Zweck der Norm 4

In der Erörterung kann es sich ergeben, dass der vorgelegte Plan zwar in seiner gegenwärtigen Form keine Aussicht auf Annahme durch die Beteiligten hat, durch eine Änderung in einzelnen Beziehungen aber eine Annahme in Betracht kommt.8 Derjenige, der den Plan vorgelegt hat, wird in einem solchen Fall regelmäßig die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens nach Maßgabe eines entsprechend geänderten Plans noch immer einem Regelinsolvenzverfahren vorziehen. Nach den allgemeinen Regeln könnte der Vorlegende seinen ursprünglichen Plan bis zur Rechtskraft der Bestätigung zurückziehen9 und bis zum Schlusstermin (vgl § 218 I S 3) oder zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens, etwa aufgrund eines anderen Plans (§ 258 I), einen entsprechend geänderten Plan vorlegen. Das Gericht hätte dann gem § 231 über die Zurückweisung des neuen Plans zu entscheiden; sofern keine Zurückweisung erfolgt, wären wiederum Stellungnahmen gem § 232 einzuholen; und schließlich müsste ein neuer Erörterungs- und Abstimmungstermin bestimmt und bekanntgemacht werden, zu dem vorschriftsmäßig zu laden wäre (§ 235). Betrifft die vorzunehmende Änderung nur einzelne Regelungen, so erscheint ein solches Vorgehen aber wirtschaftlich riskant und zudem wenig verfahrensökonomisch. Denn es nähme viel Zeit in Anspruch und würde kaum zu einem anderen Ergebnis führen, als wenn die Änderung

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DiskE § 273 (S 139); RefE § 273 (S 159 f); RegE § 284 (BT-Drucks 12/2443, S 54). DiskE §§ 268, 274 (S 137, 139 f); RefE §§ 268, 274 (S 157, 160); RegE §§ 279, 285 (BT-Drucks 12/2443, S 53, 54). Dazu MünchKomm/Hintzen InsO3 § 240 Rn 3, § 241 Rn 2: „zweistufige“ Konzeption. Rechtsausschuss, § 284 (BT-Drucks 12/7302, S 103). Rechtsausschuss, Begr zu § 284 (BTDrucks 12/7302, S 183).

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S zur Entstehungsgeschichte auch HK/Haas InsO9 § 240 Rn 1 f; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 240 Rn 1. Vgl auch FK/Jaffé InsO9 § 240 Rn 1 f; HambK/Thies InsO6 § 240 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 240 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 240 Rn 2; Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1923. AA Braun/Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 5: bis zum Beginn der Abstimmung.

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Änderung des Plans

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sogleich mit den erschienenen Beteiligten erörtert und sodann über sie abgestimmt werden würde; allenfalls wäre das Zeitfenster für die angestrebte abweichende Regelung verstrichen. Daher gestattet § 240 eine Änderung einzelner Regelungen aufgrund der Erörterung, über die noch in demselben Termin abgestimmt werden kann.10 Kehrseite der Verfahrensvereinfachung, die eine nachträgliche Änderung mit sich 5 bringt, sind aber das Entfallen einer frühzeitigen Prüfung des Vorliegens von Zurückweisungsgründen, das Fehlen von Stellungnahmen, denen der geänderte Plan zugrunde liegt, und ein Verlust an Transparenz, da der niedergelegte Plan, in den die Beteiligten Einsicht nehmen konnten, nicht mehr dem zur Abstimmung gestellten Plan entspricht. Damit kann ein Beteiligter, der dem niedergelegten Plan gegenüber gleichgültig war und daher im Termin nicht erschien, überrascht werden; den erschienenen Beteiligten wird eine gründliche Vorbereitung erschwert. Auch ist im Falle einer gewichtigen Änderung nicht mehr zu erwarten, dass das Abstimmungsergebnis bei Durchlaufen des gewöhnlichen Verfahrens dasselbe gewesen wäre. Daher muss § 240 die Fälle zulässiger Planänderung zugleich auch so eingrenzen, dass ein angemessener Interessenausgleich gewährleistet ist.11

III. Änderung einzelner Regelungen des Plans (S 1) 1. Regelungen § 240 äußert sich nur zur Änderung von Regelungen des Insolvenzplans. Regelungs- 6 charakter hat der Insolvenzplan nur in seinem gestaltenden Teil (§ 221), nicht in seinem darstellenden Teil (§ 220), da sich nur die Inhalte des gestaltenden Teils auf die Rechtsstellung der Beteiligten auswirken (§ 221 S 1). Unmittelbar gilt die Norm daher nur für Änderungen im gestaltenden Teil des Plans.12 Wird eine Regelung des gestaltenden Teils geändert, zieht dies vielfach auch eine Än- 7 derung im darstellenden Teil nach sich, da dieser Angaben zu den Auswirkungen des Plans enthalten soll (§ 220 II). Eine solche Änderung ist von § 240 ohne Weiteres gedeckt.13 Man wird aber davon ausgehen können, dass auch sonstige Änderungen im darstellenden Teil bis zur Abstimmung über den Plan möglich sind. 2. Änderung a) Inhaltliche Änderung. S 1 gilt nur für inhaltliche Änderungen. Andere als inhaltliche 8 Änderungen können bis zur Abstimmung jederzeit vorgenommen werden. Eine inhaltliche Änderung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn sie den Text des Plans unberührt lässt, also etwa nur Format oder Schriftart geändert werden. Da sich nach § 240 entscheidet, ob eine Änderung die Vorlage eines neuen Plans mitsamt dem zugehörigen Verfahren erforderlich macht, ist aber auch nicht jede Textänderung als inhaltliche Änderung anzusehen. Vielmehr sind solche Textänderungen von vornherein zulässig, die am Regelungsgehalt des

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Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1923. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 240 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 240 Rn 3. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 240 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 240 Rn 3.

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 2; HK/ Haas InsO9 § 240 Rn 4; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 240 Rn 7; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 240 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 240 Rn 6.

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Plans ersichtlich nichts ändern. Stets möglich ist daher etwa eine bloße Umstellung der Reihenfolge verschiedener Regelungen und sogar die Korrektur offenbarer Unrichtigkeiten (vgl § 319 I ZPO). Maßstab muss sein, ob aus Sicht eines anderen Beteiligten ohne weitere Erklärung erkennbar ist, dass die Änderung keine Auswirkungen auf den Regelungsgehalt des Plans hat. Ist für einen anderen Beteiligten hingegen nicht klar, dass der Plan in seinem Regelungsgehalt unberührt bleibt, handelt es sich um eine Änderung, auf die § 240 Anwendung findet.

9

b) Form. Die Änderungen müssen entweder schriftlich oder in Textform vorgelegt und im Termin verlesen oder zu Protokoll erklärt werden.14 Eine Protokollierung ist in jedem Fall erforderlich (§ 4 iVm § 160 III Nr 2 ZPO), wobei es bei mündlich erklärten Änderungen des Vorlesens und der Genehmigung bedarf (§ 4 iVm § 162 I ZPO).15 Ob – wie im Gesetzblatt bei einer Gesetzesänderung – nur die Änderungen beschrieben werden, eine neue Fassung mit Hervorhebung der Änderungen oder eine spaltenweise Gegenüberstellung erfolgt, ist nicht abstrakt vorgegeben; ein Mangel an Übersichtlichkeit, wie er insbesondere im erstgenannten Fall denkbar ist, kann jedoch im Extremfall dazu führen, dass die Änderung nach dem Maßstab der Rn 15 zurückgewiesen wird. Nicht ausreichend ist die Vorlage eines neuen Plans, die die Änderungen gegenüber dem zunächst vorgelegten Plan nicht erkennen lässt. 3. Einzelne Regelungen

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a) Maßstab. § 240 gestattet nur die Änderung einzelner Regelungen eines Insolvenzplans. Der „Kern“ des vorgelegten Insolvenzplans muss erhalten bleiben.16 Auch wenn der Wortlaut dies nahelegen könnte, darf die Abgrenzung zwischen einer zulässigen Änderung einzelner Regelungen und einer unzulässigen Änderung von mehr als nur einzelnen Regelungen nicht rein quantitativ, sondern muss nach Sinn und Zweck der Norm erfolgen.17 11 Der Verzicht auf eine erneute Entscheidung über die Zurückweisung, auf ein neuerliches Einholen von Stellungnahmen und die Bestimmung und Bekanntmachung eines neuen Termins nach Niederlegung des Plans beeinträchtigt die Position der anderen Beteiligten insbesondere – aber nicht nur – dann, wenn gem S 2 noch in demselben Termin abgestimmt wird. Denn einem Plan, der hätte zurückgewiesen werden müssen, ist nicht notwendigerweise die Bestätigung zu versagen (vgl § 250); auch können Gläubiger, Schuldner und Anteilseigner jedenfalls gegen die Bestätigung nur unter engen Voraussetzungen eine sofortige Beschwerde einlegen (vgl § 253). Stellungnahmen zum geänderten Plan, die für eine informierte Entscheidungsfindung hilfreich sein können, fehlen. Vor allem aber können abstimmungsberechtigte Beteiligte, die dem Termin wegen Gleichgültigkeit gegenüber dem bishe-

14 15 16

AA Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 240 Rn 4: nur schriftlich. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 240 Rn 6. Rechtsausschuss, Begr zu § 284 (BTDrucks 12/7302, S 183); LG Berlin DZWIR 2005, 301, 305; AG Hamburg BeckRS 2016, 19415; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 240 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 240 Rn 4; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 240 Rn 2,

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17

4 ff; Hiebert ZInsO 2015, 113, 114; HK/ Haas InsO9 § 240 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 240 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 240 Rn 8; s hierzu ausf auch FK/Jaffé InsO9 § 240 Rn 8 ff. Für eine „extensive Auslegung“ Bähr/Landry EWiR 2005, 575, 576. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 240 Rn 8.

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rigen Planinhalt ferngeblieben sind, überrascht werden;18 erschienene Beteiligte hatten weniger Zeit für eine gründliche Vorbereitung. Zu fragen ist daher, ob die Änderungen so gewichtig sind, dass die Vorlage eines neuen Plans unter Einhaltung der hierfür geltenden Verfahrensregeln geboten erscheint.19 Die Zahl der geänderten Regelungen allein ist hierfür ohne Belang. So kann es an einem hinreichenden Gewicht der Änderungen auch dann fehlen, wenn tatsächlich eine Vielzahl von Regelungen geändert wird, etwa weil es sich nur um eine Folgeänderung handelt. Umgekehrt kann die Änderung nur weniger Regelungen nicht mehr als Änderung „einzelner Regelungen“ iSd S 1 anzusehen sein, wenn es sich um eine für den Plan entscheidende Regelung handelt. Auch eine Änderung, die den Regelungsgehalt des Plans unberührt lässt, kann den Rahmen einer Änderung einzelner Regelungen überschreiten, wenn sie so unübersichtlich ist, dass ein durchschnittlich informierter Beteiligter eine gewichtige Änderung des Regelungsgehalts für möglich halten muss. Dies ist auch bei der Vornahme mehrfacher Änderungen20 denkbar. b) Einzelfälle. In der Regel zulässig sind eine auch beachtliche Änderung der Quote,21 12 eine Änderung von Fälligkeiten, ein Austausch von Sicherheiten oder Modifikationen der Reichweite von Eingriffen in Absonderungsrechte.22 Eine Planänderung kommt weiter auch bei zwischenzeitlichem Eintritt der Masseunzulänglichkeit in Betracht.23 Zulässig sein kann auch die Änderung der Gruppenbildung,24 wenn die neue Gruppenbildung und ihre Folgen ohne intensive Vorbereitung verständlich sind25 oder nur Untergruppen gebildet werden.26 Selbst die Einbeziehung von Betroffenen, die bislang vom Plan nicht berührt wurden, ist möglich;27 allerdings muss dann ein neuer Termin anberaumt werden, zu dem auch die neuen Planbetroffenen geladen werden, da diese auf eine Teilnahme am ersten Termin im – wenn auch nicht gerechtfertigten28 – Vertrauen darauf, nicht betroffen zu sein, verzichtet haben könnten.29 Unzulässig ist es hingegen, das Ziel des Plans zu ändern, etwa aus einem Sanierungsplan einen Liquidationsplan zu machen oder eine gänzlich andere Art der Sanierung vorzusehen;30 dies gilt erst recht, wenn statt einem lediglich verfahrensbegleitenden Plan ein Sanierungs- oder Liquidationsplan angestrebt wird. 18

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23

Das Vertrauen, ein niedergelegter Plan werde nicht mehr geändert, ist zwar nicht geschützt (Bähr/Landry EWiR 2005, 575, 576); wohl aber das Vertrauen, die Änderung werde nicht über § 240 hinausgehen. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 240 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 240 Rn 3. Vgl AG Hamburg BeckRS 2016, 19415. Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 240 Rn 2; Hiebert ZInsO 2015, 113, 115; MünchKomm/ Hintzen InsO3 § 240 Rn 9; sehr weitgehend Braun/Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 3: 35 % statt 75 % „durchaus denkbar“; etwas zurückhaltender HK/Haas InsO9 § 240 Rn 5 und K Schmidt/Spliedt InsO19 § 240 Rn 2: 30 % statt 60 %; zweifelnd Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1923: wohl nur, wenn keine Schlechterstellung gegenüber der Regelabwicklung. Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1923; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 240 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 240 Rn 5. Smid DZWIR 2010, 397, 402.

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Vgl Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 240 Rn 6; aA AG Hamburg BeckRS 2016, 19415. Braun/Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 3. Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1923. Braun/Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 240 Rn 4; aA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 240 Rn 7. Vgl Hiebert ZInsO 2015, 113, 117; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 240 Rn 14; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 240 Rn 7. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 240 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 240 Rn 4; aA Braun/Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 3; Hiebert ZInsO 2015, 113, 117. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 240 Rn 3; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 240 Rn 6; Hiebert ZInsO 2015, 113, 114; MünchKomm/ Hintzen InsO3 § 240 Rn 9; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 240 Rn 5; vorsichtiger Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1923: „wohl auch“ unzulässig.

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c) Entscheidung über die Zulassung der Änderung. Über die Frage, ob eine zuzulassende Änderung einzelner Regelungen vorliegt, entscheidet das Gericht vor Durchführung der Abstimmung. Die Gegenansicht, die auf eine Zulassungsentscheidung vor Abstimmung verzichten will und bei unzulässiger Änderung allein auf eine Versagung der Bestätigung nach § 250 vertraut,31 kann Unklarheiten und große Verzögerungen zur Folge haben. Denn sie zwingt zur Durchführung einer Abstimmung über den geänderten Plan, auch wenn Beteiligte und Gericht an der Zulässigkeit der Änderung zweifeln, und führt im Falle einer Versagung der Betätigung dazu, dass das gesamte Verfahren wiederholt werden muss, während bei sofortigem Ausspruch der Unzulässigkeit der Planvorleger seinen bisherigen Plan hätte beibehalten oder seinen Plan nochmals in zulässigem Umfang ändern und in dieser Form zur Abstimmung bringen können. 14 Die Entscheidung des Gerichts ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung. Einer Einwilligung der Beteiligten in die Planänderung bedarf es nicht,32 da diesen die Möglichkeit bleibt, gegen den Plan zu stimmen und ggf Rechtsbehelfe (§§ 251, 253) zu ergreifen. Das Gericht muss aber die erschienenen Beteiligten anhören, bevor es seine Entscheidung trifft. Bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Planänderung sollte das Gericht der Notwendigkeit schneller Klärung und der Verfahrensökonomie ein hohes Gewicht beimessen.33 Hält das Gericht die Änderung für zu gewichtig und will es daher eine Abstimmung über den geänderten Plan auch in einem gesonderten Abstimmungstermin ablehnen, hat es den Vorlegenden hierauf hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 4 iVm § 139 ZPO).34 Die Entscheidung ist nicht isoliert anfechtbar (vgl § 6 I).35 Der Vorlegende kann im Falle einer Ablehnung die Änderungen ganz oder zum Teil rückgängig machen und den Plan in dieser Form zur Abstimmung stellen oder seinen Plan insgesamt zurücknehmen und einen neuen Plan vorlegen.36

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d) Entscheidung über die Zurückweisung. Das Gericht kann nach der Zulassung der Änderung prüfen, ob der geänderte Plan von Amts wegen zurückzuweisen ist (§ 231 I, II),37 es muss dies aber nicht.38 Den Ausschlag geben sollten Erwägungen der Verfahrensökonomie. Will das Gericht über die Zurückweisung entscheiden, so kann die Entscheidung mit der Entscheidung über die Zulassung der Änderung verbunden werden. Vor einer Zurückweisung hat das Gericht den Vorlegenden hierauf hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme, vor allem aber zur Rückgängigmachung seiner Änderungen, zu geben (§ 4 iVm § 139 ZPO).39 Falls die Entscheidung eine Zurückweisung ausspricht, kann diese mit sofortiger Beschwerde angefochten werden (§ 231 III).40

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33 34 35 36

K Schmidt/Spliedt InsO19 § 240 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 240 Rn 7. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 240 Rn 7; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 240 Rn 3a; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 240 Rn 7; aA Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 240 Rn 5. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 240 Rn 3. Vgl Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1923. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 240 Rn 7; Braun/Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 8. Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1924; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 240 Rn 3b.

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AA Braun/Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 7 sowie Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 240 Rn 3b: keine gerichtliche Prüfung iSd § 231 InsO. AA Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 240 Rn 2; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 239 Rn 3, 13: stets Prüfung nach § 231 InsO. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 240 Rn 2; Hiebert ZInsO 2015, 113, 118. AA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 240 Rn 8.

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Änderung des Plans

§ 240

IV. Berechtigung des Vorlegenden (S 1) Zur Änderung ist nur der Vorlegende berechtigt (S 1). Anregungen der übrigen Betei- 16 ligten kann er aufgreifen; er muss dies aber nicht.41 Will er trotz eines erkennbaren Widerstands in der Erörterung, der durch eine Änderung einzelner Regelungen überwindbar erscheint, den Plan nicht ändern, so kommt der Plan in der unveränderten Form zur Abstimmung. Das Gericht kann allerdings unter Wahrung seiner Neutralität eine Änderung anregen (§ 4 iVm § 278 I ZPO); auch der Insolvenzverwalter wird sich insbesondere bei von ihm vorgelegtem Plan darum bemühen, eine Einigung herbeizuführen.42 Die übrigen Beteiligten können nicht einen von einem anderen Beteiligten vorgelegten 17 Plan abändern. Denn anderenfalls würde diesem sein Recht genommen, einen seinen Vorstellungen entsprechenden Plan zur Abstimmung zu bringen. Dies gilt auch, wenn die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter damit beauftragt hatte, einen Insolvenzplan auszuarbeiten und vorzulegen (§ 218 II).43 Der Insolvenzverwalter muss zwar dieser Beauftragung nachkommen. Die Gläubigerversammlung kann ihm aber im Termin selbst keine inhaltlichen Weisungen geben, da dies seine eigenverantwortliche Stellung beeinträchtigen würde.

V. Änderung auf Grund der Erörterung (S 1) Die Änderung muss „auf Grund der Erörterung“, also der Erörterung iSd § 235 I S 1, 18 erfolgen. Damit sind zwei Erörterungsgegenstände gegeben: Die bisherige Regelung und die geänderte Regelung. 1. Erörterung der bisherigen Regelung Die Änderung muss auf einer Erörterung der bisherigen Regelung beruhen. Hierfür 19 reicht es aus, dass eine Erörterung stattgefunden hat, die auch den Gegenstand der bisherigen Regelung umfasste. Nicht erforderlich ist es, dass von einem anderen Beteiligten eine Änderung der bisherigen Regelung überhaupt oder gar im nun vom Vorlegenden geänderten Sinne explizit gefordert wurde.44 Eine Erörterung der bisherigen Regelung, die den Anforderungen des § 240 genügt, liegt jedenfalls dann vor, wenn der Vorschlagende mitteilt, wie er seinen Plan abändert, und hierbei die bisherige Regelung erwähnt, oder wenn auf seine Vorstellung der Änderungen hin von einem anderen Beteiligten die bisherige Regelung zur Sprache gebracht wird. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn der Vorlegende mitteilt, dass der zur Abstimmung stehende Plan eine Änderung enthält. Man wird aber ausreichen lassen müssen, dass die übrigen Beteiligten aufgrund der Information über die Änderung die Gelegenheit hatten, die bisherige Regelung anzusprechen. Damit fehlt es an 41

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BGH NZI 2010, 734 Rn 37; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 240 Rn 4; BK/Flöther InsO64 § 240 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 240 Rn 3 f; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 240 Rn 2; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 240 Rn 5; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 240 Rn 5; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 240 Rn 3a. Vgl dazu Eidenmüller BB Beilage 1998, Nr 10, 19, 25.

43 44

BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 240 Rn 3. Ähnlich Hiebert ZInsO 2015, 113, 115: Die Erörterung muss nicht ursächlich oder ausschlaggebend gewesen sein; Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1923: Die Änderung muss nicht unmittelbare Folge der Erörterung des Plans sein.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

einer ausreichenden Erörterung der bisherigen Regelung nur dann, wenn der Vorlegende die übrigen Beteiligten gar nicht darüber informiert, dass überhaupt eine Änderung vorgenommen wurde. 2. Erörterung der geänderten Regelung

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Auch wenn der Wortlaut insoweit offen ist, muss zudem eine Erörterung der geänderten Regelung stattgefunden haben.45 Dies folgt jedenfalls daraus, dass § 235 I S 1 eine Erörterung des Plans vorsieht; im Falle einer Abänderung muss Gegenstand der Erörterung der abgeänderte Plan sein. Dazu muss wiederum transparent gemacht sein, dass eine bestimmte Regelung gegenüber dem ursprünglich vorgelegten Plan geändert wurde. Ausreichend ist dann wiederum die Gelegenheit zur Stellungnahme.

VI. „Im Termin“ (S 1) 21

Der Wortlaut der Norm lässt nicht erkennen, ob sich das Merkmal „im Termin“ auf die Erörterung oder auf die Änderung bezieht. Bezieht man es auf die Erörterung, so besagt das Merkmal nur, dass eine Erörterung in einem regulären Termin stattgefunden haben muss; bezieht man es auf die Änderung, lässt es nur eine Änderung im Termin selbst zu; ausgeschlossen wäre damit eine Änderung im Vorfeld des Termins – also zwischen Vorlage und Termin, dh insbesondere während der Einsichtsmöglichkeit – und nach der Erörterung. 22 Zwar ist schon die geforderte „Erörterung“ als terminus technicus zu verstehen, der eine Erörterung iSd § 235 I S 1, mithin eine „Erörterung im Termin“ bezeichnet. Dem Merkmal „im Termin“ bleibt dann nur eigenständige Bedeutung, wenn man es auf die Änderung bezieht. Jedoch hat die Passage „auf Grund der Erörterung im Termin“ in S 1 die Passage „auf Grund des Erörterungstermins“ ersetzt. Der Rechtsausschuss wollte damit nur der Zusammenfassung von Erörterung und Abstimmung in einem Termin Rechnung tragen (Rn 3), nicht aber eine Aussage zur zeitlichen Zulässigkeit einer Änderung treffen.46 23 Auch der Sache nach spricht nichts gegen eine Änderung schon vor dem Termin. Eine solche Änderung kann zB den Stellungnahmen oder nach Vorlage geführten Verhandlungen mit anderen Beteiligten Rechnung tragen und den Beteiligten, dem Verwalter und dem Gericht frühzeitig kommuniziert werden. Damit kann sich die Erörterung sogleich mit dem geänderten Plan befassen. Die Gefahr eines Missbrauchs dergestalt, dass bewusst zunächst ein Plan vorgelegt wird, der später so gar nicht zur Abstimmung stehen soll, ist gering. Denn zum einen kann eine Änderung auch ohne Weiteres bis zur Erörterung zurückgehalten werden, da der Planvorleger nicht verpflichtet ist, geplante Änderungen vorab mitzuteilen,47 zum anderen ist nur die Änderung einzelner Regelungen zulässig und können die Beteiligten gegen den geänderten Plan stimmen. Zeitgewinn und Transparenz sprechen hingegen für die Zulassung früherer Änderungen. Im Ergebnis sind daher Änderungen schon vor dem Erörterungstermin zulässig.48 Allerdings darf eine Änderung vor dem Ter-

45 46 47

Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 240 Rn 8. Vgl Rechtsausschuss, Begr zu § 284 (BTDrucks 12/7302, S 183). Hiebert ZInsO 2015, 113, 114.

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Ebenso Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 240 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 240 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 240 Rn 16; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 240 Rn 6 f; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 240 Rn 4.

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Änderung des Plans

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min das laufende Verfahren nicht stören.49 Wenn über die Zurückweisung entschieden wurde, müssen auch zu diesem Plan die Stellungnahmen eingeholt und muss dieser Plan zugestellt werden, da die Beteiligten sich nur so ein Bild darüber machen können, ob die Änderung den „Kern“ des vorgelegten Plans noch wahrt; will der Planvorleger schon jetzt eine Planänderung vorbereiten, so kann er nur informell die Beteiligten und das Gericht informieren. Eine Änderung nach dem Termin kann nur eine Änderung nach Schluss der Erörte- 24 rung, aber vor der Abstimmung sein. Eine solche Änderung ist möglich,50 allerdings muss dann der geänderte Plan noch einmal zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden, da nach der Grundnorm des § 235 I S 1 stets nur nach der Erörterung des Plans abgestimmt wird. Es muss also – ggf auch in einem gesonderten Abstimmungstermin – vor der Abstimmung stets noch eine Erörterung stattfinden.51

VII. Abstimmung Hat der Vorlegende den Plan geändert, so kann nur noch über den geänderten Plan ab- 25 gestimmt werden.52 Diese Abstimmung kann in demselben Termin oder in einem eigenen Abstimmungstermin erfolgen. Einen gesonderten Abstimmungstermin setzt das Gericht indes richtigerweise nur an, wenn die Erörterung abgeschlossen ist. Alternativ hierzu kann das Gericht den einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin auch nur nach dessen Beginn vertagen oder unterbrechen.53 1. In demselben Termin (S 2) S 2 lässt es zu, dass die Abstimmung über einen Plan, den der Vorlegende in „einzelnen 26 Regelungen“ geändert hat, noch in demselben Termin stattfindet. Damit steht zugleich fest, dass eine erneute Niederlegung zur Einsicht ebenso wenig stattfinden muss wie die Einholung von Stellungnahmen. Rechtfertigen lässt sich dies mit den Anforderungen des Satzes 1, der nur eine Änderung „einzelner Regelungen“ erlaubt und die Erörterung verlangt. Vor dem Hintergrund der Konzentrationsmaxime und des Bestrebens, eine Sequenz von Terminen zu vermeiden, sollte von der Möglichkeit einer Abstimmung in demselben Termin nach Möglichkeit Gebrauch gemacht werden.54 Insbesondere ist die Abwesenheit eines Beteiligten allein kein Grund, den Termin zu vertagen oder einen gesonderten Abstimmungstermin anzuberaumen.55 Um denselben Termin handelt es sich auch, wenn die Erörterung noch nicht abge- 27 schlossen ist und das Gericht den Termin daher vertagt. In diesem Fall bedarf es wegen sofortiger Verkündung von Ort und Zeit des Fortsetzungstermins an sich keiner erneuten La-

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51

Vgl anschaulich AG Hamburg BeckRS 2016, 19415. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 240 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 240 Rn 6; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 240 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 240 Rn 4; aA HambK/Thies InsO6 § 240 Rn 8. Ebenso Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 240 Rn 2; aA wohl BGH NZI 2007,

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55

521 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 240 Rn 6. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 240 Rn 2, 9. Hiebert ZInsO 2015, 113, 115. Ähnlich Hiebert ZInsO 2015, 113, 115 ff; Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1924; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 240 Rn 3, 17 f. Hiebert ZInsO 2015, 113, 117.

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§ 240

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dung (§ 4 iVm § 218 ZPO); der Fortsetzungstermin muss auch entsprechend § 74 II S 2 nicht öffentlich bekanntgemacht werden.56 Ladung und Bekanntmachung sind aber zulässig und empfehlen sich; in diesem Fall ist analog § 241 II S 5 auf die Planänderung hinzuweisen (Rn 28). Einer Nachholung sonstiger Verfahrensschritte bedarf es nicht, sie ist aber zulässig (näher Rn 29 ff). 2. In einem späteren Termin

28

Die Abstimmung kann und sollte (Rn 25), muss aber nicht im selben Termin stattfinden. Dies folgt neben dem Wortlaut von S 2 auch aus § 241, der auch im Falle einer späteren Abstimmung nach einer Planänderung uneingeschränkt gilt. Nach § 241 II S 5 ist bei Ladung und Bekanntmachung zu einem gesonderten Abstimmungstermin auf die Änderung des Plans besonders hinzuweisen; dies muss analog auch bei einer bloßen Unterbrechung oder Vertagung des einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermins gelten.57 Ist ein gesonderter Abstimmungstermin bestimmt, kann gem § 242 das Stimmrecht schriftlich ausgeübt werden. 29 Vom Gesetz nicht geregelt ist die Frage, ob im Falle eines späteren Abstimmungstermins, aber auch einer Vertagung bzw Unterbrechung, alle die Schritte nachgeholt werden müssen oder können, die bei einer sofortigen Abstimmung unterbleiben würden, ob also insbesondere ergänzende Stellungnahmen zur Planänderung einzuholen sind und der geänderte Plan niedergelegt werden muss bzw ob, wenn ein solches Vorgehen nicht zwingend ist, das Gericht jedenfalls so vorgehen darf. Bejaht man dies, stellt sich die Folgefrage, ob der Abstimmung im späteren Termin nicht auch noch eine weitere Erörterung vorangehen muss oder sollte, in der insbesondere beim ersten Termin nicht anwesende Beteiligte sich äußern und neue Stellungnahmen berücksichtigt werden könnten. Von der Beantwortung dieser Fragen kann schließlich auch abhängen, welche Gesichtspunkte für die Entscheidung zwischen einer sofortigen und einer späteren Abstimmung eine Rolle spielen. 30 Für eine zwingende Nachholung aller der Schritte, die bei der Vorlage eines neuen Plans gelten, kann angeführt werden, dass das gesetzliche Grundmodell des Insolvenzplanverfahrens diese Schritte im Interesse aller Beteiligten vorsieht. Auch würde die Nachholung keine Verzögerung mit sich bringen, wenn der spätere Termin nicht allein deshalb später terminiert würde, als es sonst möglich wäre; zusätzliche Kosten, etwa durch eine öffentliche Bekanntmachung, fallen angesichts der von § 9 I als Regelfall vorgesehenen Bekanntmachung im Internet nicht ins Gewicht. Gegen eine solche strenge Regel sprechen aber zum Ersten das Fehlen einer expliziten gesetzlichen Anordnung, zum Zweiten die in S 1 gesetzten Grenzen für eine Planänderung, die sicherstellen, dass der ursprüngliche Plan nicht in gewichtiger Weise geändert wird, und zum Dritten die von S 2 vorgesehene Möglichkeit einer sofortigen Abstimmung, die erkennen lässt, dass bei Wahrung der von S 1 gesetzten Grenzen auf die Nachholung der für die Neuvorlage vorgeschriebenen Verfahrensschritte jedenfalls im Einzelfall gänzlich verzichtet werden kann. Aus diesen Gründen ist eine Pflicht zur Nachholung der bei Neuvorlage geltenden Verfahrensschritte abzulehnen. Es bleibt die Frage, ob das Gericht im Einzelfall die bei Neuvorlage vorgesehenen Ver31 fahrensschritte in der Zeit vor dem Abstimmungstermin bzw der Terminsfortsetzung insgesamt oder teilweise nachholen darf. Dem könnte wiederum S 2 entgegengehalten wer-

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Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1924.

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 241 Rn 6.

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Gesonderter Abstimmungstermin

§ 241

den, der ja auch die sofortige Abstimmung erlaubt. Allerdings besagt die Möglichkeit einer sofortigen Abstimmung nicht notwendigerweise, was im Falle einer späteren Abstimmung gelten soll. Dies gilt umso mehr, als § 241 II S 5 bei der Ladung zu einem gesonderten Abstimmungstermin nach Planänderung einen besonderen Hinweis auf die Änderung vorsieht, also die spätere Abstimmung ausdrücklich im Blick hat. Ein Verbot, so zu verfahren, wie es dem Verfahren bei Neuvorlage nahekommt, ist auch deshalb wenig plausibel, weil dem Vorlegenden unbenommen bleibt, statt einer Änderung des vorgelegten Plans diesen zurückzuziehen und einen neuen Plan vorzulegen. Daher wird man davon ausgehen müssen, dass das Gericht in seinem pflichtgemäßen Ermessen einzelne oder alle Verfahrensschritte, die bei Neuvorlage gelten, nachholen darf. Ebenfalls ins pflichtgemäße Ermessen des Gerichts ist es dann auch zu stellen, ob dem Abstimmungstermin eine weitere Erörterung vorangehen soll. Da mit einem solchen Vorgehen allerdings die Vorteile, die § 240 gegenüber einer Neuvorlage bringen will, weitgehend eingeebnet werden, sollte von dieser Möglichkeit nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. 3. Entscheidung über die Vorgehensweise Ob über den geänderten Plan sofort abgestimmt werden soll, entscheidet das Gericht 32 nach seinem pflichtgemäßen Ermessen.58 Gegen einen späteren Termin spricht die Verzögerung, die dies mit sich bringen würde; für einen späteren Termin spricht die längere Überlegungszeit, die – durch den Hinweis gem § 241 II S 5 geförderte – Chance auf Teilnahme von Beteiligten, die dem Termin, in dem die Planänderung vorgenommen wurde, ferngeblieben waren, und die Möglichkeit, die bei Neuvorlage vorgesehenen Verfahrensschritte der Bekanntmachung, Einholung von Stellungnahmen und neuerlichen Erörterung vorzunehmen (Rn 31) – von der aber nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden sollte. Wenn sich kein Beteiligter gegen eine Abstimmung in demselben Termin wendet, sollte diese durchgeführt werden.59

§ 241 Gesonderter Abstimmungstermin (1) 1 Das Insolvenzgericht kann einen gesonderten Termin zur Abstimmung über den Insolvenzplan bestimmen. 2 In diesem Fall soll der Zeitraum zwischen dem Erörterungstermin und dem Abstimmungstermin nicht mehr als einen Monat betragen. (2) 1 Zum Abstimmungstermin sind die stimmberechtigten Beteiligten und der Schuldner zu laden. 2 Dies gilt nicht für Aktionäre oder Kommanditaktionäre. 3 Für diese reicht es aus, den Termin öffentlich bekannt zu machen. 4 Für börsennotierte Gesellschaften findet § 121 Absatz 4a des Aktiengesetzes entsprechende Anwendung. 5 Im Fall einer Änderung des Plans ist auf die Änderung besonders hinzuweisen. Materialien: DiskE § 274 (S 139 f); RefE § 274 (S 160); RegE § 285 (BT-Drucks 12/2443, S 54); Rechtsausschuss § 285 (BT-Drucks 12/7302, S 103); DiskE ESUG § 241 nF (Hirte/Knof/Mock Das neue Insolvenzrecht nach dem ESUG, S 75); RegE ESUG § 241 nF (BT-Drucks 17/5712, S 10). Vorgängerregelungen: § 183 KO; § 77 VglO.

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Hiebert ZInsO 2015, 113, 115.

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Hiebert ZInsO 2015, 113, 118; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 240 Rn 18.

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Literatur Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz (1997), insb S 485; Hiebert Zur verfahrensrechtlichen Behandlung von Planänderungen im Erörterungs- und Abstimmungstermin – zwischen Gläubigerautonomie und gerichtlicher Verfahrensleitung, ZInsO 2015, 113; Martini/Horstkotte Häufige Fehler bei der Aufstellung von Insolvenzplänen und der Durchführung von Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2017, 1913; Maus Schuldnerstrategien in der Unternehmensinsolvenz (Teil II); DStR 2002, 1104; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 (2015), insb Kap 16.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorläufer, Entstehungsgeschichte und Änderungen . . . . . . . . . . II. Inhalt des gesonderten Abstimmungstermins . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Rn 1 1

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III. Terminsbestimmung (Abs 1) . . . . . 1. Entscheidung des Insolvenzgerichts (Abs 1 S 1) . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitliche Vorgabe (Abs 1 S 2) . . . IV. Ladung bzw. Bekanntmachung (Abs 2 S 1–4) . . . . . . . . . . . . . . V. Hinweis im Falle einer Planänderung (Abs 2 S 5) . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung 1. Überblick

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§ 241 stellt es ins pflichtgemäße Ermessen des Gerichts, statt der von § 235 vorgesehenen Erörterung und Abstimmung in einem einheitlichen Termin einen gesonderten Abstimmungstermin zu bestimmen (Rn 9 f), und macht für diesen Fall einige Vorgaben (Rn 11 ff). Gem § 242 kann im Falle eines gesonderten Abstimmungstermins auch schriftlich abgestimmt werden. Gesetzlicher Regelfall ist indes der einheitliche Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 235 I S 1). 2. Vorläufer, Entstehungsgeschichte und Änderungen

2

Vergleichsordnung und Konkursordnung gingen von einem einheitlichen Vergleichstermin aus. Im Vergleichstermin unter der Konkursordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 67 ff) konnte der Schuldner, wenn nur entweder Kopf- oder Summenmehrheit erreicht wurde, „die einmalige Wiederholung der Abstimmung in einem neuen Termine verlangen“ (§ 183 II S 1 KO), der neue Abstimmungstermin war vom Gericht zu bestimmen und im Termin zu verkünden (§ 183 II S 2 KO). Auch der Vergleichstermin unter der Vergleichsordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 75 ff) konnte bei Nichterreichen einer der Mehrheiten einmal vertagt werden (§ 77 I VglO); zudem war eine Vertagung auf Antrag von drei Vierteln der erschienenen Vergleichsgläubiger und bei zulässiger Vertretung des Schuldners möglich, wenn das Gericht eine eidesstattliche Versicherung für notwendig hielt (§ 77 II, III VglO). Die Terminsbestimmung brauchte nur „alsbald“ zu erfolgen, der Termin sollte aber nicht mehr als zwei Wochen später stattfinden (§ 77 IV VglO). Die Gesamtvollstreckungsordnung äußerte sich nur zur Abstimmung über einen Vergleichsvorschlag (§ 16 IV GesO); eine Verhandlung oder Erörterung war nicht ausdrücklich geregelt. In den Entwürfen war die Trennung von Erörterungs- und Abstimmungstermin der Re3 gelfall.1 Der Abstimmungstermin sollte nach dem Diskussionsentwurf nicht mehr als zwei 1

DiskE §§ 268 (Erörterungstermin, S 137), 274 (Abstimmungstermin, S 139 f); RefE

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§§ 268 (Erörterungstermin, S 157), 274 (Abstimmungstermin, S 160); RegE §§ 279

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Wochen,2 nach dem Referentenentwurf und dem Regierungsentwurf nicht mehr als einen Monat nach dem Erörterungstermin stattfinden.3 Da Anteilseigner noch nicht vom Plan berührt werden konnten, brauchten nur stimmberechtigte Gläubiger und Schuldner geladen werden.4 Ein besonderer Hinweis im Falle einer Planänderung, wie ihn heute Abs 2 S 5 vorschreibt, war bereits vorgesehen.5 Der Rechtsausschuss, der bereits vom einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin ausging, schlug Abs 1 in der heutigen Fassung vor und ließ Abs 2 des Regierungsentwurfs unverändert.6 In dieser Form wurde die Vorschrift dann als § 241 Gesetz.7 Durch das ESUG (Münch Vor §§ 217–269 Rn 135 f),8 das mit dem neuen § 225a II–III 4 eine Umgestaltung von Rechten der Anteilsinhaber durch den Plan zuließ und berührten Anteilsinhabern daher in § 238a ein Stimmrecht gewährte, wurde die Pflicht zur Ladung auf die Anteilsinhaber ausgedehnt, was durch die Ersetzung von „Gläubiger“ durch „Beteiligte“ zum Ausdruck kommt. Wie in § 235 III S 3 Hs 2 sind jedoch Aktionäre und Kommanditaktionäre nicht zu laden; für sie genügt die öffentliche Bekanntmachung. Ebenfalls in Parallele zu § 235 III S 4 Hs 1 wird für börsennotierte Gesellschaften auf § 121 IV AktG verwiesen.

II. Inhalt des gesonderten Abstimmungstermins Im gesonderten Abstimmungstermin ist an sich lediglich die Abstimmung über den 5 Plan nach den §§ 242–246a vorzunehmen.9 Dies setzt voraus, dass die Erörterung im vorgeschriebenen Umfang stattgefunden hat (vgl § 235 I S 1: „anschließend“). Insbesondere muss – schon wegen des Ladungserfordernisses (Rn 13) – die für die Abstimmung erforderliche Aufstellung der Stimmliste (§ 239) bereits erfolgt sein. Vom gesonderten Abstimmungstermin ist ein Termin zur Fortsetzung des einheitlichen 6 Erörterungs- und Abstimmungstermins zu unterscheiden. Um eine bloße Fortsetzung des einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermins handelt es sich, wenn dieser unterbrochen oder vertagt wurde.10 Die kurzzeitige Unterbrechung während eines Tages oder die unmittelbare Fortsetzung am folgenden Arbeitstag sind ohne Weiteres möglich.11 Für die in § 235 II S 3 iVm § 74 II S 2 angesprochene Vertagung,12 die jedenfalls bei einem län-

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(Erörterungstermin, BT-Drucks 12/2443, S 53), 285 (Abstimmungstermin, BTDrucks 12/2443, S 54). DiskE § 274 I S 2 (S 140). RefE § 274 I S 2 (160); RegE § 285 I S 2 (BTDrucks 12/2443, S 54). DiskE § 274 II S 1 (S 140); RefE § 274 II S 1 (S 160); RegE § 285 II S 1 (BT-Drucks 12/2443, S 54). DiskE § 274 II S 2 (S 140); RefE § 274 II S 2 (S 160); RegE § 285 II S 2 (BTDrucks 12/2443, S 54). Rechtsausschuss § 285 (S 104). G v 05.10.1994, BGBl I, S 2866. G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582, Änderungen des § 241 durch Art 1 Nr 27 ESUG. Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 241 Rn 1; HK/ Haas InsO9 § 241 Rn 2; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 16.

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Hiebert ZInsO 2015, 113, 115; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 241 Rn 2; BeckOK/ Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 241 Rn 4; HambK/Thies InsO6 § 241 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 241 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 6. Vgl Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 241, 242 Rn 1. Ausführlich MünchKomm/Hintzen InsO3 § 241 Rn 4 f (bei zwingenden Gründen Fortsetzung auch am übernächsten oder einem noch späteren Arbeitstag, wenn die erinnerungsmäßige Überschaubarkeit gewahrt bleibt). Ausführlich wiederum MünchKomm/Hintzen InsO3 § 241 Rn 6 f.

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geren Zwischenraum allein in Betracht kommt, aber auch schon bei kürzeren Zeiträumen möglich ist, bedarf es aber erheblicher Gründe (§ 4 iVm § 227 ZPO).13 7 Nicht ausdrücklich geregelt ist, ob auch im Abstimmungstermin noch eine Erörterung stattfinden darf. Rein tatsächlich werden nicht selten zu Beginn des Termins informelle Gespräche über Gegenstände stattfinden, die auch im Erörterungstermin zu behandeln waren.14 Eine förmliche Erörterung iSd § 235 I S 1 kann aber nicht Teil eines reinen Abstimmungstermins sein.15 8 Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob im Rahmen eines Abstimmungstermins ein förmlicher Wiedereintritt in die Erörterung vor der Abstimmung möglich ist. Dies sollte zwar nur ausnahmsweise stattfinden, aber nicht kategorisch ausgeschlossen sein. Denn die Erörterung ist Grundlage für das Abstimmungsverhalten der Beteiligten, und eine bessere Entscheidungsgrundlage fördert deren Autonomie. Wenn im Einzelfall neue Erkenntnisse die bisherigen Entscheidungsgrundlagen entwerten, kommt daher ein Wiedereintritt in die Erörterung in Betracht. Die damit eintretende Verzögerung spricht zwar gegen einen Wiedereintritt, ist aber dann von geringem Gewicht, wenn die Verfahrensfairness eine Mitteilung der neuen Erkenntnisse gebietet und eine Zustimmung von vornherein aussichtslos erscheint. Das Recht auf rechtliches Gehör und der Gedanke des Schutzes wohlerworbener Rechte, hier der festgestellten Stimmrechte, auf die bei Ansetzung eines lediglich der Abstimmung gewidmeten Termins vertraut werden darf, verbieten es allerdings, in einer solchen Erörterung Änderungen in den Stimmrechten der Beteiligten vorzunehmen. Die Erörterung sollte vielmehr nur noch der Information der Beteiligten dienen können. Auch streitet gegen ein Wiedereintreten in die Erörterung der Grundsatz der Verfahrensökonomie. Ein Wiedereintritt kann also nicht die Stimmrechte zum Gegenstand haben16 und nur auf Antrag eines stimmberechtigten Beteiligten aus wichtigem Grund möglich sein; die Entscheidung hierüber steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts und ist unanfechtbar. Durch einen Wiedereintritt in die Erörterung wird der gesonderte Abstimmungstermin aber zu einem Erörterungs- und Abstimmungstermin, für den die Regeln des § 235 gelten. Sofern nicht alle zur Teilnahme an einem solchen Termin zu Ladende auch erschienen sind, kann lediglich eine Erörterung stattfinden, die im Wesentlichen auf derselben Tatsachengrundlage wie die vorangegangene Erörterung beruht; eine allein auf der neuen Erörterung beruhende Planänderung ist ausgeschlossen (vgl Abs 2 S 5). Hat sich die Tatsachengrundlage so maßgeblich geändert, dass die vorangegangene Erörterung entwertet ist, oder soll auf der Grundlage der neuen Erörterung eine Planänderung stattfinden, muss ein Fortsetzungstermin für Erörterung und Abstimmung anberaumt werden, für den § 253 II, III gelten.

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Hiebert ZInsO 2015, 113, 117. Eidenmüller BB Beilage 1998, Nr 10, 19, 25; HambK/Thies InsO6 § 241 Rn 7. Braun/Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 4; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 241 Rn 8, 12; HambK/Thies InsO6 § 241 Rn 7; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 241 Rn 14, § 242 Rn 3; aA Rechtsausschuss, Begr zu § 285 (BT-Drucks 12/

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7302, S 183); wohl auch BK/Flöther InsO64 § 241 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 16; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 241 Rn 11; lediglich berichtend Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 241 Rn 7. IE wie hier BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 241 Rn 12; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 241 Rn 14.

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Gesonderter Abstimmungstermin

§ 241

III. Terminsbestimmung (Abs 1) 1. Entscheidung des Insolvenzgerichts (Abs 1 S 1) Ob ein einheitlicher Erörterungs- und Abstimmungstermin iSd § 235 I S 1 stattfindet 9 oder für die Abstimmung ein gesonderter Termin bestimmt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts.17 Gesetzlicher Regelfall ist der einheitliche Erörterungsund Abstimmungstermin.18 Dies sollte das Ermessen leiten, ein gesonderter Abstimmungstermin daher nur dann angeordnet werden, wenn hierfür im Einzelfall besondere Gründe sprechen.19 Nicht ausreichend ist, dass ein Beteiligter einen nicht entscheidungsbefugten Vertreter zum Termin entsendet.20 Ein gesonderter Abstimmungstermin kann von den Beteiligten angeregt werden, er bedarf aber keines förmlichen Antrags. Die Entscheidung, mit der ein gesonderter Abstimmungstermin festgesetzt wird, ist 10 eine unanfechtbare Verfügung (vgl § 6 I).21 Sie kann sowohl schon bei der Bestimmung des Erörterungstermins als auch erst in diesem selbst erfolgen.22 Die Entscheidung muss kurz begründet werden.23 Will das Gericht trotz der Anregung eines Beteiligten keinen gesonderten Abstimmungstermin bestimmen, so braucht es nicht förmlich zu entscheiden und auch keine Begründung zu geben. 2. Zeitliche Vorgabe (Abs 1 S 2) Nach Abs 1 S 2 soll zwischen Erörterungstermin und Abstimmungstermin nicht mehr 11 als ein Monat liegen. Das Insolvenzgericht darf den gesonderten Abstimmungstermin also nur aus gewichtigen Gründen später terminieren.24 Eine dahingehende Anregung des Planvorlegers kann auf einen gewichtigen Grund hinweisen. Auch ohne eine solche Anregung muss aber die spätere Terminierung eines gesonderten Abstimmungstermins möglich sein, wenn dies ausnahmsweise geboten ist.25 Dies folgt schon aus dem Fehlen eines Antragserfordernisses, ergibt sich aber auch aus der Verantwortung des neutralen Gerichts für die 17

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 241 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 241 Rn 4; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 241 Rn 6; HK/Haas InsO9 § 241 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 3; Maus DStR 2002, 1104, 1106. Allg M; zB Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 241 Rn 1; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 241 Rn 1, 3; FK/ Jaffé InsO9 § 241 Rn 4; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 241 Rn 1, 3; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 241 Rn 1, 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 241 Rn 1. Vgl Braun/Braun/Frank InsO7 § 241 Rn 2, 8; FK/Jaffé InsO9 § 241 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 241 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 3 f; Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1922. Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 241 Rn 5. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 241 Rn 3; BK/Flöther InsO64 § 241 Rn 13; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 7; FK/Jaffé InsO9 § 241 Rn 4; Graf-Schlicker/Kebekus/

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Wehler InsO4 §§ 241, 242 Rn 1; HambK/ Thies InsO6 § 241 Rn 10; HK/Haas InsO9 § 241 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 17; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 241 Rn 9; Nerlich/Römermann/ Braun InsO33 § 241 Rn 12; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 241 Rn 5. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 241 Rn 3; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 241 Rn 1, 2, 5; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 241, 242 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 241 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 7; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 241 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 241 Rn 2. Vgl § 227 IV S 2 ZPO. HambK/Thies InsO6 § 241 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 241 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 241 Rn 8. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 8; aA Braun/Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 4.

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Verfahrensleitung. Soweit das Gericht zuständig ist, ist der Planvorschlagende gerade nicht „Herr des Insolvenzplanverfahrens“.26 Die genaue Terminsauswahl steht wiederum im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts und ist Teil der unanfechtbaren Verfügung über die Bestimmung eines gesonderten Abstimmungstermins.27 12 Die zeitliche Vorgabe ist eine Sollvorschrift. Ihre Verletzung zieht daher im Rahmen des Insolvenzverfahrens keine Rechtsfolgen nach sich, insbesondere stellt sie keinen wesentlichen Verfahrensmangel iSd § 250 I Nr 1 dar.28 Eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer gem § 198 I GVG ist nach § 198 VI Nr 1 GVG ausgeschlossen, da die Terminierung eine verfahrensleitende Maßnahme und keine Entscheidung im Rahmen des Insolvenzverfahrens darstellt. Eine Staatshaftung kommt in Betracht,29 der Nachweis des Verschuldens wird aber selten gelingen.

IV. Ladung bzw Bekanntmachung (Abs 2 S 1–4) 13

Während nach § 235 III S 1 zum einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, die absonderungsberechtigten Gläubiger, der Insolvenzverwalter, der Schuldner, der Betriebsrat und der Sprecherausschuss zu laden sind, beschränkt sich Abs 2 S 1 für den gesonderten Abstimmungstermin auf eine Ladung der stimmberechtigten Beteiligten und des Schuldners. Diese Beschränkung30 ist konsequent. Denn nur die stimmberechtigten Beteiligten (§§ 244 ff) und der Schuldner (§ 247) müssen dem Plan zustimmen, wobei die Zustimmung des Schuldners der Sache nach eine Entscheidung über die rechtzeitige Ausübung des Widerspruchsrechts ist (vgl § 247 I).31 Für – stimmberechtigte – Aktionäre und Kommanditaktionäre reicht gem S 2, 3 statt der Ladung eine öffentliche Bekanntmachung (§ 9) aus; dies entspricht im Ergebnis § 235 II S 1, III S 3 Hs 2.32 Parallel zu § 235 III S 4 Hs 1 gilt nach S 4 bei börsennotierten Gesellschaften § 121 IVa AktG entsprechend; der Termin muss also, falls die schuldnerische Gesellschaft nicht ausschließlich Namensaktien ausgegeben hat oder die Ladung den Aktionären unmittelbar übersendet, europaweit verbreiteten Medien zur Veröffentlichung zugeleitet werden.33 Ein Ladungsmangel ist ein wesentlicher Mangel iSd § 250 I Nr 1;34 er ist aber mangels Erheblichkeit unschädlich, wenn alle zu ladenden Beteiligten im besonderen Abstimmungstermin erscheinen oder die Stimmabgabe der nicht erschienen Beteiligten das Ergebnis nicht beeinflusst hätte.35

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AA Braun/Braun/Frank InsO7 § 240 Rn 4. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 241 Rn 7. BK/Flöther InsO64 § 241 Rn 4; FK/Jaffé InsO9 § 241 Rn 6; Graf-Schlicker/Kebekus/ Wehler InsO4 §§ 241, 242 Rn 1; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 241 Rn 5; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 8; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 241 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 241 Rn 6. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 241 Rn 6. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 241 Rn 5; FK/Jaffé InsO9 § 241 Rn 12. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 241 Rn 5; BK/Flöther InsO64 § 241 Rn 7; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 240 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 241 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Pleister

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InsO74 § 241 Rn 9; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 241 Rn 11; Nerlich/Römermann/ Braun InsO33 § 241 Rn 7. BK/Flöther InsO64 § 241 Rn 8; FK/Jaffé InsO9 § 241 Rn 14; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 241 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 241 Rn 10; Smid/Rattunde/ Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.3. FK/Jaffé InsO9 § 241 Rn 15; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 241 Rn 2; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 11. Abw Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 12: kann einen wesentlichen Verstoß darstellen. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 241 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 241 Rn 13.

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Gesonderter Abstimmungstermin

§ 241

Da neben dem Schuldner nur die stimmberechtigten Beteiligten zu laden sind, kann die 14 Ladung an sich erst erfolgen, wenn die Stimmrechte feststehen, was in aller Regel mit der Aufstellung der Stimmliste (§ 239) zusammenfällt.36 Die Ladung von Beteiligten, die nicht zu laden waren, verschafft diesen aber kein Recht zur Teilnahme am Abstimmungstermin; sie ist – ebenso wenig wie die Anwesenheit einer nicht zu ladenden Person – kein wesentlicher Verfahrensverstoß iSd § 250 Nr 1. Auch ohne Ladung zur Teilnahme berechtigt, richtigerweise aber sogar verpflichtet, ist der Insolvenzverwalter (§ 60 I S 2).37 Auch die übrigen Personen, die zu einem einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin gem § 235 III zu laden sind, dürfen am gesonderten Abstimmungstermin teilnehmen, da sie auch bei einem einheitlichen Termin bei der Abstimmung anwesend sein dürften.38 Für die Ausführung von Ladung und Bekanntmachung gilt dasselbe wie bei § 235 15 (§ 235 Rn 51 f, 65 f). Insbesondere kann der Insolvenzverwalter mit der Durchführung der Zustellungen beauftragt werden.39

V. Hinweis im Falle einer Planänderung (Abs 2 S 5) Wurde der Insolvenzplan vom Vorlegenden zulässigerweise gem § 240 S 1 im Termin in 16 einzelnen Regelungen inhaltlich geändert, so muss, wenn nicht die Abstimmung noch in demselben Termin erfolgt (§ 240 S 2), sondern ein gesonderter Abstimmungstermin bestimmt wird, gem Abs 2 S 5 die Ladung und die Bekanntmachung des gesonderten Abstimmungstermins einen besonderen Hinweis auf die Planänderung enthalten.40 Wurde der einheitliche Erörterungs- und Abstimmungstermin lediglich unterbrochen oder vertagt, sollte ebenfalls ein solcher Hinweis erfolgen (§ 240 Rn 27). Da auf „die“ Änderung besonders hinzuweisen ist, genügt nicht der Hinweis auf ir- 17 gendeine Planänderung. Vielmehr muss neben der Tatsache einer Planänderung auch die Ordnungsnummer der betroffenen Regelungen und in groben Zügen deren Inhalt mitgeteilt werden.41 Nicht erforderlich ist ein Hinweis auf den Inhalt der Änderung; er ist freilich unschädlich. Das Fehlen des Hinweises ist in aller Regel ein wesentlicher Verfahrensmangel iSd § 250 I Nr 1, der allerdings „geheilt“ ist, wenn alle zu ladenden Personen im Termin erscheinen und dort auf die Änderung hingewiesen werden oder wenn die Stimmen nicht erschienener Beteiligter am Ergebnis der Abstimmung nichts geändert hätten.42

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BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 241 Rn 6, 7. BK/Flöther InsO64 § 241 Rn 8: „zweckdienlich“; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 241 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 241 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 9; ähnlich MünchKomm/Hintzen InsO3 § 241 Rn 10. HambK/Thies InsO6 § 241 Rn 6. HambK/Thies InsO6 § 241 Rn 8; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 12; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 241 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 241 Rn 12. BK/Flöther InsO64 § 241 Rn 9; FK/Jaffé InsO9 § 241 Rn 17; HambK/Thies InsO6

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§ 241 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 13. Vgl BK/Flöther InsO64 § 241 Rn 10; FK/Jaffé InsO9 § 241 Rn 18; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 241 Rn 13. aA K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 241 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 241 Rn 14. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 241 Rn 9; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 241 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 241 Rn 13. abw Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 241 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 241 Rn 15.

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§ 242

Sechster Teil. Insolvenzplan

Es ist zulässig, den Hinweis zusammen mit dem Stimmzettel gem § 242 II S 1 zu übersenden.43

§ 242 Schriftliche Abstimmung (1) Ist ein gesonderter Abstimmungstermin bestimmt, so kann das Stimmrecht schriftlich ausgeübt werden. (2) 1 Das Insolvenzgericht übersendet den stimmberechtigten Beteiligten nach dem Erörterungstermin den Stimmzettel und teilt ihnen dabei ihr Stimmrecht mit. 2 Die schriftliche Stimmabgabe wird nur berücksichtigt, wenn sie dem Gericht spätestens am Tag vor dem Abstimmungstermin zugegangen ist; darauf ist bei der Übersendung des Stimmzettels hinzuweisen. Materialien: DiskE § 276 (S 140 f); RefE § 276 (S 161); RegE § 287 (BT-Drucks 12/2443, S 54); Rechtsausschuss § 287 (BT-Drucks 12/7302, S 103); DiskE ESUG § 242 nF (Hirte/Knof/Mock Das neue Insolvenzrecht nach dem ESUG, S 75); RegE ESUG § 242 nF (BT-Drucks 17/5712, S 10). Vorgängerregelungen: § 73 I VglO. Literatur App Abstimmungen in Gläubigerversammlungen in Insolvenzverfahren, BuW 2004, 469; Braun/ Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz (1997); Fritzsche Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag (2017); Hiebert Zur verfahrensrechtlichen Behandlung von Planänderungen im Erörterungs- und Abstimmungstermin – zwischen Gläubigerautonomie und gerichtlicher Verfahrensleitung, ZInsO 2015, 113.

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Entstehungsgeschichte und Änderungen . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Schriftliche Abstimmung bei gesondertem Abstimmungstermin (Abs 1) 5 1. Gesonderter Abstimmungstermin . . 5 2. Entscheidung eines jeden Beteiligten . 6

Rn. III. Stimmzettel und Mitteilung des Stimmrechts (Abs 2 S 1) . . . . . . . . . . . . 1. Stimmzettel . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitteilung des Stimmrechts . . . . . IV. Schriftliche Stimmabgabe . . . . . . . . 1. Inhalt und Form . . . . . . . . . . . 2. Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spätester Zugangszeitpunkt . . . . . 4. Hinweis . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung 1. Überblick

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§ 242 ergänzt § 241, der einen gesonderten Abstimmungstermin zulässt, für diesen einen zeitlichen Rahmen vorgibt und Ladung bzw Bekanntmachung regelt, indem er in Abs 1

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BK/Flöther InsO64 § 241 Rn 11; FK/Jaffé InsO9 § 241 Rn 19; Hess/Hess Insolvenz-

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recht2 § 241 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 241 Rn 14.

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Schriftliche Abstimmung

§ 242

die Möglichkeit schriftlicher Abstimmung vorsieht (Rn 5 ff) und in Abs 2 das Verfahren näher ausgestaltet (Rn 8 ff). Die schriftliche Stimmabgabe ist von der schriftlichen Durchführung des Verfahrens (§ 5 II S 1) zu unterscheiden.1 2. Entstehungsgeschichte und Änderungen Für die Gläubigerversammlung der Konkursordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 67 ff) 2 zählten nur die Stimmen der erschienenen Gläubiger (§ 97 S 1 KO). Die Vergleichsordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 75 ff) erlaubte hingegen die schriftliche Zustimmung – nicht die Ablehnung. Die Erklärung musste dem Gericht bis zum Schluss der Abstimmung zugehen; Stimmzettel, eine Mitteilung des Stimmrechts und einen Hinweis sah die Vorschrift nicht vor (§ 73 I VglO). Die Gesamtvollstreckungsordnung verlangte für die Stimmabgabe in der Gläubigerversammlung, die auch über einen Vergleich zu entscheiden hatte (§ 16 IV S 1 GesO), die Anwesenheit des Gläubigers (§ 15 VI S 5 VglO). Die Entwürfe, die im Ausgangspunkt Erörterungstermin und Abstimmungstermin 3 trennten,2 kannten bereits für den Fall, dass nicht ausnahmsweise eine Verbindung stattgefunden hatte, in Abs 1 die schriftliche Abstimmung.3 In Abs 2 sahen sie die auch heute dort vorgesehene Übersendung des Stimmzettels samt Mitteilung über das Stimmrecht vor; zudem musste die Stimmabgabe dem Gericht spätestens am Tag vor dem Abstimmungstermin zugegangen sein.4 Im Rechtsausschuss, dessen Vorschläge einen einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin vorsahen,5 wurde der Beginn des Satzes 1 dahingehend umgeformt, dass die schriftliche Stimmabgabe nur bei gesondertem Abstimmungstermin griff. Zudem fügte der Rechtsausschuss die Pflicht zum Hinweis auf die Frist und die Folge ihrer Versäumung an.6 Art 1 Nr 28 ESUG7 (Münch Vor §§ 217–269 Rn 135 f) ersetzte in Abs 2 S 1 den Begriff 4 „Gläubiger“ durch „Beteiligte“, da mit der Möglichkeit einer Einbeziehung von Anteilseignern (§ 225a II, III) auch diese stimmberechtigt sein konnten (§ 238a).

II. Schriftliche Abstimmung bei gesondertem Abstimmungstermin (Abs 1) 1. Gesonderter Abstimmungstermin Der Wortlaut des Abs 1 lässt eine schriftliche Abstimmung dann zu, wenn ein geson- 5 derter Abstimmungstermin stattfindet. Gesonderter Abstimmungstermin ist nur ein Termin, der allein der Abstimmung dient; hierunter fällt nicht ein Termin, der der Fortsetzung des einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermins nach Unterbrechung oder Vertagung dient oder ein Termin, in dem in die Erörterung wieder eingetreten wurde (vgl § 241 Rn 6).8 Ob damit zugleich eine schriftliche Abstimmung bei einheitlichem Erörterungs-

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BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 242 Rn 2. DiskE §§ 268, 274 (S 137, 139 f); RefE §§ 268, 274 (S 157, 160); RegE §§ 279, 285 (BT-Drucks 12/2443, S 53, 54). DiskE § 276 (S 140); RefE § 276 (S 161); RegE § 287 (BT-Drucks 12/2443, S 54). DiskE § 276 (S 140 f); RefE § 276 (S 161); RegE § 287 (BT-Drucks 12/2443, S 54).

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Rechtsausschuss § 279 (BT-Drucks 12/7302, S 102, 104). Rechtsausschuss § 298 (BT-Drucks 12/7302, S 104). G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 242 Rn 3; vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 5.

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§ 242

Sechster Teil. Insolvenzplan

und Abstimmungstermin ausgeschlossen ist, wird nicht explizit gesagt; die Vorschrift deutet aber darauf hin, dass dies der Fall ist (s hierzu § 243 Rn 11).9 2. Entscheidung eines jeden Beteiligten

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Sobald ein gesonderter Abstimmungstermin anberaumt wurde, kann jeder Beteiligte für sich frei entscheiden, ob er seine Stimme schriftlich oder persönlich im gesonderten Abstimmungstermin abgeben will.10 Das Gericht hat kein Ermessen, ob es schriftliche Stimmabgabe zulassen und organisieren will oder nicht.11 Auch bedarf es keines Beschlusses über die schriftliche Abstimmung.12 Die Entscheidung über die Art der Stimmabgabe muss nicht separat mitgeteilt werden; eine Mitteilung hierüber bindet nicht. 7 Die Stimmabgabe – gleich ob schriftlich oder mündlich – ist eine Verfahrenshandlung, auf die die Regeln über Prozesshandlungen Anwendung finden. Damit kann die schriftliche Stimmabgabe grundsätzlich nicht widerrufen werden. Allerdings wird die schriftliche Stimmabgabe nicht schon mit Zugang beim Gericht, sondern erst mit dem Verlesen des Stimmzettels im Abstimmungstermin wirksam.13 Sie kann daher bis zu diesem Zeitpunkt widerrufen werden.14 Der Widerruf kann im Abstimmungstermin selbst mündlich,15 im Vorfeld nur schriftlich16 oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden, wobei dann die Frist des Abs 2 S 2 Hs 1 entsprechend gilt.17 Da die schriftliche Stimmabgabe auf dem Stimmzettel erfolgen muss, ist eine erneute schriftliche Stimmabgabe nur dann möglich, wenn das Gericht dem Beteiligten einen neuen Stimmzettel zur Verfügung stellt und die Stimme dann auf diesem fristgerecht abgegeben wird. Dem Beteiligten steht es aber frei, zum Abstimmungstermin zu erscheinen und dort seine Stimme abzugeben.

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Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 242 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 6. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 242 Rn 3; BK/Flöther InsO64 § 242 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 242 Rn 1. BK/Flöther InsO64 § 242 Rn 4; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 242 Rn 1; BeckOK/Geiwitz/ v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 242 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 242 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 242 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 242 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 242 Rn 2. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 6; aA wohl MünchKomm/Hintzen InsO3 § 242 Rn 5. FK/Jaffé InsO9 § 243 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 242 Rn 3 iVm § 243 Rn 5; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 243 Rn 4; aA FK/Jaffé InsO9 § 242 Rn 3; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 242 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/

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Pleister InsO74 § 242 Rn 20: Zugang bei Gericht. IE ebenso Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 242 Rn 3; BK/Flöther InsO64 § 242 Rn 10; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 243 Rn 4, 5; aA BK/Flöther/Wehner InsO60 § 242 Rn 11; Fritzsche Insolvenzplan als Vertrag S 271 f; HambK/Thies InsO6 § 242 Rn 3; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 19 f: unwiderrufliche Bindung ab Zugang bei Gericht; abw FK/Jaffé InsO9 § 242 Rn 10; Hess/ Hess Insolvenzrecht2 § 242 Rn 4: „Bindungswirkung […] erst mit Schluss des Abstimmungstermins“. Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 242 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 243 Rn 4; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 242 Rn 7. Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 242 Rn 6. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 242 Rn 7 aE.

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Schriftliche Abstimmung

§ 242

III. Stimmzettel und Mitteilung des Stimmrechts (Abs 2 S 1) 1. Stimmzettel Für den Fall eines gesonderten Abstimmungstermins muss18 das Insolvenzgericht gem 8 Abs 2 S 1 den stimmberechtigten Beteiligten – mithin allen, dh auch stimmberechtigten Aktionären und Kommanditaktionären19 – einen Stimmzettel zusenden. Für die Übersendung des Stimmzettels ist keine förmliche Zustellung vorgesehen; sie kann daher mittels einfachen Briefs20 und auch elektronisch erfolgen, etwa als Anhang zu einer E-Mail oder Link zu einem Abstimmungsportal (Rn 11). Eines Antrags auf Zusendung eines Stimmzettels bedarf es nicht; ein Beteiligter kann aber auf die Zusendung verzichten, etwa wenn er sich sicher ist, zum Abstimmungstermin zu erscheinen. Die Zusendung erfolgt nach dem Erörterungstermin.21 Dies erlaubt, die Adressaten auf die stimmberechtigten Beteiligten zu beschränken, da das Stimmrecht im Erörterungstermin in der Stimmliste festgestellt wird (§ 239). Da gem § 241 II auch nur die stimmberechtigten Beteiligten zu laden sind, können Ladung und Zusendung der Stimmzettel verbunden werden;22 in diesem Fall kann auch der Insolvenzverwalter gem § 8 III eingeschaltet werden.23 „Beteiligte“ iSd § 242 sind nur Gläubiger oder Anteilsinhaber. Der Schuldner kann 9 zwar seine Zustimmung ebenfalls schriftlich zum Ausdruck bringen; entscheidend ist bei ihm aber, dass er nicht schriftlich widersprochen hat (§ 247 I). Da der Schuldner nicht abstimmt, sondern – auch im Falle einer juristischen Person mit mehreren Mitgliedern des Vertretungsorgans – sich nur einheitlich erklären kann, ist ihm kein Stimmzettel zuzusenden. Für die Ausgestaltung des Stimmzettels enthält das Gesetz keine Vorgaben. Um eine 10 Abstimmung zu ermöglichen, muss der Stimmzettel aber zumindest alle diejenigen Angaben enthalten, die für die Zuordnung des abstimmenden Beteiligten zu einer Gruppe und für die Feststellung der Summe der Ansprüche oder Beteiligungen (§ 244 I Nr 2, III) erforderlich sind.24 Diese Informationen sind der Stimmliste (§ 239) zu entnehmen.25 Praktisch sinnvoll erscheint es, dass das Gericht den Stimmberechtigten auf dem Stimmzettel namentlich bezeichnet, die Mitteilung über das Stimmrecht auf dem Stimmzettel selbst vornimmt und auch den Hinweis gem Abs 2 S 2 Hs 2 auf dem Stimmzettel selbst gibt. Fehlt es an einer namentlichen Bezeichnung, sollten die Stimmzettel anderweitig, etwa durch laufende Nummern, gegen unbefugte Vervielfältigung geschützt werden. Da es einer Unterschrift durch den Beteiligten nicht zwingend bedarf (Rn 14), ist hierfür nicht unbedingt ein Feld vorzusehen. Der Stimmzettel muss eine eindeutige Entscheidung verlangen, etwa

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 242 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 242 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 242 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 242 Rn 2. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 242 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 242 Rn 2. HambK/Thies InsO6 § 242 Rn 3a; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 10; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 242 Rn 4. BK/Flöther InsO64 § 242 Rn 4.

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BK/Flöther InsO64 § 242 Rn 6; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 242 Rn 2; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 242 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 242 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 242 Rn 11. Vgl HK/Haas InsO9 § 242 Rn 2. AA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 242 Rn 4. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 242 Rn 4; MünchKomm/ Hintzen InsO3 § 242 Rn 4. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 242 Rn 4.

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§ 242

Sechster Teil. Insolvenzplan

durch Felder mit den Alternativen „Ja“ und „Nein“;26 Raum für Zusätze die die Stimmabgabe unwirksam machen würden (Rn 13), sollte möglichst vermieden werden. 11 Das Gesetz geht von einem Stimmzettel in Papierform aus; ein „elektronischer Stimmzettel“ ist nicht vorgesehen. Das Insolvenzgericht kann den Beteiligten aber den „Stimmzettel“ alternativ in elektronischer Form zukommen lassen, was auch die Einrichtung eines passwortgesicherten Abstimmungsportals abdeckt, wenn den Beteiligten daneben die Möglichkeit verbleibt, mit einem klassischen Stimmzettel abzustimmen.27 2. Mitteilung des Stimmrechts

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Den Beteiligten ist ihr jeweiliges Stimmrecht, wie es sich am Ende des Erörterungstermins ergibt, mitzuteilen.28 Zur Mitteilung gehört auch die Summe der Forderung bzw Beteiligung, wegen der dem Beteiligten ein Stimmrecht zukommt (vgl § 244 I Nr 2, III); nicht mitgeteilt werden muss hingegen das Verhältnis dieser Summe zur Gesamtsumme in der jeweiligen Gruppe. Wie schon die Übersendung des Stimmzettels muss auch die Mitteilung des Stimmrechts nicht förmlich zugestellt werden.29

IV. Schriftliche Stimmabgabe 1. Inhalt und Form Die Stimmabgabe muss eindeutig sein,30 etwa indem ein Feld „Ja“ oder ein Feld „Nein“ angekreuzt oder sonst als ausgewählt gekennzeichnet wird. Zusätze zur Stimmabgabe wie Einschränkungen oder Bedingungen machen die Stimmabgabe unwirksam (§ 243 Rn 8);31 Anmerkungen zu sonstigen Inhalten wie etwa eine Adresskorrektur sind hingegen unschädlich.32 14 Da das Gesetz die Ausgabe von Stimmzetteln vorsieht, kommt eine Stimmabgabe in anderer Form, etwa durch einen Schriftsatz ohne Beifügung des Stimmzettels, nicht in Betracht.33 Der Stimmzettel kann dem Gericht im Original zugehen; ausreichend ist aber auch ein Zugang per Fax (§ 4 iVm § 130 Nr 6 ZPO) oder als elektronisches Dokument (§ 4 iVm § 130a ZPO),34 wenn jeweils der gerichtliche Stimmzettel eingescannt wurde. Ein Ab-

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FK/Jaffé InsO9 § 242 Rn 7; MünchKomm/ Hintzen InsO3 § 242 Rn 1. Vgl Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 242 Rn 1. AA wohl Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 241, 242 Rn 2; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 12. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 8. HambK/Thies InsO6 § 242 Rn 3a; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 10; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 242 Rn 4. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 242 Rn 7. AG Duisburg NZI 2003, 447, 448; HambK/ Thies InsO6 § 242 Rn 3; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 16; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 242 Rn 7; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 242 Rn 6; abw

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FK/Jaffé InsO9 § 242 Rn 4; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 242 Rn 10: Zustimmung unter der Bedingung möglich, dass Forderung weder vom Verwalter noch vom Schuldner bestritten wird; BK/Flöther InsO64 § 242 Rn 10: „Ausgenommen sind innerprozessuale Bedingungen“. AG Duisburg NZI 2003, 447, 448: Ungültigkeit von Stimmabgaben richtet sich im Übrigen nach § 39 BWahlG analog. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 242 Rn 6. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 242 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 242 Rn 3; abw Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 12: „elektronische Stimmabgabe […] wohl nicht möglich“.

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Schriftliche Abstimmung

§ 242

stimmungsportal, das aus den Eingaben (elektronische) Stimmzettel produziert, ist zulässig. Einer Unterschrift des Beteiligten unter den Stimmzettel bedarf es nicht;35 es reicht aus, dass die Identität des Beteiligten erkennbar ist.36 Im Falle der Stimmabgabe durch einen Vertreter ist die Vollmacht beizufügen.37 2. Zugang Die Stimmabgabe setzt Zugang beim Insolvenzgericht – nicht notwendigerweise beim 15 die Abstimmung leitenden Insolvenzrichter38 (s aber Rn 16) – voraus. Zugang liegt vor, wenn der Stimmzettel so in den Machtbereich des Gerichts gebracht wurde, dass mit seiner Kenntnisnahme durch den Insolvenzrichter gerechnet werden kann; ausreichend ist das Einlegen in den Gerichtsbriefkasten oder die Abgabe an der Gerichtspforte, sofern diese besetzt ist und der Gerichtsbedienstete das Schriftstück entgegennimmt. Die Geschäftsstelle sollte den Zugangszeitpunkt dokumentieren.39 Hat das Gericht neben dem Stimmzettel eine elektronische Stimmabgabe durch ein gesichertes Portal zugelassen, so gelten die dort eingegebenen Daten als Abstimmung unter Verwendung des gerichtlichen Stimmzettels, bei einer E-Mail kommt es auf deren Zugang an. 3. Spätester Zugangszeitpunkt Gem Abs 2 S 2 Hs 1 muss die Stimmabgabe dem Gericht spätestens am Tag vor dem 16 Abstimmungstermin zugegangen sein. Damit soll es dem Gericht ermöglicht werden, im Abstimmungstermin selbst die eingegangen schriftlichen Stimmabgaben auswerten zu können, sodass das Ergebnis im Termin den erschienenen Beteiligten sogleich verkündet werden kann.40 Hierin liegt eine sachgerechte Abweichung von § 73 I Hs 2 VglO, der auf den Schluss der Abstimmung abstellte.41 Für die Bestimmung des Zugangszeitpunkts gelten die herkömmlichen zivilprozessualen Regeln zum Zugangszeitpunkt bei Schriftsätzen, auch was den Zugang bei Erklärungen per Fax oder elektronisches Dokument angeht. Die Rechtzeitigkeit richtet sich nach § 4 iVm § 222 II ZPO,42 sodass ausnahmsweise die Frist erst am Tag des Abstimmungstermins ablaufen kann;43 in diesem Fall muss die Stimme aber bis zum Ende der Abstimmung dem die Abstimmung leitenden Richter zugegangen sein. Abs 2 S 2 Hs 1 regelt nicht nur den Inhalt des Hinweises, sondern trifft eine Aussage 17 zur Berücksichtigung. Daher darf das Insolvenzgericht verspätete Stimmabgaben auch dann nicht berücksichtigen, wenn diese noch vor Ende des Abstimmungstermins eingehen und es sie daher berücksichtigen könnte, es sei denn, der Hinweis gem Abs 2 S 2 Hs 2 war unterblieben (Rn 18). Ein Beteiligter, dessen schriftliche Stimmabgabe wegen Verspätung

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AA HambK/Thies InsO6 § 242 Rn 3. AA AG Duisburg NZI 2003, 447, 448; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 242 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 242 Rn 3. AG Duisburg NZI 2003, 447, 448. Braun/Braun/Frank InsO7 § 242 Rn 2. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 242 Rn 9. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 14.

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Ähnlich Braun/Braun/Frank InsO7 § 242 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 242 Rn 8; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 242 Rn 6; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 242 Rn 6. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 242 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 13. Vgl AG Duisburg NZI 2003, 447, 448; BK/ Flöther InsO64 § 242 Rn 9; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 13.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

nicht berücksichtigt werden darf, kann jedoch zum Abstimmungstermin erscheinen und dort seine Stimme abgeben.44 4. Hinweis

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Nach Abs 2 S 2 Hs 2 muss das Gericht bei der Übersendung des Stimmzettels darauf hinweisen, dass die schriftliche Stimmabgabe dem Gericht spätestens am Tag vor dem Abstimmungstermin zugegangen sein muss. Fehlt ein solcher Hinweis und geht eine Stimmabgabe verspätet, aber noch vor dem Ende des Abstimmungstermins dem Gericht zu, so hat das Gericht die Stimme noch zu berücksichtigen.45 Anderenfalls liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel iSd § 250 I Nr 1 vor, es sei denn, die Stimme wäre ohne Einfluss auf das Ergebnis der Abstimmung geblieben.46

§ 243 Abstimmung in Gruppen Jede Gruppe der stimmberechtigten Beteiligten stimmt gesondert über den Insolvenzplan ab. Materialien: DiskE § 277 (S 141); RefE § 277 (S 161); RegE § 288 (BT-Drucks 12/2443, S 54); Rechtsausschuss § 288 (BT-Drucks 12/7302, S 103); DiskE ESUG § 243 nF (Hirte/Knof/Mock Das neue Insolvenzrecht nach dem ESUG, S 75); RegE ESUG § 243 nF (BT-Drucks 17/5712, S 10). Vorgängerregelungen: Keine. Literatur Flessner Sanierung und Reorganisation (1982); Fritzsche Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag (2017); Hohloch Sanierung durch „Sanierungsverfahren“? ZGR 1982, 145; Leipold/Stürner Aufstellung und Bestätigung des Insolvenzplans, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch (1991), S 41; Madaus Der Insolvenzplan (2011); Martini/Horstkotte Häufige Fehler bei der Aufstellung von Insolvenzplänen und der Durchführung von Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2017, 1913; K Schmidt, Gutachten für den 54. Deutschen Juristentag, in: Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentages, Band 1 (1982); Kilger Grundzüge des Reorganisationsverfahrens, ZIP 1982, 779; Smid/ Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 (2015); Stürner Möglichkeiten der Sanierung von Unternehmen durch Maßnahmen im Unternehmens- und Insolvenzrecht, ZIP 1982, 761; Weßling Zur nichtigen Stimmabgabe im Abstimmungstermin über einen Insolvenzplan, ZInsO 2017, 1595; Ulmer Die gesellschaftsrechtlichen Regelungsvorschläge der Kommission für Insolvenzrecht, ZHR 149 (1985) 541; Zeuner Referat, in: Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentages, Band 2 (1982), S M11.

44

45

Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 242 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 242 Rn 9; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 15. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 242 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 242 Rn 2; Hess/ Hess Insolvenzrecht2 § 242 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 242 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 242 Rn 15; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 241 Rn 6; K Schmidt/

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46

Spliedt InsO19 § 242 Rn 2; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 242 Rn 6. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 242 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 242 Rn 4; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 242 Rn 21; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 242 Rn 6; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 242 Rn 8; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 242 Rn 7.

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Abstimmung in Gruppen

§ 243

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Überblick 1 2. Vorbild, Entstehungsgeschichte und Änderung . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Inhalt der Stimmabgabe . . . . . . . 8 3. Umstände der Stimmabgabe . . . . . 9 a) Persönliche Stimmabgabe . . . . 9

b) Form der Stimmabgabe . . . . c) Offene oder geheime Abstimmung . . . . . . . . . . . III. Ablauf des Abstimmungstermins . . 1. Vor Abstimmungsbeginn . . . . . 2. Gesonderte Abstimmung in allen Gruppen . . . . . . . . . . . . . . 3. Durchführung der Abstimmungen 4. Weiterer Fortgang des Termins . .

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Rn. 12

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I. Einleitung 1. Überblick § 243 schreibt die gesonderte Abstimmung (Rn 6 ff) in Gruppen (Rn 16 ff) vor und 1 steht damit in engem Zusammenhang mit § 222, der die Gruppenbildung regelt, und mit § 244, der eine Zustimmung durch die Mehrheit in jeder Gruppe verlangt. 2. Vorbild, Entstehungsgeschichte und Änderung Die Vorschrift hat keine direkten Vorläufer im deutschen Recht.1 In der Gläubigerver- 2 sammlung bzw der Vergleichsversammlung unter Konkursordnung, Vergleichsordnung und Gesamtvollstreckungsordnung stimmten die Gläubiger gemeinsam nach Kopf- und Summenmehrheit ab (§ 182 KO, § 74 VglO, § 16 IV S 3 GesO). Die Vergleichsordnung sah lediglich bei Ungleichbehandlung der betroffenen Gläubiger vor, dass die benachteiligten („zurückgesetzten“) Gläubiger in einer eigenen, vom Gesetz aber nicht so benannten, Gruppe mehrheitlich zustimmen mussten (§ 8 II S 1 VglO). Diese Abstimmung in einer Gruppe kam zur Abstimmung aller stimmberechtigten Vergleichsgläubiger hinzu.2 Die Idee der Bildung von und Abstimmung in Gruppen fand aus dem US-amerikani- 3 schen Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code (Münch Vor §§ 217–269 Rn 148 ff) Eingang in die Reformdiskussion. Unter dem Bankruptcy Code kann ein Plan Ansprüche („claims“) oder Rechte („interests“) einer Gruppe („class“) zuordnen, wenn diese Ansprüche oder Rechte den übrigen Ansprüchen oder Rechten dieser Gruppe im Wesentlichen ähnlich sind.3 Ein Plan darf – vorbehaltlich eines sogenannten Cram Down (dazu (Münch Vor §§ 217–269 Rn 153) § 245 Rn 2) und weiterer Sonderregeln – gerichtlich bestätigt werden, wenn in jeder betroffenen Gruppe entweder jedes Gruppenmitglied dem Plan zugestimmt hat oder nicht weniger erhält als in einem Liquidationsverfahren.4 In der deutschen Reformdiskussion wurde ausführlich diskutiert, ob und vor allem wie Anteilsinhaber einbezogen werden konnten,5 wie die Mehrheitserfordernisse der jeweiligen Gruppen auszugestalten waren6 und ob sowie ggf unter welchen Vorausset-

1

2 3 4

AA wohl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 1 unter Bezugnahme auf §§ 74 f VglO und §§ 182 f KO. Vgl BT-Drucks 12/2443, S 208. 11 US Code § 1122(a). 11 US Code § 1129(a)(7)(A).

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6

Flessner Sanierung S 273 f; K Schmidt Gutachten 54 DJT, S D87 f; Stürner ZIP 1982, 761, 770. Flessner Sanierung S 276 ff; Kilger ZIP 1982, 779, 786.

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§ 243

Sechster Teil. Insolvenzplan

zungen ein gerichtlicher Beschluss die Zustimmung einer Gruppe sollte ersetzen können.7 Hingegen fand die grundsätzliche Idee der Gruppenbildung in der Reformdiskussion breite Zustimmung.8 4 Schon die Entwürfe9 hatten daher die gesonderte Abstimmung in Gruppen vorgesehen. In den Entwürfen sowie in der ursprünglichen Fassung der Vorschrift10 stand an der Stelle von „Beteiligten“ indes „Gläubiger“, da sich der Gesetzgeber der Insolvenzordnung noch nicht zu einer Einbeziehung von Anteilseignern hatte durchringen können. 5 Das ESUG11 ersetzte dann in dieser Norm einmal mehr den Begriff „Gläubiger“ durch „Beteiligte“, da es die Einbeziehung von Anteilseignern erlaubte (§ 217 S 2, § 225a II, 3) und diesen konsequenterweise auch ein Stimmrecht gewährte (§ 238a).

II. Abstimmung 1. Grundlagen

6

Abstimmung ist ein Vorgang, in dem mehrere Stimmberechtigte im Wesentlichen gleichzeitig ihre Stimme abgeben und die Stimmen im Wesentlichen gleichzeitig ausgezählt werden, sodass ein einziges Abstimmungsergebnis festgestellt und bekanntgegeben werden kann. Eine solche Abstimmung beruht grundsätzlich auf persönlicher Anwesenheit der Stimmberechtigten am Ort der Abstimmung zur vorgesehenen Zeit; eine schriftliche Stimmabgabe bedarf besonderer Zulassung.12 7 Die Stimmabgabe ist Verfahrenshandlung, sodass für sie die ungeschriebenen Regeln über Prozesshandlungen13 gelten. Voraussetzungen sind also Beteiligtenfähigkeit, die jedenfalls Teilrechtsfähigkeit voraussetzt, sowie Verfahrensfähigkeit, die im Allgemeinen mit der Geschäftsfähigkeit parallelläuft. Die Stimmabgabe ist nicht widerruflich (Rn 19). 2. Inhalt der Stimmabgabe

8

Abgestimmt wird über die Annahme des vorgelegten Insolvenzplans (§§ 244, 248). Mögliche Stimmabgaben sind daher nur die Zustimmung („ja“), die Ablehnung („nein“) und die – wie eine Nichtabgabe der Stimme zu wertende und damit gem § 244 I für das Ergebnis unbeachtliche14 – Enthaltung.15 Eine Zustimmung oder Ablehnung unter der Be-

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K Schmidt Gutachten 54 DJT, S D89 f; Zeuner Referat 54 DJT, S M12 ff; Stürner ZIP 1982, 761, 764 f; Leipold/Stürner Insolvenzrecht im Umbruch S 41, 45 ff; Ulmer ZHR 149 (1985), 541, 546 f, 554 ff; Flessner Sanierung S 249 ff, 276 ff; klar gegen eine gerichtliche Überprüfung der Gruppenentscheidung Kilger ZIP 1982, 779, 786. Hohloch ZGR 1982, 145, 193 f; Kilger ZIP 1982, 779, 780, 782; zurückhaltend Stürner ZIP 1982, 761, 763 f. DiskE Allg Begr S A61, B250 f, § 277 (S 141); RefE § 277 (S 161); RegE § 288 (BTDrucks 12/2443, S 54); vom Rechtsaus-

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10 11 12 13 14

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schuss unverändert gelassen (BT-Drucks 12/ 7302, S 104). G v 05.10.1994, BGBl I, S 2866. G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 8. Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 Rn 237 ff. BT-Drucks 12/2443, S 208; FK/Jaffé InsO9 § 243 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 243 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 8. FK/Jaffé InsO9 § 243 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 243 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 8; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 243 Rn 4.

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Abstimmung in Gruppen

§ 243

dingung einer Änderung ist ebenso unwirksam wie jede andere Art der Stellungnahme zum Plan oder sonstige Äußerung.16 3. Umstände der Stimmabgabe a) Persönliche Stimmabgabe. Gem § 235 I findet die Abstimmung grundsätzlich im 9 einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin statt. Ein Beteiligter, der an diesem Termin bis zum Ende teilnimmt, kann seine Stimme ohne Weiteres im Termin persönlich abgeben. Zur Stimmabgabe kann auch ein Vertreter bevollmächtigt werden. Stets zulässig ist die 10 Vertretung durch einen Rechtsanwalt (§ 4 iVm § 79 II S 1 ZPO).17 Andere Bevollmächtigte müssen den Anforderungen des § 79 II S 2 ZPO genügen; die Vertretungsregeln des § 11 II ArbGG finden keine Anwendung.18 Dabei setzt eine Vertretung durch Verbraucherzentralen (§ 79 II S 2 Nr 3 ZPO) voraus, dass der vertretene Beteiligte Verbraucher ist; es muss sich aber nicht um eine Forderung oder einen Anteil handeln, die bzw der durch ein Verbrauchergeschäft erworben wurden.19 Ob eine wirksame Vollmacht vorliegt, prüft das Gericht von Amts wegen20 nach den Regeln des Freibeweises. Den Nachweis wirksamer Bevollmächtigung muss der Vertreter durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde führen, die zu den Gerichtsakten zu nehmen ist (§ 4 iVm § 80 S 1 ZPO). Hält das Insolvenzgericht eine Vollmacht irrig für wirksam oder unwirksam, so kann die Entscheidung über das Stimmrecht des Vertreters nicht gesondert angefochten werden; bei fehlerhafter Gewährung des Stimmrechts kann aber die Stimmabgabe nichtig sein.21 Eine wirksame Vollmacht muss schon zum Zeitpunkt der Abstimmung vorliegen, da nur so die Abstimmung sinnvoll durchgeführt werden kann; § 80 S 2 ZPO findet daher keine Anwendung.22 Auch im Falle einer Einbeziehung von Aktionären folgt die Frage der Vertretung für diese nicht den Regeln des § 134 III AktG, da es sich nicht um eine Hauptversammlung handelt, sondern eine vom Gericht geleitete insolvenzrechtliche Abstimmung, in der für alle Gruppen dieselben insolvenzrechtlichen Regeln gelten. Die schriftliche Stimmabgabe sieht § 242 nur im Falle eines gesonderten Abstimmungs- 11 termins explizit vor. Noch nicht eindeutig gesagt ist hierdurch, ob damit zugleich die schriftliche Stellungnahme bei einheitlichem Erörterungs- und Abstimmungstermin ausgeschlossen ist. Ein Interesse an schriftlicher Stimmabgabe kann ein Beteiligter haben, wenn er am Erörterungstermin nicht teilnehmen möchte, aber nach Einsichtnahme in den ausgelegten Plan schon weiß, wie er abstimmen will, oder wenn er den Erörterungstermin vorzeitig verlässt. Dennoch wird man die schriftliche Stimmabgabe für ausgeschlossen halten müssen.23 Für einen solchen Ausschluss spricht zum Ersten die Überschrift des § 242, die nahelegt, dass § 242 sämtliche Fälle einer schriftlichen Abstimmung regelt. Zwar kann der Überschrift kein zu großes Gewicht beigemessen werden. Denn Überschriften treffen oft nur eine stark verkürzte Aussage. Zudem steht § 242 direkt hinter der Vorschrift über den

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17 18 19

AG Duisburg NZI 2003, 447, 448; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 242 Rn 7; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 242 Rn 6. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 8. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 243 Rn 3. AA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 243 Rn 3.

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Vgl Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1924. Näher Weßling ZInsO 2017, 1595, 1597 ff. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 243 Rn 3. HK/Haas InsO9 § 243 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 243 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 243 Rn 8.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

gesonderten Abstimmungstermin (§ 241), könnte mithin als ausgegliederte Fortsetzung der Regelungen zum gesonderten Abstimmungstermin gesehen werden. Für einen Ausschluss spricht aber zum Zweiten, dass im Falle des gesonderten Abstimmungstermins die Erörterung bereits stattgefunden hat und abgeschlossen ist. Damit stehen Planinhalt und Stimmberechtigung fest. Würde Beteiligten schon vor Ende der Erörterung ein Stimmzettel ausgegeben, müsste dieser im Falle eines nicht beseitigten Bestreitens des Stimmrechts wieder herausgenommen werden. Dies wäre zwar gewiss möglich. Es ließe aber Fehler befürchten. Zudem hat eine schriftliche Stimmabgabe in der Insolvenzordnung keine Regelung gefunden, während § 73 II VglO eine Vorschrift über die Behandlung schriftlicher Erklärungen solcher Beteiligter enthielt, deren Stellung bestritten wird. Vor allem aber sind in der Erörterung noch immer Planänderungen möglich, die durchaus gewichtig sein können, sofern der „Kern“ des Plans gewahrt bleibt (§ 240). Eine im Vorfeld abgegebene Stimme müsste im Fall einer Planänderung als unwirksam angesehen werden, was den anderen Stimmen größeres Gewicht verleihen würde, ohne dass dies vom Abstimmenden im Einzelnen vorhersehbar gewesen wäre. Schließlich sprechen ganz allgemein der Mündlichkeitsgrundsatz und das Festsetzen eines Termins auch für die Abstimmung dafür, dass nur persönlich erschienene Beteiligte eine Stimme abgeben können.

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b) Form der Stimmabgabe. Die Art und Weise, wie ein persönlich erschienener stimmberechtigter Beteiligter seine Stimme abzugeben hat, ist nicht ausdrücklich geregelt. In Betracht kommt die Abstimmung durch mündliche Erklärung, Handzeichen oder Ausfüllen eines Stimmzettels, aber auch durch Betätigung technischer bzw elektronischer Vorkehrungen. Da Gegenstand der Stimmabgabe nur die Zustimmung zum Plan ist, erscheint keine Art der Stimmabgabe von vornherein ausgeschlossen.24 Über die Form der Stimmabgabe entscheidet das Insolvenzgericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen.25 Auch für allfällig einbezogene Aktionäre ist das Insolvenzgericht insoweit nicht durch Satzungsregelungen gebunden, die die Form der Stimmabgabe in Hauptversammlungen regeln; § 134 IV AktG gilt nicht.

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c) Offene oder geheime Abstimmung. Auch die Frage, ob geheim abzustimmen ist, hat keine gesetzliche Regelung gefunden. Der Gegenstand der Stimmabgabe – die Zustimmung oder Ablehnung eines Insolvenzplans, der Rechte von Gläubigern oder Anteilseignern modifiziert – berührt in aller Regel keine Fragen, an deren Geheimhaltung ein besonderes Interesse besteht. Im Regelfall spricht daher nichts gegen eine offene Abstimmung. Dass das Gesetz von einer offenen Abstimmung ausgeht, zeigt sich auch in § 253 II Nr 2, der mit der Stimmabgabe gegen den Plan ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zur Zulässigkeitsvoraussetzung einer sofortigen Beschwerde gegen die Planbestätigung erhebt. Bei geheimer Abstimmung lässt sich im Nachhinein nicht leicht ermitteln, ob der Beschwerdeführer gegen den Plan gestimmt hat. Die Nachweisschwierigkeiten träfen nicht nur den auf geheime Abstimmung antragenden Beteiligten, sondern alle Beteiligten. Regelfall muss daher die of-

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AA Braun/Braun/Frank InsO7 § 243 Rn 4; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 243 Rn 10; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 243 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 243 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 243 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 8; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 243 Rn 4 und Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 243 Rn 5: mündlich; BK/Flöther InsO64 § 243

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Rn 2: „im Normalfall mündlich“; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 243 Rn 4: mündlich oder durch Stimmzettel; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 243 Rn 2: Handzeichen, mündliche Stimmabgabe oder elektronisches Abstimmungssystem. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 7.

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Abstimmung in Gruppen

§ 243

fene Abstimmung sein. Gänzlich ausgeschlossen erscheint eine geheime Abstimmung indes nicht.26 Wenn ein Beteiligter geheime Abstimmung beantragt und im Einzelfall ein gewichtiges berechtigtes Interesse dartun kann, wird das Insolvenzgericht daher dem Antrag stattgeben und eine geheime Abstimmung durchführen müssen. In diesem Fall muss dann entweder die Stimmabgabe nur im Verhältnis zu den anderen Beteiligten geheim, gegenüber dem Gericht aber offen erfolgen, sodass der Richter im Verfahren der sofortigen Beschwerde das Abstimmungsverhalten bezeugen kann,27 oder es muss die Rechtsbeschwerde ohne Nachweis der Ablehnung möglich sein.

III. Ablauf des Abstimmungstermins 1. Vor Abstimmungsbeginn Vor der eigentlichen Abstimmung sollte das Gericht darauf hinweisen, dass der Antrag 14 auf Versagung der Bestätigung und die sofortige Beschwerde einen Widerspruch im Abstimmungstermin (§ 251 I Nr 1, § 253 II Nr 1) voraussetzen und die sofortige Beschwerde zudem noch eine Ablehnung des Plans in der Abstimmung verlangt (§ 253 II Nr 2).28 Ebenfalls wünschenswert ist ein Hinweis darauf, dass eine Enthaltung bei der Feststellung der Mehrheiten unbeachtet bleibt (Rn 8).29 Das Gericht legt nach seinem pflichtgemäßen Ermessen fest, in welcher Reihenfolge die 15 Gruppen abstimmen;30 die Festlegung der Reihenfolge ist nicht anfechtbar (vgl § 6 I). Dies trifft auch auf die Abstimmungsreihenfolge bei konkurrierenden Plänen zu.31 Das Gericht ist bei seiner Entscheidung nicht an Beschlüsse der Gläubigerversammlung über die Reihenfolge gebunden, da die Abstimmung nicht im Rahmen einer Gläubigerversammlung stattfindet (vgl § 235 Rn 8).32 Die vom Gericht festgelegte Reihenfolge wird im Termin vor der Abstimmung mitgeteilt. 2. Gesonderte Abstimmung in allen Gruppen Die Abstimmung muss in jeder der gem § 222 gebildeten Gruppen „gesondert“ erfol- 16 gen. Es muss also eine eigene Abstimmung in jeder Gruppe stattfinden; die Abstimmungen sind insofern voneinander getrennt und finden Gruppe für Gruppe statt.33 Damit geht

26

27 28 29 30

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AA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 243 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 243 Rn 3. Hiergegen explizit K Schmidt/Spliedt InsO19 § 243 Rn 3. Vgl Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 235 Rn 26. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 243 Rn 4. BK/Flöther InsO64 § 243 Rn 2; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 243 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 243 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 243 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 243 Rn 7; MünchKomm/ Hintzen InsO3 § 243 Rn 4; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 243 Rn 4. Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 242 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 13.

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AA Braun/Braun/Frank InsO7 § 243 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 243 Rn 5; HambK/Thies InsO6 § 243 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 243 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 243 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 7. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 243 Rn 1; Braun/Braun/Frank InsO7 § 243 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 243 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 243 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 7; Smid/ Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 16.69; abw HambK/Thies InsO6 § 243 Rn 3: „idR“. Vgl Madaus Insolvenzplan S 218 f.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

§ 243 über § 244 I hinaus. Denn § 244 I verlangt zwar Mehrheiten in jeder Gruppe, trifft aber keine Aussage über die Abstimmung selbst, sodass man auch an eine einzige Abstimmung denken könnte, wenn nur die Auszählung eine Feststellung der Mehrheiten – etwa mithilfe entsprechender Angaben auf dem Stimmzettel – erlaubte. Die gesonderte Abstimmung mag zwar mehr Zeit in Anspruch nehmen, reduziert aber Fehlerquellen und lässt sofort deutlich werden, wie eine Gruppe abgestimmt hat. 17 Indem § 243 die Abstimmung jeder Gruppe der stimmberechtigten Beteiligten vorsieht, stellt er klar, dass grundsätzlich alle Gruppen über den Plan abstimmen müssen. Die Abstimmung aller Gruppen ist erforderlich, da § 244 I eine Mehrheit in jeder Gruppe und mithin einstimmige Annahme durch alle Gruppen verlangt; insoweit hat § 243 nur klarstellende Bedeutung. Auch wenn keine Einstimmigkeit erlangt ist, bedarf es aber der Abstimmung aller Gruppen jedenfalls solange, bis feststeht, dass auch die für einen Cram Down erforderliche Mehrheit der abstimmenden Gruppen (§ 245 I Nr 3) nicht mehr erreicht werden kann. Die Mitglieder einer Gruppe sind indes nicht gezwungen, Zustimmung oder Ablehnung zu erreichen; die Abstimmung ist auch durchgeführt, wenn sich alle abstimmenden Gruppenmitglieder enthalten oder Zustimmung und Abstimmung die Waage halten. Eine zusätzliche „Gesamtabstimmung“ aller stimmberechtigten Beteiligten, wie sie 18 nach der Vergleichsordnung zur Abstimmung in der Gruppe der benachteiligten Vergleichsgläubiger hinzukommen musste (Rn 2), findet unter der Insolvenzordnung nicht mehr statt.34 3. Durchführung der Abstimmungen

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Innerhalb jeder Abstimmung ruft der Insolvenzrichter im Normalfall auf der Grundlage der Stimmliste jeden Beteiligten einzeln auf.35 Der Beteiligte hat dann Gelegenheit, seine Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung zu erklären; eine Verweigerung der Erklärung gilt als Enthaltung. Die Stimmabgabe eines erschienenen Beteiligten kann nicht widerrufen oder abgeändert werden.36 Sofern es sich um einen gesonderten Abstimmungstermin (§ 241 Rn 5) handelt, werden eventuelle schriftlich abgegebene Stimmen (§ 242) vor oder nach Abstimmung durch die anwesenden Beteiligten37 verlesen;38 ab diesem Moment

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BT-Drucks 12/2443, S 208; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 243 Rn 1; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 243 Rn 1; Fritzsche Insolvenzplan als Vertrag S 265; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 243 Rn 2; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 243 Rn 14; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 243 Rn 2. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 243 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 243 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 243 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 8; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 243 Rn 4, 5. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 243 Rn 3; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 243 Rn 5; BK/Flöther InsO64 § 243 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 243 Rn 4; FK/Jaffé InsO9 § 243 Rn 5; Graf-Schli-

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cker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 243 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 243 Rn 5; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 243 Rn 4; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 12; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 243 Rn 6; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 243 Rn 10; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 243 Rn 6. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 243 Rn 1; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 243 Rn 4; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 243 Rn 11. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 243 Rn 4; BK/Flöther InsO64 § 243 Rn 2; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 243 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 243 Rn 4: verlesen „empfiehlt“ sich; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 8; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 243 Rn 3, 4,

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Erforderliche Mehrheiten

§ 244

ist ein Widerruf der schriftlichen Stimmabgabe ausgeschlossen (§ 242 Rn 7).39 Am Ende einer jeden Abstimmung wird das Ergebnis für die jeweilige Gruppe festgestellt. Im Falle schriftlicher Stimmabgaben kann ein lediglich vorläufiges Abstimmungsergebnis festgestellt werden, sodass fristgerecht eingegangene, aber dem Insolvenzrichter noch nicht vorgelegte Stimmzettel noch berücksichtigt werden können.40 Die einzelnen Stimmabgaben, das Ergebnis der Abstimmung in jeder Gruppe und das Gesamtergebnis werden im Protokoll festgehalten (§ 4 iVm §§ 159, 160 ZPO).41 Dabei kann die Stimmliste zur Grundlage des Protokolls gemacht werden.42 4. Weiterer Fortgang des Termins Nach Durchführung sämtlicher Abstimmungen, dh nach Abstimmung in allen Grup- 20 pen, für die Beteiligte erschienen sind oder zulässigerweise schriftlich Stimmen abgegeben wurden, wird die Abstimmung geschlossen und, sofern zur Vermeidung von Missverständnissen sinnvoll, das Ergebnis nochmals mitgeteilt. Das Gericht hört sodann gem § 248 II den Insolvenzverwalter, den Gläubigerausschuss, falls ein solcher bestellt ist, und den Schuldner an. Es entscheidet im Anschluss im Termin selbst oder danach über die Planbestätigung und verkündet diese noch im Termin oder einem eigenen Verkündungstermin (§ 252 I).

§ 244 Erforderliche Mehrheiten (1) Zur Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger ist erforderlich, daß in jeder Gruppe 1. die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmt und 2. die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt. (2) 1 Gläubiger, denen ein Recht gemeinschaftlich zusteht oder deren Rechte bis zum Eintritt des Eröffnungsgrunds ein einheitliches Recht gebildet haben, werden bei der Abstimmung als ein Gläubiger gerechnet. 2 Entsprechendes gilt, wenn an einem Recht ein Pfandrecht oder ein Nießbrauch besteht.

39

40 41

§ 244 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 243 Rn 4; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 243 Rn 11; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 243 Rn 5. AA Fritzsche Insolvenzplan als Vertrag S 271 f; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 12: ab „Zugang des Stimmzettels bei Gericht“. Abw HambK/Thies InsO6 § 243 Rn 6: Widerruf bis „unmittelbar nach Verlesung“ möglich. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 243 Rn 4. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 243 Rn 2; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9

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(26.01.2018) § 243 Rn 3; BK/Flöther InsO64 § 243 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 243 Rn 4; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 243 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 243 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 243 Rn 2; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 243 Rn 9; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 243 Rn 4, 5; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 243 Rn 12. Vgl Braun/Braun/Frank InsO7 § 243 Rn 6; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 243 Rn 13; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 243 Rn 5.

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§ 244

Sechster Teil. Insolvenzplan

(3) Für die am Schuldner beteiligten Personen gilt Absatz 1 Nummer 2 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Summe der Ansprüche die Summe der Beteiligungen tritt. Materialien: DiskE § 278 (S 141); RefE § 278 (S 161 f); RegE §§ 87 III, 289 (BT-Drucks 12/2443, S 22, 54); Rechtsausschuss § 289 (BT-Drucks 12/7302, S 104 f); DiskE ESUG § 244 nF (Hirte/Knof/ Mock Das neue Insolvenzrecht nach dem ESUG, S 75); RegE ESUG § 244 nF (BT-Drucks 17/5712, S 10). Vorgängerregelungen: § 182 KO; §§ 74, 72 II VglO; § 16 IV S 3 GesO. Literatur Evers/Möhlmann Feststellung eines Insolvenzplans, ZInsO 1999, 21; Frege/Nicht/Schildt Gläubigerrechte bei der Teilabtretung von Insolvenzforderungen, FS Kübler (2015) S 159; Gerhardt Zur Kopfstimmenzahl des Pensions-Sicherungs-Vereins bei Vergleich und Zwangsvergleich, ZIP 1988, 490; Hingerl Insolvenzplan und richterliches Engagement, ZInsO 2004, 232; Madaus Umwandlungen als Gegenstand eines Insolvenzplans nach dem ESUG, ZIP 2012, 2133; Riggert Das Insolvenzplanverfahren – Strategische Probleme aus der Sicht absonderungsberechtigter Banken, WM 1998, 1521; Schiessler Der Insolvenzplan (1997); Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 (2015); Wegener Sanierungshindernisse durch mangelnde Gläubigerbeteiligung im Planverfahren – Zur Auslegung der §§ 244, 245 InsO, ZInsO 2002, 1157; Wenzel Der Sanierungs-Pool-Vertrag, WM 1996, 561.

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Vorläufer, Entstehungsgeschichte und Änderungen . . . . . . . . . . . 2 II. Annahme des Insolvenzplans . . . . . . 5 III. Mehrheitserfordernisse für Gläubiger (Abs 1, 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Grundregel (Abs 1) . . . . . . . . . . 6 a) Abstimmende Gläubiger . . . . . 7 b) Doppeltes Mehrheitserfordernis . 9 2. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . 11 a) Gemeinschaftliche Rechtszuständigkeit (Abs 2 S 1 Alt 1) . . 11

Rn. b) Einheitliches Recht bis zum Eintritt des Eröffnungsgrunds (Abs 2 S 1 Alt 2) . . . . . . . . c) Pfandrecht oder Nießbrauch (Abs 2 S 2) . . . . . . . . . . . . IV. Mehrheitserfordernisse für Anteilsinhaber (Abs 3) . . . . . . . . . . . . . 1. Grundregel . . . . . . . . . . . . . 2. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . V. Abstimmungsergebnisse und Folgen .

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I. Einleitung 1. Überblick

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§ 244 legt die Mehrheitserfordernisse für die Abstimmung innerhalb der Gruppe fest. Abs 1 verlangt Kopf- und Summenmehrheit (Rn 9 f); Abs 2 stellt klar, wie die Kopfmehrheit bei gemeinschaftlicher Berechtigung am stimmrechtsgewährenden Recht bestimmt wird (Rn 11 ff); Abs 3 bestimmt, dass für die Anteilsinhaber allein die Summe der Beteiligungen maßgeblich ist (Rn 19 ff). 2. Vorläufer, Entstehungsgeschichte und Änderungen

2

Die Konkursordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 67 ff) verlangte für Beschlüsse der Gläubigerversammlung im Termin über den Zwangsvergleich Kopf- und Summenmehrheit, wobei die Summenmehrheit mindestens drei Viertel betragen musste (§ 182 KO). Nach der Vergleichsordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 75 ff) bedurfte es bei der Ab-

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Erforderliche Mehrheiten

§ 244

stimmung über den Vergleichsvorschlag ebenfalls der Kopfmehrheit und einer Summenmehrheit von mindestens drei Vierteln (§ 74 I VglO). Auch die Gläubigerversammlung der Gesamtvollstreckungsordnung, die über einen Vergleich zu befinden hatte, entschied mit einfacher Mehrheit der anwesenden Gläubiger, die mehr als drei Viertel der Summe der Forderungsbeträge auf sich vereinigen mussten (§ 16 IV S 3 GesO). Abs 1 der heutigen Regelung war im Wesentlichen schon im Diskussionsentwurf und 3 im Referentenentwurf enthalten.1 Bemerkenswert ist, dass schon die Entwürfe damit für Kopf- wie Summenmehrheit eine einfache Mehrheit ausreichen ließen. Dies weicht nicht nur von den Vorläufernormen mit ihrer Dreiviertelmehrheit bei der Summenmehrheit, sondern auch vom ansonsten prägenden US-amerikanischen Recht ab, bedarf es doch nach dem Bankruptcy Code einer Summenmehrheit von zwei Dritteln.2 Die Regelung für gemeinschaftliche Rechte, früher einheitliche Rechte und mit Pfandrecht oder Nießbrauch belastete Rechte, die sich heute in Abs 2 findet, war seinerzeit an anderer Stelle, nämlich in den Vorschriften über das Stimmrecht, geregelt.3 Im Regierungsentwurf hatte Abs 1 dann seinen endgültigen Wortlaut gefunden. Als Abs 2 enthielt der Regierungsentwurf einen Verweis auf § 87 III. Denn § 87 des Regierungsentwurfs verlangte auch für die Beschlussfassung der Gläubigerversammlung Kopf- und Summenmehrheit; dementsprechend hatte § 87 III des Regierungsentwurfs eine dem heutigen § 244 II entsprechende Regelung vorgesehen.4 Der Rechtsausschuss ließ dann bei der gewöhnlichen Gläubigerversammlung wieder Summenmehrheit genügen. Daher hielt er es nicht mehr für erforderlich, im Zusammenhang mit der Gläubigerversammlung eine Regelung für gemeinschaftliche Gläubiger und die weiteren Fälle des heutigen Abs 2 vorzusehen.5 Für die Abstimmung über den Plan beließ es der Rechtsausschuss aber bei Kopf- und Summenmehrheit. Deshalb fügte er die Regelung für die gemeinschaftlichen Gläubiger und die weiteren Fälle des heutigen Abs 2 dem damaligen § 289 unmittelbar an.6 Mit diesen zwei Absätzen wurde die Norm dann als § 244 Gesetz.7 Da das ESUG8 die Einbeziehung von Anteilseignern erlaubte (§ 217 S 2, § 225a II, 3) 4 und diesen konsequenterweise auch ein Stimmrecht gewährte (§ 238a), musste geklärt werden, welche Mehrheitserfordernisse innerhalb der Gruppe der Anteilseigner gelten sollten. Zu diesem Zweck wurde Abs 3 angefügt, der (nur) auf Abs 1 Nr 2 verweist, statt der bei Gläubigern entscheidenden Summe der Ansprüche aber auf die Summe der Beteiligungen abstellt. Auch hier genügt, in Abweichung vom US-amerikanischen Vorbild,9 die einfache Mehrheit.

II. Annahme des Insolvenzplans Die Annahme des Insolvenzplans durch die Beteiligten – also die stimmberechtigten 5 Gläubiger und Anteilseigner – ist neben der Zustimmung des Schuldners Voraussetzung für die Bestätigung des Plans durch das Insolvenzgericht (§ 248 I); die Rechtskraft der Be-

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3 4

DiskE § 278 (S 141); RefE § 278 (S 161 f). 11 US Code § 1126(c): „ … at least twothirds in amount and more than half in number of the allowed claims …“. DiskE § 270 III, § 271 II (S 138); RefE § 270 III, § 271 II (S 158, 159). RegE § 289, BT-Drucks 12/2443, S 22, 54.

5 6 7 8 9

Vgl auch Frege/Nicht/Schildt FS Kübler, S 159, 165. Rechtsausschuss § 289, BT-Drucks 12/7302, S 104 f mit Begründung S 183 f. G v 5.10.1994, BGBl I, S 2866, 2897. G v 7.12.2011, BGBl I, S 2582. 11 US Code § 1126(d): „… at least twothirds in amount of the allowed interests …“.

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§ 244

Sechster Teil. Insolvenzplan

stätigung wiederum ist Voraussetzung dafür, dass die im gestaltenden Teil des Plans vorgesehenen Wirkungen eintreten (§ 254 I). Diese Annahme erfolgt gem Abs 1 und Abs 3 durch eine Abstimmung, bei der in jeder Gruppe die jeweils vorgesehene Mehrheit erreicht wird. Wurden ausnahmsweise keine Gruppen gebildet, so findet eine einheitliche Abstimmung statt, für die ebenfalls § 244 gilt.10

III. Mehrheitserfordernisse für Gläubiger (Abs 1, 2) 1. Grundregel (Abs 1)

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Nach der Grundregel des Abs 1 muss in jeder Gruppe sowohl Kopf- (Nr 1, Rn 9) als auch Summenmehrheit (Nr 2, Rn 10) erreicht werden. Dabei reicht jeweils die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger aus, nicht verlangt wird die Mehrheit aller Gläubiger oder aller erschienener Gläubiger (Rn 7 f).11 Für die Feststellung einer Mehrheit ist es nicht erforderlich, dass mindestens zwei Beteiligte eine Stimme abgeben; ausreichend, aber auch unverzichtbar, ist die Stimmabgabe durch mindestens einen Beteiligten.12

7

a) Abstimmende Gläubiger. Dass nach Abs 1 zur Mehrheitsbestimmung die relative Mehrheit der abstimmenden Gläubiger ausreicht, ist eine klare Weiterentwicklung gegenüber Konkurs- und Vergleichsordnung, die für die Berechnung der Kopfmehrheit immerhin nur die anwesenden Gläubiger zählten, bei der Berechnung der Summenmehrheit aber alle stimmberechtigten Gläubiger berücksichtigten, und eine Weiterentwicklung auch gegenüber der Gesamtvollstreckungsordnung, die für beide Mehrheiten auf die anwesenden Gläubiger abstellte. Der Gesetzgeber wollte damit verhindern, dass Gläubiger, die im Termin erscheinen, sich aber passiv verhalten, einen Einfluss auf das Ergebnis haben.13 8 Um einen abstimmenden Gläubiger handelt es sich sicher nur, wenn der Gläubiger überhaupt durch die Abgabe einer Stimme an der Abstimmung teilnimmt. Die Stimmenthaltung kann man dabei nicht als Stimmabgabe in diesem Sinne zählen. Denn der Gesetzgeber wollte passive Gläubiger gerade nicht relevant sein lassen. Der sich enthaltende Gläubiger wird also weder zur Bestimmung der Kopfmehrheit noch mit seiner Forderung zur Bestimmung der Summenmehrheit berücksichtigt.14 Da es ein Leichtes ist, die Stimmabgabe durch Bedingungen, Einschränkungen oder ähnliche Zusätze unwirksam zu machen, muss weiter verlangt werden, dass die Stimmabgabe wirksam ist. Abstimmende Gläubiger sind mithin nur Gläubiger, die durch die wirksame Abgabe einer Ja- oder NeinStimme an der Abstimmung über den Insolvenzplan teilnehmen.

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b) Doppeltes Mehrheitserfordernis. Die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger (Kopfmehrheit, Nr 1) stimmt zu, wenn sich mehr als die Hälfte der wirksam abgegebenen Jaoder Nein-Stimmen für den Plan aussprechen. Das Erfordernis der Kopfmehrheit soll ver10 11

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13

Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 244 Rn 1. S zur Legitimation der Mehrheitsmacht in der Gläubigergruppe Madaus Insolvenzplan S 220 ff. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 244 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 244 Rn 2; sa LG Neuruppin ZIP 1997, 2130; Wegener ZInsO 2002, 1157, 1158. Begr zu § 289 RegE (BT-Drucks 12/2443, S 208); einschränkend BK/Flöther InsO61

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§ 244 Rn 1: eine Gruppe dürfe sich insgesamt nicht passiv verhalten. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 244 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 244 Rn 4; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 244 Rn 3; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 244 Rn 2; MünchKomm/ Hintzen InsO3 § 244 Rn 5, 9; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 244 Rn 4; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 244 Rn 9.

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Erforderliche Mehrheiten

§ 244

hindern, dass wenige Großgläubiger zu viel Einfluss haben.15 Jeder Gläubiger hat im Rahmen der Abstimmung einer Gruppe eine Stimme, unabhängig davon, wie viele einzelne, dieser Gruppe zugehörige Forderungen ihm zustehen;16 dies gilt auch, wenn auf einen Gläubiger verschiedene Forderungen kraft Gesetzes übergegangen sind.17 Eine Forderung, die der Gläubiger nach Verfahrenseröffnung erworben hat, gewährt allerdings eine eigene Stimme.18 Innerhalb verschiedener Gruppen kann ein und derselbe Gläubiger unterschiedlich abstimmen; innerhalb einer Gruppe hingegen nur einheitlich.19 Bei gleicher Stimmenzahl fehlt es an einer mehrheitlichen Zustimmung nach Köpfen.20 Da Kopf- und Summenmehrheit kumulativ vorliegen müssen, kann auch eine überwältigende Summenmehrheit über das Fehlen der Kopfmehrheit nicht hinweghelfen; die Zustimmung dieser Gläubigergruppe fehlt endgültig.21 Die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger beträgt mehr als die Hälfte 10 der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger (Summenmehrheit, Nr 2), wenn unter den an der Abstimmung teilnehmenden Gläubigern, also den Gläubigern der unbestrittenen oder festgestellten Forderungen (näher §§ 237 f), so viele für den Plan stimmen, dass die Summe ihrer Forderungen mehr als 50 % der Summe aller Forderungen der wirksam mit Ja oder Nein abstimmenden Gläubiger beträgt. Unter der Insolvenzordnung reicht also die einfache Mehrheit aus; eine qualifizierte Mehrheit wie die frühere Dreiviertelmehrheit ist nicht gefordert. Der Gesetzgeber wollte hiermit verhindern, dass die Annahme eines Plans durch Verfahrensregeln übermäßig erschwert wird; zum Schutz der Minderheiten hielt er § 251 für ausreichend.22 Mehrere Forderungen eines Gläubigers, die derselben Gruppe angehören, werden addiert.23 Bei einer Zustimmung von exakt 50 % ist die erforderliche Mehrheit nicht erreicht.24 Fehlende Summenmehrheit kann auch nicht durch überwältigende Kopfmehrheit ausgeglichen werden, da Abs 1 ein doppeltes Mehrheitserfordernis aufstellt.25 2. Sonderfälle a) Gemeinschaftliche Rechtszuständigkeit (Abs 2 S 1 Alt 1). Gläubigern steht ein 11 Recht gemeinschaftlich zu, wenn sie hinsichtlich dieses Rechts in Gesamthandsgemein15

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Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 244 Rn 7; FK/Jaffé InsO9 § 244 Rn. 6; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 244 Rn 9; BK/Flöther InsO61 § 244 Rn 2. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 244 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 244 Rn 5; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 244 Rn 3; MünchKomm/ Hintzen InsO3 § 244 Rn 10; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 244 Rn 5. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 244 Rn 5; HambK/Thies InsO6 § 244 Rn 6; HK/Haas InsO9 § 244 Rn 5; aA Wohlleben Kölner Schrift InsO2 S 1655 Rn 49 ff; s ausführlich zum Pensions-Sicherungs-Verein Gerhardt ZIP 1988, 490. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 244 Rn 3. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 244 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 244 Rn 5;

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24 25

MünchKomm/Hintzen InsO3 § 244 Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 244 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 244 Rn 5 f; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 244 Rn 1; aA wohl HambK/Thies InsO6 § 244 Rn 5 mit der Begründung der Privatautonomie; sa BK/Flöther InsO61 § 244 Rn 8: rein akademische Diskussion. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 244 Rn 2; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 244 Rn 4; MünchKomm/ Hintzen InsO3 § 244 Rn 12. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 244 Rn 14. Begr zu § 289 RegE (BT-Drucks 12/2443, S 208). BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 244 Rn 5; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 244 Rn 1. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 244 Rn 13. MünchKomm/Hintzen InsO3 § 244 Rn 14.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

schaft stehen oder ein Fall der Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB) vorliegt.26 Ein Sicherheitenpool gewährt den an ihm beteiligten Einzelgläubigern somit stets nur ein Stimmrecht: Entweder ist er als Außen-GbR zu behandeln, sodass die GbR selbst Gläubigerin ist, oder er fällt als Innen-GbR unter die Regeln der Gesamthandsgemeinschaft.27 Unterliegt die Gläubigerposition ausländischem Recht, so ist zu fragen, ob die gemeinschaftliche Rechtszuständigkeit einer Gesamthandsgemeinschaft oder einer Gesamtgläubigerschaft funktional vergleichbar ist. 12 Gläubiger mit gemeinschaftlicher Rechtszuständigkeit werden bei der Abstimmung als ein Gläubiger gerechnet (so schon § 72 I S 1 VglO). Dies bedeutet, dass bei der Feststellung der Mehrheiten diese Forderung wie die Forderung eines einzigen Gläubigers zählt. Die gilt zunächst für die Kopfmehrheit, bei der es unmittelbar auf die Gläubigerzahl ankommt. Es gilt aber auch für die Summenmehrheit insofern, als für eine solche Forderung nur eine einheitliche Stimmabgabe möglich ist. Dass der Rechtausschuss glaubte, die Regelung des Abs 2 sei nur für die Feststellung der Kopfmehrheit erforderlich,28 steht dem nicht entgegen. 13 Ob diese gemeinschaftlich berechtigten Gläubiger dem Plan zustimmen oder nicht, bestimmt sich nach den Regeln, die allgemein das Außenverhältnis der jeweiligen Art gemeinschaftlicher Berechtigung regieren.29 Bei unterschiedlicher Stimmabgabe mehrerer im Außenverhältnis zur Stimmabgabe berechtigter Gläubiger ist die Stimmabgabe insgesamt unwirksam; die Forderung wird weder für die Kopf- noch die Summenmehrheit berücksichtigt.30

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b) Einheitliches Recht bis zum Eintritt des Eröffnungsgrunds (Abs 2 S 1 Alt 2). Zahlungsansprüche können idR ohne Weiteres durch Teilabtretung auf mehrere Rechtsinhaber aufgespalten werden;31 auch bei anderen Rechten ist eine Teilung häufig möglich. Eine solche Teilung hat zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf die Summenmehrheit. Sie wirkt sich aber auf die Kopfmehrheit aus, indem die Zahl der Gläubiger erhöht wird. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, die Gläubiger nicht geteilter Forderungen nicht zu benachteiligen32 und nicht zuletzt um Manipulationen zu verhindern,33 muss ein Zeitpunkt festgelegt werden, ab dem ein Recht ungeachtet späterer Teilungen als ein einziges Recht behandelt wird.34 Als diesen Zeitpunkt legt Abs 2 S 1 Alt 2 den Eintritt des Eröffnungsgrunds fest. Rechtfertigen lässt sich diese Festlegung dadurch, dass sie an den Tatbestand anknüpft, der Ursache für die Verbindung der Gläubiger in der verfahrensrechtlichen

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 244 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 244 Rn 16; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 244 Rn 30 f; HK/Haas InsO9 § 244 Rn 8. IE wie hier Braun/Braun/Frank InsO7 § 244 Rn 8; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 244 Rn 11, 20. Rechtsausschuss, BT-Drucks 12/7302, S 164, 183 f. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 244 Rn 3 aE; Braun/Braun/Frank InsO7 § 244 Rn 10. Braun/Braun/Frank InsO7 § 244 Rn 10; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 244 Rn 7; MünchKomm/

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Hintzen InsO3 § 244 Rn 18; HambK/Thies InsO6 § 244 Rn 9; FK/Jaffé InsO9 § 244 Rn. 16; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 244 Rn 7. S nur Jauernig/Stürner BGB15 § 398 Rn. 8. Vgl Frege/Nicht/Schildt FS Kübler, S 159, 160: „Mediatisierungseffekt“. FK/Jaffé InsO9 § 244 Rn 18; Schiessler Insolvenzplan S 163. Frege/Nicht/Schildt FS Kübler, S 159, 160, 165–167; Braun/Braun/Frank InsO7 § 244 Rn 9; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 244 Rn 7; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 244 Rn 15.

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Erforderliche Mehrheiten

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„Schicksalsgemeinschaft“35 bildet;36 andere Zeitpunkte wie der Zeitpunkt der Antragstellung oder der Verfahrenseröffnung wären zufällig und manipulierbar. Abzustellen ist mithin auf denjenigen Eröffnungsgrund, der zur Eröffnung des konkre- 15 ten Insolvenzverfahrens geführt hat. Unerheblich ist damit ein anderer Eröffnungsgrund, auf den sich das Insolvenzgericht zur Verfahrenseröffnung nicht gestützt hat. Ebenfalls unerheblich ist ein Eröffnungsgrund, der eine frühere Verfahrenseröffnung erlaubt hätte, dann aber wieder weggefallen war und erst später erneut eintrat, um zur Eröffnung des neuen Verfahrens zu führen. Obwohl materiellrechtlich selbständig, können die Inhaber eines früher einheitlichen 16 Rechts nur ein einheitliches Votum abgeben; einigen sie sich nicht und stimmen sie unterschiedlich, so bleibt die Stimmabgabe insgesamt – dh für Kopf- wie Summenmehrheit – unberücksichtigt.37 Dies müsste nicht so sein, folgt aber aus der Anordnung des Abs 2 S 1, wonach die Gläubiger als ein Gläubiger gerechnet werden. Insoweit ist Abs 2 S 1 also wiederum nicht nur für die Kopfmehrheit, sondern auch für die Summenmehrheit relevant (vgl Rn 12). Wie die Gläubiger zu einem einheitlichen Votum kommen, ist weder insolvenzrechtlich noch materiellrechtlich geregelt; außerhalb des Insolvenzverfahrens treten die Gläubiger nicht gemeinsam auf, sodass im Unterschied zur gemeinschaftlichen Rechtszuständigkeit Regeln des materiellen Rechts über das Außenverhältnis fehlen. Aus §§ 226, 242 BGB wird sich nur ausnahmsweise eine Pflicht zur Kooperation ableiten lassen. Es empfiehlt sich daher, bei Teilabtretungen von Forderungen gegen Schuldner, bei denen ein Insolvenzverfahren im Raum steht, Vereinbarungen über das Abstimmverhalten oder das Verfahren zur Entscheidungsfindung zu treffen. Die Tatsache, dass es sich materiellrechtlich um selbständige Forderungen handelt, er- 17 laubt es indes, bei Stimmabgabe durch nur einen Teilgläubiger oder einheitlicher Stimmabgabe durch mehrere der Teilgläubiger und Abwesenheit oder Enthaltung der übrigen Teilgläubiger diese Stimmen zu berücksichtigen. Es ist dann bei der Bestimmung der Kopfmehrheit die Stimme als eine Stimme zu zählen; bei der Berechnung der Summenmehrheit sind indes nur die Forderungsteile einzustellen, die auf den oder die abstimmenden Teilgläubiger entfallen.38 c) Pfandrecht oder Nießbrauch (Abs 2 S 2). Auch Gläubiger und Pfandgläubiger sowie 18 Gläubiger und Nießbraucher werden aufgrund des Verweises in Abs 2 S 2 nur als ein Gläubiger gerechnet. Dies entspricht den §§ 1071, 1070, 1276, 1281 BGB, die materiellrechtlich für Verfügungen sowie für die Leistung des Schuldners einheitliches Handeln verlangen.39 Wessen Erklärung in der Abstimmung entscheidet, bestimmt sich nach den Regeln über das Außenverhältnis. Im praktisch wohl wichtigsten Fall, in dem der Plan einen vollständigen oder teilweisen Verzicht vorsieht, bedarf es daher der Zustimmung des Pfandgläubigers bzw Nießbrauchers (vgl §§ 1071, 1276 BGB); ohne diese Zustimmung ist die Stimmabgabe des Inhaber des mit dem Nießbrauch belasteten Rechts unwirksam.

35 36 37

BGH NZI 2006, 100 Rn 15; 2015, 697 Rn 26. Frege/Nicht/Schildt FS Kübler, S 159, 163, 166. Frege/Nicht/Schildt FS Kübler, S 159, 166 f; MünchKomm/Hintzen InsO3 § 244 Rn 18, anders aber wohl Rn 19.

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Wie hier Frege/Nicht/Schildt FS Kübler, S 159, 167 mit Beispiel; wohl auch FK/Jaffé InsO9 § 244 Rn. 18. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 244 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 244 Rn 11.

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§ 244

Sechster Teil. Insolvenzplan

IV. Mehrheitserfordernisse für Anteilsinhaber (Abs 3) 1. Grundregel

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Für die Anteilsinhaber (§ 225a) gilt gem Abs 3 lediglich Abs 2 Nr 2 entsprechend. Es entscheidet also – insoweit wie in den USA40 – allein die Summenmehrheit, nicht die Kopfmehrheit.41 Da die Anteilseigner keine Gläubiger sind, berechnet sich die Summe statt nach den Ansprüchen nach der Beteiligung am Kapital bzw Vermögen (dazu § 238a Rn 3 ff). Die Zustimmung einer Gruppe der Anteilseigner liegt damit vor, wenn mehr als 50 % des abstimmenden Kapitals bzw Vermögens – nicht etwa des eingetragenen Kapitals – dem Plan zugestimmt haben.42 Damit ist im Regelfall ein Gleichlauf mit den Abstimmungsregeln des materiellen Rechts, insbesondere des Gesellschaftsrechts, erreicht.43 Denn dort werden Beschlüsse regelmäßig mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, wobei sich das Stimmgewicht nach der kapitalmäßigen Beteiligung richtet (zB §§ 133 I, 134 I S 1 AktG; § 47 I, II GmbHG). 2. Sonderfälle

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Abs 3 verweist zwar nicht auf Abs 2. Für die Fälle gemeinschaftlicher Berechtigung an einem Anteils- oder Mitgliedschaftsrecht sowie für die Fälle eines Nießbrauchs oder Pfandrechts muss aber wiederum gelten, dass für jede Beteiligung nur eine Stimme abgegeben werden kann.44

V. Abstimmungsergebnisse und Folgen 21

Haben alle Gruppen für den Plan gestimmt, wird das das Insolvenzgericht den Plan bestätigen, wenn nicht der Schuldner widerspricht, die Prüfung nach § 250 InsO ergibt, dass die Bestätigung von Amts wegen zu versagen ist, oder ein Minderheitenschutzantrag gem § 251 zur Versagung der Planbestätigung zwingt. 22 Hat die Mehrheit der Gruppen für den Plan gestimmt (vgl § 245 I Nr 3), wurde er aber von einer oder mehreren Gruppen abgelehnt, so ist eine Fiktion der fehlenden Gruppenzustimmung nach §§ 245–246a zu prüfen.45 Umstritten ist, ob bei der Mehrheitsbestimmung iRd § 245 I Nr 3 auch eine Gruppe als zustimmend zu zählen ist, in der sich kein Mitglied an der Abstimmung beteiligt hat; dies ist angesichts des § 246 Nr 2 zu bejahen.46 Kann die Zustimmung fingiert werden, so gilt dasselbe wie bei einstimmiger Zustimmung (Rn 21). Ansonsten ist der Plan endgültig abgelehnt, die Bestätigung daher zu versagen. In diesem Fall läuft das Regelinsolvenzverfahren weiter.

40 41

42 43

Vgl 11 US Code § 1126(d). Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 244 Rn 43; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 244 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 244 Rn. 31; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 244 Rn 11; zweifelnd MünchKomm/Hintzen InsO3 § 244 Rn 4. FK/Jaffé InsO9 § 244 Rn. 30; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 244 Rn 10. BT-Drucks 17/5712, S 34; Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 244 Rn 4; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 244 Rn 12.

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44 45 46

47

IE wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 244 Rn 10. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 244 Rn 13; HK/Haas InsO9 § 244 Rn 15. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 244 Rn 3; aA MünchKomm/Hintzen InsO3 § 244 Rn 9; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 244 Rn 3. HK/Haas InsO9 § 244 Rn 14.

Christoph Kern

Obstruktionsverbot

§ 245

Hat die Mehrheit der Gruppen den Plan abgelehnt oder ist die Zahl der zustimmenden 23 Gruppen gleich der Zahl der ablehnenden Gruppen, ist diese Ablehnung endgültig. Dem Plan ist die Bestätigung zu versagen, und das Regelinsolvenzverfahren ist fortzuführen.47

§ 245 Obstruktionsverbot (1) Auch wenn die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht worden sind, gilt die Zustimmung einer Abstimmungsgruppe als erteilt, wenn 1. die Angehörigen dieser Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden, 2. die Angehörigen dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll, und 3. die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat. (2) Für eine Gruppe der Gläubiger liegt eine angemessene Beteiligung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 vor, wenn nach dem Plan 1. kein anderer Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen, 2. weder ein Gläubiger, der ohne einen Plan mit Nachrang gegenüber den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, noch der Schuldner oder eine an ihm beteiligte Person einen wirtschaftlichen Wert erhält und 3. kein Gläubiger, der ohne einen Plan gleichrangig mit den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, bessergestellt wird als diese Gläubiger. (3) Für eine Gruppe der Anteilsinhaber liegt eine angemessene Beteiligung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 vor, wenn nach dem Plan 1. kein Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen, und 2. kein Anteilsinhaber, der ohne einen Plan den Anteilsinhabern der Gruppe gleichgestellt wäre, bessergestellt wird als diese. Materialien: DiskE § 279 (S 141 f); RefE § 279 (S 162 f); RegE § 290 (BT-Drucks 12/2443, S 55); Rechtsausschuss § 290 (BT-Drucks 12/7302, S 105); DiskE ESUG § 245 nF (Hirte/Knof/Mock Das neue Insolvenzrecht nach dem ESUG, S 75 f); RegE ESUG § 244 nF (BT-Drucks 17/5712, S 10). Vorgängerregelungen: Keine. Literatur Andrianesis Zur Dogmatik der Einbeziehung der Gesellschafterrechte in den Insolvenzplan, WM 2017, 362; Bork Grundfragen des Restrukturierungsrechts, ZIP 2010, 397; Börner/Terpitz Insolvenzplanverfahren, Handbuch Unternehmensrestrukturierung (2006) S 1283; Braun Das Kernstück der neuen Insolvenzrechtsreform: Der Sanierungsplan, Festschrift zum 15jährigen Bestehen der Fachrichtung Steuern und Prüfungswesen der Berufsakademie Villingen-Schwenningen (1995) S 333; ders Das Obstruktionsverbot in der Praxis: Ein überzeugender Start, NZI 1999, 473; Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz (1997); Brinkmann Wege aus der Insolvenz eines Unternehmens – oder: Die Gesellschafter als Sanierungshindernis, WM 2011, 97; Brockdorff/Heintze/Rolle „Change of Control“ im Planinsolvenzverfahren – verbesserte Chancen für Gesellschafter und Investoren durch das ESUG, BB 2014, 1859; Brüning Gesellschafter im Insolvenzplan (2006); Bruns Grundpfandrechte im Insolvenzplanverfahren – das Ende deutscher Immobiliarsicherheiten? KTS 2004, 1; Büchele Eingriff in Gesell-

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§ 245

Sechster Teil. Insolvenzplan

schafterrechte im Insolvenzplan (2011); Burger Das deutsche „einheitliche Insolvenzverfahren“ unter besonderer Berücksichtigung des Insolvenzplans, FS Koren (1993) S 363; Burger/Schellberg Der Insolvenzplan im neuen Insolvenzrecht, DB 1994, 1833; Drukarczyk Probleme des Reorganisationsverfahrens: Bewertung, best interest test und Verlustvorträge, Unternehmen in der Krise (2004) 129; Drukarczyk/Schöntag Insolvenzplan, optionsbasierte Lösungen, Verlustvorträge und vom Gesetzgeber verursachte Sanierungshemmnisse, FS Hartmut Schmidt (2009) S 649; Eidenmüller Die Banken im Gefangenendilemma: Kooperationspflichten und Akkordstörungsverbot im Sanierungsrecht, ZHR 160 (1996) 343; ders Der Insolvenzplan als Vertrag, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 15 (1996) S 164; ders Prognoseentscheidungen im Insolvenzplanverfahren: Verfahrenslähmung durch Minderheitenschutz? NJW 1999, 1837; ders Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz (1999); ders Gesellschafterstellung und Insolvenzplan, ZGR 2001, 680; ders Obstruktionsverbot, Vorrangregel und Absonderungsrechte, FS Drukarczyk (2003) S 187; Eidenmüller/Engert Reformperspektiven einer Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (Debt-Equity Swap) im Insolvenzverfahren, ZIP 2009, 541; Evers/Möhlmann Feststellung eines Insolvenzplans, ZInsO 1999, 21; Fassbach Die „cram down power“ des amerikanischen Konkursgerichts im Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code: Vorbild für das Obstruktionsverbot in der deutschen Insolvenzordnung (1997); Flessner Sanierung und Reorganisation (1982); Fritzsche Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag (2017); Funke Der Insolvenzplan des Entwurfs der Insolvenzordnung im Lichte der Erfahrungen mit dem amerikanischen Reorganisations- und Schuldentilgungsrecht, FS Helmrich (1994) S 627; Haarmeyer/Wutzke/Förster Handbuch zur Insolvenzordnung InsO/EGInsO3 (2001); Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004); Henckel Deregulierung im Insolvenzverfahren? KTS 1989, 477; Heublein Die sofortige Beschwerde gegen die Insolvenzplanbestätigung – „Superobstruktion“ durch die Hintertür? NZI 2005, 381; Hinrichs Insolvenzbewältigung durch Optionen (2002); Jungmann Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz (2004); ders Schlechterstellungsverbote im Insolvenzplanverfahren – Zum Verhältnis und Verständnis der §§ 245 und 251 InsO – KTS 2006, 135; Justizministerkonferenz Vorschläge der Justizministerkonferenz zur Vereinfachung des neuen Insolvenzverfahrens, ZIP 1997, 1207; Kaltmeyer Der Insolvenzplan als Sanierungsmittel des Schuldners (Teil I) ZInsO 1999, 255; ders Der Insolvenzplan als Sanierungsmittel des Schuldners (Teil II) ZInsO 1999, 316; Koch/de Bra Der Ablauf des Insolvenzplanverfahrens, InsR-Hb5 § 68; Madaus Keine Reorganisation ohne die Gesellschafter, ZGR 2011, 749; ders Der Insolvenzplan (2011); Maus Der Insolvenzplan, Kölner Schrift InsO2 S 931; H-F Müller Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen im Insolvenzplan, KTS 2012, 419; Niering Sozialplanansprüche als Stolperstein im Insolvenzplan, NZI 2010, 285; Schiessler Der Insolvenzplan (1997); Karsten Schmidt Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht im ESUG-Entwurf, BB 2011, 1603; Schröder Keine Pflicht des eigenverwaltenden Schuldners zum DualTrack-Prozess, ZInsO 2018, 668; Schröder/Rabenhorst Darf dem Schuldner nach dem Insolvenzplan ein wirtschaftlicher Wert verbleiben? ZInsO 2017, 1769; Simon Der Debt Equity Swap nach dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) Corporate Finance Law 2010, 448; Skauradszun/Spahlinger/Tressert Insolvenzpläne auf dem Prüfstand, DZWIR 2015, 539; Smid Gerichtliche Bestätigung des Insolvenzplans trotz Versagung seiner Annahme durch Abstimmungsgruppen von Gläubigern, FS Pawlowski (1997) S 387; ders Sanierungsverfahren nach neuem Insolvenzrecht, WM 1998, 2489; ders Thesen zu Kreditsicherheiten in Insolvenz, übertragender Sanierung und Reorganisation, WM 2002, 1033; ders Stellung der Grundpfandrechtsgläubiger, Zwangsversteigerung und Schuldenreorganisation durch Insolvenzplan. Bemerkungen zu § 245 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 InsO, FS Gerhardt (2004) S 931; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 (2015); Spetzler Insolvenzrechtsreform und Bankenreorganisation, KTS 2010, 433; Spliedt Debt-Equity-Swap und weitere Strukturänderungen nach dem ESUG, GmbHR 2012, 462; Stöber Die Kompetenzverteilung bei Kapitalerhöhungen im Insolvenzverfahren, ZInsO 2012, 1811; Stürner Aufstellung und Bestätigung des Insolvenzplans, Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S 41; Thole Der Debt Equity Swap bei der Restrukturierung von Anleihen, ZIP 2014, 2365; Undritz Restrukturierung in der Insolvenz, ZGR 2010, 201; Verse Anteilseigner im Insolvenzverfahren, ZGR 2010, 299; von Spee Gesellschafter im Reorganisationsverfahren (2014); Warrikoff Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzplan, KTS 1997, 527; Warringsholz Die angemessene Beteiligung der Gläubiger an dem wirtschaftlichen Wert der Masse aufgrund eines Insolvenzplanes (2005); Wegener Sanierungshindernisse durch mangelnde Gläubigerbeteiligung im Planverfahren – Zur Auslegung der §§ 244, 245 InsO – ZInsO 2002, 1157; Wieneke/ Hoffmann Der Erhalt der Börsennotierung beim echten und unechten Debt Equity Swap in der Insolvenz der börsennotierten AG, ZIP 2013, 697; Wittig Obstruktionsverbot und Cram Down – § 245 InsO im Lichte der LaSalle Street Entscheidung des U.S. Supreme Court v. 3.5.1999 – ZInsO 1999, 373.

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§ 245

Obstruktionsverbot

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . II. Verfehlen der Mehrheitserfordernisse . . III. Zustimmungsfiktion . . . . . . . . . . . IV. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Schlechterstellung . . . . . . . a) Hintergründe . . . . . . . . . . . b) Schlechterstellung . . . . . . . . . aa) Stellung ohne Plan . . . . . . bb) Stellung mit Plan . . . . . . . cc) Bewertungsunsicherheiten . . dd) Beispiele . . . . . . . . . . . c) Doppelte Prognosenotwendigkeit d) Gerichtliche Prüfung und non liquet . . . . . . . . . . . . . . . 2. Angemessene Beteiligung . . . . . . . a) Hintergründe . . . . . . . . . . . b) Wirtschaftlicher Wert, der den Beteiligten zufließen soll . . . . . c) Angemessenheit der Beteiligung .

Rn. 1 1 2 5 6 8 9 11 14 15 17 20 21 23

aa) Gläubigergruppen (Abs 2) . . (1) Keine „Überbefriedigung“ (Abs 2 Nr 1) (2) Wahrung der Verteilungsreihenfolge des Regelinsolvenzverfahrens (Abs 2 Nr 2) . . . . . . . (3) Keine Besserstellung ranggleicher Gläubiger (Abs 2 Nr 3) . . . . . . . bb) Gruppen von Anteilsinhabern (Abs 3) . . . . . . . . . . . . (1) Keine „Überbefriedigung“ (Abs 3 Nr 1) (2) Keine Besserstellung „gleichrangiger“ Anteilsinhaber (Abs 3 Nr 2) . . d) Gerichtliche Prüfung und non liquet . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zustimmung der Mehrheit der abstimmenden Gruppen . . . . . . .

27 29 31 32 33

Rn. 34 36

38

43 45 46

48 49 50

Alphabetische Übersicht Gleichheit 12, 31, 44 Kaufangebot 16 Liquidationswert 11, 16, 49 Minderheitenschutz 5, 9 new value exception 40 Planmehrwert 32, 49 Rechtspolitische Kritik 44, 50 Restschuldbefreiung 24, 43 Sachverständige 18 Salvatorische Klauseln 19 Sofortige Beschwerde 5, 9 Übertragende Sanierung 16 Verfassungsrechtliche Vorgaben 13 Vergleichsmaßstab 14 Vermögensgesamtheiten 16 Werterhaltungsprinzip 11 Wirtschaftliche Gesamtbetrachtung 14, 19 Zerschlagungswert 16

absolute priority rule 30, 38 Absonderungsrechte 21 f, 39 Abwägung 33 Amtsermittlungsgrundsatz 27 f, 49 Ausgleichsmaßnahmen 19 best interest test 2, 10 Beweislast 27 f Beweismaß 27 f Debt-Equity-Swap 8, 17, 36, 40, 43, 47 Durchführbarkeit 27 f Eigentumsschutz 13 Ermittlungsmaßnahmen 27 f, 49 fair and equitable-Kriterium 30 feasibility 27 f Fiktion 6 Fortführungswert 16 Freiheit 11, 31, 44 Gerichtliche Entscheidung 7 Gleichbehandlungsgrundsatz 13, 31

I. Einleitung 1. Überblick § 245 ist eine zentrale Norm des Insolvenzplanverfahrens,1 da er unter drei Vorausset- 1 zungen die fehlende Zustimmung einer Gruppe im Wege der Fiktion überwindet. Abs 1 stellt für alle Arten von Gruppen diese drei Voraussetzungen auf (Rn 8 ff). Die zweite dieser drei Voraussetzungen wird in Abs 2 für die Gläubiger (Rn 28 ff) und in Abs 3 für die

1

K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 1.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Anteilsinhaber (Rn 39 ff) näher definiert. Die amtliche Überschrift „Obstruktionsverbot“ lässt den Regelungsgehalt der Norm allenfalls erahnen (Rn 6). Der Sache nach geht es ihr darum, das Interesse der zustimmenden Mehrheit an einer Verringerung des Störpotentials einzelner Gruppen und das Interesse der ablehnenden Minderheit an einem Schutz ihrer Position auszutarieren.2 2. Entstehungsgeschichte

2

Ob überhaupt und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, die Annahme eines Plans auch ohne die Zustimmung einer Gruppe möglich sein sollte, wurde im Vorfeld der Insolvenzrechtsreform intensiv diskutiert.3 Bezugspunkt der Diskussion war dabei das US-amerikanische Recht (§ 243 Rn 3), das im Chapter 11 des Bankruptcy Code unter gewissen Voraussetzungen eine gerichtliche Planbestätigung schon bei Zustimmung nur einer Gruppe erlaubt (Münch Vor §§ 217–269 Rn 153).4 Die Kommission für Insolvenzrecht stand in ihrem 1985 vorgelegten Ersten Bericht der Lösung des Bankruptcy Code mit seiner freien Gruppenbildung und richterlichem „cram down“ bei gleichzeitigem „best interest test“ und verstärktem Minderheitenschutz noch ablehnend gegenüber.5 Die Entwürfe näherten sich dann aber stark an das US-amerikanische Recht an – eine Richtung, die mit der jüngsten Reform durch das ESUG fortgesetzt wurde (näher sogleich Rn 3 f). Hierin spiegelt sich auch die wirtschafts- und gesamtpolitische Orientierung der Bundesrepublik, insbesondere die stärkere Ausrichtung an der Idee einer marktgesteuerten Wirtschaft in den 1990er und 2000er Jahren,6 wider. 3 Die Entwürfe enthielten bereits eine Vorschrift, die den heutigen Absätzen 1 und 2 weitgehend entsprach. Lediglich in Abs 1 Nr 3 folgten sie noch stärker dem US-amerikanischen Vorbild, indem sie die Zustimmung einer anderen Gruppe ausreichen ließen.7 Der Rechtsausschuss meinte, die Zustimmung nur einer Gruppe erscheine „als eine zu schwache Grundlage für einen Plan“, und forderte die Zustimmung der Mehrheit der abstimmenden Gruppen.8 In dieser Form wurde die Vorschrift Gesetz, wobei noch vor Inkrafttreten durch Art 2 Nr 12 EGInsOÄndG9 in Abs 1 Nr 1 das Wort „voraussichtlich“ eingefügt wurde. 4 Anders als das US-amerikanische Recht, das die Einbeziehung der Rechte von Anteilseignern schon lange kannte, eröffnete in Deutschland erst das ESUG10 diese Möglichkeit (Münch Vor §§ 217–269 Rn 9, 129, 136). Da vom Plan berührte Anteilseigner (§ 225a II, III) eine oder mehrere eigene Gruppen bilden (§ 222 I Nr 4) und ihnen ein Stimmrecht zusteht (§ 238a), wollte der Gesetzgeber das Merkmal der angemessenen Beteiligung iSd

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5

Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 1; MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 2; Koch/de Bra InsR-Hb5 § 68 Rn 51; Smid FS Pawlowski, S 387, 392 f. S schon § 243 Rn 3. Krit etwa Häsemeyer Insolvenzrecht1 (1992) S 78 („Die gesetzliche Haftungsordnung darf nicht der Gläubigerwillkür nach Maßgabe des Mehrheitsprinzips überantwortet werden“); Stürner S 46 ff. Näher 11 US Code § 1129(a)(10), (b); dazu etwa Coogan, 32 Case W. Res. L. Rev. 301, 352 et seq. (1982). Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht (1985), S 158 f, 267; zum Ersten Be-

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6 7

8

9 10

richt auch MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 6. Allg Stürner, Markt und Wettbewerb (2007), passim. DiskE § 279 (S 141 f); RefE § 279 (S 162 f); RegE § 290 I Nr 3 (BT-Drucks 12/2443, S 55). Rechtsausschuss § 290 I Nr 3, BTDrucks 12/7302, S 105; Zitat aus der Erl S 184; für ein Mehrheitserfordernis schon Flessner Sanierung und Reorganisation S 280 f. G v 19.12.1998, BGBl I, S 3836. G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582.

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Obstruktionsverbot

§ 245

Abs 1 Nr 2 auch für die Gruppen der Anteilseigner näher bestimmen. Zu diesem Zweck fügte Art 1 Nr 31 lit b ESUG dem § 245 einen neuen Abs 3 an; Art 1 Nr 31 lit a ESUG brachte Abs 1 mit der Ersetzung von „Gläubiger“ durch „Angehörigen“ in eine neutrale, auf Gläubiger wie Anteilsinhaber passende Form.

II. Verfehlen der Mehrheitserfordernisse § 245 gilt in allen Fällen, in denen in einer Abstimmungsgruppe die Mehrheitserforder- 5 nisse des § 244 nicht erreicht wurden. Bei Gläubigergruppen sind somit das Verfehlen der Kopfmehrheit, das Verfehlen der Summenmehrheit oder das Verfehlen beider Mehrheiten erfasst, bei Gruppen von Anteilseignern das Verfehlen der Summenmehrheit. Die Ablehnung des Plans durch einzelne Beteiligte ist schon nach § 244 unerheblich, soweit in der Gruppe die erforderlichen Mehrheiten erreicht wurden. Geschützt werden einzelne Beteiligte allerdings unter teils ähnlichen, aber engeren Voraussetzungen durch den Minderheitenschutz gem § 251, der für den einzelnen Beteiligten zwar ebenfalls einen Schutz vor Schlechterstellung, jedoch – anders als § 245 für eine Gruppe – keine angemessene Beteiligung garantiert, und die sofortige Beschwerde gem § 253, die überdies im hier einschlägigen Fall einer Beschwerde gegen die Planbestätigung engen Zulässigkeitsvoraussetzungen unterliegt.11

III. Zustimmungsfiktion Sind die Voraussetzungen des Abs 1 erfüllt, gilt die Zustimmung einer Gruppe, in der 6 die erforderliche Mehrheit nicht erreicht wurde, als erteilt; das Fehlen der Zustimmung dieser Gruppe steht dann der Planbestätigung, welche die Annahme durch die Beteiligten voraussetzt (§ 248 I), nicht entgegen. Entgegen der Überschrift12 handelt es sich also um kein Verbot, sondern eine Fiktion.13 Eine Vorschrift, die ein bestimmtes Abstimmungsverhalten verbietet, könnte die Gedanken des § 245 kaum umsetzen. Denn eine „Obstruktion“ iSd § 245 liegt nur vor, wenn die Voraussetzungen des Abs 1 gegeben sind. Es können jedoch niemals die Angehörigen aller Gruppen im Zeitpunkt ihrer Abstimmung wissen, ob die Mehrheit der anderen abstimmenden Gruppen „dem Plan zugestimmt hat“ (Abs 1 Nr 3), dh für die zuerst abstimmenden Gruppen „dem Plan zustimmen wird“. Auch ordnet die Vorschrift keine Sanktion für ein Fehlverhalten an. Vielmehr greift sie zu einer Fiktion, die eine Obstruktion gleichsam von selbst verhindert. Über die Frage, ob die Zustimmung einer Gläubigergruppe nach § 245 fingiert wird, 7 ergeht keine selbständige gerichtliche Entscheidung. Auch wenn das Gericht irrig eine solche Entscheidung ausspricht, kann diese nicht angefochten werden.14 Vielmehr ist bei der Prüfung, ob ein Insolvenzplan zu bestätigen ist, im Falle einer Ablehnung des Plans durch 11

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13

K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 2; MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 16. Krit zur Überschrift auch Braun/Uhlenbruck Unternehmensinsolvenz S 609 f; HK/Haas InsO9 § 245 Rn 2. Für § 245 InsO als Ausprägung des Schikaneverbots aber Fritzsche Insolvenzplan als Vertrag S 101 f.

14

LG Göttingen NZI 2005, 41, 43; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 12; Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 24; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 38; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 3.

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§ 245

Sechster Teil. Insolvenzplan

eine Gruppe die Zustimmungsfiktion zu prüfen; greift diese ein, so wird dies möglichst schon im Protokoll, jedenfalls aber in den Gründen des Beschlusses über die Planbestätigung ausgeführt (§ 248 Rn 25).15

IV. Voraussetzungen 8

Die Rechtsfolge, dh die Fiktion der Zustimmung einer Gruppe, in der die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht wurden, tritt nur unter den drei Voraussetzungen des Abs 1 ein. Diese Voraussetzungen müssen sämtlich (kumulativ) erfüllt sein.16 Dabei differenziert Abs 1 nicht zwischen den Gruppen der Gläubiger und den Gruppen der Anteilseigner. Dies hat zur Folge, dass massebezogene gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, insbesondere eine Kapitalerhöhung im Rahmen eines Debt-Equity-Swap, bei der – meist gegebenen (vgl Rn 22 aE) – Erfüllung der Voraussetzungen des § 245 auch ohne Zustimmung der Anteilseigner möglich sind, was man letztlich als mit den Grundrechten sowie der Kapitalrichtlinie als vereinbar wird ansehen müssen (sa Rn 13).17 1. Keine Schlechterstellung

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Nach Abs 1 Nr 1 dürfen die Angehörigen der Gruppe, deren Zustimmung ersetzt werden soll, durch den Plan „voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden“. Die Stellung ohne Plan ist also die „untere Grenze“ dessen, was eine Gruppe soll befürchten müssen.18 Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz zwar von den „Angehörigen dieser Gruppe“ spricht, aber der einzelne Beteiligte schon innerhalb seiner Gruppe überstimmt werden kann (§ 244) und dann nur noch Minderheitenschutz gem § 251 begehren oder unter nunmehr engen Voraussetzungen eine sofortige Beschwerde gem § 253 anstrengen kann (Rn 5). 10 Ein ähnliches Kriterium kennt das US-amerikanische Recht in Gestalt des „best interest test“. Danach ist eine Planbestätigung nur zulässig, wenn eine durch den Plan betroffene Gruppe entweder dem Plan zugestimmt hat oder soviel erhält oder behalten darf, wie sie auch bei einem Liquidationsverfahren unter Chapter 7 des Bankruptcy Code hätte.19

11

a) Hintergründe. Dieser Voraussetzung liegen Freiheits- und Gleichheitsüberlegungen zugrunde, die letztlich auf Art 14 und Art 3 GG zurückgeführt werden können. Zum einen

15 16

17

LG Göttingen NZI 2005, 41, 43; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 3. OLG Köln NZI 2001, 660, 661 f; LG Göttingen NZI 2005, 41, 42; LG Traunstein NZI 1999, 461, 462; AG Köln NZI 2018, 108, 110; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 2; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 245 Rn 5; Hess/Groß/Reill-Ruppe u.a./Groß Insolvenzplan4 Rn 1458; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 1, 4; krit Smid/Rattunde/ Martini Der Insolvenzplan4 Rn. 18.80 ff. Krit zu der Fiktion der Zustimmung der Anteilsinhaber Madaus ZGR 2011, 749 ff;

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K Schmidt BB 2011, 1603, 1608; Stöber ZInsO 2012, 1811, 1818 ff; positiv zu einer solchen Regelung und für Verfassungs- und Europarechtskonformität hingegen Bork ZIP 2010, 397, 408; Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 549 f; Spliedt GmbHR 2012, 462, 466; Verse ZGR 2010, 299, 305 ff. MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 15 f; HK/Haas InsO9 § 245 Rn 8; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 245 Rn 10. 11 US Code § 1129(a)(7)(A) bzw für Sicherheiten 11 US Code § 1129(a)(7)(B) iVm 11 US Code § 1129(b)(1).

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wird die Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich20 geschützt: Eine voraussehbare Verkürzung vermögensrechtlicher Positionen gegen den Willen der Betroffenen soll ausgeschlossen werden. Den Beteiligten wird somit der Liquidationswert garantiert („Werterhaltungsprinzip“).21 Zum anderen wird „nach unten“ hin die Gleichheit der Beteiligten gewahrt. Denn die 12 Schlechterstellung einer Gruppe hat typischerweise die Besserstellung des Schuldners oder anderer Beteiligter zur Folge. Das Insolvenzverfahren beruht aber auf dem Gedanken einer – richtig verstandenen, nämlich nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen zulassenden – Gleichbehandlung. Dieser Grundgedanke soll nicht durch eine Mehrheitsentscheidung gegen den Willen der Betroffenen verlassen werden. Der Ausschluss der Zustimmungsfiktion bei jeder voraussichtlichen Schlechterstellung 13 wird verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht. Ob eine so strenge Regelung auch geboten ist, ist für das geltende Recht ohne Belang. Unzulässig wäre es sicher, würden Eigentumsschutz und Gleichbehandlungsgrundsatz gänzlich ausgehebelt. Man wird aber annehmen müssen, dass den Beteiligten von Verfassungs wegen maßvolle Abstriche gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren zugemutet werden könnten, wenn hierfür kollidierendes Verfassungsrecht streitet. Allerdings wäre hier Vorsicht angezeigt; zu einer Diskussion der Grenzen gibt der Gesetzestext indes keinen Anlass. Verfassungsrechtlich motivierte Kritik an § 245 entzündet sich denn auch nicht direkt am Kriterium der Schlechterstellung. Vielmehr wird kritisiert, dass die Zustimmung der Anteilseigner unter Missachtung der Vereinigungsfreiheit des Art 9 GG zu einfach fingiert werden könne, da es typischerweise an einer Schlechterstellung (Abs 1 Nr 1) fehle (vgl Rn 45), eine angemessene Beteiligung (Abs 1 Nr 2, Abs 3) aber vorliege. Richtig ist, dass bei einer Fortführung des Verbands nicht nur Vermögensinteressen, sondern auch Verwaltungsrechte tangiert sind.22 Wenn aber eine Liquidation die Verwaltungsrechte vernichten dürfte und die Fortführung gerade aus einer solchen Situation heraus erfolgt, wird man keinen Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit annehmen können.23 b) Schlechterstellung. Voraussetzung der Zustimmungsfiktion ist, dass die Angehöri- 14 gen der Gruppe durch den Plan nicht schlechter als ohne Plan stehen. Es bedarf also eines Vergleichs der Situation mit dem konkreten Plan und ohne jeden Plan. Unbeachtlich ist, ob die Angehörigen der Gruppe durch einen anderen Plan besser stehen könnten. Vergleichsmaßstab für einen konkreten Plan ist also stets die Stellung im Regelinsolvenzverfahren; alternative Insolvenzpläne sind mithin unbeachtlich.24 Dabei ist eine wirtschaftliche Ge20 21

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Dazu BVerfGE 24, 367, 389; Baur/Stürner Sachenrecht18 (2009) § 1 Rn 1. BGH NZI 2007, 409, 410 Rn 7; 2009, 515, 516 Rn 12; WM 2012, 1640 Rn 6 (alle zum insoweit wortgleichen § 251 I Nr 2 InsO); Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 542; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 7; Jungmann KTS 2006, 135, 137. Stöber ZInsO 2012, 1811, 1819. Für Verfassungsmäßigkeit (allerdings zT nur im Hinblick auf Art 14 GG) auch Bay/Seeburg/Böhmer ZInsO 2011, 1927, 1937 ff; Bitter ZGR 2010, 147196 f; Eidenmüller/ Engert ZIP 2009, 541, 546 f; Spliedt

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GmbHR 2012, 462, 465 f; Verse ZGR 2010, 299, 310 ff. S nur LG Traunstein NZI 1999, 461, 462; LG Hamburg ZInsO 2015, 159, 161; HK/ Haas InsO9 § 245 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 7; Nerlich/Römermann/ Braun InsO33 § 245 Rn 3; aA Warrikoff KTS 1997, 527, 549 f sowie BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 4, nach denen auch ein „im Raum stehender weiterer Insolvenzplan“ dann zu berücksichtigen sein soll, „wenn er bereits eingereicht und nicht zurückgewiesen wurde“. Dies widerspricht jedoch dem Wortlaut und erscheint wenig sinnvoll.

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samtbetrachtung vorzunehmen,25 die – selbst im Falle einer aus einem Beteiligten bestehenden Gruppe – von den Rechten und individuellen Sondersituationen einzelner Gruppenangehöriger abstrahiert.26

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aa) Stellung ohne Plan. Das für die Bestimmung der Stellung eines Beteiligten ohne Plan maßgebliche Regelinsolvenzverfahren ist ein Verfahren, in dem grundsätzlich der Insolvenzverwalter die Vermögensgegenstände des Schuldners nach den Regeln der §§ 156– 173 verwertet und den Verwertungserlös nach den Regeln der §§ 187–206 an die Gläubiger verteilt.27 Da der Berichtstermin schon stattgefunden hat (vgl §§ 29, 236), ist von einem unverzüglichen Beginn der Verwertung (nicht notwendigerweise auch der Verteilung) auszugehen (vgl § 159).28 16 Klassischer Fall des Regelinsolvenzverfahrens ist die Veräußerung der einzelnen Vermögensgegenstände des Schuldners. Ist ein solches Verfahren zu erwarten, muss für jeden Vermögensgegenstand der Wert eingestellt werden, den seine Veräußerung erwarten lässt („Zerschlagungswert“). Im Regelinsolvenzverfahren werden zwar keineswegs stets alle Vermögensgegenstände einzeln liquidiert. Vielmehr erlaubt es auch eine Veräußerung von Vermögensgesamtheiten und insbesondere eine übertragende Sanierung. Für den Vergleich ist indes im Normalfall die Einzelveräußerung der Vermögensgegenstände zugrunde zu legen. Nur wenn konkrete Umstände wie etwa ein Kaufangebot nahelegen, dass ohne den Plan eine übertragende Sanierung oder eine sonstige Veräußerung von Vermögensgesamtheiten stattfinden wird, sind bei der Berechnung der Situation ohne Plan höhere Werte als die Liquidationswerte („Fortführungswerte“) für die erfassten Gegenstände einzustellen.29 Im Falle eines bezifferten, bindenden Kaufangebots ist der versprochene Kaufpreis zugrundezulegen.30 Fehlt es an einem bindenden Angebot, müssen zumindest die Größenordnung des Kaufpreises und die Kriterien für seine Berechnung erkennbar sein; ist dies nicht der Fall, wird meist schon keine ausreichende Gewissheit über eine von der Einzelliquidation abweichende Verwertung gegeben sein; nur wenn ausnahmsweise dennoch mit einem Verkauf zu marktüblichen Konditionen zu rechnen ist, kann eine Bewertung des Unterneh-

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 3; GrafSchlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 245 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 245 Rn 6; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 5. AG Düsseldorf ZInsO 2008, 463, 464: Recht, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen, entspricht wegen des dann geltenden Prioritätsprinzips nur dem Individualinteresse; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 12, 14; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 5; HambK/Thies InsO6 § 245 Rn 5. Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 3; HK/ Haas InsO9 § 245 Rn 7. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 3; abw Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 8: Der Erlös werde „den Gläubigern regelmäßig sofort, zumindest aber als-

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bald zur Verfügung stehen“ sowie HK/Haas InsO9 § 245 Rn 7: „Der gedachte Vergleichssachverhalt […] ist die zügige Verwertung und Verteilung der InsMasse […] ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt“; dagegen Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 16 f. LG Mühlhausen NZI 2007, 724, 727; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 3; Andrianesis WM 2017, 362, 366; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 245 Rn 3; Jungmann Grundpfandgläubiger S 110 Rn 297; Kaltmeyer ZInsO 1999, 316, 317 f; Koch/de Bra InsR-Hb5 § 68 Rn 67; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 245 Rn 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 13 f; krit zur Möglichkeit, Fortführungswerte für einzelne Gegenstände zu bestimmen, FK/Jaffé InsO9 § 245 Rn 20. Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 7.

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mens nach den anerkannten Grundsätzen der Unternehmensbewertung stattfinden.31 Im Normalfall sind daher „Zerschlagungswerte“ zugrundezulegen, ohne dass zuvor ein M&A-Prozess erfolglos durchgeführt werden müsste.32 bb) Stellung mit Plan. Ausgangspunkt zur Beantwortung der Frage, wie die Angehöri- 17 gen einer Gruppe bei Bestätigung des Plans gestellt werden, ist der Inhalt des konkreten Plans.33 Der Planinhalt enthält Angaben über das, was die einzelnen betroffenen Gruppenangehörigen unter dem Plan erhalten sollen. Diese Angaben müssen zum Zweck des Vergleichs in einen statischen Wert (Barwert) übersetzt werden. So muss etwa dann, wenn ein Plan eine spätere Zahlung oder Ratenzahlungen vorsieht, die jeweilige Zahlung mit einem angemessenen Zinssatz abgezinst werden, dessen Höhe sich aus dem – jedenfalls bei längerer Fälligkeitsverschiebung variablen – Basiszinssatz zuzüglich eines Risikoaufschlags bestimmt.34 Ebenso muss im Falle eines Debt-Equity-Swap der Wert der Anteile, die ein Gläubiger erhält, nach den Regeln für die Unternehmensbewertung ermittelt werden.35 Entsprechende Angaben können und sollten bereits im Plan selbst, insbesondere in des- 18 sen darstellendem Teil, enthalten sein;36 zudem sollte bei beabsichtigter Planinsolvenz schon im Eröffnungsverfahren vom vorläufigen Sachwalter oder Insolvenzverwalter eine transparente und plausible Vergleichsrechnung vorgelegt werden.37 Das Gericht zieht diese Angaben zur Entscheidungsfindung heran und nimmt ggf in der Begründung des Beschlusses über die Planbestätigung auf sie Bezug.38 Der Planinhalt darf indes nicht ohne jede eigene Bewertung zugrundegelegt werden.39 Gibt es begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit der Angaben im Plan, muss das Insolvenzgericht zur Bewertung der Position unter dem Plan eigene Ermittlungen anstellen; insbesondere kann es einen Sachverständigen beauftragen (§ 5 I).40 Da eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, können Nachteile, die 19 der Plan an einer Stelle mit sich bringt, durch Vorteile an anderer Stelle ausgeglichen werden. Entscheidend ist, dass sich die Stellung der Gruppenangehörigen im Saldo nicht verschlechtert. Der Plan kann daher Ausgleichsmaßnahmen („salvatorische Klauseln“41) vor31

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Großzügiger Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 7; aA Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 245 Rn 15: Unternehmensbewertung weder geboten noch systematisch zulässig. LG Stade ZInsO 2018, 614; Schröder ZInsO 2018, 668; kritisch Rendels EWiR 2018, 345. Vgl nur LG Nürnberg-Fürth NZI 2011, 592 (zu § 251). Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 3; GrafSchlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 245 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 245 Rn 13 m Rn 28; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 9 ff; aA Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 245 Rn 18–20, da nicht von einer Wiederanlage ausgegangen werden könne und die Richtigkeit des Plans unterstellt werden müsse, sodass für Risikozuschläge kein Raum sei. Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 3. Vgl Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 25, nach denen ein Plan ohne Zerschlagungsrechnung als Kunstfehler bezeichnet werden

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muss; Hess/Groß/Reill-Ruppe u.a./Groß Insolvenzplan4 Rn 1457. AG Hamburg ZIP 2014, 237, 239. Zu den verschiedenen Informationsquellen und ihrem Wert MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 29 ff. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 5; BK/Flöther InsO64 § 245 Rn 9; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 245 Rn 17; HK/Haas InsO9 § 245 Rn 13; vgl auch Evers/Möhlmann ZInsO 1999, 21, 25. Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 4. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 5; Eidenmüller ZGR 2001, 680, 698; aA Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 25. Vgl dazu Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 26; Eidenmüller Jahrbuch für Politische Ökonomie, 164, 182 f; ders Unternehmenssanierung S 92 ff; FK/Jaffé InsO9 § 245 Rn 41 ff; Madaus Insolvenzplan S 285 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 17; MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 45 ff.

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sehen, um eine Schlechterstellung zu vermeiden (vgl § 251 III).42 Dies empfiehlt sich insbesondere dann, wenn eine Ablehnung durch eine bestimmte Gruppe erwartet wird, weil im Vorfeld keine Einigung erzielt werden konnte. Voraussetzungen für die Beachtlichkeit solcher Regelungen ist, dass diese hinreichend bestimmt sind und die bereitgestellten Mittel wahrscheinlich ausreichen.43

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cc) Bewertungsunsicherheiten. Die erforderliche wirtschaftliche Betrachtung gebietet es, die einzelnen Positionen der Gruppenangehörigen mit und ohne Plan sachkundig zu bewerten. Dabei sind Bewertungsunsicherheiten durch einen Risikoabschlag zum Ausdruck zu bringen.

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dd) Beispiele. Eine Schlechterstellung kann etwa darin liegen, dass werthaltige Absonderungsrechte ohne Ausgleich erlöschen oder ihre Realisierung beeinträchtigt wird, dass Fälligkeiten ohne volle Aufzinsung hinausgeschoben werden oder dass Forderungen, auf die ohne Plan eine – wenn auch geringe – Quote zu erwarten war, in voraussichtlich wertlose Anteile am schuldnerischen Unternehmen umgetauscht werden. Da es nicht darauf ankommt, worin eine Schlechterstellung ihren Ursprung hat, kann sie auch darauf beruhen, dass der Plan Ausgleichsmittel iSd § 251 III vorsieht, deren Rest nicht an die Gläubiger verteilt wird, sondern dem Schuldner verbleibt. 22 Keine Schlechterstellung ist hingegen gegeben, wenn Absonderungsberechtigte zwar ihre Rechte verlieren, aber eine Barzahlung in Höhe des Verkehrswerts des Absonderungsguts erhalten sollen.44 Ebenfalls keine Schlechterstellung liegt vor, wenn der Plan bei weiterlaufender Verzinsung eine Tilgung von Krediten aussetzt, sofern die Gläubiger das Kapital nicht anderweitig zu höheren Zinsen anlegen könnten.45 Eine Schlechterstellung fehlt auch dann, wenn der Plan dem Schuldner die Fortführung einer Berufstätigkeit erlaubt, aus deren Einnahmen Zahlungen an die Gläubiger geleistet werden sollen, während der Schuldner ohne Plan seine Arbeit verlieren würde.46 Schließlich kommt es fast nie zu einer Schlechterstellung der Anteilseigner, wenn der Schuldner nach dem Plan fortbesteht und die Anteilsinhaber beteiligt bleiben, da im Regelinsolvenzverfahren in aller Regel kein gem § 199 S 2 an die Anteilsinhaber zu verteilender Überschuss verbleibt.47

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c) Doppelte Prognosenotwendigkeit. Abs 1 Nr 1 stellt auf die voraussichtliche Schlechterstellung durch den Plan im Vergleich zur Stellung ohne einen Plan ab. Es bedarf also einer Prognose der Differenz zwischen der Stellung mit dem konkreten Plan und der Stellung ohne jeden Plan. Dies wiederum macht es notwendig, die beiden Stellungen zu prognostizieren.48 24 In zeitlicher Hinsicht stehen sich dabei für die Stellung ohne Plan der Zeitraum bis zur Beendigung des Regelinsolvenzverfahrens und für die Stellung mit Plan der Zeitraum bis zum Abschluss der Durchführung des Insolvenzplans gegenüber.49 Das Regelinsolvenzverfahren ist für den Zweck einer Prognose der Stellung ohne Plan mit der Schlussverteilung 42 43 44 45 46

AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 15. AG Hamburg BeckRS 2016, 19415 sub II.2.4.; näher § 251 Rn 41 ff. Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 3. LG Traunstein NZI 1999, 461, 462. Vgl AG Göttingen ZIP 2002, 953 m zT krit Anm Otte EWiR 2002, 877; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 245 Rn 3; einschränkend Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 4 Rn 3.

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Stöber ZInsO 2012, 1811, 1818. Vgl MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 43. Abw HambK/Thies InsO6 § 245 Rn 7; HK/Haas InsO9 § 245 Rn 12, die jeweils auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses abstellen.

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oder einer – allerdings kaum je zu prognostizierenden – letzten Nachtragsverteilung beendet.50 Nicht zu berücksichtigen ist damit die (zumeist ohnehin theoretische) Möglichkeit, dass ein Beteiligter nach Abschluss des Verfahrens, ggf durch Vollstreckung aus der Tabelle, noch etwas erlangt. Dies gilt auch bei der Insolvenz natürlicher Personen, für die eine Restschuldbefreiung in Betracht kommt; Zahlungen im Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und Ende der Abtretungsfrist bleiben damit ebenso außer Betracht wie die Möglichkeit, wegen von der Restschuldbefreiung nicht erfasster Verbindlichkeiten weiter gegen den Schuldner vorzugehen.51 Für den Zweck einer Prognose der Stellung mit Plan ist der Plan dann durchgeführt, wenn alle im Plan vorgesehenen Leistungen an die vom Plan betroffenen Beteiligten erbracht sind. Dieser Zeitraum kann daher deutlich länger sein, was aber in der Hand des Planverfassers liegt und daher nicht als Benachteiligung des Planverfahrens angesehen werden kann. Im Einzelfall kann diese Prognose sehr schwierig sein, da sowohl die Entwicklung des 25 Planverfahrens als auch die Entwicklung eines Regelinsolvenzverfahrens vorhergesagt werden muss. Unsicherheiten, die auf der Notwendigkeit der Prognose beruhen, müssen gegebenenfalls durch einen weiteren Risikoabschlag berücksichtigt werden.52 Die Prognose ist ureigenste Aufgabe des Tatrichters. Sie kann im Beschwerdeverfahren 26 nur eingeschränkt überprüft werden.53 d) Gerichtliche Prüfung und non liquet. Abs 1 Nr 1 verlangt vom Gericht erstmals im 27 Verfahrensablauf (später noch § 251 I Nr 2) eine eigene wirtschaftliche Bewertung; zuvor – insbes im Rahmen der Vorprüfung nach § 231 – ist es hierzu grds nicht befugt.54 Eine Schlechterstellung durch den Plan ist nur zu verneinen, wenn der Plan überhaupt durchführbar („machbar“) ist, da ansonsten die Versprechungen des Plans für die Betroffenen wertlos oder jedenfalls weniger wert sind;55 erst nach Bejahung der Durchführbarkeit des Plans kann die Schlechterstellung als solche geprüft werden. Während das US-amerikanische Recht eine Prüfung der „feasibility“ dergestalt verlangt, dass kein anschließendes Liquidations- oder weiteres Reorganisationsverfahren wahrscheinlich sein darf, sofern dies der Plan nicht vorsieht,56 gibt es in der Insolvenzordnung zur Durchführbarkeit keine ausdrückliche Vorschrift. Dennoch ist sie logische Voraussetzung,57 um überhaupt das Fehlen einer Schlechterstellung und die angemessene Beteiligung sinnvoll feststellen zu können.58 Ob die Aussicht besteht, dass der Plan wie vorgesehen durchgeführt wird, ist ein für das Insolvenzverfahren bedeutsamer Umstand. Es gilt daher im Ausgangspunkt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 I).59 Allerdings stehen die vorzunehmenden Ermittlungs50 51

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 6. Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 6; aA Grote InsbürO 2014, 252, 257, der aber konsequenterweise betont, dass trotz Fortbestehen der Vollstreckungsmöglichkeit keineswegs von einer vollständigen Befriedigung auszugehen ist. Vgl MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 52 ff. BGH NZI 2007, 521 Rn 8 f; 2012, 141 Rn 2; OLG Köln NZI 2001, 660, 662; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 12; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 9. LG Hamburg ZIP 2018, 389, 391. Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 10; Ma-

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daus Insolvenzplan S 284 m Rn 296; MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 63 m Berechnungsbeispiel. 11 US Code § 1129 (a) (11); dazu etwa In re DBSD North America, Inc, 634 F3d 79, 106–108 (2nd Cir 2010). Wohl aA, aber dennoch für eine Prüfung der Machbarkeit, Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 15 m Rn 1; BK/Flöther InsO64 § 245 Rn 11. AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 11; Koch/de Bra InsR-Hb5 § 68 Rn 69, 89. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 20; HambK/Thies InsO6 § 245 Rn 20; Kübler/Prütting/Bork/

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maßnahmen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Gegen aufwendige Ermittlungsmaßnahmen sprechen insbesondere deren Dauer und Kosten, die dem Risiko einer Entscheidung auf falscher Tatsachengrundlage gegenübergestellt werden müssen.60 Daher muss das Gericht nur dann die Durchführbarkeit untersuchen, wenn konkrete Tatsachen Zweifel aufkommen lassen. Solche Tatsachen können im Erörterungstermin zur Sprache gekommen sein, sich aber etwa auch aus der Tagespresse ergeben. Beweismaß ist das Regelbeweismaß, dh die subjektive Überzeugung des Richters.61 Kann sich das Gericht von der Durchführbarkeit des Plans nicht überzeugen, so scheidet die Anwendung des § 245 aus; dem Plan ist daher mangels Annahme durch alle Gruppen die Bestätigung zu versagen. Dies lässt sich auch so formulieren, dass der Planvorlegende die (materielle) Beweislast für die Durchführbarkeit des Plans trägt. 28 Erscheint der Plan durchführbar, so muss sich das Gericht vom Fehlen einer „voraussichtlichen Schlechterstellung“ überzeugen. Auch die Frage der voraussichtlichen Schlechterstellung ist ein Umstand, der für das Insolvenzverfahren von Bedeutung ist, sodass im Ausgangspunkt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 I) gilt.62 Die Einfügung des Worts „voraussichtlich“ allein ändert hieran nichts. Denn auch ohne dieses Wort wäre eine Prognose vorzunehmen. Das Wort „voraussichtlich“ beschreibt also nur die zu prüfende Tatsache, es sagt aber entgegen der ganz hM weder etwas über die Frage der Tatsachenermittlung63 noch über das Beweismaß.64 Allerdings weist der Gesetzestext damit auf die Notwendigkeit einer ex ante-Betrachtung hin; es reicht also aus, dass aus derzeitiger Sicht des Gerichts keine Schlechterstellung zu erwarten ist.65 Ist das Gericht auch nach Vornahme eigener Ermittlungsmaßnahmen nicht überzeugt, ob der Plan eine voraussichtliche Schlechterstellung bringt oder nicht, muss es gegen den Plan entscheiden;66 man könnte also wiederum sagen, der Planvorlegende trage die (materielle) Beweislast für das Fehlen einer Schlechterstellung.

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Pleister InsO74 § 245 Rn 42; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 245 Rn 38; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 34 Rn 5; aA Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 4 Rn 10, Rn 25. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 39; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 18.28, 18.36 f; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 8. AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 12: überwiegende Wahrscheinlichkeit. AA Smid FS Pawlowski, S 387, 434 ff; ders WM 1998, 2489, 2502; ders/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 18.45 f. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 20; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 245 Rn 40; Eidenmüller NJW 1999, 1837, 1838; aA Rechtsausschuss, Begr zu Art 2 Nr 12–14 EGInsOÄndG (BT-Drucks 14/120, S 14) und ihm folgend LG Traunstein NZI 1999, 461, 463: keine Hinzuziehung von Sachverständigen, sondern bloße „Einschätzung“ durch das Gericht; ebenso BK/Flöther InsO64 § 245

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Rn 13; Haarmeyer/Wutzke/Förster Hb InsO3 Kap 9 Rn 84; sa Otte EWiR 2002, 877, 878. Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 34: „zur Überzeugung des Gerichts“; aA BGH NZI 2007, 522 Rn 11: überwiegende Wahrscheinlichkeit (zum wortgleichen § 251 I Nr 2 InsO); LG Bielefeld BeckRS 2012, 00017 sub II.C.; LG Traunstein NZI 1999, 461, 463; Rechtsausschuss, Begr zu Art 2 Nr 12–14 EGInsOÄndG (BTDrucks 14/120, S 14); Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 7, 42; noch anders Jungmann KTS 2006, 135, 139 ff: „vernünftige Chance“. Ähnlich Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 3: Prognosecharakter betont. LG Bielefeld BeckRS 2012, 00017 sub II.C.; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 4 aE, Rn 25: Darlegungslast; HK/Haas InsO9 § 245 Rn 15; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 11, 42.

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2. Angemessene Beteiligung Weitere Voraussetzung der Zustimmungsfiktion ist gem Abs 1 Nr 2, dass die Angehö- 29 rigen der betroffenen Gruppe „angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll“. Das Gesetz geht also davon aus, dass durch den Plan in irgendeiner Form ein wirtschaftlicher Wert generiert wird, der zusätzlich zu dem, was im Falle eines Regelinsolvenzverfahrens verteilt werden könnte und wovon der betroffenen Gruppe schon nach Abs 1 Nr 1 nichts genommen werden kann, den Beteiligten zufließt. Die „angemessene Beteiligung“ ähnelt dem „fair and equitable“-Kriterium des US- 30 amerikanischen Rechts.67 Über dieses Kriterium, das zunächst der Bankruptcy Act ohne nähere Präzisierung vorsah, wurde in den USA lange gestritten.68 Der US Supreme Court entschied sich dann für eine „absolute priority rule“,69 wonach der Rang der Beteiligten, insbesondere die Unterscheidung von Gläubiger- und Anteilseignerstellung, berücksichtigt werden muss. Der Bankruptcy Code hat das „fair and equitable“-Kriterium übernommen70 und für verschiedene Arten von Beteiligten näher bestimmt;71 trotz ähnlicher Struktur besteht aber keine völlige inhaltliche Identität mit § 245. a) Hintergründe. Während sich Abs 1 Nr 1 durch Freiheits- und Gleichheitsüberle- 31 gungen rechtfertigt, steht bei Abs 1 Nr 2 der Gesichtspunkt der Gleichheit im Vordergrund: Eine angemessene Beteiligung an dem auf der Grundlage des Plans erzielten – zusätzlichen – Wert sichert ein Recht auf eine Teilhabe, die im Vergleich zur Beteiligung der anderen Gruppen „angemessen“ erscheint, sich also rechtfertigen lässt („Gleichbehandlungsgrundsatz“).72 An der Angemessenheit fehlt es etwa, wenn am auf der Grundlage des Plans erlangten Vermögen nachrangige Gläubiger beteiligt werden, ohne dass die vorrangigen Gläubiger voll befriedigt worden wären, sofern diese nachrangigen Gläubiger keinen eigenen Beitrag bringen. Nicht übersehen werden sollte indes, dass auch hier sehr wohl eine freiheitliche Komponente existiert. Denn der Wert fließt den Beteiligten gerade aufgrund der Möglichkeiten zu, die die Verwertung des Schuldnervermögens in seiner konkreten Zusammensetzung bietet; er ist also Ausfluss des Vermögens, das im Regelinsolvenzverfahren anders verwertet worden wäre. Die abweichende Behandlung durch den Insolvenzplan berührt daher mittelbar wiederum die Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich, hier letztlich in Gestalt des „Erwerbs“ auf der Grundlage des „Erworbenen“. Wenn die betroffene Gruppe schon eine vom Regelinsolvenzverfahren abweichende Verwertung hinnehmen muss, so soll sie wenigstens an den hierdurch erzielten Vorteilen angemessen partizipieren. b) Wirtschaftlicher Wert, der den Beteiligten zufließen soll. Während im Regelinsolvenz- 32 verfahren Verteilungen des Liquidationserlöses an die Gläubiger stattfinden (§§ 187 ff), kann der Plan verschiedenste Vermögenszu- und -abflüsse bei sämtlichen Beteiligten – den Gläubigern, dem Schuldner und den Anteilseignern, aber auch Dritten – vorsehen. Abs 1 Nr 2 geht es nicht um die einzelnen Vermögensverschiebungen, sondern um den zusätzlichen Wert, den der Plan bei einer Gesamtbetrachtung unter den Verfahrensbeteiligten ver67 68 69 70

§ 77B Bankruptcy Act. Gilchrist 26 Cornell L. Rev. 592 (1941). Case et al v Los Angeles Lumber Products Co, Ltd, 308 US 106 (1939). 11 US Code § 1129(b)(1).

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11 US Code § 1129(b)(2); zur unklaren Geltung bei Privatinsolvenzen Mendenhall 14 Transactions: Tenn J Bus L 189 (2013). Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 542; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 18.66, 18.70; Jungmann KTS 2006, 135, 137.

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teilt, also den positiven Gesamtsaldo oder „Planmehrwert“.73 Da dem Plan ein Prognoseelement innewohnt, spricht Abs 1 Nr 2 vom Wert, „der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll“. Damit sind alle wirtschaftlichen Vorteile erfasst, die der Plan den Beteiligten zuweist.

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c) Angemessenheit der Beteiligung. Wann eine Beteiligung angemessen ist, erschließt sich aus Abs 1 Nr 2 nicht. Die Wortwahl des Gesetzgebers legt zwar eine Abwägung nahe. Abs 2 und Abs 3 definieren aber die Angemessenheit in begrifflich präziser Form. Für eine Abwägung, die diese Definitionen ergänzt oder ersetzt, lässt das Gesetz keinen Raum.74

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aa) Gläubigergruppen (Abs 2). Gem Abs 2 liegt eine angemessene Beteiligung von Gläubigergruppen immer dann vor, wenn die in Abs 2 Nr 1–3 genannten Voraussetzungen kumulativ75 gegeben sind; wegen der negativen Formulierung der Voraussetzungen könnte man auch sagen, dass eine angemessene Beteiligung immer dann gegeben ist, wenn keiner der in Abs 2 Nr 1–3 beschriebenen Fälle vorliegt. Der Gesetzgeber begnügt sich also nicht damit, im jeweils umgekehrten Fall die Angemessenheit auszuschließen und im Übrigen dem Insolvenzgericht die Bestimmung der Angemessenheit zu überlassen, sondern sieht die Aufzählung als abschließend an.76 Gläubigergruppen sind dabei Gruppen absonderungsberechtiger Gläubiger, nicht nachrangiger Gläubiger und nachrangiger Gläubiger; schon mangels Gruppenbildung nicht hierher gehören die Massegläubiger.77 35 Von dem Erfordernis, dass die drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen, ist in einem Sonderfall aufgrund teleologischer Reduktion eine Ausnahme zu machen, nämlich dann, wenn eine Gläubigergruppe nach dem Plan vollständig befriedigt wird.78 Eine von Abs 2 Nr 1 verbotene Überbefriedigung liegt dann für diese Gläubigergruppe nicht vor. Dem Wortlaut nach sind im Anschluss aber noch Abs 2 Nr 2 und Nr 3 zu prüfen. Während eine Besserstellung anderer gleichrangiger Gläubiger leicht ausgeschlossen werden kann, da diese zugleich gegen Abs 2 Nr 1 verstoßen müsste, ist eine Prüfung von Abs 2 Nr 2 aufwendig; vor allem aber scheint sie nicht angebracht. Denn Gläubiger, die vollständig befriedigt werden, haben kein berechtigtes Interesse daran, einen von anderen Gruppen gewünschten Insolvenzplan zu verhindern; sie können von vornherein nicht „unangemessen“ an einem Mehrwert beteiligt sein.

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(1) Keine „Überbefriedigung“ (Abs 2 Nr 1). Nach Abs 2 Nr 1 scheidet Angemessenheit aus, wenn auch nur ein einziger anderer Gläubiger „wirtschaftliche Werte erhält, die 73

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Begr zu § 290 RegE (BT-Drucks 12/2443, S 208); HK/Haas InsO9 § 245 Rn 17; MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 18; sa Bruns KTS 2004, 1, 9: „Fortführungsmehrwert“. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 8; FK/Jaffé InsO9 § 245 Rn 25; HK/Haas InsO9 § 245 Rn 18. AG Köln NZI 2018, 108, 110; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 245 Rn 7; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 18; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 19; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 22. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 4; Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 7; HambK/Thies InsO6 § 245 Rn 8; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 18;

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MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 64; aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 17: „soweit es Vorteile des Schuldners betrifft“; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 33 f: Einzelfallprüfung. Begr zu § 290 RegE (BT-Drucks 12/2443, S 209); Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 18; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 9; Haarmeyer/ Wutzke/Förster Hb InsO3 Kap 9 Rn 87. Anderes gälte in einem Planverfahren bei Masseunzulänglichkeit; dazu aber Jaeger/Windel InsO § 209 Rn 84–88. MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 84–88; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 25 aE.

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den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen“. Zu vergleichen ist hier also der Betrag des Anspruchs unter Ausblendung des Insolvenzfalls mit dem Wert, den der Gläubiger nach dem Plan erhalten soll. Betrag des Anspruchs ist mithin der Betrag, auf den sich die Forderung des Gläubigers, gegebenenfalls nach Umrechnung in eine Geldforderung (§ 45) und Abzinsung, beläuft; findet allerdings nach dem Plan eine spätere Befriedigung statt, als dies ohne den Plan der Fall wäre, ist der Anspruch aufzuzinsen bzw der vom Plan versprochene Wert abzuzinsen.79 Zum Anspruch gehören auch Zinsforderungen und Forderungen wegen Kosten der Rechtsverfolgung, sofern sie vor Verfahrenseröffnung entstanden sind; nach diesem Zeitpunkt entstandene Forderungen sind gem § 39 II nachrangig und daher nicht zu berücksichtigen.80 Um festzustellen, ob ein Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die diesen Betrag übersteigen, muss der Wert dessen, was jeder Gläubiger nach dem Plan erhalten soll, gegebenenfalls sachkundig bestimmt werden. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn der Gläubiger keine Zahlung, sondern eine Sachleistung – insbesondere einen Unternehmensanteil im Rahmen eines Debt-Equity-Swap – erhält, oder für eine Fälligkeitsverschiebung ein unangemessen hoher Zins versprochen wird.81 Der Betrag des Anspruchs in diesem Sinne ist gleichsam „obere Grenze“ für das, was ein Gläubiger unter dem Plan erhalten darf.82 Nicht erforderlich ist es, dass die über dessen Anspruch hinausgehende Zuweisung ei- 37 nes Werts an einen anderen Gläubiger die betroffene Gruppe benachteiligt;83 selbst dann, wenn das „Mehr“, das der andere Gläubiger erhält, ganz zu Lasten einer anderen Gruppe geht, die dem Plan zugestimmt hat, fehlt es an der Angemessenheit. Den Gläubigern jener anderen Gruppe steht es zwar frei, einem Gläubiger außerhalb des Verfahrens etwas zukommen zu lassen. Dennoch verbietet sich eine teleologische Reduktion, da das Insolvenzverfahren – und gerade auch das Planverfahren – von weiterem Konfliktpotential, wie es als ungerecht empfundene „Überbefriedigungen“ mit sich bringen, freigehalten werden muss. Hinzu kommt, dass Abs 2 Nr 1 auch Abs 1 Nr 1 flankiert. Denn die für Abs 1 Nr 1 notwendige doppelte Prognose ist mit Unsicherheiten befrachtet; eine Überbefriedigung eines Gläubigers birgt aber immer das Risiko, dass die Angehörigen mehr als nur einer anderen Gruppe schlechter als ohne Plan gestellt werden. (2) Wahrung der Verteilungsreihenfolge des Regelinsolvenzverfahrens (Abs 2 Nr 2). 38 Abs 2 Nr 2 kodifiziert eine „absolute priority rule“, wie sie das US-amerikanische Recht kennt:84 Gläubiger, die den Gläubigern der betroffenen Gruppe im Rang nachstehen, der Schuldner oder eine am Schuldner beteiligte Person dürfen, wenn die Zustimmung einer Gläubigergruppe fingiert werden soll, keinen wirtschaftlichen Wert erhalten. Gegen den Willen einer Gläubigergruppe kann der Plan also die Rangverhältnisse unter den Insolvenzgläubigern sowie deren Vorrang vor dem Schuldner und den Anteilseignern nicht ändern. Die Verteilungsrangfolge des Regelinsolvenzverfahrens ist damit Maßstab auch für die angemessene Beteiligung am Planmehrwert.85

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 5; Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 8; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 19. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 10; MünchKomm/ Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 67; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 20. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 19; MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 17, 69 f (mit Beispielen).

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MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 17; BK/Flöther InsO64 § 245 Rn 16; Koch/de Bra InsR-Hb5 § 68 Rn 72; Maus Kölner Schrift InsO2 S 931 Rn 88. Vgl auch BK/Flöther InsO64 § 245 Rn 16. 11 US Code § 1129(b)(2)(B)(ii); dazu schon oben Rn 30. BK/Flöther InsO64 § 245 Rn 17; MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 21 f.

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Die Rangverhältnisse unter verschiedenen Insolvenzgläubigern ergeben sich allein aus §§ 38, 39.86 Ein Absonderungsrecht an einem einzelnen Vermögensgegenstand begründet keinen Rang iSd Abs 2 Nr 2,87 und zwar auch nicht hinsichtlich der nach Verfahrenseröffnung entstandenen Forderungen auf Kosten und Zinsen, da diese ungeachtet ihres Nachrangs mit abgesichert sind.88 Absonderungsberechtigte sind lediglich insoweit in die Rangordnung einzugliedern, als ihre Forderung wegen voraussichtlichen Ausfalls oder Verzichts eine ungesicherte Insolvenzforderung darstellt; soweit sie als Absonderungsberechtigte beteiligt sind, muss ihnen mithin nicht eine volle Befriedigung versprochen werden, bevor der Plan für die ungesicherten Gläubiger eine Quote vorsieht.89 Nachrangige Gläubiger werden kaum je Ansprüche auf die Zahlung von Ausgleichsmitteln iSd § 251 III haben; auch wo dies aber in Betracht kommt, liegt allein in der Bereitstellung von Ausgleichsmitteln jedenfalls kein Fall des Abs 2 Nr 2.90 40 Dass der Schuldner und die an ihm beteiligten Personen ohne Zustimmung der betroffenen Gläubigergruppen keinen wirtschaftlichen Wert erhalten dürfen, entspricht der Verlustverteilung zwischen Fremd- und Eigenkapital. Problematisch wird diese Vorgabe allerdings dann, wenn ein Unternehmen weitergeführt wird und Unternehmensanteile in der Hand des Schuldners oder der bisherigen Gesellschafter verbleiben.91 Im Regelinsolvenzverfahren wäre dies ausgeschlossen. Daher lässt sich nicht leugnen, dass beim Verbleib von Unternehmensanteilen in den Händen des Schuldners oder bisheriger Anteilsinhaber diese etwas „nach dem Plan“ „erhalten“. Es kommt mithin nur noch darauf an, ob diese Unternehmensanteile einen wirtschaftlichen Wert darstellen. Dies kann – da im deutschen Recht eine „new value exception“ bei Fortführung92 nicht anerkannt ist93 – nicht generell verneint werden; es darf aber auch nicht generell bejaht werden, sondern ist eine Frage des Einzelfalls.94 Hierzu

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LG Traunstein NZI 1999, 461, 464; AG Köln NZI 2018, 108, 109; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 245 Rn 10; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 21; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 23; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 24. LG Traunstein NZI 1999, 461, 464; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 11; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 245 Rn 10; HambK/Thies InsO6 § 245 Rn 12; Jungmann Grundpfandgläubiger S 113 f Rn 308; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 23; Nerlich/Römermann/ Braun InsO33 § 245 Rn 21; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 24; aA Eidenmüller FS Drukarczyk, S 187, 194 ff; HK/Haas InsO9 § 245 Rn 21; Smid WM 2002, 1033, 1035 f; ders FS Gerhardt, S 931, 956 ff. BGH NZI 2011, 247, 248 Rn 11; LG Traunstein NZI 1999, 461, 464; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 20. BK/Flöther InsO64 § 245 Rn 17; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 23; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 24. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 33.

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Ausf MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 74 ff; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 18.76 ff. Zur Diskussion in den USA Bank of America Nat Trust and Sav Ass’n v 203 North LaSalle Street Partnership 526 US 434 (1999); Miller/Rapisardi/Greene 30 U Mem L Rev 553 (2000); McDonald Henry 50 Ind L Rev 579, 588 f, 602 (2017); MünchKomm/ Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 78–80. Vgl MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 81; für eine solche Ausnahme aber Eidenmüller ZGR 2001, 680, 704 f; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 245 Rn 17; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 25 f, 29; Smid WM 2002, 1033, 1036 f; Wittig ZInsO 1999, 373, 376. Begr zu § 290 RegE (BT-Drucks 12/2443, S 209); LG Mühlhausen NZI 2007, 724, 726; LG Traunstein NZI 1999, 464; Braun NZI 1999, 473, 477 f; Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 13; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 245 Rn 6; Hess/Groß/Reill-Ruppe u.a./Groß Insolvenzplan4 Rn 1452, 1465; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 27.

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müssen die Unternehmensanteile sachkundig bewertet werden.95 Bei der Feststellung des Unternehmenswerts ist zu berücksichtigen, welche Leistungen aus dem Unternehmensvermögen nach dem Plan an Beteiligte erbracht werden müssen.96 Herauszurechnen ist auch eine versprochene Kapitalzufuhr von dritter Seite, die nur bei Bestätigung des Plans erfolgt. Die Tatsache, dass kein fremder Dritter zur Fortführung des Unternehmens bereit ist, kann ebenso wie die Tatsache, dass ein Debt-Equity-Swap scheitert, lediglich, aber immerhin, ein Indiz für die Wertlosigkeit der Anteile sein.97 Ergibt die Bewertung der Unternehmensanteile nach alldem einen positiven Kapitalsaldo, kann trotz Abs 2 Nr 2 die Zustimmung fingiert werden, wenn dieser positive Saldo durch einen im gestaltenden Teil des Plans vorgesehenen Mechanismus dem Schuldner bzw den Anteilseignern vollständig wieder genommen und an die Gläubiger verteilt wird. Ein solcher Mechanismus kann in der Auferlegung von Zahlungspflichten oder in der Beteiligung der Gläubiger in Form einer stillen Gesellschaft bestehen.98 Die Zulässigkeit derartiger Mechanismen folgt aus den allgemeinen Regeln (insb §§ 221, 225a III, 228), nicht aus § 251 III S 1, der nur die Bereitstellung von – nicht notwendigerweise zulasten der Anteilsinhaber gehenden – Mitteln für den Fall einer Schlechterstellung betrifft, und ebensowenig aus § 251 IV S 3, der einen Ausgleich nur nach unverzüglicher Zurückweisung einer Beschwerde vorsieht.99 Zweifelhaft ist hingegen, ob in der Unternehmensfortführung in (vorläufiger) Eigenverwaltung ein ausgleichender Sanierungsbeitrag des Schuldners liegen kann;100 ohne Weiteres wird man dies kaum annehmen können. Sieht der Plan vor, dass nicht benötigte Ausgleichsmittel iSd § 251 III an den Schuldner 41 ausgekehrt statt an die Gläubiger verteilt werden, so kann dies zunächst eine Schlechterstellung iSd Abs 1 Nr 1 begründen (Rn 21). Ist dies nicht der Fall, liegt eine unangemessene Verteilung des Mehrerlöses iSd Abs 2 Nr 2 vor, da der Schuldner einen wirtschaftlichen Wert erhält; die ursprüngliche Zweckbestimmung der Mittel ändert hieran nichts.101 Fraglich erscheint, ob eine nicht rangentsprechende Verteilung des Planmehrwerts 42 auch dann einer Zustimmungsfiktion entgegensteht, wenn diese Verteilung nicht zulasten

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Braun NZI 1999, 473, 478; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 245 Rn 12; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 26; Koch/de Bra InsR-Hb5 § 68 Rn 82; Maus Kölner Schrift InsO2 S 931 Rn 91. Nicht ganz präzise Begr zu § 290 RegE (BTDrucks 12/2443, S 209), wonach es darauf ankommen soll, „ob die Leistungen, die der Schuldner nach dem Plan zu erbringen hat, den noch vorhandenen Wert des Unternehmens aufwiegen“; übernommen von LG Mühlhausen NZI 2007, 724, 726; AG Osnabrück ZInsO 2017, 1624, 1626 m zust Anm Schröder/Rabenhorst ZInsO 2017, 1769 ff. Ähnlich Begr zu § 290 RegE (BT-Drucks 12/ 2443, S 209); LG Traunstein NZI 1999, 461, 464; LG Mühlhausen NZI 2007, 724, 726; Andrianesis WM 2017, 362, 368: „im Zweifel“; Braun NZI 1999, 473, 477; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 12; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 25: „wenig griffig“; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 12; Eidenmüller ZGR 2001, 680, 706 ff; Hess/

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Groß/Reill-Ruppe u.a./Groß Insolvenzplan4 Rn 1452; Wieneke/Hoffmann ZIP 2013, 697, 699; nicht nur ein Indiz annehmend offenbar K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 24, anders aber dann für Bewertungsfragen Rn 41; ganz gegen eine Berücksichtigung hingegen Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 30. Braun NZI 1999, 473, 478; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 245 Rn 14; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 26; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 29; skeptisch zu Mechanismen, die auch eine angemessene Beteiligung garantieren möchten, MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 48. Für eine Heranziehung von §§ 251 III, 253 IV InsO aber Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 12 aE. So AG Osnabrück ZInsO 2017, 1624, 1626 m insoweit kritischer Anmerkung Hofmann EWiR 2017, 765, 766. AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 28.

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der den Plan ablehnenden Gläubigergruppe geht, sondern von einer Gläubigergruppe getragen wird, die dem Plan zugestimmt hat. Für die Überbefriedigung iSd Abs 2 Nr 1 sollte die entsprechende Frage bejaht werden, also die Betroffenheit der ablehnenden Gläubigergruppe unerheblich sein (Rn 37). Auch für die rangwidrige Verteilung lässt der Wortlaut nicht erkennen, dass es auf eine Betroffenheit der ablehnenden Gruppe ankommen soll. § 226 II trifft zu dieser Frage keine Aussage, man könnte ihm aber den Gedanken entnehmen, dass bei Zustimmung der betroffenen Beteiligten eine abweichende Behandlung möglich ist.102 Auch hier ist indes zu berücksichtigen, dass rangwidrige Verteilungen die Frage aufwerfen, ob tatsächlich nur die zustimmenden Beteiligten betroffen sind, und daher mit Versagungsanträgen und Rechtsmitteln von Beteiligten der majorisierten Gruppe zu rechnen ist. Zudem flankiert auch Abs 2 Nr 2 das Schlechterstellungsverbot des Abs 1 Nr 1, weil bei rangwahrender Verteilung nur vermeintlicher Mehrerlöse die Abweichung vom Regelinsolvenzverfahren geringer ist. Daher sollte auch bei Abs 2 Nr 2 von einer teleologischen Reduktion abgesehen werden.103

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(3) Keine Besserstellung ranggleicher Gläubiger (Abs 2 Nr 3). Abs 2 Nr 2 wird hinsichtlich der Wahrung außerinsolvenzlicher Rangverhältnisse ergänzt durch Abs 2 Nr 3, der die Angemessenheit und mithin die Zustimmungsfiktion ausschließt, wenn Gläubiger gleichen Rangs bessergestellt werden als die Gläubiger der betroffenen Gruppe. Hintergrund ist, dass nach deutschem Recht Gläubiger gleichen Rangs in verschiedenen Gruppen unterschiedlichen Regelungen etwa hinsichtlich der Kürzung, der Fälligkeit oder der Verzinsung ihrer Forderungen unterworfen werden können. Das US-amerikanische Recht begnügt sich demgegenüber mit einem Verbot unlauterer Diskriminierung,104 geht aber auch davon aus, dass Gläubiger gleichen Rangs eine Gruppe bilden. Unterwirft der Plan ranggleiche Gläubiger unterschiedlichen Regelungen, muss die jeweilige Stellung der Gläubiger wiederum sachkundig bewertet werden;105 zu erwartendes Ergebnis muss die wirtschaftliche Gleichstellung sein. Da es allein auf das tatsächlich zu erwartende Ergebnis ankommt, kann eine Besserstellung selbst bei gleicher Planquote vorliegen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn für die einzelnen Gruppen Festbeträge vorgesehen und mit Voraussetzungen kombiniert sind, die voraussichtlich nicht von allen Gruppenmitgliedern erfüllt werden, sodass sich die Quote der übrigen Gruppenmitglieder gegenüber der Quote von Mitgliedern einer anderen ranggleichen Gruppe erhöht.106 Im Falle einer nachträglichen Berichtigung der Forderungshöhe, die auf die Befriedigungsquote Einfluss hat, muss darauf geachtet werden, dass sich die Quote bei allen Gläubigergruppen desselben Rangs entsprechend verändert.107 Eine bessere Befriedigungsquote für Kleingläubiger mag sich zwar dadurch begründen lassen, dass diesen im Vergleich zu den Großgläubigern im Verfahren höhere Kosten entstanden seien; es bleibt aber bei einem Verstoß gegen Abs 2 Nr 3.108 An Abs 2 Nr 3 zu messen ist es auch, wenn nur manche Gläubiger, insbesondere im Rahmen eines 102 103

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In diese Richtung K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 22. AA Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 24; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 22. 11 US Code § 1129(b)(1). Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 31. LG Bielefeld BeckRS 2012, 00017 sub II.B. Vgl LG Göttingen NZI 2005, 41, 42 f, wo es allerdings um die gruppeninterne Gleichbehandlung ging, die richtigerweise § 226 InsO

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zuzuordnen ist (Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 17 m Rn 30); Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 245 Rn 7. AG Saarbrücken ZInsO 2002, 340; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 17; HambK/ Thies InsO6 § 245 Rn 15; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 30 aE; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 29; aA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 34.

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Obstruktionsverbot

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Debt-Equity-Swap, Anteile am Schuldner erhalten.109 Bei Privatinsolvenzen mit Aussicht auf Restschuldbefreiung problematisch sind Gläubiger mit Sonderforderungen, etwa mit unbestrittenen Forderungen iSd § 302.110 Die Bereitstellung von Ausgleichsmitteln, die innerhalb der Gläubiger desselben Rangs durchaus bedeutsam sein kann, begründet keinen Verstoß gegen Abs 2 Nr 3.111 Ebenfalls kein Fall des Abs 2 Nr 3 ist es, wenn der Insolvenzverwalter vor der Planbestätigung die Erfüllung einiger Verträge wählt.112 Dass durch Abs 2 Nr 3 ein Rückgriff auf die Zustimmungsfiktion ausscheidet, wenn 44 ein gleichrangiger Gläubiger bessergestellt wird, erfährt teils starke rechtspolitische Kritik.113 Die Kritiker sehen sich einer Möglichkeit beraubt, Störpotential durch eine höhere Quote für bestimmte Gläubigergruppen zu minimieren, bezweifeln, dass der Gesetzgeber dies beabsichtigt habe, und halten das Schlechterstellungsverbot des Abs 1 Nr 1 für ausreichend. Letztlich geht es um die Frage, welches Gewicht der Gleichheitsaspekt im Planverfahren haben soll, wenn der Freiheitsaspekt durch das Schlechterstellungsverbot gewahrt scheint. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass auch der Freiheitsaspekt durch eine Bevorzugung einer an sich gleichrangigen Gruppe berührt ist, da diese Bevorzugung mit den Mitteln der Gesamtheit, also auch der benachteiligten Gruppe, erreicht wird (vgl Rn 31). Der Gesetzgeber hat insoweit gewiss einen Spielraum, der Abs 2 Nr 3 ebenso trägt, wie er seine Streichung tragen würde. Die Bevorzugung einzelner Gruppen, die nicht im Konsens erfolgt, ließe indes Rechtsmittel erwarten. Dies spricht für die derzeitige Lösung, die eine Bevorzugung einzelner Gruppen mit Zustimmung der übrigen Gruppen ja durchaus erlaubt, bei fehlender Zustimmung aber eine Fiktion ausschließt. bb) Gruppen von Anteilsinhabern (Abs 3). Das Schlechterstellungsverbot des Abs 1 45 Nr 1 wird für die Anteilsinhaber kaum je von Bedeutung sein. Denn durch eine Verwertung des Schuldnervermögens im Insolvenzfall werden typischerweise keine Erlöse erzielt, die die Ansprüche aller Gläubiger decken, sodass die „Residualansprüche“ der Anteilsinhaber wertlos sind.114 Bedeutung kann hingegen das Kriterium der Angemessenheit iSd Abs 1 Nr 2 erlangen.115 Auch für Gruppen von Anteilsinhabern definiert das Gesetz die Angemessenheit positiv so, dass immer dann, wenn keiner der in Abs 3 Nr 1 und 2 beschriebenen Fälle vorliegt, Angemessenheit zu bejahen ist. Der Absatz konkretisiert also wiederum abschließend die angemessene Beteiligung von Anteilsinhabern.116 (1) Keine „Überbefriedigung“ (Abs 3 Nr 1). Abs 3 Nr 1 entspricht bis auf das – not- 46 wendigerweise fehlende – Wort „anderer“ dem Abs 2 Nr 1. Anteilsinhaber müssen es nicht hinnehmen, dass ein Gläubiger mehr erhält, als er außerhalb der Insolvenz verlangen könnte, da dieses Mehr notwendigerweise zu Lasten jedenfalls der Gesamtheit der Anteilsinhaber geht, Überschüsse aber diesen zustehen (vgl § 199 S 2).117 Eine konkrete Benachteiligung wird indes auch hier nicht verlangt. Zu berücksichtigen sind dabei nur Forderungen, die gem § 39 I Nr 1, 2 nicht nachrangig sind, sofern nicht auch die nachrangigen 109 110

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Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 25. AG Hamburg BeckRS 2016, 19415 sub II.2.4.; Blankenburg ZInsO 2015, 1293, 1296 f. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 33. Näher K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 34. ZB BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 14; HambK/Thies InsO6 § 245 Rn 15; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 32–34.

114 115

116 117

MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 95 f. Anders Spliedt GmbHR 2012, 462, 469: „Gruppenschutz [der Anteilsinhaber] praktisch ohne Bedeutung“. FK/Jaffé InsO9 § 245 Rn 33; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 22. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 16 f.

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§ 245

Sechster Teil. Insolvenzplan

Gläubiger zur Forderungsanmeldung aufgefordert waren.118 Das Verbot der Überbefriedigung wirft auch hier ganz erhebliche Bewertungsprobleme auf.119 47 Bei der Bewertung der Unternehmensbeteiligung, die ein Gläubiger im Falle eines DebtEquity-Swap erhält, ist das Unternehmen mit seinem Zerschlagungswert anzusetzen.120 Ein Ansatz des Fortführungswerts – also des Werts nach plangemäßer Sanierung des Schuldners – würde den Anteilseignern eine große Blockademacht verschaffen, und dies allein auf der Grundlage einer unsicheren Prognose. Es wäre aber unsinnig, eine Zustimmungsfiktion der Anteilsinhaber umso eher auszuschließen, je höher der Planmehrwert und damit die Chance einer Überbefriedigung ist.

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(2) Keine Besserstellung „gleichrangiger“ Anteilsinhaber (Abs 3 Nr 2). Nach Abs 3 Nr 2 steht neben der den Anspruch übersteigenden Befriedigung eines Gläubigers nur noch die Besserstellung eines „gleichrangigen“ Anteilsinhabers der Angemessenheit entgegen. Dass eine Parallelvorschrift zu Abs 2 Nr 2 fehlt, erklärt sich aus dem mangelnden Interesse der ohnehin nachgeordneten Anteilsinhaber an einer ranggerechten Behandlung der Gläubiger. Ein Anteilsinhaber wäre den Anteilsinhabern der Gruppe ohne einen Plan gleichgestellt, wenn die Stellung dieses Anteilsinhabers keine vorrangige Beteiligung am Liquidationserlös vorsieht. Damit sind zB geringfügig beteiligte Anteilsinhaber ebenso wie die übrigen Anteilsinhaber zu behandeln.121 Eine Besserstellung kann in höherer Gewinn-, Überschuss- oder Liquidationsbeteiligung liegen, mangels insolvenzrechtlicher Relevanz aber nicht in einer Veränderung der Mitwirkungsbefugnisse, insbesondere der Mehrheitsverhältnisse, die einem Anteilsinhaber größeres Gewicht verleiht.122 Ob eine Besserstellung vorliegt, ist wiederum eine rein wirtschaftliche Frage, deren Beantwortung gegebenenfalls sachkundiger Hilfe bedarf.

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d) Gerichtliche Prüfung und non liquet. Auch die Angemessenheit der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert ist ein für das Insolvenzverfahren bedeutsamer Umstand, für die im Ausgangspunkt der Grundsatz der Amtsermittlung gilt (§ 5 I); die Entscheidung darüber, welche Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen sind, steht aber wiederum im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.123 Da es bei der Frage der Angemessenheit nicht um die Verteilung des gegenwärtigen Liquidationswerts, sondern nur um die Verteilung des Planmehrwerts geht, erscheint es zutreffend, hier eine geringere Intensität der Prüfung ausreichen zu lassen.124 Ist das Insolvenzgericht weder vom Vorliegen noch vom Fehlen der Angemessenheit überzeugt, so muss es hier, obwohl es nur um die Verteilung eines zu erwirtschaftenden Mehrwerts geht, vom Fehlen der Angemessenheit ausgehen.125

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 9. Vgl MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 97–101. Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 20. Begr zu Art 1 Nr 29 lit b ESUG (BTDrucks 17/5712, S 34); BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 18; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 36; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 37; dagegen Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 21.

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 10; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 18; HambK/Thies InsO6 § 245 Rn 17; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 35; wohl auch Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 37 aE. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 38. So K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 39 aE. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 42; aA aber für die Angemessenheit bei Anteilsinhabern Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 10 aE.

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Obstruktionsverbot

§ 245

III. Zustimmung der Mehrheit der abstimmenden Gruppen Abs 1 Nr 3 verlangt schließlich die Zustimmung der Mehrheit der abstimmenden 50 Gruppen mit den erforderlichen Mehrheiten. Mit dem Erfordernis einer mehrheitlichen Zustimmung der abstimmenden Gruppen hatte sich der Rechtsausschuss durchgesetzt (Rn 3). Es stellt sicher, dass der Plan von einer Mehrheit der Beteiligten getragen wird, und erschwert es damit, durch geeignete Gruppenbildung ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Indem das deutsche Recht eine Zustimmung der Mehrheit der Gruppen verlangt, geht es über das US-amerikanische Vorbild hinaus, das lediglich die Zustimmung mindestens einer Gruppe vorschreibt, dann allerdings wiederum die Zustimmung von Insidern ausschließt.126 Diese Verschärfung gegenüber der Regelung in den USA und den von ihr inspirierten Entwürfen ist auf rechtspolitische Kritik gestoßen.127 In der Tat ist unter reinen Effizienzgesichtspunkten ein Plan, der auch nur eine Gruppe besser und alle anderen Gruppen nicht schlechter stellt, gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren vorzugswürdig.128 Allerdings müsste, wenn man allein die Effizienz als Maßstab anlegt, sogar die Besserstellung nur eines einzelnen Beteiligten ausreichen; der Vorwurf der Inkonsequenz bzw Systemwidrigkeit129 träfe also nicht nur das Mehrheitserfordernis von Abs 1 Nr 3, sondern auch dessen Abstellen auf Gruppen. Die Feststellung, ob ein Plan auch nur einen Beteiligten besser und keinen anderen Beteiligten schlechter stellt, stößt aber auf kaum überwindbare praktische Schwierigkeiten, ist doch eine Einzelprognose zeit- und kostenaufwendig, fehleranfällig und manipulierbar. Schon dies zeigt, dass es dem Gesetzgeber – anders als dem in einer Modellwelt arbeitenden Ökonomen, der sich dies zur Aufgabe gemacht hat – nicht auf die Verwirklichung von Effizienz in ihrer Reinform ankommen kann und darf. Das vom Gesetzgeber in Abs 1 Nr 3 schließlich gewählte Mehrheitserfordernis ist, wie schon das US-amerikanische Beispiel zeigt, sicher nicht zwingend, lässt sich aber gut rechtfertigen: Es fördert die Akzeptanz des Plans gerade vor dem Hintergrund, dass seine Umsetzung oft die Kooperationsbereitschaft möglichst vieler Beteiligter voraussetzt und Verzögerungen durch Versagungsanträge oder Rechtsmittel vermieden werden sollten, und verhindert, dass eine einzelne Gruppe in einfacher Weise sachfremde, aber nicht zutage tretende Interessen durchsetzen kann. Die Entscheidung des Gesetzgebers ist daher zu billigen. Der Vorschlag für eine Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen …130 lässt in seinem Art 11 I lit b die „Genehmigung“ mindestens einer „Klasse“ betroffener Gläubiger ausreichen. Im Falle der Umsetzung einer solchen Vorschrift wird man aus Gründen der Konsistenz auch über eine entsprechende Änderung von Abs 1 Nr 3 nachdenken müssen. Abstimmende Gruppen sind jedenfalls diejenigen Gruppen, für die die Abstimmung 51 ein Ergebnis gebracht hat. Ob hierzu auch Gruppen zählen, deren Zustimmung nach §§ 246, 246a fingiert wird, ist umstritten, aber richtigerweise zu bejahen.131 Haben sich in einer Gruppe sämtliche abstimmenden Gruppenmitglieder der Stimme enthalten, so

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11 US Code § 1129(a)(10). Braun InsR-Hb4 § 68 Rn 57 ff; Kaltmeyer ZInsO 1999, 255, 265 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 2, 33. Koch/de Bra InsR-Hb5 § 68 Rn 59; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 245 Rn 37. Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 33; MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 25: die Einschätzung, dass Abs 1 Nr 3 systemwidrig sei, sei „verteidigbar“. COM (2016) 723 final.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 18; differenzierend HK/Haas InsO9 § 245 Rn 5: nur für den Fall einer Zustimmungsfiktion nach § 246a InsO; aA Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 245 Rn 7; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 245 Rn 19; Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 23; Hess/Groß/Reill-Ruppe u.a./Groß Insolvenzplan4 Rn 1453; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 245 Rn 40.

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§ 246

Sechster Teil. Insolvenzplan

wird diese Gruppe bei der Feststellung der Mehrheit der abstimmenden Gruppen nicht mitgezählt.132 52 Eine Mehrheit der abstimmenden Gruppen kann es nur bei mindestens drei Gruppen geben; gibt es nur eine oder zwei Gruppen, kommt eine Anwendung des § 245 nicht in Betracht.133 53 Erforderliche Mehrheiten sind die innerhalb jeder einzelnen Gruppe für eine Zustimmung erforderlichen Mehrheiten des § 244. Es bedarf also auch für die Zustimmungsfiktion der Kopf- und Summenmehrheit in Gläubigergruppen bzw der Summenmehrheit in Gruppen von Anteilseignern. Da es auf die Mehrheiten in den Gruppen ankommt, ist nicht jeder Plan notwendigerweise zugleich von einer Mehrheit sämtlicher Beteiligter getragen.134 Ein dahingehendes Erfordernis, das die Gruppenbildung stark entwerten würde, hat der Gesetzgeber nicht aufgestellt. Ein Konstruktionsfehler liegt hierin nicht.135 Da eine Zustimmungsfiktion das Vorliegen der erforderlichen Mehrheiten fingiert, schließt dies eine Berücksichtigung von Gruppen, deren Zustimmung gem §§ 246, 246a fingiert wird, nicht aus.136 54 Abs 1 Nr 3 schafft Anreize zu manipulativer Gruppenbildung, mit der der Schutzmechanismus des § 245 überwunden werden soll. Daher hat das Gericht schon im Vorfeld die Aufgabe, die Gruppenbildung zu prüfen.137 Die Anreize sind aber jedenfalls geringer, als dies der Fall wäre, wenn die Zustimmung nur einer Gruppe ausreichte.

§ 246 Zustimmung nachrangiger Insolvenzgläubiger Für die Annahme des Insolvenzplans durch die nachrangigen Insolvenzgläubiger gelten ergänzend folgende Bestimmungen: 1. Die Zustimmung der Gruppen mit einem Rang hinter § 39 Abs. 1 Nr. 3 gilt als erteilt, wenn kein Insolvenzgläubiger durch den Plan besser gestellt wird als die Gläubiger dieser Gruppen. 2. Beteiligt sich kein Gläubiger einer Gruppe an der Abstimmung, so gilt die Zustimmung der Gruppe als erteilt. Materialien: DiskE § 280 (S 142 f); RefE § 280 (S 163); RegE § 291 (BT-Drucks 12/2443, S 55); Rechtsausschuss § 291 (BT-Drucks 12/7302, S 105 f); RegE ESUG § 246 nF (BT-Drucks 17/5712, S 10). Vorgängerregelungen: Keine.

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FK/Jaffé InsO9 § 243 Rn 6. AG Duisburg NZI 2001, 605, 606; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 23; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 245 Rn 7; HK/Haas InsO9 § 245 Rn 6; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 245 Rn 33; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 18; krit Smid/Rattunde/ Martini Der Insolvenzplan4 Rn 18.52. MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 26.

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MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 245 Rn 26; aA Smid/Rattunde/Smid, Der Insolvenzplan (1998) S 148–181. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 245 Rn 18; aA Braun/Braun/Frank InsO7 § 245 Rn 23; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 245 Rn 31. Vgl AG Hamburg BeckRS 2016, 19415 sub II.2.; AG Köln NZI 2016, 537, 539 m zust Anm Madaus NZI 2016, 539 f.

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Zustimmung nachrangiger Insolvenzgläubiger

§ 246

Literatur Fritzsche Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag (2017); Madaus Der Insolvenzplan (2011); Schröder Rechtlos im Insolvenzplanverfahren? Über den mangelnden Rechtsschutz nachrangiger Gläubiger bei Streit über den zu erwartenden Übererlös, ZInsO 2014, 2069; Smid Pläne bei Masseunzulänglichkeit. Zu Voraussetzungen und Grenzen von Insolvenzplänen nach § 210a InsO, ZInsO 2017, 2085.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . II. Verhältnis zu § 245 . . . . . . . . . III. Gläubiger mit dem Rang der § 39 I Nr 1 und 2 . . . . . . . . . . . . . . IV. Gläubiger mit dem Rang des § 39 I Nr 3 . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Rn. V. Gruppen mit Rang hinter § 39 I Nr 3 (Nr 1) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfasste Forderungen . . . . . . . . 2. Voraussetzung der Zustimmungsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung der Vorschrift . . . . . . 4. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Keine Beteiligung an der Abstimmung (Nr 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung 1. Überblick § 246 versucht, die Belastungen für die Abstimmung über den Plan, die die grund- 1 sätzliche Einbeziehung nachrangiger Insolvenzgläubiger (vgl §§ 39, 225) und ihr hieraus folgendes Stimmrecht (vgl § 237 I S 1 iVm § 77 I S 1)1 mit sich bringen, zu reduzieren und ein eventuelles Störpotenzial von Gläubigern, deren Forderungen im Regelinsolvenzverfahren wertlos wären, zu begrenzen.2 Zu diesem Zweck fingiert er in zwei Fällen für bestimmte nachrangige Gläubiger deren Zustimmung. Die Zustimmungsfiktion macht eine Beteiligung und Abstimmung dieser Gläubiger entbehrlich. Sie entlastet damit die Abstimmung und trägt zugleich der Tatsache Rechnung, dass nachrangige Insolvenzgläubiger am Verfahren typischerweise mangels jeder Befriedigungsaussicht kein Interesse haben.3 2. Entstehungsgeschichte Die von Diskussionsentwurf,4 Referentenentwurf5 und Regierungsentwurf6 vorgese- 2 hene Vorschrift mit drei Nummern wurde in der vom Rechtsausschuss vorgeschlagenen Fassung7 unter Anpassung der Paragraphenzahlen zunächst Gesetz.8 Durch Art 1 Nr 32 ESUG9 wurde dann die frühere Nr 1, die eine Zustimmungsfiktion 3 für Gruppen mit dem Rang des § 39 I Nr 1 und 2 enthielt, aufgehoben. Grund war, dass die Vorschrift keine praktische Bedeutung hatte:10 § 225 I sieht vor, dass die Forderungen 1 2 3 4 5 6 7

MünchKomm/Sinz InsO3 § 246 Rn 1; Schröder ZInsO 2014, 2069, 2073. Fritzsche Insolvenzplan als Vertrag S 273. Vgl FK/Jaffé InsO9 § 246 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 246 Rn 2. DiskE § 291 (S 142). RefE § 291 (S 163). RegE § 291, BT-Drucks 12/2443, S 55. Rechtsausschuss § 291, BT-Drucks 12/7302, S 105 f.

8 9 10

G v 05.10.1994, BGBl I, S 2866. G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582. BT-Drucks 17/5712, S 34; Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 246 Rn 2; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 246 Rn 2; MünchKomm/Sinz InsO3 § 246 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 246 Rn 1.

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§ 246

Sechster Teil. Insolvenzplan

nachrangiger Insolvenzgläubiger als erlassen gelten. Der erst im Gesetzgebungsverfahren auf Vorschlag des Rechtsausschusses11 hinzugekommene12 Nebensatz in § 222 I Nr 3 verlangt die Bildung einer Gruppe nachrangiger Insolvenzgläubiger nur noch, soweit deren Forderungen nicht als erlassen gelten. Daher wurden Gruppen der in der früheren Nr 1 genannten nachrangigen Gläubiger nie gebildet. 4 Aufgrund der Aufhebung der früheren Nr 1 wurden die früheren Nr 2 und 3 zu den heutigen Nr 1 und 2.

II. Verhältnis zu § 245 5

§ 246 tritt neben § 245.13 Wurde eine Gruppe nachrangiger Gläubiger gebildet, so kann deren Zustimmung mithin auch nach den Regeln über das Obstruktionsverbot fingiert werden.14 Ein logischer Vorrang der einen oder anderen Vorschrift besteht nicht; dementsprechend ist auch keine Prüfungsreihenfolge zwingend vorgegeben. Allerdings setzt § 245 die Durchführung der Abstimmung voraus, da es auf die Mehrheit der abstimmenden Gruppen ankommt, während bei § 246 die Zustimmungsfiktion unabhängig vom Abstimmungsverhalten anderer Gruppen greifen kann. Steht fest, dass die Voraussetzungen des § 246 Nr 1 gegeben sind, kann daher auf die Abstimmung in diesen Gruppen verzichtet werden,15 jedenfalls dann, wenn man als „abstimmende Gruppe“ iSd § 245 I Nr 3 auch eine Gruppe ansieht, deren Zustimmung fingiert wird (§ 245 Rn 51). Da durch den Verzicht auf eine Abstimmung die angestrebte Entlastung des Verfahrens gefördert wird, sollte das Vorliegen der Voraussetzungen von Nr 1 daher vorab geprüft werden.

III. Gläubiger mit dem Rang der § 39 I Nr 1 und 2 6

Die Forderungen der Gläubiger mit dem Rang von § 39 I Nr 1 und 2 gelten gem § 225 I als erlassen, wenn nicht der Plan deren Berücksichtigung vorsieht. Da letzteres in der Praxis selten vorkommt, bleibt es für diese Gläubiger typischerweise bei der Fiktion des Erlasses, sodass für diese Gläubiger gem § 222 I Nr 3 Hs 2 keine Gruppe gebildet werden muss. Damit sind diese Gläubiger auch an der Abstimmung nicht zu beteiligen; einer Zustimmungsfiktion bedarf es dann nicht (vgl auch Rn 3). 7 Wird ausnahmsweise eine Gruppe dieser Gläubiger gebildet, so bedarf es deren Zustimmung. Abgesehen von den Fällen des § 245 wird die Zustimmung dieser Gruppe gem Nr 2 auch dann fingiert, wenn sich kein Gläubiger dieser Gruppe an der Abstimmung beteiligt (Rn 17 ff).

11 12

Rechtsausschuss § 265 I Nr 3, BTDrucks 12/7302, S 97. § 255 II Nr 3 DiskE (S 130) verlangte noch die Bildung von Gruppen der „einzelnen in § 44 [heute § 39] bezeichneten Rangklassen nachrangiger Insolvenzgläubiger“ ohne Einschränkung; ähnlich („einzelnen Rangklassen der nachrangigen Insolvenzgläubiger“) § 255 II Nr 3 RefE (S 148) und § 265 II Nr 3

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RegE (BT-Drucks 12/ 2443, S 51). Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 246 Rn 1. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 246 Rn 1. Begr DiskE (S B254), RefE (S 290 f), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 209).

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Zustimmung nachrangiger Insolvenzgläubiger

§ 246

IV. Gläubiger mit dem Rang des § 39 I Nr 3 Die Gläubiger von Forderungen mit dem Rang des § 39 I Nr 3 werden gem § 225 III vom 8 Plan nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt. Sie haben daher mangels Beeinträchtigung kein Stimmrecht (vgl § 237 II). Daher braucht ihre Zustimmung nicht fingiert zu werden.16

V. Gruppen mit Rang hinter § 39 I Nr 3 (Nr 1) 1. Erfasste Forderungen Gruppen mit Rang hinter § 39 I Nr 3 sind Gläubigergruppen mit Forderungen auf eine 9 unentgeltliche Leistung (§ 39 I Nr 4), Gläubigergruppen, die die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder einer gleichgestellten Rechtshandlung verlangen können (näher § 39 I Nr 5, IV, V), Gläubigergruppen, deren Nachrang auf einer Vereinbarung beruht, soweit nicht eine andere Einordnung vereinbart ist (§ 39 II),17 und im Nachlassinsolvenzverfahren18 Gläubigergruppen, die Forderungen aus einem Pflichtteilsrecht, einem Vermächtnis oder einer Auflage geltend machen (§ 327). Auch für diese Gläubigergruppen ist wegen der Erlassfiktion des § 225 I normalerweise 10 gem § 222 I S 3 Nr 3 keine Gruppe zu bilden. Werden diese Gläubiger aber ausnahmsweise im Plan berücksichtigt, sodass – typischerweise mehrere, da § 222 I S 2 Nr 3 auf die „einzelnen Rangklassen“ abstellt19 – Gruppen gebildet werden müssen (§ 225 II), oder werden fakultative Gruppen gebildet, kommt es grundsätzlich auf die Zustimmung dieser Gruppen an.20 Sieht der Plan ausnahmsweise eine Gruppe oder mehrere Gruppen nachrangiger Gläu- 11 biger vor, haben diese grundsätzlich auch ein Stimmrecht. Ihr Stimmrecht setzt insbesondere nicht voraus, dass eine über den von § 225 I fingierten Erlass hinausgehende Beeinträchtigung in Gestalt einer Streichung der Wiederauflebensklausel des § 255 III vorliegt.21 Eine solche Voraussetzung stellt § 246 nicht auf. Sie findet auch in den Gesetzesmaterialien an keiner Stelle Erwähnung. Eine Beeinträchtigung iSd § 237 II liegt immer dann vor, wenn die Rechtsstellung des Gläubigers unter dem Plan schlechter ist als die Rechtsstellung des Gläubigers ohne den Plan (§ 237 Rn 11). An einer Beeinträchtigung fehlt es mithin nur dann, wenn der Plan eine volle Erfüllung der nachrangigen Forderung vorsieht. Dies wird aber kaum je der Fall sein. Die Gegenansicht,22 die eine über den Erlass hinausgehende Beeinträchtigung verlangt, welche in der Tat allein in der Streichung der Wiederauflebensklausel bestehen könnte, vergleicht nicht die Rechtsstellung des Gläubigers unter dem Plan mit seiner Stellung ohne Plan, sondern die Rechtsstellung des Gläubigers unter einem ge-

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17 18

Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 246 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 246 Rn 2; MünchKomm/Sinz InsO3 § 246 Rn 7; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 246 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 246 Rn 5. MünchKomm/Sinz InsO3 § 246 Rn 6, 17. In der Gesetzesbegründung erwähnt seit RefE (S 292); sa RegE (BT-Drucks 12/2443, S 210); Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 246 Rn 7; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 246 Rn 3; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 246 Rn 1.

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Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 246 Rn 2 Rn 2. Braun/Braun/Frank InsO7 § 246 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 246 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 246 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 246 Rn 6. Fritzsche Insolvenzplan als Vertrag S 269 m Rn 100; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 246 Rn 2; aA MünchKomm/Sinz InsO3 § 246 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 246 Rn 4. MünchKomm/Sinz InsO3 § 246 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 246 Rn 4.

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§ 246

Sechster Teil. Insolvenzplan

wöhnlichen Plan, bei dem die Erlassfiktion greift, mit seiner Stellung unter einem Plan, der ausnahmsweise Gruppen nachrangiger Gläubiger vorsieht. Damit legt die Gegenansicht bei § 237 II im Zusammenhang mit nachrangigen Gläubigern einen Vergleichsmaßstab zugrunde, der in allen anderen Fällen gar nicht zur Verfügung steht. Eine solche „gespaltene“ Auslegung ist aus systematischen Gründen abzulehnen, mag sie auch zu einem wünschenswerten Ergebnis führen (Rn 16). 2. Voraussetzung der Zustimmungsfiktion

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Die Zustimmung dieser Gruppen wird nun nach Nr 1 dann fingiert, „wenn kein Insolvenzgläubiger durch den Plan besser gestellt wird als die Gläubiger dieser Gruppen“. Es ist also der wirtschaftliche Wert – die Quote – zu vergleichen, den die verschiedenen Gläubiger erhalten. Wie genau der Vergleich vorzunehmen ist, ist jedoch aufgrund des Wortlauts nicht völlig klar. 13 Auf der einen Seite des Vergleichs stehen die „Insolvenzgläubiger“, die nicht besser stehen dürfen. Insolvenzgläubiger sind auf jeden Fall die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger. Erhalten also die nachrangigen Gläubiger – mindestens – denselben wirtschaftlichen Wert, also „dieselbe Quote“, wie die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger, ist ihre Zustimmung nicht erforderlich;23 bei nicht einheitlicher Quote verschiedener Gruppen nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger ist auf die Quote der Gruppe abzustellen, die den höchsten wirtschaftlichen Wert erhält.24 Unklar ist, ob „Insolvenzgläubiger“ iSd Nr 1 auch andere nachrangige Insolvenzgläubiger sind, also auch ein Vergleich mit anderen Gruppen nachrangiger Insolvenzgläubiger vorzunehmen ist, sodass bei Besserstellung einer anderen Gruppe nachrangiger Insolvenzgläubiger die Zustimmungsfiktion ausscheidet. Die Gesetzesbegründung spricht von einem Vergleich mit „höherrangigen Insolvenzgläubigern“.25 Nähme man dies beim Wort, so könnte die Zustimmung von Gläubigern mit dem Rang des § 39 I Nr 4 nicht fingiert werden, wenn Gläubiger mit dem Rang des § 39 I Nr 1 oder 2 besser stünden; wohl aber wäre eine Fiktion möglich, wenn Gläubiger mit dem Rang des § 39 I Nr 5 eine höhere Quote erhielten. Dieses Ergebnis vermag nicht zu überzeugen, da es den Rang geradezu umkehren würde. Da die Gesetzesbegründung nach der Gleichstellung mit den „höherrangigen Insolvenzgläubigern“ zur Erläuterung mit einem „also“ auf den Vergleich der Quote abstellt, die die nachrangigen und die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger erhalten,26 wird man nicht überbewerten dürfen, dass zuvor von den „höherrangigen“ Insolvenzgläubigern die Rede ist. Es bleibt die Frage, ob es neben den nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern auch auf andere – insbesondere auch höherrangige – Gruppen nachrangiger Insolvenzgläubiger ankommt. Die Gesetzesmaterialien sprechen zwar eher gegen eine solche Auslegung.27 „Insolvenzgläubiger“ ist indes auch der nachrangige Insolvenzgläubiger. Wenn schon eine Besserstellung nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger die Zustimmungsfiktion ausschließt, sollte dies erst recht bei einer Besserstellung einer anderen Gruppe nachrangiger Insolvenzgläubiger der Fall sein. Für den Vergleich sind also alle Insolvenzgläubiger ungeachtet ihres Rangs heranzuziehen.28 Allerdings sind die Gläubiger mit dem Rang des § 39 I Nr 3 vom Vergleich auszunehmen, da sie gem § 225 III vom Insolvenzplan nicht berührt werden.29 23 24 25 26

Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 246 Rn 3. So schon Begr DiskE (S B255), RefE (S 292), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 209 f). Begr DiskE (S B254), RefE (S 291), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 209). Nochmals Begr DiskE (S B254), RefE (S 291), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 209).

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27 28 29

Vgl einmal mehr Begr DiskE (S B254), RefE (S 291), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 209). IE wie hier HambK/Thies InsO6 § 246 Rn 5; MünchKomm/Sinz InsO3 § 246 Rn 19. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 246 Rn 3.

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Zustimmung nachrangiger Insolvenzgläubiger

§ 246

Auf der anderen Seite des Vergleichs stehen die Gläubiger „dieser Gruppen“, also „der 14 Gruppen mit einem Rang hinter § 39 I Nr 1“. Insoweit ist offen, ob, wenn es mehrere Gruppen solcher Gläubiger gibt und diese nicht gleich behandelt werden, auf die am besten behandelte Gruppe, die am schlechtesten behandelte Gruppe, einen Durchschnittswert oder nur die konkret in Rede stehende Gruppe nachrangiger Gläubiger abzustellen ist. Vorzugswürdig erscheint die letztgenannte Lösung. Denn für die Frage, ob der Insolvenzplan angenommen wurde, kommt es gem § 244 I auf jede einzelne Gruppe an. Die Gläubiger einer Gruppe nachrangiger Insolvenzgläubiger werden durch die Schlechterstellung einer anderen Gruppe nachrangiger Insolvenzgläubiger nicht berührt; bei Besserstellung einer anderen Gruppe nachrangiger Insolvenzgläubiger scheidet die Zustimmungsfiktion nach hier vertretener Ansicht (Rn 13) ohnehin aus. 3. Bedeutung der Vorschrift In der Praxis spielt die Zustimmungsfiktion der Nr 1 keine große Rolle.30 Bedeutung 15 erlangen kann die Vorschrift dann, wenn die Masse so hoch ist, dass die übrigen Insolvenzgläubiger nicht beeinträchtigt werden oder sie einem Plan, der zu ihrem Nachteil eine an sich nicht gebotene Gleich- oder gar Besserbehandlung einer Gruppe nachrangiger Insolvenzgläubiger vorsieht, zustimmen.31 Auch in diesen Fällen kommt es auf die Zustimmungsfiktion indes nur an, wenn entweder von einer Abstimmung dieser Gruppe abgesehen wird oder diese Gruppe selbst nicht zustimmt. 4. Kritik Für den Gesetzgeber erklärte sich diese Vorschrift aus dem „zutreffenden Gedanken, 16 daß die Zustimmung [der nachrangigen Gläubiger von Schenkungsversprechen und kapitalersetzenden Darlehen] nicht erforderlich ist, wenn ihre Rechte lediglich in dieser Weise eingeschränkt werden“.32 Zugleich lehnte er die weitergehende frühere Regelung in § 83 I VglO und § 32a I S 2 GmbHG ab, wonach bei einem Quotenvergleich diese Gläubiger stets dieselbe Quote wie die nicht nachrangigen Gläubiger erhalten mussten.33 Löst man sich von diesem historischen Ausgangspunkt, den schon der Gesetzgeber als „nicht sachgerecht“ erkannt hatte,34 kann man durchaus mit Recht fragen, warum nachrangige Gläubiger, die gar nicht berücksichtigt werden mussten und im Fall ihrer Nichtberücksichtigung auch kein Stimmrecht gehabt hätten (§§ 225 I, 222 I S 2 Nr 3 aE), nunmehr dadurch stimmberechtigt werden, dass sie gegenüber der gesetzlichen Standardlösung ein Mehr erhalten.35 Die Überlegung des Gesetzgebers, dass bei quotaler Befriedigung eine Zustimmung nicht erforderlich ist, trifft gewiss zu. Sie geht aber nicht weit genug, da sie den Nachrang außer Acht lässt. Auch ist nicht erkennbar, warum die Gläubiger mit einem Rang nach § 39 I Nr 3 und die Gläubiger mit einem Rang vor § 39 I Nr 3 im Hinblick auf das Stimmrecht unterschiedlich behandelt werden sollen.36 Dies durch eine Heranziehung

30

31

32

BK/Flöther/Gelbrich InsO64 § 246 Rn 5; MünchKomm/Sinz InsO3 § 246 Rn 19 aE; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 246 Rn 1, 6. HK/Haas InsO9 § 246 Rn 3; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 246 Rn 3; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 246 Rn 6. Begr DiskE (S B255), RefE (S 292 f), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 209).

33 34 35

36

Begr DiskE (S B255), RefE (S 292), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 209). Nochmals Begr DiskE (S B255), RefE (S 292), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 209). Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 246 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 246 Rn 6. Vgl Schröder ZInsO 2014, 2069, 2073 f.

Christoph Kern

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§ 246a

Sechster Teil. Insolvenzplan

des § 237 II zu korrigieren, verbietet sich aus systematischen Gründen. Die Vorschrift sollte daher gestrichen werden.37

VI. Keine Beteiligung an der Abstimmung (Nr 2) 17

Bei nachrangigen Insolvenzgläubigern aller Art (§ 39) mit Ausnahme der Gläubiger von Geldstrafen etc (vgl § 225 III)38 gilt die völlige Nichtbeteiligung der Gläubiger einer Gruppe nachrangiger Insolvenzgläubiger, mithin das kollektive Schweigen, als Zustimmung. Dies bringt eine realistische Vereinfachung, da die Forderungen der nachrangigen Insolvenzgläubiger im Plan ohnehin meist erlassen werden bzw als erlassen gelten. 18 Beteiligung ist die Abgabe einer Ja- oder Neinstimme im Abstimmungstermin gerade in der Eigenschaft als Angehöriger einer Gruppe nachrangiger Insolvenzgläubiger; eine Beteiligung in anderer Eigenschaft, also als Mitglied einer anderen Gruppe, ist unerheblich. Bloße Anwesenheit oder die Stimmenthaltung stehen der Zustimmungsfiktion nicht entgegen,39 da von einem nachrangigen Gläubiger, der ohne einen Plan nichts erhalten würde, eine aktive Teilnahme erwartet werden kann, wenn er Gehör finden will.40 19 Beteiligt sich hingegen auch nur ein Gläubiger, kommt eine Zustimmungsfiktion lediglich nach § 245 oder Nr 1 in Betracht.41

§ 246a Zustimmung der Anteilsinhaber Beteiligt sich keines der Mitglieder einer Gruppe der Anteilsinhaber an der Abstimmung, so gilt die Zustimmung der Gruppe als erteilt. Materialien: RegE ESUG § 246a (BT-Drucks 17/5712, S 10). Vorgängerregelungen: Keine. Literatur: Derksen Die Unternehmenssanierung innerhalb und außerhalb der Insolvenz (2017); Madaus Keine Reorganisation ohne Gesellschafter, ZGR 2011, 749; Stöber Die Kompetenzverteilung bei Kapitalerhöhungen im Insolvenzverfahren, ZInsO 2012, 1811.

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . 2

37

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 246 Rn 3; vgl ferner den Vorschlag zur Änderung der Voraussetzungen einer Zustimmungsfiktion nachrangiger Gläubiger bei Schröder ZInsO 2014, 2069, 2077. MünchKomm/Sinz InsO3 § 246 Rn 21.

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II. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . III. Zustimmungsfiktion . . . . . . . . . . . IV. Keine Beteiligung an der Abstimmung .

39 40 41

Rn. 3 5 7

BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 246 Rn 4. Vgl Begr DiskE (S B255), RefE (S 292), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 210). MünchKomm/Sinz InsO3 § 246 Rn 23; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 246 Rn 7.

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Zustimmung der Anteilsinhaber

§ 246a

I. Einleitung 1. Überblick § 246a fingiert in Parallele zu § 246 Nr 2 die Zustimmung einer Gruppe der Anteils- 1 eigner, von deren Mitgliedern sich keines an der Abstimmung beteiligt. Ziel der Vorschrift ist es, das Abstimmungsverfahren zu entlasten und eine Blockade durch bloßes Nichterscheinen zu vermeiden (vgl § 246 Rn 1). 2. Entstehungsgeschichte Die Norm wurde durch Art 1 Nr 33 ESUG1 eingefügt. Zuvor bestand kein Regelungs- 2 bedarf. Denn eine Beeinträchtigung der Anteilsinhaber durch den Insolvenzplan war bis dahin nicht möglich. Erst seit den durch das ESUG bewirkten Änderungen der InsO, die die bis dahin strikte Trennung von Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht überwunden haben,2 kann die Rechtsstellung der Anteilsinhaber durch einen Plan beeinträchtigt werden (vgl § 225a II, III).

II. Hintergrund Werden Anteilsinhaber in den Insolvenzplan einbezogen, so erfolgt durch den Plan 3 typischerweise ein Eingriff in ihre Rechtsstellung (Münch § 222 Rn 88). Daher ist für sie eine Gruppe zu bilden, deren Mitglieder stimmberechtigt sind (§§ 222 I S 2 Nr 4, 238a II, 237 II).3 Da die Rechte der Anteilsinhaber in einem Verfahren ohne Plan regelmäßig wertlos sind, 4 sieht auch der Plan zumeist vor, dass die Anteilsinhaber ihre Rechte verlieren. Können die Anteilsinhaber in einem Verfahren ohne Plan nicht mehr erwarten, ist nach Meinung des Gesetzgebers4 auch ihr Interesse gering, sich an der Abstimmung über den Plan zu beteiligen.5

III. Zustimmungsfiktion Ein kollektiver Verzicht der Anteilsinhaber auf eine Beteiligung an der Abstimmung soll 5 weder das Verfahren verzögern, noch Einfluss auf das Abstimmungsergebnis haben.6 Daher ordnet § 246a als Rechtsfolge des kollektiven Schweigens die Fiktion einer erteilten Zustimmung an. Diese Fiktion tritt neben die Fiktion, die § 245 I vorsieht. Eine inhaltliche Prüfung insbesondere der Angemessenheit (§ 245 I Nr 2, III) ist entbehrlich.7

1 2

3

G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582. S nur Derksen Unternehmenssanierung S 58; Vallender MDR 2012, 125; Auflistung der relevanten Änderungen bei Jaeger/Münch Vor §§ 217–269 Rn 136. Braun/Braun/Frank InsO7 § 246a Rn 1; FK/ Jaffé InsO9 § 246a Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 246a Rn 1; MünchKomm/Madaus InsO3 § 246a Rn 3; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 246a Rn 1.

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5 6 7

Begr RegE ESUG (BT-Drucks 17/5712, S 34); Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 246a Rn 1; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 246a Rn 1; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 246a Rn 2; Smid DZWIR 2010, 397, 403. Krit MünchKomm/Madaus InsO3 § 246a Rn 1; ders ZGR 2011, 749 ff. Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 246a Rn 3. MünchKomm/Madaus InsO3 § 246a Rn 4.

Christoph Kern

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§ 247 6

Sechster Teil. Insolvenzplan

Gegen diese Zustimmungsfiktion wird Kritik vorgebracht, die zum einen den Rechtsund Rechtsschutzverlust als Folge des Schweigens beklagt, zum anderen meint, die Vorschrift setze einen Anreiz zur Beteiligung, sodass die erstrebte Vereinfachung gerade nicht erreicht werde.8 Ein Rechtsverlust durch Passivität ist indes akzeptabel, wenn vom Betroffenen, der mit dem Rechtsverlust nicht einverstanden ist, aktive Beteiligung erwartet werden kann. Dies ist für Anteilsinhaber, die über Existenz und Inhalt eines Insolvenzplans nicht zuletzt aufgrund der gesetzlichen Vorgaben meist informiert sein dürften und im Verfahren ohne Plan typischerweise ihre Rechtsstellung gänzlich entwertet finden würden, zu bejahen.9 Die Regelung mag einen Anreiz zur Beteiligung setzen, ist aber dennoch verfahrensfreundlicher, als wenn das Schweigen von vornherein als Ablehnung gewertet würde.10 Denn die Anteilsinhaber werden gewiss nicht stets diesem Anreiz nachgeben und sich beteiligen. Zudem bleibt § 245 anwendbar, sodass auch bei einer Beteiligung der Anteilsinhaber vielfach eine Zustimmungsfiktion zum Tragen kommen wird.

IV. Keine Beteiligung an der Abstimmung 7

Wie bei § 246 Nr 2 (§ 246 Rn 19) darf sich kein einziger Gruppenangehöriger an der Abstimmung beteiligen, wobei es hier nur auf die Beteiligung in der Eigenschaft als Angehöriger der Gruppe der Anteilsinhaber ankommt. Beteiligung ist wiederum die aktive Abgabe einer Ja- oder Neinstimme;11 die bloße Enthaltung stellt keine Beteiligung iSd § 246a dar.

§ 247 Zustimmung des Schuldners (1) Die Zustimmung des Schuldners zum Plan gilt als erteilt, wenn der Schuldner dem Plan nicht spätestens im Abstimmungstermin schriftlich widerspricht. (2) Ein Widerspruch ist im Rahmen des Absatzes 1 unbeachtlich, wenn 1. der Schuldner durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde, und 2. kein Gläubiger einen wirtschaftlichen Wert erhält, der den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigt. Materialien: DiskE § 282 (S 143 f); RefE § 282 (S 164); RegE § 293 (BT-Drucks 12/2443, S 55); Rechtsausschuss § 293 (BT-Drucks 12/7302, S 106); RegE ESUG § 247 nF (BT-Drucks 17/5712, S 10). Vorgängerregelungen: Keine.

8 9

MünchKomm/Madaus InsO3 § 246a Rn 5 ff; vgl ferner ders ZGR 2011, 749, 753 ff. Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 246a Rn 2: „auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten […] gerechtfertigt“; aA Madaus ZGR 2011, 749, 759 ff; Stöber ZInsO 2012, 1811, 1818 f.

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11

Hierfür aber MünchKomm/Madaus InsO3 § 246a Rn 7 mit Hinweis auf das US-amerikanische Chapter 11-Verfahren. MünchKomm/Madaus InsO3 § 246a Rn 3.

Christoph Kern

Zustimmung des Schuldners

§ 247

Literatur Brüning Gesellschafter im Insolvenzplan (2006), insb S 334; Derksen Die Unternehmenssanierung innerhalb und außerhalb der Insolvenz (2017); Evers/Möhlmann Feststellung eines Insolvenzplans, ZInsO 1999, 21; Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004); Heublein Die sofortige Beschwerde gegen die Insolvenzplanbestätigung – „Superobstruktion“ durch die Hintertür? NZI 2005, 381; Madaus Der Insolvenzplan als Vertrag (2011); Smid Sanierungsverfahren nach neuem Insolvenzrecht, WM 1998, 2489; ders Voraussetzungen der sofortigen Beschwerde gegen die Bestätigung eines Insolvenzplans gem. §§ 251, 253 InsO, NZI 2005, 296; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 (2015).

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . II. Zustimmung des Schuldners (Abs 1) . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 2. Widerspruch . . . . . . . . . . . . . a) Gegenstand . . . . . . . . . . . . b) Rechtsnatur und Inhalt . . . . . . c) Person des Erklärenden . . . . . . d) Form und Erklärungsempfänger . e) Zeitpunkt der Erklärung . . . . . f) Widerruflichkeit des Widerspruchs 3. Zustimmungsfiktion . . . . . . . . . . .

Rn.

Rn. 1 1 2 4 4 5 5 7 8 9 10 12 13

III. Unbeachtlichkeit des Widerspruchs (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Schlechterstellung . . . . . . . a) Hintergründe . . . . . . . . . . . b) Schlechterstellung . . . . . . . . . c) Doppelte Prognosenotwendigkeit 3. Keine Überbefriedigung . . . . . . . a) Hintergründe . . . . . . . . . . . b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zustimmungsfiktion . . . . . . . . .

14 14 15 16 17 20 21 22 23 25

I. Einleitung 1. Überblick Die Bestätigung des Plans setzt gem § 248 I neben einer Annahme durch die Beteiligten 1 auch eine Zustimmung des Schuldners voraus. § 247 sieht in Abs 1 eine Fiktion der Zustimmung des Schuldners vor (Rn 4 ff); Abs 2 regelt, wann ein Widerspruch des Schuldners unbeachtlich ist (Rn 14 ff). Damit gilt auch für den Schuldner ein „Obstruktionsverbot“.1 2. Entstehungsgeschichte In den Entwürfen, die im Wesentlichen der heutigen Vorschrift entsprachen, enthielt 2 Abs 1 noch einen weiteren Satz, der bei Schuldnern, die keine natürliche Person sind, den Widerspruch mehrheitlich am Schuldner beteiligter Personen dem Widerspruch des Schuldners gleichstellen wollte.2 Der Rechtsausschuss sprach sich für die Streichung dieses Satzes aus, da die Rechtsstellung der Anteilsinhaber außerhalb des Insolvenzplans bleiben sollte.3 Noch vor Inkrafttreten wurde durch Art 2 Nr 13 EGInsOÄndG4 in Abs 2 Nr 1 das Wort „voraussichtlich“ eingefügt. Art 1 Nr 34 ESUG5 beseitigte die bis dahin in Abs 1 vorgesehene Möglichkeit, den Wi- 3 derspruch auch zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären.

1

2

S nur Landfermann BB 1995, 1649, 1655 Rn 45; Jaeger/Münch Vor §§ 217–269 Rn 229. DiskE § 282 (S 143); RefE § 282 (S 164); RegE § 293 I S 2 (BT-Drucks 12/2443, S 55).

3 4 5

Rechtsausschuss, BT-Drucks 12/7302, S 106, 184. G v 19.12.1998, BGBl I, S 3836. G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582.

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§ 247

Sechster Teil. Insolvenzplan

II. Zustimmung des Schuldners (Abs 1) 1. Allgemeines

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§ 248 I erhebt die Zustimmung des Schuldners zur Voraussetzung der Planbestätigung, da ein Insolvenzplan nicht nur vom Schuldner, sondern auch vom Insolvenzverwalter vorgelegt werden kann (§ 218 I S 1 Alt 1) und der Schuldner vor Nachteilen aus einer vom Regelinsolvenzverfahren abweichenden Behandlung seiner Insolvenz geschützt werden soll.6 Das Gesetz regelt indessen nicht positiv, wie und bis wann der Schuldner seine Zustimmung zu erklären hat, sondern nur negativ, wie und bis wann ein Widerspruch möglich ist, nämlich in schriftlicher Form und bis zum Abstimmungstermin. Fehlt es an einem solchen Widerspruch, gilt gem Abs 1 die Zustimmung des Schuldners als erteilt. Diese Regelungstechnik führt dazu, dass es nicht darauf ankommt, ob und ggf wie der Schuldner seine Zustimmung erklärt hat.7 Konsequenterweise muss daher auch der Widerruf einer einmal erteilten Zustimmung durch formgerecht und rechtzeitig erklärten Widerspruch möglich sein.8 Diese bei Verfahrenshandlungen recht großzügige Interpretation9 erscheint deshalb hinnehmbar, weil mit dem Abstimmungstermin ein Zeitpunkt existiert, zu dem feststeht, ob die Zustimmung des Schuldners erteilt wurde bzw als erteilt gilt oder nicht. 2. Widerspruch

5

a) Gegenstand. Der Widerspruch muss sich gegen den zur Abstimmung stehenden Insolvenzplan insgesamt richten.10 Ein Widerspruch nur gegen einzelne Festsetzungen oder Teile des vorgeschlagenen Plans ist nicht statthaft; er kann aber in einen Widerspruch gegen den Plan insgesamt umgedeutet werden. Widerspricht der Schuldner nur einzelnen Festsetzungen oder Teilen des Plans, hat das Insolvenzgericht auf die fehlende Statthaftigkeit hinzuweisen und den Schuldner zu fragen, ob er dem Plan insgesamt widersprechen will (§ 4 iVm § 139 ZPO). 6 Fraglich erscheint, ob der Schuldner auch einem Plan widersprechen kann, den er selbst eingebracht hat („Eigenplan“) und der unverändert angenommen wurde. Dem Wortlaut der Vorschrift ist eine Beschränkung der Widerspruchsbefugnis auf Pläne, die der Insolvenzverwalter vorgelegt hat, nicht zu entnehmen. Zwar erscheint der Schuldner bei einem Plan, den er selbst eingebracht hat, nicht schutzbedürftig. Er könnte aber auch den von ihm vorgelegten Plan jedenfalls bis zum Beginn der Abstimmung zurückziehen. Daher ist ein Widerspruch des Schuldners bis zu diesem Zeitpunkt auch gegen einen von ihm vorgeleg-

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 247 Rn 1; MünchKomm/Sinz InsO3 § 247 Rn 1. Erst recht ist die Zustimmung zur Fortführung iSd § 230 I mit der Zustimmung zum Plan nicht gleichzusetzen, vgl K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 247 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 247 Rn 3; aA aber BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 247 Rn 7. AA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 247 Rn 7 für die Fortfüh-

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rungserklärung des § 230 I, die als Zustimmung angesehen wird; es erscheint aber wenig sinnvoll, einen Schuldner zur Fortführung zu zwingen, der es sich vor Ende des Abstimmungstermins anders überlegt und zur Fortführung nicht mehr bereit ist. Vgl zur Widerruflichkeit von Prozesshandlungen Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 Rn 308 ff. FK/Jaffé InsO9 § 247 Rn 3; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 247 Rn 13.

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Zustimmung des Schuldners

§ 247

ten Plan möglich11 oder jedenfalls in eine Zurücknahme der Vorlage umzudeuten;12 macht sich dann der Insolvenzverwalter den Plan zueigen, ist der Widerspruch des Schuldners in jedem Falle beachtlich. b) Rechtsnatur und Inhalt. Der Widerspruch ist eine Verfahrenshandlung, durch die 7 sich der Schuldner gegen eine Behandlung des Insolvenzfalls nach dem Insolvenzplan ausspricht.13 Nach den allgemeinen Regeln für Verfahrenshandlungen muss der Schuldner nicht ausdrücklich widersprechen; eine als Widerspruch auszulegende Erklärung reicht aus.14 Hierfür ist indes erforderlich, dass sich der Schuldner hinreichend klar gegen den Plan ausspricht. Die bloße Äußerung von Skepsis oder Zurückhaltung genügt nicht. Eine Begründung des Widerspruchs ist nicht erforderlich, aber empfehlenswert.15 c) Person des Erklärenden. Der Widerspruch ist grundsätzlich von demjenigen zu er- 8 klären, der nach den allgemeinen zivilprozessualen Regeln Erklärungen mit Wirkung für und gegen den Schuldner abgeben kann, wobei das Zivilprozessrecht hier wiederum auf die Regeln des bürgerlichen Rechts verweist (§ 4 iVm § 51 I, III, § 53 ZPO).16 Bei einer juristischen Person haben also deren Organe, nicht etwa die Gesellschafter, den Widerspruch zu erklären.17 Sind danach mehrere Personen alleinvertretungsbefugt und erklären sie teils Zustimmung, teils Widerspruch, gilt Folgendes:18 Sofern das Gericht von einem Nacheinander der Erklärungen ausgehen kann, gilt der letzte rechtzeitig erklärte Widerspruch oder der letzte Widerruf des Widerspruchs vor dessen Unwiderruflichkeit. Sofern das Gericht von einem Nebeneinander der Erklärungen ausgehen muss, ist keine Erklärung wirksam, sodass es an einem Widerspruch fehlt und die Fiktion des Abs 1 zum Tragen kommt. Das Gericht muss sich ggf gem § 5 vergewissern, ob ein Nacheinander oder ein Nebeneinander gegeben ist. Bei der Nachlassinsolvenz gelten die Regeln über die Erbengemeinschaft, sodass der Widerspruch von allen Erben gemeinschaftlich zu erklären ist (§ 2038 I S 1 BGB).19 d) Form und Erklärungsempfänger. Der Widerspruch ist stets schriftlich zu erklären. 9 Für die Schriftform gilt nicht § 126 BGB mit seinem Erfordernis der eigenhändigen Unter-

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IE auch Madaus Insolvenzplan S 252, 254; aA Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 247 Rn 2; BK/Flöther InsO64 § 247 Rn 2 m Rn 1; Derksen Unternehmenssanierung S 135; FK/ Jaffé InsO9 § 247 Rn 9; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 247 Rn 1; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 247 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 247 Rn 3; Nerlich/Römermann/ Braun InsO33 § 247 Rn 9 f; Smid WM 1998, 2489, 2502; ders/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 19.14, 19.16; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 247 Rn 1; differenzierend Happe Rechtsnatur des Insolvenzplans S 188–191. Nicht eindeutig Braun/Braun/Frank InsO7 § 246 Rn 8; HambK/Thies InsO6 § 247 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 247 Rn 4; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 247 Rn 9 und MünchKomm/Sinz InsO3 § 247 Rn 25, die auf die Möglichkeit der Rücknahme des

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Planantrags hinweisen, ohne eine Umdeutung anzusprechen. Sa FK/Jaffé InsO9 § 247 Rn 3: „Verfahrenserklärung in Form einer schuldnerischen Gegenvorstellung“. Allg Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 Rn 277. MünchKomm/Sinz InsO3 § 247 Rn 20 f. Ausf MünchKomm/Sinz InsO3 § 247 Rn 6–13. S nur BK/Flöther InsO64 § 247 Rn 4 f; Derksen Unternehmenssanierung S 135; Hess/ Hess Insolvenzrecht2 § 247 Rn 4; Smid NZI 2005, 296 mit Verweis auf den hier eigentlich nicht einschlägigen § 101; Treffer GmbHR 2002, 205, 206. IE ähnlich BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 247 Rn 5. Ausf MünchKomm/Sinz InsO3 § 247 Rn 14 f.

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§ 247

Sechster Teil. Insolvenzplan

schrift, sondern über § 4 die Form des § 130 Nr 6 ZPO mit seiner Erweiterung durch § 130a ZPO.20 Richtiger Empfänger der Erklärung ist das zuständige Insolvenzgericht.21 Mit der Streichung der Möglichkeit, den Widerspruch zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären, sind Erklärungen vor anderen Amtsgerichten (vgl § 129a ZPO) nicht mehr möglich. Die mündliche Erklärung im Abstimmungstermin selbst muss aber, wenn sie ordnungsgemäß protokolliert wird, weiterhin als ausreichend angesehen werden.22 Denn zum einen handelt es sich im Termin nicht um eine Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle, sondern eine Erklärung, die in das Terminsprotokoll aufgenommen wird. Zum anderen sprechen systematische, teleologische und historische Gründe für eine Interpretation, die die Erklärung im Termin ausreichen lässt: Wenn im Erörterungs- und Abstimmungstermin selbst noch über eine Planänderung abgestimmt werden kann (§ 240), muss auch der Widerspruch im Termin möglich sein;23 im Termin eine schriftliche Erklärung zu verlangen, obwohl diese nicht mehr als einen Widerspruch gegen den Plan beinhaltet, wäre gekünstelt und kann vom Gesetzgeber des EUSG, der sich auf prozessökonomische Gründe berief,24 nicht gewollt gewesen sein.25

10

e) Zeitpunkt der Erklärung. Ab wann der Schuldner seinen Widerspruch erklären kann, sagt die Insolvenzordnung nicht. Frühest möglicher Zeitpunkt ist die Vorlage des Plans, da erst dann klar ist, auf welchen Planinhalt sich der Widerspruch bezieht. Denkbar erschiene es aber auch, den Widerspruch erst nach der Ablehnung einer Zurückweisung (vgl § 231), nach der Niederlegung des Plans mit den Stellungnahmen (§ 234) oder gar nach der Erörterung im Termin (§ 235 I S 1) für beachtlich zu erklären. Hierfür spricht, dass der Schuldner jeweils eine bessere Informationsgrundlage hat. Indes wird der Schuldner, der nach der Planvorlage widersprochen hat, darauf vertrauen, dass sein Widerspruch ausreicht. Ist ein früher Widerspruch beachtlich, kann der Verwalter daraufhin den Plan zurückziehen und so allen Beteiligten den Aufwand weiterer Verfahrensschritte ersparen oder den Schuldner, ggf unter Abänderung des Plans, zur Zustimmung bewegen. Man wird daher den Widerspruch ab der Vorlage des Plans für möglich halten müssen.26 Nachteile erleidet der Schuldner wegen der Widerruflichkeit (Rn 12) hierdurch nicht; allenfalls gehen durch die frühzeitige Beendigung des Planverfahrens Chancen einer Sanierung verloren. 11 Spätest möglicher Zeitpunkt für den Widerspruch ist nach Abs 1 „im Abstimmungstermin“. Der Widerspruch muss also dergestalt beim Insolvenzgericht eingegangen sein, dass er bei gewöhnlichem Lauf der Dinge dem Insolvenzrichter noch im Abstimmungstermin vorliegen konnte.27 Streng genommen, endet der Abstimmungstermin mit der Feststel-

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IE ebenso, aber mit unklarem Verweis auf § 126 BGB, BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 247 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 247 Rn 2. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 247 Rn 2. AA de lege lata Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 247 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 247 Rn 2. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 247 Rn 2, MünchKomm/ Sinz InsO3 § 247 Rn 18. Begr RegE ESUG, BT-Drucks 17/5712, S 34 iVm S 30.

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27

Sa HambK/Thies InsO6 § 247 Rn 5: „Redaktionsversehen“. Ohne Begründung ebenso HambK/Thies InsO6 § 247 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 247 Rn 8. AA MünchKomm/Sinz InsO3 § 247 Rn 19; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 247 Rn 3: Eingang bei Gericht „[i]n Anlehnung an § 167 ZPO“; § 167 ZPO passt aber nicht, da es dort um eine Zustellung an eine Person außerhalb des Gerichts geht, während hier die Berücksichtigung in einem Termin vor Gericht in Rede steht.

Christoph Kern

Zustimmung des Schuldners

§ 247

lung des Abstimmungsergebnisses (vgl § 241 I). Die Entscheidung über die Planbestätigung erfolgt indes nicht nur nach Annahme des Plans, sondern auch nach Zustimmung des Schuldners (§ 248 I); das Insolvenzgericht soll vor seiner Entscheidung über die Planbestätigung den Schuldner hören (§ 248 II). Daher kommt es nicht auf die Feststellung des Abstimmungsergebnisses, sondern auf das tatsächliche Ende dieses Termins an;28 nur wenn das Insolvenzgericht im Termin selbst über die Planbestätigung entscheiden sollte, muss der Widerspruch vor der Entscheidung über die Planbestätigung erklärt sein.29 f) Widerruflichkeit des Widerspruchs. Für die Frage, ob ein einmal erklärter Wider- 12 spruch wieder beseitigt werden kann, gelten im Ausgangspunkt die allgemeinen Regeln über Prozesshandlungen. Da hier das Gesetz mit dem Abstimmungstermin einen relevanten Zeitpunkt festlegt, ist ein Widerruf des Widerspruchs bis zum Ende des Abstimmungstermins (Rn 11) möglich (sa Rn 4 zur Widerruflichkeit der Zustimmung).30 3. Zustimmungsfiktion Widerspricht der Schuldner nicht form- und fristgerecht, so gilt gem Abs 1 seine Zu- 13 stimmung als erteilt. Hat der Schuldner dem Plan tatsächlich zugestimmt, bedarf es der Fiktion des Abs 1 nicht. Nur wenn der Schuldner sich gar nicht erklärt hat oder zwar eine Erklärung vorliegt, diese aber weder als Zustimmung gedeutet werden kann noch den Anforderungen an einen Widerspruch gerecht wird, wird die Zustimmung des Schuldners gem Abs 1 fingiert. Diese Zustimmungsfiktion hilft nur über einen nicht oder nicht wirksam geäußerten Willen zur Ablehnung hinweg. Sie entspricht daher nicht in vollem Umfang der Zustimmungsfiktion, die § 245 vorsieht, sondern steht der Zustimmungsfiktion der §§ 246 Nr 2, 246a am nächsten.

III. Unbeachtlichkeit des Widerspruchs (Abs 2) 1. Allgemeines Nach Abs 2 ist ein Widerspruch, der den Anforderungen des Abs 1 genügt, unter zwei 14 kumulativen Voraussetzungen31 dennoch unbeachtlich mit der Folge, dass mangels Widerspruchs die Zustimmungsfiktion des Abs 1 greift. Diese Voraussetzungen hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen (§ 5 I),32 wobei gem § 18 I Nr 2 RPflG der Richter zuständig ist.33

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Vgl LG Berlin NZI 2005, 335, 336. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 247 Rn 2. AA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 247 Rn 4: Bis zur Entscheidung des Gerichts. BK/Flöther InsO64 § 247 Rn 12; FK/Jaffé InsO9 § 247 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 247 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 247 Rn 4; MünchKomm/Sinz

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InsO3 § 247 Rn 22; Nerlich/Römermann/ Braun InsO33 § 247 Rn 8; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 247 Rn 8. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 247 Rn 7; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 247 Rn 20. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 247 Rn 10.

Christoph Kern

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§ 247

Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Keine Schlechterstellung

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Nach Abs 2 Nr 1 setzt die Unbeachtlichkeit des Widerspruchs zum Ersten voraus, dass „der Schuldner durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde“.

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a) Hintergründe. Wie bei § 245 I Nr 1 stehen hinter Abs 2 Nr 1 Freiheits- und Gleichheitsüberlegungen (§ 245 Rn 11 f). Dem Schuldner soll nicht gegen seinen Willen eine Schlechterstellung gegenüber der gesetzlichen Regellösung aufgezwungen werden können. Insoweit wahrt Abs 2 Nr 1 die Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich, die nicht zuletzt Art 14 GG schützt. Da eine Schlechterstellung des Schuldners regelmäßig den Gläubigern zugutekommt, rechtfertigt sich die Beachtlichkeit eines schuldnerischen Widerspruchs bei Schlechterstellung auch unter dem Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit, der Art 3 GG zuzuordnen ist.

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b) Schlechterstellung. Wiederum in Parallele zu § 245 I Nr 1 (§ 245 Rn 14 ff) liegt eine Schlechterstellung vor, wenn bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung die Stellung des Schuldners mit dem konkret in Rede stehenden Plan hinter der Stellung des Schuldners ohne jeden Plan zurückbleibt.34 Dazu müssen auch hier die einzelnen Positionen bewertet und gegebenenfalls mit Risikoabschlägen versehen werden. Entscheidend ist der Gesamtsaldo, was auf der Ebene des Plans Ausgleichsmaßnahmen zugunsten des Schuldners erlaubt.35 Ist der Schuldner keine natürliche Person, kommt es darauf an, ob im Regelverfahren in der Schlussverteilung an die Anteilsinhaber ein Überschuss zu verteilen wäre (vgl § 199 S 2). Da ein Überschuss selten zu erwarten ist, ist Abs 1 Nr 2 in aller Regel erfüllt.36 18 Das vom Insolvenzbeschlag erfasste Vermögen und das insolvenzfreie Vermögen sind bei der Feststellung des Gesamtsaldos getrennt zu betrachten, sodass die Einbeziehung insolvenzfreien Vermögens immer zu einer wirtschaftlichen Schlechterstellung führt, die die Zustimmung des Schuldners notwendig macht.37 Hierin liegt keine Abweichung vom Verständnis der wirtschaftlichen Betrachtung bei § 245. Denn dem Zugriff auf insolvenzfreies Vermögen des Schuldners entspricht die Situation, dass ein Beteiligter, für den an sich § 245 gilt, Beiträge aus seinem sonstigen Vermögen, also nicht den Insolvenzforderungen, Absonderungs- oder Anteilsrechten, erbringen soll – auch dies setzt die Zustimmung des Beteiligten voraus, die nicht über § 245 ersetzt werden kann. 19 Die Gegenansicht, die für die Feststellung einer Schlechterstellung nur auf die rechtliche Stellung des Schuldners abstellt,38 überzeugt nicht, da sie den Begriff der Schlechterstellung 34

35 36

Heublein NZI 2005, 381, 382; FK/Jaffé InsO9 § 247 Rn 5; HambK/Thies InsO6 § 247 Rn 7; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 247 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 247 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 247 Rn 11. Zur Gegenansicht, die eine rechtliche Schlechterstellung verlangt, aber auch ausreichen lässt, sogleich Rn 19; noch anders (wirtschaftliche oder rechtliche Schlechterstellung) MünchKomm/Sinz InsO3 § 247 Rn 23, 32. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 247 Rn 15; ausf FK/Jaffé InsO9 § 247 Rn 11 ff. MünchKomm/Sinz InsO3 § 247 Rn 28; Derksen Unternehmenssanierung S 135.

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FK/Jaffé InsO9 § 247 Rn 8; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 247 Rn 12; MünchKomm/Sinz InsO3 § 247 Rn 29; nur iE ebenso, aber auf der Grundlage einer Prüfung der rechtlichen Schlechterstellung, Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 247 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 247 Rn 5; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 247 Rn 6. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 247 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 246 Rn 2 ff; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 247 Rn 1; Koch/de Bra InsR-Hb5 § 68 Rn 98; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 247 Rn 3 ff; Smid WM 1998, 2489, 2502; ders/ Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 19.8.

Christoph Kern

Zustimmung des Schuldners

§ 247

in § 245 und § 247 unterschiedlich auslegt,39 vor allem aber der Zusatz „voraussichtlich“ wenig sinnvoll erscheint, ist doch eine rechtliche Schlechterstellung sofort festzustellen, sodass es keiner Prognose bedarf.40 Die Fälle, die als Beispiele einer rechtlichen Schlechterstellung üblicherweise genannt werden,41 stellen meist auch eine wirtschaftliche Schlechterstellung (Nr 1) oder eine Überbefriedigung (Nr 2) dar, sodass eine Zustimmungsfiktion allemal ausscheidet. Zu einer wirtschaftlichen Schlechterstellung führen etwa die Einbeziehung insolvenzfreien Vermögens (dazu soeben Rn 18), bei Privatpersonen der Verzicht auf eine ansonsten mögliche Restschuldbefreiung42 oder die Fortführung eines Rechtsstreits durch den Verwalter für Rechnung des Schuldners (§ 259 III); eine Überbefriedigung ist gegeben, wenn ein Übererlös nicht an den Schuldner fließen soll.43 c) Doppelte Prognosenotwendigkeit. Einmal mehr ist zur Feststellung, ob der Plan 20 voraussichtlich zu einer Schlechterstellung führt, eine doppelte Prognose erforderlich, aber auch ausreichend,44 nämlich eine Prognose der Entwicklung unter dem Plan wie der Entwicklung im Regelinsolvenzverfahren (§ 245 Rn 23 ff). 3. Keine Überbefriedigung Nach Abs 2 Nr 2 setzt die Unbeachtlichkeit zum Zweiten voraus, dass kein Gläubiger 21 einen Wert erhält, der über die Befriedigung seines Anspruchs hinausgeht. Dieses Kriterium hat eine Parallele in § 245 II Nr 1, III Nr 1; dort bildet es indes eine von drei Voraussetzungen, die zur Bejahung der Angemessenheit gegeben sein müssen, während es hier allein steht. a) Hintergründe. Auch neben dem Verbot der Schlechterstellung in Abs 2 Nr 1 kommt 22 dem Verbot der Überbefriedigung in Abs 2 Nr 2 eine eigene Bedeutung zu. Indem es verhindert, dass ein Gläubiger gegen den Willen des Schuldners mehr erhält, als er erwarten durfte, verwirklicht es Verteilungsgerechtigkeit und kann insofern auf Art 3 GG zurückgeführt werden (vgl § 245 Rn 31); vor allem aber schützt es die durch Art 14 GG abgesicherte vermögensrechtliche Freiheit des Schuldners. Denn wenn Abs 2 Nr 2 neben Abs 2 Nr 1 relevant wird, muss entweder ein Mehrwert erwartet werden oder ein anderer Gläubiger weniger erhalten, als er ohne Plan erhielte. Ein Mehrwert lässt sich, selbst wenn er auf Beiträgen anderer Beteiligter beruht, stets mittelbar auf das Schuldnervermögen zurückführen. Er soll daher der Disposition des Schuldners nicht gegen seinen Willen zugunsten der Insolvenzgläubiger entzogen werden. Ergibt sich die Überbefriedigung eines Gläubigers daraus, dass ein anderer Gläubiger weniger als ohne Plan erhält, so hat dieser Gläubiger entweder ein Nachforderungsrecht, das den Schuldner wegen des höheren Betrags als ohne Plan unmittelbar belastet, oder dieser Gläubiger nimmt, wenn bei Bestätigung des Plans die Forderungen erlöschen, den Nachteil gegenüber einem Verfahren ohne Plan aus Gründen in

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Was Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 247 Rn 3 ausdrücklich einräumt. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 247 Rn 5. Etwa bei Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 247 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 246 Rn 3–5; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 247 Rn 4–6. So auch FK/Jaffé InsO9 § 247 Rn 6; HK/ Haas InsO9 § 247 Rn 5. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 247 Rn 9; BK/Flöther InsO64

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§ 247 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 247 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 247 Rn 12; wohl auch MünchKomm/Sinz InsO3 § 247 Rn 28, der zwar Abs 2 Nr 1 zitiert und diesen Fall als Konstellation einordnet, bei der Nachteile für den Schuldner in Betracht kommen (Rn 26), aber darauf abhebt, dass „die Gläubiger mehr erhalten als ihnen zusteht“ (Rn 28). MünchKomm/Sinz InsO3 § 247 Rn 2 aE, 23; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 247 Rn 5.

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§ 248

Sechster Teil. Insolvenzplan

Kauf, die in irgendeiner Weise mit dem Schuldner in Verbindung stehen und daher seiner Disposition unterliegen sollten. Nicht zuletzt flankiert Abs 2 Nr 2 aber auch Abs 2 Nr 1, da die von Nr 1 geforderte doppelte Prognose mit Unsicherheiten befrachtet ist, eine Überbefriedigung aber immer das Risiko birgt, den Schuldner doch schlechter zu stellen.

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b) Inhalt. Ob ein Gläubiger einen wirtschaftlichen Wert erhält, der den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigt, ist auf der Grundlage des Insolvenzplans allein nach wirtschaftlichen Kriterien45 zu beurteilen. Risikoabschläge, wie sie bei Abs 2 Nr 1 zur Prüfung der Schlechterstellung angezeigt sind, haben hier außer Betracht zu bleiben. Dies stärkt die Stellung des Schuldners; der Schuldner, der den Plan vorgelegt hat, kann sich aber nicht auf eine Benachteiligung berufen, wenn seine eigene Prognose zugrundegelegt wird.46 24 In Parallele zu § 245 II Nr 1, III Nr 1 setzt Abs 2 Nr 2 nicht voraus, dass die Zahlung des überschießenden Betrags direkt zu Lasten des Schuldners geht. 4. Zustimmungsfiktion

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Folge der Unbeachtlichkeit des Widerspruchs ist, dass mangels Widerspruchs die Zustimmungsfiktion des Abs 1 greift. Die Unbeachtlichkeit des Abs 2 ist hier also Voraussetzung der Zustimmungsfiktion des Abs 1 und entspricht daher dem Verfehlen der erforderlichen Mehrheiten in § 245 I; nur die Fiktion des Abs 1 und die Unbeachtlichkeit des Abs 2 zusammen entsprechen daher strukturell voll der Zustimmungsfiktion des § 245.

§ 248 Gerichtliche Bestätigung (1) Nach der Annahme des Insolvenzplans durch die Beteiligten (§§ 244 bis 246a) und der Zustimmung des Schuldners bedarf der Plan der Bestätigung durch das Insolvenzgericht. (2) Das Gericht soll vor der Entscheidung über die Bestätigung den Insolvenzverwalter, den Gläubigerausschuß, wenn ein solcher bestellt ist, und den Schuldner hören. Materialien: DiskE § 284 (S 144); RefE § 284 (S 165); RegE § 295 (BT-Drucks 12/2443, S 55); Rechtsausschuss § 295 (BT-Drucks 12/7302, S 107); RegE ESUG § 248 nF (BT-Drucks 17/5712, S 10). Vorgängerregelungen: § 184 I, II KO; § 78 I, II VglO; § 16 V S 1 GesO. Literatur Berscheid Beteiligung des Betriebsrats im Eröffnungsverfahren nach Verfahrenseröffnung und im Insolvenzverfahren, ZInsO 1999, 27; Derksen Die Unternehmenssanierung innerhalb und außerhalb der Insolvenz (2017); Fritzsche Die rechtliche Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag (2017); Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004); Madaus Der Insolvenzplan (2011); Schiessler Der Insolvenzplan (1997); Skauradszun/Spahlinger/Tresselt Insolvenzpläne auf dem Prüfstand, DZWIR 2015, 539; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan (2015).

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FK/Jaffé InsO9 § 247 Rn 7; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 247 Rn 33.

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Vgl Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 247 Rn 9 f.

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Gerichtliche Bestätigung

§ 248

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . 2 II. Notwendigkeit und Bedeutung der gerichtlichen Bestätigung . . . . . . . . 6 1. Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . 6 2. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . 8 III. Rechtsnatur und Verfahren (Abs 1, 2) . 10 1. Beschluss des Richters . . . . . . . . 10 2. Amtsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . 12 3. Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . 13

a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Anhörungsberechtigte . . . . . . . c) Anhörung gem Abs 2 und andere Möglichkeiten zur Stellungnahme d) Durchführung der Anhörung . . . e) Zeitpunkt und Rahmen der Anhörung . . . . . . . . . . . . . f) Ausgestaltung als Sollvorschrift . IV. Entscheidungsmaßstab (Abs 1) . . . . . V. Entscheidungsinhalte . . . . . . . . . . VI. Mehrere Pläne . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 13 14 15 16 17 18 19 23 26

Alphabetische Übersicht Änderung 7 Abstimmungstermin 15, 17, 19 Antrag 12 f, 21 Berufsvertretungen 14 Betriebsrat 14 Beschluss 10, 23 ff Ergänzung 7 Ermessen 22 Erörterungstermin 15, 17

Fehlerberichtigung 7 Gesonderte Anhörung 17 Mündliche Verhandlung 13 Präventive Kontrolle 1, 9 Rechtssicherheit 1, 9 Schriftliche Stellungnahme 16 Sprecherausschuss 14 Tenor 23 Versagungsgründe 21

I. Einleitung 1. Überblick § 248 hält in Abs 1 fest, dass der Plan nach Annahme durch die Beteiligten und Zu- 1 stimmung des Schuldners vom Gericht bestätigt werden muss. Dies schafft Rechtssicherheit und erlaubt eine präventive gerichtliche Kontrolle. Abs 2 sieht vor der Entscheidung die Anhörung des Insolvenzverwalters, des Gläubigerausschusses und des Schuldners vor. Dies stärkt deren Position im Verfahren und soll die Qualität der Entscheidung fördern. 2. Entstehungsgeschichte Der Vergleich unter der Vergleichsordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 81) und der 2 Gesamtvollstreckungsordnung sowie der Zwangsvergleich unter der Konkursordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 69) bedurften ebenfalls gerichtlicher Bestätigung (§ 78 I VglO, § 16 V S 1 GesO, § 184 I KO). Die Vergleichsordnung sah ähnlich dem heutigen Abs 2 die Anhörung des Schuldners, des Vergleichsverwalters und des Gläubigerbeirats vor (§ 78 II VglO); für den Zwangsvergleich war in der Konkursordnung die Anhörung der Gläubiger, des Verwalters und des Gläubigerausschusses vorgeschrieben (§ 184 II KO). Da auch der US Bankruptcy Code, der für die Entwicklung des Insolvenzplanverfah- 3 rens wichtiges Vorbild war, eine gerichtliche Bestätigung verlangt,1 griffen bereits die Entwürfe auf § 78 I und II VglO zurück. Der Diskussionsentwurf sprach in Abs 1 noch unpräzise von der „Zustimmung der Beteiligten“.2 Der Referentenentwurf differenzierte

1

11 US Code § 1129.

2

DiskE § 284 I (S 144).

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§ 248

Sechster Teil. Insolvenzplan

dann zwischen der „Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger und der Zustimmung des Schuldners“ (zu dieser Änderung Münch Vor §§ 217–269 Rn 122).3 In Abs 2 sahen die Entwürfe zusätzlich noch die Anhörung der Personen vor, die den Plan vorgelegt haben, wenn der Plan nicht vom Insolvenzverwalter oder Schuldner stammte.4 4 Da der Rechtsausschuss das Vorschlagsrecht auf Insolvenzverwalter und Schuldner beschränkt sehen wollte, schlug er vor, das Erfordernis einer Anhörung der Planvorleger zu streichen;5 zudem fügte er in Abs 1 die Paragraphenverweise ein, um die Einbeziehung auch der fingierten Zustimmung klarzustellen. Unter Anpassung der Paragraphenverweise wurde die Vorschrift dann zunächst so Gesetz.6 5 Bis zur Einbeziehung von Anteilseignern durch das ESUG konnte sich die Vorschrift mit einer Annahme des Plans durch die Gläubiger begnügen. Durch Art 1 Nr 35 ESUG7 wurde dann in Abs 1 das Wort „Gläubiger“ durch das Wort „Beteiligten“ ersetzt und in den Paragraphenverweis auch der neue § 246a einbezogen, da neben den Gläubigern nun auch eine Annahme durch die Anteilsinhaber, sofern und soweit vom Plan betroffen, erforderlich ist.

II. Notwendigkeit und Bedeutung der gerichtlichen Bestätigung 1. Notwendigkeit

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Abs 1 hält fest, dass der Insolvenzplan stets gerichtlicher Bestätigung bedarf. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn alle Personen, die von einem Plan betroffen werden, diesem zustimmen, also durchweg Einstimmigkeit herrscht.8 Vor der gerichtlichen Bestätigung kann zwar ein materiellrechtlich wirksamer mehrseitiger Vergleichsvertrag vorliegen, wenn sich die Erklärungen der Beteiligten und des Schuldners so verstehen lassen.9 Die besonderen Eigenschaften eines Plans, etwa hinsichtlich der Rechtsmittel (§ 253) und der Wirkungen (zB §§ 254, 254a, 254b, 255, 257), hat ein solcher Vertrag aber jedenfalls nicht.10 7 § 248 gilt grundsätzlich auch für Änderungen und Ergänzungen eines bereits rechtskräftigen Insolvenzplans.11 Denn nur so können sie auf dem vom Gesetz vorgesehenen Weg zustandekommen, vollwertiger Bestandteil des Plans werden und an dessen besonderen Wirkungen teilhaben. Selbst wenn der Insolvenzverwalter im gestaltenden Teil des Plans zur Berichtigung offensichtlicher Fehler bevollmächtigt ist (§ 221 S 2), werden nur die Annahme durch die Beteiligten und die Zustimmung des Schuldners entbehrlich, nicht aber die gerichtliche Bestätigung (§ 248a).12

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5 6 7 8 9

RefE § 284 I (S 165). DiskE § 284 II aE (S 144); RefE § 284 II aE (S 165); RegE § 295 II aE (BTDrucks 12/2443, S 55). Rechtsausschuss § 295 (BT-Drucks 12/7302, S 107, 184). G v 05.10.1994, BGBl I, S 2866, 2898. G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582, 2585. Braun/Braun/Frank InsO7 § 248 Rn 3; FK/ Jaffé InsO9 § 248 Rn 1. Vgl Madaus Insolvenzplan S 173, 427 ff sowie zum „pre-voted“ Insolvenzplan nach

700

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Vorbild des US Bankruptcy Code S 564 ff, 578 ff. Vgl Madaus Insolvenzplan S 173, 296, 366; Fritzsche Insolvenzplan als Vertrag S 275 ff mit unterschiedlicher Einordnung der gerichtlichen Bestätigung; dazu Jaeger/Münch Vor §§ 217–269 Rn 225, 237, 261 ff. AG Frankfurt (Oder) DZWIR 2006, 87; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 248 Rn 2; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 6; wohl auch FK/Jaffé InsO9 § 248 Rn 4. MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 6.

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Gerichtliche Bestätigung

§ 248

2. Bedeutung Die Bedeutung der gerichtlichen Planbestätigung erklärt sich gerade aus den Besonder- 8 heiten, die diese Bestätigung gegenüber einem materiellrechtlichen Vergleich mit sich bringt. Die Besonderheiten betreffen zum einen die Wirkungen des rechtskräftig bestätigten Plans (§§ 254 ff), etwa die Geltung für und gegen alle Beteiligten (§ 254 I), die Fiktion formgerechter Rechtsgeschäfte (vgl § 254a) und die Vollstreckbarkeit (§ 257), zum anderen das Zustandekommen des Plans durch Mehrheitsbeschluss,13 der auch diejenigen Beteiligten bindet, die den Plan ablehnen (§ 244), und die verschiedenen Zustimmungsfiktionen bzw die Unbeachtlichkeit eines schuldnerischen Widerspruchs (§§ 245–246a), wodurch Schweigen und sogar eine ausdrückliche Ablehnung als Zustimmung gewertet werden können. Mit der gerichtlichen Bestätigung werden zudem alle Willensmängel unbeachtlich; eine Anfechtung, etwa wegen Irrtums nach § 119 BGB, ist von diesem Zeitpunkt an ausgeschlossen.14 Sowohl die besonderen Wirkungen des rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans als 9 auch die Besonderheiten seines Zustandekommens, insbesondere durch Mehrheitsbeschluss mit Zustimmungsfiktion, lassen das Erfordernis einer gerichtlichen Bestätigung wünschenswert erscheinen. Denn die gerichtliche Bestätigung schafft zum einen Rechtssicherheit; zum anderen ist mit ihr eine präventive gerichtliche Kontrolle der Voraussetzungen und des Verfahrens verbunden, die dem Schutz der Beteiligten und des Schuldners dient.15 Diese präventive gerichtliche Kontrolle hat gegenüber einer nachträglichen gerichtlichen Kontrolle den Vorteil, dass sie Fehlentwicklungen von vornherein verhindern kann. Die bloß nachträgliche Prüfung käme für den Betroffenen vielfach zu spät, etwa weil unumkehrbare unternehmerische Entscheidungen getroffen wurden oder von einem übervorteilten Beteiligten nichts mehr zurückzuerlangen ist.

III. Rechtsnatur und Verfahren (Abs 1, 2) 1. Beschluss des Richters Die Entscheidung über die gerichtliche Bestätigung des Insolvenzplans erfolgt durch 10 Beschluss (vgl §§ 252 I, 253 I).16 Der Beschluss ist nach § 252 zu verkünden; er kann gem § 253 mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Zuständig für die Entscheidung ist das Insolvenzgericht (Abs 1) und dort der Richter 11 (§§ 3 Nr 2 lit e, 18 I Nr 2 RPflG).17

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Hierauf abstellend Jaeger/Gerhardt InsO § 2 Rn 31. BFH NZI 2018, 610 Rn 10; FK/Jaffé InsO9 § 248 Rn 2; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 248 Rn 38; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 11; Jaeger/Münch Vor §§ 217–269 Rn 244. Braun/Braun/Frank InsO7 § 248 Rn 1; Derksen Unternehmenssanierung S 136; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 1; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 1; FK/Jaffé InsO9 § 248 Rn 2; Kübler/Prütting/

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Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 2; HambK/ Thies InsO6 § 248 Rn 1. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 248 Rn 4; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 248 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248 Rn 1. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 248 Rn 5; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 248 Rn 23.

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§ 248

Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Amtsbetrieb

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Eines gesonderten Antrags auf gerichtliche Entscheidung, etwa durch die Person, die den Plan vorgelegt hat, den Schuldner oder einen Beteiligten, bedarf es nicht. Ist einmal ein Plan vorgelegt, wird das Verfahren wie auch sonst vom Gericht im Amtsbetrieb vorangetrieben und mit einer positiven oder negativen Entscheidung über die Planbestätigung beendet (Rn 21 f). 3. Anhörung

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a) Allgemeines. Dem Beschluss des Insolvenzgerichts18 muss keine mündliche Verhandlung mit sämtlichen Beteiligten vorangehen (vgl § 4 iVm § 128 IV ZPO); nach Abs 2 soll das Gericht jedoch vor der Entscheidung den Insolvenzverwalter, den Gläubigerausschuss – sofern vorhanden – sowie den Schuldner hören. Die Anhörung stärkt zum einen die verfahrensrechtliche Stellung der Anhörungsberechtigten; nicht zuletzt kann in der Anhörung der Antrag auf Versagung der gerichtlichen Bestätigung (§ 251) gestellt werden.19 Zum anderen dient die Anhörung der Qualität der gerichtlichen Entscheidung, da die Anhörungsberechtigten Gesichtspunkte vorbringen und betonen können, die dem Gericht entgangen sind oder deren Bedeutung es bis dahin verkannt hat.

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b) Anhörungsberechtigte. Anhörungsberechtigt nach Abs 2 sind der Insolvenzverwalter, der Gläubigerausschuss, wenn ein solcher bestellt ist, sowie der Schuldner. Diese Aufzählung ist insofern abschließend, als es um die im Regelfall durchzuführende (Rn 18) letzte Äußerung vor der Entscheidung durch das Insolvenzgericht geht.20 Damit haben insbesondere die Anteilsinhaber kein Recht auf Anhörung;21 auch steht das Anhörungsrecht, das für den Gläubigerausschuss vorgesehen ist, bei dessen Fehlen nicht der Gläubigerversammlung zu. Dem Gericht bleibt es aber unbenommen, zwischen Abstimmung und Entscheidung über die Planbestätigung auch diese und weitere Personen anzuhören. Insbesondere kommt eine Anhörung des Betriebsrats und des Sprecherausschusses der leitenden Angestellten (§ 232 I Nr 1 Fälle 2 und 3) sowie der Berufsvertretungen (§ 232 II) in Betracht. Die Anhörung des Betriebsrats etwa erscheint zumindest dann sinnvoll, wenn der Plan eine Betriebsänderung vorsieht, die von einem Interessenausgleich und einem Sozialplan begleitet werden soll.22 Eine derartige zusätzliche, fakultative Anhörung muss allerdings zeitlich vor der in Abs 2 genannten Anhörung stattfinden; das Insolvenzgericht muss die in Abs 2 genannten Anhörungsberechtigten von einer Anhörung weiterer Personen unterrichten und ihnen die Anwesenheit gestatten bzw den Inhalt etwaiger Eingaben übermitteln.

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c) Anhörung gem Abs 2 und andere Möglichkeiten zur Stellungnahme. Den in Abs 2 genannten Anhörungsberechtigten garantieren die Regeln über das Planverfahren noch zwei andere Möglichkeiten der Stellungnahme: Die Stellungnahme nach § 231, die nach

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Abs 2 gilt nicht im Beschwerdeverfahren; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248 Rn 5; aA LG Traunstein NZI 1999, 461, 464 f. Begr DiskE (S B258), RefE (S 295), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 211); MünchKomm/ Sinz InsO3 § 248 Rn 2. Vgl Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 8.

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MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 8. Berscheid ZInsO 1999, 27, 29; FK/Jaffé InsO9 § 248 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 248 Rn 7; aA MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 8.

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Gerichtliche Bestätigung

§ 248

der Entscheidung, den Plan nicht zurückzuweisen, und vor dem Erörterungs- und Abstimmungstermin stattfindet, und die Äußerungsmöglichkeit im Erörterungstermin. Zum Zeitpunkt des § 231 kann indes nur zum Planinhalt Stellung genommen werden. Dies erklärt, warum nach § 231 I Nr 2 und 3 vom Schuldner bzw vom Insolvenzverwalter nur dann eine Stellungnahme eingeholt wird, wenn sie nicht selbst den Plan vorgelegt haben. Im Erörterungstermin kann über den Planinhalt hinaus auch zu den Äußerungen der anderen im Termin anwesenden Personen Stellung genommen werden, weshalb hier keine dem § 231 I Nr 2 und 3 entsprechende Einschränkung angebracht ist. Im Zeitpunkt der Anhörung nach Abs 2 schließlich können Gegenstand der Äußerung erstmals auch Verlauf und Ergebnis der Abstimmung, ein eventueller Widerspruch des Schuldners und die verschiedenen Zustimmungsfiktionen sein. Die Anhörung nach Abs 2 sichert den Anhörungsberechtigten somit die Möglichkeit, sich auch hierzu zu äußern. Da insoweit unerheblich ist, wer den Plan vorgelegt hat, fehlt auch hier für den Insolvenzverwalter und den Schuldner eine dem § 231 I Nr 2, 3 entsprechende Einschränkung. Dass daneben auch nochmals eine Äußerung zum Planinhalt möglich ist,23 ist unschädlich. Aus verfahrenstechnischen Gründen wie auch aus Gründen der Gläubigergleichbehandlung verständlich ist, dass der Gläubigerausschuss als Gesamtorgan aller Gläubiger (vgl §§ 67 II, 68), in dem die Interessen einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen bereits mediatisiert und zu einem Ausgleich gebracht sind, nur im Rahmen des § 231 vor dem Erörterungstermin und im Rahmen des Abs 2 nach Erörterung und Abstimmung Stellung nehmen kann. d) Durchführung der Anhörung. Einer gesonderten Ladung zur Anhörung bedarf es 16 nicht.24 Die Anhörung kann mündlich in einem Termin erfolgen; es reicht aber auch aus, dass das Gericht den genannten Personen die Gelegenheit zur Stellungnahme in anderer, insbesondere schriftlicher, Form gibt.25 Dokumente, die den §§ 130 Nr 6, 130a ZPO entsprechen, sind dabei stets entgegenzunehmen (§ 4); das Gericht kann aber auch darüber hinaus jede andere Form der Übermittlung zulassen, die eine Identifizierung des Urhebers erlaubt. Damit die Anhörungsberechtigten ihr Anhörungsrecht effektiv wahrnehmen können, muss das Gericht ihnen gegenüber zum Ausdruck bringen, ihre Äußerungen zu den Voraussetzungen einer Planbestätigung entgegennehmen, zur Kenntnis nehmen und berücksichtigen zu wollen. Dies kann im Termin mündlich geschehen und ist dann zu protokollieren; ansonsten bedarf es einer Verfügung, die zu den Akten zu nehmen ist. Ob die Gelegenheit zu mündlicher oder schriftlicher Stellungnahme von den Anhörungsberechtigten tatsächlich wahrgenommen wird, ist unerheblich.26 e) Zeitpunkt und Rahmen der Anhörung. Die Anhörung des Abs 2 ist von der Erörte- 17 rung im Erörterungs- und Abstimmungstermin oder einem getrennten Erörterungstermin, an der Insolvenzverwalter, Gläubiger und Schuldner selbstverständlich teilnehmen können (vgl § 235 III S 1), zu unterscheiden. Denn die Erörterung soll „vor der Entscheidung über die Bestätigung“ und damit nach Abstimmung und Zustimmung des Schuldners stattfinden. Damit sollen auch die Abstimmungsvorgänge und -ergebnisse, Zustimmung, Schweigen oder Widerspruch des Schuldners sowie eventuelle Fiktionen Gegenstand der Anhö-

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Vgl MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 11. FK/Jaffé InsO9 § 248 Rn 8; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 8; BK/Flöther InsO61 § 248 Rn 11. Nur die Schriftform erwähnen Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 248 Rn 3; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 248 Rn 3.

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LG Traunstein NZI 1999, 461, 464; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 248 Rn 7; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 12; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 8; GrafSchlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 248 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 248 Rn 4; BK/Flöther InsO61 § 248 Rn 12.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

rung sein können. Die Anhörung kann daher erst erfolgen, wenn aus Sicht des Gerichts sämtliche Voraussetzungen für seine Entscheidung vorliegen.27 Rein tatsächlich findet die Anhörung in der Regel schon im Abstimmungstermin nach erfolgter Abstimmung statt. Sie tritt dann nicht notwendigerweise deutlich als eigener Verfahrensschritt hervor und verzögert das Verfahren nicht,28 muss allerdings protokolliert werden.29 Da der Beschluss über die Planbestätigung noch im Abstimmungstermin erfolgen kann (vgl § 252 I S 1), müssen die Anhörungsberechtigten damit rechnen, dass ihnen die Gelegenheit zur Stellungnahme im Termin selbst eingeräumt wird; ihre bloße Abwesenheit im Abstimmungstermin zwingt daher nicht zu einer gesonderten Anhörung.30 Einer gesonderten Anhörung bedarf es hingegen, wenn nach Durchführung der Abstimmung eine sofortige Entscheidung über die Planbestätigung nicht möglich ist, weil es hierzu weiterer Feststellungen bedarf. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht sind oder der Schuldner dem Plan widersprochen hat, dies aber gem §§ 245–247 überwunden werden könnte, allerdings erst noch die Voraussetzungen der Zustimmungsfiktionen geprüft werden müssen. Insbesondere für die Prüfung der Voraussetzungen des § 245 I Nr 1 oder 2 iVm II bzw III, des § 246 Nr 1 und des § 247 II kann das Gericht weitere Ermittlungen anstellen und Sachverständigengutachten einholen wollen. Hat das Gericht solche weiteren Erkenntnisquellen herangezogen und sich eine Meinung gebildet, muss es diese Erkenntnisquellen den Anhörungsberechtigten mitteilen und ihnen gesondert die Gelegenheit geben, sich hierzu zu äußern.31 Diese gesonderte Anhörung kann, muss aber nicht im Rahmen eines Termins stattfinden. Der Termin ist mitzuteilen; auch hier bedarf es aber keiner Ladung.

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f) Ausgestaltung als Sollvorschrift. Da Gegenstand der Anhörung das Vorliegen von Annahme und Zustimmung nach ordnungsgemäßem Verfahren sind, ist das „Soll“ für das Gericht als ein „Muss“ zu lesen:32 Selbst wenn sich Insolvenzverwalter, Gläubiger oder Schuldner schon in der Erörterung geäußert haben, konnte damals doch der Verlauf und das Ergebnis der Abstimmungen nicht Gegenstand der Äußerungen sein. Die Bedeutung des „Soll“ liegt also nur darin, dass ein Verstoß gegen diese Vorgabe nicht zur Aufhebung des Beschlusses im Beschwerdeverfahren zwingt;33 die Äußerungsmöglichkeit im Beschwerdeverfahren wahrt das rechtliche Gehör.34 Für die Anhörung des Schuldners gilt zusätzlich § 10.

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Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 8. Begr DiskE (S B258), RefE (S 295), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 211). BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 248 Rn 7. MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 16 f; aA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 248 Rn 7. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 248 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 248 Rn 8; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 12; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 8. AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248 Rn 3: „Anhörung nicht zwingend“; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 248 Rn 4; Kübler/Prüt-

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ting/Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 8; HambK/Thies InsO6 § 248 Rn 6 (mit dem Hinweis auf Art 103 I GG); FK/Jaffé InsO9 § 248 Rn 8; BK/Flöther InsO61 § 248 Rn 10a; wie hier Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 17.4. Ähnlich K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248 Rn 3: Beschwerde „kann nicht auf die unterlassene Anhörung gestützt werden“; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 8. Braun/Braun/Frank InsO7 § 248 Rn 7; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 8; zweifelnd FK/Jaffé InsO9 § 248 Rn 10; abw MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 13 ff; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248 Rn 4.

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Gerichtliche Bestätigung

§ 248

IV. Entscheidungsmaßstab (Abs 1) Voraussetzung für die gerichtliche Bestätigung ist ausweislich des Abs 1 die Annahme des Insolvenzplans durch die Beteiligten (§§ 244–246a) und die Zustimmung des Schuldners (§ 247). Damit ist nicht nur in zeitlicher Hinsicht festgelegt, dass die Abstimmung stattgefunden haben und der Abstimmungstermin, in dem der Schuldner spätestens widersprechen kann, beendet sein muss. Vielmehr muss an sich auch als Ergebnis der Abstimmungen eine tatsächliche oder – wie sich aus den zitierten Paragraphen ergibt – eine fingierte Zustimmung aller Gruppen und eine tatsächliche oder fingierte Zustimmung des Schuldners bzw ein unbeachtlicher Widerspruch vorliegen.35 Abs 1 könnte so verstanden werden, dass eine gerichtliche Befassung und Entscheidung erst dann in Betracht kommt, wenn Annahme und Zustimmung tatsächlich gegeben sind bzw die Voraussetzungen einer Fiktion vorliegen oder das Gericht jedenfalls hiervon überzeugt ist. Indes bedarf das Verfahren auch dann eines klaren Abschlusses, wenn es an einer Planannahme oder einer Zustimmung des Schuldners fehlt und auch die §§ 245–247 nicht über diese Ablehnungen hinweghelfen. Daher muss auch in diesem Fall ein Versagungsbeschluss ergehen (sa Rn 23).36 Über die in Abs 1 genannten Voraussetzungen der Annahme und der Zustimmung hinaus hat das Gericht auch zu prüfen, ob die Bestätigung aus einem der in den §§ 249–251 aufgeführten Gründe zu versagen ist,37 also ob eine im Plan vorgesehene Bedingung iSd § 249 nicht oder nicht fristgerecht erfüllt ist, die von § 250 genannten Verfahrensverstöße vorliegen oder dem Antrag eines überstimmten Gläubigers oder eines Anteilsinhabers auf Versagung der Planbestätigung gem § 251 stattzugeben ist.38 Die Entscheidung über die Planbestätigung oder deren Versagung ist eine gebundene Entscheidung. Ein Ermessensspielraum steht dem Gericht nicht zu;39 es hat also insbesondere den Plan nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen.40

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V. Entscheidungsinhalte Inhalt des Tenors der gerichtlichen Sachentscheidung kann entweder – positiv – die Be- 23 stätigung des Insolvenzplans sein (Abs 1) oder – negativ – die Versagung der Bestätigung. Dass das Gericht auch die Versagung der Bestätigung durch Beschluss ausspricht, wird

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 248 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248 Rn 1; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 7, 20; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 3; BK/Flöther InsO61 § 248 Rn 6. MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 26; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 4. Braun/Braun/Frank InsO7 § 248 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248 Rn 1 f; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 21 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 2 ff; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 9. Vgl FK/Jaffé InsO9 § 248 Rn 3 f; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 4.

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 248 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248 Rn 4; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 25; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 4; FK/Jaffé InsO9 § 248 Rn 5; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 248 Rn 35; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 9; HK/Haas InsO9 § 248 Rn 2. MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 18; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 248 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 248 Rn 5; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 6; HK/Haas InsO9 § 248 Rn 2; BK/Flöther InsO61 § 248 Rn 4.

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§ 248

Sechster Teil. Insolvenzplan

zwar in § 248 nicht explizit gesagt. Es ergibt sich aber recht deutlich aus §§ 249–252, insbesondere aus §§ 249 S 2, 252 I S 1, und ist über die dort genannten Fälle hinaus auf alle Fälle auszudehnen, in denen das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass die Voraussetzungen einer Planbestätigung nicht vorliegen (vgl Rn 20).41 Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass nur eine Entscheidung die Überprüfung in der Rechtsmittelinstanz eröffnet.42 Der Beschluss enthält – auch im Falle der Bestätigung – den Insolvenzplan nicht in seinem Wortlaut, sondern nimmt nur auf einen näher bezeichneten Insolvenzplan Bezug.43 24 Gegenstand der Bestätigung oder Versagung ist immer ein konkreter Insolvenzplan als solcher, nicht etwa nur seine Zusammenfassung.44 Dabei müssen sich Bestätigung oder Versagung immer auf einen konkreten Plan als Ganzes beziehen. Das Gericht kann also nicht einen Plan im Hinblick auf einzelne Festsetzungen bestätigen und im Übrigen die Bestätigung versagen. Erst recht kann es den Plan nicht verändern oder ergänzen; auch eine Bestätigung unter Auflagen scheidet aus.45 25 Der Beschluss ist, da beschwerdefähig, kurz zu begründen.46 In der Begründung sind im Hinblick auf die Annahme des Plans Abstimmungstermin und Abstimmungsergebnis sowie gegebenenfalls der Rückgriff auf die Zustimmungsfiktion und deren Voraussetzungen, im Hinblick auf die Zustimmung des Schuldners dessen Erklärung oder Widerspruch mit Datum und Aktenseite bzw das Eingreifen der Zustimmungsfiktion anzugeben.

VI. Mehrere Pläne 26

Sowohl der Schuldner als auch der Insolvenzverwalter sind zur Vorlage von Insolvenzplänen berechtigt (§ 218 I S 1). Dabei kann der Insolvenzverwalter einen eigenen Insolvenzplan neben einem im Auftrag der Gläubigerversammlung erstellten Insolvenzplan vorlegen. Mithin können bis zu drei Pläne miteinander konkurrieren.47 Wie bei mehreren konkurrierenden Plänen zu verfahren ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Der Diskussionsentwurf sah indes noch eine Regelung vor, nach der möglichst eine gemeinsame Erörterung und Abstimmung stattfinden sollte.48 Nähere Bestimmungen wurden allerdings nicht getroffen. Ausweislich der Begründung sollte das Gericht die Reihenfolge der Abstimmung „nach dem Inhalt der Pläne und den Umständen des Einzelfalls“ festlegen.49 Auf Anregung des Rechtsausschusses wurde diese Vorschrift gestrichen,50 wofür aber nur eine redaktionelle Straffung sowie das geringere Bedürfnis wegen der Beschränkung der Vorlageberechtigung auf Schuldner und Verwalter angeführt wurden.51 Daher ist auch weiterhin davon auszugehen, dass sämtliche vorgelegten Pläne, soweit sie nicht zurückgewiesen wurden, zu

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42 43 44 45

Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 248 Rn 4; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 248 Rn 6; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 248 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 248 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 248 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248 Rn 1. MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 13. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 2. BGHZ 199, 344 Rn 18. MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 18; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 10; FK/Jaffé InsO9 § 248 Rn 4; Hess/

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Hess Insolvenzrecht2 § 248 Rn 37; HK/Haas InsO9 § 248 Rn 2. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 9; wohl auch BK/Flöther InsO61 § 248 Rn 13: „unter Umständen“. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248 Rn 7; FK/Jaffé InsO9 § 244 Rn 32. DiskE § 283 (S 144); RegE § 283 (S 165); RegE § 294 (BT-Drucks 12/2443, S 55). Begr DiskE (S B257 f), RefE (S 294), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 210). Rechtsausschuss (BT-Drucks 12/7302, S 106). Rechtsausschuss (BT-Drucks 12/7302, S 184).

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Gerichtliche Bestätigung einer Planberichtigung

§ 248a

erörtern sind und über sie in einer bestimmten Reihenfolge abzustimmen ist. Dies kann dazu führen, dass nach durchgeführten Abstimmungen keinem der mehreren Pläne die Bestätigung zu versagen ist. Da wegen der weitreichenden Wirkungen eines bestätigten Plans aber nur ein Plan bestätigt werden darf,52 stellt sich die Frage, welcher Plan vom Gericht bestätigt werden soll. Hierüber herrscht in der Literatur keine Einigkeit.53 Richtigerweise ist die Entscheidung nicht durch das Gericht, sondern durch die Beteiligten zu treffen.54 Damit ist noch nicht gesagt, wie die Beteiligten diese Entscheidung treffen. Auf die Re- 27 geln über die Gläubigerversammlung wird man dabei nicht zurückgreifen können.55 Denn zum einen kann der Plan seit dem ESUG auch die Anteilsinhaber einbeziehen. Zum anderen enthält die InsO gerade für die Abstimmung über Insolvenzpläne in den §§ 244–246a eigene Regeln. Wegen der weitreichenden Wirkungen eines Plans sind daher auch für die Entscheidung zwischen mehreren Plänen die §§ 244–246a heranzuziehen. Da allerdings jeder der Pläne andere Gruppen gebildet haben wird (vgl § 222), müssen für die Abstimmung, die einen der mehreren Pläne auswählt, eigene Regeln über die Gruppenbildung gelten. Sinnvoll erscheint es, insoweit nur die obligatorischen Gruppen (§ 222 I) und unter den in § 222 III genannten Voraussetzungen eine Gruppe der Arbeitnehmer zu bilden. Sodann wird über jeden Plan nochmals gesondert abgestimmt. Werden dann noch immer mehrere Pläne angenommen, ist der Plan gewählt, dem die meisten Gruppen zustimmen, bei Gleichstand entscheidet der Schuldner.56

§ 248a Gerichtliche Bestätigung einer Planberichtigung (1) Eine Berichtigung des Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter nach § 221 Satz 2 bedarf der Bestätigung durch das Insolvenzgericht. (2) Das Gericht soll vor der Entscheidung über die Bestätigung den Insolvenzverwalter, den Gläubigerausschuss, wenn ein solcher bestellt ist, die Gläubiger und die Anteilsinhaber, sofern ihre Rechte betroffen sind, sowie den Schuldner hören. (3) Die Bestätigung ist auf Antrag zu versagen, wenn ein Beteiligter durch die mit der Berichtigung einhergehende Planänderung voraussichtlich schlechtergestellt wird, als er nach den mit dem Plan beabsichtigten Wirkungen stünde. (4) 1 Gegen den Beschluss, durch den die Berichtigung bestätigt oder versagt wird, steht den in Absatz 2 genannten Gläubigern und Anteilsinhabern sowie dem Verwalter die sofortige Beschwerde zu. 2 § 253 Absatz 4 gilt entsprechend. Materialien: Rechtsausschuss ESUG § 248a (BT-Drucks 17/7511, S 15). Vorgängerregelungen: Keine.

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Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 12. Überblick bei MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 8; s ausf Binz Konkurrierende Insolvenzpläne S 184 ff. Insoweit wie hier MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 248 Rn 12; Hess/Hess Insolvenz-

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recht2 § 248 Rn 28; HK/Haas InsO9 § 248 Rn 5. So aber MünchKomm/Sinz InsO3 § 248 Rn 9. Wohl aA Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 248 Rn 18: Versagung aller konkurrierenden Pläne; FK/Jaffé InsO9 § 244 Rn 34 ff: Entscheidung durch einen Sachverständigen.

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§ 248a

Sechster Teil. Insolvenzplan

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . II. Bestätigungsnotwendigkeit (Abs 1) . . III. Rechtsnatur und Verfahren (Abs 1, 2) 1. Beschluss des Richters . . . . . . . 2. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anhörung . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . b) Gegenstand der Anhörung . . .

. . . . . . . . . .

Rn. 1 1 2 3 5 5 7 8 8 9

c) Anhörungsberechtigte . . . . . . d) Durchführung der Anhörung . . e) Zeitpunkt und Rahmen der Anhörung . . . . . . . . . . . . f) Ausgestaltung als Sollvorschrift IV. Entscheidungsmaßstab (Abs 3) . . . . 1. Voraussetzungen der Bestätigung . 2. Keine Schlechterstellung . . . . . . V. Entscheidungsinhalte . . . . . . . . . VI. Rechtsmittel (Abs 4) . . . . . . . . . .

. .

Rn. 10 11

. . . . . . .

12 13 14 14 17 23 25

I. Einleitung 1. Überblick

1

§ 248a verlangt auch für die Berichtigung eines Insolvenzplans, die der im gestaltenden Teil hierzu bevollmächtigte Insolvenzverwalter (§ 221 S 2) vorgenommen hat, die gerichtliche Bestätigung (Abs 1, Rn 3 f) und trifft Regelungen über das Verfahren (Abs 2, Rn 5 ff), den Entscheidungsmaßstab (Abs 3, Rn 14 ff) sowie die Rechtsmittel (Abs 4, Rn 25 ff). 2. Entstehungsgeschichte

2

Die Vorschrift wurde durch Art 1 Nr 36 ESUG1 eingefügt und steht im Zusammenhang mit der von Art 1 Nr 17 ESUG als § 221 S 2 Var 2 eingeführten Möglichkeit einer „Bevollmächtigung“ (zum Begriff Münch § 221 Rn 100) des Insolvenzverwalters zur Berichtigung offensichtlicher Fehler des Plans, ohne dass eine erneute Abstimmung notwendig ist.2 Sie war im Regierungsentwurf3 noch nicht vorgesehen, sondern wurde vom Rechtsausschuss ins Gesetzgebungsverfahren eingeführt.4

II. Bestätigungsnotwendigkeit (Abs 1) 3

Die Berichtigung offensichtlicher Fehler eines Insolvenzplans durch den hierzu „bevollmächtigten“ Insolvenzverwalter (§ 221 S 2 Var 2) kann für sich allein den berichtigten Passagen noch nicht die Wirkungen verleihen, die ein rechtskräftig bestätigter Insolvenzplan hat. Daher bedarf auch die Berichtigung der Bestätigung durch das Insolvenzgericht. Die Bestätigung schafft Rechtssicherheit; die mit ihr verbundene präventive Kontrolle5 (§ 248 Rn 8 ff) soll zum Schutz vor einer Umgehung des Abstimmungserfordernisses sicherstellen, dass die Voraussetzungen einer Berichtigung gegeben waren, also insbesondere ein offensichtlicher Fehler vorlag, und dass die vorgenommene Änderung tatsächlich diesen Fehler zutreffend behebt. Hiermit wird verhindert, dass der Insolvenzverwalter die Grenzen seiner von den Gläubigern abgeleiteten Stellung überschreitet.6

1 2

3

G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582, 2585. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO72 § 248a Rn 2; Jaeger/Münch InsO § 221 Rn 20: „Grundsatz effektiver Umsetzung“. BT-Drucks 17/5712.

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BR-Drucks 17/7511, S 15. MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 2. Begr Rechtausschuss (BT-Drucks 17/7511, S 36).

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Gerichtliche Bestätigung einer Planberichtigung

§ 248a

Im Interesse der Rechtssicherheit kann die Berichtigung auch noch beantragt und be- 4 stätigt werden, wenn das Insolvenzverfahren nach Bestätigung des – fehlerhaften – Insolvenzplans gem § 258 I aufgehoben wurde.7 Die Berichtigung kann der frühere Insolvenzverwalter, dessen Amt an sich nach § 259 I S 1 erloschen ist, beantragen; da er den offenkundigen Fehler hätte bemerken und sich um seine Verhinderung bemühen müssen, ist er hierzu aus dem Gedanken der Naturalrestitution heraus verpflichtet, ohne dass ihm eine zusätzliche Vergütung zustünde.

III. Rechtsnatur und Verfahren (Abs 1, 2) 1. Beschluss des Richters Auch die Entscheidung über die Berichtigung erfolgt wie die Entscheidung über die Be- 5 stätigung des Plans (§ 248 Rn 10) durch Beschluss,8 der entsprechend § 252 zu verkünden ist9 und entsprechend § 254 I mit Rechtskraft wirksam wird.10 Zuständig ist wiederum (vgl § 248 Rn 11) das Insolvenzgericht (Abs 1) durch den In- 6 solvenzrichter (§§ 3 Nr 2 lit e, 18 I Nr 2 RPflG).11 2. Antrag Anders als bei der Bestätigung eines vorgelegten Plans, die dem vom Gericht geleiteten 7 Erörterungs- und Abstimmungstermin folgt, kann es im vorliegenden Fall, in dem allein der Insolvenzverwalter berichtigt, dazu kommen, dass das Gericht von der angestrebten Berichtigung nichts weiß. Daher bedarf es hier eines Antrags des Insolvenzverwalters auf Bestätigung der von ihm vorgenommenen Berichtigungen.12 Im Fall der Eigenverwaltung hat der Sachwalter den Antrag zu stellen (Münch § 221 Rn 104). 3. Anhörung a) Allgemeines. Dem Beschluss muss keine eigentliche mündliche Verhandlung voran- 8 gehen (s schon § 248 Rn 13); vorgeschrieben ist indes eine Anhörung (Abs 2). Sie stärkt die verfahrensrechtliche Stellung der Anhörungsberechtigten und gibt ihnen eine Gelegenheit, den Antrag nach Abs 3 zu stellen, soll aber auch die Qualität der gerichtlichen Entscheidung fördern. b) Gegenstand der Anhörung. Gegenstand der Anhörung ist in Parallele zum Gegen- 9 stand der Entscheidung nur die vom Insolvenzverwalter beantragte Berichtigung. Dies schließt es freilich nicht aus, auch Inhalte der unveränderten Teile des Plans anzusprechen,

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BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO6 (30.04.2017) § 248a Rn 5; Jaeger/Münch InsO § 221 Rn 102; aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248a Rn 2; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 4. BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO6 (30.04.2017) § 248a Rn 4; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 248a Rn 3; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO72 § 248a Rn 8.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248a Rn 1; teilweise aA BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO6 (30.04.2017) § 248a Rn 4: Verkündung oder Zustellung. MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 14. MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 13 mit Hinweisen zum früheren Recht. BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO6 (30.04.2017) § 248a Rn 4.

Christoph Kern

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§ 248a

Sechster Teil. Insolvenzplan

soweit dies zum Verständnis der Änderungen sinnvoll erscheint; das Gericht darf jedoch voraussetzen, dass die Anhörungsberechtigten den Plan kennen.

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c) Anhörungsberechtigte. Der Kreis der Anhörungsberechtigten geht über den Kreis der Anhörungsberechtigten vor der gewöhnlichen Planbestätigung (§ 248 II) insoweit hinaus, als auch Gläubiger und Anteilseigner angehört werden sollen. Dabei gilt der einschränkende Zusatz „sofern ihre Rechte betroffen sind“ für Gläubiger und Anteilsinhaber gleichermaßen; er bezieht sich zudem nicht auf die jeweiligen Gruppen insgesamt, sondern nur auf die konkret betroffenen Personen, sofern ausnahmsweise innerhalb einer Gruppe eine unterschiedliche Betroffenheit besteht. Anzuhören sind also nur diejenigen Gläubiger oder Anteilseigner, deren Stellung durch die Berichtigung eine rechtlich oder wirtschaftlich nachteilige Änderung erfährt.13 Diese Auslegung ist nicht nur ein Gebot der vom Gesetzgeber angestrebten Verfahrensökonomie, sondern rechtfertigt sich auch dadurch, dass die nicht betroffenen Beteiligten schon zum ursprünglichen Plan gehört wurden.14 Da der Berichtigung keine Erörterung vorausgehen muss, erscheint dies konsequent. Der Insolvenzverwalter, der ja selbst die Berichtigung beantragt hat, ist nicht etwa deshalb anzuhören, damit er Einwendungen vorbringen kann,15 sondern damit er eventuelle Bedenken des Gerichts ausräumen oder auf Hinweis die angestrebte Berichtigung entsprechend ändern kann.16 Gegenstand der Anhörung ist nur die Frage, ob es sich um eine zulässige Berichtigung des Plans handelt.

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d) Durchführung der Anhörung. Für die Anhörung genügt wiederum die Gelegenheit zur Stellungnahme in beliebiger Form17 (§ 248 Rn 16). Der Insolvenzverwalter kann zur Verfahrensbeschleunigung seinem Antrag auch bereits die Stellungnahmen der Anhörungsberechtigten beifügen.18

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e) Zeitpunkt und Rahmen der Anhörung. Der Berichtigung als solcher geht gerade kein Erörterungs- und Abstimmungstermin voraus. Daher kommt – sofern nicht die Berichtigung im noch nicht geschlossenen Abstimmungstermin oder dem Termin zur Verkündung der Planbestätigung beantragt wird – eine Anhörung im Rahmen eines ohnehin stattfindenden Termins zumeist nicht in Betracht. Da die Berichtigung zu verkünden ist, kann es sich anbieten, einen Termin anzusetzen; ansonsten ist den Beteiligten der Berichtigungsantrag in anderer Form, etwa durch Übersendung einer Kopie (vgl § 235 III S 2–4), zur Kenntnis zu bringen, verbunden mit dem Hinweis, dass hierzu Stellungnahmen entgegengenommen werden.

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f) Ausgestaltung als Sollvorschrift. Trotz der Ausgestaltung als Sollvorschrift ist die Anhörung nicht etwa fakultativ; vielmehr muss das Gericht die in Abs 2 Genannten anhö-

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 248a Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 248 Rn 4; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248a Rn 5; Hess/Hess Insolvenzrecht § 248a Rn 5; HK/ Haas InsO9 § 248a Rn 4; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO72 § 248a Rn 5; HambK/ Thies InsO6 § 248a Rn 4; BK/Flöther/Wehner InsO60 § 248a Rn 2. Vgl Begr Rechtausschuss (BT-Drucks 17/ 7511, S 36).

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Auf der Grundlage dieses Verständnisses hält Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 248a Rn 3 die Anhörung des Insolvenzverwalters „unsinnig“. Ähnlich Braun/Braun/Frank InsO7 § 248a Rn 5; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 6: „als Hinweispflicht zu verstehen“. MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248a Rn 5. MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248a Rn 5.

Christoph Kern

Gerichtliche Bestätigung einer Planberichtigung

§ 248a

ren.19 Ein Fehler, der sich allein auf die Verletzung dieser Vorschrift stützt, ist indes für die Wirksamkeit der Bestätigung ohne Konsequenz und führt nicht zur Begründetheit einer Beschwerde20 (vgl § 248 Rn 18).

IV. Entscheidungsmaßstab (Abs 3) 1. Voraussetzungen der Bestätigung Eine Bestätigung der Berichtigung setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter im gestal- 14 tenden Teil des Plans zur Berichtigung „bevollmächtigt“ wurde, dass eine offensichtliche Unrichtigkeit eines bereits gem §§ 244–246a angenommenen, aber nicht notwendigerweise bestätigten21 Plans gegeben war und dass diese Unrichtigkeit durch die Änderung seitens des Insolvenzverwalters beseitigt wird (vgl § 221 S 2 Var 2; zu allem die dortige Kommentierung: Münch § 221 Rn 100 ff). Denn nur unter diesen Voraussetzungen kann angenommen werden, dass die Berichtigung ihrer Form – verkürztes Verfahren ohne erneute Abstimmung – und ihrem Inhalt nach – bloße Korrektur offensichtlicher Fehler des Plans ohne inhaltliche Änderung seines Gehalts – vom Willen der Beteiligten gedeckt ist.22 Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hat das Gericht zu prüfen. Zu diesem Zweck sollte ihm der Insolvenzverwalter neben den vorzunehmenden Änderungen auch eine Begründung übermitteln,23 die kurz erklärt, inwiefern der Plan einen Fehler enthält, warum dieser Fehler offenkundig ist und warum dieser Fehler in der vom Insolvenzverwalter beantragten Weise zu berichtigen ist. Aus systematischen Erwägungen heraus ergibt sich, dass das Gericht zudem auch zu 15 prüfen hat, ob die §§ 249, 250 Nr 1 einer Bestätigung entgegenstehen.24 Allerdings wird nur ausnahmsweise die Berichtigung eines offensichtlichen Fehlers die Einführung einer nicht erfüllten Bedingung iSd § 249 oder einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, etwa die Vorschriften über den Inhalt des Plans iSd § 250 Nr 1, mit sich bringen. Eine Prüfung des § 250 Nr 2 scheidet hingegen aus, da die Berichtigung keine Annahme iSd § 248 I, also eine Annahme nach §§ 244–246a, voraussetzt. Ebenso scheidet eine Anwendung des § 251 aus, da der Antrag nach Abs 3 an dessen Stelle tritt.25 Die Entscheidung über die Bestätigung der Berichtigung ist, soweit es um die Voraus- 16 setzungen eines offensichtlichen Fehlers und dessen zutreffende Berichtigung durch die beantragte Änderung des Plans geht, eine gebundene Entscheidung. Das Gericht hat also vor-

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So wohl auch Mönning/Schäfer/Schiller BB Beilage 2017, Nr 1, 1, 8: „ … ist der Gläubigerausschuss anzuhören“; aA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248a Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO72 § 248a Rn 5; krit FK/Jaffé InsO9 § 248a Rn 5. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248a Rn 4; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 7. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248a Rn 2; ders GmbHR 2012, 462, 470; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 3, 9; aA (Plan muss bereits bestätigt sein) Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO72 § 248a Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 248a Rn 2; HK/Haas InsO9 § 248a Rn 2.

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 248a Rn 3; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 8; FK/ Jaffé InsO9 § 248a Rn 7; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO72 § 248a Rn 4. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 248a Rn 3; BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO6 (30.04.2017) § 248a Rn 4. So pauschal für § 250 BeckOK/Geiwitz/ Danckelmann InsO6 (30.04.2017) § 248a Rn 8. Begr Rechtsausschuss (BT-Drucks 17/7511, S 36).

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Sechster Teil. Insolvenzplan

behaltlich eines Antrags nach Abs 3 die beantragte Berichtigung zu bestätigen, wenn ihre Voraussetzungen gegeben sind, oder die Bestätigung zu versagen, wenn ihre Voraussetzungen fehlen.26 Die auf das Fehlen der Voraussetzungen einer Berichtigung gestützte Versagung ist insbesondere auch ohne dahingehenden Antrag auszusprechen; das Antragserfordernis des Abs 3 gilt nur für eine Versagung, die sich auf die Schlechterstellung als zusätzlichen Versagungsgrund stützt.27 2. Keine Schlechterstellung

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Zudem muss das Gericht gem Abs 3, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wurde, die Planänderung daraufhin überprüfen, ob „ein Beteiligter durch die mit der Berichtigung einhergehende Planänderung voraussichtlich schlechtergestellt wird, als er nach den mit dem Plan beabsichtigten Wirkungen stünde“. Dem Wortlaut ist dabei nicht eindeutig zu entnehmen, mit welcher Stellung die Stellung des Beteiligten unter dem berichtigten Plan zu vergleichen ist. In Betracht kommt einerseits ein Vergleich mit der Stellung unter dem unberichtigten und fehlerhaften Plan, andererseits ein Vergleich mit der Stellung unter dem Plan, wie er eigentlich gewollt war. Auf letzteres mag der Wortlaut hinweisen, der von den „beabsichtigten“ Wirkungen des Plans spricht. Allerdings könnte dann eine Berichtigung nie zu einer Schlechterstellung führen, da sie ja gerade erreichen soll, dass der berichtigte Plan das eigentlich Gewollte nun auch klar und eindeutig zum Ausdruck bringt. Legt man dieses Verständnis zugrunde, würde der Antrag nach Abs 3 also das Gericht nur zwingen, nochmals genau zu prüfen, ob die beantragte Änderung wirklich nur eine Berichtigung und keine darüber hinausgehende Belastung mit sich bringt. Die Begründung des Rechtausschusses deutet hingegen eher darauf hin, dass ein Vergleich zwischen der Stellung unter dem berichtigten Plan und der Stellung unter dem unberichtigten, fehlerhaften Plan vorgenommen werden soll. Denn dort heißt es, die Bestätigung sei „entsprechend § 251 I Nr 2 […] zu versagen, wenn die Berichtigung einen in den Plan einbezogenen Gläubiger oder Anteilsinhaber voraussichtlich schlechterstellt, als er nach dem ursprünglichen Plan stünde“.28 Mit dem ursprünglichen Plan dürfte hier der nicht berichtigte Plan mit den aus seinem fehlerhaften Wortlaut folgenden Wirkungen gemeint sein, da der Wille des Planvorlegers, des Schuldners und der Beteiligten zwar ein anderer gewesen sein mag, ein diesen Willen zutreffend ausdrückender Plan aber gerade fehlte. Versteht man die Vorschrift aber in diesem Sinne, erscheint die Vorschrift ein wenig paternalistisch, da die Schlechterstellung ja nur auf der Korrektur eines offensichtlichen Fehlers beruht: Ein aufmerksamer Beteiligter hätte den offensichtlichen Fehler entdecken können und nach Entdeckung mit dessen späterer Berichtigung rechnen müssen (ius vigilantibus scriptum). Die Vorschrift ist also aufgrund ihrer mangelnden Präzision in der Tat „misslungen und verwirrend“.29 18 Vorzugswürdig ist die soeben genannte zweite Lesart, nach der ein Vergleich der Stellung unter dem berichtigten Plan mit der Stellung unter dem fehlerhaften Plan vorzunehmen ist.30 Für sie spricht neben der bereits zitierten Begründung des Rechtsausschusses,31

26 27 28 29

Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO72 § 248a Rn 8. AA offenbar BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO6 (30.04.2017) § 248a Rn 4. Begr Rechtsausschuss (BT-Drucks 17/7511, S 36; Hervorhebung hinzugefügt). Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 248a Rn 4.

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IE ebenso K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248a Rn 5; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 10; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 248a Rn 1; HK/Haas InsO9 § 248a Rn 3; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO72 § 248a Rn 7. Begr Rechtsausschuss (BT-Drucks 17/7511, S 36).

Christoph Kern

Gerichtliche Bestätigung einer Planberichtigung

§ 248a

dass es zur Verhinderung einer Schlechterstellung auch gegenüber dem ursprünglich Gewollten keines Antrags bedürfte, sondern eine bloße Anregung ausreichte. Denn wenn es sich nicht um eine Berichtigung, sondern eine darüber hinausgehende Änderung handelt, muss das Gericht schon von sich aus die Bestätigung der beantragten „Berichtigung“ versagen. Dem Vorwurf des Paternalismus ist zu entgegnen, dass auch eine freiheitliche Rechtsordnung stets in einem gewissen Maße die Rechtsunterworfenen schützen sollte und ein solcher Schutz die Wahrnehmung von Freiheit fördern kann. Dies trifft auch hier zu, wo es die Möglichkeit eines Antrags gem Abs 3 den Beteiligten erlaubt, im Vorfeld nicht allzu viel Energie in die Prüfung des Insolvenzplans auf Fehler stecken zu müssen, die später als offensichtlich eingestuft und daher ohne Abstimmung berichtigt werden könnten. Zudem trägt die Möglichkeit eines Antrags nach Abs 3 auch dazu bei, einen Missbrauch der Regeln über die Berichtigung zu verhindern. Ob ein Beteiligter durch die Berichtigung schlechtergestellt wird, ist mithin durch den Vergleich der Stellung ohne und mit Berichtigung festzustellen. Hierbei ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde zu legen. Dass es auf die wirtschaftliche, nicht auf die rechtliche Stellung ankommt, zeigt neben der Parallele zu § 245 das Wort „voraussichtlich“, da eine rechtliche Schlechterstellung sofort festgestellt werden kann. Wiederum ist eine doppelte Prognose notwendig, nämlich eine Prognose sowohl hinsichtlich der Stellung ohne Berichtigung als auch hinsichtlich der Stellung mit Berichtigung. Die Prognoseentscheidung ist Aufgabe des Tatrichters; ein Ermessen im eigentlichen Sinne steht ihm aber nicht zu.32 Auch wenn das Gesetz dies nicht ausdrücklich sagt, kann den Antrag nach Abs 3 nur ein Beteiligter stellen, der für sich eine solche Schlechterstellung behauptet.33 Der Antrag ist nur bis zur Verkündung des Beschlusses statthaft; danach sind die Beteiligten auf die sofortige Beschwerde verwiesen. Analog § 251 II ist die behauptete Schlechterstellung glaubhaft zu machen.34 Keine Anwendung findet § 251 III.35 Denn das Fehlen einer salvatorischen Klausel wird kaum je ein offensichtlicher Fehler sein; die Einfügung einer solchen Klausel im Wege der Berichtigung scheidet daher aus. Da die Bestätigung auf Antrag zu versagen ist, es sich also um eine gebundene Entscheidung handelt,36 können selbst offensichtliche Fehler nicht gegen den Willen der Betroffenen vom Insolvenzverwalter berichtigt werden, sofern diese voraussichtlich schlechtergestellt werden.37 Vielmehr muss in diesem Fall ein neuer Plan vorgelegt, erörtert und zur Abstimmung gestellt werden; der widersprechende Beteiligte kann dann überstimmt oder die mangelnde Zustimmung seiner Gruppe nach den Vorschriften der §§ 245–246a fingiert werden. Die Versagung umfasst, auch wenn sie nur von einem einzelnen Beteiligten beantragt wurde, sämtliche Änderungen, die der Insolvenzverwalter zum Zwecke der Berichtigung am Plan vornehmen wollte. Das Gericht hat dem Insolvenzverwalter aber die Möglichkeit zu geben, diejenigen Änderungen erneut zu beantragen, die die Gruppe der Beteiligten, de-

32 33 34

AA BeckOK/Geiwitz/Danckelmann InsO6 (30.04.2017) § 248a Rn 7 aE. MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 11. Braun/Braun/Frank InsO7 § 248a Rn 6; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 11; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248a Rn 7; aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248a Rn 5.

35 36 37

K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248a Rn 5. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248a Rn 6. AA FK/Jaffé InsO9 § 248a Rn 7; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO72 § 248a Rn 4.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

nen der widersprechende Beteiligte angehört, nicht betreffen. Der Insolvenzverwalter und, wenn dieser den entsprechend beschränkten Antrag stellt, das Gericht müssen allerdings prüfen, ob damit der Fehler des Plans noch behoben werden kann. Wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 226 I) kann der Insolvenzverwalter aber keinen neuen Berichtigungsantrag stellen, der nur den Beteiligten ausnimmt, der den Antrag nach Abs 3 gestellt hatte, sofern dieser nicht der einzige Gruppenangehörige ist oder die anderen Gruppenangehörigen aktiv ihre Zustimmung in der Form des § 226 II erklären.

V. Entscheidungsinhalte 23

Das Gericht kann die Berichtigung des Plans entweder bestätigen oder versagen. Gegenstand der Entscheidung ist mithin ausschließlich die Berichtigung, nicht mehr der gesamte nunmehr berichtigte Plan. Der Beschluss bestätigt oder versagt die Berichtigung. Er ist kurz zu begründen. 24 Soll der Plan in verschiedener Hinsicht berichtigt werden, so ist über alle zugleich beantragten Berichtigungen einheitlich zu entscheiden. Das Gericht kann aber den Insolvenzverwalter auf Bedenken hinweisen und ihm die Möglichkeit geben, seinen Antrag entsprechend anzupassen. Auch nach der Anpassung muss die angestrebte Änderung aber noch eine Berichtigung des offensichtlichen Fehlers zur Folge haben; ändert sie den Gehalt des Plans, ist das herkömmliche Verfahren zu durchlaufen.

VI. Rechtsmittel (Abs 4) 25

Abs 4 erlaubt (vgl § 6) betroffenen Gläubigern, Anteilseignern und dem Insolvenzverwalter – nicht aber dem Schuldner, der lediglich gem Abs 2 anzuhören ist38 – das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde. Da neben dem Insolvenzverwalter wegen des Verweises auf Abs 2 nur die betroffenen Gläubiger und Anteilseigner die sofortige Beschwerde einlegen können, ist Abs 4 enger als § 253 I. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde setzt mangels klarer dahingehender Regelung nicht voraus, dass ein Beteiligter den Antrag nach Abs 3 gestellt hat. 26 Der Verweis auf § 253 IV gibt dem Insolvenzgericht die Möglichkeit, auf Antrag des Insolvenzverwalters bei Vorliegen der in § 253 IV beschriebenen Dringlichkeit die sofortige Beschwerde unverzüglich zurückzuweisen. Dies ist der Fall, wenn das Vollzugsinteresse das Aufschubsinteresse überwiegt (§ 253 Rn 54 ff).39

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 248a Rn 7; MünchKomm/Sinz InsO3 § 248a Rn 18; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248a Rn 9; HK/Haas InsO9 § 248 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO72 § 248a Rn 9; kri-

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tisch HambK/Thies InsO6 § 248a Rn 7; aA FK/Jaffé InsO9 § 248a Rn 9. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO72 § 248a Rn 10; BK/Flöther/Wehner InsO60 § 248a Rn 4.

Christoph Kern

Bedingter Plan

§ 249

§ 249 Bedingter Plan 1

Ist im Insolvenzplan vorgesehen, daß vor der Bestätigung bestimmte Leistungen erbracht oder andere Maßnahmen verwirklicht werden sollen, so darf der Plan nur bestätigt werden, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind. 2 Die Bestätigung ist von Amts wegen zu versagen, wenn die Voraussetzungen auch nach Ablauf einer angemessenen, vom Insolvenzgericht gesetzten Frist nicht erfüllt sind. Materialien: DiskE § 285 (S 144 f); RefE § 285 (S 165 f); RegE § 296 (BT-Drucks 12/2443, S 56); Rechtsausschuss § 296 (BT-Drucks 12/7302, S 107). Vorgängerregelungen: Keine. Literatur Blankenburg Ein vergütungsrechtlicher Bärendienst mit Folgen, ZInsO 2017, 531; Krings Arbeitsrecht im Insolvenzplanverfahren – so geht das (nicht) ZInsO 2017, 577; H-F Müller Gesellschaftsrechtliche Regelungen im Insolvenzplan, KTS 2002, 209; Skauradszun/Spahlinger/Tresselt Insolvenzpläne auf dem Prüfstand, DZWIR 2015, 539.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . II. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . III. „Voraussetzungen“ . . . . . . . . . . 1. Keine Bedingungen im eigentlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erbringen bestimmter Leistungen . . . . . . . . . . . .

. . . . .

Rn. 1 1 2 3 4

. .

4 6

.

7

Rn. b) Verwirklichung anderer Maßnahmen . . . . . . . . . . . . 3. Planinhalt . . . . . . . . . . . . . IV. Erfüllung der Voraussetzungen . . . 1. Anforderungen . . . . . . . . . . 2. Feststellung . . . . . . . . . . . . V. Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . VI. Entscheidung des Gerichts . . . . . . 1. Planbestätigung . . . . . . . . . . 2. Versagung der Planbestätigung . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

9 12 16 16 20 23 29 29 31

Alphabetische Übersicht Angemessene Frist 24 f Arbeitsrecht 3, 9 Bedingung iSd BGB 4 f Beschluss 25, 27 f, 29, 31 Beschreibung der Voraussetzung 13 Dritte 8 ff Einmalzahlung 8 Ermessen 23

Freibeweis 20 f Gesellschaftsrecht 3, 9 Restschuldbefreiung 8 (Sanierungs-) Tarifvertrag 9 Verfahrensbeteiligte 8 ff Vergütung des Insolvenzverwalters 11 Vermögensverschiebung 7, 9, 13 Vollstreckbarkeit 13

I. Einleitung 1. Überblick § 249 S 1 gibt dem Planvorleger die Möglichkeit, die Bestätigung eines Insolvenzplans 1 von bestimmten, selbst gewählten Voraussetzungen („Bedingungen“) abhängig zu machen, deren Eintreten das Insolvenzgericht vor Planbestätigung festzustellen hat. Wegen der Rechtsunsicherheit, die durch den Schwebezustand entstehen kann, erlaubt § 249 S 2 Christoph Kern

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§ 249

Sechster Teil. Insolvenzplan

dem Insolvenzgericht eine Fristsetzung und ordnet bei fruchtlosem Fristablauf die Versagung der Bestätigung von Amts wegen an. 2. Entstehungsgeschichte

2

Der Diskussionsentwurf1 kannte bereits eine Vorschrift über den bedingten Plan, die als Bedingung allein die Verwirklichung anderer Maßnahmen nannte und die Planbestätigung von deren Verwirklichung oder ihrer Gewährleistung abhängig machen wollte; eine dem heutigen S 2 entsprechende Regelung über die Versagung nach Fristsetzung war noch nicht vorgesehen. Die Vorschrift des Diskussionsentwurfs wurde im Referentenentwurf vollständig umformuliert und erhielt unter Hinzufügung des Satzes 2 die später Gesetz gewordene und noch heute gültige Fassung.2

II. Sinn und Zweck 3

§ 249 ermöglicht es den Beteiligten, die Bestätigung des Insolvenzplans und daher auch die mit Rechtskraft der Planbestätigung eintretende Gestaltungswirkung von Voraussetzungen abhängig zu machen, die zum Zeitpunkt der Planvorlage und der Abstimmung noch nicht erfüllt sind. Dies erlaubt es einem vom Plan Betroffenen, der zur Hinnahme einer Einbuße oder Änderung seiner Rechtsstellung durch den Plan nur bereit ist, wenn eine bestimmte Leistung erbracht oder Maßnahme verwirklicht wurde, dem Plan zuzustimmen, während gleichzeitig derjenige, der die Leistung zu erbringen oder die Maßnahme vorzunehmen hat, die Annahme des Plans abwarten kann, um zu wissen, ob er im Falle der Leistung oder Maßnahme mit einer Planbestätigung rechnen kann (Abwicklung Zug um Zug).3 Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift die Verzahnung gesellschaftsrechtlicher und insolvenzrechtlicher Beschlussfassungen erleichtern.4 Durch die vom ESUG geschaffene Möglichkeit, die Anteilsinhaber in den Insolvenzplan einzubeziehen (§ 217 S 2), kann eine solche Verzahnung heute im Plan selbst erreicht werden (§§ 225a II, III, 254a II). Die Norm bleibt jedoch für gesellschaftsrechtliche Maßnahmen und Beschlussfassungen eines anderen Rechtsträgers, etwa die Gründung einer Übernahmegesellschaft oder die Kapitalherabsetzung und nachfolgende Kapitalerhöhung in einem konzernverbundenen Unternehmen, und für andere Leistungen und Maßnahmen wie etwa einen schuldverschreibungsrechtlichen Debt-to-Equity-Swap5 bedeutsam.6 Abgesehen von der Verzahnung von Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht erlaubt es § 249 auch, das Insolvenzrecht mit dem Arbeitsrecht zu verzahnen;7 insoweit hat die Vorschrift nichts an ihrer Bedeutung eingebüßt.

5 1 2

3

4

DiskE § 285 (S 144 f). RefE § 285 (S 165 f); RegE § 296 (BTDrucks 12/2443, S 56); Rechtsausschuss § 296 (BT-Drucks 12/7302, S 107). Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 249 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 249 Rn 4. Begr RefE § 285 (S 296), RegE § 296 (BTDrucks 12/2443, S 211).

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6

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Dazu Kessler/Rühe BB 2014, 907, 912; Thole ZIP 2014, 2365, 2368 ff. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 1; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 249 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 249 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 249 Rn 2; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 249 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 249 Rn 1. Dazu etwa Krings ZInsO 2017, 577, 581.

Christoph Kern

Bedingter Plan

§ 249

III. „Voraussetzungen“ 1. Keine Bedingungen im eigentlichen Sinne Die amtliche Überschrift des § 249 lautet „Bedingter Plan“; im Text ist indes von „Vor- 4 aussetzungen“ die Rede. In der Tat behandelt die Norm nicht Bedingungen iSd § 158 BGB.8 Denn von den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen wird nicht unmittelbar die Wirksamkeit des Plans abhängig gemacht. Vielmehr handelt es sich nur um Voraussetzungen, von deren Erfüllung sich das Gericht vor der Planbestätigung vergewissert haben muss.9 „Echte“ aufschiebende oder auflösende Bedingungen, die die Wirksamkeit eines bestä- 5 tigten Insolvenzplans unmittelbar vom Bedingungseintritt abhängig machen, sind nach hM möglich.10 Dies liegt nahe, wenn man den Insolvenzplan als Vertrag qualifiziert;11 doch auch bei anderer Einordnung kann man wegen des Erfordernisses der Annahme durch die Beteiligten und der Zustimmung des Schuldners eine rechtsgeschäftsähnliche Natur noch bejahen. Praktisch bedeutsam geworden sind „echte“ Bedingungen, soweit ersichtlich, indes nicht. 2. Arten S 1 am Ende und S 2 verwenden den sehr allgemeinen Begriff der Voraussetzungen. S 1 6 nennt indes am Anfang beispielhaft das Erbringen bestimmter Leistungen und stellt dem die Verwirklichung anderer Maßnahmen an die Seite. Hieraus sowie aus S 2, der eine Fristsetzung vorsieht, lässt sich die Art der Voraussetzungen näher bestimmen. Allgemein gilt, dass es sich um Umstände handeln muss, die vor der Bestätigung des Insolvenzplans eintreten können.12 a) Erbringen bestimmter Leistungen. Mit dem Erbringen bestimmter Leistungen ist die 7 bewusste und gewollte Vornahme einer Vermögensverschiebung gemeint. Hierbei kann es sich insbesondere um die Bestellung neuer Sicherheiten,13 die Bereitstellung neuer Kredite14 oder um Zuwendungen Beteiligter oder Dritter15 an den Schuldner handeln, die in die Insolvenzmasse fließen, also etwa um einen Forderungsverzicht, Rangrücktrittserklärungen16 oder Sanierungsbeiträge von Gläubigern, die damit die Aufrechterhaltung des schuldnerischen Geschäftsbetriebs sicherstellen wollen. Leistungen können aber auch in der Erbringung von Diensten oder sonstigen Tätigkeiten bestehen,17 ja sogar in der bloßen Zusage der Weiterbelieferung.18 8

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 249 Rn 5; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 25; aA ohne Begründung Schiessler Insolvenzplan S 111, 181 f; Hess/Obermüller Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherschutz3 Rn 328. HK/Haas InsO9 § 249 Rn 4; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 25. MünchKomm/Sinz InsO3 § 249 Rn 23; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 249 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248 Rn 4. Ausf dazu Fritzsche Insolvenzplan als Vertrag passim; Happe Rechtsnatur des Insolvenzplans passim; Madaus Insolvenzplan S 173 ff, 424 ff; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 6 ff.

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BGHZ 214, 78 = NJW 2017, 2280, 2284 Rn 43 m zust Anm Storz NZI 2017, 264, 265. Dazu MünchKomm/Sinz InsO3 § 249 Rn 8. Dazu MünchKomm/Sinz InsO3 § 249 Rn 9. BGHZ 185, 206, 210 = NZI 2010, 603, 604 Rn 23; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 3; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 249 Rn 1. Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 545. Braun/Braun/Frank InsO7 § 249 Rn 2. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 249 Rn 1; MünchKomm/Sinz InsO3 § 249 Rn 10.

Christoph Kern

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§ 249

Sechster Teil. Insolvenzplan

8

Der Wortlaut macht indes keine Einschränkung hinsichtlich der Parteien und der Richtung der Leistung. Auch Sinn und Zweck der Norm gebieten keine solche Auslegung. Vielmehr kann man sich durchaus vorstellen, dass beispielsweise ein betroffener Insolvenzgläubiger eine Einbuße nur hinnehmen will, wenn zuvor ein anderer Gläubiger direkt an ihn, an den Schuldner, an einen anderen Gläubiger, einen Anteilsinhaber oder einen Dritten eine Leistung erbracht hat. Mithin erfasst die Norm unter anderem auch Leistungen in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners, etwa die Überlassung bestimmter unpfändbarer Gegenstände, die den Schuldner zur Kooperation ermuntern soll, oder Ausgleichszahlungen an einen anderen Gläubiger oder einen Dritten, zum Beispiel ein mit einem Gläubiger konzernverbundenes Unternehmen, das seinerseits Gläubiger sein kann, aber nicht muss. Neben Leistungen Beteiligter oder Dritter an den Schuldner bzw an andere Beteiligte oder Dritte kann die Planbestätigung auch von einer Leistung des Schuldners an Beteiligte, insbesondere Gläubiger, oder an Dritte abhängig gemacht werden. So kann etwa eine Einmalzahlung des Schuldners Bedingung für die Bestätigung eines Plans sein, der eine vorzeitige Restschuldbefreiung bzw einen Erlass vorsieht.19

9

b) Verwirklichung anderer Maßnahmen. Aus dem Wortlaut, der Zusammenschau mit dem beispielhaft genannten Erbringen bestimmter Leistungen und aus der Möglichkeit einer Fristsetzung in S 2 folgt, dass es sich bei den anderen Maßnahmen um Voraussetzungen handelt, deren Eintreten jedenfalls in gewissem Umfang in der Macht eines Verfahrensbeteiligten – Gläubiger, Schuldner, Anteilsinhaber, Insolvenzverwalter – oder jedenfalls eines Dritten steht. Mit der Einbeziehung von „Maßnahmen“ neben „Leistungen“ erfasst S 1 auch solche gezielten Veränderungen, die keine oder keine eindeutig feststellbare Vermögensverschiebung im Sinne einer Leistung darstellen. Maßnahme in diesem Sinne kann ein Rechtsgeschäft sein, aber auch ein geschäftsähnliches Handeln, ein Realakt oder eine behördliche Genehmigung, Zusage, sonstige Entscheidung – etwa über einen Steuererlass oder eine Stundung20 – oder Maßnahme.21 Klassisches Beispiel sind gesellschaftsrechtliche oder arbeitsvertragliche Regelungen,22 etwa die Gründung einer Übernahme- oder Auffanggesellschaft,23 die Fassung eines Fortsetzungsbeschlusses,24 zB durch die Generalversammlung der Genossenschaft,25 der Abschluss eines (Sanierungs-) Tarifvertrags,26 das Ausscheiden bestimmter Verantwortlicher27 oder ganz allgemein Umstrukturierungen oder strategische Änderungen, bei denen oft nicht vorhersehbar ist, ob und inwieweit sie zu einer Vermögensverschiebung führen, sodass es für eine Leistung an der gewollten und zweckgerichteten Vermögensverschiebung fehlt. Maßnahme kann des Weiteren ein bestimmtes Verhalten sein, das zwar zu einer Vermögensverschiebung führen soll, bei dem der Planvorleger aber schon das Verhalten – die Leistungshandlung – ausreichen lassen will, etwa weil der Nachweis, dass die Vermögensverschiebung tatsächlich erfolgt ist, schwierig ist oder weil zwischen dem Verhalten als Leistungshandlung und der Vermögensverschiebung als Leistungserfolg ein längerer Zeitraum liegt oder liegen kann.

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Harig ZInsO 2017, 752, 753. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 249 Rn 1; MünchKomm/Sinz InsO3 § 249 Rn 11. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 3. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 249 Rn 2. Braun/Braun/Frank InsO7 § 249 Rn 3; MünchKomm/Sinz InsO3 § 249 Rn 18 f. MünchKomm/Sinz InsO3 § 249 Rn 14 ff; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 249

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27

Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 248 Rn 3 mit zutr Hinweis, dass dies heute bereits im Plan selbst möglich ist. LG Dessau Rpfleger 2000, 512 m Anm Scheibner DZWIR 2001, 392. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 3; Krings ZInsO 2017, 577, 581. MünchKomm/Sinz InsO3 § 249 Rn 20 f; Krings ZInsO 2017, 577, 581.

Christoph Kern

Bedingter Plan

§ 249

Gegenstand der anderen Maßnahmen ist typischerweise das Vermögen bzw. der Ge- 10 schäftsbetrieb des Schuldners. Denkbar ist aber auch eine Maßnahme bei einem anderen Beteiligten oder einem Dritten, die für den Schuldner, einen Beteiligten oder einen Dritten künftig vorteilhaft zu sein verspricht und daher für das Gelingen einer etwa angestrebten Sanierung wichtig ist. Der Wortlaut schließt dies ebenso wenig aus wie Sinn und Zweck der Norm. Daher kann etwa die Planbestätigung davon abhängig gemacht werden, dass ein Insolvenzplan im Insolvenzverfahren über einen anderen Schuldner, etwa die Konzernmutter, bestätigt wird.28 Die Bestätigung eines Insolvenzplans kann allerdings nicht davon abhängig gemacht 11 werden, dass das Insolvenzgericht bereits im Voraus die Vergütung des Insolvenzverwalters in bestimmter Weise oder überhaupt festsetzt.29 Die Insolvenzverwaltervergütung ist schon kein Gegenstand, der im Plan geregelt werden kann.30 Sie kann daher auch nicht Bedingung iSd § 249 sein. Zudem wird sie in der Regel erst mit Verfahrensbeendigung fällig, ist also kein Umstand, der vor Planbestätigung eintreten kann. Allein Handlungen oder Verpflichtungserklärungen des Insolvenzverwalters vor einer Planbestätigung kommen als Planbedingungen in Betracht. Möglich ist eine Vergütungsregelung im Plan mithin nur über § 230 III dergestalt, dass sich der Verwalter verpflichtet, keine einen bestimmten Betrag übersteigende Vergütung zu beantragen.31 3. Planinhalt Die Voraussetzungen, von deren Erfüllung die Bestätigung des Plans durch das Insol- 12 venzgericht abhängen soll, müssen in zweierlei Hinsicht Gegenstand des Insolvenzplans sein: Zum einen muss die Voraussetzung so beschrieben sein, dass ihre Erfüllung überprüft werden kann (Rn 13), zum anderen muss der Plan die Erfüllung der Voraussetzung vor der Bestätigung des Insolvenzplans vorsehen (Rn 14). Die Beschreibung der Voraussetzung – Leistung oder Maßnahme – muss so erfolgen, 13 dass sich feststellen lässt, ob die Voraussetzung erfüllt ist. Wie detailliert die Beschreibung ausfällt, spielt dabei keine Rolle, solange nur die Erfüllung der Voraussetzung objektiver Überprüfung zugänglich ist. Insbesondere muss die Voraussetzung nicht so konkret beschrieben werden, dass sie vollstreckbar wäre, da es sich gerade um eine Voraussetzung der Planbestätigung und nicht um eine ggf zu vollstreckende Planwirkung (vgl § 257 I S 1) handelt.32 Der den Plan vorlegende Schuldner oder Insolvenzverwalter können durch die

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Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 545; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 3. BGHZ 214, 78 = NJW 2017, 2280, 2284 Rn 42 f m zust Anm Madaus EWiR 2017, 179 f; Skauradszun/Schmitt DZWIR 2017, 338 ff; Storz NZI 2017, 264 f; krit Blankenburg ZInsO 2017, 531 f. AA noch LG München I, NZI 2013, 972, 973; Leonhardt/ Smid/Zeuner/Rattunde, InsO3 § 249 Rn 4; Haarmeyer/Mock InsVV5 § 1 Rn 38 aE; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 249 Rn 7; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 17.24–17.28. BGH NJW 2017, 2280, 2282 ff Rn 27 ff; aA noch LG Münster NZI 2016, 466, 467:

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wenn dem Insolvenzplan einstimmig in sämtlichen Gruppen zugestimmt worden ist; ähnlich LG Heilbronn ZInsO 2015, 910 m zust Anm Reinhardt ZInsO 2015, 943; wohl noch weiter LG München I NZI 2013, 972, 973. BGHZ 214, 78 = NJW 2017, 2280, 2284 Rn 40; krit Blankenburg ZInsO 2017, 531, 532: der Weg über § 230 III erlaube lediglich die Begrenzung auf eine Maximalvergütung, nicht die Belohnung herausragender Leistungen des Verwalters durch eine höhere Vergütung; die Ablehnung der Planbestätigung wegen unangemessen niedriger Vergütung sei nicht möglich; ähnlich Haarmeyer ZInsO 2017, 543. Harig ZInsO 2017, 752, 753.

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§ 249

Sechster Teil. Insolvenzplan

Beschreibung der Voraussetzung festlegen, was genau vom Insolvenzgericht überprüft werden soll. So kann bei einer gewünschten Vermögensverschiebung entweder die Leistungshandlung oder der Leistungserfolg beschrieben werden; bei Beschreibung der Leistungshandlung kann so eine Erfüllung früher zu bejahen sein als bei Beschreibung des Leistungserfolgs, womit der Zeitpunkt der Planbestätigung gesteuert werden kann. In der Praxis kann es sich anbieten, schon in die Beschreibung der Voraussetzung im Plan eine Frist aufzunehmen. Ob dann mit fruchtlosem Fristablauf eine Bestätigung des Insolvenzplans sofort ausscheiden oder nur das Gericht sich seinerseits zur Fristsetzung veranlasst sehen soll, ist eine Frage der Auslegung.33 14 Der Plan muss zudem vorsehen, dass die Voraussetzung vor der Bestätigung erfüllt sein soll.34 Es muss sich also tatsächlich um eine Voraussetzung für die Bestätigung durch das Insolvenzgericht, nicht für irgendein sonstiges Verhalten des Schuldners, des Verwalters, eines Beteiligten oder eines Dritten handeln. Dies ist durch eine geeignete Formulierung sicherzustellen. 15 Der Planinhalt muss nur objektiv vorsehen, dass bestimmte Voraussetzungen vor der Bestätigung erfüllt sein müssen. Weder der Insolvenzverwalter oder Schuldner, die den Plan vorgelegt haben, noch ein anderer Beteiligter müssen subjektiv gewollt haben, dass das Gericht seine Bestätigung von der Erfüllung der Voraussetzungen abhängig macht. Entscheidend ist, wie die Beteiligten den Plan vernünftigerweise verstehen mussten (allg Münch Vor §§ 217–269 Rn 242).

IV. Erfüllung der Voraussetzungen 1. Anforderungen

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Vor der Planbestätigung müssen die Voraussetzungen erfüllt sein. Da der unbestätigte Insolvenzplan als solcher noch keine Pflichten begründet, finden die §§ 362 ff BGB keine unmittelbare Anwendung. Sieht der Insolvenzplan seinerseits die vollständige oder teilweise Erfüllung eines bestehenden oder außerhalb seiner selbst neu begründeten Schuldverhältnisses vor, so gelten für dieses Schuldverhältnis die §§ 362 ff BGB unmittelbar; wenn danach Erfüllung des Schuldverhältnisses eingetreten ist, sind zugleich – sofern der Plan nichts Abweichendes vorsieht – auch die Voraussetzungen der Planbestätigung erfüllt. Der Insolvenzplan kann aber ohne Weiteres auch Voraussetzungen aufstellen, die nicht in der Erfüllung eines Schuldverhältnisses bestehen (Rn 6 ff); es muss sich lediglich um eine willensabhängige Leistung oder sonstige Maßnahme handeln, deren Verwirklichung überprüfbar ist. 17 Die §§ 362 ff BGB können aber sinngemäß herangezogen werden, soweit sie nicht den Beteiligten eine Disposition erlauben. Der Insolvenzplan ist dabei zunächst auszulegen, wobei wegen seiner Wirkungen eine objektivierende Auslegung geboten ist.35 Die Auslegung ergibt, ob nur ein Leistungsverhalten oder – wie mangels anderer Festlegung regelmäßig anzunehmen – auch ein Leistungserfolg Voraussetzung der Bestätigung sein soll (vgl Rn 13). Die Bestätigung als solche tritt indes keinesfalls automatisch ein, wie dies bei der Erfüllung der Fall ist; vielmehr ist nur die Voraussetzung erfüllt.

33 34

Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 545 f. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 249 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 249 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 249 Rn 8.

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35

Allg Jaeger/Münch InsO Vor §§ 217–269 Rn 242.

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Bedingter Plan

§ 249

Fehlt eine ausdrückliche Gestattung im Plan, kann – im Unterschied zu §§ 362 II, 185, 18 364 BGB – derjenige, in dessen Macht die Erfüllung der Voraussetzung steht, nicht anderweitig als in der im Plan vorgesehenen Weise erfüllen. Denn da im Plan kein Schuldverhältnis liegt, gibt es keine Gegenpartei, mit der eine dahingehende Vereinbarung getroffen werden könnte. Insbesondere sind weder der den Plan Vorlegende noch die an der Abstimmung teilnehmenden Beteiligten oder das Gericht geeignete Gegenpartei für die Vereinbarung abweichender Erfüllung. Einziger Weg ist eine Planänderung oder die Vorlage eines neuen Plans. Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass schon nach dem Plan der Insolvenzverwalter, der Schuldner oder ein Beteiligter auf die Erfüllung der Voraussetzung nachträglich verzichten kann. Da ein solcher Verzicht ohne Weiteres festgestellt werden kann und Situationen denkbar sind, in denen das Interesse an einer bestimmten Voraussetzung entfällt, sollte auch eine solche Regelung zugelassen werden.36 Dies gilt erst recht, wenn man zutreffenderweise mehrere voneinander abhängige Voraussetzungen für möglich hält.37 Die Rechtsnatur der „Erfüllung“ iSd § 249 entzieht sich einer näheren Bestimmung. 19 Insbesondere kann, da es sich nicht um ein Schuldverhältnis handelt, die Diskussion zur Rechtsnatur der Erfüllung bei § 362 BGB38 nicht auf die Erfüllung der Voraussetzungen einer Planbestätigung übertragen werden. 2. Feststellung Das Insolvenzgericht muss von Amts wegen (§ 5 I S 1) feststellen, ob die Vorausset- 20 zungen der Planbestätigung oder ihrer Versagung gegeben sind; die Regeln des streitigen Zivilprozesses über Geständnis und Geständnisfiktion finden keine Anwendung. Zur Feststellung der Erfüllung oder ihrer Unmöglichkeit stehen dem Gericht alle zulässigen Erkenntnisquellen zur Verfügung; es gelten die Regeln des Freibeweises. Wenn Voraussetzung für die Planbestätigung das Erbringen einer Leistung ist, wird das 21 Insolvenzgericht in erster Linie denjenigen, dessen Leistung vorgesehen war, sowie denjenigen, der die Leistung empfangen sollte, anhören; es ist hierauf aber nicht beschränkt. Ist die Verwirklichung einer sonstigen Maßnahme Voraussetzung, ist ebenfalls derjenige anzuhören, der die Maßnahme verwirklichen sollte; da es keinen eigentlichen Empfänger gibt, aber doch typischerweise der Schuldner, der Insolvenzverwalter oder irgendein Beteiligter an der Verwirklichung der Maßnahme ein besonderes Interesse hat, ist auch dieser zu befragen. Die Anhörung kann im Abstimmungstermin vor der Anhörung nach § 248 II oder in einem gesonderten Termin, aber auch außerhalb eines Termins erfolgen. Reicht eine Anhörung nicht aus, kann das Gericht auch zur förmlichen Zeugenvernehmung schreiten (§ 5 I S 2). Das Gericht muss nicht von sich aus den Eintritt der Erfüllung oder deren Unmöglich- 22 keit überwachen, sondern nur dann prüfen, wenn es einen konkreten Anlass für eine solche Prüfung gibt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Insolvenzverwalter, der Schuldner oder ein Beteiligter dem Gericht Tatsachen vorträgt, aus denen sich die Erfüllung der Voraussetzungen oder ihre Unmöglichkeit ergibt,39 oder wenn eine im Plan vorgesehene oder nach S 2 gesetzte Frist abgelaufen ist bzw ihr Ablauf bevorsteht. 36 37

AA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 6. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 7.

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S nur MünchKomm/Fetzer BGB16 § 362 Rn 6 ff mwN; Staudinger/Olzen BGB2016 Vorbem § 362 Rn 7 ff mwN. Vgl BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 9.

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§ 249

Sechster Teil. Insolvenzplan

V. Fristsetzung 23

Enthält der Insolvenzplan eine „Bedingung“ iSd § 249, so ist diese in den seltensten Fällen bereits mit oder nach Annahme des Plans und Zustimmung des Schuldners erfüllt. Vielmehr steht normalerweise deren Erfüllung aus. In diesem Fall kommt eine Fristsetzung nach S 2 in Betracht. Das Gericht kann eine solche Frist setzen, es muss dies aber – entgegen der ganz hM – nicht.40 Dies ergibt sich aus dem Fehlen eines zwingenden Fristsetzungserfordernisses in S 1 und dem Wort „auch“ in S 2. Ob das Gericht eine Frist setzt, steht mithin in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Das Interesse an einer zügigen Klärung der Rechtslage wird im Regelfall für eine solche Fristsetzung sprechen, insbesondere dann, wenn dies vom Schuldner, dem Insolvenzverwalter oder einem anderen Beteiligten angeregt wird. Ein Rechtsmittel allein gegen die Fristsetzung ist nicht gegeben (§ 6 I).41 Auch wenn im Plan für die Erfüllung der Voraussetzung eine Frist gesetzt wurde, die Voraussetzung selbst also schon eine Frist enthält, kann das Gericht eine weitere Frist setzen.42 24 Die vom Insolvenzgericht zu setzende Frist muss angemessen sein. Angemessen ist eine Frist, wenn sie im Einzelfall sachgerecht erscheint,43 insbesondere die Vorstellungen des Schuldners, des Insolvenzverwalters und der Beteiligten von der Dauer des Schwebezustands sowie die hieraus folgenden Unannehmlichkeiten berücksichtigt und zugleich einer interessierten Partei unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt erlaubt, auf die Erfüllung der Voraussetzung hinzuwirken.44 Dabei darf berücksichtigt werden, dass meist schon vor der Fristsetzung Gelegenheit bestand, die Voraussetzung zu erfüllen. Die Entscheidung über die Länge der Frist allein ist ebenfalls nicht rechtsmittelfähig.45 25 Eine unangemessen kurze Frist setzt die angemessene Frist in Gang. Erkennt das Gericht nach Fristsetzung, dass eine gesetzte Frist unangemessen kurz war, kann und sollte es diese umgehend durch Beschluss verlängern. Eine unangemessen lange Frist gilt so lange, bis sie vom Gericht ausdrücklich durch Beschluss verkürzt wurde; vor Verkürzung darf das Gericht die Bestätigung aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht versagen. 26 Die Fristsetzung setzt keinen Antrag des Schuldners, des Insolvenzverwalters oder eines anderen Beteiligten voraus. Auch wenn nicht ausdrücklich vorgeschrieben, sollte das Gericht vor einer Fristsetzung jedenfalls den Insolvenzverwalter sowie diejenigen Personen zum Ob einer Fristsetzung und zur Dauer der Frist anhören, die an der Erfüllung erkennbar ein besonderes Interesse haben, da mit der Versagung der Planbestätigung wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung der Anreiz für denjenigen, von dem die Erfüllung abhängt, verloren geht.

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AA Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 249 Rn 3; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 10; BK/Flöther InsO64 § 249 Rn 7; Braun/Braun/Frank InsO7 § 249 Rn 5; HambK/Thies InsO6 § 249 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 249 Rn 5; MünchKomm/Sinz InsO3 § 249 Rn 24; zumindest regelmäßig Ermessensreduzierung auf null Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 249 Rn 10; wie hier Nerlich/Römermann/ Braun InsO33 § 249 Rn 4: „Frist bestimmen kann“.

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41

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44 45

BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 12; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 249 Rn 32. Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 547. FK/Jaffé InsO9 § 249 Rn 6; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 249 Rn 3; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 249 Rn 7. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 249 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 249 Rn 6. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 12; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 249 Rn 32.

Christoph Kern

Bedingter Plan

§ 249

Die Fristsetzung erfolgt durch Beschluss, der bereits im Abstimmungstermin nach An- 27 nahme des Plans und Zustimmung durch den Schuldner,46 aber auch später47 gefasst werden kann. Sein Tenor gibt an, für die Erfüllung welcher Voraussetzung eine Frist welcher Länge gesetzt wird. Die Fristsetzung kann durch Angabe eines Enddatums oder eines Zeitraums, der ab Rechtskraft des Beschlusses zu laufen beginnt, erfolgen. Der Beschluss ist nach allgemeinen Regeln bekanntzumachen und dem Planvorlegen- 28 den sowie dem Schuldner formlos mitzuteilen.48 Er sollte eine kurze Begründung erhalten, die erkennen lässt, warum das Gericht eine bestimmte Voraussetzung für nicht erfüllt erachtet und dass es sich über die Angemessenheit der Frist Gedanken gemacht hat.

VI. Entscheidung des Gerichts 1. Planbestätigung Stellt das Gericht fest, dass sämtliche49 Voraussetzungen einer Bestätigung erfüllt sind, 29 so bestätigt es den Plan unverzüglich von Amts wegen, also ohne Notwendigkeit eines dahingehenden Antrags, durch Beschluss (§ 248 I).50 In dessen Begründung ist auch anzugeben, welche Voraussetzungen der Plan vorgesehen hatte und dass und inwiefern diese erfüllt sind. Vor der Bestätigung muss die von § 248 I vorgesehene Anhörung stattfinden. Der Beschluss ist nach § 253 anfechtbar;51 im Rahmen der Beschwerde können auch die Voraussetzungen des § 249 überprüft werden (§ 253 Rn 37).52 Im Falle einer gerichtlichen Fristsetzung nach S 2 oder einer im Plan vorgesehenen Frist 30 kann das Gericht den Plan auch vor Fristablauf bestätigen, wenn Erfüllung (Rn 16 ff) eingetreten ist. War die Frist fruchtlos verstrichen, wird die Voraussetzung aber nach Fristablauf und noch vor dem gerichtlichen Versagungsbeschluss doch erfüllt, ist der Plan in der Regel ebenfalls zu bestätigen. 2. Versagung der Planbestätigung Das Gericht versagt die Planbestätigung unverzüglich von Amts wegen durch Be- 31 schluss,53 wenn es festgestellt hat, dass die „Bedingung“ iSd § 249 nicht oder nicht mehr erfüllt werden kann oder wenn eine nach S 2 gesetzte Frist fruchtlos verstrichen ist. Der Ablauf einer nach S 2 gesetzten Frist ist nicht zwingende Voraussetzung jeder Versagung;54 vielmehr kann die Bestätigung auch dann endgültig versagt werden, wenn keine Frist gesetzt wurde, aber zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die Erfüllung der Voraussetzungen unmöglich ist. In der Begründung gibt das Gericht an, ob sich die Versagung auf Fristablauf oder eine Unmöglichkeit der Erfüllung stützt und ggf worin diese Unmöglich-

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BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 10. AA MünchKomm/Sinz InsO3 § 249 Rn 27. AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 249 Rn 1: Verkündung in einem Termin. Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 249 Rn 3; krit Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 249 Rn 5 f. Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 546; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 11.

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Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 249 Rn 13. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 249 Rn 13. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 249 Rn 11; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 249 Rn 12. AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 249 Rn 3 sowie „im Grundsatz“ Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 546.

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§ 250

Sechster Teil. Insolvenzplan

keit besteht. Vor der Versagung hat die nach § 248 II gebotene Anhörung stattzufinden. Der Versagungsbeschluss ist ebenfalls nach den allgemeinen Regeln anfechtbar (§ 253), wobei hier neben der Verkennung des „Bedingungseintritts“ inzident auch eine zu kurze Frist gerügt werden kann.55 32 Im Falle einer Fristsetzung nach S 2 kann das Gericht die Planbestätigung auch vor Fristablauf versagen, wenn die Erfüllung der Voraussetzungen unmöglich geworden ist. Will es die Versagung allein auf den Fristablauf stützen, so muss es vor der Versagung noch einmal prüfen, ob die gesetzte Frist noch immer angemessen erscheint; ist dies nicht der Fall, hat es von einer Versagung abzusehen und die Frist zu verlängern.

§ 250 Verstoß gegen Verfahrensvorschriften Die Bestätigung ist von Amts wegen zu versagen, 1. wenn die Vorschriften über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Insolvenzplans sowie über die Annahme durch die Beteiligten und die Zustimmung des Schuldners in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind und der Mangel nicht behoben werden kann oder 2. wenn die Annahme des Plans unlauter, insbesondere durch Begünstigung eines Beteiligten, herbeigeführt worden ist. Materialien: DiskE § 286 (S 145); RefE § 286 (S 166); RegE § 297 (BT-Drucks 12/2443, S 56); Rechtsausschuss § 297 (BT-Drucks 12/7302, S 107); RegE ESUG § 250 nF (BT-Drucks 17/5712, S 10). Vorgängerregelungen: §§ 186, 188 I Nr 1 KO; § 79 VglO; § 16 V S 3 GesO. Literatur Brünkmans/Greif-Werner Die Prüfung gesellschaftsrechtlicher Regelungen im Insolvenzplan durch Insolvenzgericht und Registergericht, ZInsO 2015, 1585; Derksen Die Unternehmenssanierung innerhalb und außerhalb der Insolvenz (2017); Frind Die Grenze zwischen Gestaltung und Manipulation im Insolvenzplanverfahren, NZI 2007, 374; Haas Mehr Gesellschaftsrecht im Insolvenzplanverfahren, NZG 2012, 961; Smid Unlauteres Herbeiführen eines Insolvenzplans, DZWIR 2005, 234.

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . 2 II. Verstöße gegen Verfahrensvorschriften im eigentlichen Sinn (Nr 1) . . . . . . . 5 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 5 a) Verfahrensverstöße . . . . . . . . 5 b) Wesentlichkeit . . . . . . . . . . . 7 c) Unbehebbarkeit . . . . . . . . . . 9 d) Auslegung . . . . . . . . . . . . . 12

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MünchKomm/Sinz InsO3 § 249 Rn 33 f.

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Rn. 2. Inhalt des Insolvenzplans (Nr 1 Fall 1) . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . b) Gliederung des Plans (§ 219 S 1) . c) Darstellender Teil (§ 220) . . . . . d) Gestaltender Teil (§ 221) . . . . . e) Gruppenbildung (§ 222) . . . . . f) Absonderungsberechtigte (§ 223) . . . . . . . . . . . . . . . g) Insolvenzgläubiger (§§ 224, 225)

13 13 15 16 19 23 25 26

Verstoß gegen Verfahrensvorschriften

h) i) j) k)

Anteilsinhaber (§ 225a) . . . . . Gleichbehandlung (§ 226) . . . . Haftung des Schuldners (§ 227) . Dingliche Rechtsänderungen (§ 228) . . . . . . . . . . . . . . . l) Vermögensübersicht, Ergebnisoder Finanzplan und weitere Anlagen (§§ 229 f) . . . . . . . . 3. Verfahrensmäßige Behandlung des Insolvenzplans (Nr 1 Fall 2) . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . b) Vorlageberechtigung, Vorlagezeitpunkt und Mitwirkungsrechte (§ 218) . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorschriften über die Zurückweisung (§ 231) . . . . . . . . . .

Rn. 27 28 29 30

31 32 32

33

d) e) f) g) h)

§ 250

Stellungnahmen (§ 232) . . . . . Niederlegung (§ 234) . . . . . . . Erörterung (§§ 235 ff) . . . . . . Abstimmung (§§ 235 ff) . . . . . Anhörung vor der Bestätigung (§§ 248 II, 248a II) . . . . . . . . 4. Annahme durch die Beteiligten (Nr 1 Fall 3) . . . . . . . . . . . . . . 5. Zustimmung des Schuldners (Nr 1 Fall 4) . . . . . . . . . . . . . . III. Unlautere Planannahme (Nr 2) . . . . . 1. Planannahme . . . . . . . . . . . . . 2. Unlautere Herbeiführung . . . . . . . IV. Gerichtliche Prüfung und Entscheidung

Rn. 39 40 41 42 45 46 47 48 48 49 55

38

Alphabetische Übersicht Aufspaltung einer Forderung 52 Ausnutzung rechtlicher Möglichkeiten 52 Begünstigung 50 Behebung inhaltlicher Mängel 14 Drohung 51 Fehlerkorrektur durch den Insolvenzverwalter 22 Feststellung der Forderungen 19 Hinweispflicht 11 Kausalität 49, 54 Manipulation 51 Massegläubiger 19

Nachholung 10, 24 Rechtsstellung der Beteiligten 19, 21, 24 Restschuldbefreiung 17 Stimmrecht 41 ff Täuschung 51 Treu und Glauben 49, 51 Vergütung des Insolvenzverwalters 19 Versagung von Amts wegen 55 Vorlage des Insolvenzplans 33 ff Vorprüfung 6, 33, 38 Zwang 51

I. Einleitung 1. Überblick § 250 listet auf, wann die Bestätigung des Insolvenzplans trotz dessen Annahme durch 1 die Beteiligten und der Bestätigung durch den Schuldner zu versagen ist. In Nr 1 sind die eigentlichen Verstöße gegen Verfahrensvorschriften enthalten, die nur bei Missachtung bestimmter Vorschriften in einem wesentlichen Punkt und Unbehebbarkeit zur Versagung führen müssen (Rn 5 ff); Nr 2 ordnet die Versagung bei unlauterer Herbeiführung der Annahme an (Rn 48 ff). 2. Entstehungsgeschichte Die Konkursordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 69 ff) sah beim Zwangsvergleich 2 eine Verwerfung von Amts wegen vor, wenn Vorschriften über Verfahren und Abschluss des Vergleichs missachtet wurden und eine Ergänzung unmöglich war (§ 186 Nr 1 KO); bei unlauterer Herbeiführung war der Zwangsvergleich nur auf Antrag zu verwerfen (§ 188 I Nr 1 KO). In der Vergleichsordnung (Münch Vor §§ 217–269 Rn 81) waren beide Versagungsgründe schon in einer Vorschrift enthalten, die keinen Antrag verlangte (§ 79 Nr 1, 3 VglO). Konkurs- wie Vergleichsordnung kannten noch weitere Verwerfungs- bzw. Versagungsgründe, insbesondere den Widerspruch zu den gemeinsamen Interessen der Gläubiger (§ 188 I Nr 2 KO; § 79 Nr 4 VglO). Die Gesamtvollstreckungsordnung beschränkte sich Christoph Kern

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§ 250

Sechster Teil. Insolvenzplan

auf eine Kann-Vorschrift bei unlauterer Herbeiführung oder unangemessener Benachteiligung eines Teils der Gläubiger (§ 16 V S 3 GesO). 3 Der Diskussionsentwurf1 nannte in Nr 1 noch nicht die Zustimmung des Schuldners; in Nr 2 war nur die Begünstigung eines Gläubigers genannt, da eine Einbeziehung von Anteilsinhabern noch nicht möglich war. Der Referentenentwurf2 ergänzte die Versagungsgründe in Nr 1 um die Zustimmung des Schuldners und brachte in Nr 2 eine sprachliche Änderung. Der – insoweit vom Rechtsausschuss nicht beanstandete3 – Regierungsentwurf4 übernahm diese Fassung, die dann als § 250 Gesetz wurde.5 4 Das ESUG,6 das die Möglichkeit einer Einbeziehung der Anteilseigner einführte (§§ 217 S 2, 225a II, III) und bei deren Einbeziehung auch die Annahme durch diese verlangt, soweit sie betroffen sind (§§ 238a, 244 III), setzte mit Wirkung vom 1.3.2012 den Begriff „Beteiligte“ an die Stelle von „Gläubiger“.

II. Verstöße gegen Verfahrensvorschriften im eigentlichen Sinn (Nr 1) 1. Allgemeines

5

a) Verfahrensverstöße. Nr 1 nennt vier Gruppen bestimmter, direkt auf den Plan bezogener Verfahrensvorschriften der §§ 217 ff, deren Einhaltung das Gericht vor einer Planbestätigung zu überprüfen hat. Dabei reicht es aus, dass ein Verstoß gegen eine der genannten Vorschriften vorliegt; die Worte „und“, „sowie“ und „und“ zu Beginn der Nr 1 sind also als (inklusives) „oder“ zu verstehen.7 Auch ist im Einzelfall kein Verstoß gegen mehrere „Vorschriften“ erforderlich; vielmehr reicht der Verstoß gegen eine Vorschrift aus. 6 Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 250 ist das Gericht an seine Entscheidung im Rahmen der positiven Vorprüfung iSd § 231 nicht gebunden;8 ebensowenig befreit die Vorprüfung das Gericht davon, vor der Bestätigung erneut zu prüfen.9 Die Notwendigkeit einer erneuten Prüfung beruht nicht nur darauf, dass das Gericht durch den Erörterungstermin oder durch eingegangene Stellungnahmen zu besseren Erkenntnissen gelangt sein konnte,10

1 2 3 4 5 6 7

8

DiskE § 286 (S 145). RefE § 286 (S 166). Rechtsausschuss § 297, BT-Drucks 12/7302, S 107. RegE § 297, BT-Drucks 12/2443, S 56. G v 05.10.1994, BGBl I, S 2866. G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582. Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 4 aE; Derksen Unternehmenssanierung S 137; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 2. BGHZ 214, 78 = NJW 2017, 2280, 2281 Rn 14–16 m (allg oder insoweit) zust Anm Blankenburg ZInsO 2017, 531; Madaus EWiR 2017, 179 f; Skauradszun/Schmitt DZWIR 2017, 338 ff; Storz NZI 2017, 264 f; ebenso BGH NJW-RR 2018, 217 Rn 13; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 250 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 4; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 250 Rn 2; Kübler/Prütting/

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9

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Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 7; Leonhardt/ Smid/Zeuner/Rattunde, InsO3 § 250 Rn. 2; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 5, 16; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 2; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 17.7; aA Haarmeyer ZInsO 2016, 1622, 1624 f; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 250 Rn 2. Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 3; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 16; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 2; aA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 250 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 250 Rn 9. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 250 Rn 3; BK/Flöther InsO64 § 250 Rn 4; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 250 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 250 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 7.

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Verstoß gegen Verfahrensvorschriften

§ 250

sondern rechtfertigt sich auch daraus, dass dem Gericht vor der Bestätigung des Plans, deren Rechtskraft einschneidende Wirkungen hat, die Möglichkeit zur Korrektur von Fehlern gegeben werden soll. Daher ist eine volle Prüfung stets und nicht etwa nur dann geboten, wenn zwischenzeitlich eine Planänderung vorgenommen wurde.11 § 231 ist also tatsächlich als „Vorprüfung“ zu verstehen, die bei erkennbaren Verstößen eine frühzeitige Beendigung des aufwendigen Verfahrens erlaubt, aber der „Hauptprüfung“ des § 250 nicht vorgreift. Allerdings muss das Gericht dem Planvorleger und den Beteiligten vor einer Entscheidung, mit der es von seiner Beurteilung in der Vorprüfung abweichen will, rechtliches Gehör gewähren, um eine Überraschungsentscheidung zu vermeiden; die zu § 139 ZPO entwickelten Grundsätze12 gelten entsprechend (§ 4).13 b) Wesentlichkeit. Verstöße gegen diese Verfahrensvorschriften führen indes nur dann 7 zur Versagung von Amts wegen, wenn der Verstoß einen wesentlichen Punkt betrifft und der hierauf beruhende Mangel im Nachhinein nicht behoben werden kann. Das Wesentlichkeitserfordernis bezieht sich auf sämtliche der genannten Vorschriften, nicht nur auf die an letzter Stelle stehende Zustimmung des Schuldners. Ein wesentlicher Punkt ist betroffen, wenn es sich um einen Verstoß handelt, der auf 8 das Zustandekommen des Insolvenzplans,14 also die Annahme des Insolvenzplans durch die Beteiligten15 und die Zustimmung des Schuldners, Einfluss hatte oder auch nur gehabt haben könnte16. Es entscheidet also insoweit die Perspektive eines vernünftigen Beteiligten bzw Schuldners im konkreten Fall. Die Wesentlichkeit kann sich insbesondere aus der Bedeutung der Mängel für die Gläubigerbefriedigung ergeben, aber auch aus einer Häufung von Verstößen.17 c) Unbehebbarkeit. Das Erfordernis fehlender Behebbarkeit bezieht sich ebenfalls auf 9 sämtliche der genannten Verfahrensverstöße, auch wenn es wohl vor allem bei den Vorschriften über die verfahrensmäßige Behandlung zur Anwendung kommen dürfte. Aus dem Erfordernis fehlender Behebbarkeit lässt sich zugleich schließen, dass Verfahrensverstöße, die bereits behoben sind, keinesfalls zu einer Versagung führen können, und noch allgemeiner dass die Behebung von Verfahrensverstößen grundsätzlich möglich, ja sogar erwünscht, ist. Beheben lässt sich ein Mangel durch korrekte Nachholung eines unterbliebenen oder 10 fehlerhaften Akts. Im Stadium der gerichtlichen Prüfung auf Verstöße gegen Verfahrensvorschriften ist ein Mangel allerdings nur dann behebbar, wenn er ohne Wiedereröffnung

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AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 9; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 2. Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 Rn 85 ff, § 139 Rn 57 ff. Stein/Jonas/Kern ZPO23 § 139 Rn 14; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 16. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 250 Rn 6; FK/Jaffé InsO9 § 250 Rn 5; etwas undeutlich BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 250 Rn 13; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 250 Rn 6 und Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 5: „Zustandekommen der Annahme“.

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BGH NZI 2012, 139 Rn 11; 2010, 734, 737 Rn 44; 2010, 101 Rn 3; LG Berlin NZI 2005, 335, 337; ZInsO 2005, 609, 611; 2002, 1191, 1192; Frind NZI 2007, 374; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 250 Rn 5, 13; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 250 Rn 5; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 10; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 11; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 5. Enger BGH NJW-RR 2018, 817, 821 Rn 54: Einfluss muss „ernsthaft in Betracht kommen“. BGH NJW-RR 2018, 817, 821 Rn 55.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

eines bereits beendeten Verfahrensabschnitts wie zB des Erörterungs- und Abstimmungstermins beseitigt werden kann18 und seine Korrektur nicht die Entscheidungsgrundlage eines Beteiligten oder des Schuldners verändert.19 Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Beifügung von Anlagen unterblieben war, der Planvorleger aber diese Anlagen allen Beteiligten unmittelbar zugänglich gemacht hat. Kann der Mangel hingegen deshalb im Stadium der gerichtlichen Prüfung nicht behoben werden, weil der Verfahrensabschnitt bereits abgeschlossen ist, kann das Gericht den betroffenen Verfahrensabschnitt – insbesondere den Erörterungs- und Abstimmungstermin – wieder eröffnen, sofern dies sinnvoll erscheint und ohne Einschränkung von Rechten der Betroffenen möglich ist; dies gilt auch und gerade dann, wenn der Fehler ausschließlich durch das Gericht verursacht wurde.20 Dies kann auf § 4 iVm § 156 ZPO gestützt werden, sodass das Fehlen einer gesetzlichen Regelung in der Insolvenzordnung unschädlich ist.21 11 Wie das Gericht im Falle eines wesentlichen Verfahrensmangels zu verfahren hat, wenn dieser behebbar ist, sagt § 250 Nr 1 nicht. Gem § 4 iVm § 139 ZPO muss das Gericht auf den Verfahrensmangel und seine Behebbarkeit hinweisen. Steht die Behebung des Mangels allein in der Kompetenz eines Beteiligten, des Insolvenzverwalters oder des Schuldners, sollte das Gericht entsprechend § 249 S 2 demjenigen, der den Mangel beheben kann, eine Frist zur Behebung setzen, verbunden mit der Androhung, die Planbestätigung anderenfalls zu versagen. Wird der Mangel nicht innerhalb einer gesetzten Frist behoben oder wird seine Behebung unmöglich, hat das Gericht die Bestätigung zu versagen.22 Bedarf es gerichtlicher Mitwirkung, sind alle von dem Mangel erfassten Verfahrensschritte, ggf auch die Abstimmung, zu wiederholen.

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d) Auslegung. Aus der Einschränkung auf wesentliche Verstöße und der Nachholungsmöglichkeit kann man ableiten, dass der Gesetzgeber die Fälle einer Versagung wegen Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften möglichst vermeiden möchte. Dies wiederum spricht dafür, auch den Kreis der erfassten Verfahrensvorschriften eher eng als weit zu ziehen und bei der Annahme von Wesentlichkeit zurückhaltend zu sein. 2. Inhalt des Insolvenzplans (Nr 1 Fall 1)

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a) Überblick. Vorschriften über den Inhalt des Insolvenzplans finden sich in den §§ 217, 219–225a I–III, 226 I–II, 227–230. Die in §§ 229 und 230 genannten Anlagen sind dem Plan nur beizufügen (§ 219 S 2); sie gehören daher strenggenommen nicht zu den Vorschriften über den Inhalt des Plans. Allerdings können die Beteiligten in den in diesen Vorschriften genannten Fällen ohne die dort genannten Anlagen kaum sinnvoll über ihre Haltung zu dem vorgeschlagenen Plan entscheiden. Daher sind auch die §§ 229, 230 als

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BGH NJW-RR 2018, 817, 821 f Rn 57; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 250 Rn 7; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 250 Rn 5; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 4. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 250 Rn 7. FK/Jaffé InsO9 § 250 Rn 6; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 250 Rn 9; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 14; aA BK/ Flöther InsO64 § 250 Rn 15; HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 10; MünchKomm/Sinz

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InsO3 § 250 Rn 35, 39; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 3. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 14. IE wie hier Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 250 Rn 7; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 250 Rn 5 f; HK/ Haas InsO9 § 250 Rn 5; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 13; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 40.

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Verstoß gegen Verfahrensvorschriften

§ 250

Vorschriften über den Inhalt des Plans iSd Nr 1 anzusehen.23 Freilich ist für die Frage, ob ein Verstoß gegen Vorschriften über den Inhalt des Insolvenzplans vorliegt, ergänzend die gesamte Insolvenzordnung in den Blick zu nehmen. So kann sich auch aus anderen Vorschriften als den §§ 217, 219–225a I–III, 226 I–II, 227–230 ergeben, dass ein Plan keine abweichenden Regelungen treffen darf.24 Eine nachträgliche Behebung inhaltlicher Mängel ist nach Ende des Abstimmungster- 14 mins idR ausgeschlossen, da sie die Erwartungen der stimmberechtigten Beteiligten und des Schuldners enttäuschen könnte. In diesen Fällen bedarf es der Planänderung oder der Vorlage eines neuen, mangelfreien Plans, der seinerseits der Annahme und Zustimmung bedarf. Die Strenge wird dadurch abgemildert, dass das Insolvenzgericht den Inhalt des Plans schon direkt nach der Vorlage zu prüfen hat und einen Plan mit inhaltlichen Mängeln gem § 231 I Nr 1 eigentlich schon früh zurückzuweisen hat. Die Behebung offensichtlicher Mängel kann des Weiteren auch durch den Insolvenzverwalter erfolgen, falls dieser hierzu „bevollmächtigt“ ist (§ 221 S 2 Alt 2). b) Gliederung des Plans (§ 219 S 1). § 219 S 1, der eine Gliederung des Plans in einen 15 darstellenden und einen gestaltenden Teil vorsieht, verlangt nicht zwingend die Verwendung dieser Begriffe in den Überschriften oder auch nur die Einfügung bestimmter Zwischenüberschriften. Stets muss jedoch für das Gericht, den Insolvenzverwalter, die Beteiligten und den Schuldner erkennbar sein, inwieweit der Plan darstellt und inwieweit er gestaltet. § 219 S 1 ist daher in einem wesentlichen Punkt verletzt, wenn zwischen darstellenden und gestaltenden Festsetzungen keine klare Trennung herrscht und hierdurch Zweifel über die Planwirkungen hervorgerufen werden. Dies kann auch auf einer mangelhaften Gliederung beruhen. c) Darstellender Teil (§ 220). § 220 I verlangt eine Beschreibung getroffener oder zu 16 treffender Maßnahmen, auf denen die gestaltende Wirkung aufbauen soll. Soweit die Beschreibung für die Verständlichkeit des Plans entscheidend ist, liegt in ihrem Fehlen oder in ihrer Fehlerhaftigkeit ein beachtlicher Mangel. Dieser Mangel ist nach Abstimmung über den Plan und Zustimmung des Schuldners auch nicht mehr behebbar; insbesondere kommt eine nachträgliche Ergänzung nicht in Betracht. Bleibt die Verständlichkeit des gesamten Plans hingegen gewahrt, sind Fehler in der Beschreibung und sogar ihr völliges Fehlen kein Verstoß in einem wesentlichen Punkt.25 Ein Verstoß gegen § 220 II, wonach der Plan „alle sonstigen Angaben zu den Grund- 17 lagen und den Auswirkungen des Plans enthalten soll, die für die Entscheidung der Beteiligten über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind“, stellt dann einen Versagungsgrund dar, wenn sich das „Soll“ zu einem „Muss“ verdichtet, weil die Beteiligten die Angabe für eine sachgerechte Entscheidung über ihre Zustimmung benötigen.26 Stets notwendig ist das Verzeichnis der Massegegenstände (§ 151),

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BGH NZI 2010, 101 Rn 3; NJW-RR 2018, 817, 818; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 250 Rn 4; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 2; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 6; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 6. Zu §§ 229 f näher unten Rn 31. S etwa LG Hamburg NZI 2017, 970, 971 u nachfolgend BGH NJW-RR 2018, 817, 818 Rn 15 ff zu § 259 InsO.

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Vgl BGH NZI 2010, 734, 737 Rn 45–48 (zu § 220 II); K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 8. Vgl BGH NZI 2012, 139, 140 Rn 9 f; die hM geht von einer zwingenden Vorschrift aus: LG Wuppertal NZI 2016, 494, 495; Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 541, 544; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 8 aE: „als zwingende Regelung zu lesen“.

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das Gläubigerverzeichnis (§ 152) und die Vermögensübersicht (§ 153), sodass unrichtige Angaben über Vermögen und Einkommen einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellen.27 Ob darüber hinaus weitere Angaben notwendig sind, ist eine Frage des Einzelfalls. So kann bei Ansprüchen gegen Geschäftsführer gem § 64 GmbHG ein „Erinnerungswert“ von einem Euro ausreichen, wenn diese noch nicht abschließend geprüft sind.28 Anfechtungsansprüche sind anzusprechen, wenn sie wahrscheinlich bestehen und daher geltend gemacht werden dürften; sind sie unwahrscheinlich oder die Sachverhalte noch nicht geklärt, bedürfen sie hingegen keiner Darstellung und Erörterung.29 Typischerweise unverzichtbar ist eine Vergleichsrechnung.30 Differenziert zu beantworten ist auch die Frage, ob ein Insolvenzplan, der die Befreiung des Schuldners von seinen restlichen Verbindlichkeiten zur Folge hat (vgl § 227), Angaben zu Gründen enthalten muss, die gem § 290 zur Versagung der Restschuldbefreiung führen könnten. Während dies vom Bundesgerichtshof für den Versagungsgrund des § 290 I Nr 2 – unrichtige oder unvollständige Angaben des Schuldners über seine wirtschaftliche Lage – verneint wurde,31 soll für den Versagungsgrund des § 290 I Nr 1 – Insolvenzstraftaten nach den §§ 283–283c StGB – offenbar eine Pflicht zur Angabe bestehen,32 da der Bundesgerichtshof lediglich die Wesentlichkeit verneint, wenn der Plan nicht eine Unternehmensfortführung durch den Schuldner vorsieht.33 Diese Differenzierung erscheint im Ergebnis zutreffend;34 man hätte sich aber eine Klarstellung gewünscht, dass die Angabe einer Verurteilung wegen Insolvenzstraftaten auch bei fehlender Fortführung trotz Sanktionslosigkeit eigentlich geboten ist. 18 Auch wo es sich nicht um eine notwendige Angabe handelt, kann das Fehlen einer Angabe zu Grundlagen und Auswirkungen des Plans dazu führen, dass das Gericht den Inhalt des Plans missversteht und deshalb nicht bestätigt. In diesem Fall beruht die Versagung aber nicht auf einem Verstoß gegen Abs 2, sondern darauf, dass der Plan aus Sicht des Gerichts wegen eines anderen Mangels nicht bestätigt werden kann.

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d) Gestaltender Teil (§ 221). Der Plan kann im vom Gesetz vorgegebenen Rahmen die Rechtsstellung der Beteiligten ändern, aber keine anderen Regelungen treffen. Ein Plan, der diesen Rahmen verlässt, etwa indem er Regelungen auf Gebieten trifft, die nicht plandispositiv sind, ist stets in einem wesentlichen Punkt fehlerhaft; ein solcher Mangel ist auch nicht behebbar.35 Planfest sind etwa die gesetzlichen Vorschriften über die Vergütung des Insolvenzverwalters,36 das Erlöschen seines Amtes nach Verfahrensaufhebung37, womit einhergeht, dass der Schuldner das Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse zurückerlangt und wieder selbst prozessführungsbefugt ist38. Planfest sind auch die Ansprüche der Massegläubiger, sofern nicht § 210a greift.39 Planfest sind weiter die Vorschriften über die Fest-

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BGH WM 2012, 1640 f Rn 9. BGH NZI 2010, 734, 737 Rn 49–51. BGH NZI 2010, 734, 738 Rn 54–58; Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 544; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 8. BGH NJW-RR 2018, 817, 820 Rn 33; Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 544. BGH NZI 2009, 515, 517 Rn 25–27. Offen noch BGH NZI 2009, 515, 517 Rn 26. BGH NZI 2012, 139, 140 f Rn 11–14. Zust auch MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 13.

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BGH NZI 2009, 230, 232 Rn 25; BGHZ 214, 78 = NJW 2017, 2280, 2285 Rn 44; BGH NJW-RR 2018, 817, 819 Rn 23. BGHZ 214, 78 = NJW 2017, 2280, 2281 f Rn 17, 20 ff; dazu auch § 249 Rn 11. LG Hamburg NZI 2017, 970, 971 u nachfolgend BGH NJW-RR 2018, 817, 818 Rn 16 ff: keine Einräumung der Befugnis, über § 259 Abs 3 hinaus Anfechtungsklagen noch nach rechtskräftiger Aufhebung des Verfahrens zu erheben. BGH NJW-RR 2018, 817, 819 Rn 25 ff. BGHZ 214, 78 = NJW 2017, 2280, 2282 Rn 21 f.

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Verstoß gegen Verfahrensvorschriften

§ 250

stellung der Forderungen der Gläubiger (§§ 174–186). Ein Insolvenzplan kann daher keine Modifizierung von Gläubigerforderungen vorsehen, die den Beteiligten letztlich erlauben würde, durch Mehrheitsbeschluss über Ob und Umfang der Anmeldungen zur Insolvenztabelle und damit die Verfahrensbeteiligung zu bestimmen. Enthält ein Plan derartige Regelungen, ist ihm die Bestätigung zu versagen.40 Ebenso kann der Plan nicht nach rechtskräftiger Verfahrensaufhebung einen anwaltlichen Treuhänder ermächtigen, eine Forderung des Schuldners geltend zu machen und den Erlös zu verteilen, kann doch selbst der Insolvenzverwalter nur zur Weiterverfolgung bereits anhängiger Anfechtungsprozesse ermächtigt werden.41 Plandispositiv sind jedoch, wie aus § 217 folgt, die Vorschriften über die Verteilung, sofern der Plan keine Nachtragsverteilung vorsieht.42 Möglich ist damit eine Regelung, die für Gläubiger, deren Forderung bestritten wurde, eine Ausschlussfrist vorsieht, binnen welcher sie dem Insolvenzverwalter die Erhebung einer Tabellenfeststellungsklage nachweisen müssen.43 Inhaltliche „Mängel“ dergestalt, dass die Festlegungen die Vorstellungen des Planvor- 20 legenden nicht vollständig wiedergeben, führen damit nur dazu, dass bestimmte Wirkungen nicht oder anders eintreten. Sie stellen damit schon keine Mängel iSd § 250 Nr 1 dar. Inhaltliche Mängel hinsichtlich der Rechtsstellung der Beteiligten (vgl § 221 S 1) liegen 21 dann vor, wenn die Festlegung auf ein rechtlich unmögliches Ergebnis gerichtet ist, etwa die Begründung einer dinglichen Position, die das deutsche Recht nicht kennt und die damit gegen den Typenzwang44 verstößt. In einem solchen Fall ist der Mangel immer beachtlich; eine Behebung etwa durch nachträgliche Plankorrektur scheidet aus. Inhaltliche Mängel hinsichtlich der Bevollmächtigung des Insolvenzverwalters zur Feh- 22 lerkorrektur (vgl S 2) können darin bestehen, dass dem Verwalter weitergehende Befugnisse verliehen werden, als sie S 2 zulässt, etwa die Ergreifung von Maßnahmen, die nicht der Planumsetzung dienen, die Korrektur nicht offensichtlicher Fehler oder gar die Abänderung fehlerfreier Passagen. Als Inhalt des Plans können solche Anordnungen nicht wirksam getroffen werden. Es handelt sich daher um stets beachtliche Mängel, die aus Gründen der Rechtsklarheit auch nicht nachträglich behoben werden können. e) Gruppenbildung (§ 222). Die Bildung von Gruppen überhaupt und die Bildung der 23 in § 222 I S 2 genannten Gruppen ist unverzichtbar. Verstöße gegen § 222 I sind daher stets wesentlich und unbehebbar.45 Verstöße gegen § 222 II sind nur bei erheblicher Abweichung beachtlich; etwa wenn 24 eine Gruppe von Beteiligten unterschiedlicher Rechtsstellung oder gegensätzlicher wirtschaftlicher Interessen gebildet wurde oder die Abgrenzung willkürlich erscheint, weil sachliche Gründe für die Abgrenzung nicht existieren. In diesen Fällen scheidet auch eine Nachholung oder Behebung aus. Geringfügige Fehler bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Interessen, eine Abgrenzung, die zwar passend erscheint, aber noch weiter hätte ver-

40 41 42 43 44

BGH NZI 2009, 230, 232 Rn 26; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 7. BGH NJW-RR 2018, 817, 818 f Rn 21 ff; dazu kritisch Madaus EWiR 2018, 401, 402. BGH NJW-RR 2018, 817, 820 Rn 29 ff. BGH NZI 2010, 734, 735 Rn 5–16 (auch zum Beginn der Ausschlussfrist). Dazu Kern Typizität (2013) S 18 ff.

45

Vgl BGHZ 163, 344, 347 = NZI 2005, 619, 620; explizit wie hier Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 250 Rn 6; Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 11; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 10; Nerlich/Römermann/ Braun InsO33 § 250 Rn 6.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

feinert werden können, und eine defizitäre Angabe der Abgrenzungskriterien sind hingegen unbeachtlich.

25

f) Absonderungsberechtigte (§ 223). § 223 I S 1 stellt nur klar, dass mangels abweichender Regelung im Plan absonderungsberechtigte Gläubiger unberührt bleiben; gegen ihn allein kann nicht verstoßen werden. Ein Verstoß gegen die Regelung des § 223 I S 2 zu Finanzsicherheiten führt zur Unwirksamkeit der Festsetzung; er ist überdies stets beachtlich und kann nicht nachträglich behoben werden. Die von § 223 II verlangten Angaben für Regelungen zu absonderungsberechtigten Gläubigern sind unverzichtbar; ohne diese Angaben tritt eine Gestaltungswirkung aber nicht ein, sodass ein „Verstoß“ nicht zu einer Versagung zu führen braucht, vielmehr die Zustimmung der Beteiligten und des Schuldners gerade im Vertrauen auf das Fehlen bestimmter Regelungen gegeben worden sein kann. Ist eine Regelung vorgesehen, die inhaltlich unmöglich oder perplex ist, handelt es sich um einen beachtlichen Fehler, der sich nicht beheben lässt.

26

g) Insolvenzgläubiger (§§ 224, 225). Der Plan kann die Rechte der Insolvenzgläubiger Regelungen unterwerfen, etwa eine Kürzung, Stundung oder einen Erlass vorsehen, die auch an eine aufschiebende Bedingung gekoppelt sein können.46 Auch insoweit gilt, dass nur die Gestaltungswirkungen eintreten, die der Plan vorsieht. Bei einer unmöglichen oder perplexen Regelung ist der Fehler beachtlich und unbehebbar.47 § 225 III macht eine zwingende inhaltliche Vorgabe; auch wenn entgegenstehende Regelungen von selbst unwirksam sind, sollte eine entsprechende Festlegung stets zur Versagung der Bestätigung führen.

27

h) Anteilsinhaber (§ 225a). Vorschriften für den Planinhalt finden sich nur in den § 225a I–III; Abs 4 und 5 schließen bestimmte Konsequenzen inhaltlicher Festlegungen aus und liegen damit außerhalb des Plans. § 225a I und II S 1, 3 eröffnen Regelungsmöglichkeiten; Verstöße gegen diese Absätze sind nur insoweit denkbar, als sie unmögliche Festsetzungen enthalten, die dann zur Versagung führen müssen. § 225a II S 2 hingegen, der eine Umwandlung von Forderungsrechten in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte gegen den Willen der Gläubiger verbietet, ist eine wesentliche Vorschrift, deren Verletzung stets beachtlich ist und nicht behoben werden kann. Abs 3 ist insofern relevant, als er nur gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen erlaubt;48 auch hier gilt, dass eine unzulässige – also unmögliche oder perplexe – Regelung zur Versagung der Genehmigung führen muss.

28

i) Gleichbehandlung (§ 226). Ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung innerhalb der Gruppe (§ 226 I, II S 1) ist, da es sich um eine fundamentale Regel des Planverfahrens handelt, stets beachtlich und unbehebbar.49 Ein Verstoß liegt allerdings nur vor, wenn die Zustimmung der Betroffenen fehlt (§ 226 II S 1); die Zustimmung kann auch noch nachträglich eingeholt und damit der Mangel behoben werden. § 226 II S 2 verlangt die Hinzufügung der Erklärungen, ist also schon keine Vorschrift über den Inhalt, zudem auch nicht von entscheidendem Gewicht. § 226 III betrifft ein „Abkommen“, das außer-

46 47

48

BGH NJW-RR 2018, 817, 821 Rn 42. Vgl auch BGH NJW-RR 2018, 817, 822 Rn 43: Unmögliche Bedingung als Verstoß gegen die Anforderungen an Klarheit und Widerspruchsfreiheit. Brünkmans/Greif-Werner ZInsO 2015, 1585, 1587.

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 250 Rn 6; Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 11; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 6.

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Verstoß gegen Verfahrensvorschriften

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halb des Insolvenzplans liegt, gehört also nicht hierher; Verstöße werden von § 250 Nr 2 erfasst.50 j) Haftung des Schuldners (§ 227). Ein Verstoß gegen § 227 kommt nicht in Betracht, 29 da diese Vorschrift nur Spielräume eröffnet und Auslegungsregeln enthält. k) Dingliche Rechtsänderungen (§ 228). § 228 S 1 stellt klar, dass sich der Plan nicht 30 über die materiellrechtlichen Regeln für Verfügungsgeschäfte hinwegsetzt, § 228 S 2 und 3 dehnen dies auf bestimmte formellrechtliche Regeln aus. Nur mithilfe einer im Plan vorgesehenen Abtretung kann etwa ein Dritter eine frühere Schuldnerforderung einziehen und können nach Verfahrensaufhebung sonstige Gläubiger des Schuldners von einem Vollstreckungszugriff auf diese Forderung ausgeschlossen werden.51 Sieht der Plan eine unmittelbare materiellrechtliche Änderung vor, enthält er aber nicht explizit dahingehende Willenserklärungen, so kann er zumeist entsprechend ausgelegt werden; wenn der Plan auf eine sofortige dingliche Rechtsänderung gerichtet wäre, aber explizit keine Willenserklärungen enthalten sollte, was kaum je vorkommen wird, wäre die Festsetzung wegen Widersprüchlichkeit nichtig und müsste aus Gründen der Rechtsklarheit zur Versagung der Planbestätigung führen. l) Vermögensübersicht, Ergebnis- oder Finanzplan und weitere Anlagen (§§ 229 f). In 31 der fehlenden Beifügung der in den §§ 229, 230 genannten Anlagen liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler, wenn dadurch eine sachgerechte Beurteilung des Insolvenzplans so erschwert wird, dass das Fehlen Einfluss auf die Annahme des Plans gehabt haben könnte.52 In welcher Form und mit welchem Grad an Detailliertheit die Informationen zu geben sind, ist nicht abstrakt vorgeschrieben und hängt vom Einzelfall ab; neben der üblichen tabellarischen Form kommen daher auch textliche Ausführungen in Betracht.53 3. Verfahrensmäßige Behandlung des Insolvenzplans (Nr 1 Fall 2) a) Überblick. Die verfahrensmäßige Behandlung des Insolvenzplans ist in den §§ 218, 32 231, 232, 234–247 geregelt,54 wobei die Annahme (§§ 248 I iVm 244–246a) und die Zustimmung (§ 248 I iVm § 247) von § 250 gesondert erwähnt sind55. Was die verfahrensmäßige Behandlung angeht, so kommt eine Behebung von Verfahrensmängeln vielfach in Betracht. b) Vorlageberechtigung, Vorlagezeitpunkt und Mitwirkungsrechte (§ 218). Die Regeln 33 des § 218 über die Planaufstellung gehören an sich nicht zur Behandlung „des“ – also eines vorgelegten – Insolvenzplans. Gegen eine Einbeziehung könnte man auch § 231 I Nr 1 anführen, der die Vorschriften über das Recht zur Vorlage explizit nennt. Allerdings ist § 231 als „Vorprüfung“ konzipiert; dass nur hinsichtlich der Planvorlage die Prüfung einzig und allein in diesem Stadium erfolgen sollte, überzeugt nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich § 231 I S 1 Nr 1 und § 250 Nr 1 insoweit entsprechen.56 Daher sind auch die Ver-

50

51 52

Dagegen ohne Begründung für die Erfassung durch § 250 Nr 1 Leonhardt/Smid/Zeuner/ Rattunde, InsO3 § 250 Rn 12; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 17.10. BGH NJW-RR 2018, 817, 819 f Rn 28. BGH NZI 2010, 101 Rn 3.

53 54

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BGH NZI 2010, 101 Rn 3. § 233 ist keine Verfahrensvorschrift; dazu etwa MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 29; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 18. Vgl BGH NJW-RR 2018, 817, 818 Rn 14. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 2.

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fahrensvorschriften des § 218 grundsätzlich geeignet, eine Versagung gem § 250 Nr 1 zu tragen.57 34 § 218 I S 1 gewährt nur dem Insolvenzverwalter und dem Schuldner das Recht der Planvorlage. Anderen Personen oder Personengruppen, etwa einem Gläubiger, dem Gläubigerausschuss oder einem Anteilsinhaber oder mehreren Anteilsinhabern, ist die Planvorlage nicht gestattet. Die Beschränkung auf Insolvenzverwalter und Schuldner beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Ein Insolvenzplan, der unter Verstoß gegen § 218 I S 1 nicht vom Insolvenzverwalter oder vom Schuldner, sondern einer anderen Person oder Personengruppe, vorgelegt wurde, wird im Regelfall sofort gem § 231 I S 1 Nr 1 zurückgewiesen. Schafft er es dennoch zur Abstimmung, wird man idR davon ausgehen müssen, dass sich Insolvenzverwalter oder Schuldner den Plan zu eigen gemacht haben; dann kann man diese als Planvorleger ansehen, womit jedenfalls ein wesentlicher Verfahrensverstoß ausscheidet. Fehlt aber auch ein solches Zueigenmachen, darf der Plan nicht bestätigt werden, da angesichts des eindeutigen Wortlauts in § 218 I S 1 und der gesetzgeberischen Entscheidung jedermann damit rechnen musste, dass ein solcher Plan nicht zur Ausführung kommen wird. Es handelt sich dann also auch um einen wesentlichen Verstoß.58 35 Frühest möglicher Zeitpunkt zur Vorlage eines Insolvenzplans ist der Eröffnungsantrag, da zuvor mangels gerichtlicher Befassung eine Zuordnung des Plans zweifelhaft sein kann. § 218 I S 2 erlaubt die Vorlage bereits mit dem Eröffnungsantrag; eine frühere Vorlage stellt wegen der Gefahr einer Beeinträchtigung von Beteiligtenrechten einen wesentlichen Verfahrensfehler dar. Spätest möglicher Zeitpunkt ist der Schlusstermin (§ 197), da § 218 I S 3 die Berücksichtigung eines Plans nach diesem Termin ausschließt. Ein Plan, der nach diesem – ohnehin schon sehr späten – Zeitpunkt vorgelegt wird, dürfte kaum je zur Abstimmung kommen; jedenfalls aber erscheint er sinnlos und könnte in Rechte von Beteiligten, die das Verfahren für abgeschlossen halten, eingreifen. Auch die Verletzung des § 218 I S 3 ist daher als wesentlicher Verfahrensfehler anzusehen.59 36 Hat die Gläubigerversammlung den Verwalter mit der Ausarbeitung eines Plans beauftragt und dieser zwar einen Plan vorgelegt, hierbei aber die Vorgabe einer Vorlage binnen angemessener Zeit (§ 218 II) verletzt, so begründet dies allein keinen Verfahrensverstoß, der zur Versagung der Bestätigung führen könnte.60 Denn die Zeitvorgabe soll die Beteiligten und den Schuldner schützen; die Entlastung des Insolvenzgerichts vor lange hängenden Verfahren und die zügige Schaffung von Rechtssicherheit im gesamtökonomischen Interesse sind ein Reflex. Die Verfehlung der Zeitvorgabe kann Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter begründen61 oder seine Entlassung rechtfertigen.62 Wenn der verspätet vorgelegte Plan aber angenommen wurde und die Zustimmung des Schuldners fand, wäre eine Versagung sowohl im Hinblick auf Beteiligte und Schuldner als auch im Hinblick auf das Gericht und das gesamtökonomische Interesse kontraproduktiv. Eine Verletzung dieser Verfahrensvorschrift führt also nicht zur Versagung der Bestätigung.

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IE ebenso Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 11; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 17, 19; aA für § 218 I Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 10. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 7; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 19; abw

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Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 7: nur „[i]m Grundsätzlichen“. AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 8. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 8. Jaeger/Gerhardt InsO § 60 Rn 88–91. Vgl Jaeger/Gerhardt InsO § 59 Rn 5.

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Verstoß gegen Verfahrensvorschriften

§ 250

Die beratende Mitwirkung von Gläubigerausschuss, Betriebsrat, Sprecherausschuss 37 und Schuldner, die § 218 III vorsieht, ist ohnehin nur so zu verstehen, dass diesen die Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist; ob sie diese Gelegenheit wahrnehmen, ist ebenso unerheblich wie der tatsächliche Einfluss, den diese beratende Mitwirkung auf die Aufstellung des Plans hat. Versäumt der Planvorleger die Einbeziehung dieser Beteiligten, so können die Beteiligten dieses Versäumnis sowie die ihnen wichtigen Gesichtspunkte in Stellungnahmen bzw dem Erörterungstermin zur Sprache bringen (§§ 232, 235). Da ihnen hiermit eine Einflussmöglichkeit gewahrt bleibt, § 218 III aber gerade nicht die Berücksichtigung ihrer Vorstellungen garantiert, und Schuldner und Gläubiger zudem noch als solche abstimmen können, rechtfertigt ein Verstoß gegen diese Vorschrift keine Versagung.63 c) Vorschriften über die Zurückweisung (§ 231). War eine Zurückweisung entgegen 38 § 231 I S 1 Nr 1 unterblieben, so ist nunmehr gem § 250 Nr 1 die Bestätigung zu versagen.64 Unterlässt es das Insolvenzgericht entgegen § 231 I, einen Insolvenzplan von Amts wegen zurückzuweisen, so entfaltet diese fehlerhafte Entscheidung keine Bindungswirkung.65 Im Gegenzug begründet die Missachtung des § 231 I S 1 Nr 1 keinen eigenen Versagungsgrund neben dem Grund, der schon in der Vorprüfung zur Zurückweisung des Plans hätte führen müssen und auch einen Versagungsgrund iSd § 250 darstellt.66 § 231 I S 1 Nr 2 ist in dem Stadium, in dem über eine Versagung der Bestätigung zu entscheiden ist, nicht mehr relevant, da offenbar die Annahme durch die Beteiligten stattgefunden hat und die Frage der Bestätigung durch das Insolvenzgericht gerade beantwortet wird, sodass die von § 231 I S 1 Nr 2 geforderte Prognose der Bestätigung keinen Mehrwert mehr bringt. Ein Verstoß gegen § 231 I S 1 Nr 3, weil im Schuldnerplan vorgesehene Ansprüche offensichtlich nicht erfüllt werden können, berechtigt nicht zur Versagung der Bestätigung, da die Beteiligten offenbar dem Plan dennoch zugestimmt haben. Ein Verstoß gegen die Zweiwochenfrist des § 231 I S 2 ist unbeachtlich. Dies zeigt schon das „Soll“; es ist aber auch der Sache nach gerechtfertigt, da eine Versagung der Bestätigung nur wegen einer Verzögerung in der Sphäre des Gerichts die von der Frist intendierte Beschleunigung ins Gegenteil umkehren und die unerwünschte Verzögerung noch vertiefen würde. Eine Missachtung von § 231 II, wonach ein erneuter Schuldnerplan auf Antrag des Verwalters mit Zustimmung des Gläubigerausschusses zurückgewiesen werden muss, erscheint nicht so wesentlich, dass sie die Versagung der Bestätigung rechtfertigen könnte, zumal ja die Gläubiger, deren Interessen der Insolvenzverwalter mit seinem Antrag nach dieser Vorschrift wahrnehmen wollte, zugestimmt haben. d) Stellungnahmen (§ 232). Holt das Gericht keine oder nicht alle erforderlichen Stel- 39 lungnahmen ein oder gibt es nicht sachkundigen Stellen eine Gelegenheit zur Äußerung, so kann dies zwar Einfluss auf das Abstimmungsergebnis und die Zustimmung des Schuldners gehabt haben. Die letzte Verantwortung für seine Entscheidung trägt aber stets der Stimmberechtigte selbst; ihm steht es auch frei, sich aus anderen oder weiteren Quellen zu informieren. Verstöße gegen § 232 sind daher unbeachtlich.67

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IE ebenso BeckOK/v Geiwitz/Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 250 Rn 8; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 250 Rn 8; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 12; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 19; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 8. AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 11.

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BGHZ 214, 78 = NJW 2017, 2280, 2281 Rn 14–16; dazu schon oben Rn 6. AA offenbar MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 20. HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 9: „regelmäßig“; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 12; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250

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40

e) Niederlegung (§ 234). Ohne Niederlegung ist es für die Beteiligten schwieriger, sich im Vorfeld der Erörterung und Abstimmung über den Planinhalt zu informieren. Da sie aber gem § 235 III S 2 jedenfalls über den wesentlichen Planinhalt informiert werden, ist eine Missachtung der Vorschriften über die Niederlegung unbeachtlich.68

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f) Erörterung (§§ 235 ff). Die Erörterung des Plans und des Stimmrechts der Beteiligten sind wesentliche Elemente des Planverfahrens. Ihr Fehlen ist stets ein beachtlicher Mangel, der nicht behoben werden kann. Auch eine Erörterung, die zu wenig Zeit für eine geordnete Willensbildung lässt, stellt einen wesentlichen Verfahrensverstoß dar; allerdings kann bei einer sich abzeichnenden Mehrheit auf eine weitere Erörterung verzichtet werden.69 Verstöße gegen die Vorschriften über die Terminsbestimmung (§ 235 I S 2, 3) sind hingegen unbeachtlich,70 solange sie nicht den Erörterungstermin vor den Prüfungstermin setzen (§ 236 S 1).71 Beachtlich sind hingegen wieder ein Unterlassen von Bekanntmachung oder Ladung (§ 235 II S 1, III S 1, 3–4), da diese zur Wahrnehmung der Beteiligungsrechte von erheblicher Bedeutung sind und die Beteiligten auf die Einhaltung dieser Verfahrensregeln vertrauen können.72 Eine Behebung des Mangels nach Durchführung der Termine ist ausgeschlossen; hat sich aber der Mangel nicht ausgewirkt, etwa weil der Beteiligte trotz fehlerhafter Ladung am Termin teilgenommen hat, scheidet eine Versagung aus.73 Sind nur Hinweise unterblieben (§ 235 II S 2) oder Anlagen nicht beigefügt (§ 235 III S 2), kommt es darauf an, ob die Beteiligungsrechte dennoch sinnvoll wahrgenommen werden konnten.74 Dies wird man im Regelfall annehmen können.75

42

g) Abstimmung (§§ 235 ff). Zentrales Element des Planverfahrens ist die Abstimmung über den Plan. Die Abstimmung überhaupt und die Abstimmung in Gruppen (§ 243) ist unverzichtbar;76 zur Wahrnehmung der Beteiligungsrechte gilt dies auch für Bekanntmachung und Ladung (§ 235 II S 1, III S 1, 3–4; § 241 II)77 sowie für den fehlenden Hin-

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72

Rn 2: „idR“; aA MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 21, wenn nicht alle Beteiligten den Plan anderweitig erhalten haben. AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 11; HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 8 und MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 22, wenn nicht alle Beteiligten den Plan anderweitig erhalten haben; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 7: „in aller Regel“; differenzierend Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 19. BGH NZI 2010, 734, 736 f Rn 34 ff; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 7. MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 23. HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 8; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 7: „in aller Regel“; aA MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 30; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 21. BGH ZInsO 2011, 280; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 4, 7; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 250 Rn 11; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 250 Rn 23; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 7: „in aller Re-

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gel“; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 21; unentschieden Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 4. Eine vom Gesetz nicht geforderte Zusendung des Insolvenzplans ist bei Veröffentlichung des Erörterungs- und Abstimmungstermins und Niederlegung des Plans hingegen nicht erforderlich, vgl LG Hannover ZInsO 2003, 719. BGH NZI 2007, 521 Rn 6; FK/Jaffé InsO9 § 250 Rn 8; HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 21. Vgl zu § 235 III S 2 OLG Dresden NZI 2000, 436, 436 f. Ähnlich MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 23; wohl aA für die Übereinstimmung von Plan und Zusammenfassung K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 250 Rn 4. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 7; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 27; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 26; einschränkend Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 7: „in aller Regel“. MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 25; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 24.

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weis auf die Frist zur schriftlichen Stimmabgabe (§ 242 II S 2 Hs 2).78 Ebenfalls einen wesentlichen Verfahrensfehler stellen fehlerhafte Berechnungen der Kopf- und Summenmehrheit, Fehler in der Auszählung oder das Übersehen schriftlicher Stimmabgaben dar.79 Eine nachträgliche Behebung eventueller Mängel nach durchgeführter Abstimmung kommt hier idR nicht in Betracht. Lediglich kleinere Mängel der Terminierung, Bekanntmachung und Ladung sind unbeachtlich (§ 235 I S 2, 3, II S 2, III S 2, § 241 I S 2). Findet ein gesonderter Abstimmungstermin statt, begründet das Unterlassen einer Zusendung von Stimmzetteln oder einer Mitteilung des Stimmrechts (§ 242 II S 1) keinen beachtlichen Mangel, wenn korrekt geladen bzw. bekanntgemacht wurde (§ 241 II). Beachtlich und nicht behebbar ist es, wenn das Gericht fristgerechte schriftliche Stimmabgaben unberücksichtigt lässt oder ihre Berücksichtigung als verspätet ausschließt, falls der Hinweis gem § 242 II S 2 Hs 2 unterblieben ist.80 Verfahrensrechtliche Vorschriften über die Stimmrechte enthalten die §§ 237–238a. 43 Allerdings verweist § 237 I S 1 für die Stimmrechtsfestsetzung auf § 77 I S 1, II und III Nr 1. § 238 I S 2 entspricht § 77 I S 1, § 238 I S 3 verweist auf § 41 sowie auf § 77 II und III Nr 1. Über das Stimmrecht der Insolvenzgläubiger und der absonderungsberechtigten Gläubiger entscheiden damit in erster Linie diese Gläubiger durch Nichtbestreiten oder Einigung, in zweiter Linie das Insolvenzgericht, wobei die Entscheidung vor der Abstimmung zu treffen ist. Könnte das Insolvenzgericht im Rahmen des § 250 Nr 1 diese Entscheidung nochmals überprüfen, würde dies die Regeln über die Stimmrechtsfestsetzung stark entwerten. Jedenfalls die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Stimmrechtsfestsetzung ist daher als abschließend anzusehen.81 Fraglich ist, ob in den Fällen, in denen das Insolvenzgericht nicht entscheiden musste, eine Überprüfung der Stimmrechte nach § 250 Nr 1 stattzufinden hat. Bejahte man dies, könnte sich das Insolvenzgericht über die einstimmige Gläubigerentscheidung in Gestalt eines Nichtbestreitens oder einer Einigung hinwegsetzen. Da jeder einzelne Gläubiger durch Bestreiten eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen kann, erscheint eine nochmalige Überprüfung verzichtbar. Der Schutz des einzelnen Gläubigers gebietet eine nochmalige Überprüfung mithin nicht; der Grundsatz der Verfahrensökonomie und der Gläubigerautonomie sprechen gegen eine nochmalige Überprüfung. Man wird also annehmen müssen, dass die Stimmrechte der Insolvenzgläubiger und der absonderungsberechtigten Gläubiger nicht nochmals im Rahmen des § 250 Nr 1 zu prüfen sind.82 Keinen vergleichbaren Mechanismus sieht indes § 238a für die Stimmrechte der An- 44 teilsinhaber vor. Hier erfolgt die Feststellung allein durch das Insolvenzgericht. Auch wenn man § 77 II S 3 entsprechend heranziehen will (§ 238a Rn 12), kann man hier eine Kontrolle im Rahmen des § 250 Nr 1 nicht ausschließen. h) Anhörung vor der Bestätigung (§§ 248 II, 248a II). Eine unterlassene Anhörung vor 45 der Bestätigung des Plans (§ 248 II) bzw einer Planberichtigung (§ 248a II) stellt für sich

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MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 26. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 24. HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 8; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 11; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 25. BGH ZIP 2011, 781, 782 Rn 7; NZI 2009, 106, 107 Rn 8 ff; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 4. Vgl LG Berlin ZInsO 2005, 609, 611 f; Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 4; FK/

Jaffé InsO9 § 250 Rn 7; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 8; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 31; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 7; enger (Unanfechtbarkeit nur bei gerichtlicher Festsetzung) K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 250 Rn 4; aA HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 5, 8; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 13.

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§ 250

Sechster Teil. Insolvenzplan

genommen keinen wesentlichen Verfahrensfehler dar (sa § 248 Rn 18, § 248a Rn 13).83 Ein wesentlicher Verfahrensfehler kann aber durch die Verletzung einer anderen Vorschrift begründet werden, die das Gericht durch die in der Anhörung gewonnen Erkenntnisse hätte vermeiden können. 4. Annahme durch die Beteiligten (Nr 1 Fall 3)

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Die Annahme durch die Beteiligten (§§ 244–246a) ist ohnehin gem § 248 I Voraussetzung der Planbestätigung. § 250 Nr 1 kommt insofern für die Prüfung durch das Insolvenzgericht keine eigenständige Bedeutung zu;84 Verstöße gegen die §§ 244–246a sind stets wesentlich.85 Immerhin stellt die Nennung der Annahme aber klar, dass das Gericht nicht nur auf den äußeren Tatbestand einer Annahme hin den Plan bestätigen darf, sondern sich vergewissern muss, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Zustimmung oder ihrer Fiktion vorliegen. Im Übrigen kann Nr 1 Fall 3 im Rahmen des Beschwerdeverfahrens relevant werden, da die Beschwerde auch allein auf eine Verletzung des § 250 gestützt werden kann.86 5. Zustimmung des Schuldners (Nr 1 Fall 4)

47

Hat der Schuldner dem Plan rechtzeitig widersprochen (vgl § 247 I), so kann dies das Insolvenzgericht bis zur Bestätigung auch dann berücksichtigen, wenn es den Widerspruch zunächst übersehen hatte. Die Voraussetzungen der Fiktion (§ 247 I) und die Unbeachtlichkeit eines Widerspruchs (§ 247 II) stellt das Insolvenzgericht vor der Bestätigung ohne Bindung an frühere Äußerungen ohnehin fest (§ 248 I);87 ein Verstoß gegen §§ 247, 248 ist stets wesentlich.88 Die Nennung der Zustimmung durch den Schuldner ist mithin für die Prüfung durch das Insolvenzgericht ohne eigene Bedeutung;89 Nr 1 Fall 4 kann aber wiederum im Rahmen des Beschwerdeverfahrens relevant werden, da die Beschwerde auch allein auf eine Verletzung des § 250 gestützt werden kann.90

III. Unlautere Planannahme (Nr 2) 1. Planannahme

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Nr 2 betrifft die unlautere Herbeiführung der Annahme des Plans. Annahme des Plans definiert § 248 I Var 1 als die Fälle der Zustimmung (§ 244) oder der Zustimmungsfiktionen (§§ 245–246a) durch die Beteiligten, mithin Gläubiger, Anteilsinhaber und Schuldner.

83 84

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 28. Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 5; Derksen Unternehmenssanierung S 137; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 27. Vgl LG Göttingen NZI 2005, 41, 42; explizit wie hier Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 8. BGH NZI 2010, 734, 736 Rn 23. Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 5; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250

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Rn 10; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 27. Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 9. Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 5; Derksen Unternehmenssanierung S 137; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 27. BGH NZI 2010, 734, 736 Rn 23.

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Verstoß gegen Verfahrensvorschriften

§ 250

2. Unlautere Herbeiführung Unlauter ist die Herbeiführung der Annahme, wenn die Zustimmung eines Stimmbe- 49 rechtigten in der Abstimmung oder sein – gemeinsam mit dem Fernbleiben der anderen Gruppenangehörigen zur Zustimmungsfiktion führendes – Fernbleiben (§ 246 Nr 2, § 246a) auf eine rechtlich missbilligte Einflussnahme zurückgehen. Die rechtliche Missbilligung wird vielfach als ein Verhalten beschrieben, das gegen Treu und Glauben verstößt.91 Der hierbei oft mitzitierte § 242 BGB92 passt zwar nicht unmittelbar, da es sicherlich nicht um das Bewirken einer Leistung, ja vielfach nicht einmal um eine schuldrechtliche Sonderbeziehung geht. Sieht man in § 242 BGB aber das allgemeine Rechtsprinzip von Treu und Glauben verankert, ist gegen sein Zitat nichts einzuwenden. Treuwidrig in diesem Sinne ist jedenfalls eine Einflussnahme, die mit ausdrücklichen Regeln oder den Zwecken des Insolvenzrechts im Widerspruch steht. Diese Einflussnahme muss die Annahme herbeigeführt haben; sie muss mithin kausal für die Annahme des Plans geworden sein.93 Als Beispiel für ein unlauteres Verhalten nennt Nr 2 die „Begünstigung eines Beteilig- 50 ten“. Begünstigung ist die nicht im Plan vorgesehene Vorteilsgewährung iSd § 226 III, etwa ein zunächst unentdeckter Stimmenkauf94 oder der Erwerb einer Insolvenzforderung bzw Beteiligtenstellung für einen über der Quote liegenden Preis, um eine Abstimmungsmehrheit zu erreichen.95 Eine solche Vorteilsgewährung ist insolvenzrechtswidrig, wie § 226 III deutlich macht. Auch eine durch die Annahme des Plans aufschiebend bedingte Begünstigung ist unlauter.96 Darauf, ob die Begünstigung offengelegt wurde oder nicht, kommt es nicht an; allerdings können die übrigen Beteiligten einer Ungleichbehandlung durch ihre Zustimmung gem § 226 II die Unlauterkeit nehmen.97 Unlauter ist darüber hinaus ein Verhalten, das durch Täuschung über wesentliche Ent- 51 scheidungsgrundlagen, insbesondere die Vermögensverhältnisse des Schuldners,98 oder Drohung99 sowie durch unmittelbaren Zwang100, etwa das Einsperren kritischer Anteilseigner am Datum des Abstimmungstermins, erreicht wurde. Auch sonstige Manipulationen, wie die Anerkennung erfundener Forderungen101 oder die Verheimlichung von Ver91

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OLG Dresden NZI 2000, 436, 437; LG Berlin ZInsO 2005, 609, 612; LG Wuppertal NZI 2016, 494, 495; BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 250 Rn 9; BK/Flöther InsO64 § 250 Rn 23; Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 8; FK/ Jaffé InsO9 § 250 Rn 11; HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 11; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 10; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 44; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 30; diese Ansicht referierend, aber ohne ausdrückliche Übernahme, BGHZ 162, 283, 289 = NZI 2005, 325, 327. ZB BGHZ 162, 283, 289 = NZI 2005, 325, 327; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 44. BGHZ 162, 283, 293 = NZI 2005, 325, 328; OLG Dresden NZI 2000, 436, 437; LG Berlin ZInsO 2005, 609, 612; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 11; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 15. Begr DiskE (S B259), RefE (S 296), RegE (BT-Drucks 12/2443, S 211); FK/Jaffé InsO9 § 250 Rn 12.

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BGHZ 162, 283, 290 = NZI 2005, 325, 327; zust MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 52; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 17. BGHZ 162, 283, 293 = NZI 2005, 325, 328; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 53. BGHZ 162, 283, 290 = NZI 2005, 325, 327; Frind NZI 2007, 374, 376; aA Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 13: „geschuldet ist nur Offenheit“. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 11. Smid DZWIR 2005, 234, 236; HambK/ Thies InsO6 § 250 Rn 13; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 48. FK/Jaffé InsO9 § 250 Rn 12. BK/Flöther InsO64 § 250 Rn 23; HambK/ Thies InsO6 § 250 Rn 13; HK/Haas InsO9 § 250 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 17; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 30.

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§ 250

Sechster Teil. Insolvenzplan

mögenswerten,102 sind als unlauter anzusehen; werden insoweit im darstellenden Teil des Plans falsche oder unvollständige Angaben gemacht, liegt zugleich ein wesentlicher Inhaltsmangel in Gestalt eines Verstoßes gegen § 220 II vor. Kein gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten liegt vor, wenn ein Beteiligter, ein Dritter oder insbesondere der Insolvenzverwalter sein Verhalten in einer kontroversen Rechtsfrage auf eine Rechtsansicht stützt, die für einzelne Beteiligte nachteilig ist;103 dies gilt bis zur Grenze der Unvertretbarkeit auch dann, wenn es sich um eine Mindermeinung oder eine bisher gar nicht geäußerte Meinung handelt. 52 Umstritten ist, ob die taktische Ausnutzung rechtlicher Möglichkeiten zu Unlauterkeit führt. Dies gilt insbesondere für das Aufspalten einer Forderung, um eine Kopfmehrheit zu erreichen. Richtigerweise sind hier die rechtlichen Möglichkeiten nach den allgemeinen Regeln nicht zu beschränken, wohl aber ihre Auswirkungen auf das Insolvenzplanverfahren, sofern die in Rede stehende Maßnahme nach Eintritt der Insolvenzreife stattfand. Dementsprechend ist die Aufspaltung einer Insolvenzforderung als solche zulässig und wirksam; erfolgt sie indes nach Eintritt des Eröffnungsgrunds, führt sie nicht zu einer Vermehrung der Kopfzahl, sodass sich die mehreren Gläubiger auf eine einheitliche Stimmabgabe einigen müssen, die dann nur als eine Kopfstimme gezählt wird.104 53 Die Person, um deren Verhalten es geht, ist unerheblich. Das unlautere Verhalten kann also dem Schuldner, dem Insolvenzverwalter, einem Beteiligten oder einem Dritten vorzuwerfen sein.105 Nicht iSd Nr 2 treuwidrig verhalten kann sich das Gericht selbst;106 gerichtliche Fehler bei der Tatsachenfeststellung, der Bestimmung der Rechtslage und der Rechtsanwendung können im Instanzenzug und notfalls mit Verfassungsbeschwerde korrigiert werden. 54 An der Kausalität fehlt es nur dann, wenn die Einflussnahme keinerlei Einfluss auf das Abstimmungsergebnis haben konnte, etwa weil der Plan auch ohne – richtigerweise: gegen107 – die gekauften Stimmen angenommen worden wäre108 und das Abstimmungsverhalten der übrigen Stimmberechtigten nicht durch die gekauften Stimmen beeinflusst war, etwa weil die Stimmabgabe eine Vorbildwirkung hatte.

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LG Wuppertal NZI 2016, 494, 495; BK/ Flöther InsO64 § 250 Rn 23; HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 13; HK/Haas InsO9 § 250 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 17; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 30. Vgl OLG Dresden NZI 2000, 436, 437. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 12; aA BK/Flöther InsO64 § 250 Rn 23; FK/Jaffé InsO9 § 250 Rn 12; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 250 Rn 17; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 250 Rn 47. BGHZ 162, 283, 292 f = NZI 2005, 325, 328; Braun/Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 8; HambK/Thies InsO6 § 250 Rn 12; K Schmidt/

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Spliedt InsO19 § 250 Rn 14; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 15; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 44, 54 ff; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 11; einschränkend Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 30; HK/Haas InsO9 § 250 Rn 6: keine Unlauterkeit durch das Verhalten am Verfahren nicht beteiligter Dritter. Vgl OLG Dresden NZI 2000, 436, 437. Näher K Schmidt/Spliedt InsO19 § 250 Rn 16; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 59 aE. BGHZ 162, 283, 293 f = NZI 2005, 325, 328; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 250 Rn 8 aE.

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Minderheitenschutz

§ 251

IV. Gerichtliche Prüfung und Entscheidung Die Versagung erfolgt in den Fällen des § 250 von Amts wegen, also ohne dass ein da- 55 hingehender Antrag notwendig wäre.109 Eine Disposition über die Anwendung des § 250 ist auch bei Einstimmigkeit ausgeschlossen.110 Die Entscheidung erfolgt im Rahmen der einheitlichen Entscheidung über die Planbestätigung (§ 248 I) durch Beschluss, der für den gesamten Insolvenzplan gilt; eine teilweise Versagung unter Bestätigung des fehlerfreien Teils ist ausgeschlossen.111 Das Gericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 250 von Amts wegen zu prü- 56 fen (§ 5 I) und kann hierzu auch schriftliche oder eidesstattliche Auskünfte der Beteiligten einholen.112 Es muss allerdings nicht von sich aus ohne jede Anhaltspunkte in eine bestimmte Richtung Ermittlungen anstellen.113 Vielmehr darf es sich im Hinblick auf Nr 1 mit einer nochmaligen Durchsicht seiner Akten begnügen, im Hinblick auf Nr 2 von einer lauteren Herbeiführung ausgehen, wenn ihm nicht Umstände bekanntgeworden sind, die hieran Zweifel erwecken. Beweismaß ist die volle richterliche Überzeugung. Kann sich das Gericht nicht vom Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Versagungsgrunds überzeugen, hat es den Plan zu bestätigen.114 Sind die Voraussetzungen des § 248 I gegeben und liegt kein Versagungsgrund gem 57 §§ 248a III, 249, 250 und – bei entsprechendem Antrag115 – § 251 vor, so hat das Gericht den Plan zu bestätigen. Es hat insbesondere keine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorzunehmen.116 Auch ein Ermessen steht ihm nicht zu.117

§ 251 Minderheitenschutz (1) Auf Antrag eines Gläubigers oder, wenn der Schuldner keine natürliche Person ist, einer am Schuldner beteiligten Person ist die Bestätigung des Insolvenzplans zu versagen, wenn

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BK/Flöther InsO64 § 250 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 250 Rn 2; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 61; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 1. FK/Jaffé InsO9 § 250 Rn 1; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 250 Rn 61; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 2. MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 61; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 2. AG Duisburg NZI 2002, 502, 503; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 250 Rn 9; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 2. Strenger wohl Smid WM 2002, 1033, 1037: das Gericht müsse „umfassend ermitteln“ und dürfte „nicht auf verfahrensrechtliche Darlegungslasten der Beteiligten verweisen“.

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AG Duisburg NZI 2002, 502, 503; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 60; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 2, 11. MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 37. Smid DZWIR 2005, 234, 236; HK/Haas InsO9 § 250 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 250 Rn 6; Leonhardt/Smid/ Zeuner/Rattunde, InsO3 § 250 Rn 16; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 2, 5; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan4 Rn 17.18. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 14. BGH NJW-RR 2018, 817, 818 Rn 14; Smid DZWIR 2005, 234, 236; FK/Jaffé InsO9 § 250 Rn 1; MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 2, 61; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 250 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 250 Rn 3.

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§ 251

Sechster Teil. Insolvenzplan

1. der Antragsteller dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen hat und 2. der Antragsteller durch den Plan voraussichtlich schlechtergestellt wird, als er ohne einen Plan stünde. (2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller spätestens im Abstimmungstermin glaubhaft macht, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechtergestellt wird. (3) 1Der Antrag ist abzuweisen, wenn im gestaltenden Teil des Plans Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Beteiligter eine Schlechterstellung nachweist. 2Ob der Beteiligte einen Ausgleich aus diesen Mitteln erhält, ist außerhalb des Insolvenzverfahrens zu klären. Materialien: DiskE § 287 (S 145); RefE § 287 (S 166 f); RegE § 298 (BT-Drucks 12/2443, S 56); Rechtsausschuss § 298 (BT-Drucks 12/7302, S 107 f); RegE ESUG § 251 nF (BT-Drucks 17/5712, S 10 f). Vorgängerregelungen: Keine. Literatur Eidenmüller Prognoseentscheidungen im Insolvenzplanverfahren: Verfahrenslähmung durch Minderheitenschutz? NJW 1999, 1837; ders Der Insolvenzplan als gesellschaftsrechtliches Universalwerkzeug, NJW 2014, 17; Florstedt Die Schranken der Majorisierung von Gläubigern, RIW 2013, 583; Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004); Heinrich Insolvenzplan „reloaded“ – Zu den Änderungen im Insolvenzplanverfahren durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, NZI 2012, 235; Jungmann Schlechterstellungsverbote im Insolvenzplanverfahren – Zum Verhältnis und Verständnis der §§ 245 und 251 InsO – KTS 2006, 135; Lehmann/Rühle Die Ausgleichsmittel gem. § 251 III InsO inner- und außerhalb des Insolvenzverfahrens, NZI 2015, 151; Madaus Die Rechtsbehelfe gegen die Planbestätigung nach dem ESUG, NZI 2012, 597; ders Der Insolvenzplan (2011); Schröder Rechtlos im Insolvenzplanverfahren? Über den mangelnden Rechtsschutz nachrangiger Gläubiger bei Streit über den zu erwartenden Übererlös, ZInsO 2014, 2069; Smid Salvatorische Klauseln als Instrument zur Abwehr von Widersprüchen gegen den Insolvenzplan, ZInsO 1998, 347; ders Zu Fragen von Rechtsmitteln und rechtsbeschwerdegerichtlichen Entscheidungen im Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2014, 1873; Stürner Aufstellung und Bestätigung des Insolvenzplans, Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S 41; Thorwart/Schauer § 251 InsO – effektiver Minderheitenschutz oder unüberwindbare Hürde? NZI 2011, 574; von Spee Gesellschafter im Reorganisationsverfahren (2014).

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . II. Normzwecke . . . . . . . . . . . . III. Versagung der Bestätigung . . . . 1. Formelle Voraussetzungen . . . a) Antrag (Abs 1) . . . . . . . aa) Antragserfordernis . . . bb) Antragsberechtigung . . cc) Form . . . . . . . . . . dd) Zeitpunkt . . . . . . . . ee) Versagungsantrag und Abstimmungsverhalten b) Widerspruch (Abs 1 Nr 1) . aa) Einordnung . . . . . . . bb) Inhalt . . . . . . . . . .

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Rn. 1 1 2 5 7 7 7 7 8 9 10

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cc) Form . . . . . . . . . . . . . dd) Zeitpunkt . . . . . . . . . . . ee) Widerspruch und Abstimmungsverhalten . . . . ff) Ausnahmsweise Entbehrlichkeit des Widerspruchs? . . . . c) Glaubhaftmachung einer voraussichtlichen Schlechterstellung (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einordnung . . . . . . . . . . bb) Glaubhaftmachung . . . . . . cc) Verfahrensfragen . . . . . . . dd) Voraussichtliche Schlechterstellung . . . . . . . . . . . . ee) Ausgleichsmittel . . . . . . . ff) Zeitpunkt . . . . . . . . . . .

Rn. 16 18 21 23

25 25 27 28 30 33 34

Minderheitenschutz

2. Materielle Voraussetzungen . . . . . a) Voraussichtliche Schlechterstellung (Abs 1 Nr 2) . . . . . . . aa) Prüfungsinhalt . . . . . . . . bb) Beweismaß . . . . . . . . . . cc) Prüfungsumfang . . . . . . . dd) Beweismittel . . . . . . . . . ee) Feststellungslast . . . . . . . b) Keine Bereitstellung von Mitteln (Abs 3 S 1) . . . . . . . . . . . . aa) Einordnung . . . . . . . . . . bb) Prüfungsprogramm . . . . . cc) Bereitstellung von Ausgleichsmitteln im Plan . . . . . . . . dd) Höhe der bereitgestellten Mittel . . . . . . . . . . . . .

Rn. 35 35 35 36 37 38 39 40 40 42 44 49

§ 251 Rn.

ee) Sicherheit der bereitgestellten Mittel . . . . . . . . . . . . . ff) Beweismaß, Prüfungsumfang, Beweismittel, Feststellungslast 3. Gerichtliche Prüfung und Entscheidung a) Gebundene Entscheidung über die Planbestätigung . . . . . . . . b) Planbestätigung . . . . . . . . . . c) Versagung der Planbestätigung . . aa) Wegen eines von Amts wegen zu prüfenden Grundes bb) Wegen des Versagungsantrags IV. Anderweitiger Ausgleich (Abs 3) . . . . 1. Anspruch auf Ausgleichsmittel . . . . 2. Nachweis der Schlechterstellung . . . 3. Ausgleichsklage . . . . . . . . . . . .

50 52 53 53 54 56 56 57 59 60 63 67

Alphabetische Übersicht Amtsermittlungsgrundsatz 26, 37, 39, 52 Ansprüche gegen Dritte 32 Ausgleichsklage 55, 64, 67 ff Beschluss 53 f Bessere Beschäftigung 32 Beweiserhebung im Termin 29 Beweismaß 27, 36, 52, 69 Blockade 6 Doppelte Prognose 30 Eigene Ansprüche 32 Freigabe 6 Gegenglaubhaftmachung 28 Gruppenbezogener Minderheitenschutz 5 Individueller Minderheitenschutz 5 Nachholung der Glaubhaftmachung 27 Obliegenheit 15 Planänderung 6, 11, 20, 34

Prozesshandlung 14, 24 Rechtsschutzinteresse 56 Restschuldbefreiung 32 Salvatorische Klausel 40 f Sekundäre Darlegungslast 27 Stimmrecht 8, 12, 21 Teilnahme am Termin 8, 12, 21 Verhandlungsmaxime 26, 69 Verfahrensbeschleunigung 26 Verfassungsrecht 5 Verlust der Aufrechnungsmöglichkeit 32 Vertagung 27 Vollständiger Ausgleich 45, 49 Widerspruch „zu Protokoll“ 16 Wirtschaftliche Betrachtungsweise 30 Zwischenfinanzierung 32

I. Einleitung 1. Überblick Gem § 251 kann ein Gläubiger oder Anteilsinhaber, der durch den Plan voraussichtlich 1 schlechtergestellt wird, durch seinen Antrag eine Versagung der Bestätigung erreichen. Allerdings setzt ein solcher Antrag einen rechtzeitigen Widerspruch (Abs 1 Nr 1) und rechtzeitige Glaubhaftmachung der Schlechterstellung (Abs 2) voraus. Nicht stattzugeben ist dem Antrag zudem, wenn der Plan Mittel für den Fall einer Schlechterstellung vorsieht (Abs 3 S 1); der Streit um den Ausgleich wird aus dem Insolvenzverfahren herausgehalten (Abs 3 S 2). 2. Entstehungsgeschichte Die Regeln über den Zwangsvergleich unter der Konkursordnung sowie den Vergleich 2 der Vergleichsordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung gewährten einem überChristoph Kern

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§ 251

Sechster Teil. Insolvenzplan

stimmten Gläubiger keinen dem § 251 vergleichbaren Minderheitenschutz. Die Konkursordnung sah allerdings eine Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger vor (§ 181 KO); die Vergleichsordnung stellte hohe Anforderungen an die Zustimmung zur Ungleichbehandlung (§ 8 II VglO). Eine Bildung von Gruppen, innerhalb derer ein Überstimmen leichter sein konnte und die mit ihrer Mehrheit eine Zustimmungsfiktion möglich machten, waren Konkurs- und Vergleichsordnung fremd (Münch Vor §§ 217–269 Rn 9). Unter der Gesamtvollstreckungsordnung konnte das Gericht die Bestätigung eines Vergleichs versagen, wenn der Vergleich einen Teil der Gläubiger unangemessen benachteiligte (§ 16 V S 3 Var 2 GesO). 3 Die Entwürfe einer Insolvenzordnung sahen bereits eine Vorschrift vor, die weitgehend den heutigen Abs 1 und 2 entsprach; allerdings war in Abs 2 die Glaubhaftmachung der Schlechterstellung, nicht der voraussichtlichen Schlechterstellung, verlangt und nicht festgehalten, bis wann die Glaubhaftmachung zu erfolgen hatte.1 Der Rechtsausschuss wollte das Antragsrecht auf Gläubiger beschränken2 und setzte sich damit zunächst durch.3 Art 2 Nr 14 EGInsOÄndG4 fügte in Abs 1 Nr 2 das Wort voraussichtlich ein. 4 Das ESUG5 dehnte den Kreis der Antragsberechtigten wie seinerzeit im Regierungsentwurf vorgesehen auf die am Schuldner beteiligten Personen aus. Das Zulässigkeitserfordernis der Glaubhaftmachung in Abs 2 wurde in Angleichung an Abs 1 Nr 2 auf die voraussichtliche Schlechterstellung bezogen und als letztmöglicher Zeitpunkt der Abstimmungstermin festgesetzt. Der Norm neu hinzugefügt wurde Abs 3.

II. Normzwecke 5

§ 251, der von einer ähnlichen Regelung im US Bankruptcy Code6 inspiriert ist, will die vermögensmäßige Position der Insolvenzgläubiger und der Anteilsinhaber im Insolvenzplanverfahren vor einem nicht konsentierten7 Wertverlust schützen, indem er jedem einzelnen von ihnen die Möglichkeit gibt, einen Insolvenzplan zu verhindern, durch den dieser Insolvenzgläubiger oder Anteilsinhaber voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde; dem Beteiligten wird also der Wert garantiert, den seine Stellung im Insolvenzverfahren noch hat8 („individueller Minderheitenschutz“). § 251 geht insoweit über den Schutz vor einer Schlechterstellung in § 245 („gruppenbezogener Minderheitenschutz“) hinaus, da dieser nur die überstimmte Gruppe schützt, die den Plan abgelehnt hat, aber nicht das innerhalb einer Gruppe überstimmte Gruppenmitglied.9 Im Schutzumfang bleibt er allerdings hinter § 245 zurück, da er nur den Wert im Regelverfahren garantiert, nicht aber eine angemessene Beteiligung an dem Wert, der durch den Plan realisiert wird.10

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DiskE § 287 (S 145); RefE § 287 (S 166 f); RegE § 298 (BT-Drucks 12/2443, S 56). BT-Drucks 12/7302, S 107 f. G v 05.10.1994, BGBl I, S 2866. G v 19.12.1998, BGBl I, S 3836. G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582. 11 US Code § 1129(a)(7)(A)(ii); dazu zB In re WR Grace Co, 475 BR 34, 141 ff (Del 2012); vgl Happe Rechtsnatur des Insolvenzplans S 25 ff. Vgl BGH NZI 2007, 409, 410 Rn 7; 2009, 515, 516 Rn 12; Begr RegE § 298 (BT-

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Drucks 12/2443, S 211); Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 251 Rn 1. BGH NZI 2007, 409, 410 Rn 7; 2009, 515, 516 Rn 12; WM 2012, 1640 Rn 6; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 251 Rn 1; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 251 Rn 1; Madaus Insolvenzplan S 312; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 1, 27. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 1. Braun/Braun/Frank InsO7 § 251 Rn 1, 7; HK/Haas InsO9 § 251 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 15; Leh-

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Wäre dies anders, würde das Gruppenprinzip faktisch stark entwertet. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Schutz des Eigentums (Art 14 GG) wird diese Lösung gerecht.11 Dieser individuelle Schutz soll aber das Verfahren nicht übermäßig belasten und nicht 6 dazu führen, dass einzelne die Annahme eines Insolvenzplans mit leichter Hand blockieren können.12 Um das Verfahren zu entlasten und Blockadepotential zu reduzieren, kombiniert die Vorschrift verschiedene Voraussetzungen. Erste Voraussetzung ist ein rechtzeitiger und förmlicher Widerspruch. Hierdurch werden die Beteiligten und das Gericht vorgewarnt; der Planvorleger kann eventuell noch eine Planänderung vornehmen (§ 240). Zweite Voraussetzung ist ein rechtzeitiger und substantiierter Antrag. Das Gericht wird also nicht in jedem Fall mit der Prüfung belastet, ob der Plan einen Beteiligten schlechterstellt, sondern nur dann, wenn ein Beteiligter mit seinem Antrag die Initiative ergreift und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dartut und ggf beweist, dass eine Schlechterstellung zu erwarten ist; das Gericht prüft dann auch nur die Schlechterstellung dieses Beteiligten und hat dank der Glaubhaftmachung schon eine Hilfestellung bei der Sachverhaltsermittlung. Dritte, negative Voraussetzung ist, dass der Plan nicht Ausgleichsmittel für den Fall einer Schlechterstellung bereithält. Damit kann eine Bestätigung des Plans trotz eines Schutzantrags erfolgen („Freigabe“) und die Prüfung der Schlechterstellung in ein separates Verfahren ausgelagert werden.

III. Versagung der Bestätigung 1. Formelle Voraussetzungen a) Antrag (Abs 1) aa) Antragserfordernis. Anders als in den Fällen des § 250 erfolgt die Versagung der 7 Bestätigung im von § 251 geregelten Fall der voraussichtlichen Schlechterstellung eines Beteiligten nur auf dessen Antrag. Ohne einen solchen Antrag ist das Gericht außerhalb von § 245 I Nr 1 und § 248a III und einer auf deren Verletzung gestützten Beschwerde nicht berechtigt oder gar verpflichtet, Feststellungen zur voraussichtlichen Schlechterstellung eines Beteiligten zu treffen (§ 248 Rn 22, § 248a Rn 17 ff, § 250 Rn 57).13 bb) Antragsberechtigung. Den Antrag kann ein Insolvenzgläubiger oder, wenn der 8 Schuldner keine natürliche Person ist, eine am Schuldner beteiligte Person – also ein Anteilsinhaber iSd § 225a – stellen; der Schuldner selbst ist nicht antragsberechtigt.14 Der Insolvenzgläubiger kann auch absonderungsberechtigter Gläubiger oder nachrangiger Insolvenzgläubiger15 sein; keine Insolvenzgläubiger und daher nicht antragsberechtigt sind

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mann/Rühle NZI 2015, 151, 154; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 32; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 251 Rn 6; allg zu den Unterschieden zwischen § 245 und § 251 vgl Smid ZInsO 2014, 1873, 1874. Vgl Braun/Braun/Frank InsO7 § 251 Rn 2; RegE ESUG § 251 nF (BT-Drucks 17/5712, S 34 f); differenzierend FK/Jaffé InsO9 § 251 Rn 7 f.

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Vgl MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 5; Thorwart/Schauer NZI 2011, 574. Braun/Braun/Frank InsO7 § 251 Rn 1; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 2. MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 7. Zur Rechtsstellung nachrangiger Gläubiger eingehend Schröder ZInsO 2014, 2069, 2073 ff.

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Aussonderungsgläubiger und – jedenfalls außerhalb eines Plans bei Masseunzulänglichkeit16 – Massegläubiger.17 Die Antragsberechtigung eines Gläubigers oder Anteilsinhabers setzt nicht voraus, dass dieser stimmberechtigt ist.18 Denn auch derjenige, für den zu Unrecht kein Stimmrecht festgesetzt wurde oder der seine Forderung zu spät angemeldet hat, muss einen Versagungsantrag stellen können, da er aufgrund der Planwirkungen eine Schlechterstellung erleiden kann. Allerdings bedarf es zur Glaubhaftmachung der Schlechterstellung dann auch einer Glaubhaftmachung der Beteiligtenstellung.19 Erst recht keine Voraussetzung ist, dass der Insolvenzgläubiger oder Anteilsinhaber an der Abstimmung teilgenommen hat.20 Auch die Anwesenheit im Termin ist nicht erforderlich.21

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cc) Form. Vorgaben für die Form des Antrags macht § 251 nicht. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antrag schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 4 iVm § 496 ZPO)22 eines jeden Amtsgerichts (§ 129a ZPO)23 sowie mündlich in einem Termin mit Protokollierung (§ 4 iVm §§ 261 II, 160 III Nr 2 ZPO)24 gestellt werden kann. Ein solcher mündlicher Antrag kann auch in Widerspruch und Glaubhaftmachung einer Schlechterstellung liegen; im Zweifel muss das Insolvenzgericht dies durch eine Rückfrage ermitteln bzw. auf die Notwendigkeit eines Antrags hinweisen (§ 4 iVm § 139 I ZPO).

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dd) Zeitpunkt. Einen Zeitpunkt für den Antrag gibt § 251 nicht vor; Abs 2 regelt nur dessen Glaubhaftmachung.25 Da der Antrag so lange zu einer Versagung führen kann, bis das Insolvenzgericht den Plan bestätigt hat, ist spätest möglicher Zeitpunkt die Rechtskraft des Beschlusses, mit dem der Plan bestätigt wird.26 Dass nicht bereits auf die Verkündung des Bestätigungsbeschlusses abzustellen ist, folgt daraus, dass die für Urteile geltende innerprozessuale Bindungswirkung des § 318 ZPO in § 329 I S 2 ZPO für Beschlüsse nicht genannt wird, für Beschlüsse daher erst dann eine Bindungswirkung eintritt, wenn das Ge16

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Zu einem Planverfahren bei Masseunzulänglichkeit krit Jaeger/Windel InsO § 208 Rn 84–88. Derksen Unternehmenssanierung S 139; HK/ Haas InsO9 § 251 Rn 3; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 10. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 1 f; BK/Flöther InsO64 § 251 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 251 Rn 3; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 11; aA FK/Jaffé InsO9 § 251 Rn 9; differenzierend Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 4: der Anteilseigner muss aber stimmberechtigt sein; so auch Heinrich NZI 2012, 235, 241 unter Verweis auf den nicht ins Gesetz übernommenen Passus „soweit deren Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte in den Plan einbezogen sind“. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 4; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 6; sa Rn 23. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 1 f; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 12. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 13.

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 3. HambK/Thies InsO6 § 251 Rn 5; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 12. Nicht erwähnt von Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 3. HambK/Thies InsO6 § 251 Rn 3, 5; aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 4 f; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 8. So Begr DiskE § 287 (S B261/B262); RefE § 287 (S 298 f); RegE § 298 (BT-Drucks 12/ 2443, S 212); BGH NZI 2007, 522 Rn 8; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 2; BK/Flöther InsO64 § 251 Rn 5; aA (spätestens im Abstimmungstermin) HK/Haas InsO9 § 251 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 4; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 11; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 8; wiederum aA (Verkündung der Bestätigungsentscheidung) HambK/ Thies InsO6 § 251 Rn 5; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 5; offen Braun/Braun/Frank InsO7 § 251 Rn 5: jedenfalls auch nach Abstimmungstermin möglich.

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richt instanziell mit der Sache nicht mehr befasst ist.27 Eine sofortige Beschwerde wäre aber beim Insolvenzgericht einzulegen (§ 6 I S 2); das Insolvenzgericht könnte ihr abhelfen (§ 4 iVm § 572 I S 1 ZPO). Daher ist es bis zur Rechtskraft mit der Sache befasst. Auch kann Abs 2 nicht entnommen werden, dass der Antrag spätestens im Abstimmungstermin gestellt werden muss.28 Zwar ist die Glaubhaftmachung einer Schlechterstellung ohne Versagungsantrag unnütz. Eine vorsorgliche Glaubhaftmachung für den Fall eines späteren Antrags erscheint aber immerhin denkbar, mag sie auch praxisfern sein, da das Gericht bei isolierter Glaubhaftmachung auf die Notwendigkeit eines Antrags hinweisen und der Betroffene diesen dann in aller Regel auch sogleich stellen wird. Jedenfalls verbietet es sich aus Gründen der Rechtsklarheit, einer Norm, die wie Abs 2 eine Frist nur für die Glaubhaftmachung vorsieht, eine Frist auch für den Antrag zu entnehmen. Frühest möglicher Zeitpunkt für einen Antrag ist die Vorlage des Plans, da nur dann 11 klar ist, auf welchen Plan sich der Antrag bezieht. Nicht erforderlich ist es hingegen, die Antragstellung wegen der Möglichkeit von Planänderungen erst ab dem Ende des Erörterungstermins zuzulassen.29 Denn eine frühe Antragstellung warnt die Beteiligten und kann gerade Anlass für eine Planänderung sein. Im Falle nachträglicher Planänderung (§ 240) erledigt sich ein bereits gestellter Antrag, sodass ab der Vornahme der Änderungen ein neuer Antrag gestellt werden muss und kann; hierauf muss das Insolvenzgericht den Antragsteller ggf hinweisen (§ 4 iVm § 139 ZPO).30 Nicht vorausgesetzt ist, dass bereits ein Widerspruch erklärt wurde;31 eine solche Reihenfolge mag sich anbieten, findet aber im Gesetz keine Stütze und würde ausschließen, dass bei rechtzeitigem Antrag ein ausdrücklicher Widerspruch entbehrlich sein kann (dazu Rn 23). In der Praxis wird das Insolvenzgericht freilich in eine Prüfung erst dann eintreten, wenn die Beteiligten den Plan angenommen haben und der Schuldner ihm zugestimmt hat, da Feststellungen zur voraussichtlichen Schlechterstellung in aller Regel aufwendiger als die Durchführung der Abstimmung und Feststellung der Zustimmung sind. ee) Versagungsantrag und Abstimmungsverhalten. Anders als § 253 II Nr 2 verlangt 12 § 251 seinem Wortlaut nach nicht, dass der Antragsteller gegen den Plan gestimmt oder auch nur am Abstimmungstermin teilgenommen hat. Ein Stimmrecht und eine Teilnahme an der Abstimmung sind keine Voraussetzung für einen Versagungsantrag (Rn 8). Hat der Antragsteller aber an der Abstimmung teilgenommen, könnte man durchaus 13 annehmen, dass es sich mit einem Versagungsantrag nicht verträgt, wenn er in Abstimmung dem Plan zustimmt oder auch nur sich enthält.32 Gegen diese Position sprechen aber Wortlaut und Systematik. In seinem Wortlaut erwähnt § 251 das Abstimmungsverhalten nicht. Dies erlangt dadurch besonderes Gewicht, dass § 253 II Nr 2 explizit eine Stimmabgabe gegen den Plan verlangt. Zudem kann der Antrag auch schon vor dem Abstimmungstermin gestellt werden. Stimmt der Antragsteller später in der Abstimmung für den Plan oder enthält er sich, wird man diese Stimmabgabe aus Gründen der Rechtssicherheit nicht

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BGHZ 202, 133, 144 = NJW 2014, 2436, 2439 f Rn 30. So aber K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 4; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 11; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 8; HK/ Haas InsO9 § 251 Rn 4. So aber HambK/Thies InsO6 § 251 Rn 4; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 5;

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sa AG Bonn ZInsO 2015, 353 Rn 3: „da nur diesem [scil dem angenommenen] Plan Rechtswirkungen zukommen“. MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 8. AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 4. So K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 4 aE; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 6.

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als unwirksam ansehen können. Ebensowenig kann in einem solchen Stimmverhalten aber eine wirksame Rücknahme des Antrags liegen. Denn zum einen verbietet es die Rechtssicherheit, der Stimmabgabe als Teil des Kollektivakts der Abstimmung zugleich eine weitere, auf das Verfahren außerhalb der Abstimmung bezogene Erklärung zu entnehmen. Zum anderen müsste die Rücknahme als actus contrarius mangels anderer Regelung denselben Formerfordernissen wie der Antrag selbst genügen. Die Abstimmung erfolgt aber nur ausnahmsweise schriftlich (§ 242); die Protokollierung macht aus der Stimmabgabe keine Erklärung zu Protokoll. Liegt jedoch im späteren Abstimmungsverhalten keine Rücknahme des Widerspruchs, erscheint es unstimmig, ein früheres Abstimmungsverhalten für erheblich zu erklären. Daher ist der Versagungsantrag auch möglich, wenn der Gläubiger oder Anteilsinhaber in der Abstimmung für den Plan gestimmt oder sich enthalten hat;33 das Abstimmungsverhalten ist also unerheblich. b) Widerspruch (Abs 1 Nr 1)

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aa) Einordnung. Gem Abs 1 Nr 1 muss der Antragsteller dem Plan widersprochen haben. Dieser Widerspruch ist in Parallele zu § 253 II Nr 1 als Zulässigkeitsvoraussetzung des Versagungsantrags anzusehen.34 Seiner Rechtsnatur nach ist er eine Verfahrenshandlung, für die die Regeln über Prozesshandlungen gelten.35

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bb) Inhalt. Widerspruch ist eine klare und eindeutige, selbständige Äußerung eines Beteiligten gegenüber dem Gericht, dem konkreten Plan entgegenzutreten. Das Widerspruchserfordernis, das auch für die sofortige Beschwerde gilt (§ 253 II Nr 1), soll die anderen Verfahrensbeteiligten vorwarnen, dass ein Beteiligter beabsichtigt, den Plan mit einem Versagungsantrag oder einer Beschwerde zu verhindern. Zugleich will es eine Verzögerung durch solche Beteiligte vermeiden, die sich erst nach dem Termin mit ihrer verfahrensrechtlichen Stellung und mit dem Planinhalt auseinandersetzen und dann eine Schlechterstellung bemerken;36 es schafft also für die Beteiligten eine Obliegenheit bzw verfahrensmäßige Last, den Plan rechtzeitig zu prüfen. Aus dieser Funktion des Widerspruchserfordernisses folgt zum einen, dass der Begriff „Widerspruch“ nicht zwingend verwendet werden muss. Es reicht aus, dass der Wille des Widersprechenden, den konkreten Plan zu verhindern, anders deutlich zutage tritt. Hierzu ist eine von ihm abgegebene Erklärung ggf auszulegen.37 Zum anderen folgt aus der Funktion des Widerspruchserfordernisses, dass dem Widerspruch als solchem keine Begründung beigegeben werden muss. Dennoch kann in der ablehnenden Stimmabgabe eines Beteiligten kein Widerspruch gesehen werden. Denn die Stimmabgabe ist Teil des Kollektivakts der Abstimmung, keine individuelle Äußerung; sie stellt deshalb schon inhaltlich keinen Widerspruch dar.38

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cc) Form. Für den Widerspruch verlangt Nr 1 Schriftform oder Erklärung zu Protokoll. Die Schriftform bestimmt sich nach § 4 iVm §§ 130, 130a ZPO. Der schriftliche Wi33

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 251 Rn 9: sofern im Abstimmungstermin widersprochen wurde; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 12. HambK/Thies InsO6 § 251 Rn 6; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 13. Unklar Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 251 Rn 1 aE: der Widerspruch sei „ein materieller Einwand […] und keine (bloße) Prozesshandlung“. Braun/Braun/Frank InsO7 § 251 Rn 4.

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Bsp: AG Bonn ZInsO 2015, 353, 354. IE wie hier LG Neubrandenburg ZInsO 2000, 628; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 3; BK/Flöther InsO64 § 251 Rn 6, die sogar eine ausdrückliche Widerspruchserklärung verlangen; Braun/Braun/Frank InsO7 § 251 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 251 Rn 6; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 14; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 251 Rn 3.

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derspruch kann durch Übergabe eines Schriftsatzes im Termin erfolgen. Zur Auslegung, ob sich der in dem übergebenen Schriftsatz erklärte Widerspruch auch auf einen nach Verfassen des Schriftsatzes im Termin abgeänderten Plan bezieht, kann auf den Übergabezeitpunkt abgestellt werden.39 Gewisse Unklarheiten bringt die Formulierung „zu Protokoll“. Während früher die Erklärung auch zu Protokoll der Geschäftsstelle ausdrücklich erlaubt war, wurde mit dem ESUG der Zusatz „der Geschäftsstelle“ gestrichen. Der Gesetzgeber wollte die Abläufe vereinfachen und daher allein eine schriftliche Erklärung oder eine Erklärung zum gerichtlichen Terminsprotokoll des Abstimmungstermins zulassen; eine Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle sollte ausgeschlossen sein.40 Die Formulierung „zu Protokoll“ gibt diesen Willen aber in zweierlei Hinsicht nur unvollständig wieder: Zum ersten kann eine Erklärung „zu Protokoll“ durchaus auch eine solche zu Protokoll der Geschäftsstelle sein, da ja ein mündlich erklärter Widerspruch im Termin ohnehin gem § 4 iVm § 160 II zu protokollieren wäre; die Formulierung „zu Protokoll“ ohne „der Geschäftsstelle“ ist unüblich und hat bislang nicht die technische Bedeutung, dass damit nur ein Terminsprotokoll gemeint sein kann. Zum anderen kann zu einem Terminsprotokoll auch in einem anderen Termin, etwa einem separaten Erörterungstermin oder gar einem sonstigen Termin – insbesondere einer Gläubigerversammlung – vor dem Insolvenzgericht eine Erklärung abgegeben werden. Dass aus den Worten „im Abstimmungstermin“ nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch der Gerichtstermin, in dem zu Protokoll erklärt werden kann, zu entnehmen sein soll, ist umso weniger eindeutig, als das „spätestens“ eine Erklärung außerhalb des Abstimmungstermins klar zulässt und nicht erkennbar ist, dass es sich allein auf die schriftliche Erklärung beziehen soll. Sicher ist damit nur, dass die Erklärung im Abstimmungstermin ausreicht. Der unklare Gesetzestext darf aber nicht zum Nachteil des Beteiligten gehen, der dem Plan widersprechen will; denn man kann vom Rechtsunterworfenen nicht das Studium der Gesetzesmaterialien verlangen, um die richtige Form eines Widerspruchs, der ohnehin schon eine hohe Hürde aufstellt, zu bestimmen. Aus Gründen der Rechts(mittel)klarheit41 muss daher ungeachtet des entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers auch die Erklärung in einem anderen Termin und die Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle einschließlich derjenigen vor einem anderen Amtsgericht als formgerecht angesehen werden.42 Sähe man dies anders, wäre jedenfalls zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ein Hinweis des Gerichts geboten, wenn der Widerspruch in einem anderen Termin oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt wird (§ 4 iVm § 139 ZPO). Selbst wenn man entgegen hier vertretener Ansicht (Rn 15) annähme, dass die ableh- 17 nende Stimmabgabe inhaltlich als Widerspruch angesehen werden kann, wäre jedenfalls die Form nicht gewahrt.43 Denn die im Termin abgegebene Stimmabgabe tritt im Terminsprotokoll nur als Stimmabgabe, nicht als darüber hinausreichende Erklärung, deutlich hervor; findet ausnahmsweise eine schriftliche Abstimmung statt (§ 242), so kann dem Stimmzettel ebenfalls nicht mit hinreichender Deutlichkeit eine über die Stimmabgabe hinausreichende schriftliche Erklärung entnommen werden. dd) Zeitpunkt. Wann ein Widerspruch erhoben werden kann, regelt Nr 1 nur hinsicht- 18 lich des Endzeitpunkts, indem er einen Widerspruch „spätestens im Abstimmungstermin“ 39 40 41 42

AG Bonn ZInsO 2015, 353, 354. Begr RegE ESUG § 251 nF (BT-Drucks 17/ 5712, S 35). BGHZ 202, 133, 138 = NJW 2014, 2436, 2437 f Rn 14 mwN. AA unter Hinweis auf das ESUG FK/Jaffé InsO9 § 251 Rn 12; HambK/Thies InsO6

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§ 251 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 6; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 12, 15; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 251 Rn 18. Insb auf die Form abstellend Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 6; Smid ZInsO 2014, 1873, 1874.

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verlangt. Dies ist so zu verstehen, dass der Widerspruch bis zum tatsächlichen Schluss des Termins und mithin auch noch nach der Abstimmung, aber jedenfalls vor der Entscheidung über die Bestätigung oder deren Versagung erhoben werden kann. Ein schriftlicher Widerspruch muss bis zu diesem Zeitpunkt bei normalem Lauf der Dinge den Insolvenzrichter erreicht haben; der Eingang bei Gericht genügt nicht. 19 Auch wenn der von § 253 II Nr 1 verlangte Widerspruch und der von Abs 1 Nr 1 verlangte Widerspruch ein und dasselbe Verhalten bezeichnen, findet § 253 III, wonach die Beschwerde bei unterlassenem Hinweis auf die Notwendigkeit eines Widerspruchs auch ohne einen solchen zulässig ist, bei § 251 keine analoge Anwendung.44 Denn die Entscheidung über die Bestätigung soll, wie § 252 I nahelegt, zeitnah erfolgen; sie kann dann immer noch mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden.45 20 Ab wann der Widerspruch möglich ist, sagt Nr 1 hingegen nicht. Da er sich auf einen konkreten Plan beziehen muss, weil ohne Gefahr einer Schlechterstellung das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, ist frühest möglicher Zeitpunkt wieder die Vorlage des Plans;46 im Falle einer nachträglichen Änderung der Zeitpunkt, in dem die Änderungen ins Verfahren eingebracht sind. Den Widerspruch erst ab dem Zeitpunkt zuzulassen, ab dem feststeht, dass keine Planänderungen mehr vorgenommen werden,47 schränkt die Widerspruchsmöglichkeit ohne Not ein; ein frühzeitiger Widerspruch kann im Gegenteil helfen, durch Planänderungen zu einem Plan zu kommen, der die besten Aussichten auf eine Annahme hat und mit möglichst wenigen Versagungsanträgen angegriffen wird.

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ee) Widerspruch und Abstimmungsverhalten. Setzt der Antrag kein Stimmrecht, keine Teilnahme an der Abstimmung und keine Anwesenheit im Abstimmungstermin voraus, kann für den Widerspruch nichts anderes gelten. Dies entspricht denn auch nahezu einhelliger Meinung für das Stimmrecht48 und die Teilnahme am Termin;49 ein – rechtzeitiger, also idR vorheriger – Widerspruch reicht mithin aus. 22 Auch im Hinblick auf das Abstimmungsverhalten sind Versagungsantrag und Widerspruch gleich zu behandeln. Der Widerspruch ist daher ebenso wie ein Versagungsantrag auch möglich, wenn der Gläubiger oder Anteilsinhaber in der Abstimmung für den Plan gestimmt oder sich enthalten hat.50

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ff) Ausnahmsweise Entbehrlichkeit des Widerspruchs? Keinesfalls entbehrlich wird der Widerspruch dadurch, dass der Beteiligte gegen den Plan gestimmt hat (Rn 15, 17). Nicht ganz klar ist aber, ob bei rechtzeitig gestelltem Antrag ein Widerspruch entbehrlich ist. In einem obiter dictum hat der Bundesgerichtshof51 den Ausführungen einer Rechtsbeschwerde zugestimmt, die einen „ausdrücklich erklärten Widerspruch“ für entbehrlich hielt, wenn der Versagungsantrag bereits im Abstimmungstermin gestellt wurde. Denn dann stehe mit Ende des Abstimmungstermins fest, ob der Schuldner (§ 247 I) oder ein Be-

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 5. Ähnlich K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 5. FK/Jaffé InsO9 § 251 Rn 13. So Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 251 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 4; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 15; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 18; offenlassend BGH WM 2017, 1616, 1618 Rn 12.

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Begr RefE § 287 (S 298); Begr RegE § 298 (BT-Drucks 12/2443, S 212); Braun/Braun/ Frank InsO7 § 251 Rn 5; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 6; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 251 Rn 3. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 6; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 251 Rn 3; aA aber Braun/Braun/Frank InsO7 § 251 Rn 5. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 2. BGH NZI 2007, 522 Rn 8.

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teiligter den Plan zu Fall bringen wollen und können (vgl auch § 253 II Nr 1). Dies wird so interpretiert, als sei in einem solchen Fall der „grundsätzlich vorzuschaltende Widerspruch entbehrlich“.52 Bei genauer Betrachtung hat die Rechtsbeschwerde, zu der sich der Bundesgerichtshof zustimmend geäußert hat, aber nur einen „ausdrücklich erklärten Widerspruch“ für entbehrlich erachtet. Tatsächlich kann man im Versagungsantrag inhaltlich zugleich die Erklärung gegenüber dem Gericht finden, dem Plan entgegenzutreten. Auch gelten für den Antrag dieselben Formvoraussetzungen wie für den Widerspruch (vgl Rn 9, 16). Man wird daher eher davon auszugehen haben, dass der Widerspruch im Antrag enthalten ist und bei Antragstellung spätestens im Abstimmungstermin auch der Widerspruch fristgerecht erhoben ist. Hiermit fallen allerdings Antrag und Widerspruch vielfach zusammen, was dem Willen und der Anlage des Gesetzes schwerlich entspricht.53 Schon deshalb, jedenfalls aber zur Erhaltung der Beschwerdemöglichkeit,54 empfiehlt es sich, stets einen ausdrücklichen, formgerechten und rechtzeitigen Widerspruch zu erheben. Keinesfalls entbehrlich ist umgekehrt der Antrag, wenn der Widerspruch erklärt 24 wurde, da mit dem Widerspruch nur erklärt wird, dem Plan entgegenzutreten, nicht aber das Gericht zu einem Verhalten aufgefordert wird.55 Der Widersprechende kann sich durchaus entschließen, seinem – zunächst folgenlosen – Widerspruch keinen das weitere Verfahren beeinflussenden Antrag folgen zu lassen. Die Bewirkungshandlung des Widerspruchs kann also nicht die Erwirkungshandlung des Antrags enthalten. c) Glaubhaftmachung einer voraussichtlichen Schlechterstellung (Abs 2) aa) Einordnung. Abs 2 sagt ausdrücklich, dass die Glaubhaftmachung einer voraus- 25 sichtlichen Schlechterstellung Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags ist; auf der Ebene der Begründetheit hat sich das Gericht dann nach den allgemeinen Regeln davon zu überzeugen, ob eine solche voraussichtliche Schlechterstellung gegeben ist (Abs 1 Nr 2). Die einfache Begründung des Antrags genügt also nicht. Eine Glaubhaftmachung der Schlechterstellung ist nur dann entbehrlich, wenn sie sich offenkundig („unstreitig“) aus dem Plan selbst ergibt.56 Das Erfordernis, für in der Begründetheit zu prüfende Tatsachen schon auf der Ebene 26 der Zulässigkeit eines Antrags deren Glaubhaftmachung zu verlangen, ist auch sonst in der Insolvenzordnung häufig anzutreffen (zB § 270b IV S 1 Nr 3 Hs 2 aE; § 290 II S 1; § 309 II S 257). Es steht im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Amtsermittlung (§ 5 I), der das Gericht ohne eine solche Zulässigkeitsschwelle stets zur eigenständigen Ermittlung verpflichten würde, und bringt eine Annäherung an ein Verfahren unter der Verhandlungsmaxime, da das Gericht zunächst auf die Prüfung der vom Antragsteller vorgebrachten und glaubhaft gemachten Tatsachen und Schlussfolgerungen beschränkt ist.58 Das Gericht ist 52

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 251 Rn 5; HambK/Thies InsO6 § 251 Rn 8; ähnlich K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 7; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 14. Gegen Entbehrlichkeit Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 251 Rn 18. MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 14. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 5; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 15; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 4 f, 18.

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BGH NZI 2009, 230, 232 Rn 22; LG Wuppertal ZInsO 2016, 1164, 1165; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 19 aE. Zur Einordnung als Zulässigkeitsvoraussetzung OLG Köln NZI 2001, 594, 595 f. BGH NZI 2007, 409, 410 Rn 10; 2009, 515, 516 Rn 13; 2011, 410, 411 Rn 9; WM 2012, 1640 Rn 6; vgl auch BayObLG NZI 2001, 145, 147 und OLG Köln NZI 2001, 594, 595 (zu § 309 II S 2, III); Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 13; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 20; Thorwart/ Schauer NZI 2011, 574.

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also nur dann zu – ggf umfangreichen – Ermittlungen verpflichtet, wenn der Antragsteller die Verletzung seines wirtschaftlichen Interesses glaubhaft macht, also nicht nur Vermutungen vorträgt, sondern konkrete Anhaltspunkte für seine Schlechterstellung darlegen und ggf beweisen kann.59 Damit dient die Zulässigkeitsvoraussetzung der Glaubhaftmachung primär der Beschleunigung des Verfahrens.60 Sie schützt aber auch die übrigen Beteiligten, insbesondere die Gläubiger- und ggf Anteilsinhabermehrheit, vor der Obstruktion einzelner sowie davor, Kosten für die Abwehr unsubstantiierter Versagungsanträge aufzuwenden, und bewirkt nicht zuletzt eine wichtige Entlastung der Justiz,61 ohne dabei die berechtigten Interessen des einzelnen Beteiligten, der seine Schlechterstellung fürchtet, zu missachten.

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bb) Glaubhaftmachung. Die Glaubhaftmachung richtet sich nach § 4 iVm § 294 ZPO.62 Damit stehen dem Antragsteller alle Beweismittel, auch die Versicherung an Eides Statt, zur Verfügung (§ 294 I ZPO). Zuzulassen sind also etwa auch einfache Abschriften von Urkunden.63 Es muss sich aber um sogenannte „liquide“ oder „präsente“ Beweismittel handeln (§ 294 II ZPO);64 eine Fristsetzung zur Nachholung der Glaubhaftmachung65 und eine Terminsverlegung oder -vertagung kommen nicht in Betracht.66 Erforderlich ist, dass der Antragsteller die voraussichtliche Schlechterstellung mit hinreichender – zumeist mit überwiegender67 – Wahrscheinlichkeit dartut; das Beweismaß ist also für die Beurteilung der Zulässigkeit abgesenkt. Bloße Vermutungen genügen den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung nicht; vielmehr müssen die der Schlechterstellung zugrundeliegenden Tatsachen exakt und substantiiert dargelegt und ggf bewiesen werden.68 Dabei dürfen die Anforderungen aber auch nicht überspannt werden. So ist etwa zu berücksichtigen, ob der Antragsteller Einblick in bestimmte tatsächliche Umstände haben konnte. Es gelten die allgemeinen Regeln, auch die Regeln zur sekundären Darlegungslast;69 Unklarheiten im Vortrag des Antragstellers verpflichten das Insolvenzgericht gem § 4 iVm § 139 ZPO zu Fragen und Hinweisen.70

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Begr RegE § 298 (BT-Drucks 12/2443, S 211); BGH NZI 2007, 409, 410 Rn 10; WM 2012, 1640 Rn 6; Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 251 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 251 Rn 5; Jungmann KTS 2006, 135, 146. OLG Dresden NZI 2000, 436, 437; vgl auch OLG Köln NZI 2001, 594, 596 (zu § 309 II S 2); Thorwart/Schauer NZI 2011, 574. Vgl OLG Köln NZI 2001, 594, 596 (zu § 309 II S 2). BGH NZI 2007, 522, 523 Rn 14; 2009, 515, 516 Rn 4; 2010, 226 Rn 6; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 251 Rn 19; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 251 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 19. BGHZ 156, 139, 143 = NZI 2003, 662, 663 (zu § 290 II S 1). BGH NZI 2007, 522, 523 Rn 14; 2009, 515, 516 Rn 14; AG Osnabrück ZInsO 2017, 1624, 1627. Vgl BGH NZI 2009, 523 (zu § 290 II); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 19. BGH NZI 2010, 226 f Rn 8 ff. Stets überwiegende Wahrscheinlichkeit fordert die hM, zB BGHZ 202, 133, 142 = NJW

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2014, 2436, 2439 Rn 23; BGH NZI 2007, 409, 410 Rn 10; 2007, 522 Rn 11; 2009, 515, 516 Rn 13; 2010, 226 Rn 6; 2011, 410, 411 Rn 9; sehr deutlich auch AG Bonn ZInsO 2015, 353, 354: „Anforderungen an die Darlegung und die Glaubhaftmachung sind hoch anzusetzen […] zumindest die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Schlechterstellung“ (Hervorhebung hinzugefügt); AG Osnabrück ZInsO 2017, 1624, 1627: Antrag unzulässig, wenn „eine Schlechterstellung wie auch eine Gleich- oder Besserstellung … gleichermaßen möglich erscheinen“. Begr RegE § 298 (BT-Drucks 12/2443, S 211); BGH NZI 2007, 409, 410 Rn 10; 2010, 226 Rn 6; WM 2012, 1640 Rn 6; LG Nürnberg-Fürth NZI 2011, 592; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 4; Madaus Insolvenzplan S 313; Thorwart/Schauer NZI 2011, 574, 575. Dazu Stein/Jonas/Kern ZPO23 § 138 Rn 31. BGHZ 156, 139, 143 = NZI 2003, 662, 663 (zu § 290 II S 1).

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cc) Verfahrensfragen. Hat der Antragsteller zum Zwecke der Glaubhaftmachung Tat- 28 sachen vorgetragen und unter Beweis gestellt, muss das Gericht dem Planinitiator rechtliches Gehör gewähren, also die Gelegenheit geben, diesem Vortrag entgegenzutreten.71 Für diese „Gegenglaubhaftmachung“ gilt ebenfalls § 4 iVm § 294 ZPO. Da der Planinitiator mit der Materie vertraut sein muss, kann ihm hierfür eine kurze Frist gesetzt werden. Anderen Beteiligten braucht kein Gehör gewährt zu werden, sie können aber angehört werden. Erst zum Ende muss das Gericht entscheiden, ob der Antragsteller seine voraussichtliche Schlechterstellung glaubhaft gemacht hat. Da eine Glaubhaftmachung ausreicht, muss das Gericht nicht in jedem Fall alle ange- 29 botenen Beweise in einem Termin erheben.72 Eine Beweiserhebung im Termin kommt ohnehin nur insoweit in Betracht, als die Beweismittel im Erörterungs- und Abstimmungstermin präsent sind. Hiervon abgesehen, wird das Gericht typischerweise zunächst versuchen, auf der Grundlage des schriftlichen Vortrags die Wahrscheinlichkeit zu beurteilen. Daher sollte der Antragsteller beim Angebot von Zeugen- und Sachverständigenbeweis deren Anwesenheit im Termin sicherstellen und bereits dem Antrag eidesstattlich versicherte Aussagen beifügen. dd) Voraussichtliche Schlechterstellung. Für die Zulässigkeit seines Antrags muss der 30 Antragsteller glaubhaft machen, dass er unter dem Plan voraussichtlich schlechter steht als ohne einen Plan. Die Feststellung einer voraussichtlichen Schlechterstellung verlangt wie bei § 245 I Nr 1 (dort Rn 14 ff) eine doppelte Prognose: eine Prognose der Stellung des Antragstellers ohne Insolvenzplan – nicht: unter alternativen Insolvenzplänen73 – und eine Prognose der Stellung mit dem konkreten Insolvenzplan, wobei für letztere der Planinhalt nicht allein ausschlaggebend ist.74 Diese Stellungen sind miteinander zu vergleichen.75 Hierbei ist, wiederum wie bei § 245 I Nr 1, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrundezulegen.76 Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 245 verwiesen werden (dort Rn 14 ff). Anders als bei § 245 I Nr 1, der auf die Schlechterstellung der Angehörigen einer Gruppe abstellt, entscheidet hier die individuelle Schlechterstellung des Antragstellers.77 Dies lässt die Berücksichtigung individueller Faktoren, etwa des konkreten Liquiditätsbedarfs, zu,78 was unter Umständen zu anderen Ergebnissen führen kann. Ein Anteilsinhaber ist nur dann schlechtergestellt, wenn sein Mitgliedschaftsrecht auch nach der Regelabwicklung noch werthaltig wäre, was äußerst selten der Fall ist.79 Der Antragsteller muss mithin seine wirtschaftliche Stellung ohne Plan und seine Stel- 31 lung unter dem Plan glaubhaft machen, sodass eine Differenz errechnet werden kann. Dabei kommt es nicht auf die exakte Höhe der Differenz an.80 Auch ein Spielraum reicht aus, 71 72 73 74 75 76

MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 23 aE. Vgl BGH NZI 2010, 226 Rn 9. LG Hamburg ZInsO 2015, 159, 161 (zu § 253 II Nr 3). MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 33. BGH NZI 2007, 409, 410 Rn 7; 2011, 410, 411 Rn 9; Madaus Insolvenzplan S 312. BGH NZI 2007, 409, 410 Rn 7; 2009, 515, 516 Rn 12; 2011, 410, 411 Rn 9; WM 2012, 1640 Rn 6; LG Bonn ZInsO 2015, 43, 44; LG Nürnberg-Fürth NZI 2011, 592; HK/ Haas InsO9 § 251 Rn 8; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 28; Nerlich/Römermann/ Braun InsO33 § 251 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 251 Rn 22; krit zu einer rein

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wertmäßigen Betrachtung Stürner Insolvenzrecht im Umbruch S 41, 46. Thorwart/Schauer NZI 2011, 574, 575; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 20. AA MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 28. Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 154; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 34. Abw wohl Thorwart/Schauer NZI 2011, 574, 575: „konkrete und detaillierte Vergleichsrechnung“; sehr streng HambK/Thies InsO6 § 251 Rn 5: „Ergebnisse müssen in konkreten Zahlen ausgedrückt werden“; zust Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 9; relativierend HK/Haas InsO9 § 251 Rn 7: „in einem Zahlenverhältnis aus-

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der Unsicherheiten bei einzelnen Positionen berücksichtigt, solange sich in jedem Fall das Bestehen einer negativen Differenz aufgrund der glaubhaft gemachten Einzelposten ergibt. Selbst ein bloßes Risiko kann eine wirtschaftliche Schlechterstellung begründen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Fortführung einer Gesellschaft oder Genossenschaft für den Anteilsinhaber Nachschuss- oder Mitwirkungspflichten zur Folge haben kann, die im Falle einer Abwicklung nicht entstehen könnten.81 Für die Glaubhaftmachung ausreichend, aber auch erforderlich ist es, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt und ggf beweist, die seine negative Prognose stützen, also die Schlechterstellung hinreichend wahrscheinlich sein lassen.82 32 Die Glaubhaftmachung kann beispielsweise so erfolgen, dass der Antragsteller auf der Grundlage der Darlegungen des Insolvenzverwalters im Berichtstermin und eventueller sonstiger Tatsachen prognostiziert, wann er im Falle eines Regelinsolvenzverfahrens mit welchen Beträgen zu rechnen hätte, dies mit den im Insolvenzplan vorgesehenen, typischerweise mit Forderungskürzung und -stundung verbundenen Zahlungen vergleicht und dartut, dass er wegen zu erwartender späterer Zahlungen unter dem Plan auf der Basis seiner Liquiditätsplanung eine Zwischenfinanzierung benötigen wird, die ihm aufgrund konkreter Umstände, etwa der von ihm aufgrund seines Credit Rating erwartungsgemäß zu zahlenden Zinsen, Mehrkosten verursacht.83 Die Schlechterstellung kann im Verlust einer Aufrechnungsmöglichkeit bestehen, wenn der Insolvenzplan den vollständigen oder teilweisen Erlass der zur Tabelle festgestellten Forderung des Antragstellers vorsieht und ohne Planinsolvenz die Aufrechnungsmöglichkeit fortbestehen würde, etwa weil im Restschuldbefreiungsverfahren während der Wohlverhaltensperiode § 96 I Nr 1 nicht gilt.84 Der Antragsteller muss hierzu aber konkrete Tatsachen vortragen und ggf beweisen, aufgrund derer das künftige Entstehen aufrechenbarer Ansprüche des Schuldners hinreichend wahrscheinlich ist.85 Soll die Schlechterstellung darauf beruhen, dass der Plan Ansprüche gegen Dritte etwa aus Gesellschafterhaftung oder Insolvenzanfechtung unberücksichtigt lässt, müssen sie dem Grunde nach und hinsichtlich ihrer Durchsetzbarkeit substantiiert dargelegt werden; dass die Ermittlung und Durchsetzung dieser Ansprüche Aufgabe des Insolvenzverwalters bzw Sachwalters ist, entbindet den Antragsteller nicht vom Erfordernis der Glaubhaftmachung.86 Sind die eigenen Ansprüche eines Gläubigers wirksam bestritten und nicht zur Tabelle festgestellt, können sie nicht zugrundegelegt werden, vielmehr müssen auch sie glaubhaft gemacht werden.87 Beruft sich der Antragsteller darauf, dass der Schuldner in Zukunft eine bessere Beschäftigung finden wird, weshalb die Ansätze im Plan

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zudrücken sein“; Madaus Insolvenzplan S 312: jedenfalls „Vergleichsrechnung aufzustellen“; offenlassend, ob eine eigene Vergleichsrechnung erforderlich ist, AG Bonn ZInsO 2015, 353, 354; wohl auch HK/Haas InsO9 § 251 Rn 5: „Ob der Antragsteller eine eigene Vergleichsrechnung durchführen muss, ist fraglich. In jedem Fall muss er sich aber mit der vom Plansteller aufgestellten Vergleichsrechnung und den darin enthaltenen Angaben auseinandersetzen und eigene Berechnungen anstellen“. Eidenmüller NJW 2014, 17, 19. BGH NZI 2007, 409, 410 Rn 10; 2010, 226 Rn 6: „überwiegende Wahrscheinlichkeit“; FK/Jaffé InsO9 § 251 Rn 21.

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AA MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 28, nach dem subjektive Nachteile durch gestreckte Zahlungen individuelle Besonderheiten darstellen. Dazu BGHZ 163, 391, 393 f; BGH NZI 2007, 409, 410 Rn 8; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 29. BGH NZI 2007, 409, 410 Rn 11. BGH NZI 2010, 734, 735 f Rn 18. BGH NZI 2010, 734, 736 Rn 20; LG Osnabrück ZInsO 2017, 1791, 1792; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 20; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 22.

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verfehlt seien, so muss er konkrete Anhaltspunkte für einen zu erwartenden Wechsel der Beschäftigung aufzeigen; die Veränderung muss also konkret absehbar sein.88 Meint der Antragsteller, bei Durchführung eines Regelinsolvenzverfahrens werde der Schuldner höhere Einnahmen aus angestellter Tätigkeit erzielen, so ist auch zu berücksichtigen, wie wahrscheinlich es ist, dass der konkrete Schuldner in erreichbarer Nähe überhaupt eine Beschäftigung findet; hiergegen kann auch sein Bekanntheitsgrad und die Kenntnis der Öffentlichkeit von der Insolvenz sprechen.89 Macht der Antragsteller geltend, dass im Regelverfahren seine Forderung nicht von einer Restschuldbefreiung erfasst wäre, da sie aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung folge (§ 302 Nr 1), muss er die Vorsatztat glaubhaft machen.90 ee) Ausgleichsmittel. Sieht der Plan Ausgleichsmittel vor (Abs 3, dazu Rn 40 ff), so 33 kann eine Schlechterstellung nur dann eintreten, wenn diese Mittel nicht sicher zur Verfügung stehen oder nicht mit hinreichender Sicherheit ausreichen. Beruft sich der Antragsteller hierauf, muss er auch dies glaubhaft machen.91 ff) Zeitpunkt. Die Glaubhaftmachung muss spätestens im Abstimmungstermin erfol- 34 gen, mithin vor Schluss dieses Termins dem Insolvenzrichter bei normalem Gang der Dinge zugegangen sein.92 Ob die Abstimmung bereits durchgeführt wurde oder nicht, ist unerheblich; die Glaubhaftmachung muss jedoch in jedem Fall vor einer eventuellen Bestätigung des Plans durch das Gericht im Termin selbst erfolgen. Eine Nachfrist zur Glaubhaftmachung scheidet aus; eine Vertagung des Abstimmungstermins kommt dem Antragsteller aber nach allgemeinen Regeln zugute.93 Ab wann die Glaubhaftmachung frühestens erfolgen kann, sagt das Gesetz nicht; hier sollte wiederum wie bei Antrag und Widerspruch der Zeitpunkt der Planvorlage bzw der Vornahme einer Planänderung entscheidend sein. 2. Materielle Voraussetzungen a) Voraussichtliche Schlechterstellung (Abs 1 Nr 2) aa) Prüfungsinhalt. Inhaltlich zu prüfen hat das Gericht die Frage, ob eine voraussicht- 35 liche Schlechterstellung vorliegt. Insoweit gilt das bei § 245 Ausgeführte (§ 245 Rn 14 ff). bb) Beweismaß. Mit der Glaubhaftmachung seiner voraussichtlichen Schlechterstel- 36 lung erreicht der Antragsteller nur, dass sein Antrag zulässig ist. Für die Feststellung der voraussichtlichen Schlechterstellung in der Begründetheit gilt demgegenüber mangels anderer Anordnung in Abs 1 Nr 2 das gewöhnliche Beweismaß. Begründet ist der Antrag mithin nur dann, wenn das Gericht von der voraussichtlichen Schlechterstellung überzeugt ist (§ 4 iVm § 286 ZPO). cc) Prüfungsumfang. Für die Zulässigkeit beschränkt sich der Prüfungsumfang des Ge- 37 richts auf die vom Antragsteller vorgebrachten und glaubhaft gemachten Tatsachen und

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OLG Köln NZI 2001, 211, 213. Vgl LG Osnabrück ZInsO 2017, 1791, 1792 f. BGH NZI 2007, 522 Rn 11; aA (Ausnahme von Restschuldbefreiung gänzlich unerheblich) AG Osnabrück ZInsO 2017, 1624, 1627 f.

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LG Düsseldorf ZInsO 2014, 1963; LG Bonn ZInsO 2015, 43, 44; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 21. AA wohl BK/Flöther InsO64 § 251 Rn 11: „noch im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden“. BGH NZI 2010, 226, 227 Rn 11; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 22.

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Schlussfolgerungen; denn nur insoweit ist die geforderte Glaubhaftmachung gegeben (Rn 26). Damit ist noch nicht gesagt, ob das Gericht auch auf der Ebene der Begründetheit auf diese Tatsachen beschränkt ist. Hierfür spricht zunächst die in jeder Beschränkung des Tatsachenstoffs liegende Entlastung des Gerichts. Wenn das Gericht den Vortrag des Antragstellers, er werde durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt, für glaubhaft erachtet hat, liegt es zudem nahe, dass auf dieser Grundlage auch eine voraussichtliche Schlechterstellung einfach festzustellen ist. Mit diesem Argument würde man indes die Unterschiede zwischen Zulässigkeit und Begründetheit verwischen: Die Glaubhaftmachung, die nach dem Gesetzeswortlaut lediglich Zulässigkeitsvoraussetzung ist, würde durch eine solche Interpretation zugleich Grenze für den Prüfungsumfang auf der Ebene der Begründetheit. Dies findet indes keine Stütze im Gesetzeswortlaut, der die Glaubhaftmachung allein für die Zulässigkeit fordert. Mangels anderer Anordnung sprechen schon gesetzessystematische Gründe dafür, für die Begründetheit die allgemeinen Regeln und mithin den Amtsermittlungsgrundsatz gelten zu lassen. Auf der Grundlage des Gesetzestexts könnte sich ein Antragsteller im Vertrauen, dass in der Begründetheit eine uneingeschränkte Prüfung stattfindet, zur Überwindung der Zulässigkeitshürde auf einen einzigen, mit geringem Aufwand glaubhaft zu machenden Aspekt der befürchteten Schlechterstellung beschränken. Dies liegt umso eher nahe, als zur Glaubhaftmachung nur liquide Beweismittel genutzt werden können, die Feststellung der Schlechterstellung aber durchaus auch ein Gutachten erfordern kann. Würden auf der Ebene der Begründetheit nur die glaubhaft gemachten Tatsachen geprüft, wäre der Antragsteller in seinem Vertrauen enttäuscht; ein informierter Antragsteller müsste möglichst umfassend alle nur in Betracht kommenden Gründe glaubhaft machen, was wiederum das Verfahren in einem frühen Zeitpunkt aufblähen würde. Auch in der Sache erscheint eine Beschränkung des Prüfungsumfangs der Begründetheit auf die glaubhaft gemachten Tatsachen nicht erforderlich, um das Verfahren vor Anträgen zu schützen, die sich lediglich auf eine vermutete oder diffus befürchtete Schlechterstellung stützen. Nach gelungener Glaubhaftmachung muss folglich für die Begründetheitsprüfung die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts gelten;94 die Begründetheitsprüfung unterliegt also nicht den Regeln der Verhandlungsmaxime.95 Gilt aber der Grundsatz der Amtsermittlung, so erscheint es unstimmig, diesen auf diejenigen Tatsachen zu beschränken, die im Rahmen der Glaubhaftmachung vorgetragen wurden.96 Denn für die Amtsermittlung ist es gerade charakteristisch, dass das Gericht nicht nur sämtliche Beweismittel nutzen, sondern auch über die vorgetragenen Tatsachen hinausgehen kann, da ihm die Aufgabe der Stoffsammlung ohne Bindung an das Verhalten der Beteiligten obliegt.97 Entgegen der hM ist der Prüfungsumfang daher de lege lata nicht auf die Tatsachen beschränkt, die der Antragsteller zur Glaubhaftmachung seines Antrags vorgetragen hat.98

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BGHZ 156, 139, 146 = NZI 2003, 662, 663 f (zu § 290) m zust Anm Fuchs NZI 2003, 664, 665; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 28. BGHZ 156, 139, 146 f = NZI 2003, 662, 664 (zu § 290) mit Verwechslung von Verhandlungsmaxime und Dispositionsmaxime. In diese Richtung aber BGHZ 202, 133, 146 = NJW 2014, 2436, 2439 Rn 23. Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 Rn 208. AA Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 6,

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28; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 20; Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 154; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 50; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 21; teils m Verweis auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die aber von einer Beschränkung auf die vom Antragsteller vorgebrachten und glaubhaft gemachten Tatsachen und Schlussfolgerungen nur für die Glaubhaftmachung, mithin die Zulässigkeit des Antrags, sprechen.

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dd) Beweismittel. Da es sich um eine Prüfung von Tatsachen handelt, die die Begrün- 38 detheit des Antrags betreffen, gelten für die Beweismittel die Regeln des Strengbeweises. Damit ist die Versicherung an Eides statt Beweismittel nur Parteivortrag, der zu würdigen ist; zugleich können allerdings auch nicht „liquide“ bzw „präsente“ Beweismittel herangezogen werden.99 Wichtig ist dies insbesondere für eventuell notwendige Sachverständigengutachten, die Fragen der Bewertung betreffen. ee) Feststellungslast. Auch unter Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes trägt der 39 Antragsteller die Feststellungslast.100 Kann sich das Gericht also nach Ausschöpfung der gem § 5 InsO gebotenen Maßnahmen nicht von der voraussichtlichen Schlechterstellung überzeugen, muss es den Insolvenzplan bestätigen. b) Keine Bereitstellung von Mitteln (Abs 3 S 1) aa) Einordnung. Nach Abs 3 S 1 ist der Antrag abzuweisen, wenn der Plan Mittel 40 („Ausgleichsmittel“; „Mecker-Fonds“101) für den Fall bereitstellt, dass ein Beteiligter eine Schlechterstellung nachweist („salvatorische Klausel“).102 Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, ob dieses Kriterium der Zulässigkeit oder der Begründetheit angehört. Für eine Einordnung in der Zulässigkeit spricht auf den ersten Blick, dass das Gericht dann den Antrag abweisen könnte, ohne auch geprüft zu haben, ob der Antragsteller eine voraussichtliche Schlechterstellung glaubhaft gemacht hat; die teils schwierig zu beantwortenden Fragen der Schlechterstellung würden also das Verfahren nicht belasten, sondern wären, sofern Mittel bereitgestellt sind, vollumfänglich in einen außerhalb des Insolvenzverfahrens zu führenden Rechtsstreit ausgelagert (Abs 3 S 2). Allerdings ist die voraussichtliche Schlechterstellung auf der Ebene der Zulässigkeit le- 41 diglich glaubhaft zu machen. Angesichts der Anforderungen, die an eine Glaubhaftmachung gestellt werden, hält sich die Belastung durch die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung in Grenzen. Die bisherige Rechtsprechung ist an dieser Stelle selten tief in ökonomische Fragen eingetreten. Demgegenüber ist auch die Frage, ob Mittel bereitgestellt sind, keineswegs immer ohne Weiteres zu beantworten. Denn es ist nicht allein auf den Wortlaut des Plans, sondern auch darauf abzustellen, ob der Antragsteller tatsächlich erwarten darf, aus diesen Mitteln einen Ausgleich zu erhalten. Da die Mittel entweder ausdrücklich oder jedenfalls faktisch der Höhe nach begrenzt sind, muss das Gericht untersuchen, ob die Mittel ausreichen. Dies wiederum zwingt zu einer zumindest überschlägigen Prüfung, ob und in welchem Umfang nicht nur der Antragsteller selbst, sondern auch ausgleichsberechtigte sonstige Beteiligte schlechter gestellt werden. Damit lässt sich die Prüfung der Schlechterstellung doch nicht vermeiden. Sieht der Plan Ausgleichsmittel vor, muss der Antragsteller zur Glaubhaftmachung seiner voraussichtlichen Schlechterstellung auch glaubhaft machen, dass die Ausgleichsmittel nicht ausreichen. Wären Ausgleichsmittel stets vollumfänglich in der Zulässigkeit zu prüfen, würde diese Glaubhaftmachung jedoch keine Entlastung bringen. Um die Zulässigkeitsprüfung nicht zu überfrachten, ist die Frage der Bereitstellung ausreichender Ausgleichsmittel daher der Begründetheit zuzuordnen.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 28; aA Thorwart/Schauer NZI 2011, 574, 576. BGHZ 156, 139, 147 = NZI 2003, 662, 664 (zu § 290); „Beweislast“: Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 251 Rn 5; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 251 Rn 11; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 251 Rn 2.

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AG Hamburg BeckRS 2016, 19415 = NZI 2016, 1002, Ls 6. Zum Streit um die Zulässigkeit salvatorischer Klauseln vor Einfügung des Abs 3 Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 152; MünchKomm/Sinz InsO2 § 251 Rn 19 ff mwN; Smid ZInsO 1998, 347.

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bb) Prüfungsprogramm. Das Gericht muss nach dem Wortlaut des Abs 3 S 1 lediglich prüfen, ob der gestaltende Teil des Plans für den Fall des Nachweises einer Schlechterstellung Mittel bereitstellt. Es kann aber nicht ausreichen, dass der Plan für diesen Fall irgendwelche Mittel bereitstellt. Vielmehr muss der Antragsteller auch auf einen Ausgleich aus diesen Mitteln verwiesen werden können; anderenfalls würde der Ausschluss der Möglichkeit, eine Versagung gem § 251 beantragen zu können, gegen Art 14 GG verstoßen. Der Antragsteller muss also aus diesen Mitteln einen Ausgleich erhalten können, falls er tatsächlich durch den Plan schlechtergestellt ist. Indem Abs 3 S 2 die Frage, „ob der Beteiligte einen Ausgleich aus diesen Mitteln erhält“, auf ein eigenes Verfahren verweist, schließt er lediglich eine Prüfung der Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs, insbesondere von Ob und genauem Umfang der Schlechterstellung, innerhalb des Insolvenzverfahrens aus; nicht ausgeschlossen wird jedoch die Prüfung, ob der Antragsteller tatsächlich aus den bereitgestellten Mitteln einen Ausgleich erhalten kann.103 43 Der Antragsteller kann auf Ausgleichsmittel verwiesen werden, wenn der Plan überhaupt Ausgleichsmittel bereitstellt, diese Mittel ihrer Höhe nach ausreichen und sie hinreichend sicher zur Verfügung stehen.104

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cc) Bereitstellung von Ausgleichsmitteln im Plan. Der Versagungsantrag kann nur dann wegen Ausgleichsmitteln abgewiesen werden, wenn diese Ausgleichsmittel „im gestaltenden Teil des Plans bereitgestellt werden“. Eine nicht im Plan enthaltene Vereinbarung oder ein nicht im Plan enthaltenes Angebot reicht mithin nicht aus. Da der Plan strenggenommen keine Mittel bereitstellen kann, ist gemeint, dass der Plan alles zur Erlangung der Ausgleichsmittel Erforderliche vorsehen muss. 45 Dies setzt zunächst voraus, dass der Plan überhaupt die Verfügbarkeit von Ausgleichsmitteln festhält. Um Ausgleichsmittel handelt es sich dabei nur dann, wenn die Mittel zur Auszahlung an einen Beteiligten „für den Fall“ des Nachweises einer Schlechterstellung vorgesehen sind, wenn also allein der Nachweis der Beteiligtenstellung und der Schlechterstellung ausreicht, um eine Auszahlung zu erhalten. Die Mittel müssen die Schlechterstellung ausgleichen. Ausgleich bedeutet, dass der Ausgleichsberechtigte vermögensmäßig so gestellt wird, wie er ohne einen Plan stünde („vollständiger Ausgleich“)105; eine Pauschalierung, die geringer ist als die Differenz von Nominalwert und im Plan vorgesehener Zuwendung, ist damit ausgeschlossen.106 Diese Mittel müssen weiter für den Fall zur Verfügung stehen, „dass ein Beteiligter eine Schlechterstellung nachweist“ (Hervorhebung hinzugefügt). Es genügt also nach dem Wortlaut nicht, dass gerade für den Antragsteller Mittel bereitstehen, vielmehr müssen sie für jeden beliebigen Beteiligten vorgesehen sein. Eine Einschränkung auf Beteiligte, die einen Antrag auf Versagung nach § 251 gestellt oder auch nur Widerspruch nach § 251 I Nr 1 erhoben haben, nimmt Abs 3 S 1 nicht vor. Dass Abs 3 S 2 auf die Einzahl – „der Beteiligte“ – geht, besagt nichts über die Zahl der Berechtigten,107 sondern nur darüber, dass der Streit über einen Ausgleich nicht im Insolvenzverfahren erfolgt. Auch aus dem Ziel, eine Beschleunigung zu erreichen, folgt nichts anderes.108 Denn dem Beschleunigungsziel liefe es ebenso zuwider, Beteiligte zu einem Versagungsantrag zu zwingen, die sich mit den im Insolvenzplan bereitgestellten Mitteln zu103 104

105

Vgl BGH WM 2017, 1616, 1618 Rn 14; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 39. Vgl BGH WM 2017, 1616, 1618 Rn 14; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 6; Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 152. BGH WM 2017, 1616, 1618 Rn 14.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 21; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 38. AA MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 38. AA MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 38; wohl auch BK/Flöther InsO64 § 251 Rn 14.

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frieden geben möchten. Im Gegenteil erlaubt nur die grundsätzliche Einbeziehung aller Beteiligten denjenigen unter ihnen, die eine Schlechterstellung befürchten, dennoch dem Plan zuzustimmen und damit seine Annahme zu erleichtern. Der Plan muss also für alle Beteiligten, die eine Schlechterstellung nachweisen, unabhängig von ihrem weiteren Verhalten Mittel vorsehen.109 Lediglich eine kleine teleologische Reduktion erscheint angezeigt: Soweit Beteiligte mit der Planregelung einverstanden sind und auf einen Ausgleich im Voraus verzichten, schadet es nicht, wenn für sie keine Mittel bereitstehen. Die Bereitstellung der Ausgleichsmittel muss sich nach dem Gesetzeswortlaut im ge- 46 staltenden Teil des Plans finden. Da die Bereitstellung der Mittel ab Planbestätigung die Rechtslage verändern soll, sind sie der Sache nach gewiss dem gestaltenden Teil des Plans zuzuordnen. Eine falsche Verortung in der Druckfassung des Plans führt indes nicht dazu, dass Abs 3 unanwendbar wird, wenn nur der Regelungscharakter erkennbar bleibt. Der Plan muss weiter auch sagen, wo und in welcher Form diese Mittel bereitstehen, 47 also ob sie beim Schuldner oder einem Beteiligten oder Dritten zu erlangen sind und wie sie abgesichert sind. Bei Mitteln, die nicht aus der Insolvenzmasse stammen, sondern von einem Beteiligten oder Dritten (oder – praktisch gewiss selten – dem Schuldner aus seinem insolvenzfreien Vermögen) geleistet werden sollen, ist deren Erklärung gem § 230 III dem Plan beizufügen.110 Schließlich muss der Plan auch darüber Auskunft geben, wie der Antragsteller diese 48 Mittel erlangen kann, also an wen er sich wenden muss und wem gegenüber er seine Beteiligtenstellung sowie seine Schlechterstellung nachweisen muss. dd) Höhe der bereitgestellten Mittel. Mittel in ausreichender Höhe liegen vor, wenn sie 49 und gegebenenfalls eine für sie gestellte Kreditsicherheit der Höhe nach nicht oder nur in einer Höhe begrenzt sind, die alle vernünftigerweise zu erwartenden Ausgleichansprüche vollständig abdeckt.111 Der vollständige Ausgleich muss eindeutig erreicht werden können.112 Was die Höhe der zu erwartenden Ausgleichsansprüche angeht, ist wiederum zu beachten, dass Abs 3 S 1 die Bereitstellung von Mitteln für den Fall verlangt, „dass ein Beteiligter eine Schlechterstellung nachweist“ (Hervorhebung hinzugefügt). Die Mittel müssen also ausreichen, allen Beteiligten einen Ausgleich zu zahlen, die eine Schlechterstellung nachweisen.113 Im Zeitpunkt der Entscheidung über die Versagung oder Bestätigung steht nun aber typischerweise noch nicht fest, wie viele und welche Beteiligte erfolgreich eine Schlechterstellung nachweisen werden, soweit nicht ein Beteiligter auf einen Ausgleich ausdrücklich verzichtet hat; eine individuelle Zuordnung der Ausgleichsmittel ist daher in aller Regel unmöglich und kann deshalb nicht gefordert sein.114 Das Gericht hat vielmehr ohne Bindung an Angaben im darstellenden Teil des Insolvenzplans oder Einschätzungen der Beteiligten die erforderliche Gesamtsumme abzuschätzen.115 Zu diesem Zweck kann es überschlägig die Summe aller Insolvenzforderungen mit der zu erwartenden Quote im Regelinsolvenzverfahren multiplizieren und hiervon den Gesamtwert abziehen, der den Insolvenzgläubigern nach dem Plan zufließen soll; für die Anteilseigner ist normalerweise kein Wert anzusetzen, sonst der auf sie entfallende Anteil an einem mit hinreichender

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110

Vgl HK/Haas InsO9 § 251 Rn 12, wonach eine Klausel mit einer Beschränkung auf solche Beteiligte, die einen Widerspruch erhoben haben, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 226) verstoßen würde. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 19; Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 152.

111 112 113 114 115

AG Hamburg BeckRS 2016, 19415. BGH WM 2017, 1616, 1618 Rn 14. AA Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 153; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 38. Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 154; aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 21. MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 39.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Wahrscheinlichkeit erwarteten Überschuss.116 Der sich hieraus ergebende Betrag ist mit dem Betrag der Ausgleichsmittel zu vergleichen; sind diese nicht ausdrücklich begrenzt, so ist darauf abzustellen, welche Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen.

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ee) Sicherheit der bereitgestellten Mittel. Nach der Gesetzesbegründung muss die Finanzierung des geschuldeten Ausgleichs „durch eine Rücklage, eine Bankbürgschaft oder in ähnlicher Weise gesichert“ sein.117 Für die Beurteilung, ob eine hinreichende Sicherheit gegeben ist, kann auf Vorgaben in der Insolvenzordnung und im BGB zurückgegriffen werden. Ausreichend ist daher ein Finanzplan, wie ihn § 258 II S 2 zur Sicherung nicht fälliger Masseansprüche erlaubt;118 zu empfehlen sind allerdings stets Treuhandkonstruktionen.119 Genügend ist auch eine Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft iSd § 108 I S 2 oder eine ähnliche schuldrechtliche Verpflichtung eines Kreditinstituts wie etwa eine Garantie auf erstes Anfordern, deren Honorierung nur von der Vorlage eines Vergleichs oder Urteils abhängt, das dem Antragsteller einen Ausgleich zuspricht. Darüber hinaus sind alle Formen der bürgerlichrechtlichen Sicherheitsleistung (§§ 232 ff BGB) möglich.120 Alle Sicherheiten müssen werthaltig sein.121 Bei Personalsicherheiten kommt es also auf die zu erwartende Zahlungsfähigkeit des Interzedenten, bei Realsicherheiten auf den sicher zu erzielenden Erlös an.122 Soweit die Sicherung durch Ansprüche gegenüber Dritten geschieht, darf deren Verjährung nicht kürzer sein als die Verjährung des Ausgleichsanspruchs. 51 Die Mittel brauchen nicht „liquide“, also zur sofortigen Auszahlung, zur Verfügung stehen.123 Vielmehr reicht es aus, wenn zunächst Vermögensgegenstände verwertet werden müssen. Keine hinreichende Sicherheit gewährt aber die bloße Rückstellung in der Bilanz.124 Was der Gesetzgeber unter „Rücklage“ versteht, ist unklar; eventuell war ein Treuhandkonto gemeint.125

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ff) Beweismaß, Prüfungsumfang, Beweismittel, Feststellungslast. Für die Beurteilung der Frage, ob ausreichende Ausgleichsmittel bereitgestellt sind, gelten der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 I) sowie die allgemeinen Regeln. Als Beweismaß ist also volle richterliche Überzeugung, nicht nur hinreichende (überwiegende) Wahrscheinlichkeit erforderlich, wobei das Gericht nicht an eventuell im Wege der Glaubhaftmachung vorgetragene und unter Beweis gestellte Tatsachen gebunden ist. Beweismittel sind diejenigen des Strengbeweises unter Einschluss nicht „präsenter“ Beweismittel, sodass insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erstellung oder Prüfung von Vergleichsrechnungen möglich ist.126 Die Feststellungslast trägt hier der Planvorleger; kommt das Gericht also nicht zur Überzeugung, dass die Ausgleichsmittel ausreichen, hat es die Bestätigung des Plans zu versagen.127 116 117 118

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AG Bonn ZInsO 2015, 353, 354. Begr RegE ESUG § 251 nF (BT-Drucks 17/ 5712, S 35). K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 19; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 37; zweifelnd Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 153. Vgl Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 23. MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 37. BGH WM 2017, 1616, 1618 Rn 16. BGH WM 2017, 1616, 1618 Rn 16. Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 152 f; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 37; aA wohl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74

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§ 251 Rn 18: „Erforderlich für eine ausreichende Bereitstellung von Mitteln ist, dass diese Mittel liquide […] zur Verfügung stehen, sodass der Ausgleich bei Fälligkeit ohne erhebliche Verzögerung bezahlt werden kann“ (mit Verweis auf Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 152). Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 18; Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 152; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 37. Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 152. MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 40. BGH WM 2017, 1616, 1618 Rn 14; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 6.

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3. Gerichtliche Prüfung und Entscheidung a) Gebundene Entscheidung über die Planbestätigung. Auch wenn ein Versagungsan- 53 trag gestellt wurde, handelt es sich bei der Entscheidung des Gerichts über die Planbestätigung um eine gebundene Entscheidung.128 Das Gericht muss die Bestätigung also durch Beschluss versagen, wenn die Bestätigungsvoraussetzungen nicht gegeben sind (§ 248 I), ein von Amts wegen zu prüfender Versagungsgrund vorliegt (§§ 249, 250) oder ein Versagungsantrag zulässig und begründet ist (§ 251).129 Anderenfalls muss das Gericht den Insolvenzplan durch Beschluss bestätigen. Ein Ermessen steht ihm in keinem Fall zu. Insbesondere prüft es nicht, ob die Planziele insgesamt wirtschaftlich erreichbar sind.130 b) Planbestätigung. Bestätigt das Insolvenzgericht den Insolvenzplan durch Beschluss, 54 weil kein Bestätigungshindernis vorlag und der Versagungsantrag unzulässig oder unbegründet war, so können die Entscheidung über den Versagungsantrag und die Bestätigung in separaten Beschlüssen oder in einem einheitlichen Beschluss erfolgen.131 Ein separater Beschluss über den Versagungsantrag ist wegen § 6 I S 1 nicht selbständig anfechtbar;132 er wird inzident mit der sofortigen Beschwerde gegen den Bestätigungsbeschluss angefochten. Bei einem einheitlichen Beschluss kann die Abweisung des Versagungsantrags eigenständig tenoriert werden;133 sie muss dies aber nicht. Im letzteren Fall ist in den Gründen auszuführen, dass ein Versagungsantrag gestellt wurde, dieser aber unzulässig bzw unbegründet war.134 Im Falle eigenständiger Tenorierung ist wegen § 6 I wiederum nur der Bestätigungsbeschluss mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Wird der Versagungsantrag gem Abs 3 abgewiesen, weil aus Sicht des Gerichts ausrei- 55 chende Ausgleichsmittel bereitstehen, so ist dies in den Gründen anzugeben.135 Da die Gründe nicht rechtskräftig werden und zudem die Parteien im Verfahren über die Planbestätigung und über den Ausgleichsanspruch nicht identisch sind, vielmehr das Verfahren über die Planbestätigung nicht im eigentlichen Sinne kontradiktorisch ist, entfalten die Gründe keine Bindungswirkung für einen späteren Ausgleichsprozess. Wurde der Versagungsantrag wegen ausreichender Ausgleichsmittel abgewiesen, kann der Antragsteller zwar nicht den abweisenden Beschluss, aber nach den allgemeinen Regeln die Planbestätigung mit der sofortigen Beschwerde anfechten; daneben kann er auf Zahlung des Ausgleichs klagen.136 Mangels Identität des Streitgegenstands und der Parteien können die sofortige Beschwerde und die Ausgleichsklage nebeneinander verfolgt werden. Allerdings dürfte sich dies kaum empfehlen. Zum einen wird das Gericht der Ausgleichsklage die Verhandlung bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts – die auch in einer unverzüglichen Zurückweisung gem § 253 IV bestehen kann – aussetzen (§ 148 ZPO); im Falle unverzüglicher Zurückweisung kann dann noch die Schadensersatzklage des § 253 IV S 3 erhoben werden.137 Zum

128 129 130 131

Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 251 Rn 1. FK/Jaffé InsO9 § 251 Rn 5. Thorwart/Schauer NZI 2011, 574. Ohne Differenzierung nach dem Entscheidungsinhalt K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 29; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 53; aA Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 251 Rn 8: stets einheitlicher Beschluss; wiederum aA Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 251 Rn 20; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 24: stets separater Beschluss.

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Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 23. AA MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 53. MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 53. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 29. FK/Jaffé InsO9 § 251 Rn 33; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 24; Madaus NZI 2012, 597, 598 f. Näher zum Verhältnis der Klagen Madaus NZI 2012, 597, 599.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

anderen kann die Ausgleichsklage nicht hilfsweise erhoben werden, sodass der in der sofortigen Beschwerde erfolgreiche Ausgleichskläger die Kosten des Ausgleichsklage tragen muss (§ 91 ZPO). c) Versagung der Planbestätigung

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aa) Wegen eines von Amts wegen zu prüfenden Grundes. Neben einem erfolgreichen Versagungsantrag nach § 251 können auch andere Gründe – keine Annahme durch die Beteiligten oder keine Zustimmung des Schuldners (§ 248 I), fehlender Bedingungseintritt (§ 249), Verstoß gegen Verfahrensvorschriften (§ 250) – zur Versagung der Bestätigung führen. Versagt das Gericht dem Plan schon aus einem dieser anderen Gründe die Bestätigung, so fehlt dem Versagungsantrag jedenfalls das Rechtsschutzinteresse, sodass er als unzulässig abgewiesen werden kann.138 Diese Abweisung kann in einem separaten Beschluss erfolgen,139 aber auch Teil des Versagungsbeschlusses sein; ist sie Teil des Versagungsbeschlusses, so kann sie eigenständig tenoriert werden,140 muss dies aber nicht. Kommt das Rechtsmittelgericht zu dem Ergebnis, dass einer der von Amts wegen zu prüfenden Versagungsgründe nicht vorliegt, muss es den Versagungsantrag prüfen, da dieser nunmehr wieder als zulässig anzusehen ist.141

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bb) Wegen des Versagungsantrags. Versagt das Insolvenzgericht die Planbestätigung und stützt es diese Entscheidung auf einen zulässigen und begründeten Versagungsantrag, so ergeht nur ein einheitlicher Versagungsbeschluss.142 Aus den Gründen des Beschlusses ergibt sich dann, dass er aufgrund des Versagungsantrags ergangen ist. 58 Das Insolvenzgericht muss indes nicht die von Amts wegen zu prüfenden Versagungsgründe vor dem Versagungsantrag prüfen und eine Versagungsentscheidung dann ggf auf diese Versagungsgründe stützen. Vielmehr kann es auch direkt den Versagungsantrag prüfen und bei dessen Zulässigkeit und Begründetheit die Planbestätigung versagen. Zwar ist der Versagungsantrag streng genommen mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig, wenn bereits ein von Amts wegen zu prüfender Versagungsgrund vorliegt.143 Das Gesetz gibt jedoch keine Prüfungsreihenfolge vor. Es ist ohne Weiteres denkbar, dass das Gericht die Zulässigkeit und Begründetheit eines Versagungsantrags schneller prüfen kann als die anderen, von Amts wegen zu prüfenden Versagungsgründe. Hier wegen möglicher Unzulässigkeit des Versagungsantrags aufgrund eines fehlenden Rechtsschutzinteresses das Gericht zu zwingen, zuerst alle anderen Versagungsgründe zu prüfen, widerspräche der angestrebten Verfahrensbeschleunigung.

IV. Anderweitiger Ausgleich (Abs 3) 59

Indem Abs 3 S 1 vorsieht, unter welchen Voraussetzungen im Falle einer Bereitstellung von Ausgleichsmitteln ein Versagungsantrag abzuweisen ist, gibt er zugleich Hinweise zur Ausgestaltung und Abwicklung eines solchen Ausgleichs (dazu oben Rn 44–51), die durch

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139 140 141

AA offenbar Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 24: die Entscheidung könne „dahingestellt bleiben“. MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 53. AA MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 53. MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 52.

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Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 20; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 24; aA MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 53, der stets einen gesonderten Beschluss über den Versagungsantrag zulassen will. MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 52.

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weitere Überlegungen zu ergänzen sind (sogleich Rn 60 ff). Abs 3 S 2 ergänzt dies um eine Anordnung für den Streit um die Ausgleichsberechtigung (Rn 67–69). 1. Anspruch auf Ausgleichsmittel Die Bereitstellung von Mitteln im gestaltenden Teil des Plans lässt für die Beteiligten, 60 die tatsächlich durch den Plan iSd Abs 1 Nr 2 schlechtergestellt werden, einen Anspruch entstehen. Zur Herleitung dieses Anspruchs findet sich im Gesetz keine unmittelbare Aussage. Ist nach dem Plan der Schuldner zur Zahlung verpflichtet, so hat der Anspruch im In- 61 solvenzplan selbst seine Grundlage,144 da der Plan insoweit die Befriedigung der Gläubiger, die Verteilung der Insolvenzmasse und die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens (§ 217 S 1) bzw die Rechte der einbezogenen Anteilsinhaber (§ 217 S 2) regelt. Der Anspruch verjährt nach den allgemeinen Regeln in drei Jahren ab Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses (§§ 195, 199 BGB),145 wobei schon die Bekanntgabe der Planbestätigung Kenntnis bewirkt. Grundlage des Anspruchs gegen einen Beteiligten oder einen Dritten, der für den Fall 62 der Betätigung des Plans Verpflichtungen übernommen hat (vgl § 230 III), ist dessen Verpflichtungserklärung, die mit Planbestätigung einen materiellrechtlichen Anspruch gegen den Beteiligten oder Dritten entstehen lässt; von diesem Moment an unterliegt der Anspruch der Regelverjährung (§§ 195, 199 BGB).146 2. Nachweis der Schlechterstellung Voraussetzung des Anspruchs ist nach Abs 3 S 1 der Nachweis einer Schlechterstellung. 63 Da hier das Wort „voraussichtlich“ fehlt und infolge der Abweisung des Antrags dem Plan die Bestätigung jedenfalls nicht wegen einer Schlechterstellung des Antragstellers versagt wurde, geht das Gesetz davon aus, dass der Ausgleich erst nach Planbestätigung und Feststehen der Schlechterstellung geleistet wird. Allerdings ist auch nach Planbestätigung und Durchführung noch immer eine Prognose notwendig, nämlich die nunmehr rein hypothetische Prognose über die Stellung des Antragstellers ohne einen Plan. Ob ein Beteiligter einen Ausgleich erhält, ist gem Abs 3 S 2 außerhalb des Insolvenz- 64 verfahrens zu klären. Diese Klärung kann gerichtlich erfolgen; sie muss dies aber nicht. Denn wenn der Schuldner oder der Dritte, der den Ausgleich zu leisten hat, von der Ausgleichsberechtigung des Antragstellers überzeugt ist, wäre es nicht sinnvoll, die Parteien vor Gericht zu zwingen. Dies gilt umso mehr, als vor Gericht wegen der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (Rn 67) die Verhandlungsmaxime gilt. Danach könnte der Schuldner oder der Beteiligte bzw Dritte, der den Ausgleich zu leisten hat, ohne Weiteres anerkennen. Die Erhebung der Ausgleichsklage ist mithin keine Voraussetzung dafür, einen Ausgleich zu erhalten.147 Anderes gilt nur, wenn dies der Insolvenzplan vorsieht, etwa in Verbindung mit einer Klagefrist.148

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Madaus NZI 2012, 597, 598. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 26; Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 155. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 26.

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AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 21; Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 155; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 48. Vgl MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 46.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

65

Adressat des Nachweises ist zunächst derjenige, der über die Auszahlung der bereitgestellten Mittel zu entscheiden hat. Im Falle der Auszahlung aus Mitteln aus der Insolvenzmasse ist dies regelmäßig der Schuldner selbst, da das Amt des Insolvenzverwalters mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) endet (§ 259 I);149 selbst bei Anordnung der Planüberwachung ist der Insolvenzverwalter nicht mehr für die Entscheidung über die Auszahlung zuständig (§ 261). Bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) muss der Nachweis allerdings gegenüber dem Insolvenzverwalter erbracht werden, sofern keine Eigenverwaltung angeordnet ist.150 Denn da dann allein der Insolvenzverwalter zur Verwaltung und Verfügung über die Insolvenzmasse befugt ist (§ 80), kann auch nur er über die Auszahlung der Ausgleichsmittel entscheiden. Im Falle einer Direktzahlung durch einen Beteiligten oder Dritten muss diesem gegenüber die Beteiligtenstellung und die Schlechterstellung nachgewiesen werden. Nur wenn es zum Streit über die Ausgleichsberechtigung kommt, ist Adressat dieses Nachweises auch das Gericht, das den Streit zu entscheiden hat. 66 Der Beteiligte, der Ausgleichsmittel beansprucht, muss nicht zuvor einen Versagungsantrag gestellt oder sofortige Beschwerde eingelegt haben.151 Dies folgt schon daraus, dass Abs 3 Versagungsanträge gerade vermeiden will; es wäre unsinnig, einen Beteiligten, der davon ausgeht, einen Anspruch auf Ausgleichsmittel zu haben, zu einem Versagungsantrag zu zwingen, den er selbst nicht für aussichtsreich hält.152 3. Ausgleichsklage

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Ob ein Anspruch auf Ausgleich besteht, ist nach Abs 3 S 2 außerhalb des Insolvenzverfahrens – also im Streitfall in einem normalen Erkenntnisverfahren – zu klären. Zuständig sind stets die ordentlichen Gerichte, auch wenn für die Entscheidung über das Bestehen der Forderung, hinsichtlich welcher die Schlechterstellung geltend gemacht wird, die Gerichte eines anderen Rechtswegs – zB die Finanzgerichte – oder eine Fachgerichtsbarkeit – zB die Arbeitsgerichte – zuständig gewesen wären.153 Dies gilt selbst dann, wenn das ordentliche Gericht im Rahmen der Ausgleichsklage als Vorfrage entscheiden muss, ob die rechtswegfremde Forderung besteht (§ 17 II GVG).154 Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach §§ 23, 71 GVG, die örtliche Zuständigkeit nach §§ 12 ff ZPO.155 Richtiger Klagegegner ist, entsprechend den Ausführungen zum Adressaten des Nachweises (Rn 65), bei Mitteln aus der Insolvenzmasse in der Regel der Schuldner,156 bei Mitteln eines Dritten dieser.157 Richtige Klageart ist die Leistungsklage in Gestalt einer Zahlungsklage gegen den Schuldner oder einen Dritten, der sich zur Direktzahlung verpflichtet hat;158 nur ausnahmsweise reicht eine Feststellungsklage aus.159

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Vgl MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 43. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 251 Rn 25; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 43. AA Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 153. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 8; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 45. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 24; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 41. Vgl MünchKomm/Zimmermann ZPO4 § 17 GVG Rn 13; aA Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 155. Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 155; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 41.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 25; Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 155; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 43. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 25; Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 155; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 44. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 25; Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 155; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 46. Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 155; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 46; etwas unklar Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 251 Rn 8: „Feststellungs- oder sogar Leistungsklage“.

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Bekanntgabe der Entscheidung

§ 252

Die Klage ist begründet, wenn das Gericht die Beteiligung und die Schlechterstellung 68 für erwiesen erachtet, dem Anspruch keine im Insolvenzplan vorgesehene Ausschlussfrist entgegensteht,160 er nicht verjährt ist und die im Plan vorgesehenen Ausgleichsmittel im Falle einer höhenmäßigen Beschränkung im Plan (vgl Abs 3 S 2: „aus diesen Mitteln“) noch nicht erschöpft161 sind. Es handelt sich um ein herkömmliches zivilprozessuales Erkenntnisverfahren, für das 69 die allgemeinen Regeln gelten.162 Die Sammlung des Tatsachenstoffs folgt der Verhandlungsmaxime, nicht dem Untersuchungsgrundsatz. Für Fragen der Begründetheit gelten grundsätzlich die Regeln des Strengbeweises. Beweismaß ist die volle richterliche Überzeugung (§ 286 ZPO).163 Die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Bestehens des Anspruchs trägt der Beteiligte als derjenige, der den Anspruch geltend macht.164 Waren die Ausgleichsmittel im Plan ihrer Höhe nach beschränkt, wurden sie aber nicht 70 in vollem Umfang in Anspruch genommen, so wird ein ausgleichsverpflichteter Dritter frei; waren die Mittel aus der Insolvenzmasse aufgebracht, fallen sie an den Schuldner, sofern der Plan in seinem gestaltenden Teil nichts anders – etwa eine Verteilung an bestimmte Plangläubiger165 – vorsieht.166 Eine solche „Abschöpfung“ kann sich empfehlen, um die Voraussetzungen des § 245 II Nr 2 zu erfüllen (vgl § 245 Rn 41).

§ 252 Bekanntgabe der Entscheidung (1) 1Der Beschluß, durch den der Insolvenzplan bestätigt oder seine Bestätigung versagt wird, ist im Abstimmungstermin oder in einem alsbald zu bestimmenden besonderen Termin zu verkünden. 2§ 74 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. (2) 1Wird der Plan bestätigt, so ist den Insolvenzgläubigern, die Forderungen angemeldet haben, und den absonderungsberechtigten Gläubigern unter Hinweis auf die Bestätigung ein Abdruck des Plans oder eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts zu übersenden. 2Sind die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen, so sind auch diesen die Unterlagen zu übersenden; dies gilt nicht für Aktionäre oder Kommanditaktionäre. 3Börsennotierte Gesellschaften haben eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts des Plans über ihre Internetseite zugänglich zu machen. Materialien: DiskE § 288 (S 146); RefE § 288 (S 167); RegE § 299 (BT-Drucks 12/2443, S 56); Rechtsausschuss § 299 (BT-Drucks 12/7302, S 108); RegE ESUG § 252 nF (BT-Drucks 17/5712, S 11). Vorgängerregelungen: § 185 KO, § 78 III, 4 VglO.

160

161 162

Zu deren Zulässigkeit K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 26; Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 155 f; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 46 unter Verweis auf BGH NZI 2010, 734, 735 Rn 9 ff. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 20, 25; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 48. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 25 aE; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 47.

163 164 165 166

K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 25 aE; Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 155. Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 155. Blankenburg ZInsO 2015, 1293, 1296. IE wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 27; Lehmann/Rühle NZI 2015, 151, 156; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 49.

Christoph Kern

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§ 252

Sechster Teil. Insolvenzplan

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . II. Verkündung (Abs 1) . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit . . . . . . . . . . . 2. Zeit und Ort . . . . . . . . . . . . a) Im Abstimmungstermin . . . . . b) Besonderer Verkündungstermin 3. Durchführung der Verkündung . . 4. Rechtsfolgen der Verkündung . . .

. . . . . . . . . .

Rn.

Rn. 1 1 2 5 5 6 7 8 12 13

III. Mitteilung bzw Veröffentlichung des Plans (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . 1. Nur bei Bestätigung . . . . . . . . 2. Unterrichtung durch Übersendung von Unterlagen (Abs 2 S 1, 2) . . 3. Bekanntgabe auf der Internetseite (Abs 2 Satz 3) . . . . . . . . . . .

. . . .

14 14

. .

16

. .

20

I. Einleitung 1. Überblick

1

§ 252 regelt in Abs 1 die Verkündung des Beschlusses über die Erteilung oder Versagung der Bestätigung (Rn 5 ff), in Abs 2 für den Fall der Bestätigung des Insolvenzplans verschiedene Formen der besonderen Unterrichtung der Beteiligten (Rn 14 ff). 2. Entstehungsgeschichte

2

In der Konkursordnung bestimmte § 185 in allgemeiner Form, dass der Beschluss über Bestätigung oder Verwerfung des Zwangsvergleichs verkündet wird. Die Vergleichsordnung sah in § 78 III VglO für die Verkündung der Entscheidung über den Vergleich zusätzlich schon vor, dass diese im Vergleichstermin oder einem alsbald zu bestimmenden, nicht über eine Woche hinaus anzusetzenden Termin zu erfolgen hatte; § 78 IV VglO ordnete eine dem heutigen Abs 2 S 1 ähnliche Mitteilung an. 3 In den Entwürfen waren Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1 bereits im Wesentlichen enthalten; absonderungsberechtigten Gläubigern sollte die Mitteilung nach Abs 2 S 1 aber nur gemacht werden, wenn ihnen der Schuldner nicht persönlich haftete oder sie ihre Forderungen nicht angemeldet hatten.1 Der Rechtsausschuss bezog dann alle absonderungsberechtigten Gläubiger ein und sah statt der Mitteilung des wesentlichen Inhalts des Plans die Mitteilung einer Zusammenfassung seines Inhalts oder eines Abdrucks des Plans vor.2 Noch vor Inkrafttreten wurde dann durch Art 2 Nr 15 EGInsOÄndG3 Abs 1 S 2 hinzugefügt. 4 Das ESUG,4 das erstmals eine Einbeziehung von Anteilsinhabern in den Plan erlaubte, ergänzte durch seinen Art 1 Nr 39 den Abs 2 um die Sätze 2 und 3 mit Wirkung vom 1.3.2012.

1 2

DiskE § 288 (S 146); RefE § 288 (S 167); RegE § 299 (BT-Drucks 12/2443, S 56). Rechtsausschuss § 299 (BT-Drucks 12/7302, S 108).

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3 4

G v 19.12.1998, BGBl I, S 3836, 3839. G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582, 2586.

Christoph Kern

Bekanntgabe der Entscheidung

§ 252

II. Verkündung (Abs 1) 1. Notwendigkeit Abs 1 S 1 besagt zunächst, dass der Beschluss über die Bestätigung des Insolvenzplans 5 oder die Versagung der Bestätigung verkündet werden muss. Hieran könnte man zweifeln, da der Entscheidung zwar ein Erörterungs- und Abstimmungstermin vorangeht, dieser aber keine mündliche Verhandlung im engeren Sinne darstellt, sodass das Verkündungserfordernis des § 329 I S 1 ZPO, das über § 4 gilt, nicht greifen könnte.5 Mit der Verkündung wird die Entscheidung existent und wirksam.6 Wichtig ist die Verkündung im Übrigen für den Beginn der Frist zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde (§ 6 III) gem § 253 (§ 253 Rn 8) und mithin für den Eintritt der Rechtskraft.7 2. Zeit und Ort Abs 1 S 1 sieht weiter die Verkündung im – also während und am Ort von – Ab- 6 stimmungstermin oder einem alsbald zu bestimmenden besonderen Termin vor. Die Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten steht im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts,8 wobei freilich vor einer Verkündung feststehen muss, ob die Voraussetzungen einer Planbestätigung vorliegen, mithin sämtliche Voraussetzungen geprüft sein müssen.9 Sofortige Verkündung im Abstimmungstermin kommt in Betracht, wenn das Gericht vor seiner Entscheidung keine weiteren und ggf schwierigen Fragen zu prüfen hat, insbesondere wenn keine Planänderung vorgenommen wurde, keine Bedingung vorgesehen ist, die Annahme des Insolvenzplans nicht auf einer Zustimmungsfiktion beruhen soll und kein Widerspruch erhoben wurde, der einen Versagungsantrag oder eine sofortige Beschwerde erwarten lässt.10 a) Im Abstimmungstermin. Abstimmungstermin ist sowohl der gemeinsame Erörte- 7 rungs- und Abstimmungstermin (§ 235) als auch der gesonderte Abstimmungstermin (§ 241);11 wurde der Termin vertagt, so ist die Verkündung im vertagten Termin eine Verkündung im Abstimmungstermin.12 b) Besonderer Verkündungstermin. Ein besonderer Verkündungstermin ist alsbald zu 8 bestimmen. „Alsbald“ ist großzügiger als „sofort“, wie dies § 310 I S 1 ZPO für das Urteil und über § 329 I S 2 ZPO für zu verkündende Beschlüsse vorsieht; es bedarf also – wie auch aus Abs 1 S 2 iVm § 74 II S 2 folgt – nicht der Bestimmung eines Verkündungstermins im Abstimmungstermin selbst. Der neue Termin muss aber „alsbald“ bestimmt werden. Hierunter ist eine Bestimmung innerhalb der nächsten Tage zu verstehen.

5 6 7

8 9

Vgl Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 252 Rn 1. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 252 Rn 2. FK/Jaffé InsO9 § 252 Rn 1; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 2; HambK/ Thies InsO6 § 252 Rn 1; BK/Flöther InsO61 § 252 Rn 1. MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 3. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 6; FK/Jaffé InsO9 § 252 Rn 5.

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12

Ähnlich MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 8 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 252 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 252 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 4. Braun/Braun/Frank InsO7 § 252 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 252 Rn 1; Hess/ Hess Insolvenzrecht2 § 252 Rn 6. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 252 Rn 1.

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§ 252

Sechster Teil. Insolvenzplan

9

Auch wenn das Gesetz nur die alsbaldige Bestimmung, nicht die alsbaldige Abhaltung des besonderen Verkündungstermins vorsieht,13 folgt doch aus dem Beschleunigungsgrundsatz, dass auch der Verkündungstermin möglichst zeitnah stattfinden soll. Die Drei-Wochen-Frist des § 310 I S 2 ZPO, die gem § 329 I S 2 ZPO auch für gem § 329 I S 1 ZPO zu verkündende Beschlüsse gilt, sollte auch für gem § 252 I S 1 zu verkündende Beschlüsse greifen;14 allerdings ist eine frühere Verkündung anzustreben. Hängt indes die Bestätigung von einer Bedingung ab, so ist der Termin grundsätzlich auf einen Zeitpunkt nach Ablauf einer im Plan vorgesehenen oder gerichtlich gesetzten Frist zu bestimmen; allerdings kann der Termin ggf vorverlegt werden, wenn die Bedingung eintritt oder ausfällt. 10 Zeit und Ort des besonderen Verkündungstermins sind grundsätzlich öffentlich bekanntzumachen.15 Dies gilt gem Abs 1 S 2 auf § 74 II S 2 nur dann nicht, wenn der besondere Verkündungstermin noch im Abstimmungstermin bestimmt – und die Bestimmung dort verkündet – wurde. 11 Eine Ladung der Beteiligten zu dem besonderen Verkündungstermin ist nicht erforderlich.16 Denn es handelt sich um einen Termin, der lediglich der Verkündung dient; eine aktive Teilnahme zur Einwirkung auf das Verfahren ist den Beteiligten ist diesem Termin nicht mehr möglich.17 3. Durchführung der Verkündung

12

Die Verkündung erfolgt mündlich, wobei der Tenor nicht zuvor schriftlich abgefasst sein muss;18 wenn weder ein Beteiligter noch der Insolvenzverwalter oder Schuldner erscheint, genügt analog § 311 II S 2 ZPO die Bezugnahme. Zu verkünden sind neben dem Tenor wegen der Beschwerdemöglichkeit auch die Entscheidungsgründe.19 Seit Einführung des § 232 ZPO ist auch eine Rechtsbehelfsbelehrung erforderlich (§ 4 iVm § 232

13 14

15

16

AA MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 10. AA BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 252 Rn 3: eine Woche; HambK/Thies InsO6 § 252 Rn 3: zwei Wochen; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 7: keine pauschale zeitliche Obergrenze; BK/Flöther InsO61 § 252 Rn 3: Monatsfrist. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 252 Rn 1; Braun/Braun/Frank InsO7 § 252 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 252 Rn 1; MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 9; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 252 Rn 1. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 252 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 252 Rn 1; MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 9, 12; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 252 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 252 Rn 6; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 9; aA Begr RegE § 299 (BT-Drucks 12/2443, S 212); Braun/Braun/Frank InsO7 § 252 Rn 2; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 252 Rn 1, 6; HambK/Thies InsO6 § 252 Rn 3; wohl

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BK/Flöther InsO61 § 252 Rn 3; offen BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 252 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 252 Rn 2. MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 12. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 252 Rn 5; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 252 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 252 Rn 2; MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 7; Nerlich/Römermann/ Braun InsO33 § 252 Rn 1; FK/Jaffé InsO9 § 252 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 10; HK/Haas InsO9 § 252 Rn 3; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 252 Rn 4. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 252 Rn 5; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 252 Rn 3; MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 7; Nerlich/Römermann/ Braun InsO33 § 252 Rn 1; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 10; HK/Haas InsO9 § 252 Rn 3; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 252 Rn 4; HambK/Thies InsO6 § 252 Rn 4.

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Bekanntgabe der Entscheidung

§ 252

ZPO).20 Die Entscheidung und ihre Verkündung wird ins Terminsprotokoll aufgenommen (§ 4 iVm § 160 III Nr 6, 7 ZPO).21 4. Rechtsfolgen der Verkündung Mit der Verkündung beginnt die zweiwöchige Beschwerdefrist zu laufen (§ 6 II Hs 1, 13 § 4 iVm § 569 I S 1 ZPO).22 Ein bestätigter Plan wird allerdings erst mit Rechtskraft wirksam (§ 254 I). Für die Frage, ob der Verwalter mit der Verwertung fortfahren oder die Verwertung einstellen soll, kommt es grundsätzlich auf die Rechtskraft des Beschlusses an.23

III. Mitteilung bzw Veröffentlichung des Plans (Abs 2) 1. Nur bei Bestätigung Abs 2 verlangt eine besondere Mitteilung bzw Veröffentlichung des Planinhalts nur im 14 Falle der Bestätigung des Insolvenzplans, nicht im Falle der Versagung der Bestätigung. Dies erklärt sich daraus, dass der Bestätigungsbeschluss den Plan selbst nicht enthält, sondern nur auf ihn Bezug nimmt (§ 248 Rn 23).24 Durch die Übersendung bzw Veröffentlichung eines Abdrucks des Plans bzw seines wesentlichen Inhalts werden Unsicherheiten über den Planinhalt bei den Beteiligten vermieden.25 Für die Wirksamkeit der Verkündung, den Beginn der Beschwerdefrist und das Wirksamwerden des Insolvenzplans ist die Übersendung bzw Veröffentlichung des Planinhalts unerheblich; unterbleibt sie oder ist sie fehlerhaft, so steht den Betroffenen mangels Beschwer kein Rechtsbehelf zu.26 Zulässigerweise kann die Übersendung bzw Veröffentlichung ganz ausnahmsweise unterbleiben, wenn es sich um einen besonders einfachen Plan handelt, alle Beteiligten bereits mit der Ladung zum Erörterungs- und Abstimmungstermin einen Abdruck des Plans oder eine Zusammenfassung erhalten haben und der Plan zwischenzeitlich nicht mehr geändert wurde.27 Die Praxis sollte sich allerdings vor der abwertenden Aussage, die Übersendung sei in derartigen Fällen eine „bloße Förmelei“,28 hüten; die Begründung, eine Übersendung sei aus näher beschriebenen Gründen ausnahmsweise nicht erforderlich, reicht aus und vermeidet ein unnötige Abwertung prozessualer Formen, die vor richterlicher Willkür oder auch nur Überheblichkeit schützen.

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BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 252 Rn 5; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 252 Rn 6; wohl BK/Flöther InsO61 § 252 Rn 4; aA unter Verweis auf die vor Einführung des § 232 ZPO ergangene Entscheidung BGH NZI 2004, 85 K Schmidt/Spliedt InsO19 § 252 Rn 1; Nerlich/ Römermann/Braun InsO33 § 252 Rn 1 aE; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 10; HambK/Thies InsO6 § 252 Rn 4. Braun/Braun/Frank InsO7 § 252 Rn 3; MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 252 Rn 1; FK/ Jaffé InsO9 § 252 Rn 6; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 10; HK/Haas

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InsO9 § 252 Rn 3; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 252 Rn 4. S nur BGH NZI 2004, 85, 86. Näher MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 15–20, 33–35. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 252 Rn 2. MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 28. MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 28; aA Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 252 Rn 4 aE: bis zur Rechtskraft sofortige Beschwerde; indes fehlt es an der Beschwer. Ohne jede inhaltliche Anforderung BeckOK/ Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 252 Rn 6. AG Ludwigshafen NZI 2016, 918.

Christoph Kern

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§ 252 15

Sechster Teil. Insolvenzplan

Auch wenn gesetzlich nicht ausdrücklich vorgeschrieben, erscheint es geboten, die Versagung der Bestätigung dem Vorlegenden mitzuteilen. Diese Mitteilung kann formlos erfolgen. 2. Unterrichtung durch Übersendung von Unterlagen (Abs 2 S 1, 2)

16

Adressaten der Bekanntgabe durch Übersendung von Unterlagen sind gem Abs 2 S 1 die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, und die absonderungsberechtigten Gläubiger, gem Abs 2 S 1 Anteilsinhaber, die in den Plan einbezogen wurden und nicht Aktionäre oder Kommanditaktionäre sind. Unerheblich sind die Stimmberechtigung und die Beteiligung an der Abstimmung.29 Der Ausschluss der Aktionäre und Kommanditaktionäre läuft mit § 235 III S 3 Hs 2 parallel und erklärt sich wie dort aus der typischerweise größeren Zahl und Ferne von Aktionären und Kommanditaktionären sowie deren Einsichtsrechten (§ 235 Rn 64).30 17 Zu übersendende Unterlagen sind ein Dokument mit dem Hinweis, dass der Insolvenzplan bestätigt wurde, sowie ein Abdruck des Plans oder eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts.31 Wird ein Abdruck des Plans übersandt, so muss er vollständig sein und grundsätzlich auch die Anlagen enthalten, es sei denn, diese sind zum Verständnis ohne Belang. Eine Zusammenfassung muss mindestens die wesentlichen Gestaltungswirkungen für die Beteiligten enthalten; den sonstigen Umfang bestimmt ggf das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei es berücksichtigen kann, dass schon mit der Ladung zum Erörterungs- und Abstimmungstermin ein Abdruck oder eine Zusammenfassung übersandt wurden, sofern zwischenzeitlich keine Planänderung erfolgte.32 Auch die Entscheidung zwischen der Übersendung eines Abdrucks oder einer Zusammenfassung trifft das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen;33 leitende Gesichtspunkte sind die Bedeutung des Wortlauts der Planregelungen, ihre Verständlichkeit, der Umfang des Plans, Sinnhaftigkeit und Aufwand einer Zusammenfassung. Die Zusammenfassung können der Planvorleger, der Insolvenzverwalter oder das Insolvenzgericht fertigen;34 hat das Insolvenzgericht nicht selbst die Zusammenfassung gefertigt, so muss es diese zumindest kursorisch überprüfen. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen von Beteiligten ist zulässig; Beteiligte, die derselben Gruppe angehören, sind aber in gleicher Weise zu informieren. Bei Abweichungen zwischen dem Inhalt des rechtskräftig bestätigten Plans und den übersandten Unterlagen, insbesondere der Zusammenfassung, entscheidet allein der Planinhalt.35 29

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 252 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 13; MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 1. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 252 Rn 3; BK/Flöther InsO61 § 252 Rn 7; FK/Jaffé InsO9 § 252 Rn 10; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 252 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 252 Rn 13; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 252 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 252 Rn 2. BK/Flöther InsO61 § 252 Rn 6; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehner InsO4 § 252 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 252 Rn 4; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 252 Rn 9; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 11. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 252 Rn 3; noch weitergehend MünchKomm/Sinz InsO3

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§ 252 Rn 25, der deshalb generell von geringeren inhaltlichen Anforderungen ausgeht; sa HambK/Thies InsO6 § 252 Rn 5. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 252 Rn 6; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 252 Rn 21. Teilweise aA BK/Flöther InsO61 § 252 Rn 8: Gericht, das aber bereits zuvor auf eine Zusammenfassung durch den Vorlegenden hinwirken kann; HambK/Thies InsO6 § 252 Rn 5: Planvorleger; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 252 Rn 9: nur das Insolvenzgericht; Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 252 Rn 4: nicht das Insolvenzgericht. Vgl BGHZ 199, 344, 349 = NZI 2014, 262, 263 Rn 18.

Christoph Kern

Rechtsmittel

§ 253

Die Form der Übersendung ist nicht festgelegt. Sie kann daher formlos erfolgen. Eine 18 Zustellung ist jedenfalls nicht erforderlich.36 Auch eine Übersendung in elektronischer Form reicht aus, wobei die Dokumente keiner qualifizierten elektronischen Signatur bedürfen. Die Ausführung obliegt dem Gericht. Eine Übertragung auf den Insolvenzverwalter ist 19 nicht möglich, da § 8 III mangels Zustellungsnotwendigkeit (Rn 18) nicht greift;37 wohl aber kann dieser im Auftrag des Gerichts in die Ausführung eingebunden sein.38 Aus Sicht des Gerichts mag sich empfehlen, den Planvorleger gem § 235 III S 2 vor dem Erörterungsund Abstimmungstermin zur Erstellung einer Zusammenfassung aufzufordern.39 3. Bekanntgabe auf der Internetseite (Abs 2 Satz 3) Abs 2 S 3 sieht vor, dass börsennotierte Gesellschaften (§ 3 II AktG) eine Zusammen- 20 fassung des wesentlichen Planinhalts über ihre Internetseite zugänglich machen müssen. Adressaten auch dieser Veröffentlichung sind die Beteiligten, weshalb es zulässig ist, mithilfe eines Passworts oder eines geschützten Bereichs nur diesen den Zugang zu der Veröffentlichung zu ermöglichen (vgl § 235 Rn 76).40 Wortlaut und Systematik ist nicht zu entnehmen, dass dies nur im Falle einer Einbeziehung der Anteilsinhaber der Fall sein soll; es ist daher von einer uneingeschränkten Pflicht auszugehen. Hinzuzufügen ist zur Abgrenzung von § 235 III S 4 Hs 2 der Hinweis, dass der Plan bestätigt wurde.

§ 253 Rechtsmittel (1) Gegen den Beschluss, durch den der Insolvenzplan bestätigt oder durch den die Bestätigung versagt wird, steht den Gläubigern, dem Schuldner und, wenn dieser keine natürliche Person ist, den am Schuldner beteiligten Personen die sofortige Beschwerde zu. (2) Die sofortige Beschwerde gegen die Bestätigung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer 1. dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen hat, 2. gegen den Plan gestimmt hat und 3. glaubhaft macht, dass er durch den Plan wesentlich schlechtergestellt wird, als er ohne einen Plan stünde, und dass dieser Nachteil nicht durch eine Zahlung aus den in § 251 Absatz 3 genannten Mitteln ausgeglichen werden kann. 36

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BK/Flöther InsO61 § 252 Rn 8; HambK/ Thies InsO6 § 252 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 252 Rn 3; MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 26; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 252 Rn 2. BK/Flöther InsO61 § 252 Rn 8; FK/Jaffé InsO9 § 252 Rn 13; Graf-Schlicker/Kebekus/ Wehner InsO4 § 252 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 252 Rn 5 mit dem Hinweis, dass dies in der Praxis aber üblich sei; HK/Haas InsO9 § 252 Rn 4; Hess/Hess Insolvenzrecht2 § 252 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74

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§ 252 Rn 12; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 252 Rn 3; MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 22; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 252 Rn 2. BeckOK/Geiwitz/v Danckelmann InsO9 (26.01.2018) § 252 Rn 8; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 252 Rn 24. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 252 Rn 12; MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 23. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 252 Rn 3; aA MünchKomm/Sinz InsO3 § 252 Rn 21.

Christoph Kern

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§ 253

Sechster Teil. Insolvenzplan

(3) Absatz 2 Nummer 1 und 2 gilt nur, wenn in der öffentlichen Bekanntmachung des Termins (§ 235 Absatz 2) und in den Ladungen zum Termin (§ 235 Absatz 3) auf die Notwendigkeit des Widerspruchs und der Ablehnung des Plans besonders hingewiesen wurde. (4) 1Auf Antrag des Insolvenzverwalters weist das Landgericht die Beschwerde unverzüglich zurück, wenn das alsbaldige Wirksamwerden des Insolvenzplans vorrangig erscheint, weil die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Beschwerdeführer überwiegen; ein Abhilfeverfahren nach § 572 Absatz 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung findet nicht statt. 2Dies gilt nicht, wenn ein besonders schwerer Rechtsverstoß vorliegt. 3Weist das Gericht die Beschwerde nach Satz 1 zurück, ist dem Beschwerdeführer aus der Masse der Schaden zu ersetzen, der ihm durch den Planvollzug entsteht; die Rückgängigmachung der Wirkungen des Insolvenzplans kann nicht als Schadensersatz verlangt werden. 4Für Klagen, mit denen Schadensersatzansprüche nach Satz 3 geltend gemacht werden, ist das Landgericht ausschließlich zuständig, das die sofortige Beschwerde zurückgewiesen hat. Materialien: DiskE § 289 (S 146); RefE § 289 (S 167); RegE § 300 (BT-Drucks 12/2443, S 56); Rechtsausschuss § 300 (BT-Drucks 12/7302, S 108); RegE ESUG § 253 nF (BT-Drucks 17/5712, S 11); Rechtsausschuss ESUG § 253 nF (BT-Drucks 17/7511, S 16 f). Vorgängerregelungen: § 189 KO; § 80 II VglO; § 20 GesO. Literatur Böcker Gesellschaftsrecht versus Insolvenzrecht oder Suhrkamp: Verfall eines Verlages (Fortsetzung III), DZWIR 2015, 10; Bork Grundfragen des Restrukturierungsrechts, ZIP 2010, 397; Brinkmann Wege aus der Insolvenz eines Unternehmens – oder: Die Gesellschafter als Sanierungshindernis, WM 2011, 97; Brünkmans Der Rechtsschutz gegen den Bestätigungsbeschluss des Insolvenzplans vor dem Hintergrund des insolvenzrechtlichen Freigabeverfahrens nach § 253 Abs. 4 InsO, ZInsO 2014, 993; Brünkmans/Uebele Rechtsschutz gegen missbräuchliche Insolvenzanträge und insolvenzzweckwidrige Insolvenzpläne? ZInsO 2014, 265; Cranshaw Schranken missbräuchlicher Insolvenzpläne – Konkurrenzen zwischen Schuldner und Absonderungsberechtigten, ZfIR 2017, 690; Eidenmüller Prognoseentscheidungen im Insolvenzplanverfahren: Verfahrenslähmung durch Minderheitenschutz? NJW 1999, 1837; G Fischer Das neue Rechtsmittelverfahren gegen den Beschluss, durch den der Insolvenzplan bestätigt wird, NZI 2013, 513; Halfmeier Sind die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage bei der Interessenabwägung im Freigabeverfahren der §§ 16 Abs 3 UmwG, 246a AktG zu berücksichtigen? WM 2006, 1465; Heinrich Insolvenzplan „reloaded“ – Zu den Änderungen im Insolvenzplanverfahren durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, NZI 2012, 235; Landfermann Das neue Unternehmenssanierungsgesetz (ESUG), WM 2012, 821; Lehmann/Rühle Das beschleunigte Zurückweisungsverfahren gem. § 253 IV InsO in der Praxis, NZI 2014, 889; Madaus Möglichkeit und Grenzen einer Reform der Rechtsmittel gegen den Beschluss über die Insolvenzplanbestätigung, NZI 2010, 530; ders Keine Reorganisation ohne die Gesellschafter, ZGR 2011, 749; ders Die Rechtsbehelfe gegen die Planbestätigung nach dem ESUG, NZI 2012, 597; Martini/Horstkotte Häufige Fehler bei der Aufstellung von Insolvenzplänen und der Durchführung von Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2017, 1913; Meyer Der Plan ist umgesetzt, doch manche Frage offen – Zwischenfazit zum Suhrkamp-Insolvenzverfahren, DB 2015, 538; Pleister/Tholen Zum Siegeszug des insolvenzrechtlichen Freigabeverfahrens, ZIP 2015, 414; Schäfer Suhrkamp und die Folgen – Konsequenzen aus dem vorläufigen Abschluss des Suhrkamp-Insolvenzverfahrens, ZIP 2015, 1208; ders Unzulässige Umgestaltung von Gesellschaftsanteilen im Insolvenzplan, ZIP 2014, 2417; Schröder Rechtlos im Insolvenzplanverfahren? Über den mangelnden Rechtsschutz nachrangiger Gläubiger bei Streit über den zu erwartenden Übererlös, ZInsO 2014, 2069; Skauradszun/Spahlinger/Tresselt Insolvenzpläne auf dem Prüfstand, DZWIR 2015, 539; Skauradszun Suhrkamp – Allgemeines Beschwerdeverfahrensrecht versus § 253 Abs. 4 InsO, DZWIR 2014, 338; ders Insolvenzpläne unter Beschuss – Erfahrungen, Strategien und Prognosen, DB 2014, 2694; Smid Zu den Grenzen der sofortigen Beschwerde gegen einen Insolvenzplan, DZWIR 2005, 364; ders Zu Fragen von Rechtsmitteln und rechtsbeschwerdegerichtlichen Entscheidungen im Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2014, 1873 und 2078; Weßling Zur nichtigen Stimmabgabe im Abstimmungstermin über einen Insolvenzplan, ZInsO 2017, 1595.

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Christoph Kern

Rechtsmittel

§ 253

Übersicht I.

II. III.

IV.

Rn. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . 2 Eröffnung der sofortigen Beschwerde (Abs 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Beschwerdeberechtigung (Abs 1) . . 6 2. Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 8 a) Einlegungsgericht . . . . . . . . . 8 b) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . 9 c) Form . . . . . . . . . . . . . . . . 10 d) Beschwer . . . . . . . . . . . . . 11 aa) Beschwerde gegen die Versagung der Planbestätigung . 12 bb) Beschwerde gegen die Planbestätigung . . . . . . . . . . 13 e) Beteiligung . . . . . . . . . . . . 15 3. Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen (Abs 2, 3) . . . . . . . . . 17 a) Widerspruch gegen den Plan (Abs 2 Nr 1, Abs 3) . . . . . . . . 19 b) Ablehnung des Plans in der Abstimmung (Abs 2 Nr 2, Abs 3) 24 c) Wesentliche Schlechterstellung ohne Ausgleich (Abs 2 Nr 3) . . . 29 aa) Wesentliche Schlechterstellung . . . . . . . . . . . . 29 bb) Kein Ausgleich aus im Plan vorgesehenen Mitteln . . . . 33 cc) Glaubhaftmachung . . . . . 36 Begründetheit der sofortigen Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Allgemeine Regeln . . . . . . . . . . 37 a) Prüfungsinhalt . . . . . . . . . . 37 b) Tatsachenstoff . . . . . . . . . . . 41 c) Beweismaß . . . . . . . . . . . . 42 d) Beweismittel . . . . . . . . . . . . 43 e) Feststellungslast . . . . . . . . . . 44

Rn. 2. Unverzügliche Zurückweisung der sofortigen Beschwerde (Abs 4) . . . . a) Hintergründe . . . . . . . . . . . b) Einordnung und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag des Insolvenzverwalters . aa) Antragsberechtigung . . . . . bb) Antragsvoraussetzungen . . . cc) Zeitliche Grenzen . . . . . . dd) Adressat des Antrags . . . . . ee) Form . . . . . . . . . . . . . d) Prüfungsinhalt . . . . . . . . . . . aa) Überwiegendes Vollzugsinteresse . . . . . . . . . . . . bb) Kein besonders schwerer Rechtsverstoß . . . . . . . . . e) Tatsachenstoff und Beweis . . . . f) Verfahren . . . . . . . . . . . . . V. Entscheidungsinhalte, Anfechtungsmöglichkeit und Rechtskraft . . . . . . 1. Unzulässige Beschwerde . . . . . . . 2. Zulässige Beschwerde . . . . . . . . . a) Allgemeine Regeln . . . . . . . . aa) Unbegründete Beschwerde . . bb) Begründete Beschwerde . . . b) Bei Antrag nach Abs 4 . . . . . . aa) Unverzügliche Zurückweisung bb) Keine unverzügliche Zurückweisung wegen besonders schweren Rechtsverstoßes . . cc) Keine unverzügliche Zurückweisung mangels überwiegenden Vollzugsinteresses VI. Schadensersatzanspruch gem Abs 4 S 3, 4 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . a) Unverzügliche Zurückweisung . . b) Erfolgsausaussichten der Beschwerde . . . . . . . . . . . . 2. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . 3. Durchsetzung . . . . . . . . . . . . .

45 45 46 48 48 49 51 52 53 54 55 58 59 62 65 65 67 67 67 69 72 72

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Alphabetische Übersicht Abstimmungs- und Erörterungstermin 19–28, 69 Amtsermittlungsgrundsatz 41, 58 Anteilsinhaber 6, 12, 14, 19 Ausgleichsmittel 33–35 Aussonderungsberechtigte 6 Beschwerdefrist 9, 36 Beschwerdeschrift 10 Beteiligungsrecht 15–16 Beweismittel 23, 28, 43 Beweislast 44, 61 Beweismaß 36, 42, 60 Devolutiveffekt 62 Formelle Beschwer 12–13, 19–28 Freigabeverfahren 45–46, 73 Insolvenzgläubiger 6, 12, 19 Insolvenzverwalter 7, 16, 48 Ladung zum Termin 20, 26

Massegläubiger 6 Materielle Beschwer 12–13, 29–36 Öffentliche Bekanntmachung 19–20, 26 Prüfungsmaßstab 37–41, 54–58 Prüfungsreihenfolge 63–65 Rechtsbeschwerde 47, 51, 6365, 67, 69, 73–74, 76, 79, 81 Rechtskraft 51, 66, 68, 71, 75, 77 Rechtsmittel 73 Schadensersatz 81–85 Stimmrechtsfestsetzung 25 Verfahrensfehler 68–69 Verfassungsrecht 18, 30, 37, 73 Versagungsantrag gem § 251 22, 39 Wesentlichkeit 30 Zurückweisungsantrag 48–53 Zuständigkeit 47, 52, 62–63, 69, 79, 85

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§ 253

Sechster Teil. Insolvenzplan

I. Einleitung 1. Überblick

1

Gegen die Bestätigung des Insolvenzplans oder deren Versagung gewährt § 253 in I das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (Rn 5). Für eine sofortige Beschwerde gegen die Bestätigung des Plans enthält Abs 2 einschränkende Zulässigkeitsvoraussetzungen, die Abs 3 dann teils ihrerseits von einem Hinweis abhängig macht (Rn 17 ff); Abs 4, der dem aktienrechtlichen Freigabeverfahren des § 246a AktG nachempfunden ist, erlaubt eine unverzügliche Zurückweisung der Beschwerde bei überwiegendem Interesse am Planvollzug und regelt deren Konsequenzen (Rn 45 ff). 2. Entstehungsgeschichte

2

Die Konkursordnung gewährte Gemeinschuldner und einfachen Konkursgläubigern, die stimmberechtigt waren oder ihre Forderung glaubhaft machten, gegen die Bestätigung des Zwangsvergleichs oder deren Versagung die sofortige Beschwerde (§ 189 KO). Die Vergleichsordnung erlaubte nur dem Schuldner eine sofortige Beschwerde gegen die Eröffnung des Konkursverfahrens, in deren Rahmen allerdings die Versagung der Bestätigung angegriffen werden konnte (§ 80 II VglO). Unter der Gesamtvollstreckungsordnung war für den Schuldner und alle Betroffenen gegen alle Entscheidungen die sofortige Beschwerde eröffnet (§ 20 GesO). Regelungen, wie sie die heutigen Abs 2–4 vorsehen, hatten in diesen Gesetzen keine Vorläufer. Die Geschichte der Norm in den Entwürfen war wechselhaft. Im Diskussionsentwurf 3 war die Beschwerdeberechtigung auf solche Gläubiger beschränkt, die stimmberechtigt waren oder die Voraussetzungen ihres Stimmrechts nachträglich glaubhaft gemacht hatten; zudem enthielt die Norm noch in Abs 2 eine Vorschrift zum Beginn der Beschwerdefrist, welcher allerdings allgemein schon in § 6 II DiskE geregelt war.1 Der Referentenentwurf2 strich die am Stimmrecht anknüpfenden Einschränkungen des Diskussionsentwurfs und gewährte allen Gläubigern die Beschwerdeberechtigung, um einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass gegen die Stimmrechtsfestsetzung kein Rechtsbehelf statthaft ist;3 damit entsprach die Vorschrift bis auf ein Detail in der Formulierung dem heutigen Abs 1. Abs 2 über den Fristbeginn entfiel, da er als überflüssig erkannt wurde.4 § 300 des Regierungsentwurfs übernahm die Fassung des Referentenentwurfs.5 Der Rechtsausschuss nahm wie beim Minderheitenschutz den am Schuldner beteiligten Personen die Rechtsbehelfsbefugnis (§ 251 Rn 3)6 und setzte sich damit vorerst durch.7 4 Art 1 Nr 40 ESUG8 brachte dann die heutige Fassung mit mehreren Absätzen, deren Abs 1 dem Referenten- und Regierungsentwurf fast wörtlich entspricht, worin wiederum eine Parallele zu § 251 InsO liegt (vgl § 251 Rn 3 f). Die Sonderregelungen zur sofortigen Beschwerde gegen die Bestätigung in Abs 2–4 lassen klar den gesetzgeberischen Willen erkennen, die zügige Verfahrensbeendigung durch einen Insolvenzplan zu fördern. Die Möglichkeit einer unverzüglichen Zurückweisung der Beschwerde (Abs 4) gelangte dabei erst

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DiskE § 289 (S 146). RefE § 289 (S 167). Begr zu § 289 RefE (S 299) mit Verweis auf Begr zu § 85 RefE (S 82). Begr zu § 289 RefE (S 299).

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RegE § 300 (BT-Drucks 12/2443, S 56). Rechtsausschuss § 300 (BT-Drucks 12/7302, S 108). G v 05.10.1994, BGBl I, S 2866, 2898. G v 07.12.2011, BGBl I, S 2582, 2586.

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Rechtsmittel

§ 253

auf Vorschlag des Rechtsausschusses, der ein in der Literatur9 vorbereitetes Petitum des Bundesrats aufgriff,10 in das Gesetz.11

II. Eröffnung der sofortigen Beschwerde (Abs 1) Abs 1 eröffnet die sofortige Beschwerde, die ohne eine derartige ausdrückliche gesetz- 5 liche Regelung nicht zur Verfügung stünde (§ 6 I), sowohl gegen den Beschluss, durch den der Insolvenzplan bestätigt wird, als auch gegen den Beschluss, durch den die Bestätigung versagt wird.

III. Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde 1. Beschwerdeberechtigung (Abs 1) Zur Einlegung der Beschwerde berechtigt sind die Insolvenzgläubiger einschließlich der 6 nachrangigen Insolvenzgläubiger, der Schuldner und bei Schuldnern, die keine natürlichen Personen sind, auch die am Schuldner beteiligten Personen, also die Anteilsinhaber. Massegläubiger12 und Aussonderungsberechtigte13 sind nicht beschwerdebefugt, es sei denn, sie werden fälschlicherweise in den Plan einbezogen.14 Nicht vorausgesetzt ist bei Insolvenzgläubigern und Anteilsinhabern die Stimmberechtigung.15 Nicht stimmberechtigte Gläubiger oder Anteilsinhaber können mit der Beschwerde zwar nicht eine etwaige Stimmrechtsentscheidung korrigieren lassen, da diese unanfechtbar ist, aber ihr Recht auf Minderheitenschutz (§ 251) verfolgen.16 Fehlt die Stimmberechtigung allerdings wegen nicht gegebener Betroffenheit (§ 237 II; § 238 II iVm § 237 II; § 238a II iVm § 237 II), ist die Beschwerde mangels Beschwer unzulässig; fehlt sie im Einzelfall deshalb, weil die Stellung des Rechtsmittelführers als Gläubiger oder Anteilsinhaber bestritten ist, so ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich der Beschwerdeführer auf die Beeinträchtigung seiner Rechte durch den Insolvenzplan beruft.17 Hat der ursprüngliche Gläubiger oder Anteilsinhaber sein Recht auf einen Treuhänder übertragen, so ist allein der Treuhänder beschwerdeberechtigt.18

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Bork ZIP 2010, 397, 411; Madaus NZI 2010, 430, 434; ein weitergehender Alternativvorschlag sah sogar die Aufhebung des Suspensiveffekts der sofortigen Beschwerde vor, hierfür noch Madaus NZI 2012, 597, 600. BT-Drucks 17/5712, S 58; dagegen BReg, BT-Drucks 17/5712, S 69 f. Rechtsausschuss § 253 (BT-Drucks 17/7511, S 16 f). K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 5. HK/Haas InsO9 § 253 Rn 2. LG Frankfurt aM NZI 2008, 110, 111; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 4; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 13. Massegläubiger sind auch beschwerdebefugt, wenn es sich um einen Plan bei Masse-

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unzulänglichkeit handelt; dazu aber krit Jaeger/Windel InsO § 208 Rn 84–88. Begr zu § 289 RefE (S 299) mit Verweis auf Begr zu § 85 RefE (S 82) bzw Begr zu § 300 RegE (BT-Drucks 12/2443, S 212) mit Verweis auf Begr zu § 89 RegE (BT-Drucks 12/ 2443, S 134 f); Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 253 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 6; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 253 Rn 7; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 § 253 Rn 8. BGH NZI 2009, 106, 107 Rn 10; ZInsO 2011, 280 f = ZIP 2011, 781 f (zu Gläubigern). BGH ZInsO 2011, 280 f = ZIP 2011, 781 f (zu Gläubigern). LG Wuppertal ZInsO 2016, 1164 f.

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§ 253 7

Sechster Teil. Insolvenzplan

Nicht beschwerdeberechtigt ist, wie der Bundesgerichtshof zutreffend in einem ausführlich begründeten Beschluss entschieden hat, der Insolvenzverwalter.19 Dies gilt auch für eine Beschwerde gegen die Bestätigung eines vom Insolvenzverwalter vorgelegten Plans. Ein Beschwerderecht kann auch nicht analog § 231 III begründet werden. Denn § 231 III beruht darauf, dass die Zurückweisung eines vom Insolvenzverwalter vorgelegten Plans diesen in seinem – ohnehin erst vom Gesetz begründeten – Planvorlagerecht berührt. Das Planvorlagerecht beschränkt sich aber darauf, dass der vorgelegte Plan das für seine Annahme vorgesehene Verfahren durchlaufen kann. Vom Planvorlagerecht nicht umfasst ist ein Anspruch auf Zustimmung durch die Beteiligten und den Schuldner und auf Betätigung durch das Gericht. Erst recht nicht beschwerdeberechtigt ist der Sachwalter bei angeordneter Eigenverwaltung und ein Plangarant iSd § 230 III, § 257 II als solcher.20 2. Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen

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a) Einlegungsgericht. Für die sofortige Beschwerde gelten zunächst die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen der § 6 und § 4 iVm §§ 567–572 ZPO. Danach ist die sofortige Beschwerde gem § 6 I S 2 beim iudex a quo einzulegen; die von § 569 I S 1 Alt 2 ZPO eröffnete Möglichkeit einer Einlegung beim Beschwerdegericht ist damit für Insolvenzverfahren ausgeschlossen.21

9

b) Frist. Es gilt eine Notfrist von zwei Wochen (§ 569 I S 1 ZPO), die gem § 6 II Alt 1 mit der von § 252 I S 1 vorgeschriebenen Verkündung der Entscheidung über die Bestätigung beginnt (§ 252 Rn 5);22 die Zustellung des Protokolls ist unerheblich.23 Lediglich wenn die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vorliegen, kann die Beschwerde noch innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen eingelegt werden (vgl § 569 I S 3 ZPO). Eine fehlerhafte Belehrung über die Frist gebietet eine Wiedereinsetzung (§ 4 iVm §§ 233 ff ZPO), sofern deren Voraussetzungen gegeben sind.24

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c) Form. Die Form bestimmt sich nach § 569 II, 3 ZPO.25 Danach ist die sofortige Beschwerde durch eine Beschwerdeschrift einzulegen, die den angegriffenen Beschluss bezeichnet und die Erklärung enthält, dass gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt werde (§ 569 II ZPO); da im Insolvenzverfahren kein Anwaltszwang gilt, kann die sofortige Beschwerde auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts eingelegt werden (§ 569 III ZPO).26

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d) Beschwer. Der Beschwerdeführer muss durch den angefochtenen Beschluss beschwert sein. Insoweit ist zwischen der Beschwerde gegen die Versagung der Planbestätigung und der Beschwerde gegen die Bestätigung des Plans zu unterscheiden.

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BGH NZI 2009, 230, 231 f Rn 11–14; ebenso zB Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 253 Rn 16; HambK/ Thies InsO6 § 253 Rn 6; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 3, 25; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 253 Rn 10; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 18 f; de lege ferenda krit Heinrich NZI 2012, 235, 241; Smid DZWIR 2010, 45, 58 f. MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 20 f.

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S nur HK/Haas InsO9 § 253 Rn 12. FK/Jaffé InsO9 § 253 Rn 28; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 12. BGH NZI 2004, 85, 86. BGHZ NZI 2004, 85; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 12; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 49 f. HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 12. MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 49.

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Rechtsmittel

§ 253

aa) Beschwerde gegen die Versagung der Planbestätigung. Der Schuldner ist durch die 12 Versagung der Planbestätigung schon dann beschwert, wenn er den Plan vorgelegt hat (formelle Beschwer).27 Materiell ist er beschwert, wenn er nach dem Plan Restschuldbefreiung (§ 227) oder andere Vorteile erhalten hätte.28 Die Gläubiger können mangels Planvorlageberechtigung nicht formell beschwert sein.29 Materiell beschwert ist ein Gläubiger – Insolvenzgläubiger, nachrangiger Insolvenzgläubiger oder Absonderungsberechtigter – immer dann, wenn er nach dem Plan etwas erhalten hätte.30 Ob der Gläubiger durch den Plan gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren besser oder schlechter gestellt wird, ist unerheblich.31 Denn zum ersten gilt Abs 2 Nr 3 nur für die Beschwerde gegen die Planbestätigung. Zum zweiten entspricht es dem Gedanken der Gläubigerautonomie, dass Gläubiger auch eine wirtschaftliche Schlechterstellung anstreben können, ohne hieran vom Gericht unter Verstoß gegen die §§ 248–253 gehindert zu werden; begründet ist eine solche Beschwerde freilich nur, wenn tatsächlich ein solcher Verstoß vorliegt.32 Zum dritten entlastet der Verzicht auf eine Prüfung der Besser- oder Schlechterstellung im Rahmen der Zulässigkeit das Verfahren, da es auf eine Schlechterstellung dann nur ankommt, wenn ein Verstoß gegen §§ 245 I Nr 1, 246 Nr 1, 248a III, 251 I Nr 2 gerügt wird. bb) Beschwerde gegen die Planbestätigung. Bis zum Inkrafttreten der durch das ESUG 13 eingeführten Abs 2–4 reichte als Beschwer eine beliebige materielle Beschwer aus. Es genügte, dass sich der Beschwerdeführer auf eine Beeinträchtigung seiner Rechte durch den Plan berief; eine – womöglich wesentliche – Schlechterstellung durch den Plan musste nicht dargetan oder gar glaubhaft gemacht werden.33 Mit Inkrafttreten der Abs 2–4 hat sich dies für Beschwerden gegen die Planbestätigung geändert. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Abs 2 Nr 1, 2 verlangen und konkretisieren nunmehr die formelle Beschwer (dazu sogleich Rn 19 ff).34 Zusätzlich verlangt und konkretisiert Abs 2 Nr 3 Hs 1 die materielle Beschwer dahingehend, dass nicht jede Beeinträchtigung ausreicht, sondern eine wesentliche Schlechterstellung glaubhaft gemacht werden muss (dazu Rn 29 ff);35 die Bereitstellung von Ausgleichsmitteln iSd § 251 III vermag die materielle Beschwer gem Abs 2 Nr 3 Hs 2 auszuschließen (dazu Rn 33 ff).36 Von vornherein nicht beschwert sind Absonderungsberechtigte, in deren Rechte nicht 14 eingegriffen wird (vgl § 222 I S 2 Nr 1 Hs 2), und Anteilsinhaber, die unberührt bleiben (§ 225a I). Nicht beschwert sind auch nachrangige Gläubiger, deren Rechte gem § 225 I als erloschen gelten, da diese Rechtsfolge nicht auf einer Planregelung beruht;37 sie sind hin-

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HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 10; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 11; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 25; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 41. HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 13; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 11; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 25; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 47; stets von einer formellen und materiellen Beschwer des Schuldners ausgehend Weßling ZInsO 2017, 1595, 1599. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 25. HK/Haas InsO9 § 253 Rn 11. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 26; aA MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 24. AA offenbar MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 24.

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BGHZ 163, 344, 347 = NZI 2005, 619, 620; BGH NZI 2010, 734, 736 Rn 26; 2012, 139, 140 Rn 7. BGHZ 202, 133, 136 = NJW 2014, 2436, 2437 Rn 9; Landfermann WM 2012, 821, 827. BGHZ 202, 133, 137 = NJW 2014, 2436, 2437 Rn 10: „Verschärfung der materiellen Beschwer“; ähnlich Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 5: „also nicht irgendeine materielle Beschwer“. BGHZ 202, 133, 137 = NJW 2014, 2436, 2437 Rn 10 aE; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 8. Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 6; Schröder ZInsO 2014, 2069, 2073.

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§ 253

Sechster Teil. Insolvenzplan

gegen beschwert, wenn die Bestätigung eines Plans versagt wird, der für sie eine Quote vorsieht (Rn 12).38 Der Schuldner, der selbst den Plan vorgelegt hat, ist im Falle der Planbestätigung nicht beschwert; dies gilt auch dann, wenn er (§ 240 S 1) nach der Vorlage Änderungen vorgenommen hat und der geänderte Plan bestätigt wurde.39

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e) Beteiligung. Im Falle einer Beschwerde gegen die Bestätigung des Insolvenzplans muss das Beschwerdegericht nicht alle diejenigen Gläubiger und ggf Anteilsinhaber, die dem Plan zugestimmt haben, am auf Versagung gerichteten Beschwerdeverfahren formell beteiligen.40 Denn allein das Recht, über den Plan abzustimmen, gewährt über die Möglichkeit zur Beteiligung an einer ordnungsgemäßen Abstimmung hinaus kein Recht auf Verfahrensbeteiligung; ein solches gebietet auch nicht Art 103 I GG.41 Auch durch die Zustimmung zum Plan erlangt der Gläubiger oder Anteilsinhaber kein Beteiligungsrecht für das weitere Verfahren, wenn eine der Zustimmung entsprechende Bestätigung später angegriffen wird. Gläubiger und Anteilsinhaber können ihre Beteiligung mithin nur dadurch erreichen, dass sie selbst ins Rechtsmittel gehen. Auch umgekehrt muss das Insolvenzgericht im Falle einer Versagung der Bestätigung nicht alle diejenigen Gläubiger und ggf Anteilsinhaber, die den Plan abgelehnt haben, am auf Bestätigung gerichteten Beschwerdeverfahren formell beteiligen. 16 Ein eigenes Beteiligungsrecht im auf Versagung gerichteten Verfahren hat jedenfalls derjenige, der den zunächst bestätigten Plan vorgelegt hat,42 also der Insolvenzverwalter oder der Schuldner.43 Schuldner44 und Insolvenzverwalter45 sollten aber unabhängig von der Planvorlage stets beide beteiligt werden.46 Denn zum Ersten kann es eine Frage des Zufalls sein, wer den Plan letztlich vorgelegt hat, da im Vorfeld typischerweise Abstimmungen stattfinden. Zum Zweiten wird ein Vorlageberechtigter auf die Vorlage eines eigenen inhaltsgleichen Plans verzichten, wenn er mit einem bereits vorgelegten Plan voll einverstanden ist. Zum Dritten schließlich folgt die Notwendigkeit einer Beteiligung des Schuldners aus seiner Planbetroffenheit, die ihm einen Anspruch auf rechtliches Gehör verleiht,47 die Notwendigkeit der Beteiligung des Insolvenzverwalters aus seiner ihm zugewiesenen Rolle als unabhängiger, fachkundiger und mit dem Einzelfall vertrauter Gehilfe des Gerichts. 3. Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen (Abs 2, 3)

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Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen gelten nur für die sofortige Beschwerde gegen die Bestätigung, nicht gegen die Versagung der Bestätigung des Insolvenzplans. Der Gesetzgeber wollte damit den Bestand eines einmal bestätigten Insolvenzplans erhalten und rechtsmissbräuchliche Beschwerden vermeiden, mit denen einzelne Gläubiger wegen der durch die Beschwerde drohenden Verzögerung eine Besserstellung oder gar eine Vorabbefriedigung erzwingen konnten.48 Seinem Wortlaut nach erfasst Abs 2 auch den

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 26. MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 42. BGHZ 163, 344, 345 = NZI 2005, 619, 620 m krit Anm Smid NZI 2005, 613, 614. MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 92; aA Smid DZWIR 2005, 364, 365; ders NZI 2005, 613, 614. AG Mühldorf ZInsO 2000, 112, 113. Nur für den Schuldner Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 9.

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AA (nur bei einem von ihm vorgelegten Plan) wohl Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 9; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 28. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 28. HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 7; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 92. Soweit der Schuldner betroffen ist, ist mithin Smid DZWIR 2005, 364, 365 zuzustimmen. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 253 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 1; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 1.

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Rechtsmittel

§ 253

Schuldner. Nr 2 passt aber evident nicht, da der Schuldner nicht im eigentlichen Sinne abstimmt. Auch Nr 1 passt nicht ohne Weiteres, da Abs 2 Nr 1 auch einen Widerspruch zu Protokoll der Geschäftsstelle ausreichen lässt, § 247 aber einen schriftlichen Widerspruch verlangt.49 Nr 3 schließlich würde dem Schuldner in nahezu allen Fällen die Beschwerdemöglichkeit nehmen, da der Schuldner im Regelinsolvenzverfahren regelmäßig nichts erhält, er also durch einen Plan kaum je schlechter steht.50 Dies wäre verfassungsrechtlich zumindest bedenklich. Da Abs 3 zudem vor allem Störmanöver von Gläubigern verhindern soll, erscheint es geboten, die Abs 2, 3 insgesamt im Wege teleologischer Reduktion auf den Schuldner nicht anzuwenden.51 Die Abs 2, 3 gelten aber – mit den nachfolgend erwähnten allgemeinen Einschränkungen – ohne Weiteres auch für die Anteilsinhaber.52 Ob die hierin liegende Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen einen In- 18 solvenzplan verfassungsrechtlichen Maßstäben standhält, ist umstritten,53 letztlich aber mit der Rechtsprechung54 zu bejahen. Da die Bestätigungsentscheidung nunmehr stets durch den Richter, nicht mehr durch den Rechtspfleger, ergeht und die Verfassung einen Instanzenzug nicht garantiert,55 kann nur die Handhabung der Beschwerde im Einzelfall gegen die Verfassung, insbesondere die Grundrechte, verstoßen.56 a) Widerspruch gegen den Plan (Abs 2 Nr 1, Abs 3). Wie bei § 251 I Nr 1 der Antrag- 19 steller muss gem Abs 2 Nr 1 der Beschwerdeführer dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen haben. Insoweit gilt das zu § 251 Ausgeführte (§ 251 Rn 14 ff). Das Widerspruchserfordernis gilt grundsätzlich auch für nicht stimmberechtigte Gläubiger oder Anteilsinhaber, sofern ihnen ein Widerspruch möglich war; hieran fehlt es, wenn der Gläubiger oder Anteilsinhaber mangels ordnungsgemäßer Ladung (§ 253 III) am Erörterungs- und Abstimmungstermin nicht teilnehmen konnte.57 Das Widerspruchserfordernis gilt allerdings nicht für den Schuldner, da die Vorschrift insoweit teleologisch zu reduzieren ist (Rn 17 aE). Gem Abs 3 ist ein Widerspruch indes nur zu verlangen, wenn in der öffentlichen Be- 20 kanntmachung gem § 235 II und in den Ladungen gem § 235 III auf dessen Notwendigkeit sowie auf die Notwendigkeit einer Ablehnung des Plans in der Abstimmung besonders hingewiesen wurde. Wurde der Hinweis auch nur einmal unterlassen, kann auch ohne vor-

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IE aA (Widerspruch nach § 247 erforderlich) MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 44. HambK/Thies InsO6 InsO3 § 253 Rn 13. So iE wohl auch Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 3 ff, die nur von „Beteiligten“ sprechen; abw (lediglich für II Nr 2 und 3 wie hier) HambK/Thies InsO6 InsO3 § 253 Rn 13; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 5: nur bzgl II Nr 2; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 45 f; aA offenbar Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 253 Rn 5 aE sowie Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 253 Rn 18, die beim Schuldner eine materielle Beschwer nur sehen, wenn der Plan eine über 100 % hinausgehende Befriedigung der Insolvenzgläubiger vorsieht. Vgl MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 48.

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Brinkmann WM 2011, 97, 100 ff; Brünkmans/Uebele ZInsO 2014, 265, 274; G Fischer NZI 2013, 513, 514; Landfermann WM 2012, 821, 829; Madaus ZGR 2011, 749, 759 ff; Meyer DB 2015, 538, 542 f; offen BVerfG NZI 2013, 1072, 1073 Rn 12. LG Osnabrück ZInsO 2017, 1791, 1792 f; LG Wuppertal ZInsO 2016, 1164, 1165. BVerfGE 11, 232, 233; 28, 21, 36; 54, 277, 291; 107, 395, 402; BVerfG NZI 2010, 57. Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 12; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 253 Rn 20; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 30. BGH ZInsO 2011, 280 f = ZIP 2011, 781 f; FK/Jaffé InsO9 § 253 Rn 15; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 253 Rn 7.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

herigen und rechtzeitigen Widerspruch sofortige Beschwerde eingelegt werden.58 Der Hinweis gem Abs 3 kann etwa folgenden Wortlaut haben59: „Es wird darauf hingewiesen, dass die sofortige Beschwerde gegen einen eventuellen gerichtlichen Beschluss, durch den der Insolvenzplan bestätigt wird, gem § 253 Abs 2 InsO nur dann zulässig ist, wenn der Beschwerdeführer 1. dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen hat und 2. gegen den Plan gestimmt hat.“

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Für den Widerspruch kommt es dabei nur auf den diesbezüglichen Hinweis an (im Formulierungsbeispiel Rn 20 die Nr 1); wurde also auf die Notwendigkeit des Widerspruchs hingewiesen, nicht aber auf die Notwendigkeit der Ablehnung (im Formulierungsbeispiel Rn 20 die Nr 2), so ist die Beschwerde bei versäumtem Widerspruch unzulässig. 22 Nicht vorausgesetzt ist, dass der Beschwerdeführer auch einen Versagungsantrag nach § 251 gestellt hat.60 Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut, der ein solches Erfordernis nicht aufstellt und dem aus Gründen der Rechtsmittelklarheit besonderes Gewicht zukommt, sodann aber auch aus der Entstehungsgeschichte: Die neu eingeführten Zulässigkeitsanforderungen des Abs 2 griffen Kriterien auf, die der Bundesgerichtshof erwogen, dann aber abgelehnt hatte. Niemals auch nur erwogen hatte der Bundesgerichtshof jedoch, dass ein Versagungsantrag nach § 251 Voraussetzung einer Beschwerde sein könnte.61 Daher liegt die Annahme fern, der Gesetzgeber habe eine solche Voraussetzung als Zulässigkeitsvoraussetzung (zur Begründetheit unten Rn 38 f) einführen wollen. 23 Nachgewiesen wird der Widerspruch idR durch Vorlage des Schriftsatzes, in dem er erklärt wurde, oder durch das Protokoll des Erörterungs- und Abstimmungstermins.62 Ob für die Erklärung eines Widerspruchs zu Protokoll auch andere Beweismittel, insbesondere der Zeugenbeweis, zur Verfügung stehen, hängt von der Einordnung des Widerspruchs als Förmlichkeit der mündlichen Verhandlung iSd § 165 ZPO ab. Gegen eine solche Einordnung spricht zwar, dass der Widerspruch nicht für die protokollierte Verhandlung selbst, nämlich den (Erörterungs-) und Abstimmungstermin, relevant ist, sondern vielmehr nur für die Wahrung der Möglichkeit, später einen Minderheitenschutzantrag zu stellen oder gegen die Bestätigung des Plans Beschwerde zu erheben. Richtigerweise ist der Widerspruch jedoch als eine stets zu protokollierende Förmlichkeit anzusehen (§ 235 Rn 15). Daher findet § 165 ZPO Anwendung; der zu Protokoll erklärte Widerspruch kann also grundsätzlich nur durch das Protokoll bewiesen werden.63

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b) Ablehnung des Plans in der Abstimmung (Abs 2 Nr 2, Abs 3). Anders als derjenige, der gem § 251 I eine Versagung der Planbestätigung beantragt (§ 251 Rn 13), muss der Be58

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 6; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 37; Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1922. Vgl LG Köln BeckRS 2017, 134039 Rn 3. BGHZ 202, 133, 137 f = NJW 2014, 2436, 2437 Rn 11 ff m ausf Stellungnahme von Smid ZInsO 2014, 1873 ff, 1875 ff; LG Berlin BeckRS 2015, 54825; HambK/Thies InsO6 InsO3 § 253 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 253 Rn 12; Lehmann/ Rühle NZI 2014, 889, 893; zust, aber m krit Hinweisen Skauradszun DB 2014, 2694, 2698; aA noch LG Berlin DZWIR 2014, 374

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(Vorinstanz zu BGHZ 202, 133) m zust Besprechung und beachtlichen weiteren Argumenten Skauradszun DZWIR 2014, 338, 339 f; G Fischer NZI 2013, 513, 515; FK/ Jaffé InsO9 § 253 Rn 7; Fölsing EWiR 2014, 293; Smid DZWIR 2005, 364, 366 f; sa Brünkmans ZInsO 2014, 993, 994 (für die Rüge der Schlechterstellung). BGHZ 202, 133, 138 = NJW 2014, 2436, 2437 Rn 12 aE. LG Osnabrück ZInsO 2017, 1791, 1792. Vgl FK/Jaffé InsO9 § 253 Rn 6. MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 26.

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Rechtsmittel

§ 253

schwerdeführer gem Abs 2 Nr 2 zusätzlich64 zu dem rechtzeitig erklärten Widerspruch (Rn 19 ff) auch gegen den Plan gestimmt haben. Die Ablehnung des Plans in der Abstimmung setzt eine Teilnahme an der Abstimmung voraus. Diese Teilnahme erfolgt in der Regel durch persönliche Anwesenheit oder Anwesenheit eines ordnungsgemäß bevollmächtigten65 Vertreters im Termin, sie kann aber auch durch schriftliche Ausübung des Stimmrechts gem § 242 erfolgen. War es dem Beschwerdeführer nicht möglich, an der Abstimmung teilzunehmen, weil für ihn kein Stimmrecht festgesetzt wurde, muss allerdings – da die Abstimmung nicht wiederholt werden kann – die Beschwerde auch ohne eine Ablehnung des Plans in der Abstimmung als zulässig behandelt werden.66 Mangels Teilnahme an der Abstimmung gilt Abs 2 Nr 2 im Übrigen nicht für den Schuldner (Rn 17 aE). Zudem muss gem Abs 3 in der öffentlichen Bekanntmachung gem § 235 II und in den Ladungen gem § 235 III auf die Notwendigkeit eines Widerspruchs und einer Ablehnung des Plans in der Abstimmung besonders hingewiesen worden sein. Der Hinweis (vgl Rn 20) muss mithin zweimal erfolgen; fehlt er auch nur einmal, ist die Ablehnung nicht zu verlangen.67 Vom Ablehnungserfordernis befreit ist der Beschwerdeführer indes nur dann, wenn gerade der Hinweis auf die Ablehnung fehlt; das Fehlen des Hinweises auf die Notwendigkeit eines Widerspruchs bei korrektem Hinweis auf das Ablehnungserfordernis lässt die Notwendigkeit der Ablehnung nicht entfallen (vgl Rn 21). Diese Ausnahmen kann man jedoch nicht im Wege einer Analogie auf weitere Fälle unverschuldeten Versäumens der Teilnahme an der Abstimmung ausdehnen. Denn die Positionen der Beteiligten sollen in der Abstimmung gebündelt werden. Zu umfangreiche spätere Anfechtungsmöglichkeiten würden die Sinnhaftigkeit der Abstimmung untergraben. Der Nachweis der Ablehnung des Plans in der Abstimmung ist bei offener Abstimmung relativ einfach zu führen, steht doch jedenfalls der Zeugenbeweis zur Verfügung. Wer ein Rechtsmittel beabsichtigt, sollte jedoch darauf Wert legen, dass sein Abstimmungsverhalten ausdrücklich in das Terminsprotokoll aufgenommen wird (§ 4 iVm § 160 II, IV ZPO). Auch wenn das Abstimmungsverhalten keine „Förmlichkeit“ darstellt, sondern Inhalt des Termins ist, sodass die erhöhte Beweiskraft des Protokolls mit ihrer Ausschlusswirkung für andere Beweismittel (§ 165 ZPO) nicht greift,68 wird das Protokoll doch bevorzugtes Beweismittel sein.69 Bei ausnahmsweise geheimer Abstimmung (§ 243 Rn 13) ist der Nachweis indes schwer zu führen. In diesem Fall wird man die Behauptung des Beschwerdeführers, gegen den Plan gestimmt zu haben, ausreichen lassen müssen, sofern in seiner Gruppe überhaupt eine Gegenstimme abgegeben wurde.

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c) Wesentliche Schlechterstellung ohne Ausgleich (Abs 2 Nr 3) aa) Wesentliche Schlechterstellung. Der Beschwerdeführer muss zudem glaubhaft ma- 29 chen, dass er durch den Plan wesentlich schlechtergestellt wird, als er ohne einen Plan stünde. Dieses Zulässigkeitserfordernis greift unabhängig davon ein, ob der Beschwerde-

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LG Köln BeckRS 2017, 134039 Rn 17: „kumulativ“. Dazu Weßling ZInsO 2017, 1595. Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 2 m Rn 3; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 5; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 253 Rn 15; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 11.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 6; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 37. AA MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 28. Vgl LG Osnabrück ZInsO 2017, 1791, 1792; Lehmann/Rühle NZI 2014, 889, 892.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

führer die Beschwerde mit seiner Schlechterstellung oder einer bloßen Rechtsverletzung begründet.70 Es gilt aber nicht für den Schuldner (Rn 17 aE). 30 Anders als bei § 251 I Nr 2 muss nicht nur überhaupt eine Schlechterstellung, sondern eine wesentliche Schlechterstellung glaubhaft gemacht werden. Eine wesentliche Schlechterstellung liegt vor, wenn sich bei einem Vergleich der Stellung unter dem Plan mit der Stellung ohne Plan eine deutliche Differenz zum Nachteil des Beschwerdeführers ergibt; unerheblich ist – wie auch bei der Feststellung einer Schlechterstellung in §§ 245, 251 (§ 245 Rn 14, § 251 Rn 30) – ein alternativer Insolvenzplan.71 Bei der Beurteilung sind wiederum nicht nur eventuelle Zahlungen, sondern sämtliche Aspekte zu berücksichtigen; gegebenenfalls bedarf es sachkundiger Bewertung. Der Gesetzgeber sah eine wesentliche Verschlechterung ab einer Differenz von mehr als 10 % als gegeben an.72 Diese Grenze kann aber allenfalls ein Anhaltspunkt sein. Die absolute Höhe der Differenz und ihr Verhältnis zur Insolvenzmasse können nicht völlig unberücksichtigt bleiben. So kann ein Nachteil im vierstelligen Euro-Bereich in Kleinverfahren noch ausreichend sein, in mittleren oder größeren Verfahren übersteigt er aber regelmäßig nicht die Wesentlichkeitsschwelle.73 Eine allgemein geltende Geringfügigkeitsschwelle kann nicht angenommen werden.74 Da das Kriterium eines wesentlichen Nachteils verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen muss, ist vielmehr stets auch auf die Bedeutung des Nachteils für die Person des Gläubigers bzw Anteilsinhabers abzustellen. 31 Anders als in § 251 I Nr 2 fehlt in Abs 2 Nr 3 vor dem Partizip II „schlechtergestellt“ das Adverb „voraussichtlich“. Dies könnte man damit erklären, dass der Plan bereits bestätigt wurde. Allerdings treten die Wirkungen des Plans gem § 254 I erst mit Rechtskraft des Plans ein. Bei fristgerecht eingelegter sofortiger Beschwerde ist der Plan aber noch nicht rechtskräftig; selbst wenn er es wäre, könnten die Wirkungen des Plans bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts wohl kaum je endgültig bestimmt werden. Daher bedarf es richtigerweise auch hier wieder der doppelten Prognose, also einer Prognose hinsichtlich der Stellung bei Bestätigung des konkreten Plans und der Stellung ohne einen Plan.75 32 Im Übrigen gilt das zu § 251 I Nr 2 und § 245 Gesagte.

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bb) Kein Ausgleich aus im Plan vorgesehenen Mitteln. Wenn der Plan Ausgleichsmittel iSd § 251 III S 1 vorsieht, muss der Beschwerdeführer nicht nur glaubhaft machen, dass er durch den Plan wesentlich schlechtergestellt wird, sondern zudem auch glaubhaft machen, dass dieser Nachteil nicht durch die vorgesehenen Mittel ausgeglichen werden kann (Abs 2 Nr 3).

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BGHZ 202, 133, 143 f = NJW 2014, 2436, 2439 Rn 26 f; LG Düsseldorf ZInsO 2014, 1963; LG Bonn ZInsO 2015, 43; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 253 Rn 9; aA Brünkmans ZInsO 2014, 993, 996 f. LG Hamburg ZInsO 2015, 159, 161; LG Wuppertal ZInsO 2016, 1164, 1165; HK/ Haas InsO9 § 253 Rn 7; Lehmann/Rühle NZI 2014, 889, 892. BT-Drucks 17/5712, S 35. LG Wuppertal ZInsO 2016, 1164, 1165; zu Recht krit gegenüber einer zu konkreten Festlegung HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 19.

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Für eine Geringwertigkeitsschwelle iHv 600 € in Anlehnung an § 511 II Nr 1 ZPO aber HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 19; Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913, 1926; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 31; der Gesetzgeber hat sich indes bewusst gegen frühere Vorschläge einer Mindestprozentzahl entschieden, vgl Heinrich NZI 2012, 235, 242. MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 32.

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Rechtsmittel

§ 253

Nicht eindeutig ist, welcher Nachteil auszugleichen ist: jede Schlechterstellung oder 34 nur der Anteil, der die Schlechterstellung zu einer wesentlichen macht. Aus dem Demonstrativpronomen „dieser“ lässt sich nicht sicher ableiten, dass nur die wesentliche Schlechterstellung gemeint sein soll.76 Vielfach ist es schon schwierig genug, die Schlechterstellung genau zu beziffern; die Beurteilung, ab welcher Schwelle „Wesentlichkeit“ beginnt, würde weitere Unsicherheit bringen. Auch wäre es wenig sinnvoll, für die Bemessung der Ausgleichsmittel zwei Summen vorzusehen – die höhere, für § 251 III erforderliche Summe (voller Ausgleich, s § 251 Rn 45) und die niedrigere, für § 253 II Nr 3 Hs 2 erforderliche Summe. Völlig unklar erscheint, ob der Beschwerdeführer nach Verwerfung seiner Beschwerde wegen ausreichender Ausgleichsmittel dann auch nur in Höhe der „wesentlichen“ Schlechterstellung Ausgleich verlangen könnte. Richtigerweise wird man also den Ausgleich der vollen Schlechterstellung verlangen müssen. Obwohl auch hier nicht das Adverb „voraussichtlich“ vor dem Partizip II „ausgegli- 35 chen“ steht, bedarf es einer Prognose,77 und zwar sowohl hinsichtlich des Nachteils als auch hinsichtlich der Fähigkeit der vorgesehenen Mittel, diesen Nachteil auszugleichen, was eine doppelte Prognose erforderlich macht. An der Fähigkeit der Mittel zum Ausgleich des Nachteils fehlt es, wenn diese nach Art, Umfang und Sicherheit nicht gleichwertig mit der voraussichtlichen Stellung des Beschwerdeführers ohne Plan sind (näher § 251 Rn 43 ff). cc) Glaubhaftmachung. Für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde muss der Be- 36 schwerdeführer die wesentliche Schlechterstellung und, sofern der Plan Ausgleichsmittel vorsieht, auch deren Unfähigkeit zum Ausgleich glaubhaft machen. Die Glaubhaftmachung richtet sich nach § 4 iVm § 294 ZPO.78 Der Beschwerdeführer kann daher alle Beweismittel einschließlich der eidesstattlichen Versicherung verwenden, sofern diese liquide sind; das Beweismaß ist auf hinreichende Wahrscheinlichkeit herabgesetzt. Die Anforderungen an den Vortrag des Beschwerdeführers hängen vom Einzelfall ab; schon „plausible“ oder „nachvollziehbare“ Gegenargumente können die Anforderungen an die Glaubhaftmachung erhöhen.79 Da die Glaubhaftmachung die geltend zu machende materielle Beschwer konkretisiert (oben Rn 13), ist sie echte Zulässigkeitsvoraussetzung; sie muss daher innerhalb der Beschwerdefrist von regelmäßig zwei Wochen (§ 569 I ZPO, dazu Rn 9) erfolgen.80 Hatte der Beschwerdeführer aber einen Minderheitenschutzantrag gestellt und in diesem Rahmen die Schlechterstellung glaubhaft gemacht, kann er seinen dortigen Vortrag und die ggf erbrachten Beweise mithilfe des Protokolls im Verfahren vor dem Beschwerdegericht einbringen;81 es obliegt der Einschätzung des Beschwerdegerichts, ob es die dort glaubhaft gemachte Schlechterstellung auch als wesentlich ansieht.

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AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 11. S nur FK/Jaffé InsO9 § 253 Rn 10. LG Wuppertal ZInsO 2016, 1164, 1165; FK/ Jaffé InsO9 § 253 Rn 9; Lehmann/Rühle NZI 2014, 889, 892; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 34. Vgl LG Osnabrück ZInsO 2017, 1791, 1972; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 34. LG Köln BeckRS 2017, 134039 Rn 24; LG Osnabrück ZInsO 2017, 1791, 1792; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 12.

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Zunächst aA, letztlich aber wohl doch wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 12 aE mit Verweis auf BGHZ 202, 133, 143 = NJW 2014, 2436, 2439 Rn 25, wo aber auf die „strikte Trennung“ zwischen § 251 und § 253 II Nr 3 nur insoweit abgehoben wird, als es um die Funktion des Minderheitenschutzantrags geht.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

IV. Begründetheit der sofortigen Beschwerde 1. Allgemeine Regeln

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a) Prüfungsinhalt. Die sofortige Beschwerde ist begründet, wenn der Beschluss über die Bestätigung des Insolvenzplans oder deren Versagung fehlerhaft ist, wobei gem § 571 II S 2 ZPO ein Zuständigkeitsmangel außer Betracht bleibt. Fehlerhaft ist der Beschluss, wenn das Gericht falsche Tatsachen zugrundegelegt oder eine falsche rechtliche Würdigung vorgenommen hat. Zu prüfen ist mithin ausgehend von § 248, ob die formellen wie materiellen Voraussetzungen einer Bestätigung des Insolvenzplans gegeben waren, wozu auch das Fehlen eines Versagungsgrunds gem §§ 249–251 gehört. Nur soweit eine Schlechterstellung nach diesen Vorschriften relevant ist (§ 245 I Nr 1, § 247 II Nr 2, § 248a III, § 251 I Nr 2), kann sie im Rahmen der Begründetheit Bedeutung erlangen; allgemein vorausgesetzt ist die Schlechterstellung aber nicht.82 Die Beschwerde gegen eine Planbestätigung ist daher auch dann begründet, wenn die nach Abs 2 Nr 3 glaubhaft gemachte Schlechterstellung im Rahmen der Begründetheitsprüfung nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden kann, das Gericht aber zur Überzeugung gelangt, dass ein anderer Mangel vorliegt.83 Der Prüfungsumfang entspricht also dem Prüfungsumfang im Bestätigungsverfahren.84 Unanfechtbare (vgl § 6 I S 1) Entscheidungen des Insolvenzgerichts, die – wie insbesondere die Stimmrechtsfestsetzung – der Bestätigungsentscheidung vorangehen, werden vom Beschwerdegericht nicht überprüft;85 angesichts der Wichtigkeit eines zügigen und reibungslosen Ablaufs des Insolvenzverfahrens ist dies verfassungsrechtlich unbedenklich.86 38 Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, etwa eine fehlerhafte Ladung zum Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 235 III), können über § 250 gerügt werden. Insoweit ist zu beachten, dass § 250 nur wesentliche Verfahrensverstöße ausreichen lässt.87 Stets wesentliche Verstöße wie die fehlerhafte Gruppenbildung verhelfen im Gegenzug der Beschwerde immer zum Erfolg.88 Auch wenn ein wesentlicher Verfahrensverstoß zugleich gem § 251 hätte angegriffen werden können, dies aber nicht erfolgt ist, kann die Beschwerde auf eine Verletzung des § 250 gestützt werden.89 Bei einem wesentlichen Verfahrensverstoß ist die Beschwerde auch begründet, wenn der Beschwerdeführer nicht wesentlich schlechtergestellt wird;90 insbesondere kann die angebliche Notwendigkeit einer wesentlichen Schlechterstellung nicht auf eine – wie auch immer geartete – „Ausstrahlungswirkung“ von Abs 2 Nr 3 gestützt werden.91 39 Fehlerhaft ist die Bestätigung auch, wenn dem Insolvenzplan aufgrund eines vom Beschwerdeführer gestellten Antrags gem § 251 die Bestätigung hätte versagt werden müs-

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Vgl BGHZ 202, 133, 143, 145 f = NJW 2014, 2436, 2440 Rn 24, 34; BGH NZI 2012, 139, 140 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 13. Vgl BGHZ 202, 133, 145 f = NJW 2014, 2436, 2440 Rn 34; Böcker DZWIR 2015, 10, 15; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 15. BGHZ 202, 133, 146 = NJW 2014, 2436, 2440 Rn 35; BGH NZI 2009, 106, 107 Rn 10; HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 21.

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BGH NZI 2007, 723, 724 Rn 10; 2009, 106, 107 Rn 5, 8–11; ZInsO 2011, 280, 281 = ZIP 2011, 781, 782. BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats) NZI 2010, 57, 58. Wohl aA Böcker DZWIR 2015, 10, 15. BGHZ 163, 344, 347 = NZI 2005, 619, 620. BGHZ 202, 133, 146 = NJW 2014, 2436, 2440 Rn 35; sa BGH NZI 2010, 734, 736 Rn 23. AA MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 55. So aber MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 55.

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Rechtsmittel

§ 253

sen. Dann – aber auch nur dann, dh nur wenn tatsächlich ein Versagungsantrag gem § 251 gestellt wurde, dieser Antrag zulässig war und das Insolvenzgericht dennoch den Plan bestätigt hat – vermag die individuelle Schlechterstellung des Beschwerdeführers, wenn sie zur Überzeugung des Insolvenzgerichts feststeht, die Beschwerde zu begründen.92 Die vom Insolvenzgericht bei der Anwendung des § 245 verkannte Schlechterstellung einer Gruppe kann hingegen auch ohne einen Versagungsantrag gerügt werden, da § 245 einen solchen Antrag nicht voraussetzt und zudem dann § 250 Nr 1 verletzt ist (oben Rn 38).93 Umgekehrt ist die vom Insolvenzgericht auf § 251 gestützte Versagung fehlerhaft, wenn das Beschwerdegericht feststellt, dass es an einer Schlechterstellung des Antragstellers fehlte. Nur ausnahmsweise relevant wird § 252. Denn vor ordnungsgemäßer Verkündung iSd 40 § 252 I ist der mit der Beschwerde zu überprüfende Plan nicht existent; eine unterlassene oder fehlerhafte Übersendung bzw Veröffentlichung iSd § 252 II ist für die Wirksamkeit des Bestätigungsbeschlusses und des bestätigten Plans unerheblich. In besonderen Konstellationen erscheint jedoch eine auf Verletzung des § 252 gestützte sofortige Beschwerde denkbar,94 etwa wenn der besondere Verkündungstermin nicht im Abstimmungstermin bestimmt und auch nicht später bekanntgemacht wurde, das Gericht aber den Plan als bestätigt ansieht. Hier dient die sofortige Beschwerde der Rechtsklarheit; die einschränkenden Voraussetzungen des Abs 2 sollten also nicht greifen. b) Tatsachenstoff. Das Gericht ist bei seiner Prüfung nicht auf die Tatsachen be- 41 schränkt, die der Beschwerdeführer in seinem Antrag glaubhaft gemacht hat.95 Denn der Gesetzgeber hat die Glaubhaftmachung einer wesentlichen Schlechterstellung zur Zulässigkeitsvoraussetzung gemacht. Ist die Hürde der Zulässigkeit genommen, gelten die allgemeinen Regeln. Die Beschwerde eröffnet also eine vollwertige zweite Tatsachenprüfung. Insoweit gilt – auch im Insolvenzplanverfahren96 – im Ausgangspunkt der Grundsatz der Amtsermittlung (Untersuchungsgrundsatz, § 5 I).97 Den Beschwerdeführer trifft aber die Feststellungs- (Rn 44) und damit eine Beibringungslast: Er muss das Insolvenzgericht, das die Abhilfe prüft, oder das Beschwerdegericht dazu bringen, andere oder weitere als die bislang festgestellten Tatsachen zugrundezulegen. Neue Tatsachen könnten dabei in den Grenzen des § 571 III ZPO eingeführt werden. c) Beweismaß. Für das Beweismaß gelten die allgemeinen Regeln (§§ 286, 287 ZPO). 42 Eine Tatsache ist also erst dann bewiesen, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist; nicht ausreichend – auch nicht hinsichtlich solcher Tatsachen, die der Beschwerdeführer zum Nachweis seiner wesentlichen Schlechterstellung vorgetragen hat – ist die Glaubhaftmachung.98 d) Beweismittel. Auch hinsichtlich der Beweismittel geltend die allgemeinen Regeln. 43 Zulässig sind mithin alle Beweismittel des Strengbeweises; da § 294 II ZPO nicht gilt (sa 92

93 94

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BGHZ 202, 133, 143 f, 146 = NJW 2014, 2436, 2439 Rn 27, 2440 Rn 35; HambK/ Thies InsO6 § 253 Rn 21; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 14. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 15. Ohne nähere Ausführungen § 252 einbeziehend BGHZ 202, 133, 146 = NJW 2014, 2436, 2440 Rn 35; Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 1. AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 31; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 57;

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Schröder ZInsO 2014, 2069, 2076, 2077. Wie hier Eidenmüller NJW 1999, 1837, 1838; Uhlenbruck/Pape InsO14 § 5 Rn 3; aA Braun/Baumert InsO7 § 5 Rn 11. Uhlenbruck/Pape InsO14 § 5 Rn 22. Auch das Beschwerdegericht ist „Insolvenzgericht“ iSd § 5 I, vgl MünchKomm/Ganter/ Lohmann InsO3 § 6 Rn 53a. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 9 aE.

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§ 253

Sechster Teil. Insolvenzplan

Rn 42), brauchen die Beweismittel nicht „liquide“ bzw „präsent“ zu sein. Damit kommen insbesondere auch Sachverständigengutachten, etwa zur Frage eines Verstoßes gegen § 251 I Nr 2, in Betracht.99

44

e) Feststellungslast. Wegen des Untersuchungsgrundsatzes (Rn 41) stellt sich die Frage der subjektiven Beweislast nicht. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) trägt der Beschwerdeführer.100 2. Unverzügliche Zurückweisung der sofortigen Beschwerde (Abs 4)

45

a) Hintergründe. Abs 4, der erst auf Vorschlag des Rechtsausschusses in das ESUG aufgenommen wurde (Rn 4),101 sieht vor, dass die Beschwerde auf Antrag des Insolvenzverwalters bei überwiegendem Interesse am sofortigen Planvollzug unverzüglich zurückzuweisen ist. Der Gesetzgeber hat damit eine Art „Abkürzung“ geschaffen, die durch die angeordnete unverzügliche Zurückweisung der Beschwerde stets auf direktem und schnellem Weg zur Planbestätigung führt. Ziel war es, eine Verzögerung oder gar Gefährdung des mit dem Plan verfolgten Sanierungskonzepts durch die Einlegung der Beschwerde zu verhindern.102 Dabei orientierte sich der Rechtsausschuss ausdrücklich am aktienrechtlichen Freigabeverfahren des § 246a AktG,103 wonach das Gericht auf Antrag der Gesellschaft feststellen kann, „dass die Erhebung der Klage der Eintragung nicht entgegensteht und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen“ (§ 246a I S 1 AktG). Bei der Auslegung des Abs 4 kann daher § 246a AktG hilfreich sein.104 Allerdings darf nicht übersehen werden, dass das aktienrechtliche Freigabeverfahren und die unverzügliche Zurückweisung nach Abs 4 nicht ohne Weiteres vergleichbar sind.105 Das aktienrechtliche Freigabeverfahren steht selbständig neben der erhobenen Anfechtungsklage, die ihrerseits zur erstmaligen Befassung des Gerichts mit dem angegriffenen Hauptversammlungsbeschluss führt. Die Zurückweisung des Abs 4 beendet demgegenüber das Beschwerdeverfahren gegen einen vom Beschwerdeführer angegriffenen gerichtlichen Bestätigungsbeschluss.

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b) Einordnung und Anwendungsbereich. Abs 4 enthält, wie die Stellung nach den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen in Abs 2 und 3 und der Entscheidungsinhalt „Zurückweisung“ zeigen, eine Regelung der Begründetheit.106 Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde muss daher grundsätzlich feststehen.107 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Notwendigkeit einer Zulässigkeitsprüfung der angestrebten Beschleunigung widerspreche. Da es sich um eine Beschwerde gegen die Planbestätigung handeln muss (Rn 47), hat das Gericht zwar im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung die Voraussetzungen des Abs 2 festzustellen. Widerspruch (Abs 2 Nr 1) und Abstimmungsverhalten 99 100

101 102 103 104

Vgl Eidenmüller NJW 1999, 1837, 1838. IE wie hier FK/Jaffé InsO9 § 253 Rn 9; HK/ Haas InsO9 § 253 Rn 9; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 57. Rechtsausschuss § 253 (BT-Drucks 17/7511, S 16 f). Begr Rechtsausschuss BT-Drucks 17/7511, S 36. Begr Rechtsausschuss BT-Drucks 17/7511, S 36. Noch weiter G Fischer NZI 2013, 513, 516: „entsprechende Anwendung“.

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105 106 107

Sa K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 22. Wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 18. HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 25; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 18; aA LG Berlin DZWIR 2014, 375, 376; wohl auch G Fischer NZI 2013, 513, 517; FK/Jaffé InsO9 § 253 Rn 20; Fölsing ZInsO 2014, 2239, 2241: „Zurückweisung der Beschwerde ohne Prüfung ihrer Zulässigkeit und Begründetheit erlaubt“; Lehmann/Rühle NZI 2014, 889, 890 bei Rn 7.

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§ 253

(Abs 2 Nr 2) sind indes regelmäßig leicht festzustellen. Auch die Glaubhaftmachung der Schlechterstellung gem Abs 2 Nr 3 schafft richtigerweise aber keinen Mehraufwand, da es für die Abwägung nach Abs 4 S 1 Hs 1 ohnehin der Feststellung bedarf, welche Nachteile dem Beschwerdeführer entstehen.108 Die Notwendigkeit einer Zulässigkeitsprüfung bringt also keine nennenswerte Verzögerung mit sich. Auch aus dem aktienrechtlichen Freigabeverfahren gem § 246a AktG, an dem sich der Gesetzgeber orientierte, kann kein Argument gegen diese Einordnung abgeleitet werden. Zwar kann im aktienrechtlichen Freigabeverfahren eine Freigabeentscheidung auch bei unzulässiger Klage ergehen (§ 246a II Nr 1 Alt 1 AktG). Das aktienrechtliche Freigabeverfahren steht jedoch neben der Anfechtungsklage, auf die es sich bezieht, und beendet diese nicht (Rn 45). Der Zurückweisungsbeschluss nach Abs 4 hingegen beendet das Beschwerdeverfahren aus Gründen, die auf die widerstreitenden Sachinteressen und nicht auf prozessuale Fragen abstellen. Für die Einordnung als Regelung der Begründetheit spricht zudem, dass eine Entscheidung nach Abs 4 den Beschwerdeführer in seinen Rechtsschutzmöglichkeiten einerseits stark einschränkt, da sie das Beschwerdeverfahren beendet, ihm andererseits aber Aussicht auf einen Schadensersatzanspruch gewährt. Beides erscheint nur angezeigt, wenn die Beschwerde überhaupt zulässig war. Wiederum aus der Stellung sowie aus dem Ziel, den Insolvenzplan ohne Verzögerung 47 wirksam werden zu lassen, kann entnommen werden, dass Abs 4 lediglich für Beschwerden gegen die Bestätigung des Insolvenzplans gilt. Beschwerden gegen die Versagung der Planbestätigung können mithin nicht unverzüglich zurückgewiesen werden. Beschwerde iSd Abs 4 ist dabei die sofortige Beschwerde iSd Abs 1–3; wegen der Zuständigkeit des Landgerichts kommt ein Zurückweisungsbeschluss nur in der Beschwerdeinstanz vor dem Amts- oder Landgericht, nicht in der Rechtsbeschwerdeinstanz in Betracht. c) Antrag des Insolvenzverwalters aa) Antragsberechtigung. Die unverzügliche Zurückweisung wegen überwiegenden 48 Interesses am Planvollzug setzt einen dahingehenden Antrag voraus; ohne einen solchen Antrag darf das Gericht die Begründetheit der sofortigen Beschwerde nur nach den allgemeinen Regeln beurteilen. Den Antrag kann nach Abs 4 S 1 Hs 1 nur der Insolvenzverwalter, kein anderer Verfahrensbeteiligter stellen.109 Ist Eigenverwaltung angeordnet, so liegt die Antragskompetenz beim eigenverwaltenden Schuldner,110 nicht beim Sachwalter.111 Zwar spricht für den Sachwalter, dass dieser wie im Regelverfahren der Insolvenzverwalter eine unabhängige Stellung innehat. Der Sachwalter verfügt aber nicht notwendigerweise über ausreichende Kenntnisse aller relevanten Tatsachen, die für oder gegen einen Antrag nach Abs 4 sprechen. Setzt der eigenverwaltende Schuldner nicht selbst alles daran, die Planbestätigung zu erreichen, ist nicht mit einer erfolgreichen Plandurchführung zu rechnen. Der Sachwalter hat richtigerweise kein eigenes Planinitiativrecht;112 selbst wenn man dies aber annähme, zeigt die fehlende Antragsberechtigung des nicht eigenverwalten-

108 109 110

Vgl LG Hamburg ZInsO 2015, 159, 161. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 253 Rn 14; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 17. LG Berlin DZWIR 2014, 375, 376; G Fischer NZI 2013, 513, 516 f; HambK/ Thies InsO6 § 253 Rn 25a; Lehmann/Rühle NZI 2014, 889, 891; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 60; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 § 253 Rn 28; ders/Tholen

111

112

ZIP 2015, 414; Smid ZInsO 2014, 1873, 1882. AA HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 25a: Sachwalter, sofern nach § 284 I S 1 mit der Ausarbeitung des Insolvenzplans beauftragt; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 60: stets auch Sachwalter. MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 284 Rn 16.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

den Schuldners, dass Planinitiativrecht und Antragsberechtigung jedenfalls nicht parallellaufen.

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bb) Antragsvoraussetzungen. Der Insolvenzverwalter darf den Antrag nur stellen, wenn er davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für eine unverzügliche Zurückweisung (Abs 4 S 1 Hs 1, S 2) gegeben sind und dass die Nachteile durch die die Masse gem Abs 4 S 3 eventuell treffende Schadensersatzpflicht geringer sind als die Nachteile aus einem verspäteten Planvollzug.113 Ist der Insolvenzverwalter vom Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 4 S 1, 2 und der Vorteilhaftigkeit für die Masse überzeugt, wird er regelmäßig den Antrag auch stellen müssen, um sich nicht schadensersatzpflichtig zu machen.114 An Weisungen des Schuldners, der Gläubiger oder der Anteilseigner ist der Insolvenzverwalter nicht gebunden. Indem der Gesetzgeber die Antragsbefugnis allein dem Insolvenzverwalter zugestanden hat, der seinerseits nicht beschwerdeberechtigt ist, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidung über die Antragstellung dem Insolvenzverwalter als unabhängigem, mit der Situation des Schuldners vertrautem Experten übertragen sein soll. In der Eigenverwaltung hat zwar der Schuldner selbst den Antrag zu stellen, er muss dabei aber im Interesse bestmöglicher Verwertung seines Vermögens handeln. Das Antragserfordernis hat eine Filterfunktion. Es dient einer Entlastung des Beschwerdegerichts. Diese Filterfunktion ist nur effektiv, wenn ihr eine gewissenhafte Prüfung durch Insolvenzverwalter bzw eigenverwaltenden Schuldner vorausgeht. 50 Abs 4 macht die Zulässigkeit des Antrags nicht davon abhängig, dass die Voraussetzungen für eine unverzügliche Zurückweisung glaubhaft gemacht wurden. Ein solches Erfordernis kann nicht aus Abs 2 Nr 3 entnommen werden, der die Glaubhaftmachung einer wesentlichen Schlechterstellung durch den Beschwerdeführer zur Zulässigkeitsvoraussetzung erhebt. Denn der Insolvenzverwalter ist schon nicht Beschwerdeführer; er wird nicht in seiner eigenen Rechtsstellung betroffen. Vor allem aber müssten Insolvenzverwalter und eigenverwaltender Schuldner mit dem Überwiegen des Vollzugsinteresses gerade das Gegenteil einer Schlechterstellung dartun. Abs 2 Nr 3 kann daher nicht analog herangezogen werden. § 246a III S 3 AktG, der ausdrücklich verlangt, dass die Tatsachen, auf deren Grundlage über die Freigabe entschieden werden soll, vorgebracht und glaubhaft gemacht werden, kann ebenfalls nicht entsprechend herangezogen werden. Richtigerweise handelt es sich bei § 246a III S 3 AktG um eine Regelung der Begründetheit, so dass aus ihr schwerlich eine Zulässigkeitsvoraussetzung entnommen werden kann. Vor allem aber bedürften derartige erhöhte Anforderungen an die Zulässigkeit des Antrags einer klar erkennbaren gesetzlichen Grundlage. Dass der Gesetzgeber solche Anforderungen nicht aufgestellt hat, entspricht schließlich auch seinem Anliegen, eine Bestätigung des Plans über das Verfahren nach Abs 4 zu ermöglichen, nicht zu erschweren. Da allerdings für die Begründetheit des Antrags Glaubhaftmachung zu verlangen ist, wird der Insolvenzverwalter oder eigenverwaltende Schuldner regelmäßig schon mit dem Antrag die diesen stützenden Tatsachen glaubhaft machen.

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cc) Zeitliche Grenzen. Die zeitlichen Grenzen für die Antragstellung sind gesetzlich nicht geregelt. Der Antrag kann jedenfalls nicht mehr gestellt werden, wenn über die Beschwerde rechtskräftig entschieden ist. Fraglich ist indes, ob der Antrag schon ab Verkündung der Entscheidung des Beschwerdegerichts unzulässig ist.115 Auch jetzt kann sich 113

In diese Richtung auch Skauradszun/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 543: „positive Überprüfung durch den Insolvenzverwalter“.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 17. So Pleister/Tholen ZIP 2015, 414, 415; G Fischer NZI 2013, 513, 517; Lehmann/Rühle NZI 2014, 889, 890 ff.

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noch ein Überwiegen des Vollzugsinteresses ergeben, etwa durch den drohenden Rückzug eines Geschäftspartners. Allerdings ist die Beschwerdeinstanz schon durch die Verkündung der Entscheidung geschlossen. Im Falle der Planbestätigung könnte ein Antrag allein den Zweck verfolgen, eine Rechtsbeschwerde zu verhindern, im Falle der Planversagung stünde er in Konkurrenz zur Rechtsbeschwerde, wenn er jeweils zur Wiedereröffnung der Beschwerdeinstanz führte. Eine solche Wiedereröffnung scheidet jedenfalls aus. Allerdings kann, solange noch keine Rechtskraft eingetreten ist, die Sache im Falle der Zurückverweisung durch das Rechtsbeschwerdegericht wieder in die Beschwerdeinstanz gelangen. In diesem Fall kann ein nach Verkündung, aber vor Rechtskraft gestellter Antrag wieder Bedeutung erlangen. Daher ist als spätest möglicher Zeitpunkt die Rechtskraft anzusehen; allerdings führt der Antrag zu keiner Wiedereröffnung, sofern keine Zurückverweisung vom Rechtsbeschwerdegericht erfolgt; er erledigt sich, wenn keine Rechtsbeschwerde eingelegt wird oder das Rechtsbeschwerdegericht endgültig entscheidet. Als frühest möglichen Zeitpunkt wird man nicht erst die Einlegung der Beschwerde ansehen können;116 vielmehr sollte man schon einen für den Fall der Beschwerde hilfsweise gestellten Antrag zulassen, der ab Verkündung des Bestätigungsbeschlusses möglich ist. Einer „Schutzschrift“117 bedarf es dann nicht. In jedem Fall sollte der Antrag so früh wie möglich nach der Einlegung der Beschwerde gestellt werden, da die Nachteile einer weiteren Verzögerung, je länger diese bereits andauert, immer geringer werden und damit ein Überwiegen des Interesses am Planvollzug immer weniger wahrscheinlich ist.118 dd) Adressat des Antrags. Welches Gericht richtiger Adressat des Antrags ist, sagt Abs 4 52 nicht. Da der Rechtsausschuss die entsprechende Geltung des § 541 ZPO erwähnte,119 wonach die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts die Prozessakten beim Gericht des ersten Rechtszugs einzufordern – heute: anzufordern – hat, wird er von einem an das Landgericht als Beschwerdegericht adressierten Antrag ausgegangen sein (vgl § 519 ZPO). Mangels ausdrücklicher Vorgaben erscheint es indes angebracht, bis zur Vorlage der Beschwerde an das Landgericht als Beschwerdegericht gem § 572 I S 1 Hs 2 ZPO auch einen Antrag beim Insolvenzgericht im Rahmen des dort noch anhängigen Abhilfeverfahrens zuzulassen.120 Hierfür spricht neben dem Gedanken der Rechtsmittelklarheit, dass sich der Antrag gerade auf das Beschwerdeverfahren selbst bezieht und auf dessen Beendigung durch unverzügliche Zurückweisung der Beschwerde gerichtet ist. Dass daneben dennoch auch sogleich ein Antrag an das Landgericht als Beschwerdegericht möglich sein sollte, legt zum einen Abs 4 S 1 nahe, zum anderen wird das Verfahren hierdurch nicht beschwert, da das Amtsgericht ohnehin mit dem Antrag gem Abs 4 seine Zuständigkeit endgültig verliert. Nach der Vorlage der Beschwerde gem § 572 I S 1 Hs 2 ZPO ist richtiger Adressat des Antrags indes allein das Landgericht; ein beim Amtsgericht angebrachter Antrag ist an das Landgericht weiterzuleiten und wird erst mit Eingang beim Landgericht wirksam.

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So aber G Fischer NZI 2013, 513, 517; FK/ Jaffé InsO9 § 253 Rn 22; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 16; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 253 Rn 30; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 61. Hierfür Lehmann/Rühle NZI 2014, 889, 890 bei Rn 11; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 253 Rn 30; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 61. Vgl Böcker DZWIR 2015, 10, 17 f: ab drei Monaten Ausschluss des Freigabeverfahrens;

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Fölsing ZInsO 2014, 2239 f: ab zwei Wochen Ausschluss des Freigabeverfahrens; sa G Fischer NZI 2013, 513, 519. Begr Rechtsausschuss BT-Drucks 17/7511, S 36. IE wie hier HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 25; aA G Fischer NZI 2013, 513, 517; FK/Jaffé InsO9 § 253 Rn 22; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 16.

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ee) Form. Besondere Anforderungen an die Form des Antrags stellt das Gesetz nicht. Der Antrag kann also mündlich im Termin vor dem Insolvenzgericht oder dem Landgericht (vgl Rn 52) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich (§§ 130, 130a ZPO) gestellt werden.121

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d) Prüfungsinhalt. Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob „das alsbaldige Wirksamwerden des Insolvenzplans vorrangig erscheint, weil die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs … die Nachteile für den Beschwerdeführer überwiegen“ (Abs 4 S 1 Hs 1), und ob „ein besonders schwerer Rechtsverstoß vorliegt“ (Abs 4 S 2).

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aa) Überwiegendes Vollzugsinteresse. Um festzustellen, ob ein überwiegendes Interesse am Planvollzug iSd Abs 4 S 1 Hs 1 besteht, muss das Gericht die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs (das „Vollzugsinteresse“) den Nachteilen für den Beschwerdeführer (das „Aufschubsinteresse“) gegenüberstellen und abwägen.122 56 Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs sind nur die Nachteile, die dem Schuldner, einem Gläubiger oder einem Anteilsinhaber123 gerade aus der Verzögerung entstehen, die eine Prüfung der Begründetheit der Beschwerde nach den allgemeinen Regeln mit sich bringt. Dabei ist von der Unbegründetheit der Beschwerde auszugehen; es kommt also nicht auf den Nachteil an, der in einer Aufhebung der bestätigenden Entscheidung und Versagung der Planbestätigung liegen würde. Ein solcher allein aus der Verzögerung entstehender Nachteil kann beispielsweise darin liegen, dass ein Käufer für bestimmte Unternehmensteile oder Vermögenswerte ein befristetes Angebot gemacht hat, das wiederum vom Vollzug des Plans abhängt. Ausreichend für einen Nachteil ist aber auch, dass durch eine Verzögerung Zulieferer und Kunden verunsichert oder abgeschreckt würden und deshalb der Geschäftsbetrieb nicht aufrechterhalten werden könnte.124 Für das Gewicht des Nachteils kann die Zahl der auf dem Spiel stehenden Arbeitsplätze ein Gesichtspunkt sein;125 Berücksichtigung können aber auch andere Gesichtspunkte finden, etwa die Bedeutung eines Unternehmens für die regionale Versorgung. 57 Nachteile für den Beschwerdeführer sind an sich diejenigen Nachteile, die ihm gerade dadurch entstehen, dass die den Plan bestätigende Entscheidung bei unverzüglicher Zurückweisung der Beschwerde keiner Überprüfung mehr unterzogen wird. Da ein abstraktes Interesse an der Durchführung einer Überprüfung nicht als geschützt angesehen werden kann, sind nur diejenigen Nachteile relevant, die dem Beschwerdeführer im Falle einer fehlerhaften Planbestätigung entstehen. Mithin kommt es darauf an, ob und in welchem Umfang der Beschwerdeführer durch die Planbestätigung gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren schlechtergestellt wird.126 Die Schlechterstellung kann dabei eine wirtschaftliche 121

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IE wie hier Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 253 Rn 32; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 63: § 569 ZPO, also schriftlich (II) oder zu Protokoll (III Nr 1); aA (unter Verweis auf Sinz) HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 25: § 569 II ZPO, also Schriftform. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 253 Rn 14; FK/Jaffé InsO9 § 253 Rn 21; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 17; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 19; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 253 Rn 33. Weiter Lehmann/Rühle NZI 2014, 889, 894: alle am Planvollzug interessierten Personen, auch Arbeitnehmer. Soweit diese Personen

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aber nicht Gläubiger oder Anteilsinhaber sind, fehlt ihnen die Befugnis zur Entscheidung über den Plan. Ihre Interessen dürfen daher auch im Rahmen des Abs 4 nicht berücksichtigt werden. Die Abwägungsentscheidung des Abs 4 ermächtigt das Beschwerdegericht nicht dazu, eigene Wirtschafts- und Standortpolitik zu betreiben. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 253 Rn 13 f. LG Berlin NZI 2015, 66, 67; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 253 Rn 18. G Fischer NZI 2013, 513, 516; Böcker DZWIR 2015, 10, 14; Pleister/Tholen ZIP 2015, 414, 415 f; Meyer DB 2015, 538, 542

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oder eine rechtliche sein; dass dem Beschwerdeführer Schadensersatz gem Abs 4 S 3 Hs 1 nur bei einer wirtschaftlichen Schlechterstellung zustehen kann, zwingt nicht dazu, eine rechtliche Schlechterstellung wie etwa den Verlust einer wenn auch wertlosen Gesellschafterstellung für unbeachtlich zu erklären.127 Ein Ausgleich wirtschaftlicher Schlechterstellung durch einen Schadensersatzanspruch ist freilich bei der Abwägung zu berücksichtigen.128 Bei einer Mehrheit von Beschwerdeführern sind deren Nachteile zusammenzuaddieren;129 die Nachteile von Beteiligten, die keine Beschwerde erhoben haben, bleiben jedoch außer Betracht. bb) Kein besonders schwerer Rechtsverstoß. Abs 4 S 2 bezieht sich nur auf den in Abs 4 58 S 1 Hs 1 vorgesehenen Entscheidungsmaßstab, nicht auf die in Abs 4 S 1 Hs 1 angeordnete Zuständigkeit des Landgerichts und den in Abs 4 S 1 Hs 2 bestimmten Ausschluss des Abhilfeverfahrens. Es bleibt also bei der Zuständigkeit des Landgerichts.130 Das Landgericht hat somit ohne vorgeschaltetes Abhilfeverfahren auch zu prüfen, ob trotz Überwiegen des Vollzugsinteresses die Beschwerde aufgrund von Abs 4 S 2 nicht unverzüglich zurückgewiesen werden darf.131 Die unverzügliche Zurückweisung scheidet nach Abs 4 S 2 aus, „wenn ein besonders schwerer Rechtsverstoß vorliegt“, was insbesondere Fälle der Willkür,132 aber regelmäßig auch die unlautere Herbeiführung der Planannahme iSd § 250 Nr 2133 erfasst. Es muss sich um einen Verstoß gegen fundamentale Regeln der Planaufstellung und -vorlage, des Verfahrens oder der Abstimmung und Zustimmung handeln, der offensichtlich und unerträglich ist.134 Selbst bei einem Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften iSd § 250 Nr 1 muss dies nicht stets der Fall sein.135 Zudem ist zu verlangen, dass der bestätigende Beschluss auf diesem besonders schweren Rechtsverstoß beruht.136 Denkbar ist etwa, dass die Abstimmung einiger Gruppen gar nicht stattgefunden hat. Das Gericht hat das bisherige Verfahren von Amts wegen daraufhin zu überprüfen, ob ein solcher Verstoß vorliegt; der Verstoß muss nicht geltend oder gar glaubhaft gemacht worden sein.137 e) Tatsachenstoff und Beweis. Auch im Falle eines Antrags nach Abs 4 ist das Gericht 59 nicht auf die Prüfung derjenigen Tatsachen beschränkt, die der Antragsteller in seinem Antrag vorgetragen hat; erst recht kommt es nicht darauf an, welche Tatsachen der Beschwer-

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mit dem Hinweis, dass das Regelinsolvenzverfahren nicht auf Liquidation gerichtet sein muss. Schäfer ZIP 2014, 2417, 2419; ders ZIP 2015, 1208, 1211; Meyer DB 2015, 538, 541 f; vgl auch LG Bonn ZInsO 2015, 43, 45; aA (allein wirtschaftliche Nachteile) G Fischer NZI 2013, 513, 518 f; Lehmann/ Rühle NZI 2014, 889, 894; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 253 Rn 68. Lehmann/Rühle NZI 2014, 889, 894; G Fischer NZI 2013, 513, 518; Pleister/Tholen ZIP 2015, 414, 416; aA Fölsing ZInsO 2014, 2239, 2241. G Fischer NZI 2013, 513, 518. IE ebenso HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 25; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 30. Begr Rechtsausschuss BT-Drucks 17/7511, S 36.

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 17. G Fischer NZI 2013, 513, 518; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 67. LG Berlin NZI 2015, 66, 71; Lehmann/ Rühle NZI 2014, 889, 892; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 253 Rn 20; Böcker DZWIR 2015, 10, 19 f: „greifbare Gesetzeswidrigkeit“. Zusätzlich eine erhebliche Benachteiligung des Beschwerdeführers fordernd FK/ Jaffé InsO9 § 253 Rn 21. G Fischer NZI 2013, 513, 518; FK/Jaffé InsO9 § 253 Rn 21; Lehmann/Rühle NZI 2014, 889, 892. LG Berlin NZI 2015, 66, 71; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 253 Rn 20. AA wohl Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 253 Rn 14 aE.

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deführer glaubhaft gemacht hat. Vielmehr gilt wiederum im Ausgangspunkt der Untersuchungsgrundsatz (§ 5 I);138 das Gericht muss allerdings von sich aus nur Ermittlungen anstellen, wenn hierfür hinreichende Anhaltspunkte gegeben sind. Die Unterschiede zur wohl hM, die anzunehmen scheint, dass der Antragsteller die Tatsachen vortragen müsse,139 also den Beibringungsgrundsatz angewandt wissen will, dürften insoweit nicht allzu groß sein. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass auch im Falle einer Beschwerde gegen die Planbestätigung, die der Insolvenzverwalter bzw der eigenverwaltende Schuldner mit seinem Antrag gem Abs 4 unverzüglich zurückgewiesen sehen will, kein echtes kontradiktorisches Verfahren gegeben ist, da weder Beschwerde noch Antrag einen eigentlichen Verfahrensgegner kennen.140 60 Eine Abweichung vom Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugung (§ 286 ZPO) ist Abs 4 nicht zu entnehmen. Mit der Vorgabe, das Gericht habe das Überwiegen des Vollzugsinteresses nach freier Überzeugung festzustellen, greift die Abs 4 S 1 Hs 1 sogar den Wortlaut des § 286 I S 1 ZPO auf. Dennoch wird man angesichts der angestrebten Beschleunigung annehmen müssen, dass eine summarische Prüfung ausreicht,141 wie sie § 294 ZPO entspricht. Dies bedeutet zum einen, dass das Beweismaß auf hinreichende Wahrscheinlichkeit herabgesetzt ist, zum anderen, dass lediglich präsente Beweismittel heranzuziehen sind, aber keine Beschränkung auf die Beweismittel des Strengbeweises greift.142 Unzutreffend ist es jedoch, sich hierfür auf Abs 2 Nr 3 zu stützen, was die Nachteile des Beschwerdeführers und die Prüfung des besonders schweren Rechtsfehlers angeht.143 Denn Abs 2 regelt nur die Zulässigkeit der Beschwerde, sagt aber nichts über die Begründetheit des Antrags gem Abs 4. 61 Geht man wie hier davon aus, dass im Ausgangspunkt der Untersuchungsgrundsatz gilt (Rn 59), so gibt es zwar keine subjektive Beweislast; zwischen Beschwerdeführer und Antragsteller ist aber die Feststellungslast beweislastähnlich verteilt. Der Antragsteller muss das Gericht vom Überwiegen des Vollzugsinteresses iSd Abs 4 S 1 Hs 1 überzeugen,144 der Beschwerdeführer vom Vorliegen eines besonders schweren Rechtsverstoßes iSd Abs 4 S 2.145

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f) Verfahren. Wird der Antrag zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem das Insolvenzgericht noch nicht über die Abhilfe entschieden hat, so tritt mit dem Antrag sofort der Devolutiveffekt ein, dh die Sache ist mitsamt Akten146 ohne weitere Prüfung an das Landgericht als Beschwerdegericht weiterzuleiten (vgl Abs 4 S 1 Hs 2). Wird der Antrag erst gestellt, nachdem das Amtsgericht die Abhilfe versagt und die Beschwerde dem Landgericht als Beschwerdegericht vorgelegt hat (vgl § 4 iVm § 572 I S 1 Hs 2 ZPO), bleibt das Landgericht zuständig, eine weitere Devolution findet nicht statt. 63 Das Landgericht hat zunächst die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde selbständig zu prüfen (vgl § 4 iVm § 572 II ZPO), bevor es die Voraussetzungen einer sofortigen Zu138

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So grds auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 21; aA MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 72. G Fischer NZI 2013, 513, 517; Skauradszun DB 2014, 2694, 2696. Vgl Smid DZWIR 2005, 364, 366. BGH NZI 2014, 904, 905 Rn 14; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 253 Rn 21; MünchKomm/ Sinz InsO3 § 253 Rn 72. IE wie hier G Fischer NZI 2013, 513, 517.

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So aber G Fischer NZI 2013, 513, 518. IE wie hier G Fischer NZI 2013, 513, 518; HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 26. MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 66. War die Sache noch beim Insolvenzgericht anhängig, der Antrag aber sogleich beim Landgericht gestellt, entsprechend § 541 ZPO (Begr Rechtsausschuss BT-Drucks 17/ 7511, S 36), ansonsten entsprechend § 572 I Hs 2 ZPO; sa K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 30.

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Rechtsmittel

§ 253

rückweisung nach Abs 4 prüft.147 Dies folgt aus der Einordnung des Abs 4 als Regelung der Begründetheit (Rn 45). Hat das Landgericht die sofortige Beschwerde verworfen, kann es über einen Zurückverweisungsantrag nicht mehr entscheiden, da es mit der Sache nicht mehr befasst ist.148 Dies gilt auch im Falle einer Rechtsbeschwerde gegen den Verwerfungsbeschluss, da das Beschwerdegericht keine Abhilfebefugnis hat;149 wird die Sache aber vom Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdegericht an das Beschwerdegericht zurückverwiesen, ist es mit der Sache wieder befasst und kann daher nach Feststellung der Zulässigkeit über einen Zurückweisungsantrag entscheiden (Rn 51).150 Ist die Beschwerde zulässig, so sind zunächst die Voraussetzungen des Antrags auf so- 64 fortige Zurückweisung zu prüfen. Hat das Landgericht als Beschwerdegericht ein Überwiegen des Vollzugsinteresses festgestellt, muss es sich vor der Zurückweisung der Beschwerde noch vergewissern, dass kein besonders schwerer Rechtsverstoß vorliegt; da sowohl die Abwägung als auch die Prüfung eines Rechtsverstoßes durch das Beschwerdegericht erfolgen (Rn 58), kann sich eine Umkehrung der Prüfungsreihenfolge anbieten.151 Überwiegt das Vollzugsinteresse und liegt kein besonders schwerer Rechtsverstoß vor, weist das Beschwerdegericht die Beschwerde unverzüglich zurück. Nur und erst wenn das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass dem Antrag auf unverzügliche Zurückweisung nicht stattgegeben werden kann, prüft es ohne Zurückverweisung an das Amtsgericht nach allgemeinen Regeln, ob die Planbestätigung fehlerhaft war;152 dies ist jedenfalls immer dann der Fall, wenn der Zurückverweisungsantrag gem Abs 4 S 2 wegen eines besonders schweren Rechtsverstoßes abgewiesen werden musste (Rn 58).

V. Entscheidungsinhalte, Anfechtungsmöglichkeit und Rechtskraft 1. Unzulässige Beschwerde. Eine unzulässige Beschwerde verwirft das Beschwerdegericht durch Beschluss (§ 4 iVm 65 § 572 II S 2, IV ZPO). Gegen die Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn sie vom Beschwerdegericht zugelassen wurde (§ 4 iVm § 574 I S 1 Nr 2 ZPO).153

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HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 25; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 18; Pleister/Tholen ZIP 2015, 414, 416: zuerst Zulässigkeit und auch offensichtliche Unbegründetheit der Beschwerde zu prüfen; wohl aA Lehmann/Rühle NZI 2014, 889, 890 bei Rn 7. AA für die Zeit bis zur Rechtskraft Skauradszun DZWIR 2014, 338, 344 f. Vgl BGHZ 202, 133, 144 = NJW 2014, 2436, 2439 Rn 28 ff; Lehmann/Rühle NZI 2014, 889, 891; Smid ZInsO 2014, 1873, 1881. Zur Bindungswirkung der Feststellungen des Rechtsbeschwerdegerichts Smid ZInsO 2014, 1873, 1881 f; zur Frage, inwiefern sich die verfahrensbedingte Verzögerung auf das Merkmal der „Unverzüglichkeit“ eines mög-

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lichen Zurückweisungsbeschlusses auswirkt Tholen/Pleister ZIP 2015, 414 f: ab drei Monaten Verzögerung Begründungspflicht des Gerichts für die Fristüberschreitung; Böcker DZWIR 2015, 10, 17 f: ab drei Monaten Ausschluss des Freigabeverfahrens; vgl auch Fölsing ZInsO 2014, 2239 f: ab zwei Wochen Ausschluss des Freigabeverfahrens; G Fischer NZI 2013, 513, 519. Für diese umgekehrte Prüfungsreihenfolge G Fischer NZI 2013, 513, 517; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 66. LG Hamburg ZInsO 2015, 1259, 161; HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 25; aA MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 85: Vor Nichtabhilfebeschluss lebt Abhilfebefugnis wieder auf. Skauradszun DZWIR 2014, 338, 341, 345.

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War Gegenstand der Beschwerde eine Planbestätigung, so wird mit Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung der Insolvenzplan rechtskräftig, sofern keine weiteren Beschwerdeentscheidungen ausstehen. Die Rechtskraft der verwerfenden Entscheidung beschränkt sich darauf, dass die Beschwerde bei unveränderter Sachlage unzulässig ist. 2. Zulässige Beschwerde a) Allgemeine Regeln

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aa) Unbegründete Beschwerde. Ist die Beschwerde zulässig, aber nach allgemeinen Regeln unbegründet, weil die Entscheidung über die Planbestätigung mit den §§ 248–252 im Einklang steht, so weist sie das Beschwerdegericht durch Beschluss zurück (§ 4 iVm § 572 IV ZPO). Eine Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist wiederum nur statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht im Zurückweisungsbeschluss zugelassen hat (§ 4 iVm § 574 I S 1 Nr 2 ZPO).154 68 War Gegenstand der Beschwerde eine Planbestätigung, so wird der Insolvenzplan vorbehaltlich weiterer nicht abgeschlossener Beschwerdeverfahren mit Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses rechtskräftig. War Gegenstand der Beschwerde eine Versagung der Planbestätigung, so erwächst in Rechtskraft nur die Entscheidung, dass dem im konkreten Verfahren zustandegekommenen Plan die Bestätigung versagt wird. Dies gilt selbst dann, wenn dem Plan nicht wegen eines Verfahrensfehlers die Bestätigung versagt wird, sondern die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Versagung darauf beruht, dass der Inhalt des Plans in einem wesentlichen Punkt fehlerhaft ist (§ 250 Nr 1 Fall 1). Ein Plan desselben Inhalts kann also ohne Rechtskraftsperre erneut vorgelegt werden. Allerdings kann die erneute Vorlage eines inhaltsgleichen Plans durch den Schuldner zur Zurückweisung gem § 231 II führen; eine erneute Vorlage durch den Insolvenzverwalter wird praktisch kaum je vorkommen.

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bb) Begründete Beschwerde. Ist die Beschwerde begründet, so ist jedenfalls der angefochtene Beschluss aufzuheben. Mit ihm aufzuheben ist das Verfahren, wenn die Aufhebung auf einem Verfahrensfehler beruht.155 In diesem Fall ist die Sache an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen und das Verfahren vor dem Insolvenzgericht insoweit zu wiederholen. Dies kann, muss aber nicht Erörterung und Abstimmung umfassen.156 Ist lediglich die Entscheidung über die Planbestätigung fehlerhaft, kann das Beschwerdegericht selbst entscheiden oder die Entscheidung dem Insolvenzgericht überlassen (§ 4 iVm § 572 III ZPO).157 Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist eine Rechtsbeschwerde nur bei ausdrücklicher Zulassung im Zurückweisungsbeschluss statthaft (§ 4 iVm § 574 I S 1 Nr 2 ZPO).158 70 Ausgeschlossen ist eine teilweise Aufhebung des Bestätigungsbeschlusses.159 Zum einen ist der Plan selbst nicht Teil des Tenors; zum anderen kann die Entscheidung nicht anders ausfallen als diejenige, die das Insolvenzgericht treffen könnte. Auch bei vollständiger Aufhebung des Bestätigungsbeschlusses kann aber das Verfahren nur ab dem Erörterungs-

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Skauradszun DZWIR 2014, 338, 345. Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 11. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 29; krit zur Zurückverweisung Smid DZWIR 2005, 364, 365.

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 11; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 29; Smid DZWIR 2005, 364, 365. Skauradszun DZWIR 2014, 338, 345. AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 12.

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Rechtsmittel

§ 253

termin aufgehoben werden, sodass sich ohne Durchführung eines komplett neuen Verfahrens mithilfe einer Planänderung der Fehler beseitigen lässt.160 War Gegenstand der Beschwerde eine Versagung der Planbestätigung und entscheidet 71 das Beschwerdegericht oder das Insolvenzgericht, dem das Beschwerdegericht die Entscheidung überlassen oder an das es das Verfahren zurückverwiesen hatte, dass der Plan zu bestätigen ist, so wird der Insolvenzplan wiederum vorbehaltlich weiterer nicht abgeschlossener Beschwerdeverfahren mit Rechtskraft der Entscheidung rechtskräftig. War Gegenstand der Beschwerde eine Planbestätigung, so wird nur die Entscheidung, dass dem im konkreten Verfahren zustandegekommenen Plan die Bestätigung versagt wird, rechtskräftig (s näher Rn 68).161 b) Bei Antrag nach Abs 4 aa) Unverzügliche Zurückweisung. Sind die Voraussetzungen des Abs 4 S 1 Hs 1 ge- 72 geben und liegt kein besonders schwerer Rechtsverstoß iSd Abs 4 S 2 vor, muss das Landgericht die Beschwerde ohne weitere Prüfung unverzüglich zurückweisen. Ob gegen die Zurückweisung ein Rechtsmittel gegeben ist, ist unklar. § 6 I beantwortet 73 diese Frage jedenfalls seinem Wortlaut nach nicht. Denn er schließt Rechtsmittel, die nicht gesetzlich vorgesehen sind, nur gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts aus; die unverzügliche Zurückweisung wird aber vom Landgericht als Beschwerdegericht ausgesprochen. Da sich der Gesetzgeber am Vorbild des § 246a AktG orientiert hat,162 kommt sodann Unanfechtbarkeit entsprechend § 246a III S 4 AktG in Betracht.163 Einen Verweis auf § 246a AktG insgesamt oder auf § 246a III S 4 AktG enthält § 253 IV aber nicht. Auch in den Gesetzesmaterialien ist nicht explizit auf § 246a III S 4 AktG verwiesen. Dass in § 246a III S 4 AktG nunmehr164 die Unanfechtbarkeit ausdrücklich angeordnet ist, der Gesetzgeber gleichwohl aber von einer entsprechenden Vorschrift in Abs 4 abgesehen hat, lässt genausogut einen Kehrschluss zu, zumal das Freigabeverfahren des § 246a AktG neben der Anfechtungsklage steht (Rn 45), über die auch im Falle der Freigabe noch entschieden wird, was eine Unanfechtbarkeit weniger problematisch erscheinen lässt. Gewiss liegt § 6 I und mehr noch Abs 4 ganz allgemein der Gedanke eines Schutzes vor Verzögerungen und Obstruktionen durch Rechtsmittel zugrunde. Indes zeigt § 6 I, dass der Ausschluss von Rechtsmitteln gesetzlicher Anordnung bedarf; dies gilt umso mehr, als § 4 ja die in §§ 567 I Nr 2, 574 I S 1 Nr 2 ZPO eher rechtsmittelfreundliche ZPO zur Anwendung beruft. Ein Ausschluss von Rechtsmitteln „kraft Natur der Sache“, wie ihn der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall annimmt,165 geht jedenfalls im grundrechtlich sensiblen Bereich des Abs 4 über die Grenzen zulässiger Auslegung hinaus. Zwar ist es richtig, dass dort, wo wie im einstweiligen Rechtsschutz nur eine summarische Prüfung stattfindet, typischerweise Revision und Rechtsbeschwerde ausgeschlossen sind; auch trifft es hier zu, dass die Voraussetzungen des Abs 4 vom Landgericht nur summarisch geprüft werden müssen.166 Bei Abs 4 entscheidet das Landgericht aber stets erstmals über die Voraussetzungen des Abs 4

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Insoweit wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 29. Vgl Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 11: Aufrechterhaltung des Plans durch den Planverfasser macht erneute Erörterung und Abstimmung erforderlich; ähnlich Nerlich/Römermann/Braun InsO33 § 253 Rn 4. Begr Rechtsausschuss BT-Drucks 17/7511, S 36.

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So BGH NZI 2014, 904, 905 Rn 16 ff. Seit G v 19.04.2007, BGBl I, S 542, 547. BGH NZI 2014, 904 m krit Anm Spliedt EWiR 2014, 685; zust Smid ZInsO 2014, 2078, 2079 f. BGH NZI 2014, 904, 905 Rn 14.

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und beendet bei deren Bejahung das Beschwerdeverfahren vollständig; es handelt sich also gerade nicht um ein Freigabeverfahren oder sonstiges neben dem eigentlichen Rechtsbehelf angesiedeltes Verfahren (vgl nochmals Rn 45).167 Der Schadensersatzanspruch des Abs 4 S 3 mag die Vorschrift insgesamt und auch eine Unanfechtbarkeit verfassungsrechtlich haltbar machen; als Argument dafür, dass sich die Unanfechtbarkeit ohne gesetzliche Anordnung aus der Natur der Sache ergeben soll, taugt er aber schwerlich.168 Ebensowenig kann aus dem Grundsatz, dass Rechtsschutz gegen den Richter nicht verfassungsrechtlich geboten sei, auf die Verfassungsmäßigkeit einer ungeschriebenen Unanfechtbarkeit geschlossen werden.169 Entgegen dem Bundesgerichtshof und der hM170 kann de lege lata also nicht angenommen werden, dass ein Zurückweisungsbeschluss gem Abs 4 von vornherein unanfechtbar ist.171 74 Folgt man der hier vertretenen Ansicht, wonach die unverzügliche Zurückweisung gem Abs 4 nicht unanfechtbar ist (Rn 73), so bleibt zu entscheiden, welches Rechtsmittel gegen den zurückweisenden Beschluss statthaft ist. Einerseits entscheidet das Beschwerdegericht über die unverzügliche Zurückweisung auf der Grundlage der Voraussetzungen des Abs 4 S 1, 2. Es handelt sich also um eine erstmalige Entscheidung auf dieser Grundlage, nicht um die Prüfung einer Ausgangsentscheidung. Aus diesem Grund könnte man geneigt sein, den vollen Beschwerderechtszug zuzulassen. Andererseits ist die Zurückweisungsentscheidung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Beschwerde. Gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts über die Beschwerde kommt nach allgemeinen Regeln nur die Rechtsbeschwerde in Betracht. Für die Anwendung dieser allgemeinen Regeln spricht auch, dass anderenfalls gar nicht klar wäre, welches Gericht über die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung des Beschwerdegerichts zu entscheiden hätte. Schließlich brächte die unbeschränkte Anfechtbarkeit durch eine Beschwerde eine Verzögerung, die schwerlich mit dem auf Beschleunigung ausgelegten Abs 4 zu vereinbaren wäre. Daher kann auch gegen die unverzügliche Zurückweisung richtigerweise allein die Rechtsbeschwerde nach allgemeinen Regeln in Betracht kommen. Eine Rechtsbeschwerde gegen die unverzügliche Zurückweisung ist damit nur statthaft, wenn sie vom Beschwerdegericht in dem Zurückweisungsbeschluss ausdrücklich zugelassen worden ist (§ 4 iVm § 574 I S 1 Nr 2 ZPO).172 75 Mit Rechtskraft des Beschlusses, der die unverzügliche Zurückweisung der Beschwerde ausspricht, wird der Insolvenzplan rechtskräftig.

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bb) Keine unverzügliche Zurückweisung wegen besonders schweren Rechtsverstoßes. Hat das Landgericht einen besonders schweren Rechtsverstoß festgestellt, so ist es nicht nur daran gehindert, die Beschwerde unverzüglich zurückzuweisen. Es muss vielmehr zugleich den Beschluss über die Bestätigung des Plans aufheben und dem Plan die Bestätigung versagen. Dies erfolgt einheitlich in der Beschwerdeentscheidung, deren Gründen zu ent-

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Insoweit liegen die Dinge hier anders als in BGH NJW 2006, 2924 und den dort Rn 6 in Bezug genommenen Fällen; ähnlich K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 22. AA BGH NZI 2014, 904, 906 Rn 19 ff; Skauradszun DZWIR 2014, 338, 343. So aber BGH NZI 2014, 904, 906 Rn 23. BGH NZI 2014, 904 Rn 6, 905 Rn 13 ff; G Fischer NZI 2013, 513, 520; FK/Jaffé InsO9 § 253 Rn 23; HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 29; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 253 Rn 46; Lehmann/Rühle NZI

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2014, 889, 894; Skauradszun DZWIR 2014, 338, 342 ff; ders/Spahlinger/Tresselt DZWIR 2015, 539, 543; Smid ZInsO 2014, 2078, 2079 ff. Krit – wohl aber nur de lege ferenda – auch Meyer DB 2015, 538, 542; Schäfer ZIP 2014, 2417 f; ders ZIP 2015, 1208, 1211 Vorschlag 2.4: „Es sollte ein Rechtsmittel gegen die ‚Freigabeentscheidung‘ eröffnet werden“. IE wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 30 aE.

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nehmen ist, dass und weshalb aus Sicht des Landgerichts als Beschwerdegericht ein besonders schwerer Rechtsverstoß vorliegt. Gegen die Entscheidung über die Beschwerde ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn sie ausdrücklich zugelassen wurde (§ 4 iVm § 574 I S 1 Nr 2 ZPO). Die Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung beschränkt sich wiederum darauf, dass 77 dem im konkreten Verfahren zustandegekommenen Plan die Bestätigung zu versagen ist (näher Rn 68). Eine gesonderte Entscheidung über den Antrag des Insolvenzverwalters bzw des eigen- 78 verwaltenden Schuldners auf unverzügliche Zurückweisung ergeht nicht. Denn der Insolvenzverwalter oder der eigenverwaltende Schuldner stellt den Antrag nach Abs 4 nicht zur Verteidigung eigener Rechte. Vielmehr soll ihr Antrag einen Filter bilden und das Gericht davor schützen, stets zunächst die unverzügliche Zurückweisung zu prüfen (vgl Rn 49). Hat das Gericht eine gesonderte Entscheidung erlassen, so ist diese jedenfalls nicht anfechtbar, da sie nur die Beschwerdeentscheidung vorbereitet. cc) Keine unverzügliche Zurückweisung mangels überwiegenden Vollzugsinteresses. 79 Fehlt es zwar an einem besonders schweren Rechtsverstoß, konnte aber auch kein Überwiegen des Vollzugsinteresses festgestellt werden, kehrt die Sache in das Stadium zurück, in dem sie sich vor dem Antrag des Insolvenzverwalters oder des eigenverwaltenden Schuldners befand. Mithin muss noch über die Beschwerde entschieden werden. Zuständig hierfür ist stets das Landgericht. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Sache vom Insolvenzgericht vor dessen Entscheidung über eine Abhilfe aufgrund eines Antrags nach Abs 4 an das Landgericht ging. Denn das Landgericht hat sich im Rahmen der Interessenabwägung nach Abs 4 S 1 bereits eingehend mit der Sache befasst. Die Sache nunmehr dennoch zunächst nochmals dem Insolvenzgericht zur Prüfung einer Abhilfeentscheidung vorzulegen, widerspräche dem Konzentrationsgedanken; die mit der Abhilfemöglichkeit bezweckte Entlastung des Beschwerdegerichts173 ist ohnehin nicht mehr zu erreichen. Gegen die Beschwerdeentscheidung ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn sie ausdrücklich zugelassen wurde (§ 4 iVm § 574 I S 1 Nr 2 ZPO). Auch in diesem Fall bedarf es keiner gesonderten Entscheidung über den Antrag des In- 80 solvenzverwalters bzw des eigenverwaltenden Schuldners auf unverzügliche Zurückweisung; ergeht dennoch eine solche Entscheidung, ist sie nicht anfechtbar (Rn 78).

VI. Schadensersatzanspruch gem Abs 4 S 3, 4 1. Voraussetzungen a) Unverzügliche Zurückweisung. Im Fall der unverzüglichen Zurückweisung der Be- 81 schwerde ist dem Beschwerdeführer nach dem Vorbild des § 246a IV S 1 AktG174 der Schaden zu ersetzen, den er infolge des Planvollzugs erleidet. Dies gilt auch dann, wenn die unverzügliche Zurückweisung zu Unrecht erfolgte. Nimmt man wie hier (Rn 73 f) an, dass gegen den Zurückweisungsbeschluss die Rechtsbeschwerde statthaft ist, sofern sie vom Beschwerdegericht zugelassen wurde, setzt der Schadensersatzanspruch gleichwohl nicht die erfolglose Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens voraus. Denn dies kann we-

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der dem Wortlaut entnommen werden noch eröffnet die Rechtsbeschwerde eine vollwertige Tatsacheninstanz.

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b) Erfolgsausaussichten der Beschwerde. Fraglich ist, ob der Beschwerdeführer stets einen Schadensersatzanspruch erwirbt, wenn seine Beschwerde gem Abs 4 unverzüglich zurückgewiesen wurde, oder der Anspruch zusätzlich voraussetzt, dass die Beschwerde ohne einen Antrag gem Abs 4 Erfolg gehabt hätte. Ordnet man Abs 4 als Regelung der Begründetheit ein (Rn 46), so setzt die Zurückweisung eine zulässige Beschwerde voraus; es kommt also nur darauf an, ob die Beschwerde begründet gewesen wäre. Wäre ohne Antrag gem Abs 4 die Beschwerde nicht begründet gewesen, stünde der Beschwerdeführer genauso, wie er bei einer unverzüglichen Zurückweisung steht. Ihm allein aufgrund der unverzüglichen Zurückweisung einen Schadensersatzanspruch zu gewähren, der zu Lasten der Masse geht, lässt sich nicht rechtfertigen. Für die hypothetische Begründetheit der Beschwerde als ungeschriebene Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs spricht des Weiteren § 246a IV S 1 AktG, der den Schadensersatzanspruch nur gewährt, wenn sich die Klage als begründet erweist. Auch der Rechtsausschuss ging davon aus, dass der Beschwerdeführer Schadensersatz nur in den Fällen verlangen kann, „in denen die Beschwerde Aussicht auf Erfolg gehabt hätte“.175 Schließlich ähnelt die unverzügliche Zurückweisung einem Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, der Schadensersatzanspruch des Abs 4 S 3 hat eine gewisse Nähe zu § 945 ZPO.176 Im einstweiligen Rechtsschutz, insbesondere bei einer Leistungsverfügung, sind aber die Erfolgsaussichten der Hauptsache stets zu berücksichtigen. Auch insoweit spricht die systematische Auslegung mithin dafür, die hypothetische Begründetheit der Beschwerde zu berücksichtigen.177 Schadensersatz ist dem Beschwerdeführer mithin nur zu gewähren, wenn seine Beschwerde erfolgreich gewesen wäre, hätte der Insolvenzverwalter keinen Antrag gem Abs 4 S 1 gestellt. 2. Anspruchsinhalt

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Abs 4 S 3 gewährt einen Anspruch auf Ersatz des gesamten Schadens, der dem Beschwerdeführer durch den Planvollzug entsteht (Abs 4 S 3 Hs 1); zu ersetzen ist also die Differenz zwischen dem Wert der Forderung oder des Anteils- bzw Mitgliedschaftsrechts des Beschwerdeführers bei Regelabwicklung und dem Planwert.178 Schadensersatz durch Naturalerfüllung in Gestalt einer Rückgängigmachung der Wirkungen des Plans ist ausdrücklich ausgeschlossen (Abs 4 S 3 Hs 2). Diesen Ausschluss gebieten Sinn und Zweck der Norm; er entspricht auch dem Vorbild des § 246a IV S 2 Alt 2 AktG. 84 Dem Beschwerdeführer ist sein Schaden ist gem Abs 4 S 3 Hs 1 „aus der Masse zu ersetzen“. Damit ist lediglich gemeint, dass der Anspruch einer Masseverbindlichkeit insofern ähnelt, als er keiner insolvenzrechtlichen Einschränkung unterliegt; nicht soll damit gesagt sein, dass sich die Haftung auf noch vorhandene Massegegenstände beschränke.179 Für die Erfüllung des Anspruchs müssen – anders als für den Ausgleichsanspruch nach

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Begr Rechtsausschuss BT-Drucks 17/7511, S 36. Vgl BGH NZI 2014, 904, 906 Rn 20 f. HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 28; HK/Haas InsO9 § 253 Rn 20; Pleister/Tholen ZIP 2015, 414, 419; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 74; Skauradszun DB 2014, 2694,

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2696; vgl zu § 16 Abs 3 UmwG Halfmeier WM 2006, 1465, 1468. Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 18. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 253 Rn 23; zust HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 28.

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Rechtsmittel

§ 253

§ 251 III – keine Mittel im Plan bereitgestellt werden.180 Der Insolvenzplan kann solche Mittel zwar bereitstellen und insbesondere auch bestimmte Sicherheiten, etwa eine Bankbürgschaft, vorsehen. Eine summenmäßige Begrenzung ist jedoch ebenso unwirksam wie eine Regelung, die ausschließlich einen Dritten zum Anspruchsgegner macht. Zulässig erscheint es, die Modalitäten der Geltendmachung im Plan näher zu regeln, insbesondere auch eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Anspruchs vorzusehen.181 Dabei darf jedoch die Durchsetzung des Anspruchs nicht unzumutbar erschwert werden, denn anderenfalls wäre die Regelung unwirksam. In der Literatur wird eine Ausschlussfrist von einem Monat nach Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses für „in jedem Falle ausreichend“ gehalten;182 eine solche Frist soll auch der Berücksichtigung des Schadensersatzanspruchs im Rahmen der Abwägung (Rn 57) nicht entgegenstehen.183 Sofern die Modalitäten der Geltendmachung nicht übermäßig kompliziert sind, wird man dem für inländische Beschwerdeführer beipflichten können; für ausländische Beschwerdeführer sollte aber eine längere Frist gelten. 3. Durchsetzung Muss der Beschwerdeführer den Anspruch einklagen, so besteht eine ausschließliche Zu- 85 ständigkeit des Landgerichts, das die Beschwerde zurückgewiesen hat (Abs 4 S 4). Nicht vorgegeben ist, ob stets die vorbefasste Beschwerdekammer oder aber diejenige Zivilkammer zuständig ist, die nach den allgemeinen Regeln des Geschäftsverteilungsplans zuständig wäre. Der Grundsatz des gesetzlichen Richters gebetet, dass diese Frage im Voraus beantwortet ist.184 Da die Beschwerde und die Schadensersatzklage nicht dieselbe „Sache“ sind und zudem die Vorbefassung der Beschwerdekammer bereits im Gesetz angelegt ist, also nicht auf einem Wechsel einer einmal gegebenen Geschäftsverteilung beruht, kann deren Zuständigkeit auch nicht durch Einzelanordnung nach § 21e IV GVG begründet werden. Aus diesem Grund ist, sofern der Geschäftsverteilungsplan derartige Streitigkeiten nicht explizit einem Spruchkörper zuweist, die Zivilkammer zuständig, vor die der Fall nach den allgemeinen Regeln gelangt wäre.185 Die Klage ist idR gegen den Schuldner, nicht den Insolvenzverwalter, zu richten, da mit der Bestätigung des Plans der Insolvenzverwalter nicht mehr Partei kraft Amtes ist,186 und folgt den allgemeinen Regeln über zivilprozessuale Erkenntnisverfahren; insbesondere gilt die Verhandlungsmaxime und ist Vollbeweis zu erbringen.187 Aufgrund der Geltung der allgemeinen Regeln kann der Schaden ggf gem § 287 ZPO geschätzt werden.188

180

181 182 183 184

Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 253 Rn 15; Braun/Braun/Frank InsO7 § 253 Rn 18; zum Verhältnis von § 251 III und § 253 IV auch Madaus NZI 2012, 597, 599. Dazu G Fischer NZI 2013, 513, 520 f; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 77 f. G Fischer NZI 2013, 513, 520. G Fischer NZI 2013, 513, 521. Allgemein Kern ZZP 130 (2017), 137, 173 ff.

185

186

187 188

IE wie hier Skauradszun DB 2014, 2694, 2696; aA MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 77: die Kammer, die mit der Beschwerde befasst war. HambK/Thies InsO6 § 253 Rn 28; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 § 253 Rn 43; MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 81. MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 76. Vgl Skauradszun DB 2014, 2694, 2696.

Christoph Kern

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§ 254

Sechster Teil. Insolvenzplan

DRITTER ABSCHNITT Wirkungen des bestätigten Plans. Überwachung der Planerfüllung

§ 254 Allgemeine Wirkungen des Plans (1) Mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten ein. (2) 1Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger an Gegenständen, die nicht zur Insolvenzmasse gehören, oder aus einer Vormerkung, die sich auf solche Gegenstände bezieht, werden durch den Plan nicht berührt. 2Der Schuldner wird jedoch durch den Plan gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber dem Gläubiger. (3) Ist ein Gläubiger weitergehend befriedigt worden, als er nach dem Plan zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten. (4) Werden Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umgewandelt, kann der Schuldner nach der gerichtlichen Bestätigung keine Ansprüche wegen einer Überbewertung der Forderungen im Plan gegen die bisherigen Gläubiger geltend machen. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.2.24; DiskE/RefE § 290; RegE § 301; Begr zu RegE § 301, BT-Drucks 12/2443 S 212; Ber BT-RA zu RegE § 301, BT-Drucks 12/7302 S 185; Begr zu RegE ESUG § 254, BT-Drucks 17/5712 S 36; Stellungnahme BRat zu RegE ESUG § 254, BT-Drucks 17/5712 S 57; Gegenäußerung BReg zu RegE ESUG § 254, BT-Drucks 17/5712 S 69; Ber BT-RA, BT-Drucks 17/7511 S 36. Vorgängerregelungen: § 193 KO (dazu Begr EKO S 421, KO-Prot S 114, Begr KO-Nov 1898 S 44); § 82 VglO. Literatur Bauer Der Insolvenzplan (2009); Baumert BGH: Aufrechnung mit durch Insolvenzplan erlassener Forderung möglich, LMK 2011, 320965; Berges Die rechtlichen Grundlagen der Gläubigergleichbehandlung im Konkurs, KTS 1957, 49; ders Der Konkurs als Aufgabe treuhänderischer Rechtspflege, KTS 1960, 1; Braun Aufrechnung mit im Insolvenzplan erlassenen Forderungen, NZI 2009, 409; Brinkmann Wege aus der Insolvenz eines Unternehmens – oder: Die Gesellschafter als Sanierungshindernis, WM 2011, 97, 101; Brünkmans/Thole (Hrsg.) Handbuch Insolvenzplan, 2016; Eccius Besprechung von Sarwey/Boßert, Die Konkursordnung für das Deutsche Reich, 4. Auflage 1901, Gruchots Beiträge 46 (1902), 726; Eckardt „Unanmeldbare“ Forderungen im Konkursfeststellungsverfahren nach §§ 138 ff KO, ZIP 1993, 1765; Eidenmüller Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz (1999); ders Was ist ein Insolvenzverfahren?, ZIP 2016, 145; Flöther/Wehner Insolvenzplanbedingter Forderungserlass und Aufrechnungsbefugnis, ZInsO 2009, 503, Frind Zum Diskussionsentwurf für ein „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“, ZInsO 2010,

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Andreas Piekenbrock

Allgemeine Wirkungen des Plans

§ 254

1524; Fritzsche Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag (2017); Gaul Zur Struktur und Wirkungsweise des Insolvenzplans als „privatautonomes“ Instrument der Haftungsverwirklichung, FS Huber (2006), 1187; Gehrlein Banken – vom Kreditgeber zum Gesellschafter – neue Haftungsfallen? (Debt-Equity-Swap nach ESUG), NZI 2012, 257; Gottwald Die Interessengemeinschaft der Gläubiger eines insolventen Schuldners, FS Giger (1989), S 195; Grünewald Mehrheitsherrschaft und insolvenzrechtliche Vorauswirkung in der Unternehmensinsolvenz (2015); Haas Mehr Gesellschaftsrecht im Insolvenzplanverfahren, NZG 2012, 961; Hänel Gläubigerautonomie und das Insolvenzplanverfahren (2000); Happe Die Rechtsnatur des Insolvenzplans (2004); Häsemeyer Der Insolvenzplan als Vermögens- und Haftungsrechtlicher Vertrag, FS Hans Friedrich Gaul (1997), S 175; Henckel Der Gegenstand des Verfahrens zur Feststellung von Konkursforderungen, FS Karl Michaelis (1972), S 151; Hess/Groß/Reill-Ruppe/Roth Insolvenzplan, Sanierungsgewinn, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz, 4. Auflage (2014) [zit: InsPlan4]; Hirte/Knof/Mock Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (Teil I), DB 2011, 632; Hölzle Die „erleichterte Sanierung von Unternehmen“ in der Nomenklatur der InsO – ein hehres Regelungsziel des RefE-ESUG, NZI 2011, 124, 129; Jacobi Sanierung durch Insolvenzplan versus unbegrenzte Aufrechnung, NZI 2009, 351; Jaeger Lehrbuch des deutschen Konkursrechts, 8. Auflage (1932); Joachim/Schwarz Beschränkung der Aufrechnung des Insolvenzgläubigers nach einem bestätigten Insolvenzplan auf die Quote?, ZInsO 2009, 408; K Schmidt Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht im ESUG-Entwurf, BB 2011, 1603; ders Debt-to-Equity-Swap bei der (GmbH & Co.-)Kommanditgesellschaft, ZGR 2012, 566; Karollus Die Umwandlung von Geldkrediten in Grundkapital – eine verdeckte Sacheinlage?, ZIP 1994, 589; Kesseler Die Durchsetzung persönlicher Gesellschafterhaftung nach § 93 InsO, ZIP 2002, 1974; Kleinfeller Lehrbuch des Deutschen Konkursrechts (1912); Kohler Leitfaden des deutschen Konkursrechts, 2. Auflage (1903); König Der Zwangsvergleich im Konkurse und der Vergleich zur Abwendung des Konkurses (1930); Krusch Das Wesen des Vergleichs zur Abwendung des Konkurses (1933); Leipold Zur Rechtsnatur des Insolvenzplans, KTS 2006, 109; Lepa Insolvenzordnung und Verfassungsrecht (2002); Madaus Der Insolvenzplan (2011); ders Die zeitliche Grenze des Rechts zur Rücknahme eines Insolvenzplans durch den Planinitiator, KTS 2012, 27; Mankowski Anerkennung englischer Solvent Schemes of Arrangement in Deutschland, WM 2011, 1201; Meyer/Degener DebtEquity-Swap nach dem RegE-ESUG, BB 2011, 846; Müller Der Verband in der Insolvenz (2002); ders Gesellschaftsrechtliche Regelungen im Insolvenzplan, KTS 2002, 209; Oelrichs Gläubigermitwirkung und Stimmverbote im neuen Insolvenzverfahren (1999); Paulus Das englische Scheme of Arrangement – ein neues Angebot auf dem europäischen Markt für außergerichtliche Restrukturierungen, ZIP 2011, 1077; Petrovic Die rechtliche Anerkennung von Solvenz Schemes of Arrangement in Deutschland – Eine Chance für die Restrukturierungspraxis, ZInsO 2010, 265; Pöllmann Zur Zulässigkeit einer Aufrechnung nach rechtskräftigem Insolvenzplan, EWiR 2009, 121; Rendels/Zabel Insolvenzplan (2013); Schiessler Der Insolvenzplan (1997); A Schmidt (Hrsg) Sanierungsrecht (2016); Schnorr Die Gemeinschaft nach Bruchteilen (§§ 741–758 BGB) (2004); Schmidtbleicher Die Anleihegläubigermehrheit (2010); Schultze Das deutsche Konkursrecht (1880); ders Die Literatur über das deutsche Konkursrecht, ZHR 25 (1880), 339; Schur Zur Aufrechnungsbefugnis gemäß InsO § 94 bei rechtskräftigem Insolvenzplan, EWiR 2009, 119; Silcher/Brandt (Hrsg) Handbuch Insolvenzplan in Eigenverwaltung (2017) [zit: Hdb InsPlanEV]; Simon/Merkelbach Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG NZG 2012, 121; Smid Wert und Unwert vertragstheoretischer Begründungen des Insolvenzplans, DZWIR 2011, 446; Smid/Rattunde/Martini Der Insolvenzplan, 4. Auflage (2015); Spellenberg Zum Gegenstand des Konkursfeststellungsverfahrens (1973); Spliedt Debt-Equity-Swap und weitere Strukturänderungen nach dem ESUG, GmbHR 2012, 462; Thöne Die Rechtsnatur des Insolvenzplans – Plädoyer für ein verfahrensrechtliches Verständnis, KTS 2018, 151; Thole Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, 2. Auflage (2015); ders Der Richtlinienvorschlag zum präventiven Restrukturierungsrahmen, ZIP 2017, 101; Wackenthaler Die rechtliche Natur des Zwangsvergleichs (1912); Wertenbruch Die Personengesellschaft im Vergleich zur AG und GmbH im Insolvenzplanverfahren, ZIP 2013, 1693; Windel Die Insolvenzordnung: Reform im Banner von Masseanreicherung, Unternehmenssanierung und Schuldbefreiung, Jura 1999, 1; Würdinger Theorie der schlichten Interessengemeinschaft (1934); Wüst Die Interessengemeinschaft – ein Ordnungsprinzip des Privatrechts (1958); ders Der außergerichtliche Sanierungsvergleich als realisierte Interessengemeinschaft der Gläubiger, FS Wiese (1998), S 649.

Andreas Piekenbrock

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§ 254

Sechster Teil. Insolvenzplan

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . 3. Regelungszusammenhang . . . . . . 4. Rechtsnatur des Insolvenzplans . . . a) Relevanz der Streitfrage . . . . . b) Meinungsstand . . . . . . . . . . aa) Vertragstheorien . . . . . . . bb) Urteilstheorie . . . . . . . . . cc) Doppelnatur des Insolvenzplans . . . . . . . . . . . . . dd) Verfahrenstheorie . . . . . . ee) Rechtsnormtheorie . . . . . . ff) Rechtsinstitut eigener Art . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . aa) Die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger im (Zwangs-) Vergleich . . . . . . . . . . . bb) Die Gläubigergesamtheit als Bruchteilsgemeinschaft am „Verwertungsrecht“ . . . . . cc) Der (Zwangs-)Vergleich als Vertrag zwischen dem (Gemein-)Schuldner und der Gläubigergesamtheit . . . . . dd) Die Einordnung der Neuerungen des Insolvenzplanverfahrens . . . . . . . . . .

Rn. 1 1 4 5 6 6 7 7 13

II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . . . 1. Gestaltende Wirkungen des Plans . . a) Gegenstand der gestaltenden Wirkungen . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliches . . . . . . . bb) Forderungserlass . . . . . . . (1) Fortbestand einer Naturalobligation . . . . (2) Aufrechnung . . . . . . . cc) Insolvenzplanforderungen . . dd) Dingliche Rechtsänderungen b) Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . c) Territoriale Reichweite des Insolvenzplans . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsstellung von Mitverpflichteten und Drittsicherungsgebern . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechte gegen Mitschuldner . . . . b) Rechte gegen Bürgen . . . . . . . c) Ansprüche gegen Haftungsschuldner . . . . . . . . . . . . . d) Dingliche Rechte . . . . . . . . . e) Sondervorteile im Verfahren . . . f) Rückgriffsperre . . . . . . . . . . 3. Debt-Equity-Swap . . . . . . . . . .

15 17 18 19 20

23

24

30

Rn. 39 39 39 39 40 40 46 50 51 52 60

63 63 66 72 73 77 78 83

32

I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

1

§ 254 I entspricht wörtlich § 290 I S 1 RefE, § 301 I S 1 RegE und § 254 I S 1 InsO 19991; nur in § 290 I S 1 DiskE war statt vom „Insolvenzplan“ wie in der Überschrift schlicht vom „Plan“ die Rede. § 254 I S 2, 3 InsO 1999 ist dagegen durch das ESUG2 aufgehoben worden; der Regelungsgehalt findet sich heute in §§ 254a I, III, 254b. § 254 I geht auf die Regelung zum Zwangsvergleich in § 193 S 1 KO zurück, der die Wirkung allerdings auf „alle nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger“ beschränkt hatte. Dies entsprach der Struktur des Zwangsvergleichs, der nur mit den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern geschlossen werden konnte (§ 173 KO).3 Dementsprechend erstreckte § 82 I VglO die Wirkung des bestätigten Vergleichs auf alle Vergleichsgläubiger iSd § 25 I VglO. Seit § 290 I S 1 DiskE ist dagegen nur noch von „Beteiligten“ die Rede. Eine mit § 254 I vergleichbare Vorschrift findet sich heute auch in § 21 I S 1 KredReorgG.4

1 2

3

IdF v 5.10.1994, BGBl I S 2866, in Kraft getreten am 1.1.1999. Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl I S 2582. Dazu gehörten auch die Absonderungsberechtigten, soweit sei aus diesen Rechten

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4

keine Befriedigung erhalten haben. Vgl dazu schon RGZ 23, 43, 44 ff. Zur Vorbildfunktion von § 254 vgl nur Begr zu RegE KredReorgG § 21, BT-Drucks 17/ 3024 S 58.

Andreas Piekenbrock

Allgemeine Wirkungen des Plans

§ 254

§ 254 II entspricht wörtlich § 290 II RefE und § 301 II RegE; er gilt seit 1.1.1999 un- 2 verändert. Die Sonderregelungen zum Fortbestand von Drittsicherheiten in § 254 II S 1 gehen auf § 178 S 2 KO 18795 zurück, der allerdings – wie § 198 II PrKO 18556 – mit den Rechten „gegen Mitschuldner und Bürgen“ nur die Personalsicherheiten erwähnt hat. Die Erweiterung auf dingliche Sicherheiten beruht dagegen auf der KO-Nov 1898 (§ 193 S 2 KO7), entsprach aber schon der Rechtsprechung des RG8 und wurde letztlich nur klarstellend in das Gesetz aufgenommen. Während § 193 S 2 KO und § 82 II S 1 VglO die dinglichen Sicherheiten noch im Einzelnen aufgezählt hatten (Pfandrecht, Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld, Schiffshypothek9), ist seit § 290 II DiskE nur noch neutral von „Rechten … an Gegenständen“ die Rede. Dass bei Sicherungsrechten an Grundstücken die Sicherung des Bestellungsanspruchs durch eine Vormerkung (§ 883 I BGB) dem Recht gleichgestellt wird, war schon in § 193 S 2 KO bzw § 82 II S 1 VglO ausdrücklich geregelt und ist nur in § 290 II S 1 DiskE versehentlich nicht erwähnt worden; der Fehler wurde in § 290 II S 1 RefE korrigiert. Die ausdrückliche Regelung zu den Rückgriffsberechtigten in § 254 II S 2 findet sich erstmals in § 82 II S 2 VglO.10 Allerdings war schon für den Zwangsvergleich anerkannt, dass dieser wie bei allen bedingten Gläubigern auch auf Regressforderungen von Bürgen und Mitschuldnern wirkt.11 § 254 III ist eine Schöpfung der Insolvenzrechtsreform;12 die Bestimmung, die wörtlich 3 § 290 III DiskE, § 290 III RefE und § 301 III RegE entspricht, gilt seit 1.1.1999 unverändert. § 254 IV beruht dagegen auf dem ESUG. Ein Vorbild für diese Regelung zum DebtEquity-Swap findet sich in § 21 III KredReorgG, der knapp ein Jahr vor dem ESUG erlassen worden war.13 2. Zeitlicher Anwendungsbereich In zeitlicher Hinsicht ist § 254 in der durch das ESUG geschaffenen Fassung nur an- 4 wendbar, wenn das Insolvenzverfahren, in dem der Insolvenzplan zustande gekommen ist, ab dem 1.3.2012 eröffnet worden ist (Art 103g EGInsO). Bis auf § 254 IV finden sich aber alle Regelungen des heutigen § 254 bereits in der ursprünglichen Fassung. Da § 254 IV in Altverfahren, in denen auch § 225a II noch nicht anwendbar ist, keinen Regelungsgegenstand hat, ist das Übergangsrecht bei § 254 praktisch bedeutungslos. 3. Regelungszusammenhang § 254 regelt die materiell-rechtlichen Wirkungen des gestaltenden Teils des Insolvenz- 5 plans. Insoweit steht er in engem Zusammenhang mit § 217, der (abstrakt) den äußeren Rahmen der möglichen Wirkungen des Insolvenzplans fixiert, und mit § 221, der (konkret) die mit dem Plan beabsichtigte Gestaltung benennt. Darüber hinaus besteht, wie schon aus der Textgenese (Rn 1) ersichtlich, ein sehr enger Zusammenhang mit §§ 254a, 5 6 7 8 9

IdF v 10.2.1877, RGBl S 351. Konkurs-Ordnung v 8.5.1855, GS S 321. IdF der Bek v 20.5.1898, RGBl S 612. Vgl nur RGZ 22, 325, 330 f; 23, 119, 120 f. Die Schiffshypothek wurde durch Art 7 Nr 8 der VO v 21.12.1940, RGBl I S 1609 in § 193 S 2 KO eingefügt. Die entsprechende Ergänzung von § 82 II VglO ist dagegen unterblieben.

10

11 12 13

Dagegen war sie weder in § 60 II der Bek über die Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses v 14.12.1916, RGBl I S 1363 noch in § 73 II VglO v 5.7.1927, RGBl I S 139 enthalten. So Begr EKO S 423; Hahn S 375. Vgl Begr zu RegE § 301, BT-Drucks 12/2443 S 213. Vgl Art 1 des Restrukturierungsgesetzes vom 9.12.2010, BGBl I S 1900.

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§ 254

Sechster Teil. Insolvenzplan

254b, die einzelne Gestaltungen und die persönliche Reichweite der Wirkungen des Plans regeln. Die verfahrensrechtlichen Wirkungen ergeben sich dagegen aus § 257 (Titelfunktion) und § 258 (Aufhebung des Insolvenzverfahrens). 4. Rechtsnatur des Insolvenzplans

6

a) Relevanz der Streitfrage. Die dogmatische Grundsatzfrage, die sich heute für den Insolvenzplan genauso stellt wie früher für den (Zwangs-)Vergleich, betrifft die Rechtsnatur dieses Instruments.14 Die Frage ist nicht nur theoretischer Natur. Sie entscheidet beispielsweise über die Anwendbarkeit der §§ 119 ff BGB oder darüber, ob und ggf wie lange der Schuldner den von ihm selbst vorgelegten Insolvenzplan zurücknehmen kann. Mit einem Insolvenzplan sind darüber hinaus regelmäßig Eingriffe in private subjektive Rechte der Gläubiger, zB in Form einer Stundung oder des (Teil-)Erlasses einer Forderung (vgl § 224) verbunden. Es ist deshalb – auch aus verfassungsrechtlicher Sicht15 – legitimationsbedürftig, die Beteiligten an einen in den Gläubigergruppen (§ 222) mehrheitlich befürworteten Insolvenzplan zu binden, wenn sie selbst diesem nicht ausdrücklich zugestimmt oder ihn sogar abgelehnt haben (§ 244 I) und wenn nicht einmal alle Gläubigergruppen dafür gestimmt haben (§§ 245, 246).16 Insoweit gilt heute grundsätzlich nichts anderes als für den früheren Zwangsvergleich, seit sich das Mehrheitsprinzip (Kopf- und Summenmehrheit) gegen abweichende Bestimmungen in zahlreichen Partikularrechten unter Berufung auf die Quellen17 in § 169 I KO 1877 durchgesetzt hat.18 Darüber hinaus ist es aber auch für das theoretische Verständnis unerlässlich, den Insolvenzplan dogmatisch zu rekonstruieren, weil sich nur so die Frage beantworten lässt, ob er sich friktionslos in das übrige Vermögensrecht einfügt oder einen Fremdkörper darstellt. b) Meinungsstand

7

aa) Vertragstheorien. Der Gesetzgeber der Konkursordnung sah den Zwangsvergleich als „Vergleich über Aufhebung der Vermögensbeschlagnahme, über eine Befriedigung der Gläubiger durch den Schuldner gegen Freigabe seines gegenwärtigen und zukünftigen Vermögens“ an.19 Der Gesetzgeber der InsO hat zur Rechtsnatur des Insolvenzplans nicht präzise Stellung genommen. Die Formulierung, der Insolvenzplan sei „die privatautonome […] Übereinkunft der mitspracheberechtigten Beteiligten über die Verwertung des haftenden Schuldnervermögens“,20 deutet aber zumindest auf ein vertragliches Element des Insolvenzplans hin. 8 Das vertragsrechtliche Verständnis entsprach der Rechtslage in Frankreich, wo der Zwangsvergleich (concordat) ausdrücklich als Vertrag (traité) bezeichnet wurde.21 Daran anknüpfend wurde er in Spanien als convenio22 und in den Niederlanden als accoord be14

15

16 17

Eine umfassende Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Insolvenzplanrechts findet sich bei Bauer Der Insolvenzplan. Dazu eingehend Lepa Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, S 243 ff; ferner Baur/Stürner InsR12 Rn 6.6. Gottwald FS Giger, S 195, 202; Häsemeyer FS Gaul, S 175, 178. D. 2.14.7.9 (Ulpian); D. 17.1.58.1 (Paulus); D. 42.8.23 (Scaevola). In diesen Fragmenten geht es aber immer nur um einen Gesamtvergleich mit den Nachlassgläubigern.

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18 19 20 21

22

Vgl Begr EKO S 391 ff; Hahn S 349 f. Begr EKO S 396; Hahn S 353. Begr RegE, BT-Drucks 12/2443 S 91. Art 524 des Code de Commerce idF des VI. Gesetzes v 12.9.1807, Bulletin des Lois de l’Empire Français, 4e Série, Nr 164, S 243 (ccom 1808). Eine Darstellung der damaligen Verhältnisse findet sich bei Schultze Konkursrecht, S 116 f. Vgl Art 1147 ff des Código de Comercio v 30.5.1829.

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Allgemeine Wirkungen des Plans

§ 254

zeichnet.23 Auch das reformierte französische Recht von 1838 hielt an der Bezeichnung traité fest.24 Dies entsprach dem im 19. Jahrhundert herrschenden Verständnis vom Wesen des Zwangsvergleichs. An diese Vorstellung des Gesetzgebers der Konkursordnung anknüpfend, haben Jaeger25 und später auch das RG den Zwangsvergleich als einen vom Konkursgericht genehmigten Vertrag des Gemeinschuldner mit den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern „über eine bestimmte unter Aufhebung des Konkurses erfolgende Befriedigung dieser Gläubiger“ angesehen.26 Der Zwangsvergleich habe „nicht die materiellen Rechtskraftwirkungen eines Urteils, sondern nur Vertragsnatur“.27 Daraus hat das RG auf die Zulässigkeit von Bedingungen wie der kassatorischen Klausel (vgl § 255 Rn 3) geschlossen.28 Auch in der Literatur zur Konkurs- und zur Vergleichsordnung wurde vielfach auf die Vertragsnatur des Zwangsvergleichs verwiesen.29 Dementsprechend verbreitet ist heute die Annahme, der Insolvenzplan sei als privat- 9 rechtlicher Vertrag zu qualifizieren, obwohl hier die Zustimmung des Schuldners – anders als beim (Zwangs-)Vergleich30 und von § 248 I suggeriert – nicht mehr zwingend erforderlich ist (§ 247). Wenn alle Beteiligten den Insolvenzplan angenommen haben und der Schuldner ihm ausdrücklich zugestimmt hat, liegt die vertragsrechtliche Rekonstruktion in der Tat nahe. Dass der Plan trotzdem noch der gerichtlichen Bestätigung bedarf, wird mit einem schon nicht mehr so überzeugenden Verweis auf §§ 1821, 1822 BGB erklärt.31 Abgesehen von dieser Begründungsschwäche besteht unter den Vertretern der Vertrags- 10 theorie Uneinigkeit darüber, wer die Parteien dieses Vertrags sind. Einige Autoren sehen im Insolvenzplan einen Vertrag zwischen den Gläubigern und dem Insolvenzschuldner.32 Häu-

23 24

25 26

27 28

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Vgl Art 835 ff des Wetboek van Koophandel v 1838. Art 507 des Code de Commerce idF der Loi sur les Faillites et Banqueroutes v 28.5.1838, Bulletin des Lois du Royaume de France, IXe Série, Nr 575 (ccom 1838). Jaeger Lehrbuch8 S 190 f; die Formulierung fand sich erstmals in der 2. Auflage. RGZ 77, 403, 404 jedoch ohne Verweis auf Jaeger. Bestätigt in RGZ 92, 181, 187; 119, 391, 395; 125, 408, 410; 127, 372, 375; 152, 65, 67; BGH KTS 1961, 152, 153; ZIP 1992, 342, 343. AA für den Zwangsausgleich nach § 140 öKO 1914 (öRGBl Nr 337/1914) OGH v 23.4.1929, 3 Ob 367/29, SZ 11/88 (S 270); Bartsch/Pollak/ Pollak KO3 § 156a Anm 1. RGZ 122, 361, 363. RGZ 156, 245, 248, dort konkret zum Schuldenregelungsplan nach der VO über landwirtschaftliches Vermittlungsverfahren, Vollstreckungsschutz und Pächterschutz v 27.9.1932, RGBl. I S 473. Bley/Mohrbutter VglO4 § 8 Rn 2; Häsemeyer FS Gaul, S 175, 176; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 173 Rn 4a; Pagenstecher/ Grimm Der Konkurs4, S 144. Zum alleinigen Vorschlags- bzw Antragsrecht des (Gemein-)Schuldners vgl § 173 KO und §§ 2 II 2, 3 I VglO.

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So Madaus Insolvenzplan, S 69; Smid DZWIR 2011, 446, 448. Da der Vormund als gesetzlicher Vertreter in Namen des Minderjährigen handelt, dessen Interessen vorbeugend vom Familiengericht wahrgenommen werden, liegt die Übertragung dieses Gedankens auf die Bestätigung eines Insolvenzplans, dem alle Beteiligten im eigenen Namen zugestimmt haben, eher fern. Auch Jaeger Lehrbuch8 S 190 f hatte diesen Vergleich nur wegen der Fürsorge für die überstimmte Minderheit gezogen. Vgl in diesem Sinne auch Jaeger/Weber KO8 § 173 Anm 10. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 217 Rn 16; BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: VIII/2007) § 217 Rn 16; Hess InsO2 § 217 Rn 12; Hess/Groß/Reill-Ruppe/Roth/Groß InsPlan4 Rn 267; Madaus Insolvenzplan, S 173 ff; ders KTS 2012, 27, 35 ff; Müller, KTS 2002, 209, 210. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 29 vertritt diese Auffassung für den materiellen Teil des Insolvenzplans, geht iE aber von einer Doppelnatur aus. Für Vertrag zwischen Schuldner und Gläubigergesamtheit auch Bauer Insolvenzplan, S 355 f, der jedoch den Bestätigungsbeschluss als Akt richterlicher Vertragshilfe ansieht.

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fig wird dabei angenommen, es handele sich um einen Vergleich nach § 779 BGB.33 Andere Autoren sind der Ansicht, der Vertrag werde ohne Schuldnerbeteiligung allein zwischen den Gläubigern als mehrseitiger „Verwertungsvertrag“ geschlossen.34 Häsemeyer35 und Windel36 nehmen bei einer Zustimmung des Schuldners zum Insolvenzplan einen Vertrag zwischen dem Schuldner und den Gläubigern an. Lehnt der Schuldner einen Liquidationsplan ab, soll eine rechtsgeschäftliche Regelung der Masseverwertung zwischen den Gläubigern und dem Verwalter vorliegen.37 Ein Widerspruch des Schuldners gegen einen Sanierungsplan lasse sich dagegen nicht überwinden, weil es hierbei auch zu einem mit der Privatautonomie des Schuldners nicht vereinbaren Eingriff in künftiges, nicht massezugehöriges Vermögen komme, der gegenüber der sonst stattfindenden Liquidation nachteilig sei (§ 247 II Nr 1).38 In diesem Fall käme es also nicht zum Vertragsschluss. 11 Die Vertragstheorie sieht sich jedoch insbesondere für den Insolvenzplan wesentlichen Einwänden ausgesetzt. Dass weder der ausdrückliche Dissens einzelner Gläubiger noch der ganzer Gläubigergruppen39 oder des Schuldners dem Zustandekommen des Insolvenzplans entgegenstehen und auch unbeteiligte Gläubiger gebunden werden (§ 254b), lässt sich auf dem Boden der Vertragstheorie nur dadurch erklären, dass diese Personen einem materiell-rechtlichen Kontrahierungszwang unterliegen und deren Willenserklärungen mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses – entsprechend § 894 ZPO – fingiert werden.40 Die Legitimation für den Kontrahierungszwang soll in der Absicherung von Vertragsschlüssen liegen, „die im Normalfall von wirtschaftlich denkenden Beteiligten ohnehin getätigt werden würden.“41 Tatsächlich erfassen die bisher gesetzlich anerkannten Fälle jedoch den Zwang zu Lieferungen und Leistungen, die der jeweils Verpflichtete ohnehin am Markt anbietet.42

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Frege/Keller/Riedel InsR8 Rn 1922a; Madaus Insolvenzplan, S 427 ff; MünchKomm/ Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 29 (für die materiell-rechtliche Komponente des Plans); abl BGH ZIP 2006, 39. Braun/Braun/Frank InsO7 Vorbem vor § 217 Rn 1; Braun/Uhlenbruck/Braun Unternehmensinsolvenz, S 467; Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) Vorbem vor § 217 Rn 80. Häsemeyer InsR4 Rn 28.70; ders FS Gaul S 175, 179. Windel Jura 1999, 1, 7. Häsemeyer InsR4 Rn 28.42b und 28.70; ders FS Gaul S 175, 180; Windel Jura 1999, 1, 7. Unklar bleibt dabei jedoch, weshalb Windel in Rn 105 bei Sanierungsplänen mit Verwertungskomponente auch einen dreiseitigen Vertrag für möglich hält. Konsequent wäre es dann, allein auf die Einordnung als Sanierungs- oder Liquidationsplan abzustellen und auf das Merkmal der Zustimmung bzw des Widerspruchs des Insolvenzschuldners zu verzichten. Häsemeyer InsR4 Rn 28.43 und 28.70; ders FS Gaul S 175, 180; Windel Jura 1999, 1, 7.

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Leipold KTS 2006, 109, 120 weist in seiner Kritik an der Vertragstheorie zutreffend darauf hin, dass ein Insolvenzplan zustande kommen kann, zu dessen Gunsten weder eine Kopfmehrheit noch eine Summenmehrheit unter der Gesamtheit des Gläubiger erreicht worden ist. So zu §§ 245–247 InsO zuerst Madaus Insolvenzplan, S 261 ff; ähnlich jetzt auch Fritzsche Juristische Konstruktion, S 272 f, der meint, die Zustimmungsfiktionen beruhten auf dem Gedanken des § 226 BGB; für Kontrahierungszwang auch Müller KTS 2002, 209, 211, der aber ohne Bezug zu § 894 ZPO von der Pflicht zum Vertragsschluss auf den Vertragsschluss selbst schließt. Zu § 894 ZPO auch Madaus KTS 2012, 27, 51 f. So Madaus Insolvenzplan, S 269 im Anschluss an Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag (1920), S 35. Vgl dazu schon die Einzelfälle bei Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag (1920), S 36 ff. Dies wird besonders deutlich beim Kontrahierungszwang konzessionierter Unternehmer.

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Auch die von Häsemeyer und Windel getroffene Differenzierung zwischen Liquidati- 12 ons- und Sanierungsplänen überzeugt nicht. Abgesehen davon, dass das Gesetz für eine solche Differenzierung von Anfang an keinen Anhalt geboten hat,43 dienen Regelungen wie §§ 225a II, III, 245 III gerade dazu, einen Sanierungsplan unter Fortführung der Schuldnergesellschaft zur Not gegen den Willen der Schuldnerin und ihrer bisherigen Anteilseigner durchsetzen zu können.44 Schließlich widerspricht es dem Vertragsgedanken, „kurzerhand das Subjekt des Vertrages austauschen, wenn der eigentlich als potentieller Vertragspartner Angesprochene sich weigert, den Vertrag abzuschließen.“45 bb) Urteilstheorie. Kurz nach Inkrafttreten der KO hat Schultze den Zwangsvergleich 13 als ein „auf wesentlich freier Kognition beruhendes richterliches Urteil“ qualifiziert und damit die Urteilstheorie begründet.46 Der Beschluss der Gläubiger über die Annahme des Zwangsvergleichs sollte als „Erkenntnisquelle“ in vollem Umfang der richterlichen Beurteilung unterliegen47 und der Vergleichsvorschlag nur noch die Funktion eines auf das Urteil gerichteten Antrags haben.48 Wegen der Unteilbarkeit des Konkursanspruch sah Schultze die Konkursgläubiger dabei als notwendige Streitgenossen (§ 59 ZPO) an.49 Den Vorteil dieser Theorie sah man darin, dass die Bindung dissentierender Gläubiger mit der Rechtskraftwirkung des Bestätigungsbeschlusses erklärt werden konnte.50 Außerdem ließ sich auf Grundlage dieser Lehre erklären, weshalb die Verpflichtungen der Mitschuldner und Bürgern des Konkursgläubigers durch den Zwangsvergleich gemäß § 193 S 2 KO nicht berührt werden, was der Vertragstheorie nicht ohne weiteres möglich war.51 Die Urteilstheorie beruhte noch auf der materiellen Rechtskrafttheorie, wonach ein ge- 14 richtliches Urteil die materielle Rechtslage umgestaltet.52 Auf dem Boden der heute ganz herrschenden prozessualen Rechtskrafttheorie53 kann sie dagegen nicht überzeugen. Darüber hinaus passte die Möglichkeit einer formlosen, an den Gemeinschuldner gerichteten Anfechtung des (Zwangs-)Vergleichs nach § 196 KO bzw § 89 I VglO nicht zur Annahme einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung, sondern legte die Annahme einer Willenser-

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Leipold KTS 2006, 109, 120. Insoweit überholt Schiessler Insolvenzplan, S 174. Bei natürlichen Personen ist dagegen selbstverständlich, dass ein Insolvenzplan gegen den Willen des Schuldners nicht die Fortsetzung einer beruflichen Tätigkeit vorsehen kann. Dies ergibt sich aus § 247 II Nr 1 InsO, weil der Schuldner durch den Plan hinsichtlich seiner persönlichen Freiheit schlechter gestellt würde als ohne. Insoweit zutreffend auch Häsemeyer InsR4 Rn 28.43 und 28.70; ders FS Gaul S 175, 180; wohl auch Windel Jura 1999, 1, 7. Leipold KTS 2006, 109, 120. Schultze ZHR 25 (1880), 339, 342; ders Konkursrecht, S 120. Ihm folgend ua Eccius GruchotBeitr 46 (1902), 726, 727; Pasquay ZHR 66 (1910), 34, 79 ff; Wackenthaler Zwangsvergleich, S 11, 99; von Wilmowski KO5 (1896), vor § 160 Anm. 2, zugunsten der Vertragstheorie aufgegeben von von Wilmowski/Kurlbaum KO6 (1906), vor § 173 Anm 2.

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Schultze Konkursrecht, S 121; Pasquay ZHR 66 (1910), 34, 80: bloßes „indicium für den Richterspruch“. Schultze Konkursrecht, S 120; Pasquay ZHR 66 (1910), 34, 79. Schultze ZHR 25 (1880), 339, 345; ders Konkursrecht, S 126. Schultze Konkursrecht, S 121; Pasquay ZHR 66 (1910), 34, 80; Jaeger/Weber KO8 § 173 Anm 6. Schultze Konkursrecht, S 133; Pasquay ZHR 66 (1910), 34, 81. Madaus Insolvenzplan, S 304; allgemein zur materiellen Rechtskrafttheorie Stein/Jonas/ Althammer ZPO23 § 322 Rn 21 ff und Wieczorek/Schütze/Büscher ZPO4 § 322 Rn 29 ff, jeweils mwN. BGHZ 157, 47, 55; 3, 82, 85 f; Stein/Jonas/ Althammer ZPO23 § 322 Rn 18 ff; Wieczorek/Schütze/Büscher ZPO4 § 322 Rn 32 ff.

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klärung nahe (§ 143 BGB),54 zumal die Anfechtung nur im Verhältnis zum Anfechtenden Wirkung erlangte.55 Schließlich widersprach die Urteilstheorie auch dem Gesetzeswortlaut, der von einem „Vorschlag“ des Gemeinschuldners sprach (§ 173 KO), der von den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern „angenommen“ (§§ 177, 182, 184 KO) und vom Gericht lediglich bestätigt wurde (§ 184 KO).56 Dieses Wortlautargument gilt für § 248 InsO fort.

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cc) Doppelnatur des Insolvenzplans. Zur Berücksichtigung der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung des Insolvenzplans wird dem Insolvenzplan ähnlich wie dem Prozessvergleich häufig eine Doppelnatur als Vertrag des bürgerlichen Rechts mit prozessualer Komponente zugesprochen.57 Aus dem prozessualen Element wird zumeist gefolgert, dass die Vorlage des Insolvenzplans und die Abstimmungserklärungen der Gläubiger bzw des Schuldners Prozesshandlungen seien, auf welche die allgemeinen Vorschriften der ZPO Anwendung finden.58 Eidenmüller beschreibt die prozessuale Komponente als Prozessvertrag.59 16 Auch bei Annahme einer Doppelnatur des Insolvenzplans entstehen aber die bereits beschriebenen Konstruktionsprobleme der Vertragstheorie: Dem Prozessvergleich iSv § 794 I Nr 1 ZPO60 spricht die herrschende Ansicht ebenfalls eine Doppelnatur aus privatrechtlichem Vertrag und Prozessvertrag zu, beurteilt sein Zustandekommen aber dennoch allein nach §§ 145 ff BGB.61 Die zusätzliche Verankerung im Verfahrensrecht kann das Erfordernis einer Willenseinigung bzgl der vertraglichen Komponente folglich auch beim Insolvenzplan nicht aufheben.62 Die §§ 145 ff BGB könnten allenfalls dann nicht (unmittelbar) gelten, wenn man von einem reinen Prozessvertrag ohne materiell-rechtliche Hauptwirkung ausgeht; aber selbst für solche Verträge wird regelmäßig auf die im BGB geregelten allgemeinen Rechtsgedanken der Rechtsgeschäftslehre zurückgegriffen, die zumindest auch das Erfordernis von Angebot und Annahme als Grundprinzip von Verträgen einschließen.63 Eine Theorie, die auf dieses Erfordernis verzichtet,64 wäre letztlich wieder den gegen die 54

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Verweis hierauf bei Kilger/K Schmidt InsG17 VglO § 89 Anm 2 und Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 196 Rn 7. Jager/Weber KO8 § 173 Anm 10; Jaeger Lehrbuch8 S 191; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 173 Rn 1a. Baur/Stürner InsR12 Rn 24.2; Jager/Weber KO8 § 173 Anm 10; Jaeger Lehrbuch8 S 190; Madaus Insolvenzplan, S 64. FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 53; Flöther/Wehner ZInsO 2009, 503, 504 f; Gaul FS Huber, S 1187, 1206; HambK/Thies InsO6 Vorbem zu §§ 217 ff Rn 3; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 33; Silcher/Brandt/Naumer Hdb InsPlanEV Kap 21 Rn 39. Zum Zwangsvergleich Jaeger/Weber KO8 § 173 Anm 13; Kilger/K Schmidt InsG17 KO § 173 Anm 1. Kleinfeller Lehrbuch des Deutschen Konkursrechts, S 142 hat den Zwangsvergleich als Prozessvergleich angesehen. Etwas abweichend Fritzsche Juristische Konstruktion, S 248 ff: Prozessvertrag in Form eines Vollstreckungsvertrags, der um einen materiell-rechtlichen Vertrag ergänzt wird, wenn

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auch materiell-rechtliche Regelungen getroffen werden. Jaeger/Weber KO8 § 174 Anm 15; Kilger/K Schmidt InsG17 KO § 173 Anm 1. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 33. Dem folgen Flöther/Wehner ZInsO 2009, 503, 504 f und Silcher/Brandt/Naumer Hdb InsPlanEV Kap 21 Rn 39. Kohler Leitfaden2, S 279 sah den Zwangsvergleich als prozessualen Vertrag über die Aufhebung des Konkurses an. Auf die Nähe des Insolvenzplans zum Prozessvergleich weist Gaul FS Huber, S 1187, 1205 hin. Statt aller Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR18 § 131 Rn 36, 44. Leipold KTS 2006, 109, 113. Vgl Wagner Prozessverträge, S 278 ff. Kohler Leitfaden2, S 279 meinte zum Zwangsvergleich, als „prozessualischer Vertrag versteh[e] es sich aber von selbst, daß eine Mehrheit die Minderheit binden kann“. Eine Abkehr von der Rechtsgeschäftslehre findet sich auch bei Krusch Wesen des Ver-

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Urteilstheorie vorgebrachten Einwänden ausgesetzt. Darüber hinaus entfaltet der Prozessvergleich seine prozessuale Wirkung in der sofortigen Beendigung des Prozesses; ein Funktionsäquivalent zur gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplans und zur separat erforderlichen Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) gibt es dort nicht.65 dd) Verfahrenstheorie. Die prozessuale Komponente des Insolvenzplanverfahrens 17 wird schließlich mit der von Leipold entwickelten Verfahrenstheorie besonders betont.66 Danach stellt der gerichtlich bestätigte Insolvenzplan einen „privatrechtsgestaltenden Verfahrensakt“ mit öffentlich-rechtlichem Charakter dar, auf den Regelungen des materiellen Rechts keine Anwendung finden.67 Die Bindung des Plans gegenüber ausdrücklich dissentierenden und abstinenten Gläubigern sowie dem nicht zustimmenden Schuldner soll durch das Verfahren als solches legitimiert werden, das auf die Erzielung interessengerechter Ergebnisse gerichtet sei.68 Dass der Insolvenzplan auch privatautonome Elemente enthalte, hindere diese Einordnung nicht, weil die Privatautonomie durch den Dispositionsund den Beibringungsgrundsatz auch im gerichtlichen Verfahren ihren Ausdruck finde.69 Eine solche Gestaltungswirkung kommt allerdings auch den von Leipold in diesem Zusammenhang angesprochenen Anerkenntnis- und Verzichtsurteilen nicht zu.70 ee) Rechtsnormtheorie. Gelegentlich ist versucht worden, den Zwangsvergleich bzw 18 den Insolvenzplan als Rechtsnorm zu rekonstruieren.71 Derartige Ansichten sind vom Tarifvertragsrecht inspiriert und verweisen auf die dortigen Grenzen privatautonomer Normsetzung.72 Abgesehen davon, dass Happe die Regelungen in §§ 245, 247 nicht schlüssig erklären kann,73 fehlt es dem Insolvenzplan an der für Rechtsnormen erforderlichen Generalität. Dieser Ansatz ist daher zu Recht auf Ablehnung gestoßen.74 ff) Rechtsinstitut eigener Art. Die dargelegten Probleme bei der Ermittlung der Rechts- 19 natur des Insolvenzplans haben nicht selten zu der Annahme geführt, dieser entziehe sich einer Einordnung in die vorhandenen Kategorien und sei daher ein Rechtsinstitut eigener

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gleichs: nach prozeßrechlichen, öffentlichrechtlichen Normen zustande kommender Vertrag (S 79 f), Abschluss durch Prozesshandlungen, die nicht zugleich Rechtsgeschäfte sind (S 89). In diese Richtung neuerdings auch Fritzsche Juristische Konstruktion, S 256 ff, der das „in §§ 145 ff. BGB geregelte Schema von Antrag und Annahme“ nur als eine Möglichkeit des Vertragsschlusses ansieht, die nicht für alle Verträge gelten müsse (S 256). Leipold KTS 2006, 109, 125. Leipold KTS 2006, 109; ihm folgend Thöne KTS 2018, 151, 172 ff. Leipold KTS 2006, 109, 125 f. Leipold KTS 2006, 109, 125. Leipold KTS 2006, 109, 124 f. Abl daher Madaus KTS 2012, 27, 51 So König Zwangsvergleich, S 69 f, der den (Zwangs-)Vergleich in Anlehnung an Tarifverträge als „objektive, sozialrechtliche Regelungen“ und damit als Normenverträge angesehen hat. Vgl entsprechend Happe

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Rechtsnatur, S 171 ff: Normsetzung durch Private. Vgl dazu BVerfGE 44, 322, 346 ff, dort zur Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags; BVerfGE 64, 208, 214 ff, dort zu einer gesetzlichen dynamischen Verweisung auf einen Tarifvertrag. Vgl dazu Happe Rechtsnatur, S 180 ff, der die Gläubigergruppen mit einem Mehrkammersystem vergleicht. Leipold KTS 2006, 109, 114; Madaus Insolvenzplan, S 169; Thöne KTS 2018, 151, 172. Auch BGH ZIP 2009, 39 Rn 16 schließt – im Kontext der Auslegung des gestaltenden Teils des Plans (§§ 133, 157 BGB) – eine „normative Wirkung für eine über den Kreis derjenigen, die den Plan beschlossen haben, hinaus gehende Personenzahl“ aus. Soweit Smid DZWIR 2011, 446, 449 in seiner Kritik an Madaus selbst dem Vertragsschluss normbildende Funktion zuspricht, ist damit im hiesigen Kontext nichts gewonnen.

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Art.75 Der BGH versteht den Insolvenzplan als „spezifisch insolvenzrechtliches Instrument, mit dem die Gläubigergesamtheit ihre Befriedigung aus dem Schuldnervermögen organisiert.“76 Ein Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Frage, wie Lücken der gesetzlichen Regelung zu schließen sind, ist damit freilich nicht verbunden.77 Daher soll im Folgenden ein eigener Standpunkt skizziert werden.

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c) Stellungnahme. Die dogmatische Rekonstruktion muss einerseits zur Kenntnis nehmen, dass Mehrheitsentscheidungsbefugnisse zum Kernstück aller modernen Regelungen zur gewillkürten Beendigung eines Insolvenzverfahrens gehören.78 So hat Eidenmüller die Situation der Gläubiger in der materiellen Insolvenz mit dem spieltheoretischen Gefangenendilemma verglichen79 und daraus gefolgert, „[d]as Insolvenzverfahren als Kollektivverfahren substituier[e] in dieser Situation einen im Interesse der Gesamtgläubigerschaft liegenden Vertrag, den die Gläubiger aufgrund strategischer Anreizeffekte in der gegebenen Situation und prohibitiv hoher Transaktionskosten nicht schließen (können).“80 Auch wenn sich damit die Notwendigkeit von Mehrheitsentscheidungsbefugnissen nachweisen lässt, ersetzt diese ökonomische Analyse keine rechtsdogmatische Begründung. 21 Auch der gruppentheoretische Ansatz von Grünewald, der die Beschlusskompetenz mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vermengt,81 genügt nicht, weil es im Insolvenzverfahren bereits ein gesetzliches Instrumentarium zur Lösung der latenten Interessenkonflikte gibt. Dass die Beteiligten in einem Insolvenzplan von den gesetzlichen Regelungen im Regelinsolvenzverfahren durch Mehrheitsbeschluss abweichen können, ist nicht zwingend. So bleibt Miteigentümern, die sich über eine freihändige Veräußerung nicht einig sind, nur die Versteigerung (§ 753 BGB); eine Kompetenz für Mehrheitsbeschlüsse über die freihändige Veräußerung besteht grundsätzlich nicht, auch wenn ein lukratives Angebot vorliegt, das bei der Versteigerung voraussichtlich nicht überboten werden wird. 22 Angesichts der historischen Entstehung des Insolvenzplans und der Komplexität seiner heutigen Ausgestaltung empfiehlt es sich, diese dogmatische Rekonstruktion diachronisch zu versuchen. Daher soll im ersten Schritt nur der „einfache“ (Zwangs-)Vergleich in den Blick genommen werden, bei dem die Befugnis zur Mehrheitsentscheidung der Gläubiger

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Becker InsR3 Rn 1610; Foerste InsR6 Rn 474; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: XI/2014) § 217 Rn 60; Schiessler Insolvenzplan, S 22. BGH ZIP 2006, 39 Rn 15; ZIP 2015, 1346 Rn 26; dem folgend Bork/Hölzle/Wienberg/ Dellit InsRHdb Kap 12 Rn 1; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 217 Rn 4; abw das OLG Jena ZIP 2002, 538, 539 als Vorinstanz: Insolvenzplan als privatrechtlicher Vertrag eigener Art. Ebenso Madaus Insolvenzplan, S 72 f zu dieser auch schon zum Zwangsvergleich vertretenen Theorie; kritisch auch Thöne KTS 2018, 151, 171. Der BGH folgert aus seiner Theorie, dass für die Auslegung des Plans die §§ 133, 157 BGB gelten; § 139 BGB soll dagegen nicht anwendbar sein, BGH ZIP 2015, 1346 Rn 27. Zu partikularrechtlichen Abweichungen vgl Begr EKO S 391 f; Hahn S 349 f. In § 24 der

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oldenburgischen Hypotheken-, Concursund Vergantungsordnung von 1814 spiegelt offenbar die Ablehnung des zuvor geltenden französischen Rechts wider. Ausdrücklich gegen Mehrheitsentscheidungen auch § 609 IV S 1 der hannoverschen Allgemeinen bürgerlichen Proceßordnung vom 8.11.1850, GS S 341; §§ 15, 93 der Lübecker ConcursOrdnung vom 6.10.1862, Slg S 221; § 711 der badischen Prozeß-Ordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten von 1864; § 1316 II der bayerischen Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten von 1869. Eidenmüller Unternehmenssanierung, S 19 ff. Vgl dazu auch Grünewald Mehrheitsherrschaft, S 97 ff. So Eidenmüller ZIP 2016, 145, 149. Dazu im Einzelnen Grünewald Mehrheitsherrschaft, S 111 ff, 116 ff.

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zu legitimieren ist. Dabei wird aber auch auf Stellungnahmen aus der Zeit nach 1999 zurückgegriffen, so dass es sich nicht um eine strenge diachronische Betrachtung handelt, sondern die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger beim (Zwangs-)Vergleich quasi als Grundfall erörtert wird. Erst danach ist der wesentlich jüngere und in Teilen vom US-amerikanischen Recht geprägte Insolvenzplan mit seinen durch das ESUG noch erweiterten Regelungen zum Obstruktionsverbot zu untersuchen. aa) Die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger im (Zwangs-)Vergleich. Die Bindung ei- 23 nes dissentierenden Gläubigers an die Zustimmung der jeweils maßgeblichen Kopf- und Summenmehrheit lässt sich nicht gesellschaftsrechtlich legitimieren. Anders als bei Verbänden, denen das einzelne Mitglied privatautonom beitritt, ist die Mehrheitsentscheidung der Gläubigergesamtheit nicht im Voraus durch den privatautonomen Konsens im Rahmen des Beitritts legitimiert (Unterwerfungsvertrag).82 Aus demselben Grund kann man die Gläubigergesamtheit in einem Konkurs- bzw Insolvenzverfahren nicht wie die Teilnehmer an einer außergerichtlichen Sanierungsvereinbarung als eine Gemeinschaft mit gesellschaftlichen Zügen ansehen.83 Schließlich lässt sich auch die Beschlusskompetenz der Gläubigermehrheit in § 5 SchVG84 nicht auf das Konkurs- bzw Insolvenzverfahren übertragen, weil der Anleihegläubiger dem Mehrheitsprinzip mit den Anleihebedingungen zugestimmt haben muss. Eine Einordnung der Gläubigergesamtheit oder – im Kontext der Insolvenz – der Gläubigergruppen als Personengesellschaft scheidet folglich aus.85 bb) Die Gläubigergesamtheit als Bruchteilsgemeinschaft am „Verwertungsrecht“. Die 24 Gläubigergesamtheit ist eine durch den Konkurs zusammengefügte Zwangsgemeinschaft.86 Ganz in diesem Sinne heißt es in den Materialien zur KO: „Aber die Konkursgläubiger bleiben nicht einzeln mit ihren Rechten; der Konkursanspruch Aller bringt sie in eine rechtliche Gemeinschaft, …“87 Als „Personenmehrheit“ weist die Gläubigergesamtheit in ihrer Konzeption Ähnlichkeiten zur später geschaffenen Bruchteilsgemeinschaft

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Gaul FS Huber, S 1187, 1209; Grünewald Mehrheitsherrschaft, S 181; Hänel Gläubigerautonomie, S 44 ff. BGHZ 116, 319, 327 f hat im Coop-Fall nur erwogen, Teilnehmer an einer Sanierungsvereinbarung als „Gemeinschaft mit gesellschaftlichen Zügen“ anzusehen, aber die Bindung an künftige Mehrheitsentscheidungen über einen Forderungsverzicht verneint; wesentlich weitergehend Eidenmüller Unternehmenssanierung, S 608 ff, der damit – auch unter Rückgriff auf das Girmes-Urteil BGHZ 129, 136 – schon die Gläubiger in außergerichtlichen Reorganisationsverfahren erfassen will und auch die Pflicht zur Zustimmung zu einem Sanierungskonzept bejaht (S 760 ff); den zuvor von Wüst FS Wiese S 649, 651 ff vertretenen Ansatz, hier die etwa aus Regelungen zur Großen Haverei (§ 588 HGB) oder zur begrenzten Vorratsschuld (RGZ 84, 125) abgeleitete schlichte Interessengemeinschaft (vgl dazu namentlich Wüst Die Interessengemeinschaft, S 20 ff)

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fruchtbar zu machen, lehnt Eidenmüller Unternehmenssanierung, S 597 ff dagegen ab; insgesamt abl Müller Der Verband in der Insolvenz, S 272 ff. Dazu im Einzelnen Grünewald Mehrheitsherrschaft, S 212 ff; BGHZ 208, 171 Rn 16 ff. Zur dogmatischen Einordnung der Anleihegläubigermehrheit siehe auch Schmidtbleicher Anleihegläubigermehrheit, S 352 ff. Berges KTS 1957, 49, 50; Eidenmüller Unternehmenssanierung, S 609; Grünewald Mehrheitsherrschaft, S 182; Madaus Insolvenzplan, S 188 ff. So zur Insolvenz BGH ZIP 2006, 39 Rn. 15: Schicksalsgemeinschaft; Gaul FS Huber, S 1187, 1209; Grünewald Mehrheitsherrschaft, S 177 f. Ähnlich Oelrichs Gläubigermitwirkung, S 15 ff., der die Gläubiger als „Schicksalsgenossen“ ansieht (S 16), aber von einer schlichten Interessengemeinschaft ausgeht. Begr EKO S 392; Hahn S 350.

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nach §§ 741 ff BGB auf. Bruchteilsgemeinschaften können – zB im Falle der §§ 947 I, 948, 984 BGB – auch als „Zwangsgemeinschaften“ entstehen.88 25 Der dogmatischen Rekonstruktion der Gläubigergesamtheit als einer besonders ausgestalteten Bruchteilsgemeinschaft steht nicht entgegen, dass der Insolvenzschuldner nach Insolvenzeröffnung Inhaber seiner vermögenswerten Rechte bleibt.89 Denn bei dem Recht, das mehreren Personen gemeinschaftlich zusteht (§ 741 BGB), muss es sich nicht zwingend um das Eigentum an einer Sache oder die Inhaberschaft etwa einer Forderung handeln; vielmehr ist das Miteigentum (§ 1008 BGB) nur ein Unterfall der Bruchteilsgemeinschaft. Das Recht, das den Gläubigern gemeinschaftlich zusteht, ist das dem Pfandrecht ähnliche „Verwertungsrecht“90 an dem ihnen zur gemeinsamen Befriedigung zugewiesenen Schuldnervermögen.91 Dass sich die Konkursmasse aus einer Vielzahl von Vermögensrechten zusammensetzt, steht der Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft nicht entgegen, weil sich diese auch auf mehrere Rechte beziehen kann.92 Dementsprechend ist Gegenstand des Feststellungsverfahrens richtigerweise das „Haftungsrecht“ des Konkurs- bzw Insolvenzgläubigers als ideeller Bruchteil des gemeinschaftlichen Verwertungsrechts; der Bestand der Forderung ist dafür nur Vorfrage.93 26 Parallelen zwischen der Bruchteilsgemeinschaft und der Gläubigergesamtheit finden sich auch in der gesetzlichen Ausgestaltung der internen Willensbildung: Das für Verwaltungs- und Benutzungsregelungen geltende Mehrheitsprinzip des § 745 I BGB fand im Konkursverfahren seine Entsprechung in § 94 II S 1, 3 KO. Die dort vorgesehene Summenmehrheit entspricht der nach der Größe der Anteile zu berechnenden Stimmenmehrheit (§ 745 I 2 BGB). Das Kriterium einer „der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende[n] ordnungsmäßige[n] Verwaltung“ (§ 745 I 1 BGB) entsprach § 99 KO. 27 Von besonderer Bedeutung sind bei der dogmatischen Rekonstruktion die Grenzen der Mehrheitsbeschlusskompetenz nach § 745 III BGB. So hat der BGH den Teilnehmern an einer außergerichtlichen Sanierungsvereinbarung die Befugnis zu Mehrheitsentscheidungen über eine Veränderung der Quote, um die ihre Forderungen gegen den Schuldner gekürzt werden sollen, abgesprochen.94 Nach Schmidtbleicher kann die – von ihm als Bruchteilsgemeinschaft eingeordnete – Anleihegläubigermehrheit gemäß § 5 SchVG wegen § 745 III BGB nicht durch Mehrheitsbeschluss einen Debt-Equity-Swap beschließen;95 das deckt

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BeckOK/Gehrlein BGB46 § 741 Rn 6; Staudinger/von Proff BGB2015 § 741 Rn 49. Oelrichs Gläubigermitwirkung, S 21 verweist auf das Beispiel der Erbengemeinschaft. Madaus Insolvenzplan, S 192; Uhlenbruck/ Mock InsO14 § 80 Rn 11 mwN. Zu dieser Qualifikation vgl Henckel FS Weber, S 237, 251 f; vgl auch Würdinger Theorie der schlichten Interessengemeinschaften, S 66; Wüst Die Interessengemeinschaft, S 45. Berges KTS 1957, 49, 52; ders KTS 1960, 1, 9; Eidenmüller Unternehmenssanierung, S 18; Oelrichs Gläubigermitwirkung, S 18 ff; Grünewald Mehrheitsherrschaft, S 180, 182 f; Madaus Insolvenzplan, S 192 f. Ausführlich hierzu jetzt Fritzsche Juristische Konstruktion, S 145 ff.

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Zu einer Bruchteilsgemeinschaft an einer Rechtsgesamtheit vgl BGHZ 140, 63, 67; Schnorr Gemeinschaft nach Bruchteilen, S 110 ff; Madaus Insolvenzplan, S 194 ff. Ebenso Eckardt Kölner Schrift InsO3 Kap 17 Rn 2 ff; ders ZIP 1993, 1765, 1771 f; Henckel FS Michaelis, S 167; Jaeger/Gerhardt InsO § 178 Rn 31, 33; Leonhardt/Smid/Zeuner/Smid InsO3 § 178 Rn 3; MünchKomm/ Schumacher InsO3 § 178 Rn 15; Reischl InsR4 Rn 752; Spellenberg Gegenstand des Konkursfeststellungsverfahrens, S 81 ff; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 178 Rn 28, Schoppmeyer ZInsO 2016, 2157, 2159; offen BGHZ 213, 362. BGHZ 116, 319, 328. Schmidtbleicher Anleihegläubigermehrheit, S 368 f.

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Allgemeine Wirkungen des Plans

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sich mit § 225a II S 2 InsO. Madaus hat im Kontext des Insolvenzplanverfahrens die Auffassung vertreten, der Wirkungskreis der Gläubigergesamtheit werde durch einen Forderungsteilverzicht überschritten.96 Trifft diese Auffassung zu, muss die Rekonstruktion der Gläubigergesamtheit als Sonderfall einer Bruchteilsgemeinschaft scheitern, weil Beschlüsse, die den Wirkungskreis der Personengruppe überschreiten, unwirksam sind und keine Bindungswirkung für die Mitglieder entfalten.97 Für das Konkurs- und Vergleichsrecht kann jedoch nicht angenommen werden, dass 28 die Beschlusskompetenz der Gläubigergesamtheit überschritten wird. Denn der Zwangsvergleich war auf Antrag zu verwerfen bzw die Bestätigung des Vergleichs zu versagen, wenn der Vergleich dem gemeinsamen Interesse der nicht bevorrechtigten Konkurs- (§ 188 I Nr 2 KO) bzw Vergleichsgläubiger widersprach (§ 79 Nr 4 VglO). Durch diese Regelung wurde sichergestellt, dass jedem Gläubiger mindestens die im Konkursverfahren zu erzielende Quote erhalten blieb.98 Diese konkursmäßige Befriedigung lässt sich als das „Recht des einzelnen Teilhabers auf einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzungen“ begreifen, der ohne seine Zustimmung nicht beeinträchtigt werden kann (§ 745 III 2 BGB). Wegen seiner einschneidenden Wirkungen und der Unsicherheit der Prognose der Konkursquote waren die Mehrheitserfordernisse für den (Zwangs-)Vergleich allerdings wesentlich höher als für einfache Beschlüsse der Gläubiger.99 Die dort relevante Kopfmehrheit100 ist zwar § 745 I S 2 BGB fremd, findet sich aber auch in § 25 I WEG. Auch wenn sich durchaus Unterschiede zur klassischen Bruchteilsgemeinschaft nach 29 §§ 741 ff BGB zeigen, lässt sich das Binnenrecht der Gläubigergesamtheit nach der KO letztlich als Bruchteilsgemeinschaft am Verwertungsrecht an der Konkursmasse rekonstruieren.101 Dies deckt sich mit der Aussage in den Materialien zur KO, die aus der Konstitution einer rechtlichen Gemeinschaft geschlossen haben: „ …, und zwingende Mehrheitsbeschlüsse finden selbst im formalen Recht ihre Geltung.“102 Das bedeutet freilich nicht, dass

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Madaus Insolvenzplan, S 217. Baltzer Beschluss, S 44 ff. Vgl dazu nur Bley/Mohrbutter4 VglO § 79 Rn 11; Jaeger/Weber KO8 § 188 Anm 6; Kilger/K Schmidt InsG17 KO § 188 Anm 2 lit b) und VglO § 79 Anm 5; Madaus Insolvenzplan, S 69. Für den (Zwangs-)Vergleich war grundsätzlich – entsprechend Art 519 II ccom 1808, Art 618 II Codice di commercio del Regno d’Italia von 1865 bzw Art 833 I Codice di commercio del Regno d’Italia von 1882 zum Vergleich im Konkursverfahren, Art 2 I der belgischen Loi sur le concordat préventif de la faillite vom 29.6.1887 und Art 14 I des italienischen Gesetzes Nr 197 vom 24.5.1903 (GU Nr 126 vom 30.5.1903, S 2190) zum concordato preventivo – die einfache Kopfund Drei-Viertel-Summenmehrheit erforderlich (§ 182 I KO, § 74 I VglO). Art 841 des niederländischen Wetboek van Koophandel von 1838 und § 217 der österreichischen Concursordnung v 25.12.1868, öRGBl Nr 1/1869 verlangten sogar eine Zwei-Drittel-Kopfmehrheit. In der Schweiz verlangte

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Art 305 I SchKG 1889 dagegen die ZweiDrittel-Kopf- und Summenmehrheit. Bei einer Vergleichsquote von unter 50 % war beim konkursabwendenden Vergleich sogar die Vier-Fünftel-Summenmehrheit erforderlich (§ 74 III VglO). Dagegen hatten § 38 der Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses v 14.12.1916 (RGBl S 1363) und § 63 IV VglO 1927 (RGBl I S 139) für Stundungen bis zu einem Jahr unter bloßem Zinsverzicht noch die einfache Summenmehrheit genügen lassen. Für die Bedeutung einer ergänzenden Kopfquote vgl auch Grünewald Mehrheitsherrschaft, S 107. Ebenso Madaus Insolvenzplan, S 191 ff und 353 (Insolvenzverfahren als speziell geregelte Auseinandersetzung einer Bruchteilsgemeinschaft); Berges KTS 1957, 49, 52 ff; ders KTS 1960, 1, 9; Grünewald Mehrheitsherrschaft, S 184, 186. Der Insolvenzplan kann bei dieser Betrachtung mit einer Teilungsvereinbarung verglichen werden. Begr EKO S 392; Hahn S 350.

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auf die Regelungen der Bruchteilsgemeinschaft ohne Weiteres zurückgegriffen werden könnte; vielmehr traf die KO grundsätzlich alle wesentlichen Regelungen für die Zwangsgemeinschaft der Gläubiger selbst.103 Wie bei der WEG liegt hier demnach eine besonders ausgestaltete Bruchteilsgemeinschaft vor. cc) Der (Zwangs-)Vergleich als Vertrag zwischen dem (Gemein-)Schuldner und der

30 Gläubigergesamtheit. Davon zu trennen ist allerdings die Frage, wie die Gläubigergesamtheit im Außenverhältnis handeln kann. Dass die Bruchteilsgemeinschaft als solche nicht rechtsfähig ist104 und daher nur ein Handeln der Mitberechtigten in Betracht kommt, ist grundsätzlich unbestritten. Allerdings zeigt § 10 VI S 1 WEG, dass die Rechtsfähigkeit einer Rechtsgemeinschaft durchaus denkbar ist. Die Materialien zur KO deuten in eine ganz ähnliche Richtung, indem von einem „Vergleich zwischen den Gläubigern als dem einen und dem Gemeinschuldner als dem anderen kontrahierenden Theile“ die Rede ist.105 Damit kommt dem Mehrheitsbeschluss im Vergleichstermin106 unmittelbare Außenwirkung zu;107 der Annahme, die Willenserklärung eines dissentierenden Gläubigers werde vom rechtskräftigen Bestätigungsbeschluss ähnlich wie nach § 894 ZPO ersetzt,108 bedarf es nicht. Folgt man dieser These, liegt eine vertragliche Rekonstruktion des (Zwangs-)Vergleichs als Vertrag zwischen der Gläubigergesamtheit und dem Schuldner sehr nahe. 31 Dass dieser Vertrag zu seiner Wirksamkeit noch der Bestätigung bedurfte,109 lässt sich allerdings nicht mit einem Verweis auf §§ 1821, 1822 BGB erklären. Nimmt man mit den Motiven zur KO an, dass die Bestätigung „nur zum Schutze der Gläubiger dienen soll“110 und sich die Wirkungen des (Zwangs-)Vergleichs ausschließlich auf deren dispositive Vermögensinteressen beschränken,111 lässt sich die gerichtliche Überprüfung der Einhaltung der einschlägigen Regelungen bei einstimmiger Annahme des Vergleichs durch die Gläubiger vielmehr mit der potentiellen Drittwirkung rechtfertigen. Denn der (Zwangs-)Vergleich wirkte stets auch gegenüber Konkurs- bzw Vergleichsgläubigern, die sich am ganzen Verfahren nicht beteiligt hatten.112 Darüber hinaus entfaltete der (Zwangs-)Vergleich mit dem Fortbestand der Verpflichtung eines möglichen Bürgen113 Wirkungen, die ein (Sanierungs-)Vergleich nach § 779 BGB nicht hätte zeitigen können, weil ein Forderungserlass (§ 397 I BGB) auch dem Bürgen zugutekommt (§ 767 I 1 BGB).114 Schließlich war die Mitwirkung des Gerichts – insoweit wie bei § 794 I Nr 1 ZPO – erforderlich, um den (Zwangs-)Vergleich als Vollstreckungstitel auszugestalten.115

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dd) Die Einordnung der Neuerungen des Insolvenzplanverfahrens. Mit der großen Insolvenzrechtsreform hat sich an der Einstufung der Gläubigergesamtheit als einer beson-

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Ebenso Grünewald Mehrheitsherrschaft, S 185. Gegen jede Parallele zur Bruchteilsgemeinschaft Bauer Insolvenzplan, S 348, 350. MünchKomm/K Schmidt BGB7 § 741 Rn 3; Staudinger/von Proff BGB2015 § 741 Rn 245. Begr EKO S 393; Hahn S 351. Zum Vergleichstermin vgl § 179 KO bzw § 66 VglO. Zur möglichen Außenwirkung des Mehrheitsbeschlusses nach § 745 I BGB vgl MünchKomm/K Schmidt BGB7 §§ 744, 745 Rn 31. Zum Insolvenzplan wie hier Fritzsche Juristische Konstruktion, S 223 f, 264. Vgl dazu etwa Schnorr Gemeinschaft nach Bruchteilen, S 242 mwN.

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Vgl § 184 I KO bzw § 78 I VglO. So Begr EKO S 416; Hahn S 370. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigt schon das alte französische Recht, wonach mit der Bestätigung des Akkords auch die persönliche Rehabilitation des Falliten verbunden war (Art 526 II, 604 ff ccom 1808). Vgl § 193 S 1 KO bzw § 82 I VglO. Vgl § 193 S 2 KO bzw § 82 II 1 VglO. Vgl nur Begr EKO S 422; Hahn S 375; BGHZ 6, 385, 393; BGH WM 1962, 550; RGZ 153, 338, 345; Bley/Mohrbutter4 VglO § 82 Rn 18; Jaeger/Weber KO8 § 193 Anm 21. Vgl § 194 KO bzw § 85 VglO.

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deren Bruchteilsgemeinschaft nichts geändert.116 Vielmehr ist die Parallele bei der Ermittlung der Mehrheit für Beschlüsse der Gläubigerversammlung dadurch erhalten geblieben, dass die in § 87 II Nr 1 RegE ergänzend vorgesehene Kopfmehrheit nicht Gesetz geworden ist, sondern nach wie vor allein die Summenmehrheit genügt (§ 76 II). Das Kriterium einer „der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende[n] ordnungsmäßige[n] Verwaltung“ (§ 745 I 1 BGB) wird nunmehr von § 78 I aufgenommen, der allerdings – wie §§ 23 IV S 2, 46 WEG – eine Anfechtung des Mehrheitsbeschlusses voraussetzt.117 Dagegen lässt sich das Insolvenzplanverfahren nicht mehr rein privatrechtlich rekon- 33 struieren.118 Dies gilt zum einen für die interne Willensbildung der Gläubigergesamtheit, die nicht mehr von der Gläubigermehrheit getragen sein muss. Dass § 244 I die erforderliche Summenmehrheit innerhalb der Gruppen im Vergleich zum Konkurs- und Vergleichsrecht wesentlich und noch unter die US-amerikanische Regelung herabsetzt hat,119 um die Annahme des Plans „nicht durch Verfahrensregeln übermäßig“ zu erschweren,120 wäre noch mit § 745 I S 2 BGB vereinbar, wenn alle Gruppen zustimmen müssten. Dies ist aber nach § 245 nicht der Fall. Zwar hat der Rechtsausschuss immerhin die Mehrheit der Gruppen gefordert (§ 245 I Nr 3), während in § 290 I Nr 3 RegE noch vorgesehen war, dass nur eine Gruppe dem Plan mehrheitlich zugestimmt haben muss.121 Mit dieser Korrektur wurde aber nur vermeintlich am Mehrheitsprinzip festgehalten,122 weil insgesamt keineswegs die Gläubigermehrheit den Insolvenzplan konsentiert haben muss.123 Auch dass die „Garantie der ordentlichen Insolvenzquote“ nunmehr ausdrücklich in 34 die Regelung zum Minderheitenschutz aufgenommen worden ist (§ 251 I Nr 2, III),124 ändert nichts am hiesigen Befund. Denn daraus kann nur geschlossen werden, dass der Insolvenzplan keinem Gläubiger gegen dessen Willen Vermögensopfer auferlegen kann. Daher wäre ein Mehrheitsbeschluss wie im Konkurs- und Vergleichsrecht vom Wirkungskreis

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Insoweit zustimmend auch Thöne KTS 2018, 151, 168. Ein gegen § 745 I BGB verstoßender Beschluss ist dagegen ipso iure unwirksam: OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 1256; Palandt/Sprau BGB76 § 745 Rn 1. Der Streit über die Wirksamkeit kann mittels Feststellungsklage nach § 256 ZPO geklärt werden: BGH NJW-RR 1995, 267, 268; NJW-RR 2010, 1312 Rn 7; MünchKomm/K Schmidt BGB7 §§ 744, 745 Rn 33; Palandt/Sprau BGB76 § 745 Rn 1; Staudinger/Eickelberg BGB2015 § 745 Rn 48. So iE auch Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 7.7. 11 U.S.C. § 1126(c) verlangt für die Annahme des Plans durch eine class eine ZweitDrittel-Summen- und eine einfache Kopfmehrheit. So Begr zu RegE § 288, BT-Drucks 12/2443 S 208. Vgl Begr zu RegE § 290, BT-Drucks 12/2443 S 208 f. Zum US-amerikanischen Vorbild vgl 11 U.S.C. § 1128(a)(10). Danach muss einem Plan, der Rechte der Gläubiger beein-

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trächtigt, mindestens eine Gruppe von Gläubigern, deren Rechte beeinträchtigt werden, zugestimmt haben. BT-RA zu RegE § 290, BT-Drucks 12/7302 S 184; krit Madaus Insolvenzplan, S 259 f mwN. Das Obstruktionsverbots allein durch das Mehrheitsprinzip für legitimiert halten dagegen Baur/Stürner InsR12 Rn 6.6, 6.8; HK/ Haas InsO9 § 245 Rn 3; Schiessler Insolvenzplan, S 170. Häsemeyer InsR4 Rn 28.38 meint, es werde das Mehrheitsprinzip „wenigstens grundsätzlich, wenn auch durch die Möglichkeit privatautonomer Gruppenbildung abgeschwächt“ gewährleistet; in FS Gaul S 175, 178 sieht Häsemeyer die Legitimation des (Minderheits-)Insolvenzplans grundlegend in Frage gestellt. Zur Rechtskontinuität vor und nach der Insolvenzreform vgl Begr zu RegE § 298, BTDrucks 12/2443 S 211. Nach 11 U.S.C. § 1129(a)(7)(ii) gehört dieser „Best Interest Test“ sogar zu den Voraussetzungen für die Bestätigung des Reorganisationsplans.

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einer Bruchteilsgemeinschaft erfasst. Den Mehrheitsbeschluss selbst kann der Minderheitenschutz dagegen nicht ersetzen. Schließlich müssen nicht mehr grundsätzlich alle Gläubiger gleichbehandelt werden,125 sondern nur noch die einer Gruppe angehörenden (§ 226 I). Damit hat das Insolvenzplanverfahren den Ordnungsrahmen der Bruchteilsgemeinschaft verlassen. 35 Madaus meint dagegen, die einzelnen Gläubigergruppen seien Interessengemeinschaften, deren Wirkungskreis sich nach der gesetzlichen Regelung auch auf Eingriffe in die persönliche Rechtsstellung der Gruppenmitglieder erstrecke.126 Diese Argumentation ist aber schon in sich nicht stimmig, weil eine Untergruppe keine weitergehende Beschlusskompetenz haben kann als die Gesamtheit, die aber gerade nicht über Eingriffe in die persönliche Rechtsstellung der Gläubiger soll beschließen können.127 36 Darüber hinaus lässt sich auch die Annahme des Insolvenzplans – entgegen der Annahme des Gesetzgebers, der von einer „privatautonome[n] Übereinkunft der mitspracheberechtigten Beteiligten“ ausging128 – angesichts der weitreichenden Zustimmungsfiktionen in §§ 245–247 nicht mehr als Vertragsschluss rekonstruieren. Dass § 245 I Nr 3 – abweichend vom Recht der USA und dem Richtlinienvorschlag der Kommission über präventive Restrukturierungsrahmen129, die jeweils die mehrheitliche Zustimmung130 einer Klasse genügen lassen131 – wenigstens die Zustimmung einer Mehrheit der abstimmenden Gruppen erfordert, kann an diesem Befund nichts ändern, weil dadurch keinesfalls die Zustimmung der Gläubigermehrheit gesichert ist. Die vertragsrechtliche Rekonstruktion scheitert insbesondere für die fingierte Zustimmung des Schuldners (§ 247 II) und der Anteilseigner (§ 245 I, III), die nach der absolute priority rule132 ohnehin regelmäßig keine wirtschaftlichen Werte erhalten (§ 245 II Nr 2). Dass die Anteilseigner ihre Rechte im Rahmen von Kapitalmaßnahmen mit der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans (§§ 225a II 3, 254a II) ohne ihre Zustimmung, aber ggf gegen eine angemessene Entschädigung vollständig verlieren können,133 lässt sich nicht mehr als Vertrag begreifen, zu dessen Abschluss die Anteilseigner rechtlich verpflichtet sind, sondern stellt eine ggf ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums iSv Art 14 I S 2 GG dar.134

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So noch § 181 S 1 KO bzw § 8 I VglO. Madaus Insolvenzplan, S 210 ff, 218 f. So aber Madaus Insolvenzplan, S 217. Begr RegE, BT-Drucks 12/2443 S 91. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenzund Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU v 22.11.2016, COM(2016) 723 final. In den USA erfordert die Zustimmung eine Klasse nach 11 U.S.C. § 1126(c) eine 2/3-Summen- und eine einfache Kopfmehrheit. Der Richtlinienvorschlag stellt dagegen nur auf die Summenmehr ab (Art 9 IV 1), die die Mitgliedstaaten zwischen 50 % und 75 % sollen festsetzen können (Art 9 IV 2). Vgl Specovius/von Wilcken NZI Sonderbeilage 1/2017, 24, 26; Thole, ZIP 2017, 101, 108.

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Vgl in den USA 11 U.S.C. § 1129(a)(10). An dieses Erfordernis ist das Gericht auch beim cram down nach 11 U.S.C. § 1129(b)(1) gebunden. Zum Kommissionsvorschlag vgl Art 11 I lit b. Allerdings sollen die Mitgliedstaaten auch die Zustimmung von mehr Klassen verlangen können (Art 11 II). Vgl dazu 11 U.S.C. § 1129(b)(2)(B)(ii) sowie ursprünglich Northern Pacific Railway Company v Boyd, 228 U.S. 482, 502 ff (1913). Diese Bedingung findet sich auch in Art 11 I lit c des Kommissionsvorschlags für den „Klassenübergreifenden Cram-down“ beim Restrukturierungsplan. Zur Kapitalherabsetzung auf Null vgl nur MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 42 f. So auch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 44.

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Insoweit bietet sich eine Parallele zur Enteignung an, die ebenfalls nicht als Vertrag ausgestaltet, sondern vielmehr vom privatrechtlichen freihändigen Erwerb klar abzugrenzen ist (vgl § 87 II BauGB). Die Rechtfertigung für den Eingriff in die Rechte der Beteiligten liegt allerdings im Gedanken des Rechtsmissbrauchs.135 Damit erweist sich der Ansatz von Leipold im Kern als richtig, weil mit der Rechtskraft 37 des Bestätigungsbeschlusses der (privatrechts-)gestaltende Teil des Insolvenzplans (§ 221) kraft Hoheitsakts wirksam wird (§ 254 I).136 Das Insolvenzplanverfahren weist sowohl privatautonome als auch justizielle Züge auf, wobei sich die Rolle des Gerichts auf die Überwachung der Einhaltung der Regelungen über die Grenzen der Gestaltungsmacht der Beteiligten (§ 217) und das einzuhaltende Verfahren beschränkt (§ 250).137 Letzteres ist – insbesondere aufgrund der wesentlich herabgesetzten Mehrheitserfordernisse – zum einen als Fürsorge für die Minderheit erforderlich.138 Zum anderen ist die gerichtliche Kontrolle nach wie vor wegen der potenziellen Drittwirkung (§ 254b) selbst bei einhelliger Zustimmung aller Beteiligten zu dem Plan erforderlich. Darüber hinaus lässt auch der Insolvenzplan Ansprüche gegen den Bürgen unberührt (§ 254 II 1), was in einem Vergleich (§ 779 BGB) nicht möglich wäre (Rn 66), und stellt einen nur hoheitlich zu schaffenden Vollstreckungstitel dar (§ 257). Dieses Verständnis wird schließlich auch dadurch bestätigt, dass es in §§ 254 ff – an- 38 ders als im französischen Konkursrecht von 1838 (Art 518 ccom 1838) und in § 196 I KO bzw § 89 I VglO – keine Bestimmungen über die Anfechtung des Insolvenzplans wegen Betrugs mehr gibt. Zur Begründung heißt es, dass solche Vorschriften „mit der Konzeption des Reorganisationsverfahrens nicht zu vereinbaren wären“.139 Die Anfechtung nach §§ 119 ff BGB war dagegen schon früher ausgeschlossen.140 Dass die Annahme des Plans unlauter herbeigeführt worden sein soll, kann daher nur noch im Vorfeld der Bestätigung geltend gemacht werden (vgl § 250 Nr 2).141

II. Einzelerläuterung 1. Gestaltende Wirkungen des Plans a) Gegenstand der gestaltenden Wirkungen aa) Grundsätzliches. In gegenständlicher Hinsicht reicht § 254 I viel weiter als § 193 39 S 1 KO und § 82 I VglO. Während die Wirkung des (Zwangs-)Vergleichs ausschließlich auf den Teilerlass der Konkurs- bzw Vergleichsforderungen beschränkt war, bezieht sich § 254 I auf alle im gestaltenden Teil des Insolvenzplans zulässigen Wirkungen. Dabei ist es ggf eine Frage der Auslegung des Insolvenzplans, ob die §§ 41, 45, 46 auch für die Insol-

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Gottwald FS Giger, S 195, 210; Madaus Insolvenzplan, S 262; auf den Missbrauchsgedanken weißt schon die Begr RegE, BTDrucks 12/2443 S 94 (besonderes Schikaneverbot) sowie Begr RegE zu § 290, BTDrucks 12/2443 S 208 (Verweigerung als Missbrauch) hin. Ganz ähnlich jetzt auch Fritzsche Juristische Konstruktion, S 278: „[…] Akt staatlicher Mitwirkung an einem privatrechtlichen Vertrag, den das Gesetz als Wirksamkeitsvo-

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raussetzung für diesen Vertragstypus bestimmt.“ ; Thöne KTS 2018, 151, 172 ff. Gaul FS Huber, S 1187, 1199 f spricht treffend von einer reinen Negativkontrolle. Vgl FK/Jaffé InsO9 § 217 Rn 50. So die Begründung im 1. Ber InsRKomm S 202 zu LS 2.2.29 II. Vgl nur RGZ 127, 372, 375; 57, 270, 271 ff. Gaul FS Huber, S 1187, 1215 spricht hier von einem „besonderen Bestandsschutz“.

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venzplanforderung gelten.142 Dass die Wirkungen des Insolvenzplans auch Steuerforderungen erfassen können, ergibt sich jedenfalls aus dem Vorbehalt der InsO in § 251 II S 1 AO, auf den bei sonstigen öffentlich-rechtlichen Geldforderungen regelmäßig verwiesen wird (§ 5 VwVG, § 66 I SGB X). Damit sind aber zugleich die Grenzen der Wirkungen des Plans bestimmt, weil diese auch im Falle der rechtskräftigen Bestätigung nicht weiterreichen können als die den Beteiligten in § 217 eröffnete Gestaltungsbefugnis. Gestaltungen, die nicht plandispositive Gegenstände regeln,143 erfolgen daher ohne Beschlusskompetenz144 und haben auch im Falle der rechtskräftigen Bestätigung des Plans keine Wirkung. bb) Forderungserlass

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(1) Fortbestand einer Naturalobligation. Soweit Ansprüche der nachrangigen Gläubiger als erlassen gelten (§ 225) oder der Schuldner und ggf die persönlich haftenden Gesellschafter mit der Befriedigung der Insolvenzplanforderungen von den restlichen Insolvenzforderungen befreit werden (§ 227 I, II), bestehen die jeweiligen Forderung als sog Naturalobligationen fort;145 sie sind damit nicht mehr erzwingbar, aber noch erfüllbar und stellen iSv § 812 I S 1 einen Rechtsgrund für die Leistung dar. Schließlich führt der Erlass im Insolvenzplan auch bei Steuerforderungen nicht zum Erlöschen des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis iSv § 47 AO.146 Trotz der Naturalobligation entsteht beim Schuldner durch die Befreiung von der Verbindlichkeit ggf ein steuerbarer (Sanierungs-)Gewinn (vgl § 255 Rn 10), weil mit einer Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen nicht mehr zu rechnen ist.147 41 Diese Grundsätze gelten richtigerweise auch für den „Erlass“ nachrangiger Forderungen nach § 225 I,148 der keine über § 254 III hinausgehende Wirkung hat und damit gerade nicht wie ein Erlassvertrag iSv § 397 I BGB wirkt.149 Dass hier im Gesetzestext von einem Erlass die Rede ist,150 steht schon deshalb nicht entgegen, weil dasselbe auch für die Begründung zu § 301 III RegE gilt.151 Allerdings ist dort nur von einem Teilerlass die Rede, so dass man annehmen könnte, beim vollständigen Erlass nach § 225 I bestehe keine Naturalobligation fort. Einem solchen Verständnis steht jedoch das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip entgegen, weil der Eingriff in das Forderungsrecht aufgrund eines privatrechtsgestaltenden Hoheitsaktes (s Rn 37) nicht über das erforderliche Maß hinausgehen darf. Für die Zwecke des Insolvenzplanverfahrens genügt es jedoch, wenn auch die nachrangigen Insolvenzforderungen lediglich nicht mehr erzwingbar sind. Gegen

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So zum Zwangsvergleich schon BGHZ 108, 123, 131 bei einer Fremdwährungsforderung. Vgl BGH ZIP 2009, 480 Rn 25 f zu Regelungen über die Feststellung der Insolvenzforderungen; BGHZ 214, 78 Rn 20 ff, 38 zur Höhe der Verwaltervergütung. Zur Beschlusskompetenz als Wirksamkeitsvoraussetzung im WEG vgl BGHZ 145, 158, 168. Vgl nur Begr zu RegE § 301, BT-Drucks 12/ 2443 S 213; BGH ZIP 2011, 1271 Rn 8; ZIP 2012, 1359 Rn 9; BAG ZIP 2013, 2268 Rn 28; Brünkmans/Thole/Madaus Hdb InsPlan § 23 Rn 14; Schulze Die Naturalobligation S 536; speziell zu § 227 I vgl MünchKomm/Breuer InsO3 § 227 Rn 8.

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BFH ZIP 2013, 1732 Rn 13. Vgl nur Kübler/Kahlert HRI2 § 57 Rn 94. AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IV/2015) § 225 Rn 4; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 225 Rn 5; beiläufig auch BGHZ 185, 206 Rn 14. Für § 397 I BGB aber BeckOK/Geiwitz/von Danckelmann InsO10 § 225 Rn 3; MünchKomm/Breuer InsO3 § 225 Rn 13; Jaeger/ Münch § 225 Rn 10. Vgl auch die Begr zu RegE § 268, BTDrucks 12/2443 S 201. So Begr zu RegE § 301, BT-Drucks 12/2443 S 213.

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Allgemeine Wirkungen des Plans

§ 254

einen echten Erlass spricht auch, dass die nachrangigen Gläubiger an der Annahme des Plans regelmäßig nicht beteiligt werden, da sie ihre Forderungen idR nicht anmelden können (§ 174 III 1) und schon deshalb nicht stimmberechtigt sind (§ 237 I 1, 77 I 1). Darüber hinaus bilden sie keine abstimmungsberechtigte Gruppe (§ 243), wenn die Forderungen nach § 225 I als erlassen angesehen werden sollen (§ 222 I 2 Nr 3). Auf die Zustimmungsfiktion nach § 246 kommt es dann gar nicht an.152 Diese Rechtslage, die der bei der Restschuldbefreiung (§ 301 III) und bei verjährten An- 42 sprüchen entspricht (§§ 214 II 1, 813 I 2 BGB), ist in § 254 III nunmehr ausdrücklich festgeschrieben worden. Sie war aber schon für das Konkurs- und Vergleichsrecht anerkannt.153 Dieser Rückforderungsausschluss gilt nicht nur bei (freiwilligen) Leistungen des Schuldners nach der Bestätigung des Insolvenzplans, sondern auch für Leistungen durch den Insolvenzverwalter oder die Verwertung von Sicherungsrechten durch absonderungsberechtigte Gläubiger während des Insolvenzverfahrens.154 Aus der bereicherungsrechtlichen Begründung ergibt sich zugleich, dass die Rückforderung selbstverständlich nicht ausgeschlossen ist, wenn der Schuldner auf eine streitige Forderung geleistet hat, soweit die endgültige Feststellung ergibt, dass die Forderung nicht bestanden hat (§ 256 III) (vgl § 256 Rn 33 ff). Dasselbe gilt, wenn ein Gläubiger mehr bekommen hat, als ihm nach seiner ursprünglichen, ungekürzten Insolvenzforderung unstreitig zugestanden hat.155 Die Kondiktionsfestigkeit der Leistung auf erlassene Forderungen ist allerdings nicht 43 unproblematisch, weil damit einzelnen Gläubigern prima facie ein dauerhafter Sondervorteil verschafft werden kann. Während die Begünstigung eines Gläubigers vor der Annahme des Plans einen von Amts wegen zu beachtenden Versagungsgrund darstellt (§ 250 Nr 2) und im Plan dem Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 226 I) widersprechen würde, wird sie danach dauerhaft hingenommen.156 Das dürfte der Grund dafür sein, dass in der Praxis im Insolvenzplan vielfach ein Forderungserlass iSv § 397 I BGB vorgesehen wird, soweit die Insolvenzforderung die Planquote übersteigt.157 Damit stellt sich die Frage, ob § 254 III plandispositiv ist, obwohl es dafür – anders als 44 in § 255 III – keine ausdrückliche Regelung gibt.158 Das ergibt sich nicht zwingend aus § 217 S 1, der auch so verstanden werden kann, dass die Nachhaftung des Schuldners mit den für einen Insolvenzplan erforderlichen Mehrheiten nur in dem von § 254 III gesetzten Rahmen geregelt werden kann. Ein echter Forderungserlass iSv § 397 I BGB setzt dann die Zustimmung jedes einzelnen Gläubigers voraus. Darüber hinaus lassen sich dauerhafte Sondervorteile auch durch Ausgleichsansprüche der Gläubiger untereinander ausschließen.159

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Vgl nur Jaeger/Kern § 246 Rn 6. Zum Zwangsvergleich vgl grundlegend RGZ 42, 118, 120. Aus dem Schrifttum vgl nur Bley/Mohrbutter VglO4 § 82 Rn 16; Jaeger/Weber KO8, § 193 Anm 5. Vgl Begr zu RegE § 301, BT-Drucks 12/2443 S 213; MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 34; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 254 Rn 17. Hess/Groß/Reill-Ruppe/Roth/Groß InsPlan4 Rn 1521; MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 35; iE ebenso Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 254 Rn 22; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 14, die aber eine teleologische Reduktion für erforderlich halten.

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So zutr Gottwald/Koch/de Bra InsRHdb5 § 69 Rn 5, 6. So K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254 Rn 12. So ohne jede Begründung K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254 Rn 12; dem folgend Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 254 Rn 20 unter Verweis auf den möglichen Minderheitenschutz nach §§ 251, 253; implizit auch HK/Haas InsO9 § 254 Rn 4, der allerdings irreführend von einem Erlöschen i„iSv § 362 BGB“ spricht. So Braun/Braun/Frank InsO7 § 254 Rn 6; BGHZ 71, 309, 311 hat bei einer nach § 8 II VglO 1935 unzulässigen Sonderbehandlung einen Anspruch der Schuldnerin auf Rückzahlung in die Liquidationsmasse zugebilligt.

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§ 254

Sechster Teil. Insolvenzplan

Schließlich widerspricht ein echter Forderungserlass auch dem Fortbestand der Sicherungsrechte iSv § 254 II S 1. Der Plan müsste daher isoliert die Wirkung von § 254 III ausschließen können. Insgesamt spricht daher mehr dafür, dass § 254 III nicht plandispositiv ist. 45 Etwas anders muss aber beim Debt-Equity-Swap gelten, bei dem die (Sach-)Einlage der Forderung durch einen Forderungserlass (§ 397 I BGB), ein negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 II BGB) oder die Abtretung der Forderung an den Schuldner (§ 398 BGB) bewirkt werden kann. In diesen Fällen besteht auch keine Naturalobligation fort. Dies ist unbedenklich, weil jeder Gläubiger der „Umwandlung“ seiner Forderung in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte individuell zustimmen muss (§ 225a II 2).

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(2) Aufrechnung. Der Erlass der Insolvenzforderung eines Gläubigers soll nach Auffassung des BGH – entgegen der bis dahin herrschenden Meinung160 – auch der Aufrechnung gegen eine Forderung des Schuldners nicht entgegenstehen, wenn die Aufrechnungslage schon bei Verfahrenseröffnung bestanden hat.161 Das entspricht sowohl der Gesetzesbegründung162 als auch der Stellung der Absonderungsberechtigten, denen der Aufrechnungsberechtigte durchaus nahesteht.163 Im Übrigen deckt sich die Auffassung des BGH mit der Rechtslage bei der Verjährung (§ 215 BGB) und war für den konkursabwendenden Vergleich ausdrücklich angeordnet (§ 54 S 3 VglO). Allerdings darf analog § 52 S 2 nur der Teil der Insolvenzforderung anteilsmäßig befriedigt werden, der nicht durch Aufrechnung befriedigt werden kann.164 47 Gleichwohl ist diese Entscheidung im Schrifttum vielfach auf Ablehnung gestoßen.165 Die Kritik ist insoweit berechtigt, als die Aufrechnung dem Gläubiger einen Sondervorteil verschaffen kann, wenn er zuvor auf seine Forderung eine Quote erhalten hat und seine Forderung höher ist als die des Schuldners (FG > FS).166 Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Wenn Gläubiger G eine Insolvenzforderung (FG) von 1.000 Euro zusteht und Schuldner S eine Gegenforderung (FS) von 800 Euro, hätte G bei einer Aufrechnung vor Auszahlung der Quote nur noch eine Restforderung von 200 Euro gehabt. Sieht der Insolvenzplan einen Teilerlass von 80 % vor, erhielte G dann auf seine Restforderung eine Quote von 40 Euro und müsste einen Ausfall von 160 Euro tragen. Dagegen könnte G bei einer vorherigen Auszahlung der Quote, die sich dann auf 200 Euro beliefe, mit seiner Restforderung von 800 Euro gegen die Forderung von S in derselben Höhe aufrechnen und so volle Befriedigung erlangen. Eine Rückzahlung der im Vergleich zur ersten Variante zu viel ausgezahlten 160 Euro an den Schuldner wäre ausgeschlossen (§ 254 III).

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Vgl OLG Celle NZI 2009, 59; Braun NZI 2009, 409; Braun/Kroth InsO4 § 94 Rn 3; Flöther/Wehner ZInsO 2009, 503 ff; Jacobi NZI 2009, 351; Joachim/Schwarz ZInsO 2009, 408 ff; Pöllmann EWiR 2009, 121; Schur EWiR 2009, 119; Uhlenbruck/Sinz InsO13 § 94 Rn 84 f mwN; aA OLG Celle NZI 2009, 183; Andres/Leithaus/Leithaus InsO2 § 94 Rn 2; Jaeger/Windel InsO § 94 Rn 21; MünchKomm/Brandes InsO2 § 94 Rn 45. BGH ZIP 2011, 1271 Rn 9 ff. Vgl Begr zu RegE § 106, BT-Drucks 12/2443 S 140.

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So auch BGHZ 193, 44 Rn 14; aA Jaeger/ Henckel InsO § 52 Rn 15. BGHZ 193, 44 Rn 14; Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Piekenbrock InsO3 § 94 Rn 6. So Baumert LMK 2011, 320965; W. Lüke/ Scherz WuB VI A § 94 InsO 1.11; billigend dagegen MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 13. Für FG ≤ FS ergibt sich bei Zahlung der Quote vor der Aufrechnung dagegen kein Unterschied, weil der Schuldner den ausgezahlten Betrag vollständig kraft seiner Forderung zurückverlangen kann.

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Allgemeine Wirkungen des Plans

§ 254

Diesem Dilemma kann der Schuldner bzw der Insolvenzverwalter (vgl § 258 I) bei an- 48 gemeldeten und festgestellten Insolvenzforderungen auch nicht dadurch entgehen, dass er selbst die Aufrechnung erklärt, weil dem die materielle Rechtskraft der Feststellung im Verfahren entgegensteht (§ 178 III).167 Hatte der Gläubiger seine Insolvenzforderung dagegen nicht angemeldet, kann auch der Schuldner – vorbehaltlich §§ 393, 394 BGB – aufrechnen und damit die letztlich überhöhte Quotenzahlung verhindern. Gleichwohl ist es zur Sicherung der Gleichbehandlung nicht erforderlich, die Aufrech- 49 nung durch einen Gläubiger nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans vollständig auszuschließen. Vielmehr genügt es, die Aufrechnung insoweit auszuschließen, als sie dem Insolvenzgläubiger den besagten Sondervorteil verschafft hat, den er nicht gehabt hätte, wenn er im Verfahren aufgerechnet hätte. Daher kann G in unserem Beispiel nur noch in Höhe von 640 Euro aufrechnen.168 Die restlichen 160 Euro muss er auf die Forderung von S zahlen. § 254 III steht nicht entgegen, weil S damit nicht einen Teil der ausgezahlten Quote zurückverlangt. Auf seine eigene Restforderung von jetzt 360 Euro hätte G zwar nur 72 Euro erhalten dürfen. Da er tatsächlich 200 Euro auf seine Forderung bekommen hat, liegt eine Überzahlung in Höhe von 128 Euro vor. Da G diese Überzahlung jedoch behalten kann (§ 254 III), ist der Zustand hergestellt, der bestanden hätte, wenn G im Verfahren aufgerechnet hätte. cc) Insolvenzplanforderungen. Soweit Ansprüche gegen den Schuldner nach dem Plan 50 fortbestehen, bewirkt der Insolvenzplan keine Novation; vielmehr bleibt der ursprüngliche Schuldgrund bestehen,169 so dass auch etwaige akzessorische Sicherheiten fortbestehen. Die Verjährung richtet sich allerdings unabhängig vom Anspruchsgrund einheitlich nach § 197 I Nr 5, weil die Ansprüche durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind.170 Erst recht bewirkt der Insolvenzplan keine Kumulation.171 dd) Dingliche Rechtsänderungen. Soweit der Insolvenzplan dingliche Rechtsänderun- 51 gen vorsieht, müssen die allgemeinen Voraussetzungen dafür erfüllt werden, um Friktionen mit der Gesamtrechtsordnung zu vermeiden. Daher ersetzt der Insolvenzplan insoweit nur die jeweils erforderliche Form der maßgeblichen Willenserklärung (§ 254a). b) Maßgeblicher Zeitpunkt. In zeitlicher Hinsicht knüpft § 254 I an die formelle 52 Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses und damit über § 4 an § 705 ZPO an,172 der für Beschlüsse entsprechend anzuwenden ist.173 Da die sofortige Beschwerde statthaft ist (§§ 6 I, 253 I), kann die formelle Rechtskraft nicht bereits mit der Verkündung des Bestätigungsbeschlusses (§ 252 I 1) eintreten. Vielmehr hat der Gesetzgeber bei der Reform von

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Vgl nur BGHZ 201, 121 Rn 16. Verallgemeinert bestimmt sich dieser Betrag nach folgender Formel: Der Betrag, mit dem der Gläubiger aufrechnen kann (BA) entspricht der aufrechenbaren Forderung des Schuldners (FS) abzüglich der auf die Forderung des Gläubigers entfallenden Quote (Q), also BA = FS (100 – Q). Brünkmans/Thole/Madaus Hdb InsPlan § 23 Rn 7; MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 12; A Schmidt/Martini SanierungsR § 254 Rn 3; vgl entsprechend schon RGZ 92, 181, 187 zum Zwangsvergleich; RGZ 119, 391,

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396 zur Geschäftsaufsicht von 1916; Jaeger/ Weber KO8, § 193 Anm 2. BeckOGK/Piekenbrock BGB § 197 Rn 58 (Stand: 1.8.2018); zu § 218 BGB aF entsprechend Jaeger/Weber KO8 § 193 Anm 2. MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 12; zum Zwangsvergleich entsprechend Jaeger/ Weber KO8 § 193 Anm 2; insoweit aA noch Krusch Wesen des Vergleichs, S 82. MünchKomm/Huber InsO3 § 253 Rn 26. MünchKomm/Götz ZPO5 § 705 Rn 3; Stein/ Jonas/Münzberg ZPO22 § 705 Rn 2.

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§ 254

Sechster Teil. Insolvenzplan

§ 253 wegen der gestaltenden Wirkungen des Plans – anders als nunmehr Art 15 III des Richtlinienvorschlags der Kommission über präventive Restrukturierungsrahmen174 – bewusst „davon abgesehen, zur Verhinderung von Blockaden einzelner gegen einen wirtschaftlich sinnvollen Plan den Suspensiveffekt einer Beschwerde aufzuheben.“175 Außerdem ist die Möglichkeit geschaffen worden, dass das LG die Beschwerde ohne Abhilfemöglichkeit des AG (§ 572 I 1 Hs 1 ZPO) unverzüglich zurückweist, wenn „die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Beschwerdeführer überwiegen“ würden (§ 253 IV 1). Daraus folgt, dass das Insolvenzgericht keine Möglichkeit hat, die gestaltenden Wirkungen des Insolvenzplans etwa im Wege der Anordnung des Sofortvollzugs vor Eintritt der (formellen) Rechtskraft herbeizuführen. 53 Zu denken ist allerdings an einen bei der Verkündung zu Protokoll des Insolvenzgerichts erklärten Rechtsmittelverzicht. Die Rechtskraft tritt in diesem Fall jedoch erst ein, wenn alle Personen, die durch die Entscheidung beschwert sind, auf das Rechtsmittel verzichtet haben.176 Der Verzicht müsste daher vom Schuldner, von den Gläubigern und ggf von den „am Schuldner beteiligten Personen“ erklärt werden, die alle beschwerdebefugt sind (vgl § 253 I). Da dies aber auch für die Gläubiger gilt, die ihre Forderung nicht angemeldet haben (§ 254b),177 ist dieser Weg letztlich nicht praktikabel. 54 Auch die Einführung von § 253 II durch das ESUG hat an dem Grundsatz, dass die formelle Rechtskraft nicht bereits mit der Verkündung des Bestätigungsbeschlusses eintreten kann, nichts geändert. Zwar ist die Beschwerde für alle Beteiligten bereits ex ante ersichtlich unzulässig, wenn im Abstimmungstermin niemand dem Plan widersprochen hat. Wie beim Minderheitenschutz in § 251 I Nr 1178 ist diese eindeutige Äußerung, die zugleich eine formelle Beschwer des Beschwerdeführers begründet, im Interesse der Planbarkeit des Verfahrens zwingend.179 Da sich der Widerspruch nur durch das Protokoll des Abstimmungstermins beweisen lässt (§ 165 S 1 ZPO),180 liegt die Unzulässigkeit der Beschwerde in einem solchen Fall offen zu Tage, wenn die Hinweise iSd § 253 III ordnungsgemäß erteilt worden sind. Dass das Rechtsmittel im konkreten Fall offensichtlich unzulässig ist, ändert aber nichts daran, dass es allgemein statthaft ist; allein darauf kommt es aber – entgegen der unglücklichen Wortwahl in § 705 S 1 ZPO – für den Eintritt der formellen Rechtskraft an. Daher tritt die Rechtskraft nach wie vor nicht vor Ablauf der Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 569 I 1, 2 ZPO) ein, die am Tag nach der Verkündung zu laufen beginnt (§§ 6, 4 II iVm § 222 I ZPO, § 187 II BGB). Wird der Bestätigungsbeschluss bspw am 12.11.2018 verkündet, endet die Beschwerdefrist daher mit Ablauf des 26.11.2018, so dass der Bestätigungsbeschluss am 27.11.2018 rechtskräftig wird, wenn niemand sofortige Beschwerde einlegt. Wird dagegen eine (auch offensichtlich) unzulässige Beschwerde rechtzeitig eingelegt, wird die formelle Rechtskraft zunächst gehemmt (§ 705 S 2 ZPO) und tritt

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Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenzund Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU v 22.11. 2016, COM(2016) 723 final. So Begr zu RegE ESUG § 253, BT-Drucks 17/ 5712 S 35.

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Vgl dazu etwa BGHZ 4, 314, 319 f. Zur Beschwerdebefugnis dieser Gläubiger vgl MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 10. Vgl dazu BGH NZI 2007, 522 Rn 8. So Begr zu RegE ESUG § 253, BT-Drucks 17/ 5712 S 35. Dagegen hat BGHZ 202, 133 Rn 13 ff – „Suhrkamp“ zutreffend angenommen, dass ein Minderheitenschutzantrag nach § 251 nicht erforderlich ist. MünchKomm/Sinz InsO3 § 253 Rn 26.

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Allgemeine Wirkungen des Plans

§ 254

erst mit der (ihrerseits rechtskräftigen) Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig (§ 572 II 2 ZPO) ein.181 Fraglich ist, ob sich durch die Aufhebung von § 7 zum 21.10.2011182 für § 254 I etwas 55 Wesentliches geändert hat. Ursprünglich fand gegen die Beschwerdeentscheidung die sofortige weitere Beschwerde statt (§ 7 I InsO 1999183). Zwar bedurfte diese der Zulassung durch das OLG als iudex ad quem (s § 7 Rn 2); gleichwohl konnte die formelle Rechtskraft erst eintreten, wenn das OLG über den Zulassungsantrag bzw im Falle der Zulassung über die sofortige weitere Beschwerde entschieden hatte. Da diese Entscheidung ihrerseits unanfechtbar war, trat die formelle Rechtskraft mit ihrer Existenz ein; bei Beschlüssen, die ohne mündliche Verhandlung ergehen, ist dies der Fall, sobald der Beschluss „mit dem Willen des Gerichts aus dem inneren Geschäftsbetrieb herausgetreten ist“;184 die Mitteilung nach § 329 II ZPO ist dafür nicht konstitutiv. Ab 1.1.2002 fand gegen die Entscheidung über die sofortige Beschwerde kraft Gesetzes 56 die Rechtsbeschwerde statt (§ 7 InsO 2002185).186 Zulässig war das Rechtsmittel im Einzelfall zwar nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hatte oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordert hat (§ 574 I 1 Nr 1, II ZPO). Gleichwohl handelte es sich bei der Rechtsbeschwerde zweifellos um ein „zulässiges“ Rechtsmittel iSd § 705 S 1 ZPO. Die Rechtskraft trat daher erst ein, wenn die Rechtsbeschwerdefrist von einem Monat ab der Zustellung des angefochtenen Beschlusses (§ 575 I 1 ZPO) verstrichen war bzw wenn der BGH das Rechtsmittel ggf als unzulässig verworfen hatte (§ 577 I 2 ZPO). Seither ist die Rechtsbeschwerde nur noch „statthaft“, wenn das Beschwerdegericht sie 57 in dem Beschluss zugelassen hat (§ 574 I 1 Nr 2 ZPO). Diese Formulierung, die im Schrifttum regelmäßig im technischen Sinne verstanden wird,187 spricht dafür, dass der Beschluss mit der Verkündung rechtskräftig wird, wenn das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat.188 Auch der GmS-OGB hat den Aufschub der Rechtskraft nur für den Fall angenommen, dass ein „an sich statthafte[s] und rechtzeitig eingelegte[s] Rechtsmittel“ nach Ablauf der Rechtsmittelfrist als unzulässig verworfen wird.189 Insoweit war umstritten, ob die Rechtskraft schon mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist190 eintrat oder erst mit der Verwerfung des Rechtsmittels.191 Ein solcher Fall war nach Ansicht des BGH auch gegeben, wenn sich die Revision gegen ein Berufungsurteil in einer Scheidungssache richtete, obwohl sie in einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit nur zulässig war, wenn sie vom OLG als iudex a quo zugelassen worden war oder sich gegen die Verwerfung der Berufung als unzulässig gerichtet hatte (§§ 546 I, 547 I Nr 1 ZPO 1950192).193

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So GmS-OGB BGHZ 88, 353, 357 ff. Vgl Art 2 des Gesetzes zur Änderung von § 522 ZPO v 21.10.2011, BGBl I S 2082. IdF v 5.10.1994, BGBl I S 2866. So BGH NJW-RR 2004, 1575 mwN. Vgl ergänzend Stein/Jonas/Roth ZPO23 § 329 Rn 6. IdF v Art 12 Nr 2 ZPO-RG v 21.7.2001, BGBl I S 1887. Zu den Hintergründen der Reform immer noch lesenswert MünchKomm/Ganter InsO2 § 7 Rn 1 ff. So etwa MünchKomm/Lipp ZPO5 § 574 Rn 4; Stein/Jonas/Jacobs ZPO22 § 574 Rn 17;

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Wieczorek/Schütze/Jänich ZPO4 § 574 Rn 13; Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPR18 § 149 Rn 4. So MünchKomm/Madaus InsO3 § 259b Rn 9. So GmS-OGB BGHZ 88, 353, 357. So BFHE 103, 36, 39 ff. So BGHZ 4, 294, 295. Zum Meinungsstand vgl BGH NJW 1974, 368. Dort ist die Frage aber offen geblieben. IdF der Bek v 12.9.1950, BGBl I S 533. So BGHZ 4, 294, 295.

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§ 254

Sechster Teil. Insolvenzplan

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Die heutige Rechtslage bei der Rechtsbeschwerde ist zwar ähnlich, aber in einem entscheidenden Punkt anders gelagert. Gegen Berufungsurteile findet grundsätzlich die Revision statt (§ 542 I ZPO); ausgenommen sind nur die in § 542 II ZPO genannten Urteile im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes. Die Zulassung des Rechtsmittels (§ 543 I ZPO) ist daher eine Frage der Zulässigkeit im Einzelfall, zumal die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde die Rechtskraft des Berufungsurteils hemmt (§ 544 V 1 ZPO); die Formulierung „findet nur statt“ ist daher bei der Revision im untechnischen Sinne zu verstehen. Dagegen gibt es für die Rechtsbeschwerde keine mit § 542 I ZPO vergleichbare Bestimmung. Daher ist die Zulassung durch das Beschwerdegericht hier – außer in den in § 574 I S 1 Nr 1 ZPO genannten Fällen – Voraussetzung für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels. Wenn sie nicht zugelassen worden ist, ist die Rechtsbeschwerde daher kein „zulässiges“ Rechtsmittel iSd § 705 S 1 ZPO, so dass der Beschluss des Beschwerdegerichts sofort rechtskräftig wird. Dass die Zulassung eines Rechtsmittels durch den iudex a quo unter der strengen Voraussetzung „offenbarer Unrichtigkeit“ im Wege der Berichtigung (§ 319) nachgeholt werden kann,194 steht dieser Auffassung nicht entgegen. 59 Für den Insolvenzplan ist diese Auslegung auch teleologisch geboten, weil nur so Beschlüsse, mit denen eine Beschwerde nach § 253 IV S 1 zurückgewiesen wird, sofort rechtskräftig werden. In diesen Fällen noch die Rechtsbeschwerdefrist von einem Monat oder ggf sogar die Verwerfung der Rechtsbeschwerde abzuwarten, wäre mit der Intention des ESUG unvereinbar. Dass für eine Anordnung der sofortigen Wirksamkeit iSd § 6 III S 2 hier kein Raum ist,195 wirkt sich daher nicht negativ auf den Eintritt der gestaltenden Wirkungen des Insolvenzplans aus.

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c) Territoriale Reichweite des Insolvenzplans. In territorialer Hinsicht hängt die Reichweite der Wirkungen von § 254 I von der Anerkennung des Beschlusses ab, mit dem der Insolvenzplan bestätigt worden ist. Innerhalb der EU richtet sich die Anerkennung einheitlich nach Art 32 I UAbs 1 S 1 EuInsVO nF196 bzw in Verfahren, die vor dem 26.6.2017 eröffnet worden sind, nach Art 25 I UAbs 1 EuInsVO aF197 (Art 84 I EuInsVO nF). Nur für Dänemark gilt dies auf absehbare Zeit nicht;198 dagegen ist die zukünftige Stellung des Vereinigten Königreichs gegenwärtig noch nicht absehbar. Die Wirkung des Insolvenzplans richtet sich einheitlich nach der (deutschen) lex fori concursus (Art 7 II 2 lit j EuInsVO nF bzw Art 4 II 2 lit j EuInsVO aF); auf das auf die Forderung des jeweiligen Insolvenzgläubigers anwendbare Recht, die lex causae, kommt es dagegen – anders als bei der Erlasswirkung englischer (solvent) schemes of arrangement diskutiert199 – nicht an.

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So BGHZ 20, 188, 190 ff; 78, 22 ff; BGH NJW 2004, 779; NJW 2004, 2389; NJW 2005, 156. MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 16. Verordnung (EU) Nr 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates v 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung), ABl Nr L 141 S 19 mit Berichtigung, ABl 2016 Nr L 349 S 6. Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates v 29.5.2000 über Insolvenzverfahren, ABl Nr L 160 S 1. Vgl Erwägungsgrund 33 zur EuInsVO aF bzw Erwägungsgrund 88 zur EuInsVO nF.

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Von dem Optionsrecht in Protokoll Nr 22 zum AEUV wird Dänemark auf absehbare Zeit keinen Gebrauch machen, nachdem sich das Volk in der Volksabstimmung am 3.12.2015 mit 53,1 % mehrheitlich dagegen ausgesprochen hat. Vgl Nielsen ZEuP 2016, 300, 309. Auch mit einem völkerrechtlichen Parallelabkommen wie zur EuGVVO ist gegenwärtig nicht zu rechnen. Vgl dazu etwa Mankowski WM 2011, 1201, 1207 f; Petrovic ZInsO 2010, 265, 271 f; Paulus ZIP 2011, 1077, 1081 f.

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Allgemeine Wirkungen des Plans

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Daher können grundsätzlich auch ausländische Steuerforderungen aus anderen EU- 61 Staaten, die am deutschen Insolvenzverfahren teilnehmen können (Art 53 EuInsVO nF bzw Art 39 EuInsVO aF),200 von den Wirkungen des Insolvenzplans erfasst werden. Soweit ein Erlass von Steuerforderungen ohne Zustimmung der Behörden nach dem Recht des Steuerstaates ausgeschlossen ist, kommt die Versagung der Anerkennung wegen Verstoßes gegen den ordre public (Art 33 EuInsVO nF bzw Art 26 EuInsVO aF) in Betracht.201 Da die völkerrechtlichen Verträge Deutschlands mit der Schweiz202 und mit Norwe- 62 203 gen zur gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen insolvenzgerichtliche Entscheidungen wie die Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 248) nicht erfassen, hängt die grenzüberschreitende Wirkung des bestätigten Plans in Staaten, in denen die EuInsVO nicht gilt, vom autonomen Recht des jeweiligen Staates ab. In der Schweiz wird der deutsche Bestätigungsbeschluss auf Antrag grundsätzlich anerkannt wenn die Anerkennungszuständigkeit gegeben ist.204 2. Die Rechtsstellung von Mitverpflichteten und Drittsicherungsgebern a) Rechte gegen Mitschuldner. Dass die „Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mit- 63 schuldner“ von den Wirkungen des Insolvenzplans unberührt bleiben (§ 254 II 1), liegt aus heutiger Sicht jedenfalls für die Gesamtschuld ohnehin nahe, weil die Gesamtwirkung des Erlasses voraussetzt, dass das ganze Schuldverhältnis aufgehoben werden sollte (§ 423 BGB).205 Das ist aus Sicht des Gläubigers nicht anzunehmen. Soweit man den Garanten als „Mitschuldner“ ansieht, hat § 254 II S 1 ebenfalls nur deklaratorische Bedeutung, wenn der Garantiefall mit der Insolvenzeröffnung eingetreten ist. Dasselbe gilt für die harte Patronatserklärung, die im Insolvenzfall einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Gläubigers gegen den Patron begründet.206 Die Regelung ist daher vor allem historisch zu erklären, weil Art 1210 cc 1804 bei Tei- 64 lung einer Solidarforderung eine Kürzung des Anspruchs gegen den anderen Mitschuldner vorgesehen hat; außerdem legte Art 1285 cc 1804 dem Erlass grundsätzlich Gesamtwirkung bei. Daher wurde für das concordat in Frankreich und Belgien ausdrücklich das Ge-

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Vgl dazu im Einzelnen Piekenbrock EWS 2016, 181, 185 ff. Vgl dazu im Einzelnen Piekenbrock EWS 2016, 181, 197. Vgl Art 1 des Abkommens v 2.11.1929, RGBl 1930 II S 1066. Danach beschränkt sich der Anwendungsbereich auf „[d]ie im Prozeßverfahren über vermögensrechtliche Ansprüche ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen der bürgerlichen Gerichte“. Vgl Art 3 Nr 3 des deutsch-norwegischen Vertrags v 17.6.1977, BGBl 1981 II S 342. Danach ist der Vertrag nicht anzuwenden „auf Entscheidungen, die in einem Konkursoder Vergleichsverfahren ergangen sind“. Vgl ab 1.1.2019 Art 175, 166, 167 IPRG 2018 (BBl 2018, 1505). Die Anerkennung setzt voraus, dass der Schuldner seinen

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Wohnsitz oder seinen COMI in Deutschland hat. Im zweiten Fall ist die Anerkennung ausgeschlossen, wenn der Schuldner seinen Wohnsitz in der Schweiz hat. Auf das „Gegenrecht“ (Art 166 I lit c IPRG 1987 [AS 1988, 1776]), das nach § 343 II gegeben ist, kommt es heute nicht mehr an. So auch MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 28; entsprechend schon Jaeger/Weber KO8 § 193 Anm 18. Zum Anspruch des Gläubigers vgl nur BGH ZIP 2017, 337 Rn 7; MünchKomm/ Habersack BGB7 Vor § 765 Rn 52; unzutr insoweit MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 28 im Anschluss an Uhlenbruck/Lüer InsO13 § 254 Rn 16; diese Passage findet sich bei Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 254 Rn 13 nicht mehr.

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genteil festgeschrieben.207 Obwohl das preußische Recht von der Einzelwirkung des Erlasses ausging (ALR I 5 § 437), wurde diese Regelung im Anschluss an das französische und das belgische Recht in § 198 II PrKO 1855208 und von dort – wie zwischenzeitlich auch in Österreich209 und Luxemburg210 – in § 178 S 2 KO 1879 übernommen. Dabei spielte für das Reichsrecht eine wesentliche Rolle, dass das Bürgerliche Recht noch Partikularrecht war und im gemeinen Recht umstritten war, welche Wirkung der Erlass bei Korreal- und solidarischen Obligationen211 hatte.212 65 Dieser Rückblick auf die Entstehung der KO weist heute den Weg zu möglichen Anwendungsfällen von § 254 II S 1 in Bezug auf Mitgläubiger: Zum einen wird daraus deutlich, dass der Anfechtungsanspruch (§ 11 AnfG) keine „Mitschuld“ iSv § 254 II S 1 begründet, unter der nur Korreal- und solidarische Obligationen verstanden wurden.213 Im Anwendungsbereich von § 18 AnfG kann die Anfechtung damit nur insoweit geltend gemacht werden, als auch gegen den Schuldner vollstreckt werden kann. Zum anderen kann der Erlass materiell-rechtlich Gesamtwirkung haben, wenn das „Mitschuldverhältnis“ einem anderen Vertragsstatut untersteht; dies gilt etwa für das reformierte französische Schuldrecht (Art 1350–1 cc). Dann setzt sich in einem deutschen Insolvenzverfahren § 254 II S 1 als lex concursus durch.

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b) Rechte gegen Bürgen. Dass auch die „Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Bürgen des Schuldners“ von den Wirkungen des Insolvenzplans unberührt bleiben (§ 254 II 1), stellt dagegen eine wesentliche Abweichung gegenüber dem bürgerlich-rechtlichen Vergleich dar (§ 779 BGB). So besteht kein Zweifel, dass ein Forderungserlass bei gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen – abweichend von § 193 S 2 KO, § 82 II S 1 VglO und § 254 II S 1 – auch dem Bürgen zugutekommt,214 weil die darin enthaltene Vertragsänderung oder der Erlass (§ 397 BGB) insoweit zum Erlöschen der ursprünglichen Forderung des Hauptschuldners führen (§ 767 I 1 BGB). Bei einer Stundung könnte sich auch der Bürge auf diese dilatorische Einrede des Hauptschuldners berufen (§ 768 I 1 BGB). Dasselbe gilt nach § 768 I 1 BGB für ein (dauerhaftes) Stillhalteabkommen (pactum de non petendo).215 Dies entsprach auch der Ausgangslage in Frankreich (Art 1287 cc 1804) und Preußen (ALR I 16 § 448), während die Frage im gemeinen Recht umstritten

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Vgl Art 545 ccom 1838 bzw Art 541 ccom idF der (belgischen) Loi sur les Faillites, Banqueroutes et Sursis vom 18.4.1851. Für die ursprüngliche Fassung des ccom 1808 vgl entsprechend Cour Royale de Lyon v 14.6.1826, Sirey 1826, II, 283. Zum heutigen belgischen Vergleichsrecht vgl Art 35 IV der Loi relative au concordat judiciaire v 17.7.1997, Moniteur Belge v 28.10.1997, S 28550. So die Motive bei Goltdammer, Kommentar und vollständige Materialien zur KonkursOrdnung vom 8. Mai 1855, 2. Ausg. (1858), § 198 (S 375). Vgl § 224 der Concursordnung v 25.12. 1868, öRGBl Nr 1/1869. Art 541 ccom idF des Gesetzes v 2.7.1870, Memorial I, S 177. Während es bei der Korrealobligation nur ein Forderungsrecht geben sollte, sollten es

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bei der solidarischen Obligation mehrere sein. Vgl dazu etwa Windscheid Lehrbuch des Pandektensrechts5 (1879) §§ 293 ff, 298 ff. (S 135 ff, 151 ff). Vgl Begr EKO S 422 f; Hahn S 374 f. So zu § 73 II VglO 1927 RGZ 139, 48, 50 f. Vgl entsprechend Bley/Mohrbutter4 VglO § 82 Rn 17; MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 28. Vgl nur RGZ 153, 338, 345; BGHZ 6, 385, 393; BGH WM 1962, 550; WM 2002, 2278, 2280; Jaeger/Weber KO8 § 193 Anm 21; Bley/Mohrbutter4 VglO § 82 Rn 18. So zu einem dauerhaften Stillhalteabkommen (pactum de non petende) zutr BGH NJW 2018, 701 Rn 16 ff (für BGHZ bestimmt); aA für den Sanierungsvergleich BeckOGKBGB/Madaus (Stand: 1.6.2018) § 768 Rn 21.

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war.216 Konsequenterweise müsste der Bürge den Verlust der Durchsetzbarkeit der Hauptschuld wie bei der Verjährung217 als dauerhafte Einrede geltend machen können; allein auf den Fortbestand einer Naturalobligation (§ 254 III) lässt sich § 254 II S 1 für den Bürgen daher nicht stützen.218 Dass dies schon beim französisch-belgischen concordat, beim preußischen Akkord und 67 beim (Zwangs-)Vergleich219 anders geregelt worden ist (Rn 64) und sich entsprechende Bestimmungen auch beim Forderungserlass im Insolvenzplan und bei der Restschuldbefreiung (§ 301 II 1) finden, trägt einem Grundgedanken des Kreditsicherungsrechts Rechnung. Denn spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Sicherungsfall eingetreten, so dass spätere insolvenzbedingte Einwirkungen auf die besicherte Forderung dem Sicherungsgeber nicht mehr zugutekommen sollten.220 Dieser Gedanke liegt auch § 768 I S 2 BGB zugrunde. Aus demselben Grund bleibt die Bürgschaftsforderung bestehen, wenn die Hauptschuld untergeht, weil die Hauptschuldnerin als vermögenslose Kapitalgesellschaft mit der Löschung im Handelsregister erloschen ist.221 In allen diesen Fällen setzt sich der Sicherungszweck der Bürgschaft gegenüber dem Akzessorietätsdogma durch, auch wenn das BGB davon abgesehen hat, dem Bürgen „die Berufung auf Einreden des Hauptschuldners dann ganz zu versagen, wenn der Gläubiger gerade gegen diese Einreden durch die Bürgschaft sichergestellt werden sollte.“222 Daher spricht auch viel dafür, dass die Haftung des Bürgen auch bei einem Vergleich nach § 16 I GesO bestehen blieb, obwohl § 16 V GesO keine entsprechende ausdrückliche Regelung enthielt.223 Der Fortbestand der Bürgschaft wirft jedoch wie bei allen Drittsicherheiten das Pro- 68 blem auf, dass der Gläubiger, der ohnehin vollwertig gesichert ist, im Planverfahren letztlich ausschließlich über das Rückgriffsrecht des Sicherungsgebers disponiert.224 Er kann daher einer Befriedigungsquote zustimmen, die unter der im Regelinsolvenzverfahren zu erwartenden liegt, ohne selbst einen Verlust zu tragen. Dieses Ergebnis lässt sich de lege lata nicht dadurch lösen, dass der Bürge wegen des potentiellen Regressausfalls beim Zustandekommen des Insolvenzplans ein eigenes Stimmrecht bekommt.225 Stattdessen muss der Bürge einen Antrag nach § 251 InsO stellen; ein eigenes Stimmrecht ist dafür nicht Voraussetzung.226 Abgesehen davon kann der (liquide) Bürge den Gläubiger beim Eintritt der Insolvenz des Hauptschuldners befriedigen und dann selbst aus eigenem und übergangenem Recht an der Abstimmung teilnehmen.

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Für den Fortbestand der Verpflichtung des Bürgen beim Zwangsvergleich insbesondere Puchta/Schirmer Pandekten12 (1877) § 297 (S 457). Nach Windscheid Lehrbuch des Pandektensrechts5 (1879) § 358 (S 366) sollte dies nur gelten, wenn der Gläubiger nicht eingewilligt hatte. Zur Einrede der Verjährung der Hauptschuld durch den Bürgen vgl schon Motive II, S 663 = Mugdan II, S 370. So auch Häsemeyer InsR4 Rn 28.82; aA FK/ Jaffé InsO9 § 254 Rn 11; Hess InsO2 § 254 Rn 16; MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 27. Vgl § 193 S 2 KO bzw § 82 II 1 VglO. Vgl in diesem Sinne auch Bley/Mohrbutter4 VglO § 82 Rn 20 lit c.

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BGHZ 82, 323, 327; 153, 337, 340. So Motive II, S 662 = Mugdan II, S 370. Wie hier tendenziell auch Kilger/K Schmidt InsG17 § 16 GesO Anm 2 lit e); zur aA vgl MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 9 mwN. Vgl HambK/Thies InsO6 § 254 Rn 9. So aber BK/Wehner InsO66 (Stand: III/2017) § 254 Rn 16. So schon Begr zu RegE § 298, BT-Drucks 12/ 2443 S 212; vgl ebenso Braun/Braun/Frank InsO7 § 251 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 251 Rn 4; MünchKomm/Sinz InsO3 § 251 Rn 6, dort speziell zu § 44; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 251 Rn 12; aA FK/Jaffé InsO9 § 251 Rn 9.

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Da mit dem Insolvenzfall der Sicherungsfall eingetreten ist, steht dem Bürgen bei einer vor Verfahrenseröffnung gestellten Bürgschaft die Einrede der Vorausklage nicht mehr zu (§ 773 I Nr 3 BGB). Ist die Bürgschaft erst danach gestellt worden, gilt für den erlassenen Forderungsteil, auf den allein sich § 254 II S 1 bezieht, dasselbe, weil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner bereits ausgeschlossen ist und daher nicht zur Befriedigung des Gläubigers führen wird (§ 773 I Nr 4 BGB).227 70 Die Regelung zur Forthaftung des Bürgen gilt auch für die Personen, für deren Haftung auf das Bürgschaftsrecht verwiesen wird. Das gilt etwa für den Kreditauftraggeber (§ 778 BGB)228 und den Auftraggeber bei der Arbeitnehmerentsendung (§ 8 AEntG). 71 § 254 II S 1 gilt nach zutreffender und wohl herrschender Auffassung auch, wenn sich ein persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft verbürgt hat und im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft (§ 11 II Nr 1) ein Insolvenzplan zustande kommt.229 Dies entspricht der Rechtsprechung des RG zu § 211 II KO (≈ § 227 II), das sich dafür schlicht auf die Vertragsfreiheit berufen hat.230 Der BGH hat zu dieser Frage dagegen bisher nicht Stellung genommen; vielmehr hat er nur entschieden, dass § 93 die Finanzverwaltung nicht daran hindert, Ansprüche aus §§ 69, 34 AO gegen persönlich haftende Gesellschafter geltend zu machen.231 Diese gesetzlichen Haftungsansprüche knüpfen aber an ein (vorsätzliches oder grob fahrlässiges) Fehlverhalten der geschäftsführenden Gesellschafter an; das Argument der Gegenauffassung, durch die Bürgschaft würden Bestimmungen wie § 93 und § 227 II unterlaufen, ist in diesem Fall also ohnehin nicht einschlägig.

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c) Ansprüche gegen Haftungsschuldner. Eine gewisse Zwischenstellung nehmen dagegen die Haftungsschuldner nach § 69 AO ein. Auf der einen Seite wird der Haftungstatbestand des § 69 S 1 AO „durch den Umstand, daß Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht rechtzeitig erfüllt werden, nicht nur begründet, sondern zugleich abgeschlossen.“232 Allerdings wirkt sich die nachträgliche Zahlung – wie bei § 422 I S 1 BGB und § 767 I BGB – auch zugunsten des Haftungsschuldners aus.233 Zwar soll ein bereits erlassener Haftungsbescheid durch die nachträgliche Zahlung nicht rechtswidrig werden; er ist aber insoweit nicht mehr vollziehbar.234 Auch im Falle des Erlasses der festgesetzten Steuer gegenüber dem Steuerschuldner darf ein Haftungsbescheid nicht mehr ergehen (§ 191 V 1 Nr 2 AO), so dass dem Erlass – abweichend von § 423 BGB – zwingend Gesamtwirkung zukommt. Daher folgt erst aus § 254 II S 2 InsO, dass auch nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans noch ein Haftungsbescheid gegen den Haftungsschuldner ergehen darf.235 Folglich hat diese Vorschrift auch bei Ansprüchen gegen den Haftungsschuldner konstitutive Wirkung.

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IE ebenso MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 28; zum (Zwangs-)Vergleich entsprechend schon Bley/Mohrbutter4 VglO § 82 Rn 20 lit c; Jaeger/Weber KO8 § 193 Anm 18. Vgl dazu schon Jaeger/Weber KO8 § 193 Anm 18. So auch MünchKomm/Breuer InsO3 § 227 Rn 13; MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 26; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 227 Rn 10; zu § 193 KO entsprechend Jaeger/ Weber KO8 § 193 Anm 18; aA Gottwald/ Koch/de Bra InsRHdb5 § 69 Rn 2; Kesseler

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ZIP 2002, 1974, 1977; Müller KTS 2002, 209, 250; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 227 Rn 5. So RGZ 139, 252, 253 zur Bürgschaft eines Komplementärs. BGHZ 151, 246, 251 f. BVerwG NJW 1989, 1873, 1875. Vgl BFHE 131, 449, 453, dort zur Berücksichtigung der Zahlung im Einspruchsverfahren. So BVerwG NJW 1989, 1873, 1875. BFH ZIP 2013, 1732 Rn 13.

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d) Dingliche Rechte. Die (dinglichen) Rechte an massefremden Gegenständen werden in § 254 II S 1 nicht mehr im Einzelnen genannt. Gleichwohl kann auf die in § 193 S 2 KO genannten Rechte zurückgegriffen werden. Danach blieben „die Rechte aus einem für die Forderung bestehenden Pfandrecht, aus einer für sie bestehenden Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld oder Schiffshypothek“ von dem (Zwangs-)Vergleich unberührt. Diese Aufzählung war aber schon früher nicht erschöpfend. Vielmehr galten § 193 S 2 KO bzw § 82 II VglO auch für die Sicherungsübereignung und die Sicherungszession sowie für Registerpfandrechte an Luftfahrzeugen (§ 1 LuftfzRG).236 Daher war es auch unschädlich, dass die Schiffshypothek in § 82 II VglO nicht ergänzt worden ist.237 Zu denken ist heute ferner an die pfandrechtsähnliche verbrauchsteuerrechtliche Sachhaftung (§ 76 AO)238 und an öffentliche Lasten an Grundstücken (§ 10 I Nr 3 ZVG).239 Durch die offene Formulierung ist es schließlich einfacher, auch Rechte an Gegenständen zu erfassen, die im Ausland belegen sind und an denen die nach der maßgeblichen lex rei sitae möglichen Sicherungsrechte bestehen. Im Gegensatz zu früher240 beschränkt sich § 254 II S 1 auf Rechte an massefremden Gegenständen, weil die Befriedigung der Gläubiger, denen Absonderungsrechte an Massegegenständen zustehen, vom Insolvenzplan erfasst werden kann.241 Ausnahmsweise kann das Recht auch an einer Sachen des Schuldners bestehen, wenn diese unpfändbar und daher nicht massebefangen ist (§ 36 I 1, II Nr 2 iVm § 811 I ZPO). Zu denken ist dabei insbesondere an die Sicherungsübereignung von Haushaltsgegenständen (§ 811 I Nr 1 ZPO) und Arbeitsgeräten (§ 811 I Nr 5 ZPO). Dagegen kommt eine Sicherungszession unpfändbarer Forderungen und sonstiger Rechte nicht in Betracht (§§ 400, 413 BGB). Bei den akzessorischen dinglichen Sicherungsrechten hat § 254 II S 1 dieselbe dogmatische Bedeutung wie bei der Bürgschaft. Daher kann sich der Eigentümer der mit einem Pfandrecht bzw einer Hypothek belasteten Sache nicht darauf berufen, dass die besicherte Forderung dauerhaft nicht mehr durchsetzbar ist; §§ 1137 I S 1, 1211 I S 1 BGB werden damit derogiert.242 Dadurch wird das dingliche Recht seinem Wesen nach aber nicht verändert. Insbesondere bleibt die Hypothek auch nach dem Erlass der besicherten Forderung eine Hypothek, die die fortbestehende Naturalobligation sichert.243 Wer hier für die Entstehung einer Grundschuld plädiert, müsste beim Mobiliarpfandrecht ein forderungsloses Pfandrecht annehmen, das es allerdings nicht gibt (§ 1252 BGB). Dagegen bereitet der Fortbestand der Grundschuld (§ 1191 BGB) und der Rentenschuld (§ 1199 BGB) keine dogmatischen Schwierigkeiten, weil das Verwertungsrecht in diesen Fällen ohnehin im Sicherungsvertrag geregelt ist. Mit der Insolvenz des Schuldners kann die Sicherheit regelmäßig verwertet werden. Ausdrücklich erwähnt wird in § 254 II S 1 jedoch noch die Vormerkung, die es allerdings nur im Grundstücksrecht (§ 883 BGB) sowie bei eingetragenen Schiffen bzw Schiffsbauwerken (§ 10 I SchiffRG) und bei Luftfahrzeugen (§ 10 I LuftfzRG) gibt. Diese Vor-

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Bley/Mohrbutter4 VglO § 82 Rn 21 lit d; Jaeger/Weber KO8 § 193 Anm 12. Vgl dazu oben Rn 2. Vgl dazu BGH ZIP 2009, 370 Rn 18. Vgl dazu BGH ZIP 2015, 1134 Rn 19. Zu den Absonderungsrechten an Massegegenständen vgl nur Jaeger/Weber KO8 § 193 Anm 12. HK/Haas InsO9 § 254 Rn 8.

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So schon Begr zu KO-Nov 1898 S 44 f. = Hahn/Mugdan S 249 f. Jaeger/Weber KO8 § 193 Anm 12; speziell zur Höchstbetragshypothek vgl Laue KuT 1933, 164; Wahle, wiedergegeben von Levy KuT 1934, 135, 138 f, dort zum österreichischen Recht gegen OGH vom 11.4.1934, Die Rechtsprechung 1934, Nr 177, verfügbar unter < http://alex.onb.ac.at/cgi-content/ anno-plus?aid=rsp >.

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merkung insbesondere einer Hypothek oder einer Grundschuld muss sich aber – wie die Rechte der Gläubiger selbst – nunmehr auf den Erwerb von Rechten an Gegenständen beziehen, die nicht zur Insolvenzmasse gehören. Dagegen kann der Gläubiger nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans nicht mehr geltend machen, ihm stehe eine Vormerkung zum Erwerb einer Hypothek an einem Grundstück des Schuldners zu.244

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e) Sondervorteile im Verfahren. Für § 254 II S 1 ist es grundsätzlich irrelevant, zu welchem Zeitpunkt das jeweilige Recht begründet worden ist. Allerdings kann das Rechtsgeschäft nichtig sein, wenn der Dritte einem Gläubiger damit für sein Verhalten im Insolvenzverfahren einen Sondervorteil verschafft hat, ohne dass dies im Plan erwähnt und damit allen anderen Gläubigern offengelegt worden ist (§ 226 III).

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f) Rückgriffsperre. Die Rückgriffsperre in § 254 II S 2 dient dazu sicherzustellen, dass das mit dem Forderungserlass verfolgte Ziel, den Schuldner aus dem Zustand der materiellen Insolvenz zu befreien, auch erreicht werden kann. Dies wäre nicht der Fall, wenn Mitschuldner und Bürgen ihre Regressforderungen nach § 201 ungeschmälert weiterverfolgen könnten. Insoweit entspricht das Telos von § 254 II S 2 dem von § 301 II S 2. Gleichwohl entspricht die Regelung keiner allgemeinen Rechtsüberzeugung. So behalten etwa in Frankreich die Bürgen und Mitverpflichteten für ihre Regressforderungen das Nachforderungsrecht gegen den Schuldner.245 79 § 254 II S 2 ist nur von Bedeutung für den Regressanspruch aus eigenem Recht, der sich bei Gesamtschuldnern aus § 426 I S 1 BGB und bei Bürgen, die sich im Auftrag des Hauptschuldners verbürgt haben, aus § 670 BGB ergibt. Für den Regressanspruch aus übergegangenem Recht (§§ 426 II, 774 I 1 BGB) ist dagegen unmittelbar die Regelung im Insolvenzplan einschlägig. Hat ein Insolvenzgläubiger beispielsweise eine in voller Höhe verbürgte Forderung von 1.000 Euro und steht ihm nach dem Insolvenzplan eine Quote von 30 % zu, kann auch der Bürge nach Befriedigung des Hauptschuldners aus der übergegangenen Insolvenzforderung 300 Euro verlangen.246 Erhält der Gläubiger dagegen 300 Euro vom Schuldner und 700 Euro vom Bürgen, kann der Bürge den auf ihn übergegangenen Teil der Insolvenzforderung kraft des rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans nicht mehr geltend machen, weil der Insolvenzgläubiger auf die Forderung bereits die volle Quote ausbezahlt bekommen hat. Dasselbe gilt, wenn der Bürge sich nur in Höhe von 700 Euro verbürgt hätte, so dass eine höhere eigene Inanspruchnahme von vornherein nicht in Betracht kam. 80 Der Schuldner bliebe aber wirtschaftlich mit der vollen Forderung belastet, wenn der Bürge von ihm 700 Euro als Aufwendungsersatz verlangen könnte (§ 670 BGB). Diese potentielle Regressforderung konnte der Bürge nach § 44 im Insolvenzverfahren nicht geltend machen, weil der Gläubiger seine Forderung geltend gemacht hat. Ohne § 254 II S 2 könnten man bei Anwendung von § 254b auf den Gedanken kommen, dass der Bürge die Befriedigung seiner Regressforderung nach Maßgabe des gestaltenden Teils des Insolvenzplans verlangen könnte.247 Dann könnte er in unserem Beispiel 210 Euro als Quote auf seinen eigenen Regressanspruch verlangen. Dass das nicht richtig sein kann, ergibt sich letztlich schon aus § 44, weil es dann doch zu einer Vermehrung der Passivmasse durch die Bürgschaft käme. Durch § 254 II S 2 wird der Regress aus eigenem Recht nunmehr aus-

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So schon RGZ 77, 403, 406. Vgl Art L 643–11 II ccom. Vgl entsprechend schon Cour Royale de Lyon v 14.6.1826, Sirey 1826, II, 283 f.

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Vgl FK/Jaffé InsO9 § 254 Rn 14; so iE zu 193 KO schon Jaeger/Weber KO8 § 193 Anm 19. Vgl in diesem Sinne zu § 193 KO LG Hagen NJW 1961, 1680.

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drücklich ausgeschlossen, soweit er die mögliche Befriedigung aus der übergegangenen Insolvenzforderung übersteigen würde.248 Die darauf entfallende Quote steht nach § 774 I S 2 BGB vorrangig stets dem Gläubiger zu.249 § 254 II S 2 ist auch anzuwenden, wenn sich der Schuldner – etwa bei der Trennung 81 von Ehegatten – vertraglich zur Freistellung von der Bürgschaft verpflichtet hatte.250 Eine solche Pflicht besteht bei Gesamtschuldnern ohnehin ab Begründung des Gesamtschuldverhältnisses kraft Gesetzes251 und bei Bürgschaften, sobald sich, wie im Falle der Insolvenz, die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners wesentlich verschlechtert haben (§ 775 I Nr 1 BGB). Eine gesonderte vertragliche Vereinbarung der Freistellungsplicht, die früher eintritt als nach dem Gesetz, kann daran nichts ändern. Ist der Regressanspruch aus eigenem Recht etwa durch ein Pfandrecht des Bürgen ge- 82 sichert, wird das Verwertungsrecht von § 254 II S 2 nicht berührt. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich eine Bank als Sicherheit für eine Mietbürgschaft Kontoguthaben oder ein Wertpapierdepot verpfänden lässt. 3. Debt-Equity-Swap § 254 IV stellt eine Neuerung durch das ESUG dar, die im unmittelbaren Zusammen- 83 hang mit der Einführung des sog Debt-Equity-Swaps in § 225a II steht. Dabei werden die Insolvenzforderungen als Sacheinlagen eingebracht. Diese können aber nicht zum Nennbetrag bewertet werden.252 Zwar entlastet der Debt-Equity-Swap die Fremdverbindlichkeiten in Höhe des Nennbetrags der Forderungen; als Vermögenswerte auf Seiten der Gläubiger waren sie jedoch auf die Höhe der zu erwartenden Quote wertberichtigt (§ 253 III, IV HGB). Erreicht dieser Wert bei der Anmeldung der Kapitalmaßnahme zur Eintragung ins Handelsregister nicht den veranschlagten Wert, haftet der Gesellschafter nach dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung auf die Differenz in Geld (§§ 56 II, 9 I GmbHG).253 Dass der veranschlagte Wert durch einen Wirtschaftsprüfer sachverständig bestätigt worden ist, ändert daran nichts. Da dieses Risiko für die Gläubiger beim Debt-Equity-Swap untragbar ist, hat der Ge- 84 setzgeber „eine spätere Nachschusspflicht nach den Grundsätzen der Differenzhaftung ausgeschlossen“, um „Planungssicherheit für die Gläubiger zu erzielen, die im Rahmen des Planverfahrens Forderungen gegen den Schuldner im Wege der Sacheinlage einbringen und damit Anteilsinhaber werden“.254 Dies setzt allerdings voraus, dass es sich um eine offene

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 254 Rn 14; MünchKomm/Huber InsO3 § 254 Rn 32. So schon BGHZ 55, 117, 119 zu §§ 33, 82 II 2 VglO. Zu Einzelheiten vgl Piekenbrock/Ludwig/ Piekenbrock Personalsicherheiten – Bürgschaft, Kreditauftrag, Garantie und Schuldbeitritt (2016), Rn 4/1161 ff. So BGHZ 55, 117, 120 ff zu § 82 II 2 VglO; Staudinger/Horn BGB2012 § 775 Rn 8. BGHZ 181, 310 Rn. 12 ff; BGH NJW 2010, 435 Rn 8; NJW-RR 2015, 1058 Rn 19. Zur Anwendung von § 254 II auf Freistellungsansprüche vgl Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 254 Rn 15.

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So deutlich schon Begr zu RegE ESUG § 225a, BT-Drucks 17/5712 S 31 f; vgl entsprechend etwa Thole Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz2 Rn 333; für das Nennwertprinzip dagegen Karollus ZIP 1994, 589, 595; Cahn/Simon/Theiselmann CFL 2010, 238, 247; Spliedt GmbHR 2012, 462, 464. Zur entsprechenden Anwendung von § 9 I GmbHG im Aktienrecht vgl nur BGHZ 191, 364 Rn 16. So Begr zu RegE ESUG § 254, BT-Drucks 17/ 5712 S 36.

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§ 254

Sechster Teil. Insolvenzplan

Sacheinlage handelt. Dagegen können Ansprüche aus § 19 IV S 1, 3 GmbHG, die bei verdeckten Sacheinlagen ebenfalls auf den Differenzbetrag lauten, nicht erfasst sein.255 85 Im Gesetzgebungsverfahren umstritten war, ob dieser Ausschluss grenzenlos gelten soll. So hat der Bundesrat – im Anschluss an Hölzle256 – angeregt, diese Regelung mit Blick auf die Gefahr stammkapitalloser Gesellschaften zu überdenken.257 Die BReg hat diese Anregung nicht aufgegriffen, weil für Neugläubiger die Liquidität der Gesellschaft ausschlaggebend sei, auf die „die Bewertung der eingebrachten Forderungen allenfalls mittelbaren Einfluss“ habe.258 Eine Kapitaldeckungshaftung würde zudem als Sanierungsbremse wirken.259 Darüber hinaus ist eine (vereinfachte) Kapitalherabsetzung unter den gesetzlichen Mindestbetrag nur möglich, wenn zugleich eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlage beschlossen wird (§ 58a IV 1 GmbHG, §§ 228 I, 229 III AktG). 86 Da die Differenzhaftung bereits mit der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans ausgeschlossen ist und nicht erst mit der Eintragung der Kapitalmaßnahme ins Handelsregister, ist davon auszugehen, dass das Insolvenzgericht die Bewertung der einzubringenden Forderungen zu prüfen hat.260 Hat der Insolvenzverwalter den Wert der einzubringenden Forderungen – im Auftrag der Masse261 – durch einen Wirtschaftsprüfer sachverständig prüfen lassen,262 hat das Insolvenzgericht das Gutachten auf Schlüssigkeit zu prüfen. 87 Auch wenn § 254 IV unmittelbar nur Ansprüche gegen die bisherigen Gläubiger aus §§ 56 II, 9 I GmbHG ausschließt, ist zu prüfen, ob dasselbe nach der Ratio der Norm auch für die Haftung für falsche Angaben bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung beim Handelsregister gilt.263 Diese Anmeldung kann bei einer GmbH entweder von den Geschäftsführern oder vom Insolvenzverwalter vorgenommen werden (§ 254a II 3). Daraus ergibt sich eine mögliche Haftung des Geschäftsführers aus §§ 57 IV, 9a I, 8 I Nr 5 GmbHG, während für die Gesellschafter – anders als im Gründungsstadium – nicht auf § 9a I GmbHG verwiesen wird.264 Für die Haftung des Insolvenzverwalters wird in Teilen des Schrifttums eine analoge Anwendung dieser Normen befürwortet,265 während der RegE offenbar von § 60 als Anspruchsgrundlage ausging.266 Da den Verwalter den Neugläubigern gegenüber keine insolvenzspezifische Pflicht267 trifft,268 kommt § 60 als Anspruchs-

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Dementsprechend zitiert die Gegenäußerung BReg zu RegE § 254, BT-Drs 17/5712 S 70 nur § 9 GmbHG. Dagegen erwähnen Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 254 Rn 23 und Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 254 Rn 19 auch § 19 IV GmbHG; vgl entsprechend Hölzle NZI 2011, 124, 129. Hölzle NZI 2011, 124, 129; ähnlich zuvor Brinkmann WM 2011, 97, 101; vgl zur Kritik auch Meyer/Degener BB 2011, 846, 849; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 124; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 254 Rn 6. Stellungnahme BRat zu RegE § 254, BTDrs 17/5712 S 58. Gegenäußerung BReg zu RegE § 254, BTDrs 17/5712 S 70. FK/Jaffé InsO9 § 254 Rn 22; Hirte/Knof/ Mock DB 2011, 632, 642; K Schmidt BB 2011, 1603, 1609.

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So auch Begr zu RegE ESUG § 254, BTDrucks 17/5712 S 36. Vgl dazu nur HambK/Thies InsO6 § 254 Rn 16 gegen Frind ZInsO 2010, 1524, 1525. Vgl dazu Begr zu RegE ESUG §§ 225a, 254, BT-Drucks 17/5712 S 31 f, 36. Dafür Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 254 Rn 26; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254 Rn 15; aA Haas NZG 2012, 961, 967. Vgl etwa MünchKomm/Lieder GmbHG2 § 57 Rn 38. Dafür Haas NZG 2012, 961, 967; Spliedt GmbHR 2012, 462, 470. Begr zu RegE ESUG § 254, BT-Drucks 17/ 5712 S 36. Ebenso HambK/Thies InsO6 § 254 Rn 16; Hess InsO2 § 254 Rn 25. Vgl zu dieser Voraussetzung nur BGH NJW 2007, 1596 Rn 7. So zutreffend K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254 Rn 18.

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Rechte an Gegenständen. Sonstige Wirkungen des Plans

§ 254a

grundlage insoweit nicht in Betracht. Soweit es um den Schutz der bisherigen Anteilsinhaber vor der Verwässerung ihre Rechte geht,269 ist dies zumindest sehr fraglich.270 Aus diesem Verweis auf § 60 ergibt sich, dass eine Verschuldenshaftung nicht von vorn- 88 herein ausgeschlossen sein sollte. Vielmehr sollte der Sorgfaltspflicht durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens genügt werden.271 Daher erscheint es durchaus angemessen, dass der Geschäftsführer nach §§ 57 IV, 9a I, 8 I Nr 5 GmbHG Schadensersatz zu leisten hat, wenn er etwa bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte erkennen müssen (vgl § 9a III GmbHG), dass in erheblichem Umfang nicht angemeldete Insolvenzforderungen bestanden haben, so dass das ganze Sanierungskonzept zum Scheitern verurteilt war und die Bewertung der eingebrachten Forderungen auf einer falschen Tatsachengrundlage basiert hat. § 254 IV steht diesem Anspruch nicht entgegen. Dasselbe gilt erst Recht für Ansprüche aus § 826 BGB;272 dagegen genügt die bloße Unterkapitalisierung bekanntlich nicht für einen Anspruch der Gesellschaft aus § 826 BGB.273 Dagegen sperrt § 254 IV Ansprüche aus §§ 128, 161 II, 171 I HGB, obwohl diese nicht 89 der Gesellschaft als Schuldnerin, sondern den Gesellschaftsgläubigern zustehen.274 Dafür spricht auch, dass der Insolvenzverwalter in einem neuen Insolvenzverfahren diese Ansprüche wie solche der Gesellschaft geltend machen würde (§ 93). Zur Vermeidung eines unnötigen Haftungsrisikos kann der im Handelsregister einzutragende Betrag der Vermögenseinlage des jeweiligen Gläubigers allerdings deutlich niedriger gewählt werden als der (vermeintliche) Wert der einzubringenden Forderungen.275 Alternativ können den Gläubigern anstelle der Kommanditanteile Beteiligungsrechte gleichen Inhalts in Form von atypischen stillen Beteiligungen eingeräumt werden.276

§ 254a Rechte an Gegenständen. Sonstige Wirkungen des Plans (1) Wenn Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben oder Geschäftsanteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung abgetreten werden sollen, gelten die in den Insolvenzplan aufgenommenen Willenserklärungen der Beteiligten als in der vorgeschriebenen Form abgegeben. (2) 1Wenn die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen sind (§ 225a), gelten die in den Plan aufgenommenen Beschlüsse der Anteilsinhaber oder sonstigen Willenserklärungen der Beteiligten als in der vorgeschriebenen Form abgegeben. 2Gesellschaftsrechtlich erforderliche Ladungen, Be-

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Ist das Kapital vorübergehend auf Null herabgesetzt worden, ist die Bewertung der eingebrachten Forderungen für die bisherigen Anteilseigner allerdings bedeutungslos. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254 Rn 18. Begr zu RegE ESUG § 254, BT-Drucks 17/ 5712 S 36; Gehrlein NZI 2012, 257, 261; K Schmidt BB 2011, 1603, 1609. So für den Fall, dass den Neugesellschaftern bewusst war, dass ihre Forderungen überbewertet waren, Gehrlein NZI 2012, 257, 261; FK/Jaffé InsO9 § 254 Rn 22 aE.

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BGHZ 176, 204 Rn 13 – „Gamma“. So auch K Schmidt ZGR 2012, 566, 582 f; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 254 Rn 25; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 254 Rn 15; aA Braun/ Braun/Frank InsO7 § 225a Rn 22. So der Vorschlag von Braun/Braun/Frank InsO7 § 225a Rn 23 und diesen folgend K Schmidt ZGR 2012, 566, 582. K Schmidt ZGR 2012, 566, 582; Wertenbruch ZIP 2013, 1693, 1700.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

kanntmachungen und sonstige Maßnahmen zur Vorbereitung von Beschlüssen der Anteilsinhaber gelten als in der vorgeschriebenen Form bewirkt. 3Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, die erforderlichen Anmeldungen beim jeweiligen Registergericht vorzunehmen. (3) Entsprechendes gilt für die in den Plan aufgenommenen Verpflichtungserklärungen, die einer Maßnahme nach Absatz 1 oder 2 zugrunde liegen. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.2.24; DiskE/RefE § 290; RegE § 301; Begr zu RegE § 301, BT-Drucks 12/2443 S 212; Ber BT-RA zu RegE § 301, BT-Drucks 12/7302 S 185; Begr zu RegE ESUG §§ 254a, 254b, BT-Drucks 17/5712 S 36; Stellungnahme BRat zu RegE ESUG § 254a, BTDrucks 17/5712 S 55. Literatur S zu § 254; Adam Die Auflassung in gerichtlichen Vergleichen und Insolvenzplänen, NJW 2016, 3484; Andrianesis Zur Dogmatik der Einbeziehung der Gesellschafterrechte in den Insolvenzplan, WM 2017, 362; Brünkmans Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen von Umwandlungen im Insolvenzverfahren, ZInsO 2014, 2533; Brünkmans/Greif-Werner Die Prüfung gesellschaftsrechtlicher Regelungen im Insolvenzplan durch Insolvenzgericht und Registergericht, ZInsO 2015, 1585; Commandeur/Hübler Gesellschaftsrechtliche Umwandlung im Rahmen eines Insolvenzplans – Der Fall Suhrkamp, NZG 2015, 185; Egert Die Rechtsbedingung im System des bürgerlichen Rechts (1974); Eidenmüller/Engert Reformperspektiven einer Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (Debt-Equity-Swap) im Insolvenzverfahren, ZIP 2009, 541; Fehrenbach Kapitalmaßnahmen im grenzüberschreitenden Reorganisationsverfahren, ZIP 2014, 2485; Gontschar Umwandlungsmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren (2017); Haas Mehr Gesellschaftsrecht im Insolvenzplanverfahren, NZG 2012, 961; Horstkotte Anmerkung zu einer Entscheidung des AG Charlottenburg – Handelsgericht (Beschluss vom 09.02.2015 – HRB 153203, ZInsO 2015, 413) zum Prüfungsrahmen des Registergerichts bei Eintragungen aufgrund eines rechtskräftigen Insolvenzplans, ZInsO 2015, 416; Horstkotte/Martini Die Einbeziehung der Anteilseigner in den Insolvenzplan nach ESUG, ZInsO 2012, 557; K Schmidt Schöne neue Sanierungswelt: Die Gläubiger okkupieren die Burg!, ZIP 2012, 2085; Klausmann Gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen im Insolvenzplan im Sinne von § 225 a III InsO, NZG 2015, 1300; Körner/Rendels Anmerkung zum Beschluss des AG Charlottenburg vom 9.2.2015, Az. HRB 153203 B – Zur Kompetenzabgrenzung zwischen Registergericht und Insolvenzgericht, EWiR 2015, 617; Madaus Umwandlungen als Gegenstand eines Insolvenzplans nach dem ESUG, ZIP 2012, 2133; Oertmann Die Rechtsbedingung (condicio juris) (1924); Prusko Die Gesellschafterstellung in der Insolvenz (2013); Ströhmann/Harder Anmerkung zu AG Berlin-Charlottenburg, Beschluss vom 9.2.2015 – HRB 153203 B, NZI 2015, 417; Westermann Der „Suhrkamp“-Gesellschafter unter dem Schutzschirm der Gesellschaftsinsolvenz, NZG 2015, 134.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . 3. Normzweck . . . . . . . . . . . . II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . 1. Rechtsgeschäftliche Verfügung . . a) Abgabefiktion . . . . . . . . . b) Ersetzbare Erklärungen . . . . c) Nicht ersetzbare Handlungen d) Verfügungen unter Beteiligung Dritter . . . . . . . . . . . . .

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Rn. 2. Eingriffe in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . . . . . a) Reichweite der Regelungskompetenz . . . . . . . . . . . . b) Abschließende Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts c) Mitwirkung sonstiger Behörden d) Auslandsgesellschaften . . . . . 3. Schuldrechtliche Regelungen . . . .

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Rechte an Gegenständen. Sonstige Wirkungen des Plans

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte Alle in § 254a getroffenen Regelungen beruhen auf den Insolvenzrechtsreformen von 1999 bzw 2012. Da im (Zwangs-)Vergleich nur Regelungen über den Erlass bzw die Modalitäten der Befriedigung von Forderungen gegen den Schuldner getroffen werden konnten, bestand für Regelungen, wie sie sich heute in § 254a finden, kein Bedürfnis. § 254a I entspricht § 254 I S 2 Hs 1 InsO 19991; dort wurde der Satz lediglich mit dem Wort „Soweit“ eingeleitet. § 254 I S 2 Hs 1 InsO 1999 geht seinerseits auf § 290 I S 2 RefE zurück, der wörtlich mit § 301 I S 2 RegE übereinstimmt. § 301 I S 2 RegE wurde – auf einen Formulierungsvorschlag der BReg in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum RegE des EGInsO2 – im Gesetzgebungsverfahren um die Regelung zur Abtretung von GmbH-Anteilen ergänzt.3 § 254a II ist dagegen durch das ESUG4 geschaffen worden. Vor der Öffnung des Insolvenzplans für gesellschaftsrechtliche Maßnahmen (§ 217 S 2) bestand für solche Regelungen kein Bedürfnis. § 254a III übernimmt inhaltlich § 254 I S 2 Hs 2 InsO 1999, der seinerseits einem Formulierungsvorschlag der BReg in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum RegE des EGInsO5 entspricht und im Gesetzgebungsverfahren in § 301 I S 2 RegE ergänzt worden ist.6 Die Regelung zu den Verpflichtungserklärungen wurde jedoch mit dem ESUG auf die gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nach § 254a II erweitert; vorher hatte sie sich nur auf die heute in § 254a I genannten Rechtsänderungen bezogen. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum ESUG vorgeschlagen, § 254a insgesamt durch folgende Regelung zu ersetzen: „Soweit aufgrund der Festlegungen des Insolvenzplans Rechte an Gegenständen begründet, belastet, inhaltlich geändert, übertragen oder aufgehoben oder Beschlüsse von Gesellschaften oder Gesellschaftsorganen gefasst werden sollen, gilt der Insolvenzverwalter als in der vorgeschriebenen Form ermächtigt, alle zur Durchführung des Insolvenzplans erforderlichen und zweckdienlichen Rechtshandlungen vorzunehmen und Erklärungen entgegenzunehmen. Er ist weiterhin befugt, hierzu erforderliche Anmeldungen zum zuständigen Registergericht und vorgeschriebene Bekanntmachungen vorzunehmen sowie zur Eintragung erforderliche Erklärungen abzugeben, ohne dass es hierzu der Mitwirkung der sonst zur Anmeldung berechtigten und verpflichteten Personen bedarf.“7

Hintergrund dieses Vorschlags war die Erweiterung der unmittelbaren dinglichen Wirkungen des Insolvenzplans auf gesellschaftsrechtliche Vorgänge, für die das Verhältnis der Prüfungskompetenz des Insolvenz- und des Registergerichts nicht befriedigend gelöst sei. Daher sollte der Insolvenzverwalter nur ermächtigt werden, die zur Durchführung des In-

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IdF v 5.10.1994, BGBl I S 2866. Gegenäußerung BReg zu Nr 18 der Stellungnahme des BRat zu RegE EGInsO Art 31 Nr 26 (Änderung des § 925 I 3 BGB), BTDrucks 12/3803 S 135 f. Vgl BT-RA zu RegE § 301, BT-Drucks 12/ 7302 S 108, 185. Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v 7.12.2011, BGBl I S 2582.

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Gegenäußerung BReg zu Nr 18 der Stellungnahme des BRat zu RegE EGInsO Art 31 Nr 26 (Änderung des § 925 I 3 BGB), BTDrucks 12/3803 S 135 f. Vgl BT-RA zu RegE § 301, BT-Drucks 12/ 7302 S 108, 185. Stellungnahme BRat zu RegE ESUG § 254a, BT-Drucks 17/5712 S 55 f.

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solvenzplans erforderlichen Rechtshandlungen vorzunehmen; die Prüfungskompetenz des Registergerichts wäre dadurch nicht berührt worden.8 5 Dieser Vorschlag hätte zum einen für die zuvor schon bestehenden Regelungen in § 254a I, III einen Rückschritt bedeutet. So hätten Auflassungen (§ 925 I BGB) und Verfügungen über GmbH-Anteile (§ 15 III GmbHG) notariell beurkundet werden müssen, obwohl für die Auflassung im Zuge der Insolvenzrechtsreform extra § 925 I S 3 BGB geschaffen worden war (Rn 10).9 Bei den neuen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen hätte dasselbe für jeden Hauptversammlungsbeschluss einer AG gegolten (§ 130 I AktG), zu dem der Insolvenzverwalter ermächtigt gewesen wäre. Damit wären zum einen die Kosten des Planvollzugs unnötig gestiegen. Zum anderen wäre die Durchführung des Insolvenzplans erheblich verzögert und damit das Anliegen des ESUG konterkariert worden. Die BReg hat dem Vorschlag daher zu Recht nicht entsprochen;10 im späteren parlamentarischen Verfahren ist er nicht mehr thematisiert worden.11 2. Zeitlicher Anwendungsbereich

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In zeitlicher Hinsicht ist § 254a in der durch das ESUG geschaffenen Fassung nur anwendbar, wenn das Insolvenzverfahren, in dem der Insolvenzplan zustande gekommen ist, ab dem 1.3.2012 eröffnet worden ist (Art 103g EGInsO). Da sich alle Regelungen, für die es zuvor schon ein Bedürfnis gab, schon in der ursprünglichen Fassung von § 254 I S 2 InsO fanden, ist das Übergangsrecht bei § 254a praktisch bedeutungslos. 3. Normzweck

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§ 254a regelt die materiell-rechtlichen Wirkungen des gestaltenden Teils des Insolvenzplans, die über Verfügungen über Insolvenzforderungen hinausgehen. Diese können nicht ohne Weiteres mit der rechtskräftigen Bestätigung des Plans wirksam werden, wenn nach allgemeinen Bestimmungen neben einer rechtsgeschäftlichen Verfügung noch weitere Publizitätsakte und namentlich konstitutive Eintragungen in Register erforderlich sind. Zwar könnte der Gesetzgeber im Insolvenzplanverfahren abweichende Bestimmungen vorsehen, so dass etwa eine Eintragung in das Grundbuch – abweichend von § 873 BGB – nicht mehr konstitutiv wäre, sondern nur noch berichtigend erfolgt. Zur Vermeidung von Friktionen vor allem mit dem Sachen- und Gesellschaftsrecht war es aber richtig anzuordnen, dass sich die gestaltende Wirkung des rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans auf den rechtsgeschäftlichen Verfügungsakt beschränkt.

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Stellungnahme BRat zu RegE ESUG § 254a, BT-Drucks 17/5712 S 55. Im BT-RA zu RegE EGInsO Art 31 Nr 26 (Änderung des § 925 I 3 BGB), BTDrucks 12/7303 S 111 wurde dazu allerdings die Erwartung geäußert, dass das Insolvenzgericht in schwierig gelagerten Fällen auf

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die Einschaltung eines Notars hinwirken werde. Gegenäußerung BReg zu RegE ESUG § 254a, BT-Drucks 17/5712, S 69. BT-RA zu RegE ESUG § 254a, BT-Drucks 17/ 7511, S 17.

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Rechte an Gegenständen. Sonstige Wirkungen des Plans

§ 254a

II. Einzelerläuterung 1. Rechtsgeschäftliche Verfügung § 254a I knüpft bei der Regelung von (dinglichen) Rechten an Gegenständen, also Sa- 8 chen (§ 90 BGB), Forderungen und sonstigen immateriellen Rechten,12 die durch den Plan tangiert werden sollen, unmittelbar an § 228 S 1 an, geht aber hinsichtlich der Abtretung von GmbH-Anteilen, die erst im Gesetzgebungsverfahren in § 254 I S 2 InsO 1999 aufgenommen worden ist (Rn 1),13 auch darüber hinaus. Da es sich dabei aber ebenfalls um die Übertragung des Rechts an einem Gegenstand handelt,14 ist der Formulierungsunterschied zwischen § 228 S 1 und § 254a I bedeutungslos. Nicht erforderlich ist, dass sich die Verfügung auf massebezogene Rechte richtet.15 a) Abgabefiktion. Nach § 228 S 1 gelten die in den Plan aufgenommenen Willenser- 9 klärungen der Beteiligten, die sich auf dingliche Rechtsänderungen beziehen, mit der rechtskräftigen Bestätigung des Plans „als in der vorgeschriebenen Form abgegeben“. Wenn die Beteiligten im Planverfahren ihre Willenserklärungen realiter abgeben würden, wäre die Fiktion in § 254a I insoweit gegenstandslos. Geht man aber richtigerweise davon aus, dass die Abgabe der Willenserklärungen der Beteiligten durch den Planverfasser ersetzt werden kann,16 regelt § 254a I wie § 894 ZPO die Fiktion der Abgabe der entsprechenden Erklärung. Dies ist schon deshalb erforderlich, weil auch dingliche Erklärungen von Personen fingiert werden können, die dem Insolvenzplan gar nicht zugestimmt haben. Zu denken ist nur an Absonderungsberechtigte, in deren Rechte im Plan eingegriffen wird (§§ 222 I 2 Nr 1, 223 II). Wird die Grundschuld an einem Grundstück des Schuldners durch eine an einem anderen Grundstück ersetzt, fingiert der rechtskräftig bestätigte Plan auch die dazu erforderlichen Erklärungen eines Gläubigers, der

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Vgl dazu Nerlich/Römermann/Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 254a Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 254a Rn 4. Zu Unrecht verortet Begr zu RegE ESUG § 225a, BT-Drucks 17/5712 S 32 „die Übertragung von Beteiligungen des Schuldners an Drittgesellschaften“ bei § 225a III, obwohl es sich dabei nicht um eine gesellschaftsrechtliche Regelung handelt. Dagegen wendet MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 86 hier zutreffend § 254a I an. Insoweit aA Gegenäußerung BReg zu Nr 18 der Stellungnahme des BRat zu RegE EGInsO Art 31 Nr 26 (Änderung des § 925 I 3 BGB), BT-Drucks 12/3803, S 135. Danach soll die Regelung in § 301 I S 2 RegE nur die Verpfändung von Geschäftsanteilen erfasst haben, nicht aber dessen Abtretung. Dahinter steht die irrige Annahme, die Vollrechtsübertragung stelle keine Übertragung des Rechts an einem Gegenstand dar. Richtigerweise wird aber die Inhaberschaft an dem Recht übertragen wie bei der Übereignung von Sachen das Eigentum. Der Fehler findet

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sich aber auch bei der Übereignung. So meint MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 3, ohne § 925 I S 3 BGB hätte sich aus der Regelung zur Abtretung von GmbH-Anteilen im Umkehrschluss ergeben, „dass nur die Übertragung dinglicher Rechte, nicht aber von Grundstücken selbst Gegenstand eines Insolvenzplans sein kann.“ Vgl Bork/Hölzle/Wienberg/Dellit InsRHdb Kap 12 Rn 92; Haas NZG 2012, 961, 965; HambK/Thies InsO6 § 254a Rn 3; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 254a Rn 3; MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 4. Hess/Hess InsO2 § 254 Rn 36; MünchKomm/Breuer InsO3 § 228 Rn 6; aA Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 254a Rn 4; Becker InsR3 Rn 1642; HambK/Thies InsO6 § 254a Rn 2, 3; HK/Haas InsO9 § 254a Rn 2; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 254 Rn 3; Schmidt/Martini SanierungsR § 254a Rn 3; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 26.

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in seiner Gruppe gegen die Annahme des Insolvenzplans gestimmt hat (§§ 238 I 2, 243).17 10 Diese Fiktion ist auch für die bedingungsfeindliche Auflassung (§ 925 II BGB) von Bedeutung. So hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu Art 31 Nr 26 RegE EGInsO, der die Änderung von § 925 I S 3 BGB18 betraf, die Frage aufgeworfen, ob die Auflassung im Insolvenzplan mit der Bedingungsfeindlichkeit vereinbar ist, und für die bloße Aufnahme schuldrechtlicher Vereinbarungen plädiert.19 Diese Frage wurde bejaht, weil es sich bei der (rechtskräftigen) gerichtlichen Bestätigung um eine Rechtsbedingung handele.20 Diese vor allem bei bedingten Plänen (§ 249) nicht ganz zweifelsfreie Begründung21 ist obsolet, wenn die Erklärungen mit der Rechtskraft fingiert werden, weil sie dann in jedem Fall unbedingt sind.

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b) Ersetzbare Erklärungen. Erfasst sind von § 254a I bei Anwendbarkeit deutschen Rechts auf die Verfügung insbesondere die dingliche Einigung (§§ 873 I, 929 S 1, 1032 S 1, 1205 I S 1 BGB, §§ 2 I, 3 I, 8 II, 9 II SchiffRG, § 5 I LuftfzRG), der Abtretungsvertag (§§ 398, 413, 1069 I, 1274 I BGB) oder einseitige Erklärungen wie die Aufgabe eines Pfandrechts (§§ 1255, 1273 II BGB) oder der Verzicht auf ein Grundpfandrecht (§§ 1168 I, 1192 BGB). Unterliegt die Verfügung dagegen dem Recht eines anderen Staates, weil die Sache im Ausland belegen ist (Art 43 EGBGB) oder die Abtretung nach Maßgabe von Art 14 I Rom I-VO einem anderen Recht untersteht, gilt § 254a I für die nach dem jeweils anwendbaren Recht erforderlichen Willenserklärungen. Die Anerkennung dieser Wirkungen richtet sich nach 32 I UAbs 1 S 1 EuInsVO nF22 bzw in Verfahren, die vor dem 26.6.2017 eröffnet worden sind, nach Art 25 I UAbs 1 EuInsVO aF und in Drittstaaten nach dem dortigen Recht (s § 254 Rn 62). Anders als § 117 I SAG enthält § 254a allerdings keine Regelung zu den Folgen, wenn die Rechtswirkungen des Insolvenzplans nicht oder nicht vollständig anerkannt werden. Entsprechend der dortigen Regelung kann dem Insolvenzplan aber durch Auslegung die Pflicht entnommen werden, „darauf hinzuwirken, dass sämtliche Maßnahmen getroffen werden, die nach dem ausländischen Recht für den Rechtsübergang … erforderlich sind.“

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Dagegen meint Becker InsR3 Rn 1642, dass sich ein Teilnehmer, der die Zustimmung verweigert, ohne damit den Plan verhindern zu können, separat erklären müsse. HK/Haas InsO9 § 254a Rn 2 nimmt an, das Insolvenzgericht müsse die Bestätigung des Plans von der Beibringung dieser Zustimmungen abhängig machen; ansonsten sei § 177 BGB einschlägig. Dass dort auf den rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan abgestellt wird, beruht auf der Gegenäußerung BReg zu Nr 18 der Stellungnahme des BRat zu RegE EGInsO Art 31 Nr 26 (Änderung des § 925 I 3 BGB), BTDrucks 12/3803 S 135, die vom BT-RA zu RegE EGInsO Art 31 Nr 26 (Änderung des § 925 I 3 BGB), BT-Drucks 12/7303 S 38, 111 aufgegriffen worden ist. Vgl Stellungnahme BRat zu RegE EGInsO Art 31 Nr 26 (Änderung des § 925 I 3 BGB), BT-Drucks 12/3803 S 125.

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So Gegenäußerung BReg zu Nr 18 der Stellungnahme des BRat zu RegE EGInsO Art 31 Nr 26 (Änderung des § 925 I 3 BGB), BTDrucks 12/3803 S 135; aA offenbar Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 254a Rn 5: aufschiebende Bedingung. Als Rechtsbedingungen für die Wirkung eines Rechtsgeschäfts, die vom Tatbestand des Rechtsgeschäfts unterschieden werden, werden etwa die Geschäftsfähigkeit, die Vertretungsmacht oder die Verfügungsberechtigung angesehen. Vgl Oertmann Rechtsbedingung, S 192 ff; Egert Rechtsbedingung, S 10. Verordnung (EU) Nr 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates v 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung), ABl Nr L 141 S 19 mit Berichtigung, ABl 2016 Nr L 349 S 6.

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Rechte an Gegenständen. Sonstige Wirkungen des Plans

§ 254a

Soweit diese dinglichen Verfügungsgeschäfte formbedürftig sind, gelten die Willenserklärungen – ähnlich wie beim gerichtlichen Vergleich (§ 127a BGB) – als in der gesetzlichen Form abgegeben. Bei Anwendbarkeit deutschen Rechts ist dabei namentlich an die Auflassung (§ 925 I)23 sowie die Abtretung einer hypothekarisch gesicherten Forderung (§ 1154 I 1 Hs 1 BGB), einer Grundschuld (§§ 1192 I, 1154 I 1 Hs 1 BGB)24 oder eines GmbH-Anteils zu denken (§ 15 III GmbHG). Soweit für die Rechtsänderung nach dem jeweils anwendbaren Recht kein weiterer (Publizitäts-)Akt erforderlich ist, treten die dinglichen Wirkungen unmittelbar mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses ein. Dies gilt bei Anwendbarkeit deutschen Rechts namentlich für die Abtretung einer Forderung (§ 398 BGB)25 oder eines sonstigen Rechts (§§ 413, 398 BGB) sowie für die Bestellung des Nießbrauchs an Forderungen bzw Rechten oder eines Pfandrechts an Rechten, soweit es sich dabei nicht um eine Forderung handelt (§ 1280 BGB). Bei der Verfügungen über bewegliche Sachen ist an die brevi manu traditio (§§ 929 S 2, 1032 S 2, 1205 I 2 BGB), an die Übereignung im Seeschiffsregister eingetragener Schiffe (§ 2 I SchiffRG)26 und nicht eingetragener Seeschiffe (§ 929a I BGB)27 sowie an Verfügungen eines besitzlosen Eigentümers zu denken.28 Ohne Weiteres wirksam ist schließlich auch die Abtretung einer hypothekarisch gesicherten Forderung (§ 1154 I 1 Hs 1 BGB) oder einer Grundschuld (§§ 1192 I, 1154 I 1 Hs 1 BGB), wenn der Erwerber bereits im Besitz des Hypotheken- bzw Grundschuldbriefes ist (§§ 1154 I 1 Hs 2, 1117 I 2 BGB). Die dinglichen Wirkungen treten auch dann unmittelbar mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses ein, wenn der Publizitätsakt durch ein weiteres Rechtsgeschäft ersetzbar ist und dieses im Insolvenzplan vorgesehen ist. Bei Anwendbarkeit deutschen Rechts ist dabei bei Verfügungen über bewegliche Sachen an die Vereinbarung eines Besitzkonstituts (§§ 930, 1032 S 2 BGB) und die Abtretung des Herausgabeanspruchs (§§ 931, 1032 S 2 BGB) zu denken. Bei der Abtretung einer hypothekarisch gesicherten Forderung (§ 1154 I 1 Hs 1 BGB) oder einer Grundschuld (§§ 1192 I, 1154 I 1 Hs 1 BGB) gelten §§ 930, 931 BGB entsprechend (§§ 1154 I 1 Hs 2, 1117 I 2 BGB). § 254a I beschränkt sich nicht nur auf materiell-rechtliche Willenserklärungen, sondern erfasst auch verfahrensrechtliche Erklärungen, zu denen insbesondere die Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO, § 29 SchiffsRO und § 86 I S 1 LuftfzRG29 zählt.30 Die regelmäßig erforderliche öffentliche Beglaubigung (§ 29 I GBO, § 37 I SchiffsRO, § 86 I 1 LuftfzRG) wird hier ebenfalls durch die Vorlage des Bestätigungsbeschlusses und des Rechtskraftzeugnisses ersetzt.31

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Dass die Auflassung im Insolvenzplan auch in § 925 I S 3 BGB ausdrücklich erwähnt wird, ist demgegenüber nur insoweit von Bedeutung, als es auf die gleichzeitige Anwesenheit des Veräußerers und des Erwerbers nicht ankommt. Vgl in diesem Sinne auch Staudinger/Pfeifer/Diehn BGB2017 § 925 Rn 83 lit d. Auf die Rentenschuld, die nur eine besondere Form der Grundschuld darstellt (§ 1199 I BGB), wird hier und im Folgenden nicht gesondert eingegangen. Nach BGH ZIP 2013, 1270 Rn 17 ff soll die Abtretung auch bei Forderungen möglich sein, die in einem Inhaberpapier verbrieft sind.

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Die Umschreibung des Eigentums erfolgt hier nur berichtigend nach § 18 SchiffRG. Vgl Staudinger/Nöll BGB2009 § 2 SchiffsRG Rn 6. Vgl dazu BGHZ 112, 1, 5 f. Zum letzten Fall vgl Baur/Stürner SachenR18 § 51 Rn 37. Dabei kann es sich sowohl um eine besitzlose Sache handeln als auch um den Fall, in dem ein Dritter die Sache besitzt, ohne dass der Veräußerer mittelbarer Besitzer ist. Dort wird auf die einschlägigen Regelungen der SchiffsRO verwiesen. Vgl dazu MünchKomm/Madaus InsO3 § 254a Rn 8. Vgl Begr zu RegE § 301, BT-Drucks 12/2443 S 213; BeckOK/Freund InsO10 § 254a Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254a Rn 1.

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c) Nicht ersetzbare Handlungen. Nicht ersetzt werden kann dagegen die reale Übergabe einer beweglichen Sache (§§ 929 S 1, 1032 S 1, 1205 I 1 BGB),32 die Anzeige der Forderungsverpfändung an den Schuldner (§ 1280 BGB) und die konstitutive Eintragung in das jeweilige Register.33 Konstitutive Bedeutung kommt dabei zu: der Eintragung in das Grundbuch bei Verfügungen über Grundstücksrechte (§ 873 I BGB), der Eintragung in das Binnenschiffsregister bei der Übereignung eines in diesem Register eingetragenen Schiffs (§ 3 I SchiffRG) sowie bei der Bestellung einer Schiffshypothek oder eines Nießbrauchs an einem solchen Schiff (§§ 8 II, 9 II SchiffRG), der Eintragung in das Seeschiffsregister bei der Bestellung einer Schiffshypothek oder eines Nießbrauchs an einem in dieses Register eingetragenen Schiff (§§ 8 II, 9 II, 3 I SchiffRG), der Eintragung in das Register für Schiffsbauwerke bei der Bestellung einer Schiffshypothek an einem Schiffsbauwerk und einer anschließenden Veräußerung (§§ 77, 78, 3 I SchiffRG) und der Eintragung in das Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen (§ 5 I LuftfzRG). Diese für die dingliche Rechtsänderung konstitutiven Akte müssen nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans noch vollzogen werden. Dasselbe gilt, wenn vergleichbare Publizitätsakte nach dem jeweils anwendbaren Recht eines anderen Staates erforderlich sind. 17 Bei Orderpapieren kann der rechtskräftig bestätigte Plan das Indossament, das neben den Begebungsvertrag (§§ 929 ff BGB) tritt34 und auf das Papier selbst oder ein fest verbundenes Blatt, die Allonge, zu setzen ist (Art 13 I WG), nicht ersetzen, weil darin nicht nur eine gesetzliche Form des Rechtsgeschäfts, sondern auch ein Publizitätsakt zu sehen ist. Diese wechselrechtliche Regelung ist auch bei den kaufmännischen Orderpapieren (§ 365 I HGB) und – im Insolvenzplanverfahren praktisch wohl am bedeutsamsten – für Namensaktien und Zwischenscheine anwendbar (§ 68 I 2, IV AktG). Außerdem findet sich eine entsprechende Regelung für Order-Schecks in Art 16 I ScheckG. Liegt allerdings ein Blankoindossament vor (Art 13 II WG), richtet sich die Übertragung ausschließlich nach §§ 929 ff BGB,35 so dass die dinglichen Wirkungen bereits mit der Übergabe oder einem Übergabesurrogat eintreten. Unter dieser Voraussetzung sind die Namensaktien auch sammelverwahrungsfähig,36 so dass die Übertragung durch Übereignung des Miteigentumsanteils am Sammelbestand (§ 6 I 1 DepotG) unter Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen die Depotbank (§ 7 I DepotG) vollzogen werden könnte (§ 929 S 1, 931).37 Schließlich können die Rechte aus Namensaktien auch abgetreten werden (§§ 413, 398 BGB), wobei

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Nerlich/Römermann/Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 254a Rn 3. Schmidt/Martini SanierungsR § 254a Rn 6. Vgl nur MünchKomm/Langenbucher HGB3 § 364 Rn 2. So Scherer/Rögner DepotG § 5 Rn 9. Die dort angegebenen Stimmen von Zöllner Wertpapierrecht14 § 2 II 3 f und § 29 II 2 sowie Hueck/Canaris Recht der Wertpapiere12 § 25 I 2 b sprechen sich allerdings nicht ausdrücklich für die Anwendung von §§ 929 ff bei Blankoindossamenten aus. Für die Gleichstellung des blanko indossierten Orderpapiers mit einem Inhaberpapier auch Gursky Wertpapierrecht3 S 126; Baumbach/ Hefermehl/Casper WG, ScheckG23 Art 13 WG Rn 2.

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Scherer/Rögner DepotG § 5 Rn 9. Zur Sammelverwahrung vinkulierter Namensaktien vgl Nr 1 I 4 der Bekanntmachung des früheren Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierlieferungsverpflichtungen vom 21.12.1998, BAnz Nr 246. Vgl dazu Scherer/Rögner DepotG § 6 Rn 6. In der Regel erfolge die Übertragung des Miteigentumsanteils allerdings nach § 929 S 1 BGB, wobei der Veräußerer den (Sammel-)Verwahrer anweist, den Besitz an den zu übertragenden Wertpapieren künftig dem Erwerber zu mitteln. Vgl dazu ergänzend Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere12 § 1 III 1 c; Einsele Bank- und Kapitalmarktrecht3 § 9 Rn 30.

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allerdings streitig ist, ob zusätzlich die Übergabe oder ein Übergabesurrogat erforderlich ist.38 Die Eintragung im Aktienregister (§ 67 III AktG) hat ohnehin nur deklaratorische Bedeutung.39 Handelt es sich um vinkulierte Namensaktien (§ 68 II AktG), kann die Zustimmung ebenfalls im Plan erfolgen, wenn die Gesellschaft ihrerseits am Plan beteiligt ist; ansonsten ist sie separat einzuholen. d) Verfügungen unter Beteiligung Dritter. Beteiligte sind nur die Gläubiger und An- 18 teilseigner sowie der Schuldner, die an der Willensbildung über den Plan mitwirken (§§ 237, 238, 238a, 247). Für dingliche Erklärungen Dritter gilt § 254a I dagegen nicht.40 Wenn im Plan etwa im Rahmen einer übertragenden Sanierung vorgesehen ist, dass Grundstücke oder GmbH-Anteile an eine andere Gesellschaft übertragen werden sollen, sind deren Willenserklärungen realiter abzugeben und bedürfen ungeachtet § 254a I der notariellen Form (§ 925 I S 2 BGB, § 15 III GmbHG). Die Gegenauffassung von Spliedt41 beruft sich zu Unrecht auf die Begründung zu § 274 III RegE (= § 230 III). Soweit dort als Anwendungsfall die Verpflichtung zu Zahlungen an die Gläubiger im Falle der Unternehmensfortführung genannt wird,42 folgt daraus keineswegs, dass „auch die Erklärungen zur Unternehmensübertragung von der Formersetzung umfasst sein“ müssen. Fehl geht auch der Verweis auf die Gegenäußerung der BReg zur Stellungnahme des Bundesrates zum RegE des EGInsO,43 der keinerlei Hinweise auf die angestrebte Drittbeteiligung zu entnehmen sind. Bei der Abtretung von GmbH-Anteilen kann die Erklärung des Dritten vorab beurkundet werden, so dass sich der Insolvenzplan auf die Fiktion der Annahme beschränkt.44 Diese Erklärung kann auch eine Bedingung iSv § 249 darstellen.45 Bei der Auflassung stellt sich jedoch die Frage, ob die Erklärung des Erwerbers entge- 19 gen § 925 I S 1 BGB vorab einseitig beurkundet werden kann, so dass sich der Insolvenzplan auf die Fiktion der Erklärung des anderen Teils beschränkt und die Auflassung mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses sofort wirksam wird. Dagegen spricht, dass die nachträgliche Beurkundung unter Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils erforderlich ist, wenn die Erklärung des anderen Teils nach § 894 ZPO ersetzt wird.46 Die Möglichkeit der einseitigen Vorabbeurkundung kann sich dann nur daraus ergeben, dass man auch bei Drittbeteiligung § 925 I S 3 BGB anwendet, der das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit suspendiert.47 Die sofortige Wirksamkeit der Auflassung ließe sich

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Dagegen schon Hueck/Canaris Recht der Wertpapiere12 § 25 I 2 b; ebenso heute MünchKomm/Bayer AktG4 § 68 Rn 30; dafür MünchKomm/Langenbucher HGB3 § 364 Rn 9. Vgl etwa MünchKomm/Bayer AktG4 § 67 Rn 43. So auch BeckOK/Freund InsO10 § 254a Rn 9; Horstkotte/Martini ZInsO 2012, 557, 573 Rn 98; MünchKomm/Madaus InsO3 § 254a Rn 5; Schmidt/Martini SanierungsR § 254a Rn 4. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254a Rn 2; vgl entsprechend Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 254a Rn 16. Begr zu RegE § 274, BT-Drucks 12/2443 S 204. Gegenäußerung BReg zu Nr 18 der Stellungnahme des BRat zu RegE EGInsO Art 31

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Nr 26 (Änderung des § 925 I 3 BGB), BTDrucks 12/3803 S 135 f. So auch Horstkotte/Martini ZInsO 2012, 557, 573 Rn 98. Vgl Gottwald/Koch/de Bra InsRHdb5 § 69 Rn 1 mit Rn 4. BayObLGZ 1983, 181, 185 mwN. So wohl Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 254a Rn 2. Für lediglich klarstellende Bedeutung dagegen Becker InsR3 Rn 1641. Zur Suspension vom Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit vgl auch Adam NJW 2016, 3484, 3486; insoweit offen OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 1609, 1610, das an diesem Erfordernis beim gerichtlichen Vergleich festhält und damit § 278 VI ZPO nicht genügen lässt. Zu § 278 VI ZPO vgl entsprechend Böttcher NJW 2016, 844, 845.

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ansonsten nur dadurch erreichen, dass diese insgesamt in den Insolvenzplan aufgenommen wird und der Erwerber dazu vorab seine Einwilligung erklärt.48 Allerdings kennt § 185 I BGB nur die Einwilligung zu einer Verfügung des Nichtberechtigten, nicht aber zu einem Erwerb zugunsten eines Dritten. 20 Die besseren Gründe sprechen de lege lata daher dafür, dass die Auflassung nach Eintritt der Rechtskraft unter Vorlage einer Ausfertigung des rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans beurkundet werden muss. In zeitlicher Hinsicht erscheint dies vertretbar, weil der Eigentumswechsel ohnehin erst mit dem Grundbuchvollzug eintritt (§ 873 I BGB), der seinerseits die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts voraussetzt (§ 22 GrEStG). Lasten und Nutzen können dagegen, wie auch sonst üblich, schon wesentlich früher übergehen. Allerdings lassen sich Notarkosten vermeiden, wenn § 925 I S 3 BGB auch bei Drittbeteiligung anwendbar wäre. De lege ferenda wäre es daher wünschenswert, wenn auch Dritte ihre dinglichen Erklärungen dem Plan als Anlage beifügen oder dem Insolvenzgericht gegenüber erklären könnten. 21 Wie bei § 894 ZPO ersetzt der rechtskräftig bestätigte Insolvenzplan nur die Abgabe der Willenserklärungen, nicht aber deren Zugang (§ 130 I 1 BGB)49 bzw bei verfahrensrechtlichen Anträgen deren Eingang bei der zuständigen Stelle. Soweit die Willenserklärungen planbeteiligten Personen zugehen müssen, genügt jedoch die Übersendung des Plans nach § 252 II S 1. Auch wenn dies ausdrücklich nur im Kontext der gesellschaftsrechtlichen Regelungen erwähnt wird (§ 254a II 3), ist der Insolvenzverwalter befugt, die erforderlichen Anträge beim Grundbuchamt zu stellen. 2. Eingriffe in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte

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a) Reichweite der Regelungskompetenz. § 254a II knüpft an § 225a an, der seit dem ESUG die Einbeziehung der Rechte der Anteilseigner in den Insolvenzplan regelt. Allerdings öffnet § 225a III den Insolvenzplan für alle gesellschaftsrechtlichen Regelungen bezüglich der Schuldnergesellschaft50 und baut ihn so – noch weitergehender als von der Kommission für Insolvenzrecht vorgeschlagen51 – zu einem umfassenden gesellschaftsrechtlichen Regelungsinstrument aus.52 Dagegen knüpft § 254a II S 1 – insoweit sprachlich etwas enger – an die Einbeziehung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen an. Da § 225a aber ausdrücklich umfassend erwähnt wird, kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich § 254a II S 1 auf alle nach § 225a zulässigen Maßnahmen erstreckt. Darüber hinaus ist § 254a II entsprechend anzuwenden, wenn im Insol-

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Vgl Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IV/2017) § 228 Rn 4. So auch MünchKomm/Madaus InsO3 § 254a Rn 20. Vgl dazu Begr zu RegE ESUG § 225a, BTDrucks 17/5712 S 32. Die Gründung einer Auffang- oder Übernahmegesellschaft kann daher nicht im Insolvenzplan erfolgen. Vielmehr ist in diesen Fällen ein bedingter Plan erforderlich. Vgl MünchKomm/Sinz InsO3 § 249 Rn 18. Zwar erinnert § 225a III prima facie an Leitsatz 2.4.9.2 S 1. Jedoch sollte die Beschlusskompetenz nach Leitsatz 2.2.20 I grundsätz-

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lich bei den Gesellschaftern verbleiben. In Leitzsatz 2.2.20 III war nur vorgesehen, dass das Insolvenzgericht die Zustimmung der Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen ersetzen konnte, wenn die erforderliche Mehrheit nicht zustande kam. Außerdem sollten Gesellschafter nach Leitsatz 2.4.9.5 durch Beschluss des Insolvenzgerichts ausgeschlossen werden können, wenn ihre Anteile wertlos sind und sie keinen neuen Kapitalbeitrag leisten wollen. So die Formulierung von MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 23, 72.

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§ 254a

venzplanverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person die Neugründung einer Gesellschaft vorgesehen ist.53 Bei § 225a III ist allerdings streitig, ob sich aus § 217 S 2 die Einschränkung ergibt, dass 23 stets die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte betroffen sein müssen.54 Da die in der Begründung des RegE erwähnte grundlegende Umgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen des Schuldners55 aber stets die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte betrifft, wirkt sich dieser Meinungsunterschied nur in den Fällen aus, in denen sich die Regelung ausschließlich auf die Ausübung des Stimmrechts beschränkt, ohne dass in die gesellschaftsrechtlichen Strukturen eingegriffen wird. Dies wäre etwa bei der Abberufung und Neubestellung eines Geschäftsführers (§ 46 Nr 5 GmbHG) oder der Vertreter der Aktionäre im Aufsichtsrat (§ 119 I Nr 1 AktG ggf iVm § 8 MitbestG) oder bei der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung (§ 173 AktG) der Fall. Da aber jeder Eingriff in die Beschlusskompetenz der Gesellschafter zugleich einen Eingriff in die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte darstellt, sind auch solche Maßnahmen von §§ 225a III, 254a II S 1 erfasst.56 Zweifelhaft ist dagegen, ob dasselbe auch für die Abberufung und Bestellung der Vor- 24 standsmitglieder gilt. Diese Maßnahmen obliegen grundsätzlich dem Aufsichtsrat (§ 84 I, III AktG). Da sich aber auch in paritätisch besetzten Aufsichtsräten (§§ 1 I, 7 I MitbestG) letztlich die Vertreter der Anteilseigner durchsetzen können (§§ 27 II, 29 II 1, 31 IV MitbestG),57 könnte man in den genannten Maßnahmen gesellschaftsrechtliche Regelungen iSv § 225a III sehen. Würden im Insolvenzplan Vorstandsmitglieder bestellt oder abberufen, würde bei mitbestimmten Gesellschaften jedoch das Recht der Arbeitnehmervertreter an der Mitwirkung der Willensbildung verletzt, obwohl diese nicht zu den planunterworfenen Personen zählen. Zum Schutz dieser verfahrensrechtlichen Stellung kommt die Abberufung und Bestellung von Vorstandsmitgliedern im Insolvenzplan nicht in Betracht.58 Von §§ 225a II, III, 254a II S 1 erfasst werden darüber hinaus insbesondere alle Be- 25 schlüsse der Gesellschafterversammlung bzw der Hauptversammlung. Gegenstand dieser Beschlüsse sind zum einen die in §§ 225a II S 3, III ausdrücklich genannten Maßnahmen. Dies sind in einem Sanierungsplan in erster Linie die Fortsetzung des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelösten Verbandes,59 bei Kapitalgesellschaften die Kapitalherabsetzung (§§ 58 ff GmbHG, §§ 222 ff AktG) oder -erhöhung (§§ 55 ff GmbHG, §§ 182 ff AktG) und dabei namentlich die Leistung von Sacheinlagen (§ 56 GmbHG, § 183 AktG) sowie bei Aktiengesellschaften der Ausschluss von Bezugsrechten (§ 186 II 1 AktG). Neben diesen Beschlüssen ist im Zusammenhang mit einem Debt-Equity-Swap an die Übernahmeerklärung (§§ 56 I 2, 55 I GmbHG) bzw den Zeichnungsschein (§ 185 AktG) 53 54

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So auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 254a Rn 5a. Dafür Madaus ZIP 2012, 2133, 2137; MünchKomm/Madaus InsO3 § 254a Rn 12; aA MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 74. Begr zu RegE ESUG § 225a, BT-Drucks 17/ 5712 S 32. So auch Kübler/Hölzle HRI2 § 31 Rn 23; Horstkotte/Martini ZInsO 2012, 557, 564 Rn 50; Thole Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz2 Rn 238; aA Madaus ZIP 2012, 2133, 2137; Rendels/Zabel Insolvenzplan Rn 241.

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Zur verfassungsrechtlichen Fundierung dieser Kompetenz der Anteilseigner vgl BVerfGE 50, 290, 324, 360. Insoweit wie hier MünchKomm/Madaus InsO3 § 254a Rn 12. Vgl im Einzelnen für die GbR § 728 I 2 BGB; für die oHG § 144 I HGB; für die KG §§ 161 II, 144 I HGB; für die Partnerschaft §§ 9 I PartGG, 144 I HGB, für die GmbH § 60 I Nr 4 GmbHG; für die Aktiengesellschaft § 274 I, II Nr 1 AktG; für die Genossenschaft § 117 I 1 GenG; für den eingetragenen Verein § 42 I 2 BGB.

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der Neugesellschafter,60 die Prüferbestellung nach § 183 III AktG und die zur Durchführung erforderlichen Verträge zu denken (§ 57 III Nr 3 GmbHG, § 188 III Nr 2 AktG), die typischerweise die Abtretung der Insolvenzforderung an die Gesellschaft (§ 398 BGB) oder einen Forderungserlass vorsehen (§ 397 I BGB);61 ein „Sacheinlagebericht“ analog § 5 IV S 2 GmbH ist dagegen nicht erforderlich.62 26 Soweit § 225a II außerdem die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber erwähnt, wird zum einen an das Austrittsrecht nach § 225a V S 1 angeknüpft. Was dabei einen „wichtigen Grund zum Austritt“ darstellt, ergibt sich aus dem jeweils maßgeblichen Gesellschaftsrecht.63 Erfasst werden aber auch Fälle des unfreiwilligen Ausscheidens gegen Abfindung. Dabei ist streitig, ob im Insolvenzplan nur solche Regelungen getroffen werden können, die im jeweiligen Einzelfall nach Maßgabe der Satzung gesellschaftsrechtlich möglich gewesen wären.64 Möglich ist in jedem Fall eine Kapitalherabsetzung auf Null, die verfassungsrechtlich aber nur als ausgleichspflichtige Inhaltsund Schrankenbestimmung iSv Art 14 I S 2 GG gegen volle Abfindung zulässig ist.65 Weitere denkbare Fälle bestehen bei Minderheitsaktionären (§§ 327a ff AktG, §§ 39a WpÜG), bei einem im Gesellschaftsvertrag bestimmten (wichtigen) Grund (§ 34 GmbHG, § 237 I 2 AktG) oder bei Sanierungsunwilligkeit.66 27 Bei den übrigen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen ist insbesondere an solche des Umwandlungsrechts zu denken.67 Dazu zählen namentlich der identitätswahrende Formwechsel (§§ 190 ff UmwG) wie im Fall Suhrkamp,68 sowie die Verschmelzung (§§ 2 ff UmwG)69 und die Spaltung (§§ 123 ff UmwG).70 Dabei kommt nach Maßgabe der VALEEntscheidung des EuGH71 auch ein Formwechsel einer deutschen Gesellschaft in eine EUausländische und – bei einer Insolvenz über eine EU-Auslandsgesellschaft – auch der Formwechsel in eine deutsche Gesellschaft in Betracht.72 Nach Maßgabe der (überraschenden) 60

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Auch wenn § 225a II 2 die Umwandlung gegen den Willen des einzelnen Gläubigers ausschließt und „die zustimmende Erklärung eines jeden dieser Gläubiger“ dem Insolvenzplan als weitere Anlage beizufügen ist (§ 230 II), werden auch diese Erklärungen durch den rechtskräftig bestätigten Plan fingiert. So auch Begr zu RegE ESUG § 225a, BTDrucks 17/5712 S 31. Vgl nur Baumbach/Hueck/Zöllner/Fastrich GmbHG20 § 56 Rn 17 mwN. So auch K Schmidt ZIP 2012, 2085, 2086 Rn 9; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 225a Rn 43; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 116; Uhlenbruck/Hirte InsO14 § 225a Rn 51; aA Haas NZG 2012, 961, 966; wohl auch Müller KTS 2012, 419, 425. Dafür AG Charlottenburg ZIP 2015, 394, dort zu einer Einziehung von Aktien ohne rechtzeitige Satzungsermächtigung (§ 237 I 2 AktG); aA Klausmann NZG 2015, 1300, 1303 f. Vgl nur BVerfGE 14, 263, 283; 100, 289, 303, 305 dort zur Berücksichtigung des Börsenkurses.

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Zum Grundsatz „Sanieren oder Ausscheiden“ vgl grundlegend BGHZ 183, 1 Rn 22 ff. Thole Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz2 Rn 349 ff. Vgl dazu etwa Commandeur/Hübler NZG 2015, 185 ff; Westermann NZG 2015, 134 ff. Dabei ist allerdings mit Blick auf § 3 III UmwG umstritten, ob die Schuldnerin auch Zielrechtsträgerin sein kann. Vgl dagegen Becker ZInsO 2013, 1885, 1888; dafür Madaus ZIP 2012, 2133, 2134 f; Thole Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz2 Rn 350. Vgl dazu Brünkmans ZInsO 2014, 2533, 2534 ff. EuGH NJW 2012, 2715 Rn 23 ff – „VALE“. Zum ersten Fall (Umwandlung einer deutschen GmbH in eine italienische Società a responsabilità limitata) vgl OLG Frankfurt ZIP 2017, 611, 612 ff und dazu etwa Teichmann ZIP 2017, 1190 ff; zum zweiten Fall (Umwandlung einer luxemburgischen Société à responsabilité limitée in eine deutsche GmbH) vgl OLG Nürnberg ZIP 2014, 128 ff.

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Rechte an Gegenständen. Sonstige Wirkungen des Plans

§ 254a

Polbud-Entscheidung des EuGH73 kann auch der Satzungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden, um die dortige Rechtsform anzunehmen. Denkbar ist darüber hinaus die Bestellung bzw Abberufung von Mitgliedern der Gesellschaftsorgane mit Ausnahme der AG-Vorstände (Rn 24) und damit insbesondere von GmbH-Geschäftsführern (§ 46 Nr 5 GmbHG) und AG-Aufsichtsräten, soweit diese von der Hauptversammlung zu wählen sind (§ 101 I AktG), sowie die Einsetzung oder Abschaffung fakultativer Gesellschaftsorgane und damit insbesondere eines GmbH-Aufsichtsrats (§ 52 GmbHG) oder eines Beirats.74 Darin kann eine Gestaltungsalternative zur Überwachung der Planerfüllung nach §§ 260 ff liegen (vgl auch § 259 Rn 12). Schließlich erfasst § 254a II S 1 auch die Übertragung der Anteils- oder Mitglied- 28 schaftsrechte der bisherigen Gesellschafter an der insolventen Schuldnergesellschaft auf einen Erwerbswilligen.75 Da diese – im Gegensatz zu Anteilen der Schuldnergesellschaft an Drittgesellschaften (Rn 8) – nicht zur Masse gehören, ist diese Handlungsoption erst durch § 225a III eröffnet worden.76 Allerdings handelt es sich dabei jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne um eine gesellschaftsrechtliche Regelung,77 sondern um eine Abtretung (§§ 413, 398 BGB) bzw eine Übereignung (§§ 929 ff BGB) bei Namensaktien an der Schuldnergesellschaft (Rn 17). Liegt kein Blankoindossament vor, kann das Indossament nicht durch den Insolvenzplan ersetzt werden; zu denken ist daher an eine Abtretung der Rechte im Insolvenzplan (Rn 17). Ersetzt werden kann im Übrigen die Zustimmung der Schuldnergesellschaft, wenn die Namensaktien vinkuliert sind (§ 68 II AktG). Dass Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bzw der Hauptversammlung durch 29 den gestaltenden Teil des Insolvenzplans ersetzt werden können, wirkt sich wesentlich auf den Rechtsschutz aus. So werden die gesellschaftsrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten, die insbesondere im Aktienrecht detailliert geregelt sind (§§ 246, 249 AktG), durch den Minderheitenschutzantrag (§ 251) und die Beschwerde gegen die Bestätigung des Insolvenzplans (§ 253)78 verdrängt.79 Dabei wird etwa das Freigabeverfahren (§ 246a AktG) funktional durch §§ 251 III, 253 II Nr 3 ersetzt. Ersetzt werden nicht nur die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bzw der 30 Hauptversammlung, sondern auch alle zu ihrer Vorbereitung erforderlichen Handlungen wie Ladungen und (öffentliche) Bekanntmachungen (§ 254a II 2). Diesen kommt besonders bei (börsennotierten) Aktiengesellschaften erhebliche Bedeutung zu (§§ 121 IV, IVa 124a, 125 AktG). Auch diese Handlungen werden funktional durch die entsprechenden

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So nunmehr – gegen GAin Kokott, Schlussanträge v 4.5.2017 – C-106/16, Rn 38, die den bloßen Wunsch nach Rechtsformwechsel durch Satzungssitzverlegung als „Selbstzweck“ nicht unter Art 49, 54 AEUV subsumieren wollte – EuGH NJW 2017, 3669 Rn 32 ff – „Polbud“, dort zur Verlegung des Satzungssitzes einer polnischen spółka z ograniczona˛ odpowiedzialnos´cia˛ nach Luxemburg. Vgl dazu etwa Kieninger NJW 2017, 3624 ff; Mörsdorf ZIP 2017, 2381 ff. Vgl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 96. Zu dieser Einschränkung, die systematisch auch aus § 225a II 2 folgt und Ausdruck der negativen Vereinigungsfreiheit ist (Art 9 I

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GG), vgl Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541, 547; HambK/Thies InsO6 § 225a Rn 33; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 254a Rn 16. Vgl dazu Klausmann NZG 2015, 1300, 1303; Simon/Merkelbach NZG 2012, 121, 127 f. Vgl Prusko Gesellschafterstellung, S 198. Zum Verhältnis der Rechtsschutzoptionen hat BGHZ 202, 133 Rn 13 ff – „Suhrkamp“ zutreffend angenommen, dass ein Minderheitenschutzantrag für die Beschwerde nicht erforderlich ist. So auch MünchKomm/Madaus InsO3 § 254a Rn 10; Thole ZIP 2013, 1937, 1940.

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§ 254a

Sechster Teil. Insolvenzplan

Mitteilungen im Insolvenzverfahren wie die Ladung zum Abstimmungstermin bzw die entsprechende öffentliche Bekanntmachung ersetzt (§ 241 II). 31 Da § 254a II nur die erforderlichen Beschlüsse und die dazu erforderlichen Vorbereitungshandlungen ersetzt, ist für die Rechtsänderung wie beim Erwerb von Registerrechten im Rahmen von § 254a II gegebenenfalls als Publizitätsakt die Eintragung in das Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister erforderlich.80 Insoweit begnügt sich § 254a II S 3 damit, auch dem Insolvenzverwalter das jeweilige Antragsrecht zuzuweisen, von dem er pflichtgemäß Gebrauch zu machen hat.81 Das je nach Inhalt des Beschlusses den Geschäftsführern (§ 78 GmbHG) oder dem Vorstand (§ 227 AktG) ggf zusammen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden (§ 184 I 1 AktG) zustehende Antragsrecht wird durch § 254a II S 3 nicht verdrängt.82 In der Eigenverwaltung steht das Antragsrecht dagegen nur den Organen des Schuldners und nicht auch dem Sachwalter zu.83

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b) Abschließende Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts. Zu den im Insolvenzplanverfahren nicht ausdrücklich geregelten Fragen gehört die Prüfungskompetenz des Registergerichts. Insbesondere gibt es weder eine mit § 246a III S 5 AktG vergleichbare Regelung der Bindungswirkung84 noch eine mit § 21 III S 3 KredReorgG vergleichbare Pflicht des Registergerichts, die im (Reorganisations-)Plan enthaltenen eintragungspflichtigen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, „falls sie nicht offensichtlich nichtig sind, unverzüglich in das Handelsregister einzutragen“.85 Dies hatte den Bundesrat in seiner Stellungnahme veranlasst, für eine nur schuldrechtliche Wirkung des Insolvenzplans zu votieren (Rn 4); dann hätte das Registergericht die so getroffenen Beschlüsse überprüfen können wie ordentliche Beschlüsse der eigentlich zuständigen Organe. Da dieser Vorschlag im Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht realisiert worden ist (Rn 5), ist davon auszugehen, dass die Prüfungskompetenz beim Insolvenzgericht konzentriert ist86 und den Registergerichten nur noch eine „beurkundende Funktion“ zukommt.87 Diese Aufgabenverteilung ist im Interesse der Verfahrensbeschleunigung hinnehmbar, da die Bestätigung des Insolvenzplans

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Vgl Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 254a Rn 6; Nerlich/Römermann/Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 254a Rn 5. Zur möglichen Haftung aus § 60 bei unterlassenen Anträgen vgl HK/Haas InsO9 § 254a Rn 5. Vgl HambK/Thies InsO6 § 254a Rn 9; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254a Rn 5; Thole Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz2 Rn 265; HK/Haas InsO9 § 254a Rn 5; Nerlich/Römermann/Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 254a Rn 5. So schon Begr zu RegE ESUG § 254a, BTDrucks 17/5712 S 37; vgl entsprechend Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 254a Rn 6; HambK/Thies InsO6 § 254a Rn 9; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 254a Rn 6; Nerlich/Römermann/ Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 254a Rn 5. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254a Rn 8; gegen eine analoge Anwendung dieser Norm

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Gontschar Umwandlungsmaßnahmen, S 152 f. Ströhmann/Harder NZI 2015, 417, 418. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass der Reorganisationsplan vom OLG zu bestätigten ist (§ 20 I KredReorgG). Insoweit aA AG Charlottenburg ZIP 2015, 394, 395, das dem Insolvenzgericht nur die Prüfung zubilligt, ob der Plan verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist, nicht aber seine registergerichtliche Vollziehbarkeit. So Begr zu RegE ESUG § 254a, BTDrucks 17/5712 S 37; ebenso FK/Jaffé InsO9 § 254a Rn 7; HK/Haas InsO9 § 254a Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO72 (Stand: IX/2017) § 254a Rn 7; Nerlich/ Römermann/Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 254a Rn 6 f; Thole Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz2 Rn 266; krit zum Verständnis der Regierungsbegründung an dieser Stelle Gontschar Umwandlungsmaßnahmen, S 152.

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Rechte an Gegenständen. Sonstige Wirkungen des Plans

§ 254a

wie das gesamte Planverfahren seit dem ESUG dem Richter vorbehalten ist (§ 18 I Nr 2 RPflG). Damit gilt hier dasselbe wie für die wesentlichen Satzungsänderungen (§ 17 Nr 1 lit b RPflG). Allerdings setzt diese Aufgabenverteilung voraus, dass die Insolvenzgerichte ihre Prüfungsaufgabe auch tatsächlich wahrnehmen und insbesondere die Einhaltung der „Vorschriften über den Inhalt … des Insolvenzplans“ (§ 250 Nr 1), zu denen auch § 225a III gehört,88 kontrollieren.89 Diese Prüfungspflicht, ob die getroffenen Regelungen überhaupt plandispositiv sind, bestand schon vor dem ESUG90 und ist damit nur auf gesellschaftsrechtliche Maßnahmen erweitert worden. Somit darf das Registergericht die Eintragung nicht deshalb versagen, weil es annimmt, 33 dass die Maßnahme gar nicht im Insolvenzplan hätte getroffen werden dürfen (Rn 23, 24) oder dass das Insolvenzplanverfahren verfahrensfehlerhaft gewesen sei. Zwar bleiben Gestaltungen im Insolvenzplan ohne Gestaltungskompetenz auch im Falle der rechtskräftigen Bestätigung des Plans ohne Wirkung (vgl § 254 Rn 39). Daraus folgt aber nicht, dass das Registergericht eine eigene Kompetenz hat, die Reichweite der insolvenzrechtlichen Gestaltungskompetenz zu überprüfen. Diese Prüfungskompetenz steht vielmehr ausschließlich dem insoweit sachnäheren Insolvenzgericht zu.91 Dass das Registergericht am Insolvenzverfahren selbstverständlich nicht beteiligt war, spielt für diese Bindungswirkung keine Rolle.92 Dagegen hat das AG Charlottenburg als Registergericht die Eintragung einer Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien abgelehnt, obwohl der Insolvenzplan vom selben Gericht als Insolvenzgericht rechtskräftig bestätigt worden war, weil es an der Voraussetzung von § 237 I S 2 AktG gefehlt habe und der Beschluss damit nichtig sei (§ 241 Nr 3 Fall 3 AktG).93 Mit dieser Bindung an die Fiktionswirkung lässt sich aber nicht erklären, dass das Re- 34 gistergericht die Eintragung eines Debt-Equity-Swaps nicht nach §§ 57a, 9c GmbHG wegen angeblicher Überbewertung ablehnen kann.94 Denn in einem solchen Fall wäre die Eintragung auch dann zu versagen, wenn die Kapitalerhöhung auf ordentlichem Wege von den Gesellschaftern beschlossen worden wäre. Insoweit ist nur den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, dass die Prüfung durch das Registergericht grundsätzlich abschließend sein soll. Ist die Tatsache allerdings offenkundig gar nicht eintragungsfähig, hat das Registergericht auf eine Planberichtigung nach §§ 221 S 2, 248a hinzuwirken und kann solange die Eintragung verweigern.95 Zu denken wäre etwa an den Fall, dass im Insolvenzplan die mit § 4a GmbHG bzw § 5 AktG unvereinbare Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland beschlossen wird. Eine solche Eintragung darf und muss das Registergericht nicht vornehmen.96

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Vgl Körner/Rendels EWiR 2015, 617; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 130. Insweit zutr Horstkotte ZInsO 2015, 416, 417. So hat BGH ZIP 2009, 480 Rn 24 ff im Phoenix-Fall geprüft, ob die §§ 174 ff InsO plandispositiv sind. Vgl auch BGH ZIP 2015, 1346 Rn 9 ff. Gontschar Umwandlungsmaßnahmen, S 152 hält dagegen das Registergericht für sachnäher. Insoweit missverständlich Körner/Rendels EWiR 2015, 617; Rendels/Zabel Insolvenzplan Rn 273.

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AG Charlottenburg ZIP 2015, 394; zust Gontschar Umwandlungsmaßnahmen, S 152 ff; Horstkotte ZInsO 2015, 416 ff; abl Brünkmans/Greif-Werner ZInsO 2015, 1585, 1589; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254a Rn 8; Thole FS Pannen, S 733, 742 f. Dafür auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254a Rn 8; aA Horstkotte/Martini ZInsO 2012, 557, 567 Rn 67. So auch MünchKomm/Madaus InsO3 § 254a Rn 24. So auch HK/Haas InsO9 § 254a Rn 6.

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§ 254a 35

Sechster Teil. Insolvenzplan

c) Mitwirkung sonstiger Behörden. Die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans ersetzt nicht die Mitwirkung anderer Behörden. Dies gilt insbesondere für die Beteiligung der BaFin, soweit durch Kapitalmaßnahmen bei börsennotierten Aktiengesellschaften meldepflichtige Schwellenwerte berührt werden (§ 21 WpHG) oder ein übernahmerechtliches Pflichtangebot abzugeben ist (§ 35 WpÜG).97 Die Verletzung der Meldepflichten stellt zwar nicht die Wirksamkeit des Aktienerwerbs in Frage, steht aber (ua) der Ausübung der Rechte aus den Aktien entgegen (§ 28 WpHG, § 59 WpÜG). Daneben können die Kartellbehörden im Rahmen der Fusionskontrolle zu beteiligen sein. Werden die erforderlichen Genehmigungen nicht vorab eingeholt, sind die gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen wegen des Vollzugsverbots grundsätzlich unwirksam (§ 41 I 2 GWB, Art 7 I FKVO).98

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d) Auslandsgesellschaften. Die bisherigen Ausführungen zu § 254a II gehen stillschweigend davon aus, dass es sich bei der Schuldnerin um eine Gesellschaft handelt, auf die deutsches Recht anwendbar ist. Wie sich aus der Regelung zur internationalen Eröffnungszuständigkeit in Art 3 I EuInsVO aF bzw Art 3 I UAbs 1, 2 EuInsVO nF ergibt, muss dies in einem deutschen Insolvenzverfahren jedoch keineswegs immer der Fall sein. Damit stellt sich die Frage, ob die oben beschriebenen Maßnahmen und namentlich der DebtEquity-Swap auch bei Auslandsgesellschaften möglich sind, die den Mittelpunkt ihrer wirtschaftlichen Interessen (COMI) in Deutschland haben. Dabei wird es sich in der Regel um EU-Auslandsgesellschaften handeln;99 daneben kommen aber auch solche aus EWRStaaten100 und aus den USA in Betracht.101 37 Die Reichweite des sogenannten Insolvenzstatuts richtet sich dabei bei EU-Auslandsgesellschaften (außer bei solchen aus Dänemark) nach Art 7 II S 1 EuInsVO nF bzw in Altverfahren nach Art 4 II S 1 EuInsVO aF, der als allseitige Kollisionsnorm vorschreibt, dass das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung regelt, „unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist.“ Entsprechendes gilt bei den übrigen Auslandsgesellschaften nach autonomem Recht (§ 335 InsO). Damit weist das Kollisionsrecht auch mögliche Eingriffe in die Rechte der Anteilseigner einer insolventen Auslandsgesellschaft der deutschen lex fori concursus zu.102 Das ist mit der Art 25 der Zweiten Richtlinie103 vereinbar. Allerdings können im Insolvenzplan nur solche Maßnahmen getroffen werden, die nach der lex societatis möglich sind. 3. Schuldrechtliche Regelungen

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§ 254a III ist nach seiner Entstehungsgeschichte (Rn 3) für den Fall geschaffen worden, dass die Beteiligten keine dingliche Rechtsänderung nach §§ 228 S 1, 254a I beschließen. So sollte mit der Änderung von § 301 I S 2 RegE gerade erreicht werden, dass sich die Be-

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Zu Einzelheiten auch zur Vermeidung der Pflichten bei der Kapitalherabsetzung auf Null vgl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 61 f. Zu Einzelheiten vgl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 225a Rn 63. Vgl grundlegend EuGH Slg 2002, I-9919 Rn 59 ff – „Überseering“. Vgl dazu nur BGHZ 164, 148, 151 ff, dort zu Liechtenstein.

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Vgl dazu nur BGHZ 153, 353, 355 ff; BGH ZIP 2004, 1549, 1550, dort auch zu möglichen Grenzen beim Fehlen eines genuin link. So auch Fehrenbach ZIP 2014, 2485, 2490 ff; MünchKomm/Reinhart InsO3 Art 4 EuInsVO aF Rn 10. Zweite gesellschaftsrechtlichen Richtlinie vom 13.12.1976 (77/91/EWG), ABl EG 1977 Nr L 26, S 1.

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Wirkung für alle Beteiligten

§ 254b

teiligten auf bloße Verpflichtungsgeschäfte beschränken können.104 Damit konnte insbesondere die notarielle Form nach § 311b I S 1 BGB bzw § 15 IV GmbHG auch im Insolvenzplan gewahrt werden. Für das Rechtsverhältnis der Beteiligten untereinander gewährleistet § 254a III darüber hinaus für die Verfügungen nach § 254a I die Wirksamkeit des komplementären Verpflichtungsgeschäfts. Da der Insolvenzplan keinen Vergleich iSv § 779 BGB darstellt, muss ein solches Geschäft als Rechtsgrund für die Verfügungen stets mitgedacht werden. Nach ganz herrschender Lesart knüpft § 254a III aber auch an § 230 III an und regelt 39 damit die Wirksamkeit von Verpflichtungserklärungen Dritter gegenüber den Gläubigern.105 Dabei kann es sich auch um die Verpflichtungserklärung einer Übernahmegesellschaft iSv § 260 III handeln. Diese Auffassung ist sprachlich keineswegs zwingend, weil § 254a III an § 254a I, II anknüpft. Auch die Entstehungsgeschichte von § 254 I S 2 Hs 2 (Rn 3) deutet eher in die Gegenrichtung, weil es nur um die Option gehen sollte, statt der dinglichen Verfügung lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung zu begründen. Schließlich ist das Ersetzen der gesetzlichen Form nicht bedenkenfrei, weil es für die notarielle Form etwa bei der Verpflichtung zum Erwerb eines Grundstücks (§ 311b I 1 BGB) oder die Schriftform einer Bürgschaft (§ 766 S 1 BGB) keinen funktionalen Ersatz gibt. Insgesamt ergibt sich ein schlüssigeres Bild, wenn der Dritte eine Willenserklärung in der gesetzlichen Form abgibt und diese als Anlage dem Insolvenzplan beigefügt wird. Für eine Fiktion der formgerechten Abgabe nach § 254a III ist dann kein Raum.106 Erst recht bieten §§ 225a III, 254a III keine Grundlage dafür, Verpflichtungserklärungen von Altgesellschaftern gegen deren Willen zu fingieren.107 Dasselbe gilt für Verzichtserklärungen von Neugläubigern.108

§ 254b Wirkung für alle Beteiligten Die §§ 254 und 254a gelten auch für Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, und für Beteiligte, die dem Insolvenzplan widersprochen haben. Materialien: DiskE § 290 I S 2; RefE § 290 I S 3; RegE § 301 I S 3; Begr zu RegE § 301, BTDrucks 12/2443 S 212; Ber BT-RA zu RegE § 301, BT-Drucks 12/7302 S 185; Begr zu RegE ESUG §§ 254a, 254b, BT-Drucks 17/5712 S 36.

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Gegenäußerung BReg zu Nr 18 der Stellungnahme des BRat zu RegE EGInsO Art 31 Nr 26 (Änderung des § 925 I 3 BGB), BTDrucks 12/3803 S 135 f; BT-RA zu RegE § 301, BT-Drucks 12/7302 S 108, 185. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 254a Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 Vor § 254a Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 254a Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 254a Rn 8; MünchKomm/Madaus InsO3 § 254a Rn 18; Schmidt/Martini SanierungsR § 254a Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 254a Rn 16. AA Spliedt GmbHR 2012, 462, 470.

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 254a Rn 15. So LG Düsseldorf ZIP 2015, 2182, 2183 zum Verzicht des Finanzamtes auf die Besteuerung des Sanierungsgewinns auf der Grundlage des – von BFHE 255, 482 Rn 88 ff – inzwischen für verfassungswidrig erklärten – Sanierungserlasses, BMF-Schreiben vom 27.3.2003, BStBl I S 240, ergänzt durch das BMF-Schreiben 22.12.2009, BStBl 2010 I S 18; für den Verzicht auf zukünftigen Unterhalt aA OLG Düsseldorf NZI 2008, 689, 690; abl dazu zu Recht Rendels/Zabel Insolvenzplan Rn 309.

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§ 254b

Sechster Teil. Insolvenzplan

Vorgängerregelungen: § 193 KO (dazu Begr EKO S 421, KO-Prot S 114, Begr KO-Nov 1898 S 44); § 82 VglO; § 16 V S 2 GesO. Literatur S zu § 254; Bähr/Höpker Anmerkung zum Urteil des LArbG Düsseldorf vom 15.9.2011, Az. 11 Sa 591/11 – Zu § 254 Abs. 1 S. 3 InsO, EWiR 2012, 151; Bauer Die Bewältigung von Massenschäden nach US-amerikanischem und deutschem Insolvenzrecht (2007); Breutigam/Kahlert Forderungsfeststellung im Planverfahren – eine unendliche Geschichte?, ZInsO 2002, 469; Carl Teilnahmerechte im Konkurs (1998); Fischinger Für eine Reform des § 301 Abs. 1 S. 2 InsO!, KTS 2011, 51; Heinrich Insolvenzplan „reloaded“ – Zu den Änderungen im Insolvenzplanverfahren durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, NZI 2012, 235; Küpper/Heinze Die Forderungsnachmeldung von Insolvenzgläubigern i.S.d. § 38 InsO beim bestätigten und durchgeführten Planverfahren – Problem gelöst durch das ESUG?, ZInsO 2013, 471; Lakkis Anmerkung zu einem Urteil des BAG vom 19.11.2015 (6 AZR 559/14) – Zur Ausschlussfrist im Insolvenzplan, KTS 2016, 241; Madaus Die Bewältigung von Masseschäden über ein Planverfahren – Möglichkeiten und Grenzen des neuen Insolvenzrechts, ZIP 2014, 160, 162; Otte/Wiester Nachmeldungen im Planverfahren, NZI 2005, 70; Rose/Tetzlaff/Wollstadt Die Einleitung eines Insolvenzplanverfahrens als Möglichkeit zur Bereinigung von Produkthaftungsansprüchen, ZInsO 2005, 673; Schreiber/Flitsch Geltendmachung von Forderungen nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens, BB 2005, 1173; Stephan Die „vergessenen Gläubiger“ im Verbraucherinsolvenzplan, NZI 2014, 539; Takjas/Kunkel Forderungen von Nachzüglern bei rechtswidrigen Präklusionsklauseln in rechtskräftig bestätigten Insolvenzplänen, ZInsO 2017, 1196.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich 3. Normzweck . . . . . . . . . .

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II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . 1. Bindung der Planopponenten . . . 2. Bindung der am Insolvenzverfahren nicht beteiligten Gläubiger . . . . . 3. Bindung der am Insolvenzverfahren nicht beteiligten Anteilseigner . . .

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

1

§ 254b wurde durch das ESUG1 geschaffen. Inhaltlich geht die Regelung zur Gesamtwirkung des Insolvenzplans auf § 254 I S 3 InsO 19992 zurück, der wiederum die überkommenen Regelungen zur Gesamtwirkung des (Zwangs-)Vergleichs in § 193 S 1 KO, § 82 I VglO und § 16 V S 2 GesO fortgeschrieben hat. Diese Vorgängerregelungen orientierten sich jeweils an den im (Zwangs-)Vergleich bzw im Insolvenzplan möglichen Regelungen. Seit der Einbeziehung der Anteilsinhaber an der Schuldnergesellschaft in den Insolvenzplan (§ 225a) erstreckt sich die Gesamtwirkung auch auf die gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nach § 254a II, sobald diese nach Eintragung in das Handelsregister ihrerseits wirksam geworden sind.

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Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v 7.12.2011, BGBl I S 2582.

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IdF v 5.10.1994, BGBl I S 2866.

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Wirkung für alle Beteiligten

§ 254b

§ 254b kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. So hieß es schon in Art 524 2 ccom 18083, dass die Bestätigung des Vergleichs (concordat) den Vertrag (traité) für alle Gläubiger verbindlich macht. Im wegweisenden französischen Konkursrecht von 1838 wurde diese Aussage präzisiert. Danach kam es nicht darauf an, ob die Forderung in die Passivmasse aufgenommen oder verifiziert worden war (Art 516 ccom 18384). Im (alt-)preußischen Konkursrecht von 1855, das sich weitgehend dem französischen Modell angeschlossen hat,5 hieß es dementsprechend, dass es weder auf die Anmeldung der Forderung im Konkurs noch auf die Teilnahme bei der Beschlussfassung über den Akkord ankam (§ 197 I PrKO 18556). Schließlich finden sich in den ersten Gesetzen zum konkursabwendenden Vergleich in Österreich7 sowie in Belgien und Luxemburg (concordat préventif de la faillite) vergleichbare Regelungen.8 In der Begründung des KO-Entwurfs von 1874 heißt es dazu, dass es der „Allgemein- 3 heit und Gleichheit“ widersprechen würde, die Wirkungen des Zwangsvergleichs auf die Gläubiger zu beschränken, deren Forderungen beim Abschluss berücksichtigt worden sind.9 Allerdings besteht der dort behauptete Gegensatz zum österreichischen Recht so nicht, weil die Schuldbefreiung in Österreich gegenüber allen Gläubigern wirkte, „gleichviel, ob dieselben ihre Forderungen angemeldet und ob sie dem Ausgleich beigestimmt haben oder nicht“ (§ 233 I öKO 186910). Die in der deutschen Entwurfsbegründung zitierte Passage bezog sich dagegen auf das Recht der „im Ausgleichsverfahren ohne ihr Verschulden unberücksichtigt gebliebenen Gläubiger“, nach der Aufhebung des Konkurses Befriedigung in Höhe der Ausgleichsquote zu verlangen (§ 236 I öKO 1869). Das deckt sich in jeder Hinsicht mit der Regelung in § 193 S 1 KO: die Ermäßigung tritt auch ein, wenn dem Gläubiger sein (volles) Stimmrecht verwehrt worden ist;11 auch die Gläubiger, die sich gar nicht am Verfahren beteiligt haben, können ihre Rechte nach Maßgabe des Zwangsvergleichs geltend machen.12 Einen anderen Weg geht dagegen Art 14 II des Richtlinienvorschlags der Kommission 4 über präventive Restrukturierungsrahmen13, wonach Gläubiger, die an der Annahme eines Restrukturierungsplans nicht beteiligt waren, von dem Plan nicht betroffen sein sollen. Das passt zu der semikollektiven Struktur dieses Verfahrens, das eine Beteiligung der Justiz bei der Bestätigung von Restrukturierungsplänen insbesondere dann vorsieht, wenn die Interessen ablehnender betroffener Parteien beeinträchtigen werden (Art 10 I lit a des Vorschlags).

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Code de Commerce idF des VI. Gesetzes v 12.9.1807, Bulletin des Lois de l’Empire Français, 4e Série, Nr 164 S 243. Bulletin des Lois du Royaume de France, IXe Série, Nr 575 S 717. Zur Vorbildfunktion des französischen Rechts vgl nur Goltdammer Kommentar und vollständige Motive zur Konkurs-Ordnung vom 8.5.1855, 2. Ausg (1858), S 30. Konkurs-Ordnung v 8.5.1855, GS S 321. Vgl § 27 der Verordnung über das Vergleichsverfahren v 18.5.1859, öRGBl Nr 90/1859. Vgl in Belgien Art 23 Hs 1 des (vorläufigen) Gesetzes v 20.6.1883 der Loi sur le concordat préventif de la faillite, Moniteur Belge (MPI B: I: 3) und entsprechend Art 23 I Hs 1 des gleichnamigen Gesetzes v 28.6.1887,

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Moniteur Belge; vgl in Luxemburg (seinerzeit noch in Personalunion mit den Niederlanden unter Wilhelm III.) Art 23 Hs 1 des Gesetzes v 14.4.1886, Memorial Nr 21 v 15.4.1886, S 225. So Begr EKO S 421. öRGBl Nr 1/1869. RGZ 87, 82, 85. Jaeger/Weber KO8 § 193 Rn 1. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenzund Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU v 22.11.2016, COM(2016) 723 final.

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§ 254b

Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Zeitlicher Anwendungsbereich

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In zeitlicher Hinsicht ist § 254b in der durch das ESUG geschaffenen Fassung nur anwendbar, wenn das Insolvenzverfahren, in dem der Insolvenzplan zustande gekommen ist, ab dem 1.3.2012 eröffnet worden ist (Art 103g EGInsO). Da sich aber alle Regelungen, für die es zuvor schon ein Bedürfnis gab, schon in der ursprünglichen Fassung von § 254 I S 3 InsO fanden, ist das Übergangsrecht bei § 254b praktisch bedeutungslos. 3. Normzweck

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Die Gesamtwirkung des Insolvenzplans nach § 254b stellt das charakteristische Merkmal des Insolvenzplans dar, das diesen von außergerichtlichen Sanierungsinstrumenten unterscheidet. Außergerichtliche Vereinbarungen zur Sanierung einer Gesellschaft setzen stets die Zustimmung aller Beteiligten bzw bei den Anteilseignern die erforderliche satzungsändernde Mehrheit voraus und können sich nur auf die an der Vereinbarung beteiligten Personen erstrecken.14 § 254b kann hier höchsten eine „argumentative Vorwirkung“ entfalten, wenn opponierende Gläubiger unter Hinweis auf das Mehrheitsprinzip im Insolvenzplanverfahren zur Zustimmung bewogen werden können. Im Insolvenzplanverfahren selbst ist § 254b dagegen von überragender Bedeutung für die Funktionsfähigkeit dieses Instruments.

II. Einzelerläuterung 1. Bindung der Planopponenten

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Soweit § 254b die Beteiligten an den Insolvenzplan bindet, die ihm ausdrücklich widersprochen haben, handelt es sich letztlich nur um eine klarstellende Regelunge, die sich bereits aus den Bestimmungen über die Mehrheitsentscheidungen in den Gruppen (§ 244 I) und über die Zustimmungsfiktion (§§ 245–247) ergibt und auch von § 254 I vorgegeben ist. 2. Bindung der am Insolvenzverfahren nicht beteiligten Gläubiger

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Wesentlich bedeutsamer ist die Bindung der Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet und sich damit nicht am Insolvenzverfahren beteiligt haben. Die Regelung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich ein freies Nachforderungsrecht besteht (§ 201 I). Bliebe die Wirkung des Insolvenzplans auf die am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubiger beschränkt, könnten die übrigen Gläubiger ihre Forderungen in voller Höhe weiterverfolgen. Diese Ungleichbehandlung der Gläubiger wird – wie schon beim preußischen Akkord15 – durch § 254b verhindert. Aus demselben Grund findet sich eine entsprechende Regelung auch bei der Wirkung der Restschuldbefreiung (§ 301 I 2). 9 Aus § 254b folgt nicht nur, dass die Forderungen der „Nachzügler“, die diese nicht angemeldet haben, quasi „in negativer Hinsicht“ denselben Beschränkungen (Stundung, Teil-

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Vgl BGHZ 116, 319, 321 ff. Nach § 199 II, III PrKO 1855 hatten die nicht bevorzugten Gläubiger, deren Forde-

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rungen nicht schon im Konkurs festgestellt worden sind, nur einen „Anspruch auf akkordmäßige Befriedigung“.

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Wirkung für alle Beteiligten

§ 254b

erlass) unterliegen wie die angemeldeten Forderungen. Vielmehr gilt auch „in positiver Hinsicht“, dass diese Forderungen dieselben Rechte gegen den Schuldner begründen. Dabei müssen sie zur Ermittlung der Modalitäten der Befriedigung einer der Gläubigergruppen zugeordnet werden.16 Eine weitergehende präklusive Wirkung des Insolvenzplans sieht das Gesetz – anders als etwa in den USA17 – nicht vor.18 Zum einen präkludiert § 189 III nur die Teilnahme an einer bestimmten Verteilung innerhalb des Regelverfahrens.19 Zum anderen kommt die analoge Anwendung von § 301 I S 2 InsO im Insolvenzplanverfahren20 nicht in Betracht.21 Dadurch kann die Liquiditätsplanung für die Zeit nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens entscheidend beeinträchtigt werden.22 Damit stellt sich die Frage, ob im Insolvenzplan durch Ausschlussklauseln Vorsorge 10 für diesen Fall getroffen werden kann.23 Diese Frage ist jedenfalls aus heutiger Sicht zu verneinen, wenn dadurch erreicht werden soll, dass Gläubiger, die ihre Forderungen im Insolvenzverfahren nicht angemeldet haben, damit auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens dauerhaft ausgeschlossen sein sollen.24 Dasselbe gilt, wenn Forderungen ausgeschlossen werden sollen, die im Prüfungstermin bestritten worden sind, ohne dass der Widerspruch beseitigt worden ist.25 Zwar ist die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich plandispositiv (§ 217 S 1).26 Die materielle Präklusion des Nachforderungsrechts ist jedoch unzulässig, weil sie den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger innerhalb der Gruppen (§ 226 I), der durch § 254b gerade bestätigt wird, in elementarer Weise verletzt.27 § 254b ist aber nicht dis-

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BAGE 153, 271 Rn 21; LAG Düsseldorf ZIP 2011, 2487, 2488; FK/Jaffé InsO9 § 254b Rn 1; Schmidt/Martini SanierungsR § 254b Rn 7; für Nachzüglerforderungen auch Takjas/Kunkel ZInsO 2017, 1196, 1197 f. Zur Ausschlussfrist für die Anmeldung von Forderungen und Anteilsrechten im Reorganisationsverfahren vgl rule 3003(c)(2) und (3) Fed. R. Bankr. P. und dazu Bauer Massenschäden, S 45 f. Vgl nur BGH ZIP 2012, 1359 Rn 10; OLG Celle ZIP 2011, 1577, 1578; BAG ZIP 2013, 2268 Rn 29; BAGE 153, 271 Rn 21; unzutr LAG Sachsen v 22.11.2007 – 1 Sa 364/03, juris-Rn 42, wonach die nachträgliche Anmeldung der Forderung vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens erforderlich sein sollte. Otte/Wiester NZI 2005, 70, 71. Auch BGH ZIP 2010, 1499 Rn 7 betraf einen Plan, in dem die Teilnahme an einer Verteilung von der Erhebung der Feststellungsklage innerhalb einer – ab Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses zu berechnenden – Frist abhängig gemacht worden war. Nach BAGE 153, 271 Rn 23 bleibt die Forderung – anders als bei den typischen arbeitsrechtlichen Ausschluss- oder Verfallfristen – bestehen auch, wenn in einem Insolvenzplan für bestrittene Forderungen eine Ausschlussfrist für die gerichtliche Durchsetzung bestimmt worden

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ist. AA zuvor LAG Düsseldorf ZIP 2014, 1988 f. Dafür Breutigam/Kahlert ZInsO 2002, 469, 472. So schon zutr Otte/Wiester NZI 2005, 70, 72. FK/Jaffé InsO9 § 254b Rn 3. Dafür Heinrich NZI 2012, 235, 242; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 56 ff; Otte/Wiester NZI 2005, 70, 73 ff; Rose/Tetzlaff/Wollstadt ZInsO 2005, 673, 676; tendenziell auch LAG Düsseldorf ZIP 2011, 2487, 2488; krit bereits Schreiber/ Flitsch BB 2005, 1173, 1177 ff. Vgl BGH ZIP 2015, 1346 Rn 15 ff; ZIP 2016, 85 Rn 2, dort bei einem Antrag auf Restschuldbefreiung; vgl zu beiden Entscheidungen Lakkis KTS 2016, 241 ff. AA Nerlich/Römermann/Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 259b Rn 12. Aus diesem Grund bejahen Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 254b Rn 14 die Zulässigkeit einer im Plan vorgesehen Klausel über den Ausschluss der Weiterhaftung. So auch MünchKomm/Madaus InsO3 § 254b Rn 8; vgl entsprechend schon den Ersten Bericht der Kommission für Insolvenzrecht (1985) S 203. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 254b Rn 15 meinen dagegen, es handele sich bei Präklusionsklauseln um besondere Regelungen der Masseverteilung, die durch

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§ 254b

Sechster Teil. Insolvenzplan

positiv.28 Für die im Prüfungstermin bestrittenen Forderungen steht der materiellen Ausschlussfrist auch § 256 InsO entgegen,29 den der BGH nunmehr auf nicht angemeldete Forderungen insgesamt entsprechend anwendet (§ 256 Rn 15).30 Mit dem ESUG hat der Gesetzgeber versucht, der Problematik einerseits vorbeugend durch § 229 S 331 und andererseits repressiv durch §§ 259a, 259b Rechnung zu tragen.32 Dagegen hat er einer materiellen Präklusion nicht angemeldeter Forderungen eine Absage erteilt, weil dann aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 14 I GG) eine Wiedereinsetzung bei unverschuldeter Säumnis erforderlich gewesen wäre und sich eine solche Regelung in § 14 I GesO nicht bewährt habe.33 Weil § 254b nicht plandispositiv ist, ein entsprechender Beschluss mithin die Beschlusskompetenz der Gläubigergesamtheit überschreiten würde, wird eine unwirksame Ausschlussklausel auch nicht dadurch wirksam, dass der Insolvenzplan fälschlicherweise rechtskräftig bestätigt wurde (vgl § 254 Rn 39).34 11 Unzulässig ist es auch, eine Sondergruppe für nicht angemeldete Forderungen zu bilden35 und dieser eine Befriedigungsquote von Null zuzuweisen. Vielmehr ist für die Gruppenbildung bei gleicher Rechtsstellung die Art des wirtschaftlichen Interesses maßgeblich (§ 222 II 1). Dieses ändert sich bei einem Arbeitnehmer aber nicht dadurch, ob er seine Forderung im Verfahren anmeldet oder nicht. Darüber hinaus würde es sich um eine Gruppe ohne Stimmrechte handeln (§ 77). Daraus folgt, dass ein entsprechender Plan von Amts wegen zurückgewiesen werden muss (§ 231 I Nr 1). Gelangt ein solcher Plan zur Abstimmung, kann sich in der Gruppe der nicht angemeldeten Forderungen mangels Stimmrecht keine Mehrheit für die Annahme des Plans bilden (§ 244 I). Darüber hinaus kann die Zustimmung dieser Gruppe nicht fingiert werden, da sie ohne Plan ersichtlich besser stehen würde als ohne (§ 245 I Nr 1). Daraus folgt, dass die Bestätigung des Plans von Amts wegen zu versagen wäre (§ 250 Nr 1).36 Wird der Plan jedoch zu Unrecht rechtskräftig bestätigt, entfaltet er auch die darin vorgesehenen Wirkungen (§ 254 I), weil sich die Bildung von Gruppen und die Zuweisung von Quoten innerhalb des plandispositiven Rahmens bewegt (vgl § 254 Rn 39).

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§ 217 InsO zugelassen würden; § 226 I sei nicht verletzt, da die Norm nicht verlange, jedem Insolvenzgläubiger innerhalb einer Gruppe die gleiche Quote („gleich viel Prozent“) zuzusprechen, sondern nur „gleiche Rechte“ (aaO Rn 18). So zutr Schreiber/Flitsch BB 2005, 1173, 1177. Fehl geht daher der Einwand des LG Düsseldorf ZIP 2017, 1871, 1872, materielle Ausschlussklauseln seien „formal durch den Wortlaut des § 217 InsO und die dort begründeten Regelungsmöglichkeiten des Insolvenzplans gedeckt“. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 58 hält § 256 dagegen für dispositiv. Vgl entsprechend Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 20; Rendels/Zabel Insolvenzplan Rn 604. BGH ZIP 2012, 1359 Rn 14 ff. Vgl dazu den Hinweis von BGH ZIP 2015, 1346 Rn 12.

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So der Hinweis von BGH ZIP 2012, 1359 Rn 11. Auch im Schrifttum wird diese Neuregelung für die Entscheidung der Streitfrage für wesentlich gehalten. Vgl in diesem Sinne Bähr/Höpker EWiR 2012, 152; Küpper/ Heinze ZInsO 2013, 471, 476; aA FK/Jaffé InsO9 § 254b Rn 4. So Begr zu RegE ESUG §§ 259a, 259b, BTDrucks 17/5712 S 37. HK/Haas InsO9 § 254 Rn 2; iE wie hier Takjas/Kunkel ZInsO 2107, 1196, 1197; aA LG Düsseldorf ZIP 2017, 1871, 1873. So auch LG Hamburg NZI 2018, 261, 262 mit insoweit zust Anm Madaus; MünchKomm/Madaus InsO3 § 254b Rn 8; aA Braun/Braun/Frank InsO7 § 254b Rn 2 in Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 254b Rn 8; Gottwald/Koch/de Bra InsRHdb5 § 67 Rn 60. So auch MünchKomm/Madaus InsO3 § 254b Rn 8. Zur Möglichkeit einer Nachbesserung des Plans Madaus NZI 2018, 263, 264.

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Wirkung für alle Beteiligten

§ 254b

§ 254b kann vor allem in den Fällen zum Tragen kommen, in denen bestimmte Arten 12 von Forderungen noch gar nicht bekannt sind. Dies gilt namentlich in Produkthaftungsfällen. In diesen Fällen kann es leicht geschehen, dass Ansprüche nach Maßgabe des Plans reduziert werden und nach § 259b verjähren, bevor der Geschädigte sie überhaupt kennen konnte. Denkbar ist sogar, dass nur das schädigende Ereignis vor der Insolvenzeröffnung stattgefunden hat, aber noch gar kein Schaden eingetreten ist,37 so dass der Anspruch verjährt, bevor er entstanden ist. Das ist zwar auch nach § 199 III S 1 Nr 2 BGB möglich. Dort ist aber eine Frist von 30 Jahren ab dem schädigenden Ereignis vorgesehen. Angesichts der Kürze der Verjährungsfrist ist § 259b daher mit Blick auf Art 14 I S 1 GG nicht unproblematisch (§ 259b Rn 6 ff),38 auch wenn die Ansprüche durch die (materielle) Insolvenz ohnehin wesentlich entwertet sind. Das BVerfG hat bisher lediglich die Ausschlussfrist in § 14 GesO für verfassungskonform erklärt.39 Diese war aber verschuldensabhängig ausgestaltet und betraf – ähnlich wie § 189 InsO – nur die Berücksichtigung im Gesamtvollstreckungsverfahren; das Nachforderungsrecht blieb davon unberührt, war aber vielfach wirtschaftlich wertlos (§ 18 II 3 GesO). Soweit Versicherungsschutz besteht, könnte das Absonderungsrecht an der Forderung gegen den Versicherer (§ 110 VVG) zur Not noch im Wege der Nachtragsverteilung realisiert werden (§ 203), soweit dieser Anspruch nicht seinerseits verjährt ist. Darüber hinaus stellt sich jedoch die Frage, ob der Ausschluss der Produkthaftungsfor- 13 derungen unter den besagten Umständen mit Art 6 I EMRK vereinbar wäre. So hat der EGMR im Fall Howard Moor die schweizerischen Ausschluss- und Verjährungsfristen von Ansprüchen aus Asbestschäden gegenüber dem Staat und Privatpersonen beanstandet, die jeweils kenntnisunabhängig zehn Jahre ab dem Eintritt des Schadens betrugen.40 Im deutschen Recht ist Art 103 I GG zwar richtigerweise nicht berührt,41 weil das Insolvenzgericht in der Regel keine rechtsprechende Gewalt iSv Art 92 GG ausübt und damit nicht als Gericht iSv Art 103 I GG handelt.42 Gleichwohl folgt schon aus dem Rechtsstaatsgebot und

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Zu den Voraussetzungen von § 38 in derartigen Fällen vgl RGZ 87, 82, 84 f; Bauer Massenschäden, S 150 ff; HambK/Lüdtke InsO6 § 38 Rn 49; MünchKomm/Ehricke InsO3 § 38 Rn 26; Uhlenbruck/Sinz InsO14 § 38 Rn 42: Entscheidend ist der Zeitpunkt der Tathandlung; abw Häsemeyer InsR4 Rn 16.15; Jaeger/Henckel InsO § 38 Rn 169: Eintritt der Rechtsgutsverletzung. Einigkeit besteht darüber, dass es auf Zeitpunkt des Schadenseintritts nicht ankommt. So zutr Bauer Massenschäden, S 155; MünchKomm/Madaus InsO3 § 254b Rn 11. Vgl im ähnlichen Kontext von § 301 I 2 auch Fischinger, KTS 2011, 51, 55 ff. BVerfGE 92, 262, 272 ff. EGMR (II. Sektion) v 11.3.2014 – Howald Moor ua/Schweiz, Nr 52067/10, NVwZ 2015, 205 in Nr 74 ff; Zur gesamten Spruchpraxis des EGMR zu Art 6 I EMRK bei Verjährungsregelungen vgl BeckOGK/Piekenbrock BGB § 194 Rn 18 ff (Stand: 1.8.2018). Insoweit aA Bauer Massenschäden, S 155 ff; Carl Teilnahmerechte im Konkurs, S 166 ff;

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Fischinger, KTS 2011, 51, 63; MünchKomm/ Madaus InsO3 § 254b Rn 11. Andernfalls wäre die Vorbehaltsübertragung von Konkursverfahren in § 18 RPflG 1969 (BGBl I S 2065) wegen Verletzung von Art 92 GG verfassungswidrig gewesen. Diese Übertragung betraf auch die Bestätigung des Zwangsvergleichs. Vgl Jaeger/Weber KO8 § 184 Rn 1, dort noch zur Einzelübertragung nach § 21 II RPflG 1957 (BGBl I S 18). Dass das ESUG das Insolvenzplanverfahren fast vollständig in die Hand des Richters gelegt hat (§ 18 I Nr 2 RPflG), beruhte nicht auf einer geänderten Anschauung von Art 92 GG, sondern auf „der wirtschaftlichen Bedeutung und den rechtlichen Implikationen des neu gestalteten Insolvenzplanverfahrens“. Vgl Begr zu RegE ESUG § 18 RPflG, BTDrucks 17/5712 S 44. Der Bundesrat hat sich denn auch aus Kostengründen gegen diese Änderung ausgesprochen. Vgl Stellungnahme BRat zu RegE ESUG § 18 RPflG, BTDrucks 17/5712 S 62.

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§ 255

Sechster Teil. Insolvenzplan

dem aus Art 14 I 1 GG abgeleiteten verfahrensrechtlichen Eigentumsschutz, dass sich die Beteiligten nach Möglichkeit tatsächlich am Verfahren müssen beteiligen können.43 14 Madaus hat dazu vorgeschlagen, dass für die unbekannten Gläubiger ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist (§ 1913 BGB) und die Bestätigung des Plans andernfalls versagt werden muss.44 Das stellt de lege lata eine verfahrensrechtlich saubere Lösung dar, wenn die Forderungen wenigstens dem Grunde nach bekannt sind.45 In materieller Hinsicht ist daran zu denken, dass für diese Gläubiger, denen die individuelle Rechtsverfolgung wegen der zu erwartenden Verjährung kaum möglich sein wird, wie in den USA ein Entschädigungsfonds eingerichtet wird.46 3. Bindung der am Insolvenzverfahren nicht beteiligten Anteilseigner

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§ 254b greift sprachlich etwas zu kurz, soweit es um Anteilseigner geht, die sich am Insolvenzplanverfahren nicht beteiligt haben. Diese haben weder dem Plan widersprochen noch ihre Forderungen nicht angemeldet. Trotzdem sind bspw Aktionäre, die die öffentliche Bekanntmachung des Abstimmungstermins (§ 241 II 2, 3) nicht zur Kenntnis genommen haben, an die Wirkungen des Insolvenzplans ebenfalls gebunden.

§ 255 Wiederauflebensklausel (1) 1Sind auf Grund des gestaltenden Teils des Insolvenzplans Forderungen von Insolvenzgläubigern gestundet oder teilweise erlassen worden, so wird die Stundung oder der Erlaß für den Gläubiger hinfällig, gegenüber dem der Schuldner mit der Erfüllung des Plans erheblich in Rückstand gerät. 2Ein erheblicher Rückstand ist erst anzunehmen, wenn der Schuldner eine fällige Verbindlichkeit nicht bezahlt hat, obwohl der Gläubiger ihn schriftlich gemahnt und ihm dabei eine mindestens zweiwöchige Nachfrist gesetzt hat. (2) Wird vor vollständiger Erfüllung des Plans über das Vermögen des Schuldners ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, so ist die Stundung oder der Erlaß für alle Insolvenzgläubiger hinfällig. (3) Im Plan kann etwas anderes vorgesehen werden. Jedoch kann von Absatz 1 nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.2.29, 2.3.6, 2.4.8.2; DiskE/RefE § 291; RegE § 302; Begr zu RegE § 302, BT-Drucks 12/2443 S 213; Ber BT-RA zu RegE § 302, BT-Drucks 12/7302 S 185. Vorgängerregelungen: §§ 195, 196, 198, 200 KO (dazu Begr EKO S 426, KO-Prot S 114); §§ 9, 88, 89 VglO. Literatur S zu § 254; Bremer Insolvenzplan: Fortführung betrieblicher Altersversorgung durch den Arbeitgeber, DB 2011, 875; Flitsch/Chardon Die Rechtsstellung des Pensions-Sicherungs-Verein aG im Insolvenzplanverfahren, DZWIR 2004, 485; Grub Der Besserungsanspruch des Pensions-Sicherungs-

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Insoweit zutr Bauer Massenschäden, S 155. So Madaus ZIP 2014, 160, 162; MünchKomm/Madaus InsO3 § 254b Rn 11.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259b Rn 2. Vgl dazu Bauer Massenschäden, S 74 ff.

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Wiederauflebensklausel

§ 255

Vereins im Insolvenzplanverfahren – Zur Beliebigkeit der Gesetzgebung, FS Ganter (2010), 3; Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 Abs. 2 InsO, Diss. Heidelberg, 2018 (noch unveröffentlicht); Paulsdorff/Wohlleben Die Rechtsstellung des Pensions-Sicherungs-Vereins, Pensions- Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) nach neuem Insolvenzrecht, Kölner Schrift2 S 1655; Rugullis Zum Verständnis der §§ 227, 254, 255 InsO, KTS 2012, 269; Thole Die Insolvenzanfechtung in der Folgeinsolvenz, NZI 2017, 129; Wischmeyer/Dimassi Insolvenzanfechtungsansprüche im zweiten Insolvenzverfahren nach Scheitern der Sanierung durch Insolvenzplan, ZIP 2017, 593.

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Gesetzgebungsgeschichte und Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . . 9 1. Allgemeine Voraussetzungen von § 255 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 a) Insolvenzforderungen . . . . . . . 10 b) Teilerlass . . . . . . . . . . . . . . 11 c) Stundung . . . . . . . . . . . . . 15 2. Relatives Wiederaufleben bei erheblichen Rückständen (§ 255 I) . . . . 16 a) Voraussetzungen von § 255 I . . . 16 aa) Rückstand des Schuldners . . 16 bb) Erheblichkeit des Rückstands 19 cc) Mahnung des Gläubigers . . 21 dd) Keine gesetzliche Mindesthöhe des Rückstands . . . . . 25 b) Rechtsfolgen von § 255 I . . . . . 26 3. Folgeinsolvenzverfahren (§ 255 II) . 29

a) Voraussetzungen von § 255 II . . b) Rechtsfolgen von § 255 II . . . . aa) Wegfall von Stundungen . . . bb) Wiederaufleben der Insolvenzforderungen . . . . . . . . . . cc) Bereits erbrachte Leistungen . dd) Sonderregelung für den Pensionssicherungsverein a.G. (PSV) . . . . . . . . . . c) Dingliche Rechte . . . . . . . . . d) Zinsansprüche aus der Zeit vor Eröffnung des Folgeinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . e) Sicherheiten für die Planerfüllung 4. Abweichende Vereinbarungen (§ 255 III) . . . . . . . . . . . . . . . 5. In § 255 nicht übernommene Gründe für die Aufhebung des Insolvenzplans

Rn. 29 31 32 33 35

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte und Normzweck § 255 gilt seit 1.1.1999 unverändert und entspricht bis auf zwei redaktionelle Ände- 1 rungen im ersten Satz des ersten Absatzes und der Verlängerung der Nachfrist im zweiten Satz § 291 DiskE. In redaktioneller Hinsicht war dort zum einen noch schlicht vom gestaltenden Teil „des Plans“ die Rede, während bereits § 291 I S 1 RefE die Formulierung „des Insolvenzplans“ verwendet hat. Zum anderen sind auf Empfehlung des Rechtsausschusses die Wörter „im gestaltenden Teil“ durch die Formulierung „auf Grund des gestaltenden Teils“ ersetzt worden.1 Die mindestens „zweiwöchige Nachfrist“ in § 255 I S 2 findet sich – in Anlehnung an § 97 III S 2 VglO und in Übereinstimmung mit § 256 II S 2 – erstmals in § 302 II S 2 RegE;2 nach § 291 I S 2 DiskE/RefE sollte noch – wie in 9 I Hs 2 VglO – „eine mindestens einwöchige Nachfrist“ genügen. In der Zeit vor dem Inkrafttreten der großen Insolvenzrechtsreform ist die Frage, ob die 2 Nichterfüllung des (Zwangs-)Vergleichs durch den Schuldner zum Wiederaufleben der Forderungen führen sollte, sehr kontrovers diskutiert worden. Zunächst sah das französische Konkursrecht von 1838 eine Klage auf Aufhebung des Konkordats im Falle der

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BT-RA zu RegE § 255, BT-Drucks 12/7302 S 109, 185.

2

Vgl Begr zu RegE §§ 302, 303, BTDrucks 12/2443 S 213.

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§ 255

Sechster Teil. Insolvenzplan

Nichterfüllung vor (Art 520 II ccom 18383). Diese Regelung ist weitgehend ins belgische Recht von 1851 (Art 523 I ccom 18514)5 und ins italienische Recht von 18656 übernommen worden. In Bremen sah § 192 der Debit- und Nachlassverordnung von 18437 vor, dass die Gläubiger an den bestätigten Akkord ipso iure nicht mehr gebunden sind, wenn die dadurch übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllt werden. Das preußische Recht hat eine Klage auf Aufhebung des Akkords bei Nichterfüllung letztendlich nicht übernommen, weil diese nicht einem einzelnen Gläubiger zustehen dürfe.8 Wenn über das Vermögen des Gemeinschuldners aber erneut der Konkurs eröffnet wurde, traten die Gläubiger, die von dem Akkord betroffen waren, auch ohne vorherige Wiederaufhebung des Akkords wie bei der Nichtigkeit oder der rechtskräftigen Vernichtung „in ihre vollen Rechte zurück“,9 „weil durch die neue Konkurseröffnung die wesentlichen Voraussetzungen des Akkords weggefallen“ waren.10 Der Akkord blieb aber bestehen.11 Die Erfüllung der Verbindlichkeiten aus dem Akkord lässt sich damit – modern gesprochen – als Geschäftsgrundlage für Stundungen und Teilerlasse begreifen. 3 In die Konkursordnung ist weder eine Regelung zur Aufhebung des Zwangsvergleichs noch zum automatischen Wiederaufleben von Rechten bei Nichterfüllung oder erneuter Konkurseröffnung übernommen worden. Danach konnten die Gläubiger in einem zweiten Konkurs nur die noch offenen Vergleichsbezüge anmelden.12 Eine Begründung für diese Abweichung vom preußischen Recht findet sich leider nicht. Dabei schien der ausdrückliche Ausschluss der Aufhebungsklage in § 181 KO 1879 bzw § 195 KO 1900 erforderlich, weil sich im Gebiet des rheinischen Rechts aus Art 1184 cc 1804 bzw in Baden aus LRS 1184 hätte ergeben können, dass eine auflösende Bedingung im Falle der Nichterfüllung konkludent vereinbart worden ist, die im Klagewege hätte durchgesetzt werden müssen.13 Dagegen war gegen eine ausdrückliche Wiederauflebensklausel, die auch als kassatorische Klausel bezeichnet wurde, auch im Konkursrecht nichts einzuwenden; diese musste lediglich ausdrücklich vereinbart werden.14 4 Während in § 63 der Geschäftsaufsicht von 191615 lediglich § 195 KO fortgeschrieben worden ist, findet sich in § 7 VglO 1927 erstmals eine Auslegungsregelung für eine kassa-

3 4 5

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Bulletin des Lois du Royaume de France, IXe Série, Nr 575. IdF der (belgischen) Loi sur les Faillites, Banqueroutes et Sursis v 18.4.1851. Vgl entsprechend Art 27 I der belgischen Loi sur le concordat préventif de la faillite v 29.6.1887. Vgl heute Art 37 der Loi relative au concordat judiciaire v 17.7.1997, Moniteur Belge v 28.10.1997, S 28550. Art 633 Codice di commercio del Regno d’Italia von 1865. Die Regelung entsprach wörtlich Art 559 des sardischen Codice di commercio von 1842. Verordnung für Debit- und Nachlaßsachen der freien Hansestadt Bremen vom 5.6.1843, Sammlung der Verordnungen und Proclame des Senats der freien Hansestadt Bremen im Jahre 1843, S 30. So Goltdammer, Kommentar und vollständige Materialien zur Konkurs-Ordnung vom 8. Mai 1855, 2. Ausg. (1858), § 201 (S 383 f), dort auch zum anderslautenden Entwurf von

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1854, der sich an die französische und die belgische Regelung angelehnt hatte. Ob dort jeder einzelne Gläubiger klagebefugt war, war offenbar streitig. Das italienische Recht ließ die Aufhebungsklage mit Wirkung für alle Gläubiger nur durch eine Mehrheit zu, daneben aber auch eine individuelle im Eigeninteresse. So §§ 209, 208 I PrKO 1855. So Goltdammer, Kommentar und vollständige Materialien zur Konkurs-Ordnung vom 8. Mai 1855, 2. Ausg. (1858), § 209 (S 390). PrObTr v 7.11.1865, Striethorst 62 (1867) 19, 25. So Jaeger/Weber KO8 § 195 Rn 2. So Begr EKO S 426. So Begr EKO S 426; RGZ 156, 245, 248, 250; Jaeger/Weber KO8 § 195 Rn 1. Bekanntmachung über die Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses v 14.12.1916, RGBl S 1363.

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Wiederauflebensklausel

§ 255

torische Klausel für den Fall des Verzugs oder der Eröffnung des Konkursverfahrens vor Erfüllung des Vergleichs.16 Dabei wurde für beide Fälle gleichermaßen angeordnet, „daß der Erlaß hinfällig wird.“ Diese Regelung, die bei den Beratungen im Reichstag in das Gesetz aufgenommen worden ist, beruhte auf der tatsächlichen Erfahrung, dass solche Klauseln regelmäßig im Zwangsvergleich vereinbart wurden.17 Sie entsprach mit Blick auf den Verzug auch der kurz zuvor in das österreichische Recht aufgenommenen Regelung, dass das Wiederaufleben unter den im Einzelnen genannten Bedingungen vereinbart werden konnte.18 In § 9 I, II, IV VglO 1935 wurde die kassatorische Klausel im Verzug oder bei Eröffnung des Konkursverfahrens zwar zum dispositiven gesetzlichen Inhalt des Vergleichs erhoben.19 Entsprechendes galt für die Wiederauflebensklausel beim Verzug in Österreich.20 Eine wesentliche Änderung war damit im Vergleich zu § 7 VglO 1927 aber nicht verbunden.21 Auch die äußere systematische Stellung der Norm bei den Regelungen über den Vergleichsvorschlag lässt die Fundamente der alten Auslegungsregel noch erkennen. Allerdings wurde die Wiederauflebensklausel nunmehr neben dem Teilerlass- auch auf den Stundungsvergleich erstreckt.22 Klargestellt wurde außerdem, dass die Wirkung beim Verzug individuell im Verhältnis zum einzelnen Gläubiger eintrat23 und nur im Konkurs gegenüber allen Gläubigern.24 Am Ausschluss der Aufhebungsklage wurde dagegen auch im Vergleichsrecht stets festgehalten (§ 78 VglO 1927, § 89 II VglO). In der nur rudimentären Regelung des Vergleichs in § 16 GesO wurde das Thema dagegen gar nicht behandelt. Die Kommission für Insolvenzrecht hat in ihrem Ersten Bericht vorgeschlagen, dass die 5 Insolvenzgläubiger an die materiellen Regelungen des Reorganisationsplans auch dann gebunden sind, wenn während der Überwachung ein Liquidationsverfahren eingeleitet wird25 oder wenn die Reorganisation nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens scheitert und ein Folgeinsolvenzverfahren26 eröffnet wird.27 Dass eine Wiederauflebensklausel auch nicht mehr sollte vereinbart werden können, wurde damit begründet, dass sich der Reorganisationsplan nicht auf Stundungen und Teilerlasse beschränken, sondern „auf eine Neuordnung der Kapital- und Finanzstruktur des Unternehmens“ abzielen sollte.28 Nachdem im Insolvenzplanverfahren zunächst jedoch keine Eingriffe in die Kapital- 6 und Finanzstruktur des Unternehmens zugelassen wurden, hat sich der Gesetzgeber bei der

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RGZ 156, 245, 248; Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 1. Vgl den Bericht des 13. Ausschusses (Rechtspflege) über den Entwurf der Vergleichsordnung, RT-Drucks III/3430, S 4 sowie § 3 I 2 idF der ersten Lesung (S 54) bzw § 3b idF des Redaktionsausschusses (S 57). So § 53 IV öAO 1925 (öBGBl Nr 103/1925) bzw § 156 IV öKO 1925 idF v Art II Z 12 des Gesetzes v 20.2.1925, öBGBl Nr 87/1925. RGZ 156, 245, 250. So § 53 IV öAO 1934 (öBGBl Nr 221/1934) bzw § 156 IV öKO 1934 idF v Art II Z 18 des Gesetzes v 20.7.1934, öBGBl Nr 178/1934. So auch Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 1. Vgl die amtliche Begründung zu § 9 VglO, DJ 1935, 389. So zuvor ausdrücklich auch Art 315 I SchKG 1889 und § 53 IV öAO 1934 bzw § 156 IV öKO 1932.

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Vgl den Entwurf einer Vergleichsordnung nebst Einführungsgesetz und Begründung, veröffentlicht durch das Reichsjustizministerium (1933), S 7 f, 48, 56 sowie die amtliche Begründung zu § 9 VglO, DJ 1935, 389; Rugullis KTS 2012, 269, 279. So LS 2.3.6. Dieser Begriff ist gegenüber der Bezeichnung „Zweitinsolvenzverfahren“ vorzugswürdig, weil es insbesondere bei § 35 I, II auch ein zweites Insolvenzverfahren parallel zum ersten geben kann. Vgl Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 1, B. So LS 2.4.8.2 II 1. Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht (1985) S 274.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Schaffung der InsO entschieden, die vergleichsrechtlichen Regelungen (§ 9 I, II, IV VglO) im Wesentlichen in § 255 zu übernehmen.29 Nur für § 9 III VglO, der an die frühere Mindestbefriedigungsquote von 35 % anknüpfte (§ 7 I, IV VglO), bestand kein Raum mehr. 2. Folgen des ESUG An diesen Regelungen hat sich auch durch das ESUG30 nichts geändert. Wie im alten Vergleichsrecht betrifft die (dispositive) Wiederauflebensklausel aber nur Stundungen und Erlasse (§ 255 I 1) und lässt insbesondere die Neuordnung der Kapital- und Finanzstruktur des Unternehmens durch Kapitalmaßnahmen oder einen Debt-Equity-Swap unberührt. Die durch einen Debt-Equity-Swap bewirkte Kapitalerhöhung kann daher als solche nicht rückgängig gemacht werden. 8 Gleichwohl ist § 255 beim Debt-Equity-Swap von erheblicher Bedeutung. Dabei wird die Sacheinlage typischerweise durch Abtretung der Insolvenzforderung an die Gesellschaft (§ 398 BGB) und Erlöschen durch Konfusion oder durch einen Forderungserlass (§ 397 I BGB) bewirkt.31 Denkbar wäre aber auch ein negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 II BGB); einen (einseitigen) Forderungsverzicht kennt das deutsche Recht dagegen nicht. Unterliegt die Insolvenzforderung einem ausländischen Forderungsstatut, ist dagegen die entsprechende lex causae auch für das Erlöschen der Forderung maßgeblich (vgl Art 12 I lit d Rom I-VO). Allerdings setzt die Durchführung der Kapitalerhöhung bei einer GmbH voraus, dass die Sacheinlagen „endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen“ (§§ 56a, 7 III GmbHG). Das führt zu Konflikten mit § 255 I, II wenn der Neugesellschafter nur einen Teil seiner Forderung eingebracht hat und die Gesellschaft mit der plangemäßen Bezahlung des anderen Teils erheblich in Rückstand gerät oder wenn ein Folgeinsolvenzverfahren eröffnet wird. Zwar kann eine Einlage auch unter einer auflösenden Bedingung erbracht werden, etwa wenn die Eintragung nicht spätestens bis zu einem bestimmten Datum angemeldet worden ist.32 Die Wiederauflebensklausel führt bei einem Erlass jedoch dazu, dass die Leistung auch im Zeitpunkt der Anmeldung nicht unbedingt und damit nicht endgültig ist. Daher muss bei einem Debt-Equity-Swap im Insolvenzplan von § 255 III Gebrauch gemacht und das Wiederaufleben der eingebrachten Forderung ausgeschlossen werden.33 Dies gilt in jedem Fall für den in § 255 I ausdrücklich genannten Forderungserlass. Aber auch bei der Abtretung der Forderung an die Gesellschaft, bei der die (analoge) Anwendung von § 255 nicht ausgeschlossen ist (Rn 11), sollte das Wiederaufleben der Forderung in der Person des Gläubigers ausdrücklich ausgeschlossen werden.

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II. Einzelerläuterung 1. Allgemeine Voraussetzungen von § 255

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Mit Blick auf seine Rechtsfolgen setzt § 255 allgemein voraus, dass im gestaltenden Teil des Insolvenzplans Insolvenzforderungen erlassen oder gestundet worden sind.

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Begr zu RegE § 302, BT-Drucks 12/2443 S 213. Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v 7.12.2011, BGBl I S 2582. So auch Begr zu RegE ESUG § 225a, BTDrucks 17/5712 S 31.

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Vgl etwa MünchKomm/Herrler GmbHG2 § 7 Rn 121. Vgl entsprechend Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 8a; HambK/Thies InsO6 § 255 Rn 13.

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Wiederauflebensklausel

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a) Insolvenzforderungen. § 255 regelt nur das Wiederaufleben von Insolvenzforderun- 10 gen, weil nur über diese im gestaltenden Plan verfügt werden kann. Forderungen anderer Gläubiger werden von § 255 dagegen nicht berührt. Hat der Fiskus als Neugläubiger in einer dem Insolvenzplan als Anlage beigefügten Erklärung auf die Besteuerung des Sanierungsgewinns ganz oder teilweise verzichtet,34 kann sich das Wiederaufleben dieser Forderung nicht aus § 255 ergeben, sondern nur aus einem entsprechenden Vorbehalt in der Erlassverfügung selbst. Allerdings müsste das Wiederaufleben erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 I, II zum Wegfall des Sanierungsgewinns führen, so dass der Steuerbescheid ohnehin zu berichtigen wäre (§ 173 I Nr 2 AO). b) Teilerlass. Wenn in § 255 I, II von einem Forderungserlass die Rede ist, ist dieser Be- 11 griff regelmäßig nicht im technischen Sinne des § 397 I BGB zu verstehen, sondern untechnisch; gemeint ist damit lediglich die Umwandlung in eine Naturalobligation (vgl § 254 Rn 40 ff).35 Hält man im Insolvenzplan auch einen Forderungserlass iSv § 397 I für möglich (vgl § 254 Rn 44), erfasst § 255 aber auch diesen Fall. Dieser „Erlass“ muss auf dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans beruhen. Das bedeutet aber nicht, dass er dort ausdrücklich vorgesehen sein muss. Vielmehr erfasst § 255 auch die Fälle, in denen der „Erlass“ zum dispositiven gesetzlichen Inhalt des gestaltenden Teils des Insolvenzplans gehört. Das gilt grundsätzlich auch für § 225 I (Rn 12) und für § 227 I (Rn 14).36 Weiterhin setzt § 255 voraus, dass sich der „Erlass“ nur auf einen Teil der Insolvenz- 12 forderung bezieht.37 Forderungen, die vollständig erlassen worden sind oder als erlassen gelten, leben dagegen nicht wieder auf, weil der Schuldner mit ihnen nicht in Rückstand geraten kann (§ 255 I) und der (frühere) Gläubiger an einem neuen Insolvenzverfahren ohnehin nicht teilnehmen könnte (§ 255 II).38 Daher können nachrangige Insolvenzforderungen (§ 39), die bis auf Geldstrafen (§ 39 I Nr 3) grundsätzlich als vollständig erlassen gelten (§ 225 I, III), grundsätzlich nicht wieder aufleben. Dies gilt ohne Weiteres für die „echten“ nachrangigen Insolvenzforderungen iSv § 39 I Nr 4, 5, II. Schwieriger zu beantworten ist dagegen die Frage, ob das gleiche auch für die „unechten“ nachrangigen Insolvenzforde-

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Vgl dazu LG Düsseldorf ZIP 2015, 2182, 2183. Zur steuerrechtlichen Grundlage vgl zunächst BMF v 27.3.2003, BStBl I S 240, ergänzt durch BMF v 22.12.2009, BStBl 2010 I S 18. Zum Sanierungserlass vgl im Einzelnen Brünkmans/Thole/Kahlert Hdb InsPlan § 36 Rn 100 ff. Allerdings verletzte der Sanierungserlass nach Auffassung von BFHE 255, 482 Rn 88 ff (GS) = ZIP 2017, 338 den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Das BMF-Schreiben v 27.4.2017, BStBl I S 741, das den Erlass für Verzichtserklärungen und verbindliche Auskünfte bis 8.2.2017 weiter für maßgeblich erklärt hat, darf nach BFHE 259, 28 Rn 18 f = ZIP 2017, 2161 in gerichtlichen Verfahren nicht beachtet werden. Dasselbe gilt nach BFH ZIP 2018, 1360 Rn 4 und ZInsO 2018, 1511 Rn 7 für das BMF-Schreiben v 29.3.2018, BStBl I S 588. Sobald § 3a EStG und § 7b GewStG idF des Gesetzes gegen schädliche

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Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen v 27.6.2017, BGBl I S 2074 mit Zustimmung der Kommission in Kraft getreten sind (vgl Art 6 II), unterliegen die Sanierungsgewinne weder der Einkommen- bzw der Körperschaftsteuer noch der Gewerbesteuer, so dass es keines Erlasses der Steuerschuld mehr bedarf. Zum Stand des Notifizierungsverfahrens vgl zuletzt BTDrucks 19/1126, S 41. Richtig Rugullis KTS 2012, 269, 282; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 9. Insoweit aA Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 2, B. I. 1.2.3. c). So auch MünchKomm/Huber InsO3 § 255 Rn 13. So auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 6.

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rungen iSv § 39 I Nr 1, 2 gilt, die erst nach der Insolvenzeröffnung entstanden sind und daher eigentlich gar keine Insolvenzforderungen iSv § 38 sind.39 Dagegen spricht, dass diese Forderungen nur deshalb zu den Insolvenzforderungen gezählt werden können, weil sie Nebenforderungen zu „echten“ Insolvenzforderungen darstellen. Dass Nebenforderungen das rechtliche Schicksal ihrer Hauptforderung teilen können, wird durch § 217 BGB bestätigt, wenn auch mit „umgekehrtem Vorzeichen“. Schließlich nehmen die nachrangigen Nebenforderungen iSv § 39 I Nr 1, 2 an einem Folgeinsolvenzverfahren sogar als vollrangige Insolvenzforderungen teil. Auch dieser ungewöhnliche Rangwechsel belegt die enge Verknüpfung mit der schon im Erstverfahren vollrangigen Hauptforderung. 13 Eine Insolvenzforderung kann auch ganz erlassen werden, wenn der Schuldner als Verfahrensbeteiligter im gestaltenden Teil des Insolvenzplans dafür andere Verpflichtungen übernimmt. So könnte ein Zulieferbetrieb verpflichtet sein, bestimmte Gläubiger wieder zu beliefern, wofür diese auf alle Schadensersatzforderungen wegen Lieferausfällen aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung verzichten. In diesen Fällen ist die Anwendung von § 255 sinnvoll und angemessen. Damit ist der vollständige Erlass unter Vereinbarung einer Gegenleistung wie ein Teilerlass zu behandeln.40 14 Bei der möglichen Anwendung von § 255 I, II auf § 227 I (Rn 11) stellt sich die Frage, ob die Befreiung von den restlichen Verbindlichkeiten erst mit der vollständigen Erfüllung der Planforderung erfolgt41 oder bereits mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses.42 Der Wortlaut des § 227 I spricht für die erste Lesart, so dass der Forderungserlass (im untechnischen Sinne, vgl Rn 11) unter der aufschiebenden Bedingung der Planerfüllung steht. Dann führt der Rückstand iSv § 255 I bzw die Eröffnung des Folgeinsolvenzverfahrens zu einem endgültigen Bedingungsausfall. Das klingt überzeugender als wenn der aufschiebend bedingte „Teilforderungserlass“ seinerseits „hinfällig“ wird.43 Allerdings muss die aufschiebend bedingt erlassene Teilforderung dann schon ab der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses ihre Durchsetzbarkeit verlieren. Der Insolvenzplan müsste dann wie ein pactum de non petendo wirken, das dann nach § 255 I, II seine Wirkung verliert. Nach der zweiten Lesart wird der „Teilforderungserlass“ zwar bereits mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses wirksam, steht aber unter der auflösenden Bedingung des Rückstandes

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Dafür K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 6; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 255 Rn 8; MünchKomm/Huber InsO3 § 255 Rn 13 (Rn 26 bezieht sich daher wohl auf nicht nachrangige Zinsansprüche); Schiessler Insolvenzplan, S 196; Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 4, B. II. 3.; aA vor allem bei Zinsforderungen Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 255 Rn 18; Braun/Frank InsO7 § 255 Rn 7; FK/Jaffé InsO9 § 255 Rn 27; HambK/Thies InsO6 § 255 Rn 9; Hess/Hess InsO2 § 255 Rn 20; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 9; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 255 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 255 Rn 12; zu § 9 VglO entsprechend Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 20 lit d).

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Wie hier Schmidt/Martini SanierungsR § 255 Rn 6; aA Hess InsO2 § 255 Rn 6; HK/Flessner InsO6 § 255 Rn 3. Kübler/Schultze HRI2 § 46 Rn 30; Küber/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IV/2017) § 227 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/ Otte InsO54 (Stand: X/2005) § 227 Rn 6; Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 3, C. II. 2; Rugullis KTS 2012, 269, 273 f. Für § 255 MünchKomm/Huber InsO3 § 227 Rn 8; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 227 Rn 2; gegen Anwendung des § 255 Kübler/Schultze HRI2 § 46 Rn 12, 32, 162; Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 2, B. I. 1.2.3. c). So wohl Rugullis KTS 2012, 269, 275 f.

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Wiederauflebensklausel

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(§ 255 I) bzw der Eröffnung des Folgeinsolvenzverfahrens (§ 255 II).44 Die Frage, ob der „Teilforderungserlass“ je nach Lesart schon mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses45 oder der Planerfüllung46 zu einem steuerbaren Ertrag führt, wird, soweit ersichtlich, bisher nicht gestellt. c) Stundung. Die Stundung lässt den Bestand der Forderung dagegen unberührt, 15 schiebt aber die Fälligkeit hinaus,47 so dass die Forderung vorübergehend nicht durchsetzbar ist, aber erfüllbar bleibt (§ 271 II BGB). Die Stundungsvereinbarung begründet damit eine dilatorische Einrede. Maßgeblich ist aber auch hier das auf die Forderung anwendbare Recht (Art 12 I lit b Rom I-VO),48 das mit dem Insolvenzstatut nicht identisch sein muss. Die Stundung betrifft regelmäßig die Zeit nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, weil die während des Insolvenzverfahrens auflaufenden Zinsen ohnehin in der Regel als erlassen gelten (§§ 225 I, 39 I Nr 1), so dass die Forderungen insoweit faktisch zinslos gestundet werden. 2. Relatives Wiederaufleben bei erheblichen Rückständen (§ 255 I) a) Voraussetzungen von § 255 I aa) Rückstand des Schuldners. Die Wiederauflebensklausel greift zum einen im Fall 16 des Rückstands mit der Planerfüllung ein, wirkt in diesem Fall aber nur relativ für den Gläubiger, dem gegenüber der Schuldner im Rückstand geraten ist (§ 255 I 1). Erforderlich ist zunächst, dass der Schuldner gegenüber Insolvenzgläubigern mit Leistungen auf Planforderungen in Rückstand geraten ist. Rückstände gegenüber Plangläubigern, die keine Insolvenzgläubiger sind, werden von § 255 I dagegen nicht erfasst.49 Dasselbe gilt für Rückstände Dritter, die nach dem Insolvenzplan Leistungen an die Gläubiger zu erbringen haben.50 Zu § 9 I VglO war unstreitig, dass der Schuldner selbst in Verzug sein musste. Dagegen war der Verzug des Treuhänders beim Liquidationsvergleich (§ 7 IV VglO) dem Schuldner nicht zuzurechnen, wenn er nicht seinerseits mit der Übertragung des Vermögens auf den Treuhänder in Verzug war.51 Für das Insolvenzverfahren bedeutet dies, dass der Schuldner nicht in Rückstand geraten kann, solange er nicht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen hat.52 Voraussetzung ist daher entweder die Aufhe-

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Vgl Kübler/Schultze HRI2 § 46 Rn 13, dort aber für eine entsprechende, von § 227 I abweichende Regelung; Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 3, D. So etwa FG Berlin-Brandenburg NZI 2016, 463 f; Bremen NZI 2014, 137, 143; Kübler/ Kahlert HRI2 § 57 Rn 94 unter Verweis auf BGH ZIP 2011, 1271 Rn 8. So Georg ZInsO 2000, 93, 95. Bei der Restschuldbefreiung kommt es nach BFHE 256, 392 Rn 37 ff. = ZIP 2017, 1767 auf die Rechtskraft des Beschlusses nach § 300 an, der am Ende der Wohlverhaltensperiode ergeht. Das entspricht funktional der Planerfüllung. BGH NJW 1998, 2060, 2061.

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Vgl dazu nur MünchKomm/Spellenberg BGB6 Art 12 Rom I-VO Rn 65 mwN. So auch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 255 Rn 4; MünchKomm/Huber InsO3 § 255 Rn 34: aA Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 255 Rn 9. BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: V/2009) § 255 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 12 mwN in Rn 24. Zum Vergleichsbürgen vgl Bley/ Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 10. Vgl BGHZ 118, 70, 75; Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 10; Kilger/K Schmidt InsG17 § 9 VglO Anm 4 lit a). Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 9.

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bung des Insolvenzverfahrens (§§ 258 I, 259 I)53 oder die Anordnung der Eigenverwaltung (§ 217).54 17 Der Rückstand muss gegenüber einem Gläubiger bestehen, dessen Forderung nach Grund und Höhe weder vom Schuldner noch vom Insolvenzverwalter bestritten worden ist (vgl dazu im Einzelnen § 256 Rn 10 ff). Ist die Forderung dagegen bestritten oder gar nicht angemeldet worden, ist § 256 unmittelbar bzw analog anwendbar (vgl § 256 Rn 15), so dass es entweder – bei bestrittenen Forderungen – einer Entscheidung über das Stimmrecht (§§ 77 II 2, 256 I 1) oder – bei bestrittenen oder gar nicht angemeldeten Forderungen – einer nachträglichen vorläufigen Feststellung bedarf (§ 256 I 2). 18 Durch die aus § 9 I Hs 2 VglO tradierte Formulierung, dass der Schuldner „eine fällige Verbindlichkeit nicht bezahlt“, suggeriert § 255 I S 2, dass es sich bei dem Rückstand um einen Zahlungsrückstand und damit bei der „Erfüllung des Plans“ um eine Geldforderung handeln muss. Diese Vorstellung, die auch noch in den Materialien zu § 255 zum Ausdruck kommt,55 war für das Vergleichsrecht im Wesentlichen richtig, weil alle Forderungen in Geldforderungen umzurechnen waren (§ 34 VglO) und auf diese Vergleichsforderungen eine einheitliche Quote zu zahlen war.56 Dagegen ist es im Insolvenzplan trotz der Umrechnung (§ 45) durchaus möglich, dass der Schuldner als Beteiligter – jedenfalls mit seiner Zustimmung (§ 247 I) – im Insolvenzplan zu bestimmten anderen Leistungen verpflichtet wird (vgl Rn 13). Wenn der Schuldner eine solche Verpflichtung gegenüber einem Insolvenzgläubiger eingeht und dann nicht erfüllt, besteht kein Grund, warum nicht auch in solchen Fällen die alten Forderungen wiederaufleben sollten.57

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bb) Erheblichkeit des Rückstands. § 255 I S 1 setzt voraus, dass der Schuldner mit der Erfüllung des Plans „erheblich in Rückstand“ ist. Dagegen war in § 9 I Hs 1 VglO noch vorausgesetzt, dass der Schuldner in Verzug gerät. Dieser Begriff wurde mit Blick auf die erforderliche Nachfrist nunmehr vermieden, weil der Verzug nach bürgerlichem Recht auch ohne diese Frist eintritt.58 So genügt bei der Bestimmung von Zahlungsterminen im Insolvenzplan für den „Schuldnerverzug“ in objektiver Hinsicht bereits der Ablauf der Frist (§ 286 II Nr 1 BGB).59 Für den „vergleichsmäßigen Erfüllungsverzug“60 war dagegen

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So auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 11. AA Schmidt/Martini SanierungsR § 255 Rn 11, der die analoge Anwendung von § 255 I vorschlägt, wenn der Verwalter vor Aufhebung des Verfahrens zu leisten hatte. Vgl Begr zu RegE § 302, BT-Drucks 12/2443 S 213: „Zahlungsrückstand“ und „Mangel an Zahlungsmitteln“. Allerdings hat schon Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 11 lit b) darauf hingewiesen, dass sich die Pflichtverletzung auch auf Nebenpflichten wie die Besicherung aufschiebend bedingter Vergleichsforderungen beziehen konnte. So ausdrücklich für Lieferungen und Leistungen, die der Schuldner nach dem Insolvenzplan zu erbringen hat, Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 255 Rn 6. Vgl ferner K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 5. FK/Jaffé

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InsO9 § 255 Rn 9 beschränkt den Anwendungsbereich des § 255 nicht auf Geldforderungen und meint, es könne sich auch um „sonstige Haupt- und Nebenpflichten“ handeln. Nach Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 14 soll nur die Verletzung von Hauptleistungspflichten genügen, wobei es sich jedoch nicht um Zahlungspflichten handeln muss. Ausschließlich nur für Zahlungspflichten dagegen HK/Haas InsO9 § 255 Rn 5; Kübler/ Schultze HRI2 § 46 Rn 169. Vgl Begr zu RegE § 302, BT-Drucks 12/2443 S 213. AA Nerlich/Römermann/Braun InsO35 § 255 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 10: § 286 II BGB findet keine Anwendung. Begriff nach Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 9 lit c).

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die schriftliche Mahnung mit Nachfristsetzung unentbehrlich.61 In subjektiver Hinsicht hat das RG im Vergleichsrecht auch das Verschulden des Schuldners (§ 285 BGB 1900) geprüft.62 Dagegen ging der Regierungsentwurf zur InsO davon aus, dass es, wie im Zivilrecht nach § 279 BGB 1900,63 nicht darauf ankomme, „ob der Zahlungsrückstand des Schuldners verschuldet ist“.64 Geht man allerdings davon aus, dass sich die Erfüllung des Insolvenzplans nicht auf Zahlungen beschränkt (Rn 13), muss der Schuldner den Rückstand wie den Verzug zu vertreten haben (§ 286 IV BGB),65 weil die Voraussetzungen für das Wiederaufleben der Insolvenzforderungen strenger sein sollen als die des Verzugs. Wie der Verzug setzt der Rückstand nach § 255 I S 1 voraus, dass die Leistung zur Er- 20 füllung des Plans fällig66 und einredefrei ist. Soweit ein Zahlungsplan vereinbart worden ist, tritt die Fälligkeit am jeweiligen Zahlungstermin ein. Die Fälligkeit von Zahlungspflichten kann aber auch erfolgsabhängig sein und etwa an bestimmte betriebswirtschaftliche Parameter anknüpfen. Sind Lieferpflichten zu erfüllen, gerät der Schuldner nicht in Rückstand, wenn ihm eine Einrede aus § 320 BGB oder aus § 273 BGB zusteht. Außerdem sind hier die vertraglichen Leistungsmodalitäten zu beachten.67 cc) Mahnung des Gläubigers. Erheblich ist der Rückstand nur, wenn der Gläubiger 21 den Schuldner nach Eintritt der Fälligkeit und Einredefreiheit schriftlich gemahnt und ihm eine mindestens zweiwöchige Nachfrist gesetzt hat, die ihrerseits fruchtlos verstrichen ist. Hat der Gläubiger mehrere Planforderungen, genügt die Mahnung bezüglich einer Forderung (vgl Rn 27). Allerdings ist jede Mahnung, die vor Eintritt der Fälligkeit und Einredefreiheit der konkreten Forderung ausgesprochen wird, für § 255 I S 2 bedeutungslos. Dasselbe gilt für Mahnungen und die in § 286 I S 2 BGB gleichgestellten Prozesshandlungen, die keine Fristsetzung enthalten,68 und für Mahnungen, in denen eine zu kurze Nachfrist gesetzt worden ist.69 Dabei kommt es auf den Zugang der Mahnung als

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Vgl zu § 284 II 1 BGB 1900 entsprechend BGH NJW 1956, 1200; Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 9 lit b); unzutreffend zu § 9 I VglO aber FK/Jaffé InsO9 § 255 Rn 37. So zu § 7 VglO 1927 im Einzelnen RGZ 146, 133, 144 f, dort zu einem vermeintlich unvermeidlichen Rechtsirrtum. Vgl dazu auch OLG Dresden KuT 1931, 159. Insoweit zu § 9 VglO aber strenger BGHZ 32, 218, 221. Der dieser Vorschrift zu Gattungsschulden entnommene Grundsatz, dass der Schuldner für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat, wird heute in § 276 I 1 BGB durch die Bezugnahme auf die Natur der Schuld angesprochen. Vgl BT-Drucks 14/ 6040 S 132. Vgl Begr zu RegE § 302, BT-Drucks 12/2443 S 213. Vgl in diesem Sinne Bork in Leipold (Hrsg) Insolvenzrecht im Umbruch, S 51, 53; aA BeckOK/Freund InsO10 § 255 Rn 6; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 255 Rn 6; Brünkmans/ Thole/Madaus Hdb InsPlan § 23 Rn 18; FK/ Jaffé InsO9 § 255 Rn 12; HambK/Thies

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InsO6 § 255 Rn 8; HK/Haas InsO9 § 255 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 15; Kübler/Schultze HRI2 § 46 Rn 168; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 255 Rn 4; Rugullis KTS 2012, 269, 279; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 48; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 6. Vgl Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 9 lit a). Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 6. So zu § 9 I Hs. 2 VglO schon BGH NJW 1956, 1200. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 255 Rn 3; BeckOK/Freund InsO10 § 255 Rn 8; FK/Jaffé InsO9 § 255 Rn 18 f; HambK/Thies InsO6 § 255 Rn 7; Kübler/Schultze HRI2 § 46 Rn 166; MünchKomm/Huber InsO3 § 255 Rn 24; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 255 Rn 4; Schmidt/Martini SanierungsR § 255 Rn 8; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 11. Vgl entsprechend schon Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 9 lit c); aA OLG München OLGZ 1966, 1, 2 f.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

geschäftsähnlicher Handlung an (vgl § 130 I 1 BGB).70 Es empfiehlt sich daher, kein festes Datum, sondern eine Frist ab Zugang der Mahnung anzugeben. Für die Berechnung der Frist gilt § 187 I BGB, so dass die Frist zu kurz bemessen ist, wenn die Mahnung am 14.9.2018 eingeht und eine Nachfrist bis einschließlich 17.9.2018 gesetzt worden ist.

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Die Mahnung bedarf – abweichend von § 286 I S 1 BGB – der gesetzlichen Schriftform (§ 126 I BGB),71 die jedoch durch die elektronische Form (§ 126a BGB) ersetzt werden kann (§ 126 III BGB). Dagegen genügt die Textform (§ 126b BGB) nicht. Eine Mahnung per E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur ist daher formunwirksam. Da die Mahnung auch in gesetzlicher Form zugehen muss (vgl § 130 I 1),72 genügt auch eine Übermittlung per Fax oder als eingescanntes Dokument nicht den gesetzlichen Formvorschriften. Mit Blick auf den Nachweis der Mahnung (§ 257 III) empfiehlt sich die Zustellung (§ 132 BGB).73

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Die Mahnung muss vom jeweiligen Gläubiger ausgesprochen worden sein. Auch bei dieser geschäftsähnlichen Handlung ist die Stellvertretung möglich (§ 164 I BGB). Voraussetzung ist aber zum einen, dass dem Vertreter vorher Vertretungsmacht erteilt wird, weil die Handlung ansonsten unheilbar nichtig ist, falls der Mangel beanstandet wird (§ 180 S 1, 2 BGB). Zum anderen ist eine Vollmacht urkundlich nachzuweisen, um zu verhindern, dass die Erklärung zurückgewiesen wird (§ 174 S 1 BGB). Bei einer Mahnung durch einen Rechtsanwalt ist daher unbedingt eine im Original unterzeichnete Vollmachtsurkunde beizufügen. Schließlich kommt auch auf der Empfängerseite der Zugang bei einem Stellvertreter mit Empfangsvertretungsmacht in Betracht (§ 164 III BGB).74

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Für den fruchtlosen Ablauf einer Nachfrist von zwei Wochen ab dem Zugang der Mahnung sind §§ 188 I, 193 BGB zu beachten.75 Welche Leistung der Schuldner innerhalb dieser Frist wo zu erfüllen hat, ergibt sich aus dem Insolvenzplan iVm §§ 269, 270 BGB. Bei Geldschulden ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art 3 I lit b) der Zahlungsverzugsrichtlinie76, dass der fällige Betrag dem Gläubiger rechtzeitig auf seinem Konto gutgeschrieben worden sein muss.77 Diese Regelung betrifft aber nur den Verzug, von dem der Rückstand nach § 255 I S 1 zu unterscheiden ist. Daher muss der Schuldner innerhalb der Nachfrist nur die Leistungshandlung vornehmen (§ 270 I BGB), indem er den Betrag zur Zahlung anweist.78 Auf die Gutschrift des Geldes auf dem Konto des Empfängers, den Leistungserfolg, kommt es dagegen nicht an.79

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dd) Keine gesetzliche Mindesthöhe des Rückstands § 255 I S 2 enthält wie § 9 I Hs 2 VglO keine Vorgaben darüber, ab welcher Höhe ein Rückstand in quantitativer Hinsicht als erheblich anzusehen ist. Das ist richtig, damit der

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MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 62; zu § 53 IV 2 öAO 1925 (Fn 18) ausdrücklich auch OGH v 22.10.1931, SZ 13, 226 (S 796). MünchKomm/Huber InsO3 § 255 Rn 21; vgl entsprechend schon Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 9 lit c). Vgl nur BGHZ 165, 213, 216. So schon Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 9 lit c). Vgl dazu BGH WM 1958, 1053 f.

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MünchKomm/Huber InsO3 § 255 Rn 24; vgl entsprechend schon Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 9 lit c). Richtlinie 2011/7/EU, ABl Nr L 48, S 1. EuGH Slg 2008, I-1923 = NJW 2008, 1935 Rn 23 – „Telecom“. So auch MünchKomm/Huber InsO3 § 255 Rn 25. AA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 10; Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 10 wollte dem Schuldner das Verschulden der Bank bei verzögerter Übermittlung nach § 278 BGB zurechnen.

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Schuldner nicht die Möglichkeit erhält, bestimmte Anteile der nach dem Insolvenzplan geschuldeten Leistungen regelmäßig verspätet zu zahlen, ohne den Bestand des Plans zu gefährden. Aus denselben Gründen kennt auch § 17 keine „Bagatellgrenze“ für die Deckungslücke.80 Von Gesetzes wegen gibt es daher keine quantitative Erheblichkeitsschwelle.81 Allerdings kann im Insolvenzplan eine solche Schwelle bestimmt werden (s Rn 56).82 § 255 III steht nicht entgegen, weil die Regelung für den Schuldner günstiger ist als das Gesetz. Allerdings ist es nicht kategorisch ausgeschlossen, den Rückstand in Extremfällen auch aus quantitativen Gründen unter Würdigung der übrigen Umstände als unerheblich anzusehen (§ 242 BGB). Zu denken ist etwa an den Fall, dass der Schuldner versehentlich einen zu geringen Verzugszinsbetrag gezahlt hat und dadurch nach § 367 I BGB ein kleiner Teil der Hauptforderung nicht rechtzeitig erfüllt wird. Abgesehen von solchen Fällen ist für eine quantitative Erheblichkeitsschwelle aber kein Raum.83 b) Rechtsfolgen von § 255 I. Nach § 255 I S 1 werden Stundungen und Teilerlasse 26 „für den Gläubiger“ hinfällig. Das bedeutet zunächst, dass die Forderung ggf sofort fällig wird bzw von einer Naturalobligation (§ 254 Rn 40) wieder zu einer durchsetzbaren Forderung erstarkt.84 Der Gläubiger kann seine im Insolvenzverfahren festgestellte Forderungen damit sofort und in voller Höhe geltend machen. Dies gilt auch für die Zins- und Kostenforderungen, obwohl diese als nachrangige Insolvenzforderungen (§§ 39 I Nr 1, 2) als vollständig erlassen gelten (§ 225 I) (Rn 12). Aufgrund der Feststellungswirkung (§ 178 III) wirken mögliche Modifikationen der Forderungen nach Maßgabe von §§ 41, 45, 46 auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fort.85 Für die Rechtsdurchsetzung steht dem Gläubiger die Vollstreckung nach § 257 III offen. Auch die Haftung persönlich haftender Gesellschafter (§§ 128, 161 II HGB, § 278 II AktG), die mit der Bestätigung des Insolvenzplans nach Maßgabe von § 227 II erloschen war, lebt wieder auf.86 Hat ein Gläubiger mehrere Insolvenzplanforderungen und gerät der Schuldner nur mit 27 einer erheblich in Rückstand, leben – wie früher bei § 9 I VglO87 – richtigerweise alle Forderungen wieder auf.88 Die Gegenauffassung, die die Wirkungen von § 255 I auf die jeweils betroffene Forderung beschränken will,89 übersieht, dass es bei § 255 I nicht um die Störung einer konkreten Leistungsbeziehung geht, sondern der Geschäftsgrundlage zwi-

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Begr zu RegE §§ 21, 22, BT-Drucks 12/2443 S 114. So auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 16; BK/ Flöther/Wehner InsO66 (Stand: V/2009) § 255 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 10. So die Empfehlung von FK/Jaffé InsO9 § 255 Rn 15; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 16. Vgl Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 255 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 255 Rn 6; Kübler/ Schultze HRI2 § 46 Rn 164; Mohrbutter/ Ringstmeier/Bähr Hdb InsVerwaltung9 Kap 14 Rn 315; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 8. Entgegen FK/Jaffé InsO9 § 255 Rn 4 ist der Fortbestand einer Naturalobligation allerdings keine dogmatische Voraussetzung für das Wiederaufleben, weil auch ein Erlassver-

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trag (§ 397 I BGB) auflösend bedingt sein kann (§ 158 II). So auch RGZ 93, 209, 213; Jaeger/Henckel InsO § 45 Rn 18; aA MünchKomm/Bitter InsO3 § 45 Rn 42. Vgl Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 15 lit b). Vgl dazu Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 13; Kilger/K Schmidt InsG17 § 9 VglO Anm 2 lit a). So auch BeckOK/Freund InsO10 § 255 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 6; MünchKomm/ Huber InsO3 § 255 Rn 29; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 255 Rn 5; Rugullis KTS 2012, 269, 279. Brünkmans/Thole/Madaus Hdb InsPlan § 23 Rn 21; HK/Haas InsO9 § 255 Rn 9; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 8; Kübler/ Schultze HRI2 § 46 Rn 176 f; Silcher/Brandt/ Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 51 f.

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schen dem betroffenen Gläubiger und dem Schuldner für Stundungen und Teilerlasse. Das österreichische Recht hat hier einen Mittelweg beschritten und lässt andere Forderungen, die bereits teilweise oder ganz getilgt worden sind, gar nicht bzw nur anteilig wieder aufleben (§ 163 II IO) (vgl Rn 44). 28 § 255 I regelt ggf iVm § 256 I abschließend, unter welchen Umständen Stundungen und Teilerlasse für einzelne Gläubiger unwirksam werden. Dagegen bleibt das allgemeine Leistungsstörungsrecht (§§ 280 ff BGB) anwendbar, soweit es um mögliche Schadensersatzforderungen des Gläubigers geht.90 Damit richten sich die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs weiterhin nach § 286 BGB;91 sind im Insolvenzplan die Zahlungstermine kalendermäßig bestimmt, ist eine Mahnung daher entbehrlich (§ 286 II Nr 1 BGB) (vgl Rn 19). Ausgeschlossen ist dagegen der Rücktritt nach § 323 I BGB;92 insoweit ist § 255 I lex specialis. 3. Folgeinsolvenzverfahren (§ 255 II)

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a) Voraussetzungen von § 255 II. Die Eröffnung eines Folgeinsolvenzverfahrens stellt einen absoluten, grundsätzlich für alle Plangläubiger wirkenden Wiederauflebensgrund dar (§ 255 II). Dies ist sinnvoll, weil die einzelnen Plangläubiger nach der Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens nicht mehr individuell befriedigt werden können und damit die Geschäftsgrundlage für die Nachlässe weggefallen ist. Daraus folgt, dass die Wirkung von § 255 II entfällt, wenn der Eröffnungsbeschluss auf die sofortige Beschwerde des Schuldners (§ 34 II) rechtskräftig aufgehoben wird.93 Ein Insolvenzantrag löst die Wirkung von § 255 II dagegen selbst dann noch nicht aus, wenn das Insolvenzgericht Sicherungsmaßnahmen nach § 21 II S 1 Nr 2 erlässt. Erst recht steht die Ablehnung der Eröffnung eines Folgeinsolvenzverfahrens mangels Masse der Eröffnung nicht gleich,94 weil die individuelle Rechtsverfolgung dann rechtlich möglich bleibt. Darüber hinaus müsste § 255 II dann ganz andere Rechtsfolgen haben als innerhalb eines Folgeinsolvenzverfahrens. Dem einzelnen Gläubiger bleibt es dann unbenommen, nach § 255 I vorzugehen. 30 Wie bei § 255 I (Rn 16) greift auch § 255 II nur ein, wenn der (vormalige) Insolvenzschuldner seinen Planverbindlichkeiten nicht nachkommt. Das ergibt sich bei § 255 II denknotwendig aus der Anknüpfung an die Eröffnung eines Folgeinsolvenzverfahrens über das Schuldnervermögen. Wenn etwa Plangaranten ihre Verpflichtungen nicht erfüllen, ist § 255 II nicht anwendbar.95

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So auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 3; HK/ Haas InsO9 § 255 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 255 Rn 38; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 17; aA Braun/Braun/Frank InsO7 § 255 Rn 1; Hess InsO2 § 255 Rn 1. So schon zu § 9 VglO BGH NJW 1956, 1200. So auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 18. BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: V/2009) § 255 Rn 11. So auch BeckOK/Freund InsO10 § 255 Rn 9; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 255 Rn 15; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255

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Rn 15; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 19; Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 2, B. I. 2.1; aA Brünkmans/ Thole/Madaus Hdb InsPlan § 23 Rn 23; HambK/Thies InsO6 § 255 Rn 14; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 21; Kübler/Mönning HRI2 § 47 Rn 164. Begr zu RegE §§ 302, 303, BT-Drucks 12/ 2443 S 213; Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 2, B. I. 2.2.1; vgl auch Leonhard/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 255 Rn 9.

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§ 255

b) Rechtsfolgen von § 255 II. Bei § 255 II kommt eine individuelle Rechtsverfolgung 31 nicht (mehr) in Betracht, so dass es nur um die Modalitäten der Teilnahme am Folgeinsolvenzverfahren gehen kann. Daher wirkt § 255 II nicht für Gläubiger, denen gegenüber der Schuldner seine Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan bereits voll erfüllt hat oder die ihre Forderung vollständig erlassen hatten.96 Etwas anderes kann im ersten Fall nur gelten, wenn der Gläubiger jedenfalls einen Teil der Leistung anfechtbar erworben hat (Rn 42). Auch andere Regelungen des Insolvenzplans als Stundungen und Teilerlasse bleiben im neuen Insolvenzverfahren bestehen.97 Dies gilt etwa für die Abtretung einer Forderung an den (früheren) Insolvenzverwalter als Treuhänder.98 aa) Wegfall von Stundungen. Bei den Rechtsfolgen von § 255 II ist der Wegfall der 32 Stundung von untergeordneter Bedeutung, weil auch nicht fällige Forderungen im Insolvenzverfahren als fällig gelten (§ 41 I). Gleichwohl ist § 255 II auch bei Stundungen nicht irrelevant, weil dadurch eine mögliche Abzinsung nach § 41 II vermieden wird. bb) Wiederaufleben der Insolvenzforderungen. Das Wiederaufleben der bisherigen 33 Forderungen ist dagegen entscheidend für die Höhe der Passivmasse und damit für die Dividende der Altgläubiger. Auf der einen Seite wird die Passivmasse durch § 255 II wesentlich vergrößert, so dass die Quote im Folgeinsolvenzverfahren dementsprechend sinkt. Da dieser geringere Quotient bei den Altgläubigern aber auf eine erhöhte Insolvenzforderung angewendet wird, wirkt sich § 255 II für diese insgesamt vorteilhaft aus. Diese Wirkung soll an einem einfachen Beispiel erläutert werden: Ein Insolvenzplan 34 sieht die Befriedigung der Insolvenzforderungen in Höhe von 800.000 Euro zu 25 % vor. Entsprechende Zahlungen werden nicht geleistet. Im Folgeinsolvenzverfahren werden Neuforderungen in Höhe von 200.000 Euro angemeldet; die Verteilungsmasse beträgt 200.000 Euro. Ohne § 255 II bestünde die Passivmasse aus der zugesagten Dividende auf die Altforderungen von 200.000 Euro und den Neuforderungen, also insgesamt 400.000 Euro. Damit ergibt sich im Folgeinsolvenzverfahren eine Quote von 50 %. Auf die Insolvenzplanforderungen aus dem ersten Insolvenzverfahren entfiele damit eine Dividende von 100.000 Euro; dasselbe gilt für die Neuforderungen, die nur am Folgeinsolvenzverfahren teilnehmen. Nach § 255 II beträgt die Passivmasse jedoch insgesamt 1.000.000 Euro, so dass sich eine Quote von 20 % ergibt. Auf die Insolvenzplanforderungen aus dem ersten Insolvenzverfahren entfiele damit eine Dividende von 160.000 Euro und auf die Neuforderungen von 40.000 Euro. cc) Bereits erbrachte Leistungen. § 255 II trifft keine Aussage dazu, wie Leistungen vor 35 Eröffnung des Folgeinsolvenzverfahrens an die Gläubiger zu behandeln sind. Dabei ist zwischen den Wirkungen gegenüber dem Schuldner insbesondere im Rahmen eines Nachforderungsrechts (§ 201) und den Wirkungen im Folgeinsolvenzverfahren zu unterscheiden.

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Vgl Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 20 lit a) zu vorab befriedigten Kleingläubigern; BeckOK/Freund InsO8 § 255 Rn 9; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 255 Rn 3; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 255 Rn 14; HK/Haas InsO9 § 255 Rn 11; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 14; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 7 f; MünchKomm/Huber InsO3 § 255 Rn 32 f, 38; Nerlich/Römer-

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mann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 255 Rn 2, 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 20; Häsemeyer InsR4 Rn 28.78; Kübler/ Schultze HRI2 § 46 Rn 178; Smid/Rattunde/ Martini Insolvenzplan4 Rn 22.17; Rugullis KTS 2012, 269, 280; aA HambK/Thies InsO6 § 255 Rn 12. Vgl FK/Jaffé InsO9 § 255 Rn 34. So BGHZ 175, 86 Rn 11.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Dass die Forderungen gegenüber dem Schuldner in voller Höhe wieder aufleben und geltend gemacht werden können, ist von jeher unstreitig.99 Umstritten war jedoch, wie die wiederaufgelebten Forderungen im Folgeinsolvenzverfahren zu berücksichtigen sind. Damit geht es bei den nachfolgenden Überlegungen ausschließlich um die Verteilungsgerechtigkeit zwischen Alt- und Neugläubigern. Dazu finden sich verschiedene Regelungsmodelle, die anhand unseres obigen Beispiels erläutert werden sollen. 36 Ausgangspunkt der Überlegungen soll sein, dass in unserem Beispiel (Rn 34) bereits 125.000 Euro Dividende bezahlt worden sind. Damit ist nur noch eine Restzahlung von 75.000 Euro offen. Mit der Zahlung von 125.000 Euro ist die Quote von 25 % auf einen Betrag von 500.000 Euro bereits voll erbracht. Nach dem altfranzösischen Modell100 konnten die Altgläubiger mit ihren Altforderungen in Höhe von 500.000 Euro, auf die die Dividende von 25 % bereits bezahlt worden war, nicht mehr am Verfahren teilnehmen. Vielmehr nahmen sie nur mit den restlichen 300.000 Euro teil, auf die noch keine Dividende bezahlt worden war. Die gesamte Passivmasse umfasst daher nach diesem Modell (300.000 Euro [Altgläubigerforderungen] + 200.000 Euro [Neugläubigerforderungen] =) 500.000 Euro, so dass sich eine Quote von 40 % ergibt. Damit erhalten die Altgläubiger auf die angemeldeten 300.000 Euro noch 120.000 Euro und die Neugläubiger die restlichen 80.000 Euro. Dieses Modell war nach dem französischen Konkursrecht von 1838 und den davon inspirierten romanischen Rechtsordnungen bei Aufhebung des Vergleichs wegen Nichterfüllung (résolution pour inexécution), bei Nichtigkeit wegen Arglist (nullité pour dol) oder als Folge der Verurteilung wegen betrügerischen Bankrotts (nullité par suite de condamnation pour banqueroute frauduleuse) oder bei Eröffnung eines Folgekonkursverfahrens ohne vorherige Beseitigung des Vergleichs maßgeblich.101 Zunächst hat auch Preußen dieses „Bruchteilsmodell“102 im Falle der Nichtigkeit des Akkords oder eines erneuten Konkursverfahrens übernommen.103 In Österreich kam es dagegen nur im Falle der erneuten Konkurseröffnung zum Tragen.104

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Vgl in Frankreich Art 526 I Hs 1 ccom 1838; vgl in Sardinien-Piemont Art 567 I des Codice di commercio von 1842; vgl in Belgien Art 527 I Hs 1 ccom 1851; vgl in Preußen §§ 208 I, 209 PrKO 1855; vgl in Italien Art 641 I des Codice di commercio von 1865. Zur Rechtslage nach dem ccom 1807 und zur Genese des Art 526 ccom 1838 siehe Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 3, B. II. 1.2.1. Das Modell wird als „altfranzösisch“ bezeichnet, weil die Gläubiger seit 1985 bei Auflösung des Plans mit ihren ganzen Forderungen abzüglich der erhaltenen Leistungen teilnehmen; vgl Art 80 III des Gesetzes Nr 98–85 vom 25.1.1985, JO v 28.1.1985, S 1097; Art L 626–27 ccom. Das entspricht dem KO-Modell I (Rn 38). Der Begriff „altfranzösisch“ darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Art 519 ff ccom 1808 noch keine vergleichbare Regelung enthalten haben und daher, wie später nach dem KO-Mo-

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dell II (Rn 39), das Modell der doppelten Kürzung angewandt wurde. Vgl dazu iE Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 3, B. II. 1.2.1. a). Vgl in Frankreich Art 526 ccom 1838; vgl in Sardinien-Piemont Art 567 des Codice di commercio von 1842; vgl in Belgien Art 527 I ccom 1851; vgl in Italien Art 641 Codice di commercio von 1865. Begriff nach Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 3, B. II. 1. Vgl §§ 208 I, 209 PrKO 1855. Vgl dazu auch die Beispielsrechnung bei Goltdammer, Kommentar und vollständige Materialien zur Konkurs-Ordnung vom 8. Mai 1855, 2. Ausg. (1858), § 208 (S 388 f). Siehe ferner Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 3, B. II. 1.2.2. Vgl § 245 der Concursordnung v 25.12.1868, öRGBl 1/1869

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Wiederauflebensklausel

§ 255

Im Falle der Nichtigkeit des Ausgleichs folgte Österreich dagegen einem anderen Mo- 37 dell,105 das sich in Preußen ab 1869 mit Modifikationen für alle Fälle einer (erneuten) insolvenzmäßigen Befriedigung der Altgläubiger in ganz ähnlicher Form findet.106 Nach diesem österreichischen Modell, das man als Anrechnungsmodell ohne Obergrenze bezeichnen kann,107 können die Altgläubiger die gesamten Altforderungen anmelden; dafür wurde die ausgezahlte Dividende der Masse zugerechnet und anschließend auf die im Folgeverfahren zu zahlende Dividende angerechnet. In unserem Beispiel führt dies zu folgendem Ergebnis: Die Passivmasse beträgt wie im Ausgangsfall 1.000.000 Euro, die Aktivmasse dagegen (200.000 Euro [tatsächliche Verteilungsmasse] + 125.000 Euro [ausgezahlte Dividende] =) 325.000 Euro, so dass sich eine Quote von 32,5 % ergibt. Auf die Altforderungen entfallen damit 260.000 Euro. Davon werden die bereits gezahlten 125.000 Euro abgezogen, so dass ein Endbetrag von 135.000 Euro verbleibt. Auf die Neuforderungen entfallen die übrigen 65.000 Euro. Im reformierten preußischen Konkurs wurde dieses Ergebnis bei einem Folgekonkurs durch die Regelung korrigiert, dass die Altgläubiger beim erneuten Konkurs keine höhere Dividende erhalten konnten als nach dem Akkord,108 die hier insgesamt 200.000 Euro betragen hätte (preußisches Modell). Nach dieser Regelung, die man als Anrechnungsmodell mit Obergrenze bezeichnen kann,109 erhalten die Altgläubiger im Folgeverfahren noch 75.000 Euro und die Neugläubiger 125.000 Euro. War der Akkord dagegen nichtig, entsprach die Rechtslage der in Österreich. Die Konkursordnung ordnete nur bei rechtskräftiger Verurteilung des Gemeinschuld- 38 ners wegen (betrügerischen) Bankrotts110 an, dass für alle Gläubiger der durch den Zwangsvergleich begründete Forderungserlass aufgehoben und bei hinreichender Masse das Konkursverfahren wieder aufgenommen wird (§§ 197, 198 KO). Diese Regelung war nicht rein vermögensrechtlich zu erklären, sondern bestand wie § 175 KO auch „im Interesse der Sittlichkeit und des öffentlichen Kredits“.111 An diesem Verfahren nahmen daher alle Altgläubiger „mit dem noch nicht getilgten Betrage ihrer ursprünglichen Forderungen teil“ (§ 200 I KO) (KO-Modell I).112 Man kann dieses Modell daher als Subtraktionsmodell bezeichnen.113 Zu den Altgläubigern, die am Folgeverfahren teilnehmen konnten, gehörten konsequenterweise auch die Gläubiger, die ihre Dividende bereits vollständig erhalten hatten,114 weil die Vergleichswirkungen allen Gläubigern gegenüber weggefallen waren.115

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§ 244 der Concursordnung v 25.12.1868, öRGBl 1/1869. §§ 208, 209 S 1 PrKO idF des Gesetzes v 12.3.1869, GS S 465. Ob die österreichische Regelung hierbei bereits berücksichtigt wurde, lässt sich vom heutigen Standpunkt aus nicht mehr sicher beurteilen, vgl Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 3 B. II 2.2.2 b) Begriff nach Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 3, B. II. 2.3.2. § 209 S 2 PrKO idF des Gesetzes v 12.3.1869, GS S 465. Begriff nach Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 3, B. II. 2.3.1.

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Auf die wechselnden strafrechtlichen Bestimmungen, auf die hier verwiesen wurde, braucht im Folgenden nicht eingegangen zu werden. So Begr EKO S 409. Vgl entsprechend zur Wiederauflebensklausel in § 7 VglO 1927 (Rn 4) Bley VglO (1935), § 7 Anm III. 3. a) mit ablehnendem Hinweis auf § 54 II öAO 1914 (öRGBl 337/1914). Begriff nach Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 3, B. II. 4. Vgl nur Jaeger/Weber KO8 § 200 Rn 1. Vgl nur Jaeger/Weber KO8 § 197 Rn 2.

Andreas Piekenbrock

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§ 255

Sechster Teil. Insolvenzplan

Bei den Rechtsfolgen dieses Wegfalls wurde das österreichische Modell ausdrücklich verworfen, weil eine Kollationspflicht wie im Erbrecht (vgl §§ 2050, 2055 BGB) nicht zu rechtfertigen sei.116 Vielmehr melden die Altgläubiger nach dem KO-Modell I in unserem Beispiel ihre ursprünglichen Insolvenzforderungen abzüglich der erhaltenen Dividende in Höhe von 675.000 Euro an. Die Gesamtpassivmasse im Folgeverfahren beträgt damit 875.000 Euro und die Verteilungsmasse 200.000 Euro. Daraus errechnet sich eine Quote von ca. 23 %; die Altgläubiger bekommen eine Dividende von ca. 155.250 Euro und die Neugläubiger von ca. 44.750 Euro. 39 Zu einem ganz anderen Ergebnis kam man dagegen, wenn auf Antrag eines Altgläubigers wegen Nichterfüllung oder auf Antrag eines Neugläubigers ein Folgekonkursverfahren eröffnet wurde. Da die Konkursordnung keine Wiederauflebensklausel enthielt, konnten die Altgläubiger – vorbehaltlich einer anderen Regelung im Zwangsvergleich – nur ihre Dividendenforderung nach dem Zwangsausgleich anmelden (KO-Modell II).117 Die bereits erbrachten Leistungen sollten aber, wie nach den anderen Regelungsmodellen,118 dem Gläubiger vorbehaltlich der Anfechtung verbleiben.119 Altgläubiger, die ihre Dividende bereits vollständig erhalten hatten, waren daher konsequenterweise nicht mehr zu beteiligen. Nach diesem KO-Modell II, das man auch als Modell der doppelten Kürzung bezeichnen kann,120 können die Altgläubiger nur noch den Restbetrag der ursprünglich vereinbarten Dividende in Höhe von 75.000 Euro anmelden, so dass die Passivmasse insgesamt 275.000 Euro beträgt. Bei einer Verteilungsmasse von 200.000 Euro ergibt sich eine Quote von ca. 72,7 %, so dass die Altgläubiger weitere 54.525 Euro erhalten und die Neugläubiger 145.475 Euro. Die Gesamtdividende der Altgläubiger beträgt damit 179.525 Euro. 40 Stellt man die Ergebnisse tabellarisch zusammen, ergibt sich folgendes Bild: Altfranzösisches Modell

Österreichisches Modell

Preußisches Modell

KOModell I

KOModell II

Passivmasse

500.000

1.000.000

1.000.000

875.000

275.000

Aktivmasse

200.000

325.000

325.000

200.000

200.000

Insolvenzdividende

40 %

32,5 %

32,5 %

~ ~ 23 %

~ ~ 72,7 %

Dividende der Altgläubiger

120.000

135.000

75.000

~ ~ 155.250

~ ~ 54.525

Dividende der Neugläubiger

80.000

65.000

125.000

~ ~ 44.750

~ ~ 145.475

Auszahlungen an die Altgläubiger insgesamt

245.000

260.000

200.000

280.250

179.525

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So Begr EKO S 429. Begr EKO S 429 f. Zum Vorbehalt der Vorsatzanfechtung vgl in Frankreich Art 525 II Hs 2 ccom 1838; in Sardinien-Piemont Art 566 des Codice di commercio von 1842; in Belgien Art 526 S 2 ccom 1851; in Italien Art 641 III Codice di commercio von 1865. Zum Empfang im gu-

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ten Glauben vgl in Preußen §§ 208 II, 209 PrKO 1855; in Österreich §§ 244 II, 245 Hs 1 der Concursordnung v 25.12.1868, öRGBl 1/1869. Begr EKO S 428. Begriff nach Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 3, B. II. 3.

Andreas Piekenbrock

Wiederauflebensklausel

§ 255

In den Materialien zu § 7 VglO 1927 und zu § 9 VglO ist die Diskussion um die genaue 41 Wirkungsweise der Wiederauflebensregelung nicht mehr aufgegriffen worden. Auch im Schrifttum wurde lediglich auf die mögliche Konkursanfechtung der auf den Vergleich erbrachten Leistungen verwiesen.121 Da die KO das altfranzösische Modell verworfen hatte122 und das KO-Modell I auch in § 88 VglO beim Wegfall der Vergleichswirkungen bei Verurteilung wegen (betrügerischen) Bankrotts galt, ist davon auszugehen, dass für § 9 II VglO grundsätzlich nichts anderes galt. Da es allerdings bei § 9 II VglO – anders als bei § 88 VglO – keinen Grund gab, die Altgläubiger, die ihre Dividende bereits vollständig erhalten hatten, mit einzubeziehen, konnten diese ihre restlichen Altforderungen nicht anmelden.123 Da § 255 II InsO die Regelung in § 9 II VglO übernommen hat, ist davon auszugehen, 42 dass sich auch an der Art der insolvenzmäßigen Beteiligung der Altgläubiger nichts geändert hat. Das bedeutet, dass die Altgläubiger ihre Forderungen abzüglich der auf die Planforderungen erbrachten Leistungen anmelden, soweit die Planforderungen nicht bereits voll erfüllt sind.124 Dabei steht der Erhalt von Leistungen auf die Planforderungen allerdings unter dem Vorbehalt der Anfechtung etwa nach § 131 InsO, wenn Altgläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung befriedigt worden sind (§ 257). Ausdrücklich entschieden ist die Frage nach dem richtigen Verteilungsmaßstab in der Folgeinsolvenz jedoch bisher nicht. Vielmehr hat der BGH zu § 255 II bisher nur das KO-Modell II der doppelten Kürzung verworfen.125 Auch wenn diese Aussage Zustimmung verdient, überzeugt die Übernahme des An- 43 rechnungsmodells ohne Obergrenze aus § 9 II VglO nicht, weil es gegenüber Altgläubigern, deren Planforderungen bereits voll erfüllt waren, zu Wertungswidersprüchen führt. Darüber hinaus könnte die Anfechtung von Leistungen auf bereits vollständig befriedigte Planforderungen sogar zu einem Bumerang werden, wenn mit der Planforderung (§ 144 I) auch die frühere Insolvenzforderung in voller Höhe wieder auflebt (§ 255 II)126 und am Folgeinsolvenzverfahren teilnimmt.127 Das gilt vor allem dann, wenn nur ein Teil der Leistungen anfechtbar war. Dass Altgläubiger, die die ihnen zugesagte Dividende bereits voll

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Vgl Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 20 lit a). Diese Anfechtung wird neuerdings wieder von Thole NZI 2017, 129, 132 f; Wischmeyer/Dimassi ZIP 2017, 593 und Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 4, A. thematisiert; ohne nähere Ausführungen wird die Anfechtung bejaht von K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 255 Rn 14; MünchKomm/ Huber InsO3 § 255 Rn 38; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 255 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 20; beiläufig auch von BGHZ 199, 344 Rn 29. Begr EKO S 429. Vgl Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 20 lit a); Kilger/K Schmidt InsG17 § 9 VglO Anm 3. In diesem Sinne Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 255 Rn 6: Insolvenzgläubiger können mit dem vollen Restbetrag am neuen Insolvenzverfahren teilnehmen; Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 3,

125

126 127

C. I. 3.6; wohl auch Mohrbutter/Ringstmeier/Bähr Hdb InsVerwaltung9 Kap 14 Rn 315; aA nur HambK/Thies InsO6 § 255 Rn. 12, der für das KO-Modell II, also das Subtraktionsmodell plädiert. BGHZ 199, 344 Rn 26; zust Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 2, B. II. 2.1 („Verbot der Doppelkürzung“); BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand V/2009) § 255 Rn 11. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 14; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 20. Vgl dazu Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 20 lit a), der dieses absurde Ergebnis unter Hinweis auf den „Zweckgedanken des § 39 KO“ (≈ § 144) vermeiden wollte. Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 4 A. III. 3. verneint in diesen Fällen unter Verweis auf BGH NJW 2016, 2115 die objektive Gläubigerbenachteiligung (§ 129 I).

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§ 255

Sechster Teil. Insolvenzplan

erhalten hatten, am Folgeverfahren nicht mehr teilnehmen konnten, war nach dem altfranzösischen Modell selbstverständlich, weil die Gläubiger nur den Teil der Altforderungen anmelden konnten, für den sie noch keine Dividende bekommen hatten (Rn 36). Einen solchen Teil gab es bei vollständiger Befriedigung der Dividendenforderung nicht.128 Im österreichischen Modell war diese Regelung dagegen nicht zwingend und nur im reformierten preußischen Konkurs vorgesehen, indem niemand mehr bekommen konnte als die im Akkord zugesprochene Dividende (Rn 37). Allerdings beruhte die Teilnahme der akkordmäßig voll befriedigten Altgläubiger beim Bankrott auch auf einem sachlichen Grund, der für § 255 II aber nicht mehr trägt. 44 Nach dem KO-Modell II kann die Gesamtbefriedigung eines Altgläubigers hingegen wesentlich davon abhängen, ob seine Insolvenzplanforderungen bereits voll befriedigt sind oder nicht. Hat in unserem Beispiel (Rn 34) Gläubiger A auf seine Forderung von 1.000 Euro bereits 250 Euro erhalten, nimmt er am Folgeverfahren nicht mehr Teil. Gläubiger B, der dagegen nur 240 Euro erhalten hat, nimmt mit 760 Euro am Folgeverfahren teil und erhält darauf bei einer Quote von ca. 23 % (s Rn 38) eine Dividende von ca. 174,80 Euro. Damit beträgt die Gesamtdividende von Gläubiger A 250 Euro und von Gläubiger B 414,80 Euro. Ein Sachgrund für diese unterschiedliche Behandlung ist nicht ersichtlich. Als Verteilungsmaßstab zwischen den Alt- und Neugläubigern überzeugender ist vielmehr das altfranzösische Bruchteilsmodell, das sich in Österreich sowohl für den Fall des Verzugs mit der Befriedigung einer anderen Planforderung129 als auch bei einem neuerlichen Insolvenzverfahren bis heute erhalten hat.130

45

dd) Sonderregelung für den Pensionssicherungsverein a.G. (PSV). Eine Sonderregelung zu § 255 II findet sich in § 9 IV S 2 BetrAVG131 für den PSV,132 der als Rechtsnachfolger der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer (§ 9 II 1 BetrAVG) als Insolvenzgläubiger am Insolvenzverfahren teilnimmt (§ 9 II 3 BetrAVG). Ist bei Insolvenzeröffnung der Versorgungsfall bereits eingetreten, ist dafür schon nach den allgemeinen Regeln der Kapitalbetrag zu schätzen (§§ 46 S 2, 45).133 Aber auch bei unverfallbaren Anwartschaften (§ 7 II BetrAVG), die erst später Ansprüche gegen den PSV begründen, kann dieser den Kapitalabfindungsanspruch – entgegen dem sonst üblichen Recht134 – „als unbedingte Forderungen nach § 45 der Insolvenzordnung geltend machen“ (§ 9 II 3 BetrAVG).135 Die Zurückbehaltung nach § 191 I S 2 kommt daher nicht in Betracht.136

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In §§ 209, 208 III PrKO 1855 und § 245 Hs 2 der österreichischen Concursordnung v 25.12.1868, öRGBl 1/1869 war dies innerhalb des altfranzösischen Systems ausdrücklich geregelt. Vgl zunächst § 163 II, III öKO 1914 (öRGBl 337/1914) bzw § 54 II öAO 1914 (Fn 112) sowie heute § 163 II IO. Vgl zunächst § 163 V öKO 1925 (Fn 18) bzw § 53 V öAO 1925 (Fn 18) sowie heute § 156a III IO. Vgl dazu schon Begr zu RefE § 292, S 303. Vgl dazu im Einzelnen K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 17; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 13. Silcher/Brandt/Bremer Hdb InsPlanEV Kap 23 Rn 10; zu den Berechnungsgrundlagen für die Schätzung vgl dort Rn 12 mwN.

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Vgl BGHZ 136, 220, 225 f. So schon zu §§ 67, 69 KO BT-Drucks 7/2843 S 10 im Anschluss an BAGE 24, 204, 211 f. Im Gesetzestext ist dies – als Reaktion auf ein obiter dictum in BGHZ 113, 207, 212 f – in § 9 II 3 BetrVG idF von Art 91 Nr 4 lit b) EGInsO ausdrücklich verankert worden. Vgl dazu Begr zu RegE EGInsO Art 94 Nr 2, BTDrucks 12/3803 S 112. Damit kommt es – entgegen BGHZ 113, 207, 213 – für die Schätzung nicht auf die Umstände bei der Eintragung in die Tabelle an, sondern bei der Insolvenzeröffnung. Paulsdorff/Wohlleben Kölner Schrift2 S 1655, 1660 (Rn 19). Paulsdorff/Wohlleben Kölner Schrift2 S 1655, 1660 (Rn 20).

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Wiederauflebensklausel

§ 255

Im Insolvenzverfahren ist der PSV zum einen in verfahrensrechtlicher Hinsicht privile- 46 giert, indem für ihn in einem Sanierungsplan eine besondere Gruppe gebildet werden kann (§ 9 IV 1 BetrAVG).137 Da die Gleichbehandlung nur innerhalb der jeweiligen Gruppe zu erfolgen hat (§ 226 I), kann der PSV somit besonders behandelt werden. Gegen seinen Willen kann ein Insolvenzplan ggf nur nach § 245 durchgesetzt werden.138 Zum anderen kann der PSV in einem neuen Insolvenzverfahren als Insolvenzgläubiger Erstattung der von ihm erbrachten Leistungen verlangen, wenn die Eröffnung dieses Verfahrens innerhalb von drei Jahren nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens beantragt wurde und im Insolvenzplan nichts anderes vorgesehen ist (§ 9 IV 2 BetrAVG). Das weicht von § 255 II insoweit ab, als der PSV auch dann am Folgeinsolvenzverfahren beteiligt wird, wenn ihm nach dem Insolvenzplan keine Ansprüche (mehr) zustanden.139 Diese Regelung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass § 7 IV S 3 BetrAVG seit 47 1999140 die Möglichkeit einer sogenannten „horizontalen Aufteilung“ der Pensionslasten zwischen dem Pensionssicherungsverein und dem Schuldner nach Zeitabschnitten ermöglicht.141 Danach kann im Insolvenzplan vorgesehen werden, dass der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von einem bestimmten Zeitpunkt an selbst zu erbringen hat, so dass der Anspruch des Versorgungsberechtigten gegen den PSV ab diesem Zeitpunkt erlischt. Dafür war eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erforderlich, weil andernfalls der Versorgungsberechtigte Ansprüche aus § 7 I BetrAVG hätte geltend machen können.142 Eine solche Regelung tritt typischerweise an die Stelle einer nach wie vor auch im In- 48 solvenzplan möglichen „vertikalen Aufteilung“, bei der sich der Schuldner und der PSV die regelmäßige Auszahlung der Pensionsleistungen quotal teilen (§ 7 IV 2 BetrAVG).143 Die „horizontale Aufteilung“ bringt dem PSV einen erheblichen Vorteil, weil die eigene Leistungspflicht dadurch zeitlich begrenzt wird. Dagegen bliebe die „vertikale Aufteilung“ nach festen Quoten, die es schon unter der Geltung des alten Vergleichsrechts gab (§ 7 IV 2 BetrAVG 1974144), auch nach der Sanierung des Unternehmens verbindlich.145 Der Vorteil für den Schuldner liegt bei der „horizontalen Aufteilung“ dagegen darin, dass er in der ers-

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Art 94 Nr 4 RegE EGInsO, BT-Drucks 12/ 3803 S 49 hatte – als Konkretisierung von § 265 I 1 RegE InsO – sogar vorgesehen, dass stets eine eigene Gruppe zu bilden ist. Danach sollten Berechtigte mit gleicher Rechtsstellung und gleichartigen wirtschaftlichen Interessen in einer Gruppe zusammengefasst werden. Nachdem § 222 I 1 nur noch auf die Rechtsstellung abstellt und die wirtschaftliche Interessenlage nur noch für § 222 III 1 von Bedeutung ist, wurde § 9 IV 1 BetrAVG entsprechend angepasst. Vgl BT-RA zu RegE EGInsO Art 94 Nr 4, BT-Drucks 12/7303 S 115. Paulsdorff/Wohlleben Kölner Schrift2 S 1655, 1666 (Rn 42). K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 17. Die Vorschrift geht inhaltlich zurück auf Art 91 Nr 2 EGInsO. Allerdings ist diese Regelung nie in Kraft getreten, sondern im Zuge der Rentenreform 1999 durch eine Neufassung ersetzt worden. Vgl Art 8 Nr 7

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iVm Art 9 Nr 1 des Rentenreformgesetzes v 16.12.1997, BGBl I S 2998. So die Begr zu RegE EGInsO Art 94 Nr 2, BT-Drucks 12/3803 S 111; terminologisch entsprechend Höfer/de Groot/Küpper/Reich/ Höfer/Reich Betriebsrentenrecht20 (Stand: I/2017), § 7 BetrAVG Rn 245; dagegen spricht Silcher/Brandt/Bremer Hdb InsPlanEV Kap 23 Rn 36 hier von einer „Aufteilung nach Zeitablauf“ und mit der horizontalen Aufteilung die in der Praxis angeblich häufige „Aufteilung nach Personenkreisen“ (Rn 30). Vgl Grub FS Ganter, S 3, 5. Vgl Silcher/Brandt/Bremer Hdb InsPlanEV Kap 23 Rn 29. Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung v 19.12.1974, BGBl I S 3610. Vgl im Kontext des Vergleichsverfahrens AEG-Telefunken BVerwGE 98, 280, 282 ff.

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§ 255

Sechster Teil. Insolvenzplan

ten Phase, in der der PSV die Zahlungen vollständig übernimmt, Liquidität spart.146 Allerdings birgt die „horizontale Aufteilung“ für den PSV das Risiko einer Folgeinsolvenz. Verwirklicht sich dieses Risiko, trägt der PSV auch in der zweiten Phase alle ungedeckten Pensionslasten, obwohl dafür nach dem Insolvenzplan die Schuldnergesellschaft einstehen sollte. Dagegen wird der PSV bei einer „vertikalen Aufteilung“ durch die vom Schuldner quotal bereits erbrachten Leistungen an die Anwartschaftsberechtigten entlastet. 49 Der Gesetzgeber ging davon aus, dass § 255 II „für die langfristige Aufteilung der Verpflichtungen aus der betrieblichen Altersversorgung zwischen dem PSVaG und dem sanierten Unternehmen“ nicht passe.147 Dies ist richtig, wenn der PSV keine Barzahlungen vom Schuldner erhält, sondern die Pensionslasten in der zweiten Phase abgenommen bekommt, so dass er von vornherein gar nicht Plangläubiger ist und ohne § 9 IV S 2 BetrAVG am Folgeverfahren nur als Neugläubiger teilnehmen könnte.148 Bei der Bestimmung der Frist für das Wiederaufleben der Insolvenzforderungen aus dem ersten Insolvenzverfahren hat sich der Gesetzgeber an die Höchstdauer der Planüberwachung in § 268 I Nr 2 angelehnt.149

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c) Dingliche Rechte. Dass die nach § 88 erloschenen Rechte nach § 255 nicht wiederaufleben,150 ist selbstverständlich. Dass § 255 – angeblich wegen praktischer Schwierigkeiten – aber auch nicht das Wiederaufleben dinglicher Rechte insbesondere der absonderungsberechtigten Gläubiger regelt, über die im Insolvenzplan ggf verfügt worden ist (§ 223 II),151 ist weniger einsichtig. Insoweit gilt für § 255 dasselbe wie für § 9 VglO, bei dem sich dieselbe Frage stellen konnte, wenn im Konkurs absonderungsberechtigte Gläubiger auf dieses Recht individuell verzichtet hatten (§ 27 I 1 VglO). Zwar könnte ein Pfandrecht nach Rückgabe der Pfandsache nicht ipso iure wiederaufleben (§ 1253 BGB). Gleichwohl ist es naiv zu glauben, dass dinglich gesicherte Gläubiger auf diese Rechte unbedingt verzichten.152 Daher werden andere Gestaltungen empfohlen. Zu denken ist an die bloße Verpflichtung, Sicherheiten nach Erfüllung der Insolvenzplanforderungen freizugeben, oder die Übertragung auf einen doppelnützigen Treuhänder. Denkbar erscheint sogar, die dingliche Verzichtserklärung bei Grundpfandrechten (§§ 1168 II, 1192 II) auflösend zu bedingen (§ 158 II BGB), so dass nach Eintragung der Eigentümergrundschuld mit Eintritt der Bedingung das alte Grundpfandrecht wieder auflebt und das Grundbuch lediglich berichtigt werden müsste.153 Dieser Rückerwerb wäre sogar insolvenzfest (§ 161 II BGB) und

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Begr zu RegE EGInsO Art 94 Nr 2, BTDrucks 12/3803 S 111; Silcher/Brandt/Bremer Hdb InsPlanEV Kap 23 Rn 28. Begr zu RegE EGInsO Art 94 Nr 4, BTDrucks 12/3803 S 112. So auch Flitsch/Chardon DZWIR 2004, 485, 490; Grub FS Ganter, S 3, 9; Paulsdorff/ Wohlleben Kölner Schrift2 S 1655, 1670 f (Rn 54 f). Krit dagegen K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 17. Begr zu RegE EGInsO Art 94 Nr 4, BTDrucks 12/3803 S 112. Vgl in diesem Sinne schon Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 21 lit a) zu § 87 VglO. So ausdrücklich Begr zu RegE §§ 302, 303 BT-Drucks 12/2443 S 213; vgl entsprechend BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: V/2009) § 255 Rn 19; MünchKomm/Huber InsO3 § 255 Rn 15. FK/Jaffé InsO9 § 255 Rn 26

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hält eine besondere Vereinbarung für erforderlich. Entsprechende Überlegungen liegen auch der Beschränkung des § 418 I 3 BGB auf die Einwilligung des Sicherungsgebers unter Ausschluss der Genehmigung zugrunde. Vgl dazu Rodi Die bedingte Zustimmung (2016), S 58 Fn 67. So ausdrücklich Gottwald/Koch/de Bra InsRHdB5 § 69 Rn 11: „wenig realitätsnah“. Allerdings hat OLG Celle WM 1985, 1112, 1113 ohne jede nähere Befassung angenommen, der Verzicht könne nicht unter eine Bedingung gestellt werden; zustimmend BeckOK/Rohe BGB44 § 1168 Rn 3; Erman/Wenzel BGB15 § 1168 Rn 3; jurisPK/ Reischl BGB8 § 1168 Rn 8; aA Staudinger/ Wolfsteiner BGB2015 § 1168 Rn 15. Dem dürfte das Dogma der Bedingungsfeindlichkeit einseitiger (Gestaltungs-)Erklärungen

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Wiederauflebensklausel

§ 255

stünde lediglich unter dem Vorbehalt von § 892 BGB. Da § 255 das Schicksal dinglicher Rechte überhaupt nicht tangiert, steht § 255 III S 2 einer solchen Bedingung nicht entgegen. Soweit Sicherheiten nach dem Inhalt des Plans „wiederaufleben“, sichern sie die ganze Insolvenzforderung und nicht lediglich die Planforderung.154 d) Zinsansprüche aus der Zeit vor Eröffnung des Folgeinsolvenzverfahrens. Soweit 51 Zinsen schon vor Eröffnung des ersten Insolvenzverfahrens entstanden sind, sind die entsprechenden Beträge in diesem Verfahren zusammen mit der zugrundliegenden Hauptforderung als vollrangige Insolvenzforderung (§ 38) anzumelden;155 das Wiederaufleben solcher Nebenforderungen im Folgeverfahren richtet sich nach denselben Grundsätzen wie das Wiederaufleben der Hauptforderung. Nachrangig sind Zinsansprüche im ersten Insolvenzverfahren nur, soweit die Zinsen nach Eröffnung des Verfahrens entstanden sind (§ 39 I Nr 1). Diese Forderungen der „Erstverfahrenszinsen“ leben mit der Eröffnung des Folgeverfahrens wieder auf und begründen dort vollrangige Insolvenzforderungen (§ 38) (vgl Rn 12).156 Eine Frage des materiellen Rechts ist, ob nach Aufhebung des ersten Insolvenzverfah- 52 rens Zinsansprüche auf die dort teilweise erlassenen Hauptforderungen entfallen können, die im Folgeinsolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Da die Hauptforderung, soweit sie erlassen wurde, durch den Insolvenzplan zu einer Naturalobligation umgestaltet wurde, ist bereits auf materiell-rechtlicher Ebene fraglich, ob die Voraussetzungen für Zinsansprüche erfüllt sind.157 Richtigerweise ist dabei davon auszugehen, dass § 255 II die Gestaltungswirkungen des Insolvenzplans ex tunc entfallen lässt,158 soweit mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses überhaupt schon eine unmittelbare „Erlasswirkung“ verbunden war (vgl Rn 14). Soweit es um Verzugszinsen geht (§§ 286, 288 BGB), steht § 286 IV BGB zunächst nicht entgegen, weil der Schuldner schon die Eröffnung des Erstverfahrens zu vertreten hatte. Allerdings besteht ab der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans kein durchsetzbarer Anspruch auf den „erlassenen“ Teil der Insolvenzforderung (vgl Rn 14). Da der Verzug aber eine Pflichtverletzung des Schuldners voraussetzt, kommen Verzugszinsen für die Zeit bis zum Wiederaufleben der Forderung nach § 255 I oder § 255 II nicht in Betracht. Insoweit gilt das gleiche wie bei einer rückwirkenden Genehmigung (§ 184 I BGB), die nicht rückwirkend den Schuldnerverzug begründen kann.159 War für die teilweise erlassene Insolvenzforderung dagegen vertraglich ein Zins

zugrunde liegen, das so allgemein nicht haltbar ist. Denn der Verzicht ist für den Eigentümer lediglich rechtlich vorteilhaft, weshalb er keines Schutzes vor einer unzumutbaren Schwebelage bedarf. Vgl dazu Rodi, Die bedingte Zustimmung (2016), S 152 f. Verfahrensrechtlich könnte einem auflösend bedingten Verzicht entgegenstehen, dass das Grundbuchrecht nach hM keine bedingte Löschung kennt und daher die auflösend bedingte Aufhebung eines Rechts (§ 875 BGB) erst mit endgültigem Ausfall der Bedingung eintragungsfähig ist. Vgl in diesem Sinne Staudinger/Gursky BGB2012 § 875 Rn 30 mwN; aA Bestelmeyer Rpfleger 1994, 189, 191 ff; zur Eintragung eines auflösend bedingten Wohnungsrechts vgl OLG Frankfurt MittBayNot 2016, 231.

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BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: V/2009) § 255 Rn 16 f. Vgl nur MünchKomm/Huber InsO3 § 174 Rn 27. Vgl etwa Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 9. So zutreffend Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 4, B. III. 2 zutreffend hingewiesen. So auch Kamp Das Wiederaufleben teilweise erlassener Insolvenzforderungen nach § 255 II InsO, Teil 4, B. III. 2.3. Vgl dazu etwa OLG Karlsruhe NJW-RR 1986, 57; OLG Rostock NJW 1995, 3127, 3128; BeckOK/Schäfer BGB46 § 177 Rn 32; Staudinger/Gursky BGB2014 § 184 Rn 38 mwN; Latzel AcP 216 (2016), 674, 695 ff.

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§ 255

Sechster Teil. Insolvenzplan

vereinbart, kommt die Rückwirkung des Bedingungseintritts zum Tragen. Dafür würde hier auch eine bloß schuldrechtliche Rückbeziehung der Folgen des Bedingungseintritts genügen (§ 159 BGB).

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e) Sicherheiten für die Planerfüllung. § 255 InsO regelt auch nicht das Schicksal von Sicherheiten, die Dritte für die Erfüllung des Insolvenzplans gestellt haben. Dazu ordnen die romanischen Regelungen zur Aufhebung des Konkordats bei Nichterfüllung (résolution pour inexécution) traditionell ausdrücklich an, dass Bürgen und Mitverpflichtete in diesem Fall nicht frei werden.160 Das Gegenteil galt dagegen bei Nichtigkeit wegen Arglist (nullité pour dol) oder als Folge der Verurteilung wegen betrügerischen Bankrotts (nullité par suite de condamnation pour banqueroute frauduleuse).161 Im preußischen Recht fand sich dann nur noch eine Regelung zur Befreiung der Bürgen, wenn der Akkord wegen betrügerischen Bankrotts nichtig war oder wegen Betrugs vernichtet wurde (§ 205 PrKO 1855).162 Allerdings blieben die für die Akkordgläubiger bestellten Hypotheken und Faustpfandrechte bestehen und gewährten damit ein Vorrecht gegenüber den Neugläubigern, die am fortgesetzten Konkursverfahren beteiligt wurden (§ 206 III PrKO 1855). 54 In späteren deutschen Gesetzen finden sich keine ausdrücklichen Aussagen zum Schicksal der Vergleichs- bzw Plansicherheiten. Maßgeblich ist daher die jeweilige Vereinbarung. Bei Bürgschaften für die Erfüllung der Pflichten aus einem Vergleich hat der BGH angenommen, dass der Bürge bei Eröffnung des Anschlusskonkurses regelmäßig nicht frei wird, es sei denn, dass ein anderer Wille der Vertragsparteien festzustellen ist;163 dasselbe gilt für dingliche Sicherheiten Dritter.164 Allerdings beschränkte sich die Sicherheit in der Regel auf die nach dem Vergleich zu zahlende Quote und erfasste nicht die volle wiederaufgelebte Forderung.165 Diese Auffassung ist auch für § 255 richtig.166 4. Abweichende Vereinbarungen (§ 255 III)

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§ 255 III ordnet an, dass die Vorgaben zur Wiederauflebensklausel in § 255 I, II zugunsten des Schuldners halbzwingend sind.167 Daher sind kassatorische Klauseln, die 160

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Vgl in Frankreich Art 520 III ccom 1838; vgl in Belgien Art 523 II ccom 1851und Art 27 II der Loi sur le concordat préventif de la faillite v 29.6.1887; in Italien Art 634 Codice di commercio del Regno d’Italia von 1865 (= Art 560 des sardischen Codice di commercio von 1842) und Art 843 IV Codice di commercio del Regno d’Italia von 1882. Dagegen war die Nichterfüllung nach Art 34 I des Gesetzes Nr 197 vom 24.5.1903 (GU Nr 126 vom 30.5.1903, S 2190) kein Grund zur Aufhebung eines concordato preventivo. Vgl in Frankreich Art 520 I ccom 1838; vgl in Belgien Art 522 II ccom 1851und Art 26 III der Loi sur le concordat préventif de la faillite v 29.6.1887; in Italien Art 632 III Codice di commercio del Regno d’Italia von 1865 (= Art 558 III des sardischen Codice di commercio von 1842), Art 842 II Codice di commercio del Regno d’Italia von 1882 und Art 33 I des Gesetzes Nr 197 vom 24.5.1903 zum concordato preventivo.

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Zum Fortbestand der Bürgschaft bei einem erneuten Konkurs vgl PrObTr v 7.11.1865, Striethorst 62 (1867), 19, 24 f. BGH WM 1957, 1006 f; WM 1963, 916, 918. BGH WM 1966, 281, 282 f. Vgl Bley/Mohrbutter VglO4 § 9 Rn 15 lit c); Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn 14. Vgl BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: V/2009) § 255 Rn 16; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 255 Rn 13; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 255 Rn 4; MünchKomm/Huber InsO3 § 255 Rn 27; Schmidt/Martini SanierungsR § 255 Rn 13; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 255 Rn. 14. Im Entwurf einer Vergleichsordnung von 1933 war dies ausdrücklich nur für den Verzug vorgesehen (§ 9 I 2), nicht aber für den Konkurs (§ 9 II).

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Wiederauflebensklausel

§ 255

strenger sind als § 255 I, II, nicht nur unwirksam, sondern auch unzulässig (Rn 57).168 Dadurch wird erreicht, dass der Schuldner besser geschützt wird als nach der KO, die gar keine Regelungen zum Wiederaufleben enthalten und die Frage damit ganz der Vereinbarung im Zwangsvergleich überlassen hat. Abweichungen von § 255 I, II müssen im gestaltenden Teil des Insolvenzplans genannt 56 sein (§§ 255 III 1, 221).169 Dabei müssen Regelungen zugunsten des Schuldners keineswegs den Rechtszustand unter der KO herstellen, so dass Rückstände oder die Eröffnung eines Folgeinsolvenzverfahrens für Erlassverträge und Stundungen irrelevant bleiben. Möglich ist vielmehr zum einen auf der Tatbestandsseite, die Voraussetzungen für das Wiederaufleben zu verschärfen und dabei namentlich die Nachfrist zu verlängern oder einen Mindestumfang des Leistungsrückstandes zu definieren.170 Zum anderen kann auf der Rechtsfolgenseite bestimmt werden, dass ein Erlass oder eine Stundung nur teilweise hinfällig werden.171 So könnte der Insolvenzplan etwa für das gerechtere altfranzösische Bruchteilsmodell (s Rn 36, 44) optieren. Eine Abweichung zulasten des Schuldners (§ 255 III 2) läge insbesondere in der Ver- 57 kürzung der Nachfrist, in der Erweiterung von § 255 I auf bestrittene und nicht titulierte Forderungen oder bei § 255 II in der Anknüpfung an einen erneuten Insolvenzantrag. In allen diesen Fällen hätte der Insolvenzplan bereits von Amts wegen zurückgewiesen (§ 231 I 1 Nr 1) und die Bestätigung von Amts wegen versagt werden müssen (§ 250 Nr 1). Ist der Plan gleichwohl rechtskräftig bestätigt worden, ändert dies nichts daran, dass Abweichungen zu Lasten des Schuldners nicht vorgesehen werden konnten. Damit bleibt es auch bei fehlerhafter Bestätigung des Insolvenzplans bei § 255 III S 2. Umstritten ist, ob Besserungsscheine mit § 255 III S 2 vereinbar sind.172 Dafür spricht 58 die „institutionalisierte Besserungsklausel“ in § 7 IV S 5 BetrAVG.173 Danach soll im Insolvenzplan vorgesehen werden, dass „bei einer nachhaltigen Besserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers“ die vom PSV zu erbringenden Leistungen ganz oder zum Teil wieder vom Arbeitgeber übernommen werden. Was bei der Betriebsrente sogar zum Sollinhalt des Insolvenzplans gehört, kann aber für andere Bereiche nicht nach § 255 III unzulässig sein. Dementsprechend können bestimmte Zahlungsverpflichtungen des Schuldners etwa an das Erreichen bestimmter betriebswirtschaftlicher Kennzahlen geknüpft werden. Darin liegt keine auflösende Bedingung eines Teilverzichts, sondern eine aufschiebend bedingte Insolvenzplanforderung.174 5. In § 255 nicht übernommene Gründe für die Aufhebung des Insolvenzplans § 255 regelt die Voraussetzungen, unter denen bestimmte Wirkungen des Insolvenz- 59 plans nach dessen rechtskräftiger Bestätigung wegfallen und alte Rechte kraft Gesetzes

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Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 255 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14§ 255 Rn 18; aA für § 255 II Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 255 Rn 8. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 30. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 30. MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 30.

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Abl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 31. Begriff nach Paulsdorff/Wohlleben Kölner Schrift2 S 1655, 1667 (Rn 45); vgl im Einzelnen Flitsch/Chardon DZWIR 2004, 485, 487 f; zur Kritik an der Regelung vgl Grub FS Ganter, S 3, 9 ff. Ähnlich Brünkmans/Thole/Madaus Hdb InsPlan § 23 Rn 25.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

wiederaufleben können, abschließend. Damit markiert die Regelung den Abschluss einer langen Entwicklung. So war es im 19. Jahrhundert – ausgehend vom französischen Recht von 1838 – selbstverständlich, dass das Konkordat bei nachträglich festgestellter Arglist oder bei Verurteilung wegen betrügerischen Bankrotts nichtig war (Rn 36).175 Dies galt namentlich für Italien,176 Belgien,177 Preußen,178 Österreich,179 Luxemburg180 und Deutschland.181 In der Schweiz konnte dagegen nur der Widerruf eines auf unredliche Weise zustande gekommenen Nachlassvertrags beantragt werden.182 60 Wie schon von der Kommission für Insolvenzrecht in ihrem Ersten Bericht gefordert,183 sind derartige Regelungen in das Recht des Insolvenzplans nicht übernommen worden. Mögliche unlautere Machenschaften sind heute nur noch nach § 250 Nr 2 relevant, nicht aber mehr nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans. Insolvenzstraftaten sind dagegen nur noch bei der Restschuldbefreiung natürlicher Personen von Bedeutung (§§ 290 I Nr 1, 297), nicht aber im Insolvenzplanverfahren.

§ 256 Streitige Forderungen. Ausfallforderungen (1) 1Ist eine Forderung im Prüfungstermin bestritten worden oder steht die Höhe der Ausfallforderung eines absonderungsberechtigten Gläubigers noch nicht fest, so ist ein Rückstand mit der Erfüllung des Insolvenzplans im Sinne des § 255 Abs. 1 nicht anzunehmen, wenn der Schuldner die Forderung bis zur endgültigen Feststellung ihrer Höhe in dem Ausmaß berücksichtigt, das der Entscheidung des Insolvenzgerichts über das Stimmrecht des Gläubigers bei der Abstimmung über den Plan entspricht. 2Ist keine Entscheidung über das Stimmrecht getroffen worden, so hat das Gericht auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers nachträglich festzustellen, in welchem Ausmaß der Schuldner vorläufig die Forderung zu berücksichtigen hat. (2) 1Ergibt die endgültige Feststellung, daß der Schuldner zuwenig gezahlt hat, so hat er das Fehlende nachzuzahlen. 2Ein erheblicher Rückstand mit der Erfüllung des Plans ist erst anzunehmen, wenn der Schuldner das Fehlende nicht nachzahlt, obwohl der Gläubiger ihn schriftlich gemahnt und ihm dabei eine mindestens zweiwöchige Nachfrist gesetzt hat.

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Vgl Art 520 I ccom 1838. Vgl Art 558 I, II des sardischen Codice di commercio von 1842 und wörtlich entsprechend Art 632 I, II des italienischen Codice di commercio von 1865. Vgl Art 521 I, 522 I ccom 1851und Art 26 I der Loi sur le concordat préventif de la faillite v 29.6.1887. Vgl §§ 202, 203 PrKO 1855. Vgl §§ 241, 242 der Concursordnung v 25.12.1868, öRGBl 1/1869. Vgl Art 521 I, 522 I ccom idF des Gesetzes v 2.7.1870, Memorial I, S 177 und Art 26 I

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des Gesetzes über Präventiv-Concordate bei Fallimenten v 14.4.1886 Memorial I, S 225. Vgl §§ 182, 183 KO 1879 bzw §§ 196, 197 KO; §§ 88, 89 VglO. Danach begründete die Arglist allerdings nur ein individuelles Anfechtungsrecht. Der bloße Irrtum war nach RGZ 57, 270, 271 dagegen irrelevant. Art 316 I SchKG 1889. Vgl 1. Ber InsRKomm LS 2.2.29 II.

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Streitige Forderungen. Ausfallforderungen

§ 256

(3) Ergibt die endgültige Feststellung, daß der Schuldner zuviel gezahlt hat, so kann er den Mehrbetrag nur insoweit zurückfordern, als dieser auch den nicht fälligen Teil der Forderung übersteigt, die dem Gläubiger nach dem Insolvenzplan zusteht. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.3.6, 2.4.8.2; DiskE/RefE § 292; RegE § 303; Begr zu RegE § 303, BT-Drucks 12/2443 S 213. Vorgängerregelung: § 97 VglO (Begr Deutsche Justiz 1935, 389, 392). Literatur S zu § 254; Bongartz Fragen zum vergleichsgerichtlichen Feststellungsverfahren nach § 97 VglO, KTS 1977, 80; Breutigam/Kahlert Forderungsfeststellung im Planverfahren – eine unendliche Geschichte?, ZInsO 2002, 469; Lakkis Anmerkung zu einem Urteil des BAG vom 19.11.2015 (6 AZR 559/14) – Zur Ausschlussfrist im Insolvenzplan, KTS 2016, 241; Paul Insolvenzplan: Können nicht angemeldete Forderungen i.S.v. §§ 255, 256 InsO „wieder aufleben“?, ZInsO 2011, 1590; Stephan Die „vergessenen Gläubiger“ im Verbraucherinsolvenzplan, NZI 2014, 539.

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . 1 2. Normzweck und Regelungszusammenhang . . . . . . . . . . . . 4 II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . . 5 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . 5 a) Unmittelbare Anwendung auf bestrittene Forderungen . . . . . 5 aa) Grundsätzliches zu bestrittenen Forderungen . . 5 bb) Mögliche Bedeutung von § 189 . . . . . . . . . . . . . 7 cc) Titulierte Forderungen . . . . 9 dd) Bedeutung des Widerspruchs des Schuldners . . . . . . . . 10 ee) Bedeutung des Widerspruchs anderer Gläubiger . . . . . . 13 b) Analoge Anwendung auf nicht angemeldete Forderungen . . . . 15 c) Ausfall der Absonderungsberechtigten . . . . . . . . . . . . 18

Rn. 2. Vorläufige Berücksichtigung der bestrittenen Forderung bzw des Ausfalls . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidung über das Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachträgliche Feststellung der vorläufigen Berücksichtigung . . . 3. Rechtsfolgen der vorläufigen Festsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bedeutung des Antragsrechts nach § 256 I S 2 . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolgen der endgültigen Feststellung der Forderung bzw des Ausfalls a) Formen der endgültigen Feststellung . . . . . . . . . . . . . . b) Höhere Feststellung (§ 256 II) . . c) Niedrigere Feststellung (§ 256 III) aa) Leistungskondiktion . . . . . bb) Anspruchsumfang . . . . . . cc) Erforderlichkeit der Regelung . . . . . . . . . . . 6. Abweichende Regelungen im Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

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§ 256, der seit 1.1.1999 unverändert gilt, geht auf § 97 VglO zurück, der sich seinerseits eng an § 55f öAO 19341 anlehnt;2 in der VglO 1927 und im Entwurf von 1933,3 der auf gemeinsamen Vorarbeiten in Deutschland und Österreich beruhte,4 war eine entsprechende Regelung dagegen noch nicht vorgesehen. Bereits § 97 VglO stand in engem Regelungszusammenhang mit § 9 VglO,5 wenn auch äußerlich in einem anderen Regelungskontext: § 9 VglO gehörte aus historischen Gründen zu den Regelungen über den Vergleichsvorschlag (§ 255 Rn 4), während § 97 VglO – ähnlich wie § 256 – im Abschnitt über die Aufhebung des Verfahrens und die Überwachung der Vergleichserfüllung zu finden war. 2 § 97 I VglO regelte zunächst die Behandlung bestrittener Forderungen und des der Höhe nach noch ungewissen Ausfalls dinglich gesicherter Vergleichsgläubiger, für die noch keine Entscheidung über das Stimmrecht6 ergangen war. In diesen Fällen setzte das Vergleichsgericht die mutmaßliche Höhe der Forderung bzw des Ausfalls auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers vorläufig fest. Diese Festsetzung hatte den Zweck, dass die Rechtsfolge von § 9 I VglO nicht eintreten konnte, wenn der Schuldner entsprechend dieser Festsetzung – oder einer Entscheidung über das Stimmrecht – Zahlungen auf die Vergleichsforderung geleistet hat (§ 97 II). Dadurch wurde vermieden, dass er aufgrund eines möglichen fahrlässigen Irrtums über den Bestand der Forderung in Verzug geriet. Erst nach der endgültigen Feststellung der Forderung bzw der Höhe des Ausfalls musste der Schuldner „das Fehlende nachzahlen“ (§ 97 III 1 VglO). In Verzug kam er aber nur, wenn er „den Fehlbetrag trotz einer vom Gläubiger unter Einräumung einer mindestens zweiwöchigen Nachfrist an ihn gerichteten Mahnung nicht bezahlt hat“ (§ 97 III 2 VglO). Hatte der Schuldner dagegen zu viel bezahlt, konnte er „den Mehrbetrag nur insoweit zurückfordern, als der Gläubiger durch die vom Schuldner geleisteten Zahlungen mehr erhalten hat als die gesamte ihm nach dem Vergleich zustehende, wenn auch noch nicht fällige Forderung“ betrug (§ 97 IV VglO). Diese Regelungen sind – nunmehr auch äußerlich im Regelungskontext von § 255 – in 3 § 256 im Wesentlichen übernommen worden. § 292 DiskE wollte dagegen die Regelung in § 97 IV VglO nicht übernehmen, weil sich das Rückforderungsrecht bereits aus zivilrechtlichen Grundsätzen ergebe.7 Stattdessen sah § 292 III DiskE die entsprechende Anwendung von § 292 I, II auf den Ausfall absonderungsberechtigter Gläubiger vor. § 292 I S 1 RefE hat den Ausfall der absonderungsberechtigten Gläubiger dagegen als zweite Alternative neben die bestrittenen Forderungen platziert und in § 292 III RefE die Regelung zu den

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Österreichische Ausgleichsordnung idF der Verlautbarung v 10.9.1934, öBGBl II Nr 221/1934. Vgl entsprechend § 66 AO idF von Art I Nr 36 des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982, öBGBl Nr 370/1982 und heute § 156b IO. So Begr zu § 97 VglO, Deutsche Justiz 1935, 389, 393; BGHZ 32, 218, 220. Entwurf einer Vergleichsordnung nebst Einführungsgesetz und Begründung, veröffentlicht durch das Reichsjustizamt (1933) = EVglO III.

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Vgl die Allgemeine Begründung des EVglO III (Fn 3), S 38. So Begr § 97 VglO, Deutsche Justiz 1935, 389, 392. Vgl § 71 II, III VglO, der funktional § 77 II, III Nr 2 entsprach. Dagegen stand eine Einigung über das Stimmrecht der gerichtlichen Entscheidung nicht gleich. Vgl BGH NJW 1996, 1058. So Begr zu § 292 DiskE, S B265.

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Streitige Forderungen. Ausfallforderungen

§ 256

Überzahlungen des Schuldners aufgenommen; begründet wird diese Änderung jedoch nicht. Daneben finden sich in §§ 292 I, II RefE drei kleinere sprachliche Korrekturen gegenüber § 292 I, II DiskE, die hier nicht näher dargestellt zu werden brauchen. § 292 RefE entspricht – bis auf die jeweilige Anpassung des Verweises – wörtlich § 303 RegE, der im Gesetzgebungsverfahren wiederum unverändert in § 256 übernommen worden ist. 2. Normzweck und Regelungszusammenhang Wie sich aus der Entstehungsgeschichte ergibt, ergänzt § 256 die tatbestandlichen Vo- 4 raussetzungen von § 255 I, indem der dortige Begriff des erheblichen Rückstands für streitige Forderungen präzisiert wird. Außerdem wird ein besonderer Mechanismus zur vorläufigen Feststellung der Forderung etabliert.

II. Einzelerläuterung 1. Anwendungsbereich a) Unmittelbare Anwendung auf bestrittene Forderungen aa) Grundsätzliches zu bestrittenen Forderungen. § 256 I gilt unmittelbar nur für For- 5 derungen, die im Prüfungstermin bestritten worden sind. Daraus folgt, dass die Forderung zuvor angemeldet worden sein muss (§ 176 S 1) und damit am Verfahren teilgenommen hat. Jedenfalls entsprechend gilt § 256 I aber auch, wenn eine Forderung erst nach dem Prüftermin angemeldet worden ist, weil dann entweder ein besonderer Prüftermin stattzufinden hat oder die Prüfung im schriftlichen Verfahren erfolgt (§ 177 I 2). Wird die Forderung dabei bestritten, ist sie genauso zu behandeln wie wenn der Widerspruch im Prüfungstermin erhoben werden wäre.8 Das Gleiche gilt schließlich, wenn das schriftliche Verfahren im Zeitpunkt der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans noch andauert.9 Entgegen seinem irreführenden Wortlaut stellt § 256 I S 1 nicht (allein) darauf ab, ob 6 die Forderung im Prüfungstermin bestritten worden ist. Zum einen ist der Gesetzeswortlaut zu eng, weil das Bestreiten im schriftlichen Verfahren ebenfalls genügt.10 Darüber hinaus steht – soweit man dem Schuldnerwiderspruch Bedeutung beimisst (Rn 10 f) – das schriftsätzliche Bestreiten bei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dem Bestreiten im Prüfungstermin gleich (§ 186 II). Zum anderen ist der Gesetzeswortlaut aber auch zu weit. Ist der Widerspruch vor der Bestätigung des Insolvenzvergleichs durch rechtskräftige Forderungsfeststellung (§ 183 I) oder durch Rücknahme beseitigt worden und die Forderung damit festgestellt (§ 178 I 1), besteht für eine Anwendung von § 256 I kein Raum. Insoweit gilt hier nichts anderes als bei § 201 II S 2 und § 257 I S 2. Erlangt der Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein ganzes Vermögen zurück, kann er auch einen Widerspruch des Insolvenzverwalters, der sowohl den (nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr relevanten) Interessen

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Vgl entsprechend MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 7. So auch HK/Haas InsO9 § 256 Rn 2. Insoweit liegt (nur) ein Redaktionsversehen vor, weil das schriftliche Verfahren erst auf

Empfehlung des Rechtsausschusses eingeführt worden ist. Vgl BT-RA zu RegE § 204, BT-Drucks 12/7302 S 178 f. Dies ist redaktionell zwar in §§ 178 I 1, 184 I 1 berücksichtigt worden, nicht aber in § 256 I.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

der anderen Gläubiger (vgl Rn 13) als auch dem Interesse des Schuldners dient (vgl Rn 10), zurücknehmen (vgl § 257 Rn 9).

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bb) Mögliche Bedeutung von § 189. Dagegen kommt es für § 256 I nicht darauf an, dass der Gläubiger rechtzeitig die Erhebung der Feststellungsklage nachweist.11 Entgegen einer im Schrifttum vielfach vertretenen Auffassung12 kann der Schuldner nach Maßgabe von § 256 I vielmehr auch solchen Gläubigern gegenüber in Rückstand geraten, die die Forderungsfeststellung (noch) nicht betrieben haben. § 189 I ist unmittelbar nur anwendbar, wenn der Insolvenzverwalter ein Verteilungsverzeichnis aufstellt, das vom Insolvenzgericht öffentlich bekannt gemacht wird (§ 188). Versäumt es ein dort nicht berücksichtigter Gläubiger, die Erhebung der Feststellungsklage gegenüber dem Insolvenzverwalter innerhalb von zwei Wochen seit der öffentlichen Bekanntmachung nachzuweisen, wird die Forderung bei der angekündigten Verteilung nicht berücksichtigt (§ 189 III). Handelte es sich um eine Abschlagsverteilung (vgl § 187 II 1), kann der Gläubiger den Nachweis vor der nächsten Verteilung führen und erhält dann vorab den Betrag, der ihn mit den übrigen Gläubigern gleichstellt (§ 192). Ein materieller Rechtsverlust ist mit § 189 III daher nicht verbunden. Führt der Gläubiger den Nachweis bis zur Schlussverteilung (§ 196) nicht, nimmt er zwar an der insolvenzmäßigen Befriedigung insgesamt nicht teil. Sein Nachforderungsrecht (§ 201 I) bleibt jedoch bestehen.13 8 Diese kurze Skizze der Rechtsfolgen von § 189 III zeigt, dass § 189 I bei § 256 I auch nicht analog angewendet werden kann, wenn es um die Rechtsverfolgung der Gläubiger gegen den Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) geht. In jedem Fall können auch die Gläubiger angemeldeter, aber bestrittener Forderungen dann zur Not im Klagewege Befriedigung nach Maßgabe des rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans verlangen (§ 254b).14 Richtigerweise muss der Schuldner bestrittene Forderungen aber auch vorläufig nach Maßgabe der Stimmrechtsentscheidung befriedigen, um nicht in Rückstand zu geraten (§§ 256 I 1, 255 I InsO), selbst wenn der Gläubiger sein Recht nicht im Klageweg verfolgt. Ob die bestrittene Forderung tatsächlich besteht, kann er nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens selbst im Wege einer negativen Feststellungsklage klären lassen. § 189 III kann daher nur Bedeutung erlangen, wenn im Insolvenzplan eine insolvenzmäßige Verteilung nach Eintritt der Rechtskraft, aber vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens vorgesehen ist, für die § 189 I entsprechend gelten soll.15

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cc) Titulierte Forderungen. Zweifelhaft ist, ob § 256 auch auf titulierte Forderungen anwendbar ist. Ist die Forderung bestritten, aber tituliert oder sogar erstinstanzlich ausgeurteilt, obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch etwa durch Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens zu verfolgen (§§ 179 II, 180 II). Solche Forderungen nehmen daher auch ohne Nachweis der Rechtsverfolgung an der insolvenzmäßigen Verteilung teil (§ 189

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So iE auch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 256 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 256 Rn 3; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 256 Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 256 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 7; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 256 Rn 2; Schmidt/Martini SanierungsR § 256 Rn 8. BeckOK/Freund InsO10 § 256 Rn 2; Breutigam/Kahlert ZInsO 2002, 469, 470; Graf-

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Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 256 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 256 Rn 3; MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 256 Rn 2. So zutreffend BAGE 153, 271 Rn 24 unter Verweis auf Stephan NZI 2014, 539, 541. So BAGE 153, 271 Rn 22 ff. Zu einem solchen Fall vgl BGH ZIP 2010, 1499 Rn 7.

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Streitige Forderungen. Ausfallforderungen

§ 256

I). Liegt bereits ein gerichtliches Urteil vor, das die Insolvenzforderung für begründet erachtet hat, passt aber auch § 256 I nicht mehr richtig. Hat etwa das Landgericht der ursprünglichen Leistungsklage eines Insolvenzgläubigers in einem vorläufig vollstreckbaren Urteil stattgegeben, besteht kein Raum für eine vorläufige Feststellung des Insolvenzrichters (Rn 27), „in welchem Ausmaß der Schuldner die Forderung vorläufig zu berücksichtigen hat“ (§ 256 I 2). Vielmehr muss der Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und damit dem Ende des Vollstreckungsverbots (§ 89 I) ggf Vollstreckungsschutz beantragen (§§ 719 I 1, 707 ZPO). Die Anwendung von § 256 III wird bei der Vollstreckung aus vorläufig vollstreckbaren Urteilen regelmäßig durch § 717 II, III ZPO überlagert. Damit bleibt nur die Anwendung von § 256 II S 2 sinnvoll, der wie § 255 I besondere Anforderungen an die Erheblichkeit des Rückstandes stellt. dd) Bedeutung des Widerspruchs des Schuldners. Im Schrifttum wird darüber hinaus 10 einhellig angenommen, dass auch der Widerspruch des Schuldners persönlich – wie nach § 178 I S 2 – irrelevant sein soll.16 Dagegen hat § 97 I VglO darauf abgestellt, ob die Forderung vom Schuldner oder vom Vergleichsverwalter bestritten worden war. Warum für § 256 I etwas anderes gelten soll, ergibt sich aus den Materialien nicht und wird auch im Schrifttum nirgends dargelegt. § 178 I S 2 beruht darauf, dass der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein zur Masse gehörendes Vermögen verloren hat. Zwar hat auch der Schuldner im Insolvenzverfahren ein Interesse daran, dass die Passivmasse möglichst gering ist, weil ihm ggf der Überschuss bei der Schlussverteilung gebührt (§ 199 S 1). Nach § 80 I nimmt dieses Interesse jedoch der Insolvenzverwalter wahr. Daher muss der Widerspruch des Schuldners „für die allein die Masse betreffende Insolvenzteilnahme und insolvenzmäßige Befriedigung irrelevant bleiben“.17 Aus demselben Grund kann auch der Schuldner, der der Forderung widersprochen hat, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gegenüber einem Insolvenzgläubiger nicht geltend machen, dieser habe an der Verteilung der Masse zu Unrecht partizipiert, und die Dividende kondizieren.18 Für einen Zugriff auf das sonstige, nicht (mehr) massebefangene Vermögen des Schuld- 11 ners ist dessen Widerspruch dagegen erheblich (§§ 201 II, 257 I 1, 2). Die Befriedigung der Planforderungen findet regelmäßig nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens statt (§ 258 I). Ist im Insolvenzplan etwas anderes vorgesehen, kann der Schuldner nicht in Rückstand geraten, solange er über sein Vermögen nicht verfügen kann (vgl § 255 Rn 16). Noch stärker als durch die Planforderungen wird das sonstige Vermögen des Schuldners betroffen, wenn die vom Schuldner bestrittene Forderung wegen eines erheblichen Rückstandes wiederauflebt (§ 255 I) und damit ganz zu befriedigen ist. Daher besteht in diesem Fall kein Grund, dem Schuldner den Schutz durch § 256 I zu versagen.

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So Braun/Braun/Frank InsO7 § 256 Rn 3; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 256 Rn 7; HambK/Thies InsO6 § 256 Rn 2; Hess/Hess InsO2 § 256 Rn 3; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 256 Rn 2; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 5; MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 7; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 256 Rn 2 mit Rn 1; Paul ZInsO 2011, 1590, 1592; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 256 Rn 2; implizit auch

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BeckOK/Freund InsO10 § 256 Rn 2; aA anscheinend BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: V/2009) § 256 Rn 3. So zutreffend Jaeger/Gerhardt InsO § 178 Rn. 9. Organtheoretisch gedacht, lässt sich dieses Ergebnis mit § 325 I ZPO begründen, weil der Schuldner dann als Rechtsnachfolger an die rechtskräftige Feststellung des Beteiligungsrechts im Verhältnis des Gläubigers zur Masse gebunden ist.

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§ 256 12

Sechster Teil. Insolvenzplan

Würde man dagegen § 255 I direkt anwenden, müsste der Schuldner die von ihm bestrittene Forderung nach Maßgabe des gestaltenden Teils des Insolvenzplans befriedigen, um das Wiederaufleben zu verhindern. Ihm bliebe dann bloß die Möglichkeit, einen vorinsolvenzlich geführten Prozess wieder aufzunehmen oder selbst negative Feststellungsklage zu erheben. Befriedigt er die bestrittene Forderung bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage nicht, kann der Gläubiger allerdings auch nicht vollstrecken (§ 257 I 1), es sei denn, er hätte vorinsolvenzlich einen Titel erwirkt (vgl Rn 9). Daher ist die Anwendung von § 256 in diesem Fall interessengerecht.

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ee) Bedeutung des Widerspruchs anderer Gläubiger. Während der Widerspruch des Schuldners bei § 256 I relevant sein muss, leuchtet es umgekehrt nicht ein, wieso im Schrifttum einhellig angenommen wird, dass ein Widerspruch eines Insolvenzgläubigers für die Anwendung des § 256 I relevant sein soll (vgl auch § 257 Rn 6).19 Im Vergleichsrecht war dies – anders als beim Stimmrecht (§ 71 I 1 VglO) – ausdrücklich nicht der Fall (§ 97 VglO).20 An den sachlichen Gründen für diese Regelung hat sich auch im Insolvenzrecht nichts geändert. Das Widerspruchsrecht der anderen Gläubiger beruht im Insolvenzverfahren darauf, dass die Quote für alle Gläubiger von der Höhe der Passivmasse abhängt. Daher greift die Feststellung einer Forderung zur Tabelle in die Befriedigungsrechte der anderen Gläubiger ein. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens findet aber – vorbehaltlich der Nachtragsverteilung zurückbehaltener Beträge (§§ 189 II, 203 I Nr 1) – keine kollektive Befriedigung mehr statt. Daher tritt bei einer Feststellungsklage des einen Gläubigers gegen den anderen bei der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 258 I in der Regel Erledigung ein.21 Ab diesem Zeitpunkt hat jeder Gläubiger eine individuelle Planforderung gegen den Schuldner. Befriedigt der Schuldner eine von einem anderen Gläubiger bestrittene Planforderung, mag dies zwar faktisch die Durchführung des Insolvenzplans gefährden. Subjektive Rechte der anderen Plangläubiger werden dadurch aber grundsätzlich nicht verletzt.22 Daher haben Gläubiger auch kein Antragsrecht nach § 259a (vgl § 259a Rn 4). Subjektive Rechte der anderen Gläubiger werden erst in einem erneuten Insolvenzverfahren berührt, in dem jeder Gläubiger die Forderung (wieder) bestreiten kann (§ 178 I 1). 14 Schließlich passt auch die Rechtsfolge von § 256 I S 1 hier nicht. Wenn sich der Schuldner und der Gläubiger über den Bestand der Planforderung einig sind, besteht keine Veranlassung, für die vorläufigen Zahlungen auf die Stimmrechtsentscheidung zurückzugreifen, die einen ganz anderen Interessengegensatz lösen sollte (vgl Rn 20). Eine Entscheidung nach § 256 I S 2 könnte hier nur zu dem Ergebnis kommen, dass die Forderung in voller Höhe zu berücksichtigen ist. Schließlich wird es wegen der Erledigung eines möglichen Feststellungsstreits zwischen den Gläubigern (Rn 13) nie zu einer endgültigen Feststellung iSv § 256 II kommen. Daher sind Forderungen, die nur von anderen Gläubigern bestritten worden sind, nicht aber vom Insolvenzverwalter oder vom Schuldner, ab der Aufhebung

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So aber BeckOK/Freund InsO10 § 256 Rn 2; BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: V/2009) § 256 Rn 3; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 256 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 256 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19§ 256 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 5; MünchKomm/ Huber InsO3 § 256 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 255 Rn 2.

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20 21 22

Vgl Bley/Mohrbutter VglO4 § 97 Rn 4. So zutreffend Jaeger/Gerhardt InsO § 179 Rn 105. So auch der 1. Ber InsRKomm S 197, weil der Schuldner nach Rückgewähr der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis „nicht gehindert werden kann, die bestrittene Forderung zu erfüllen“.

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Streitige Forderungen. Ausfallforderungen

§ 256

des Insolvenzverfahrens als unstreitig zu behandeln. Daher ist in diesen Fällen § 255 I anzuwenden. b) Analoge Anwendung auf nicht angemeldete Forderungen. Für Forderungen, die 15 nicht rechtzeitig angemeldet worden waren (§ 67 VglO), hat der BGH zu §§ 9, 97 VglO angenommen, dass das Wiederaufleben der einzelnen Forderung wegen Verzugs nach § 9 I keine vorläufige Entscheidung nach § 97 II VglO voraussetzt; vielmehr sei es Aufgabe des Schuldners, der eine Forderung aus Rechts- oder tatsächlichen Gründen bestreitet, eine solche Entscheidung herbeizuführen, um die Rechtsfolgen des § 9 I VglO auszuschließen.23 Dagegen war die Rechtsprechung zu Verfallsklauseln nach § 7 VglO 1927 noch von einem weiten Begriff des entschuldbaren Rechtsirrtums ausgegangen, um unbillige Härten zulasten des Schuldners zu vermeiden.24 Damit hat der BGH § 97 I VglO über bestrittene Forderung im engen Sinne (§ 71 I 1 VglO) hinaus auf alle angewendet, die nicht im Gläubigerverzeichnis (§§ 6, 67 III VglO) enthalten und damit nicht anerkannt waren.25 Nur § 97 II VglO blieb auf bestrittene Forderungen im engeren Sinne beschränkt. Dieses weite Verständnis des Bestreitens kann allerdings nicht auf § 256 I InsO über- 16 tragen werden, weil der Schuldner zur Eröffnung des Verfahrens kein Gläubigerverzeichnis vorlegen muss. Das Vergleichsverfahren konnte nur auf Antrag des Schuldners eröffnet werden, dem ein detailliertes Gläubigerverzeichnis beizufügen war (§§ 2 I 2, 4 I Nr 2, 6 VglO). War eine Verbindlichkeit dort nicht verzeichnet, konnte man darin ein implizites Bestreiten des Schuldners sehen. Wurde die Forderung später rechtzeitig angemeldet (§ 67 I VglO), hatte sich der Schuldner darüber ausdrücklich zu erklären (§ 70 Hs 2 VglO). Wurde die Forderung dagegen nicht (rechtzeitig) angemeldet, blieb es bei der impliziten Erklärung des Schuldners. Zwar ist dem Schuldnerantrag heute noch ein Gläubigerverzeichnis beizufügen (§ 13 I 3). Da das Insolvenzverfahren aber auch auf Antrag eines Gläubigers eröffnet werden kann (§ 13 I 2) und alle Forderungen anzumelden sind (§ 174), kann heute nicht mehr von einem impliziten Bestreiten des Schuldners (vgl Rn 10 ff) ausgegangen werden. Der BGH hat seine frühere Rechtsprechung zu § 97 I, II VglO zu § 256 aufgegeben.26 17 Zwar hält er daran fest, dass das Insolvenzgericht eine vorläufige Feststellung (§ 256 I 2) auch bei nicht angemeldeten Forderungen treffen kann; insoweit besteht Kontinuität zur Anwendung von § 97 I VglO. Diese vorläufige Feststellung soll aber Voraussetzung für den Eintritt eines erheblichen Rückstandes iSv § 255 I sein; dies wäre gleichbedeutend mit der Anwendung von § 97 II VglO. Damit hat der BGH das Instrument der vorläufigen Fest-

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BGHZ 32, 218, 221 ff; vgl entsprechend noch BGH NJW 1996, 1058, 1059. Dort war die Vergleichsforderung allerdings der Höhe nach nicht bestimmt und damit ungeachtet des § 30 VglO nicht fällig. So OLG Dresden KuT 1931, 159. Danach war ein „über den gewöhnlichen Schuldnerverzug hinausgehendes Verschulden“ erforderlich. Vgl Bley/Mohrbutter VglO4 § 97 Rn 5; krit Bongartz KTS 1977, 80, 81 f. BGH ZIP 2012, 1359 Rn 17 ff; vgl entsprechend zuvor Paul ZInsO 2011, 1590, 1592; aA noch OLG Celle ZIP 2011, 1577, 1579

als Vorinstanz; zust heute BeckOK/Freund InsO10 § 256 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 256 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 356 Rn 5 f; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 8; MünchKomm/ Huber InsO3 § 256 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 256 Rn 9; abl HambK/Thies InsO6 § 256 Rn 4, der gegen eine analoge Anwendung den „eindeutigen Wortlaut des Abs. 1“ ins Feld führt. Da die Analogie methodisch zur Rechtsfindung jenseits der Wortlautgrenze führt, geht dieser Einwand offensichtlich fehl.

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§ 256

Sechster Teil. Insolvenzplan

setzung nach § 256 I S 2 von einer Schuldnerschutzvorschrift zu einer Voraussetzung des Rückstandes umgewandelt. Diesen Wandel begründet der BGH mit der Umgestaltung des Insolvenzplanverfahrens, das im Gegensatz zum Vergleichsverfahren keinen Antrag des Schuldners mehr voraussetze und dessen der Schuldner auch nicht „würdig“ sein muss.27 Damit obliegt es nicht mehr dem Schuldner, die Durchführung des Insolvenzplans gegen Forderungen von Nachzüglern zu schützen, sondern diesen, die Voraussetzungen für das Wiederaufleben ihrer Forderungen (§ 255 I) herbeizuführen.28 Im Schrifttum war dagegen – noch weitergehend zugunsten der Plandurchführung – vorgeschlagen worden, dass die Rechtsfolgen von § 255 I bei nicht angemeldeten Forderungen erst eintreten könnten, wenn der Gläubiger ein Leistungsurteil erstritten hat.29 Dafür findet sich in §§ 255, 256 allerdings keine Stütze.

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c) Ausfall der Absonderungsberechtigten. Die zweite Alternative in § 256 I S 1 knüpft an § 52 S 2 Alt 2 an. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass auch bei unstreitigen Forderungen die Höhe des Ausfalls vom Verwertungserlös abhängt. Da der Insolvenzgläubiger nur in Höhe dieses Ausfalls an der anteilsmäßigen Befriedigung teilnimmt, kann auch die Höhe der Insolvenzplanforderung beim Eintritt der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses noch unbestimmt sein, wenn der Gegenstand noch nicht verwertet und die Höhe der Befriedigung des Gläubigers etwa nach Abzug der Kosten (vgl § 170 I, § 109 ZVG) festgestellt worden ist.30 Aus dem Bezug zu § 52 S 2 ergibt sich zugleich, dass dem Gläubiger ein zur abgesonderten Befriedigung berechtigendes Recht an einem Vermögensgegenstand des Schuldners zustehen muss. Dagegen ist die Möglichkeit der Befriedigung des Gläubigers aus einem Gegenstand eines Dritten (sog Realbürgschaft) analog § 43 ohne Einfluss auf die angemeldete Forderung.31 19 Für die Anwendung von § 256 I S 1 spielt es keine Rolle, ob das Verwertungsrecht nach Maßgabe von §§ 165, 166 im laufenden Insolvenzverfahren beim Gläubiger oder beim Insolvenzverwalter liegt. Das Verwertungsrecht ist vielmehr nur relevant für die Frage, ob der absonderungsberechtigte Gläubiger die Höhe des Ausfalls zur Teilnahme an der insolvenzmäßigen Verteilung nachweisen (§ 190 I) oder glaubhaft machen muss (§ 190 II). Dies ist nicht der Fall, wenn der Insolvenzverwalter selbst zur Verwertung berechtigt ist (§ 190 III). Wie § 189 ist aber auch § 190 jedenfalls für die Befriedigung der Insolvenzplangläubiger nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ohne Bedeutung (vgl Rn 8).32 2. Vorläufige Berücksichtigung der bestrittenen Forderung bzw des Ausfalls

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a) Entscheidung über das Stimmrecht. Grundsätzlich richtet sich die Befriedigung der Forderungen, für die § 256 anwendbar ist, nach der „Entscheidung des Insolvenzgerichts über das Stimmrecht des Gläubigers bei der Abstimmung über den Plan“. Verwiesen wird damit auf die Entscheidung nach §§ 237 I, 77 II S 2, III Nr 2, die von der Entscheidung

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BGH ZIP 2012, 1359 Rn 20 f. BGH ZIP 2012, 1359 Rn 22. So HambK/Thies InsO6 § 256 Rn 4. Vgl MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 8. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 6 verweist bei der Verwertung durch den Gläubiger auf den Nachweis nach § 190 I. Vgl Jaeger/Henckel InsO § 43 Rn 22.

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So auch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 256 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 256 Rn 3; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 256 Rn 2; aA BeckOK/Freund InsO10 § 256 Rn 4; Haarmeyer/Wutzke/ Förster/Wenzel InsO2 § 256 Rn 10; MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 8; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 256 Rn 3.

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Streitige Forderungen. Ausfallforderungen

§ 256

über das Stimmrecht in der Gläubigerversammlung (§ 77 II 2, III Nr 2) zu unterscheiden ist. Dieser Verweis ist nicht ganz unproblematisch, weil der Stimmrechtsentscheidung ein Interessenkonflikt innerhalb der Gläubigerschaft zugrunde liegt, während es hier um einen Interessenkonflikt zwischen einem einzelnen möglichen Gläubiger und dem Schuldner geht. Schon deshalb ist es richtig, dass eine Einigung des Insolvenzverwalters mit den erschienenen Gläubigern (§§ 237 I 1, 77 II 1) einer solchen gerichtlichen Entscheidung nicht gleichsteht.33 Soweit eine Forderung im Insolvenzverfahren bis zur Abstimmung über den Insolvenzplan gar nicht angemeldet worden ist, ist für die Anwendung von § 256 I S 1 allerdings kein Raum, weil eine Stimmrechtsentscheidung dann nicht vorliegen kann. Im Gegensatz zur Entscheidung nach § 77 II S 2, die unanfechtbar der Rechtspfleger 21 trifft (§ 11 III 2 RPflG), ist die Entscheidung über das Stimmrecht der Insolvenzgläubiger bei der Abstimmung über den Insolvenzplan (§§ 237 I 1) seit dem ESUG34 dem Richter vorbehalten (§ 18 I Nr 2 RPflG). Dagegen hatte § 18 III S 1 RPflG 199935 noch ausdrücklich angeordnet, dass die Entscheidung des Rechtspflegers über die Gewährung des Stimmrechts nach §§ 77, 237, 238 nicht die in § 256 I S 1 bezeichneten Rechtsfolge hat.36 Dieser Vorbehalt ist seit der Übertragung der Entscheidungskompetenz auf den Richter bei § 237 I S 1 entbehrlich und daher durch das ESUG gestrichen worden.37 Die Änderungen von § 18 RPflG sind – abweichend von den Änderungen der InsO – erst zum 1.1.2013 in Kraft getreten.38 Kurz vor diesem Datum hat der Gesetzgeber angeordnet, dass § 18 I Nr 2 RPflG nur in Insolvenzverfahren gilt, die nach dem 1.1.2013 eröffnet worden sind (Art 103g S 2 EGInsO39). Daher kann die Entscheidung über die Gewährung des Stimmrechts über den Insolvenzplan in Verfahren, die vor dem 1.1.2013 eröffnet worden sind, immer noch vom Rechtspfleger getroffen werden. Bei dieser nachträglichen Änderung des Übergangsrechts auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages40 ist versäumt worden, auch für § 18 III S 1 RPflG 1999 eine entsprechende Regelung zu schaffen. Da vorläufige Entscheidungen über die Befriedigung ungewisser Insolvenzforderungen aber dem Richter vorbehalten sind (vgl Rn 27), muss auch § 18 III S 1 RPflG 1999 übergangsweise weiter angewendet werden, soweit der Rechtspfleger die Stimmrechtsentscheidung getroffen hat. b) Nachträgliche Feststellung der vorläufigen Berücksichtigung. Nur „wenn keine 22 Entscheidung über das Stimmrecht getroffen worden“ ist, ist eine separate Entscheidung des Insolvenzgerichts über die vorläufige Berücksichtigung der fraglichen Forderung vorgesehen (§ 256 I 2). Diese Situation tritt ein, wenn sich die im Erörterungs- und Abstim33

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So zu § 97 VglO schon BGH NJW 1996, 1058. Ebenso BeckOK/Freund InsO10 § 256 Rn 9; Braun/Braun/Frank InsO7 § 256 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 11; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 256 Rn 2; aA Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 256 Rn 4; Hess/Hess InsO2 § 256 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 256 Rn 5; Schiessler Insolvenzplan, S 199; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 256 Rn 7. Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v 7.12.2011, BGBl I S 2582. IdF von Art 14 Nr 5 EGInsO. Hintergrund der erst im Gesetzgebungsverfahren eingefügten entsprechenden Regelung

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in § 19 IV RPflG 1969 (BGBl I S 2065) waren Bedenken im Hinblick auf Art 19 IV GG, wenn der Rechtspfleger mittelbar unanfechtbar auch über die vorläufige Berücksichtigung streitiger Vergleichsforderungen entscheidet. Vgl den Bericht des BT-RA zu RegE RPflG § 19, BT-Drucks V/4341 S 5. Vgl Begr zu RegE ESUG Art 5 Nr 2 (Änderung von § 18 RPflG), BT-Drucks 17/5712 S 44. Vgl Art 10 S 1 ESUG. IdF von Art 19 des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften v 5.12.2012, BGBl I S 2418. Vgl BT-RA zu RegE Art 21, BT-Drucks 17/ 11385 S 20.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

mungstermin anwesenden Gläubiger und der Insolvenzverwalter über das Stimmrecht geeinigt haben (§§ 237 I 1, 77 II 1) (vgl Rn 20).41 Das Gleiche gilt, wenn nur der Schuldner Widerspruch erhoben hatte (vgl Rn 10 ff), weil dieser für das Stimmrecht bedeutungslos war (§§ 237 I 1, 77 I 1). Darüber hinaus ist an den Fall zu denken, dass der Gläubiger kein Stimmrecht hatte, weil seine Forderung durch den Insolvenzplan nicht berührt worden ist (§§ 237 II, 238 II).42 Eine Stimmrechtsentscheidung fehlt notwendigerweise auch, wenn die Forderung nicht (rechtzeitig) angemeldet worden ist.43 Schließlich ist § 256 I S 2 auch anwendbar, wenn die Stimmrechtsentscheidung – lege artis nur in Altfällen – vom Rechtspfleger getroffen worden ist und daher nicht die in § 256 I S 1 bezeichneten Rechtsfolge haben kann (vgl Rn 21). 23 Aus der Formulierung in § 256 I S 2 kann aber nicht geschlossen werden, dass das Insolvenzgericht in anderen als den oben genannten Fällen an einer entsprechenden Entscheidung gehindert ist. Vielmehr ist hier – wie etwa bei Beschlüssen nach § 707 II ZPO – davon auszugehen, dass das Gericht seine eigene Entscheidung – auch auf Anregung eines Beteiligten – ändern kann.44 Da dies für die Entscheidung über das Stimmrecht nach der Bestätigung des Insolvenzplans nicht mehr möglich ist, muss sich die Abänderung auf die Wirkungen nach § 256 I S 1 beschränken. Eine solche Abänderungsbefugnis ist wegen der einschneidenden Folgen von § 255 I geboten. Wenn sich nachträglich erhebliche Zweifel an der Begründetheit der Forderung ergeben oder bspw das Grundstück, an dem für den Gläubiger ein Grundpfandrecht besteht, vor der Zwangsversteigerung erheblich im Wert steigt, könnte der Schuldner seine Zahlungen eigentlich einstellen bzw reduzieren. Damit liefe er jedoch Gefahr, letztlich doch zu wenig zu bezahlen, so dass die ganze Forderung nach Maßgabe von § 255 I wiederaufleben würde. Der Schuldner kann sich daher genötigt sehen, vorläufig weiter zu zahlen, ohne dass der Gläubiger für den Rückforderungsanspruch (§ 256 III) Sicherheit leisten müsste.45 Daher muss in einem solchen Fall die Möglichkeit bestehen, über die vorläufige Berücksichtigung der bestrittenen Forderung bzw des Ausfalls erneut zu entscheiden.46 24 In § 97 I VglO war ausdrücklich angeordnet, dass die Entscheidung des Vergleichsgerichts auch nach Aufhebung des Vergleichsverfahrens ergehen konnte.47 Eine entsprechende Bestimmung ist in § 256 I S 2 nicht ausdrücklich übernommen worden. Gleichwohl ist nicht erkennbar, dass sich an der früheren Rechtslage insoweit etwas geändert hätte.48 Nur wenn ein neues Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, kommt eine Entscheidung nach § 256 I S 2 schon wegen § 255 II nicht mehr in Betracht.49 25 Gegenstand der Entscheidung ist, „in welchem Ausmaß der Schuldner vorläufig die Forderung zu berücksichtigen hat“ (§ 256 I 2). Dieser Begriff, der sich auch in § 256 I S 1 findet, ist im Vorfeld der Reform zu Recht als „schwammig“ kritisiert worden.50 Wie

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Vgl MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 16. Vgl MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 16. Vgl MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 16 verweist insoweit allerdings zu pauschal auf § 177. Zu § 707 ZPO vgl MünchKomm/Götz ZPO5 § 707 Rn 22. Vgl zu diesem Kritikpunkt de lege ferenda auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 3.

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Wegen der angenommenen Auswirkungen auf das Stimmrecht abl Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 12. Vgl dazu BGH NJW 1996, 1058. So auch MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 18. So auch MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 18. So Bork in Leipold (Hrsg) Insolvenzrecht im Umbruch, S 51, 55.

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Streitige Forderungen. Ausfallforderungen

§ 256

sich aus § 97 II VglO ergibt, ist damit die Berücksichtigung bei der Erfüllung des Insolvenzplans gemeint. Das Gericht bringt in dem Beschluss zum Ausdruck, welche Zahlungen der Schuldner vorläufig erbringen muss, um nicht in Rückstand zu geraten. Den Maßstab der Entscheidung bildet bei bestrittenen oder nachträglich geltend ge- 26 machten Forderungen die Prognose über den Forderungsgrund und ggf die Forderungshöhe. Ist der Forderungsgrund streitig, kann das Insolvenzgericht auch einen an der Bestehenswahrscheinlichkeit orientierten Betrag festsetzen, obwohl der Anspruch im streitigen Verfahren nur vollständig zu- oder abgesprochen werden könnte. Zwar suggeriert der Terminus „festzustellen“, dass es sich bei der Entscheidung um einen kognitiven Akt handelt; für einen kreativen Akt wäre dagegen der Begriff „festzusetzen“ besser. Gleichwohl wird das Gericht den Interessen beider Parteien besser gerecht, wenn es einen solchen Mittelweg einschlagen kann. Insoweit gilt für Stimmrechtsentscheidungen dasselbe wie für § 256 I S 2. Bei ungewissem Ausfall ist dagegen der an den Gläubiger auszukehrende Erlös zu schätzen. Ist in absehbarer Zeit mit der Feststellung einer streitigen Forderung oder des Ausfalls zu rechnen, kann das Gericht auch zum Ergebnis kommen, dass vorläufig keine Zahlungen zu leisten sind. Die Entscheidung ist dem Richter vorbehalten. Dies ergibt sich heute aus § 18 I Nr 2 27 RPflG. Im Ergebnis gilt dasselbe aber auch bei den vor dem 1.1.2013 eröffneten Verfahren (vgl Rn 21), war aber nur indirekt aus § 18 III S 1 RPflG 1999 abzuleiten.51 Die richterliche Entscheidung darf nur ergehen, wenn der anderen Seite zuvor rechtli- 28 ches Gehör gewährt worden ist. Ob es sich bei der Entscheidung um die Ausübung rechtsprechender Gewalt iSv Art 92 GG handelt und damit Art 103 I GG anwendbar ist, oder ob der Anspruch auf Gehör aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 III GG) folgt, kann dabei dahinstehen. Dass eine solche richterliche Entscheidung unanfechtbar ist (vgl § 6 I 1), begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.52 3. Rechtsfolgen der vorläufigen Festsetzung Die Rechtsfolgen von § 256 I beschränken sich auf § 255 I. Solange der Schuldner Zah- 29 lungen entsprechend der vorläufigen Festsetzung leistet, liegt kein Rückstand vor. Dagegen begründet die Festsetzung keine Zahlungspflicht und der Beschluss keinen Vollstreckungstitel iSv § 794 ZPO. Damit kann der Schuldner – quasi auf eigenes Risiko – auch weniger zahlen, als nach § 256 I bestimmt worden ist, oder die Zahlung ganz verweigern.53 Es ist daher nicht richtig anzunehmen, dass der Schuldner mit der Erfüllung des Plans stets in Rückstand gerät, wenn er die Zahlungen nach Maßgabe von § 256 I trotz Nachfrist (§ 255 I 2) nicht leistet.54 Vielmehr setzt § 255 I S 1 stets voraus, dass der Schuldner mit tatsächlich geschuldeten Zahlungen in Rückstand ist.

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52

So auch Paul ZInsO 2011, 1590, 1592 f; vgl entsprechend heute noch MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 20. Diese aus den Vorauflagen tradierte Aussage ist heute allerdings überholt. AA Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 256 Rn 16.

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Ebenso Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 16. Abw MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 23. Richtig dagegen FK/Jaffé InsO9 § 256 Rn 8.

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§ 256

Sechster Teil. Insolvenzplan

4. Bedeutung des Antragsrechts nach § 256 I S 2

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Wie bei der Behandlung nicht angemeldeter Forderungen gesehen, kommt dem Antragsrecht nach § 256 I S 2 eine besondere Bedeutung zu, wenn eine Entscheidung über das Stimmrecht iSv § 256 I S 1 nicht ergangen ist (vgl Rn 17). Wie weiter oben gesehen, kann diese Situation aber auch bei angemeldeten und bestrittenen Forderungen eintreten (vgl Rn 20). Begreift man die vorläufige richterliche Entscheidung über das Stimmrecht (§ 256 I 1) bzw die vorläufig zu leistenden Zahlungen (§ 256 I 2) als Voraussetzung dafür, dass der Schuldner in Rückstand geraten kann, bleibt eine bloße Nachfristsetzung nach § 255 I S 2 ohne rechtliche Folgen. Die Frage, wie sich ein Antrag des Schuldners nach § 256 I S 2 auf den Lauf der Nachfrist auswirkt,55 beruht dagegen noch auf dem überholten Verständnis von § 256 I S 2 als reiner Schuldnerschutzvorschrift und ist daher aus heutiger Sicht falsch gestellt. 5. Rechtsfolgen der endgültigen Feststellung der Forderung bzw des Ausfalls

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a) Formen der endgültigen Feststellung. Die vorläufige Festsetzung verliert ihre Legitimation, wenn die bestrittene Forderung bzw der Ausfall endgültig festgestellt worden sind. Eine solche Feststellung kann sich aus einer rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, aus der Rücknahme des Widerspruchs (vgl §§ 178 I 1, 257 I 2) oder aus dem Abschluss der Verwertung dinglicher Sicherheiten ergeben.56

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b) Höhere Feststellung (§ 256 II). Stellt sich bei der endgültigen Feststellung der Forderung bzw des Ausfalls heraus, dass die vorläufige Festsetzung zu niedrig war, muss der Schuldner den Differenzbetrag nachzahlen. Diese Pflicht ergibt sich nicht aus § 256 II S 1, sondern aus der Insolvenzforderung iVm dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans.57 Daher hat § 256 II S 1 keinen eigenständigen normativen Gehalt. Von eigenständiger Bedeutung ist dagegen § 256 II S 2, der die Mindestanforderungen an den Rückstand bei unbestrittenen Forderungen (§ 255 I S 2) weitgehend wörtlich auf den Rückstand mit der Nachzahlung überträgt.58 Seit die Frist in § 255 I S 2 an die in § 256 II S 2 angeglichen worden ist (s § 255 Rn 1), hätte es daher genügt, in § 256 II S 2 für die Definition des erheblichen Rückstandes die entsprechende Anwendung von § 255 I S 2 anzuordnen. c) Niedrigere Feststellung (§ 256 III)

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aa) Leistungskondiktion. Stellt sich bei der endgültigen Feststellung der Forderung durch eine rechtskräftige Entscheidung bzw des Ausfalls nach Verwertung des Sicherungsguts heraus, dass die Forderung gar nicht bestand bzw die vorläufige Festsetzung zu hoch war, kann der Schuldner die Leistungen kondizieren. Im Schrifttum wird dabei regelmäßig eine Leistungskondiktion (§ 812 I 1 Alt 1 BGB) angenommen.59 Dies ist im Er-

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Vgl dazu MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 24. Vgl MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 25. Zutr MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 25. Abw HambK/Thies InsO6 § 256 Rn 10; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 17: lediglich klarstellende Bedeutung.

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So Bley/Mohrbutter VglO4 § 97 Rn 25 lit d); BeckOK/Freund InsO10 § 256 Rn 11; FK/ Jaffé InsO9 § 256 Rn 17; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 256 Rn 2; Leonhardt/ Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 256 Rn 9; MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 27; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 69.

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Streitige Forderungen. Ausfallforderungen

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gebnis richtig. Zwar zahlt der Schuldner, der die Forderung jedenfalls in der festgesetzten Höhe bestreitet, vorrangig mit dem Ziel, den Eintritt der Rechtsfolgen von § 255 I in jedem Fall zu vermeiden. Wie bei Zahlungen zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aus vorläufig vollstreckbaren Urteilen ist die Leistung aber auch darauf gerichtet, die Insolvenzplanforderung zu erfüllen, wenn ihr Bestand endgültig festgestellt wird.60 Stellt sich dagegen später heraus, dass keine Insolvenz- und damit auch keine Insolvenzplanforderung besteht, steht dem Titelschuldner die condictio indebiti zu, die bei der Vollstreckung aus vorläufig vollstreckbaren Urteilen allerdings durch den Schadensersatzanspruch aus § 717 II, III ZPO61 überlagert wird. Als Anspruchsgrundlage ist § 256 III daher entbehrlich. Seine Funktion liegt vielmehr darin, den bereicherungsrechtlichen Anspruch punktuell zu modifizieren. So kann § 256 III zum einen als lex specialis zu § 254 III entnommen werden, dass der 34 Schuldner selbst dann kondizieren kann, wenn er insgesamt weniger geleistet hat als nach der ursprünglichen Insolvenzforderung geschuldet.62 Diese Wirkungsweise soll an einem Beispiel erläutert werden: Hat das Insolvenzgericht den Ausfall eines absonderungsberechtigten Gläubigers auf 1.000 Euro geschätzt und der Schuldner darauf die vereinbarte Quote von 30 % (300 Euro) bezahlt, kann er 150 Euro zurückverlangen, wenn der Ausfall endgültig mit 500 Euro festgestellt wird. Dass die empfangenen 300 Euro immer noch weniger waren als die ursprünglich geschuldeten 500 Euro, steht dem Anspruch nicht entgegen. Allerdings lässt sich dieses Ergebnis auch genuin bereicherungsrechtlich begründen, weil der Schuldner keinesfalls auf die zum Teil erlassene Insolvenzforderung leistet, sondern allenfalls auf die vermeintliche Insolvenzplanforderung.63 Zum anderen folgt aus § 256 III als lex specialis zu § 814 Alt 1 BGB, dass dieser An- 35 spruch auch dann nicht ausgeschlossen ist, wenn der Schuldner fest davon ausging, dass die Forderung nicht oder jedenfalls nicht in der nach § 256 I maßgeblichen Höhe bestanden hat.64 Allerdings stellt § 814 Alt 1 BGB nur einen gesetzlich geregelten Fall des venire contra factum proprium dar.65 Diesen Vorwurf kann man dem Schuldner aber ohnehin nicht machen, wenn er Zahlungen entsprechend der vorläufigen gerichtlichen Festsetzung nach § 256 I S 2 leistet. Daher käme man auch ohne § 256 III zum selben Ergebnis.

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Vgl dazu BGHZ 86, 268, 269 f; BGH NJW 1990, 2756; Kerwer Die Erfüllung in der Zwangsvollstreckung (1996), S 254 ff; insgesamt aA Pecher Die Schadensersatzansprüche aus ungerechtfertigter Vollstreckung (1967), S 175. Zur Rechtsnatur von § 717 III vgl nur BGHZ 189, 320 Rn 12 ff. So Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 19; MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 28; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 256 Rn 13; wohl auch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 256 Rn 9; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 256 Rn 10; Schmidt/Martini SanierungsR § 256 Rn 12; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 69.

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 256 Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 256 Rn 8. BeckOK/Freund InsO10 § 256 Rn 11; MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 27; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 256 Rn 6; Schmidt/Martini SanierungsR § 256 Rn 11. Vgl in diesem Sinne schon Thibaut System des Pandekten-Rechts2 Band 1 (1805), § 82 (S 61): „weil Niemand befugt ist, seine eigene Handlung als widerrechtlich anzufechten“. Zu § 814 BGB vgl in diesem Sinne BGHZ 73, 202, 205; BGH NJW 1997, 2381, 2382; Reuter/Martinek Bereicherungsrecht (1983), S 183; Staudinger/Lorenz BGB2007 § 814 Rn 2.

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§ 256

Sechster Teil. Insolvenzplan

36

bb) Anspruchsumfang. Beim Anspruchsinhalt wird im Schrifttum regelmäßig für die Anwendbarkeit von § 820 I S 1 BGB plädiert.66 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, obwohl § 820 I S 1 BGB unmittelbar nur bei der condicio ob rem (§ 812 I 2 Alt 2 BGB) anwendbar ist.67 Die beiderseitige Ungewissheit, die als materialer Regelungsgrund hinter § 820 I BGB steht,68 besteht aber auch bei Leistungen unter Vorbehalt, wenn der (vermeintliche) Gläubiger dem Vorbehalt nicht widerspricht. Daher ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, dass § 820 I BGB in einem solchen Fall auf die Leistungskondiktion analog anzuwenden ist.69 Eine vergleichbare Situation besteht aber auch, wenn der Schuldner auf eine bestrittene Insolvenzplanforderung leistet. Damit richtet sich die Haftung des (vermeintlichen) Gläubigers „nach den allgemeinen Vorschriften“ (§ 818 IV BGB); der Einwand der Entreicherung (§ 818 III BGB) ist ausgeschlossen. 37 Schließlich modifiziert § 256 III den Inhalt des Anspruchs dahingehend, dass der Schuldner nur solche Zahlungen kondizieren kann, die nach dem Insolvenzplan endgültig nicht (mehr) geschuldet waren. Damit verbleiben dem Gläubiger die Zahlungen, die nach Maßgabe des Insolvenzplans nur vorfällig bezahlt worden sind. Dies deckt sich mit der bereicherungsrechtlichen Regelung in § 813 II BGB; insoweit geht § 256 III aber als lex specialis vor. Die Wirkungsweise dieser Regelung soll an einem Beispiel erläutert werden: Nach dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans hat der Schuldner einer bestimmten Gläubigergruppe für zwei Jahre monatlich 2 % auf ihre Forderungen zu zahlen. Nach dem Beschluss des Insolvenzgerichts ist die bestrittene Forderung von Gläubiger G in Höhe von 10.000 Euro vorläufig mit 50 % zu berücksichtigen. Schuldner S zahlt im ersten Jahr daher (12 × 100 =) 1.200 Euro an G. Nach einem Jahr wird endgültig festgestellt, dass die Forderung nur in Höhe von 3.000 Euro besteht. Damit steht G eine Gesamtdividende von (24 × 60 =) 1.440 Euro zu. Obwohl S damit im Vergleich mit dem Zahlungsplan im Insolvenzplan bisher (12 × 40 =) 480 Euro zu viel bezahlt hat, steht ihm kein Rückzahlungsanspruch zu. Allerdings muss er in den kommenden acht Monaten keine Zahlungen mehr an G leisten. Würde dagegen festgestellt, dass die Forderung nur in Höhe von 2.000 Euro besteht, stünde G nur eine Gesamtdividende von (24 × 40 =) 960 Euro zu, so dass S 240 Euro kondizieren könnte.

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cc) Erforderlichkeit der Regelung. Lässt man den Regelungsgehalt von § 256 III Revue passieren, ist nachvollziehbar, dass § 292 DiskE eine entsprechende Regelung nicht vorgesehen hatte (Rn 1). Bis auf den Ausschluss von § 254 III entspricht der Rückzahlungsanspruch des Schuldners dem allgemeinen Bereicherungsrecht. Aber auch der Ausschluss von § 254 III wäre nicht zwingend erforderlich gewesen, weil der Schuldner die Insolvenzforderung nicht unbedingt befriedigen wollte, sondern nur unter der aufschiebenden Bedingung der endgültigen Feststellung, dass die Zahlung auch nach Maßgabe des Insolvenzplans geschuldet war (vgl § 254 Rn 40). Gleichwohl ist zu begrüßen, dass § 256 zur Klarstellung auch eine Regelung für Überzahlungen des Schuldners enthält. Andernfalls stünde § 256 II isoliert, und das Fehlen einer Regelung für den umgekehrten Fall könnte zu (fehlerhaften) Schlüssen e contrario verleiten.

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So Bley/Mohrbutter VglO4 § 97 Rn 25 lit d); FK/Jaffé InsO9 § 256 Rn 17; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 18; MünchKomm/Huber InsO3 § 256 Rn 27; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 256 Rn 16.

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Vgl MünchKomm/Schwab BGB7 § 820 Rn 1; Staudinger/Lorenz BGB2007 § 820 Rn 1. Vgl MünchKomm/Schwab BGB7 § 820 Rn 1; Staudinger/Lorenz BGB2007 § 820 Rn 1. BGH NJW 1989, 161; NJW 2006, 286, 288; MünchKomm/Schwab BGB7 § 820 Rn 3; Staudinger/Lorenz BGB2007 § 820 Rn 5.

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Vollstreckung aus dem Plan

§ 257

6. Abweichende Regelungen im Insolvenzplan § 256 wird im Schrifttum zum Teil für dispositiv gehalten.70 Dafür spricht, dass § 256 39 I, II dem Schutz des Schuldners vor den Wirkungen von § 255 I bei bestrittenen Forderungen dient. Wenn bereits das Wiederaufleben als solches dispositiv ist (§ 255 III), muss dasselbe erst recht für die Modalitäten gelten, solange diese zugunsten des Schuldners verändert werden. Insoweit gilt für § 256 I, II nichts anderes als für § 255 I. Daher können im Insolvenzplan ohne Weiteres höhere Anforderungen für die Annahme eines erheblichen Rückstandes mit bestrittenen und nicht angemeldeten Forderungen vorgesehen werden. Regelungen, die die Befriedigung bestrittener Forderungen etwa durch die Vereinbarung der analogen Anwendung von § 189 III (vgl Rn 7 ff) ausschließen wollen, sind dagegen nicht möglich.71

§ 257 Vollstreckung aus dem Plan (1) 1Aus dem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan in Verbindung mit der Eintragung in die Tabelle können die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. 2Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. 3§ 202 gilt entsprechend. (2) Gleiches gilt für die Zwangsvollstreckung gegen einen Dritten, der durch eine dem Insolvenzgericht eingereichte schriftliche Erklärung für die Erfüllung des Plans neben dem Schuldner ohne Vorbehalt der Einrede der Vorausklage Verpflichtungen übernommen hat. (3) Macht ein Gläubiger die Rechte geltend, die ihm im Falle eines erheblichen Rückstands des Schuldners mit der Erfüllung des Plans zustehen, so hat er zur Erteilung der Vollstreckungsklausel für diese Rechte und zur Durchführung der Vollstreckung die Mahnung und den Ablauf der Nachfrist glaubhaft zu machen, jedoch keinen weiteren Beweis für den Rückstand des Schuldners zu führen. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.2.24 Abs. 3; DiskE/RefE § 293; RegE § 304; Begr zu RegE § 304, BT-Drucks 12/2443 S 214. Vorgängerregelung: § 194 KO; §§ 85, 86 VglO; § 16 VI GesO. Literatur S zu § 254; Gaul Negative Rechtskraftwirkung und konkursmäßige Zweittitulierung, FS Weber (1975), S 155; Jaeger Die Neuordnung der Geschäftsaufsicht, JW 1917, 66, 134, 189, 261, 326, 436, 507; Jelinek § 53a Ausgleichsordnung – Bedeutung und Wirkungen, ÖJZ 1970, 5; Pape Zur Konkurrenz der Vollstreckung aus einer Eintragung in die Konkurstabelle und einem vor Konkurseröffnung erwirkten Titel, KTS 1992, 185; Schoppmeyer Rechtskraftwirkungen im Insolvenzverfahren, ZInsO 2016, 2157.

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 256 Rn 20; MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 221 Rn 58; Rendels/Zabel Insolvenzplan Rn 604.

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Vgl zu einer solchen Ausschlussklausel BAGE 153, 271 Rn 22 ff und dazu Lakkis KTS 2016, 241, 245 ff.

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§ 257

Sechster Teil. Insolvenzplan

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . 2. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelkommentierung . . . . . . . . . . 1. Vollstreckung der Planforderungen . a) Tabellenauszug und bestätigter Insolvenzplan als Titel . . . . . . b) Betroffene Forderungen . . . . . aa) Festgestellte und vom Schuldner nicht bestrittene Forderungen . . . . . . . . . (1) Widerspruch eines anderen Gläubigers . . . (2) Widerspruch des Insolvenzverwalters bzw des Sachwalters . . . . . (3) Widerspruch des Schuldners . . . . . . . . bb) Absonderungsberechtigte . . cc) Sachleistungsansprüche . . . c) Möglicher Vollstreckungsschuldner . . . . . . . . . . . . . d) Möglicher Vollstreckungsgläubiger . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1 1 2 3 3 3 5

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9 10 11 13 14

Rn. e) Vollstreckungsvoraussetzungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . aa) Vollstreckungsklausel . . . . bb) Zustellung . . . . . . . . . . f) Rechtsschutz in der Zwangsvollstreckung aus der Tabelle und dem Plan . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsschutz des Gläubigers . bb) Rechtsschutz des Schuldners . g) Vollstreckung aus früheren Titeln aa) Nicht angemeldete oder festgestellte Forderungen . . . bb) Angemeldete und festgestellte Forderungen . . . . . . . . . 2. Vollstreckung gegen sogenannte Plangaranten . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsschutz des Plangaranten . . c) Zweites Insolvenzverfahren . . . . 3. Vollstreckung der wiederaufgelebten Forderung . . . . . . . . . . . . . . .

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24 24 25 29 29 30 34 34 45 50 51

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

1

§ 257, der seit 1.1.1999 unverändert gilt, geht unmittelbar auf §§ 85, 86 VglO zurück,1 die ihrerseits im deutsch-österreichischen Entwurf von 1933 wurzeln.2 An die Stelle von § 86 VglO ist heute der Verweis auf § 202 getreten (§ 257 I S 3). Vergleichbare Regelungen wie in § 257 I, II fanden sich auch in § 194 KO, der ergänzend auf § 164 III KO verwiesen hat. Da die KO keine Wiederauflebensklausel kannte (s § 255 Rn 3), enthielt § 194 KO keine mit § 257 III vergleichbare Bestimmung. Die heutige Regelung entspricht – bis auf die Anpassung der Verweisung – wörtlich § 293 RefE und § 304 RegE; nur in § 293 I S 1 DiskE war statt vom „Insolvenzplan“ wie in der Überschrift schlicht vom „Plan“ die Rede. 2. Überblick

2

§ 257 I regelt wie § 201 II die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I). Daher kann für die Zuständigkeit für den Rechtsschutz in der Zwangsvollstreckung auf die dortige Regelung (§ 202) verweisen werden (§ 257 I 3). Gegenstand der Vollstreckung sind hier die nicht bedienten

1 2

Begr zu RegE § 304, BT-Drucks 12/2443 S 214. Vgl § 85 des Entwurfs einer Vergleichsordnung nebst Einführungsgesetz und Begründung, veröffentlicht durch das Reichsjustizamt (1933), S 24 (= EVglO III). Vgl dazu auch Rn 50. Dass der (Zwangs-)Vergleich

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auch außerhalb des Konkursverfahrens Titelwirkung hat, war in Deutschland schon in § 61 der Geschäftsaufsicht von 1916 (RGBl S 1363) vorgesehen. Im österreichischen Ausgleichsrecht findet sich eine entsprechende Regelung erstmals in § 53a öAO 1925 (öBGBl II Nr 103/1925).

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Vollstreckung aus dem Plan

§ 257

Planforderungen. § 257 II erklärt den Insolvenzplan bei Verpflichtungen Dritter (§ 230 III) zum Vollstreckungstitel und ersetzt damit funktional die Vollstreckungsunterwerfung nach § 794 I Nr 5 ZPO. § 257 III regelt schließlich die Vollstreckung der ursprünglichen Forderung, falls diese nach § 255 I wieder aufgelebt ist.

II. Einzelkommentierung 1. Vollstreckung der Planforderungen a) Tabellenauszug und bestätigter Insolvenzplan als Titel. § 257 I regelt die verein- 3 fachte Vollstreckung von Planforderungen in Anlehnung an § 201 II. Allerdings besteht zwischen beiden Fällen ein wesentlicher Unterschied. Bei § 201 II dient allein der sogenannte vollstreckbare Tabellenauszug als Titel, auf dem lediglich der Umfang der bereits erfolgten Erfüllung (§ 362 I BGB) durch die vorgenommenen Ausschüttungen vermerkt werden.3 Dagegen muss § 257 I S 1 darauf Rücksicht nehmen, dass die ursprünglichen Insolvenzforderungen durch den gestaltenden Teil des Insolvenzplans in der Regel wesentlich modifiziert worden sind und jedenfalls nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden können (vgl § 254 I, III). Daher kann nur der gestaltende Teil des Insolvenzplans in Verbindung mit dem Bestätigungsbeschluss nebst Rechtskraftvermerk und dem Tabellenauszug als Vollstreckungstitel dienen.4 Im Schrifttum findet sich dagegen häufig noch die Formulierung, dass nicht der Plan, sondern der Tabelleneintrag den Titel bildet.5 Auch das österreichische Recht weist in diese Richtung.6 Daran ist richtig, dass der Tabellenauszug die Grundlage des Vollstreckungstitels bildet. Wird das Insolvenzverfahren nach der Bestätigung eines Insolvenzplans aufgehoben, darf aber von dem Tabellenauszug isoliert keine vollstreckbare Ausfertigung mehr erteilt werden. § 257 I gibt auch dem Gläubiger, der für seine Insolvenzforderung vor der Eröffnung 4 des Insolvenzverfahrens keinen Titel erworben hatte, die Möglichkeit der unmittelbaren Zwangsvollstreckung. Für eine Leistungsklage auf Erfüllung der Planforderung fehlt damit das Rechtsschutzbedürfnis.7 Dagegen können öffentlich-rechtliche Gläubiger hinsichtlich

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5

Vgl Jaeger/Meller-Hannich InsO § 201 Rn 11. So zutr Andres/Leithaus/Andres InsO3§ 257 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 257 Rn 2; Jauernig/ Berger ZwVInsR23 § 62 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 6; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 21; Schmidt/Martini SanierungsR § 257 Rn 11; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 74. So FK/Jaffé InsO9 § 257 Rn 1; Haarmeyer/ Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 257 Rn 10; ähnlich Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 257 Rn 2; Häsemeyer InsR4 Rn 28.84: „Den Vollstreckungstitel bildet … eigentlich die Tabelle …“; früher auch Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 2. Vgl entsprechend schon Begr EKO S 376 gegen die französische und preußische Rechtsprechung. Die beschriebene Formulierung aus-

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drücklich abl auch Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 75. Anders als im Ausgleichsrecht (§ 53a S 1 öAO 1925 [Rn 2] bzw § 54 S 1 öAO 1982, öBGBl Nr 370/1982) gab es im Zwangsausgleichsrecht keine gesonderte Bestimmung für die Exekution gegen den Schuldner, sondern nur eine mit § 257 II vergleichbare gegen den Bürgen (§ 156a öKO 1982, öBGBl Nr 370/1982). Vollstreckungstitel blieb damit die Eintragung in das Anmeldeverzeichnis (§ 61 öKO 1982). Vgl Bartsch/Pollak/Pollak KO3 §§ 156, 156a Anm 1 (Band I S 648). Dasselbe gilt heute für §§ 61, 156c IO. MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 68; zu § 85 VglO auch schon BGH WM 1956, 822, 825; 1957, 1006. Vgl entsprechend zu Österreich OGH v 2.8.1926, Ob I 651/26, SZ 8/ 232 (S 620), verfügbar unter < http://alex. onb.ac.at/ogh.htm >.

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§ 257

Sechster Teil. Insolvenzplan

ihrer Planforderung einen Leistungsbescheid erlassen und ihre Forderung damit selbst titulieren. Dies kann verfahrensrechtlich einfacher sein, als sich eine vollstreckbare Ausfertigung des Tabellenauszugs zu besorgen. Unabhängig davon können sie für die Vollstreckung neben den Regelungen der ZPO auch den für die jeweilige Forderung eröffneten verwaltungsrechtlichen Weg der Vollstreckung wählen.8 Für Steuerforderungen (§ 251 AO) sind damit §§ 259 ff AO maßgeblich und für sozialrechtliche Forderungen der Bundesbehörden § 66 I SGB X iVm dem VwVG. b) Betroffene Forderungen

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aa) Festgestellte und vom Schuldner nicht bestrittene Forderungen. § 257 I kann nur Forderungen erfassen, die als Insolvenzforderungen angemeldet und im Insolvenzplan nicht vollständig erlassen worden sind. Weiterhin setzt § 257 I S 1 seinem Wortlaut nach voraus, dass die Forderung „festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten“ worden ist. Wie bei § 256 I gesehen (vgl § 256 Rn 5 f), ist die Bezugnahme auf den Prüfungstermin auch hier zu eng. Vielmehr erfasst § 257 I auch Forderungen, die erst nach dem Prüfungstermin angemeldet worden sind, wenn sie vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens tatsächlich noch geprüft worden sind und niemand widersprochen hat. Ist die Anmeldung, die bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) möglich ist,9 dagegen so spät erfolgt, dass keine Prüfung mehr durchgeführt werden konnte, ist § 257 I nicht anwendbar. Darüber hinaus stellt sich wie bei § 256 I (vgl § 256 Rn 10 ff) auch bei § 257 I S 1, 2 die Frage, welcher Widerspruch der Vollstreckung nach dieser Vorschrift entgegensteht.

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(1) Widerspruch eines anderen Gläubigers. In § 164 II KO war für die allgemeine Nachhaftung vorgesehen, dass die Forderung „festgestellt und nicht von dem Gemeinschuldner im Prüfungstermine bestritten worden“ ist. Dieselbe Formulierung fand sich auch in § 194 KO für die Vollstreckung aus dem Zwangsvergleich. Diese Regelung knüpfte an die rechtskräftige Feststellung „gegenüber allen Konkursgläubigern“ an (§ 145 II KO). Diese Voraussetzung lag nicht vor, wenn der Verwalter oder ein Konkursgläubiger Widerspruch erhoben hatte und der Widerspruch nicht beseitigt worden war (§ 144 I KO). Dann musste der Gläubiger seine Forderung „nach den Regeln des ordentlichen Prozesses begründen und, wenn sie vom Beklagten bestritten ist, beweisen.“10 Darüber hinaus musste ggf ein Widerspruch des Schuldners (§ 144 II KO) zurückgenommen oder überwunden worden sein, um aus dem Tabellenauszug – ggf iVm dem Zwangsvergleich – zu vollstrecken.11 7 Nach § 85 I VglO, auf den § 257 I unmittelbar zurückgehen soll, stand der Zwangsvollstreckung „[a]us dem bestätigten Vergleich in Verbindung mit einem Auszug aus dem berichtigten Gläubigerverzeichnis“ nur der Vermerk entgegen, „daß die Forderung vom Schuldner oder vom Vergleichsverwalter bestritten wurde.“ Dass ein Widerspruch anderer Vergleichsgläubiger irrelevant war, beruhte darauf, dass das Vergleichsverfahren keiner konkursmäßigen Befriedigung aller Gläubiger aus einer Masse diente, sondern einem kollektiven „Schuldenschnitt“. Damit griff die Beteiligung konkurrierender Gläubiger nur bei der Stimmrechtsbeteiligung in subjektive Rechte Dritter ein, so dass auch nur dort das Bestreiten eines anderen Gläubigers relevant war (§ 71 I VglO).12 Dagegen kannte die VglO

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So auch MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 26; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 257 Rn 19. § 66 IV SGB X regelt dieses Wahlrecht ausdrücklich. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 5.

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So schon RGZ 22, 153, 155. Vgl Jaeger/Weber KO8 § 164 Anm 4. In Österreich stand der Exekution nach § 53a S 1 öAO 1925 (Fn 2) bzw § 54 S 1 öAO 1982 (Fn 6) auch entgegen, dass „das Stimmrecht

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Vollstreckung aus dem Plan

§ 257

kein förmliches Verfahren zur Feststellung der „Schuldenmasse“ und insbesondere keine für alle Beteiligten rechtskräftige Eintragung in die Tabelle. Der Eintrag im berichtigten Gläubigerverzeichnis (§ 67 III VglO) hatte dementsprechend auch keine Feststellungs-, sondern nur Vollstreckungswirkung.13 Während die Kommission für Insolvenzrecht die Regelung in § 85 VglO tatsächlich übernehmen wollte,14 folgt § 257 I wie die KO bei der Vollstreckung der Feststellungswirkung (§ 178 III),15 so dass prima facie auch der Widerspruch eines konkurrierenden Gläubigers der Vollstreckung einer Insolvenzplanforderung entgegensteht.16 Wie schon bei § 256 I kann dieses Ergebnis aber auch bei § 257 I nicht überzeugen, 8 weil die Vollstreckung nicht in subjektive Rechte des konkurrierenden Gläubigers eingreift.17 Dies wird auch daran deutlich, dass Gläubiger kein Antragsrecht nach § 259a haben (vgl § 259a Rn 4). Darüber hinaus kann der Widerspruch eines anderen Gläubigers gar nicht mehr beseitigt werden, weil sich ein möglicher Feststellungsprozess mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erledigt hat (vgl § 256 Rn 13). Damit stellt sich nur die Frage, ob de lege lata gleichwohl vom Gesetzgeber bindend vorgegeben ist (Art 20 III GG), dass auch ein Widerspruch konkurrierender Gläubiger der Vollstreckung nach § 257 I entgegensteht. Dies wäre aber nur der Fall, wenn die systematisch richtige Lösung mit der gesetzlichen Interessenabwägung in Widerspruch stünde. Dies ist aber nicht der Fall. Insbesondere tritt die Feststellungswirkung zulasten des widersprechenden Gläubigers schon deshalb nicht ein, weil sich diese richtigerweise ohnehin nur auf das Haftungsrecht an der Masse im Insolvenzverfahren erstreckt (vgl § 254 Rn 25)18 und nicht auf den Bestand der Insolvenzforderung. Daher könnte über diese Frage in einem neuen Insolvenzverfahren erneut ohne Rechtskraftbindung entschieden werden. Aus diesen Gründen ist im Rahmen von § 257 I davon auszugehen, dass der Widerspruch eines konkurrierenden Gläubigers mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ipso iure als beseitigt anzusehen ist (§ 257 I 2). (2) Widerspruch des Insolvenzverwalters bzw des Sachwalters. Dagegen war der Wi- 9 derspruch des Verwalters sowohl im Konkurs- als auch im Vergleichsrecht beachtlich. Für

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aus einem ihren Bestand, ihre Höhe oder die Höhe ihres Ausfalls berührende Gründe aberkannt wurde.“ Dies konnte auf den Widerspruch eines anderen Gläubigers (§ 44 I 1 öAO 1925) geschehen. Vgl Petschek Die Feststellung von Forderungen gegenüber dem Schuldner im Konkurs und im Ausgleichsverfahren (1925), S 48 = ZBl (Österreichisches Zentralblatt für die juristische Praxis) 1925, 197, 240; Bartsch/Pollak/Pollak AO3 § 53a Anm 5 (Band II S 446). Zu einer solchen Entscheidung kam es aber nur, wenn es auf das bestrittene Stimmrecht nach dem Ergebnis der Abstimmung entscheidend ankam (§ 44 II öAO 1925). Vgl RGZ 132, 113, 115; 146, 133, 140, dort jeweils zu § 75 VglO 1927; Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 4; zu § 53a öAO 1925 (Fn 2) vgl Jelinek ÖJZ 1970, 5, 12. 1. Ber InsRKomm S 197. Dies folgte daraus, dass die Forderungen im Reorganisations-

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verfahren nicht geprüft werden sollten. Vgl 1. Ber InsRKomm LS 1.3.4.4 IV 2, der einen allgemeinen Prüfungstermin nur im Liquidationsverfahren vorgesehen hat. Vgl dazu Schiessler Insolvenzplan, S 201. Zur Anknüpfung an § 194 KO vgl Begr zu RegE § 304, BT-Drucks 12/2443 S 214. Dementsprechend stellen die heute in Österreich allein maßgeblichen §§ 61, 156c I IO auf die Feststellung im Insolvenzverfahren ab. So etwa Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 257 Rn 3; BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: V/2009) § 257 Rn 7; HK/Haas InsO9 § 257 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 3. So klar gesehen in der Begr EVglO III (Fn 2), S 52. So auch Jaeger/Gerhardt InsO § 178 Rn 31; MünchKomm/Schumacher InsO3 § 178 Rn 61 ff; Schoppmeyer ZInsO 2016, 2157, 2159.

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§ 257 I kann nichts anders gelten.19 Allerdings stellt sich die Frage, ob und ggf wie dieser Widerspruch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) beseitigt werden kann, weil damit das Amt des Insolvenzverwalters erlischt (§ 259 I 1). Da das Widerspruchsrecht des Verwalters Ausdruck seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ist (§ 80 I), steht es bei der Eigenverwaltung außer dem Sachwalter mit feststellungshindernder Wirkung dem Schuldner als Eigenverwalter zu (§ 283 I). Dann ist es konsequent, dass der Schuldner nach Aufhebung eines Regelverfahrens in Ausübung seiner zurückgewonnenen Verwaltungsund Verfügungsbefugnis den Widerspruch des Insolvenzverwalters durch Rücknahme selbst beseitigen kann (vgl § 256 Rn 6),20 so dass auch hier § 257 I S 2 erfüllt ist. Dasselbe gilt ggf für den Widerspruch des Sachwalters. Die Rücknahme des Widerspruchs muss allerdings durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden.

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(3) Widerspruch des Schuldners. Da § 257 I auf eine Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners gerichtet ist, ist dessen Widerspruch notwendigerweise beachtlich. Dieser Widerspruch kann auch noch erhoben werden, wenn der Schuldner den Prüfungstermin versäumt hat, aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden ist (§ 186 I 1). Da die Beseitigung des Widerspruchs noch nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens sinnvoll ist, tritt in einem Feststellungsprozess nach § 184 keine Erledigung ein. Hat der Gläubiger die Klage erhoben (§ 184 I), ist er auch nicht gehalten, den Antrag auf Leistung in Höhe der Planforderung umzustellen. Vielmehr besteht hier ein Wahlrecht, ob der Gläubiger durch Fortsetzung des Feststellungsstreits die Wirkung von § 257 I S 2 anstrebt oder durch Leistungsklage einen neuen Titel erwirken will. Ist im Insolvenzplan allerdings – abweichend von § 45 – eine Zahlung in Fremdwährung bestimmt worden, muss der Gläubiger den Antrag auf Leistung in dieser Währung umstellen, weil er ansonsten keinen Titel hat.21

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bb) Absonderungsberechtigte. Komplex ist die Rechtslage bei Absonderungsberechtigten, die zugleich Insolvenzgläubiger sind. Diese können die ganze Forderung anmelden, nehmen aber nur mit dem Ausfall an der Verteilung der Masse teil (§ 52).22 Prima facie hat § 52 S 2 nur Bedeutung für die Rechtsstellung gegenüber den anderen Gläubigern im Insolvenzverfahren, nicht aber gegenüber dem Schuldner.23 Daraus folgt insbesondere, dass ein absonderungsberechtigter Gläubiger, der bspw eine Insolvenzforderung in Höhe von 100.000 Euro hat und durch eine Grundschuld an einem Grundstück des Schuldners gesichert ist, nach § 201 II S 1 in voller Höhe vollstrecken kann, wenn er die Sicherheit bis zur Schlussverteilung noch nicht verwertet und daher an der Verteilung nicht teilgenommen hat (§§ 190 I, II 3). Ist die Sicherheit dagegen verwertet worden, sind sowohl der Erlös als auch die auf den Ausfall gezahlte Dividende auf dem Titel zu vermerken.24 Betrug der Erlös aus der Verwertung der Grundschuld 50.000 Euro und die Insolvenzquote 50 %, wäre der Gläubiger in Höhe von (50.000 + [50.000 × 1/2] =) 75.000 Euro befriedigt und könnte noch in Höhe des nicht gedeckten Ausfalls von 25.000 Euro vollstrecken. 12 Bei § 257 I kann die erste Aussage, dass ein absonderungsberechtigter Gläubiger in voller Höhe vollstrecken kann, wenn er die Sicherheit bis zur Aufhebung des Insolvenzverfah-

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Ebenso Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 257 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 3. Ebenso K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 4. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 2. Vgl nur Jaeger/Henckel InsO § 54 Rn 21. So zu § 57 KO 1879 schon RGZ 22, 153, 154 f; zur Teilnahme am Konkurs- und Ver-

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gleichsverfahren mit der ganzen Forderung vgl auch RG KuT 1937, 156, 157 mit Besprechung Bley ZZP 61 (1939), 153. Zur Dividende vgl Jaeger/Meller-Hannich InsO § 201 Rn 11.

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Vollstreckung aus dem Plan

§ 257

rens noch nicht verwertet hat, dagegen nicht unbesehen übernommen werden. Wäre sie richtig, könnte dieser Gläubiger in unserem Beispiel die Forderung voll realisieren, wenn er erst in Höhe der Planquote von 50 % (= 50.000 Euro) vollstreckt und anschließend die Sicherheit verwertet. Daher setzt die Vollstreckung nach § 257 I S 1 den Ausfall oder den Verzicht auf die Sicherheit durch den Gläubiger voraus.25 Ohne den Nachweis einer dieser Voraussetzungen darf einem absonderungsberechtigten Gläubiger keine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden, weil es sich bei dem Ausfall grundsätzlich um eine Vollstreckungsbedingung iSv § 726 ZPO handelt.26 Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Verwertungsrecht im Verfahren dem Insolvenzverwalter zugestanden hat (§ 166 I, II), weil dieses Recht mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, ohne die die Vollstreckung gegen den Schuldner ohnehin nicht möglich ist (§ 89 I), erlischt. Wird das Verwertungsrecht im Insolvenzplan dagegen dem Schuldner übertragen, muss der Gläubiger unbedingt eine vollstreckbare Ausfertigung erhalten. Es ist dann ggf Aufgabe des Schuldners, die Höhe des Ausfalls nach §§ 767, 769 ZPO geltend zu machen.27 Darüber hinaus ersetzt § 257 I S 1 auch nicht den Duldungstitel nach §§ 1192 I, 1147 BGB, weil der Bestand des Absonderungsrechts im Insolvenzverfahren nicht geprüft worden ist.28 Insoweit muss sich der Gläubiger anderweitig einen Vollstreckungstitel beschaffen. cc) Sachleistungsansprüche. Werden Sachleistungen vereinbart, die als solche nicht zur 13 Tabelle angemeldet und festgestellt werden können, kommt eine Vollstreckung aus § 257 I nicht in Betracht.29 c) Möglicher Vollstreckungsschuldner. Die Vollstreckung richtet sich in erster Linie ge- 14 gen den vormaligen Insolvenzschuldner. Sie kann sich aber auch gegen Dritte richten, gegen die auch aus einem vollstreckbaren Urteil vollstreckt werden könnte. Verwiesen wird damit auf §§ 727 bis 729 ZPO. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Gesamtrechtsnachfolge des Erben auf der Passivseite (§§ 1922, 1967 BGB), wenn der Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens verstirbt. Hatte der Schuldner Testamentsvollstreckung angeordnet, ist der Titel gegen den Testamentsvollstrecker umzuschreiben (§ 749 ZPO). In der Gesellschaftsinsolvenz kann gegen einen Gesellschafter, der persönlich für die In- 15 solvenzplanforderung haftet (§§ 128, 161 HGB, § 278 II AktG), nicht nach § 257 I vollstreckt werden (§ 129 IV HGB).30 Erforderlich wäre hier eine Haftungserklärung im Insolvenzplan (§ 230 III), die aber die Vollstreckung nach § 257 II eröffnet.

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Vgl Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 257 Rn 2; BeckOK/Freund InsO10 § 257 Rn 4; Braun/Braun/Frank InsO7 § 257 Rn 8; Hess InsO2 § 257 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 2; Leonhard/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 257 Rn 2; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 14; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 257 Rn 9. So auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 9, der eingangs der Kommentierung allerdings § 726 ZPO verneint. Dem folgend Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 4. So auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 4.

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Vgl Begr zu RegE § 304, BT-Drucks 12/ 2443 S 214; ebenso Braun/Braun/Frank InsO7 § 257 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 5; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 15; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 257 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 257 Rn 11. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 2. Vgl Hess InsO2 § 257 Rn 15; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 257 Rn 13; MünchKomm/ Huber InsO3 § 257 Rn 11; zum früheren Recht vgl AG München KTS 1966, 122, 123 f; Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 17 lit b).

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Kam der Insolvenzplan in einem Nachlassinsolvenzverfahren zustande (§§ 11 II Nr 2 Alt 1, 315 ff), bei dem der Erbe Schuldner ist, richtet sich die Vollstreckung zwar gegen den bzw die Erben bzw den Testamentsvollstrecker, beschränkt sich aber wegen der haftungsbeschränkenden Wirkung des Nachlassinsolvenzverfahrens auf den Nachlass (§ 1975 BGB). Der Titel ist damit einem vollstreckbaren Urteil gleichgestellt, in dem die Beschränkung der Erbenhaftung vorbehalten ist (§ 780 I ZPO). Soweit der Erbe im Insolvenzplan auf diese Haftungsbeschränkung verzichtet, könnte man darin eine Erklärung entsprechend § 230 III sehen, so dass die Vollstreckung nach § 257 II erfolgt. Da der Erbe aber schon kraft Gesetzes für die Nachlassverbindlichkeiten haftet (§ 1967 BGB), liegt es näher, hier einen Fall von § 257 I anzunehmen, bei dem sich die Vollstreckung ausnahmsweise auch auf das Eigenvermögen des Erben richtet.31 17 Bei einem Insolvenzplan in einem Insolvenzverfahren über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (§§ 11 II Nr 2 Alt 2, 332 I, 315 ff), bei dem die Abkömmlinge neben dem überlebenden Ehegatten bzw Lebenspartner32 Schuldner sind, richtet sich die Vollstreckung in das Gesamtgut sowie das Sonder- (§ 1417 BGB)33 und das Vorbehaltsgut des überlebenden Ehegatten (§ 1418 BGB), der für die Gesamtgutsverbindlichkeiten persönlich haftet (§ 1489 I BGB). Diese Haftung für Gesamtgutsverbindlichkeiten, die allein in dem Insolvenzverfahren geltend gemacht werden konnten (§ 332 II), ist unbeschränkt und unbeschränkbar, wenn der überlebende Ehegatte das Gesamtgut zuvor (mit-)verwaltet hat (§§ 1437 II 1, 1459 II 1 BGB) und die Verbindlichkeit im Verhältnis der Ehegatten nicht dem anderen vollständig zur Last gefallen wäre (§§ 1437 II 2, 1459 II 2 BGB).34 Andernfalls wäre der Anspruch gegen den überlebenden Ehegatten ohne die Fortsetzung der Gütergemeinschaft entweder nicht entstanden bzw mit der Auflösung weggefallen, so dass ihm die haftungsbeschränkende Wirkung des Insolvenzverfahrens zugutekommt (§§ 1489 II, 1975 BGB). Zur Vollstreckung genügt es, wenn ein Titel gegen den überlebenden Ehegatten vorliegt, da dieser das Gesamtgut allein verwaltet (§ 745 I ZPO). 18 Bei einem Insolvenzplan in einem Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft (§§ 11 II Nr 2 Alt 3, 333, 315 ff), bei dem beide Ehegatten Schuldner sind, richtet sich die Vollstreckung nicht nur in das Gesamtgut, sondern wegen der persönlichen Haftung (§ 1459 II 1 BGB) auch in das Sonder- und Vorbehaltsgut jedes Ehegatten. §§ 334 II, 227 I stehen nicht entgegen, weil davon nicht die Planforderungen, sondern nur die darüber hinausgehenden Insolvenzforderungen erfasst werden. Zur Vollstreckung in das Gesamtgut ist ein Titel gegen beide Ehegatten erforderlich (§ 745 I ZPO); im Übrigen genügt ein Titel gegen den jeweiligen Vollstreckungsschuldner.

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So schon Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 17 lit c) und dem folgend MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 12. Die folgenden Ausführungen gelten für Lebenspartner entsprechend (§ 7 S 2 LPartG). Gemeinschaftliche Abkömmlinge, mit denen allein die Fortsetzung der Gütergemeinschaft möglich ist (§ 1483 I BGB), können Lebenspartner seit 1.1.2005 durch Stiefkindadoption und – als Folge von BVerfGE 133, 59 – seit 21.6.2014 auch durch Sukzessivadoption (§ 1742 BGB) haben (§§ 9 VII LPartG,

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1754 I Alt 2 BGB). Da in § 331 das Wort „Ehegatte“ nicht vorkommt, ist eine ausdrückliche Gleichstellung wie nunmehr in §§ 332, 333 nicht erforderlich. Die Vollstreckung in das Sondergut, das nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden kann (§ 1417 II BGB), kommt insbesondere beim Nießbrauch (§§ 1030, 1059 BGB) in Betracht (§ 857 III ZPO). Vgl dazu BGHZ 166, 1 Rn 11. Vgl dazu MünchKomm/Kanzleiter BGB7 § 1489 Rn 3.

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Vollstreckung aus dem Plan

§ 257

d) Möglicher Vollstreckungsgläubiger. Vollstreckungsgläubiger kann – vorbehaltlich 19 der oben genannten Voraussetzungen (Rn 5 ff) – jeder Insolvenzgläubiger sein. Dies gilt auch für nachrangige Gläubiger (§ 39 I), soweit sie zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert worden waren (vgl § 174 III). Auch auf Gläubigerseite kommt die Umschreibung des Titels nach §§ 727 bis 729 ZPO in Betracht. Im Gegensatz zur Passivseite ist bei § 727 I aber auch an Fälle der Einzelrechtsnachfolge zu denken. Dagegen können Dritte, die keine Insolvenzgläubiger waren, wegen möglicher Forderungen, die im Insolvenzplan – etwa nach § 328 BGB – begründet worden sind, nicht nach § 257 I vollstrecken.35 e) Vollstreckungsvoraussetzungen im Einzelnen. Wie bei einem Urteil setzt die Zwangs- 20 vollstreckung nach § 257 I neben dem Titel eine Vollstreckungsklausel und die Zustellung voraus (§ 750 I 1 ZPO). Außerdem muss der Insolvenzplan in Verbindung mit dem Tabelleneintrag einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben und ist anderenfalls schon nach § 231 I S 1 Nr 1 zurückzuweisen.36 Diese Voraussetzung liegt nach herrschender Auffassung nicht vor, wenn im Insolvenzplan bestimmt wird, dass die Quote erst nachträglich unter Berücksichtigung der Forderungen von Nachzüglern ermittelt werden soll.37 Zwingend erscheint diese Auffassung allerdings nicht, wenn der jeweilige Betrag im Verfahren nach § 726 I ZPO bestimmbar ist.38 aa) Vollstreckungsklausel. Die Erteilung der Vollstreckungsklausel richtet sich nach 21 §§ 724 bis 734 ZPO. Da es sich dabei um eine bloße Vorbereitungshandlung handelt, steht § 89 I der Erteilung der Klausel vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) nicht entgegen.39 Die vollstreckbare Ausfertigung ist grundsätzlich vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zu erteilen. Diese besteht aus einer Ausfertigung (1.) des Auszugs aus der Tabelle mit Feststellungsvermerk, (2.) des gestaltenden Teil des Insolvenzplans und (3.) des Bestätigungsbeschlusses mit Rechtskraftzeugnis (§ 706 I).40 Hat der Gläubiger einen Widerspruch durch Klage gegen den Schuldner im Klagewege beseitigt (§ 184), ist auch eine mit Rechtskraftzeugnis versehene Ausfertigung des Feststellungsurteils beizufügen.41 Dabei ist die Klausel auf den Tabellenauszug zu setzen, der mit den sonstigen Unterlagen zu verbinden ist,42 und auf die durch den Plan beschränkte Vollstreckbarkeit zu verweisen.43 Auch bereits erfolgte Ausschüttungen sind auf dem Titel zu vermerken.

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Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 3. So auch Schmidt/Martini SanierungsR § 257 Rn 8. LG Hamburg ZIP 2017, 1920, 1921; AG Hannover ZIP 2016, 2081, 2082; Nerlich/ Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 257 Rn 2. Vgl in diesem Sinne auch HK/Haas InsO9 § 257 Rn 3. Vgl BGH NJW 2008, 918 Rn 7; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 257 Rn 7. Vgl Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 257 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 257 Rn 2. HambK/Thies InsO6 § 257 Rn 5b; HK/Haas InsO9 § 257 Rn 6.

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FK/Jaffé InsO9 § 257 Rn 10; HK/Haas InsO9 § 257 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 10; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 27; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 257 Rn 2; Schmidt/Martini SanierungsR § 257 Rn 11; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 74. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 257 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 7; Schmidt/Martini SanierungsR § 257 Rn 11; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 74.

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Für die Erteilung einer qualifizierten oder einer übertragenden Klausel (§§ 726 bis 729 ZPO) ist dagegen wie üblich der Rechtspfleger zuständig (§ 20 Nr 12 RPflG). Zu denken ist dabei insbesondere an Fälle, in denen sich die Höhe der Planforderungen nach der Erreichung bestimmter Unternehmensziele wie der Gewinnentwicklung richtet.44 An dieser Zuständigkeitsordnung hat auch das ESUG nichts geändert, weil § 257 in § 18 I Nr 3 RPflG bewusst nicht erwähnt wird.45 Diese Regelung ist vor allem bei der qualifizierten Klausel nach § 726 I ZPO von Bedeutung, wenn Planforderungen nicht unbedingt zu zahlen sind. Daher sollte im Insolvenzplan darauf geachtet werden, dass sich der Eintritt der Bedingung mit öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden nachweisen lässt. Ist dies nicht der Fall, muss ggf bei der Prozessabteilung des Insolvenzgerichts bzw beim übergeordneten Landgericht Klauselklage (§ 731 ZPO) erhoben werden (Rn 24). Hängt die Zahlungspflicht nur vom Eintritt eines kalendermäßig bestimmten Zeitpunkts ab, ist dagegen nur eine einfache Klausel zu erteilen (vgl § 751 I).46

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bb) Zustellung. Die Zwangsvollstreckung darf darüber hinaus erst beginnen, wenn der Titel und ggf die qualifizierte bzw übertragende Klausel nebst Urkunden gleichzeitig zugestellt wird (§ 750 I, II ZPO).47 Da weder die Tabelle noch der Bestätigungsbeschluss dem Schuldner von Amts wegen zuzustellen sind, muss der Gläubiger die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher im Parteibetrieb (§ 192 ZPO) durchführen.48 f) Rechtsschutz in der Zwangsvollstreckung aus der Tabelle und dem Plan

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aa) Rechtsschutz des Gläubigers. Wurde die Klausel zu Unrecht nicht erteilt, ist bei einer Entscheidung des Urkundsbeamten (in den Fällen von §§ 724 II, 725 ZPO) die Erinnerung nach § 573 ZPO und beim Rechtspfleger (in den Fällen von §§ 726 I, 727, 728, 729, 733, 745 II, 749 ZPO) die sofortige Beschwerde zu erheben (§§ 11 I RPflG, 567 I Nr 2 ZPO).49 Lassen sich die maßgeblichen Umstände nicht mit öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden nachweisen, muss der Gläubiger Klauselklage erheben (§ 731 ZPO). Zuständig ist dafür bei Streitwerten bis einschließlich 5.000 Euro (§ 23 Nr 1 GVG) die Prozessabteilung50 des Amtsgerichts (§§ 257 I 3, 202 I), bei dem das Insolvenzverfahren anhängig war, bzw bei höheren Streitwerten (§ 71 I GVG) das übergeordnete Landgericht (§§ 257 I 3, 202 II).

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bb) Rechtsschutz des Schuldners. Gegen die Erteilung der Klausel findet die sog Klauselerinnerung statt (§ 732 ZPO). Dies gilt auch für die vom Urkundsbeamten erteilte einfache Klausel; insoweit hat § 732 ZPO Vorrang vor § 573 ZPO.51 Daneben kann der Schuldner Klauselgegenklage erheben (§ 768 ZPO), wenn er den Eintritt der für die Klauselerteilung maßgeblichen Umstände bestreitet. Zuständig ist dafür wie bei der Klausel-

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 8. Vgl Begr zu RegE ESUG Art 5 Nr 2 (Änderung des § 18 RPflG), BT-Drucks 17/5712 S 44. Vgl dazu MünchKomm/Wolfsteiner ZPO5 § 726 Rn 24. Jaeger/Weber KO8 § 194 Anm 4 zu § 194 KO. Vgl allg MünchKomm/Heßler ZPO5 § 750 Rn 66.

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Vgl dazu Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 10; MünchKomm/Wolfsteiner ZPO5 § 724 Rn 53, 55. So auch K. Schmidt/Jungmann InsO19§ 202 Rn 1; unrichtig Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 257 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 10: Amtsgericht als Insolvenzgericht. Vgl dazu MünchKomm/Wolfsteiner ZPO5 § 732 Rn 1; Stein/Jonas/Münzberg ZPO22 § 732 Rn 5.

Andreas Piekenbrock

Vollstreckung aus dem Plan

§ 257

klage (Rn 24) je nach Streitwert das Amtsgericht, bei dem das Insolvenzverfahren anhängig war, bzw das übergeordnete Landgericht (§§ 257 I 3, 202 I Nr 2, II). Alle materiellen Einwendungen gegen die Planforderung wie bspw die Erfüllung (§ 362 26 BGB) oder Erfüllungssurrogate kann der Schuldner im Wege der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) beim Amts- bzw Landgericht (Rn 24) geltend machen (§§ 257 I 3, 202 I Nr 3, II). Zulasten des Schuldners ist dabei – im Gegensatz zu § 75 I VglO 192752 und dem Vorschlag der Insolvenzrechtskommission53 – § 767 II ZPO anzuwenden.54 Dies gilt schon deshalb, weil auch § 257 I S 1 an die Rechtskraft der insolvenzmäßigen Feststellung anknüpft, war aber auch für § 85 I S 1 VglO weitgehend anerkannt.55 Zwar wird der Bestand der Forderung selbst gegenüber dem Insolvenzverwalter und den 27 anderen Gläubigern durch § 178 III nicht festgestellt (vgl § 254 Rn 25). Im Verhältnis zum Schuldner kann Gegenstand einer möglichen Feststellungsklage nach § 184 dagegen nur der Bestand der Forderung selbst sein.56 Dann muss der Bestand der Forderung selbst gegenüber dem Schuldner daher auch rechtskräftig feststehen, wenn dieser ihr nicht widerspricht. Der für die Präklusion maßgebliche Zeitpunkt bestimmt sich bei rechtzeitig angemel- 28 deten Forderungen, denen der Schuldner nicht widersprochen hat, nach dem Schluss des (allgemeinen) Prüfungstermins (§ 176).57 Dies gilt auch für Forderungen, die erst nach Ablauf der Anmeldefrist (§ 28 I), aber noch bis zum Prüfungstermin angemeldet worden sind, wenn weder der Insolvenzverwalter noch ein anderer Gläubiger widerspricht, weil es dann zu einer weiteren insolvenzmäßigen Prüfung nicht kommt. Widerspricht jedoch der Insolvenzverwalter oder ein anderer Gläubiger oder wird die Forderung sogar erst nach dem Prüfungstermin angemeldet, ist der Schluss des besonderen Prüfungstermins (§ 177 I 2 Alt 1) oder bei Anordnung des schriftlichen Verfahren (§ 177 I 2 Alt 2) das Ende der Widerspruchsfrist58 maßgeblich. Hat der Schuldner den Prüfungstermin versäumt, und ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden (§ 186 I), handelt es sich notwendigerweise um eine bestrittene Forderung (§ 186 II). Daher ist hier – wie beim Bestreiten im Prüfungstermin – der Schluss der mündlichen Verhandlung im Feststellungsprozess (§ 184) maßgeblich.59 Nimmt der Schuldner seinen Widerspruch zurück, ist das Datum der Rücknahme maßgeblich.

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Vgl nur RGZ 146, 133, 140 unter Verweis auf § 797 IV ZPO; Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 4 lit a). Nach 1. Ber InsRKomm LS 2.2.24 III 2 sollen die „Beschränkungen des § 767 Abs. 2 ZPO“ für den Schuldner nicht gelten; krit dazu Gaul FS Huber, S 1187, 1219. FK/Jaffé InsO9 § 257 Rn 14; Gaul FS Huber, S 1187, 1220; Häsemeyer InsR4 Rn 28.86; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 41; Schiessler Insolvenzplan, S 202; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 257 Rn 18; zu § 164 KO auch Jaeger/Weber KO8 § 164 Anm 8; mehr rechtspolitisch zweifelnd noch Bork in Leipold (Hrsg) Insolvenzrecht im Umbruch, S 51, 56 f bei dem Schuldner unbekannten Einwendungen. Dies folgte daraus, dass die Vollstreckung – anders als nach § 75 I VglO 1927 – „wie aus einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil“

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erfolgen sollte. Vgl dazu Begr EVglO III (Rn 2), S 50; Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 4 lit b); Gaul FS Huber, S 1187, 1219 f. So auch Jaeger/Gerhardt InsO § 184 Rn 5; MünchKomm/Schumacher InsO3 § 184 Rn 3. So auch MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 41; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 257 Rn 6. Zum Ablauf des schriftlichen Verfahrens, der im Gesetz nicht näher geregelt ist, vgl Jaeger/ Gerhardt InsO § 177 Rn 9; MünchKomm/ Riedel InsO3 § 177 Rn 20. So auch Gaul FS Huber, S 1187, 1221; bei Wiedereinsetzung aA MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 41, der alle Einwendungen präkludieren will, „die im Rahmen des nachträglichen Bestreitens hätten vorgebracht werden können.“

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Sechster Teil. Insolvenzplan

g) Vollstreckung aus früheren Titeln

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aa) Nicht angemeldete oder festgestellte Forderungen. Gläubiger, die bereits einen Titel hatten, können nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus diesem früheren Titel vollstrecken, wenn sie ihre Forderung im Insolvenzverfahren gar nicht angemeldet haben oder wenn diese nicht rechtskräftig festgestellt worden ist.60 Allerdings kann der Schuldner den Einwand der Planwirkung (§§ 254 I, 254b) mit der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) geltend machen. Dass die Insolvenzforderung im Umfang eines möglichen Erlasses als Naturalobligation fortbesteht (§ 254 III) (vgl § 254 Rn 40), ändert nichts daran, dass der Insolvenzplan im Umfang des Erlasses eine materielle Einwendung begründet, „die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst“ betrifft.61 Daher kann aus dem vorinsolvenzlichen Titel noch im Umfang der Planforderung vollstreckt werden. Die Zuständigkeit für die Vollstreckungsabwehrklage richtet sich in beiden Fällen nicht nach §§ 257 I S 3, 202 I Nr 3, II, sondern nach den allgemein für den entsprechenden Titel maßgeblichen Vorschriften (§§ 767 I, 796 III, 797 V ZPO).

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bb) Angemeldete und festgestellte Forderungen. Nicht gesichert ist die Rechtslage dagegen für Gläubiger, deren Forderung im Insolvenzverfahren rechtskräftig festgestellt worden ist. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass ältere Titel in einem solchen Fall wegfallen62 oder aus ihnen jedenfalls nicht mehr vollstreckt werden darf;63 das RG sprach metaphorisch davon, dass frühere Titel durch die konkursmäßige Feststellung „aufgezehrt“ werden.64 Auch von einer „Novation“ des Titels ist die Rede.65 Vereinzelt wurde dagegen die Auffassung vertreten, dass lediglich das Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckung aus dem alten Titel entfalle.66 Diese Rechtsfolge soll der Schuldner im Falle der Vollstreckung aus dem älteren Titel mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) geltend machen können.67

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AG Leipzig ZIP 2011, 2210, 2212; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 15; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 9; zu § 201 auch Jaeger/ Meller-Hannich InsO § 201 Rn 13. So zu § 61 der Geschäftsaufsicht von 1916 (RGBl S 1363) schon Jaeger JW 1917, 507, 510. Heute K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 15; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 9. Zum Einwand der Restschuldbefreiung entsprechend BGH NJW 2008, 3640 Rn 9 ff, dort zur englischen discharge. Zum Vergleichsrecht, das keine rechtskräftige Feststellung im Verfahren kannte Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 30 lit e) mwN. So zu § 61 der Geschäftsaufsicht von 1916 schon Jaeger JW 1917, 507, 510. Heute Ahrens/Gehrlein/Ringst-meiser/Silcher InsO3 § 257 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 257 Rn 4; FK/Jaffé InsO9 § 257 Rn 2; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 257 Rn 15; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 8; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 25; Nerlich/Römermann/Braun

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InsO35 (Stand: III/2005) § 257 Rn 7. Hinsichtlich Leistungsbescheiden der öffentlichen Hand Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 257 Rn 19. Schmidt/Martini SanierungsR § 257 Rn 4; zu § 201 auch Jaeger/Meller-Hannich InsO § 201 Rn 14. So RGZ 112, 297, 300. Entsprechend heute FK/Jaffé InsO9 § 257 Rn 2; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 257 Rn 15; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 8 (Titel kann „keine Wirkung mehr beanspruchen“). Für Wegfall der Vollstreckbarkeit Jaeger/Weber KO8 § 164 Anm 6. BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: V/2009) § 257 Rn 6; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 257 Rn 1. Pape KTS 1992, 185, 189; aA Gaul FS Weber, S 155, 177. So K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 15; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 8; MünchKomm/ Huber InsO3 § 257 Rn 25; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 257 Rn 7; zu § 201 auch Jaeger/Meller-Hannich

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Vollstreckung aus dem Plan

§ 257

In jüngerer Zeit ist dafür plädiert worden, dass der Einwand der Planwirkung (§§ 254 31 I, 254b) auch in den Fällen, in denen die Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet und festgestellt worden ist, mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen sei.68 Das AG Leipzig hat dies für den Fall angenommen, dass sich der Schuldner nach Erfüllung der Planforderungen auf die Wirkung von § 227 I beruft.69 Die herrschende Meinung kann insgesamt nicht überzeugen. § 766 ZPO wäre der rich- 32 tige Rechtsbehelf, wenn die Vollstreckbarkeit des alten Titels ipso iure wegfällt, weil die Vollstreckungsmaßnahme dann – unter Verletzung von §§ 704, 794 ZPO – ohne Titel erfolgt wäre.70 Allerdings kann ein Vollstreckungstitel nicht ohne weiteres wegfallen, aufgezehrt werden oder seine Vollstreckbarkeit verlieren.71 Vielmehr bedürfte es eines konstitutiven Aktes, um dem Titel die Vollstreckbarkeit zu nehmen. Da dafür aber – bei § 201 II fast ausschließlich und bei § 257 I in Höhe der Planforderung – keine materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhoben werden,72 scheidet eine unmittelbare Anwendung von § 767 ZPO aus. Vielmehr müsste der Schuldner Titelgegenklage analog § 767 ZPO73 erheben. Solange dies nicht geschehen ist, ist eine Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) unbegründet, weil ein Verfahrensfehler des Vollstreckungsorgans nicht vorliegt. Würde man hier keine prozessuale Gestaltungsklage eröffnen, müsste sich der Schuldner zudem mit der Erinnerung gegen jede einzelne Vollstreckungshandlung wehren, von der er häufig erst im Nachhinein Kenntnis erlangt (§ 834 ZPO). Richtigerweise lässt die rechtskräftige insolvenzmäßige Feststellung ältere Titel jedoch 33 unberührt. Dies entspricht der herrschenden Meinung zu § 85 VglO,74 der sich von §§ 164, 194 KO nur durch das Fehlen der rechtskräftigen Feststellung unterschieden hat (Rn 7), und der Rechtslage in Österreich.75 Wenn der frühere Titel aber nicht wegen möglicher Rechtskraftkollision wegfallen soll, sondern weil aus Gründen der Verkehrssicherheit „nicht mehrere, … denselben Anspruch betreffende Titel vollstreckbar nebeneinander wirken“ dürfen,76 gab es für die unterschiedliche Behandlung von Vergleichs- und Konkursrecht keinen tragenden Grund. Warum für einen Anspruch nicht zwei Titel bestehen sollen, wird nicht näher erläutert.77 Das österreichische Recht zeigt, dass es genügt, die Erteilung

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InsO § 201 Rn 14; bei Vollstreckung aus einem „früheren verdrängten Titel“ auch AG Leipzig ZInsO 2012, 336, 338. So namentlich HambK/Thies InsO6 § 257 Rn 7. So AG Leipzig ZInsO 2012, 336, 338 (9.12.2010) unter Berufung auf BGH NJW 2008, 3640; AG Leipzig ZIP 2011, 2210, 2212 (16.12. 2010). Zu § 766 ZPO beim Fehlen der Vollstreckungsvoraussetzungen BGH NJW-RR 2012, 1146 Rn 9, dort zur Vollstreckungsklausel. Vgl Gaul FS Weber, S 155, 175; ders FS Huber, S 1187, 1228. Materielle Einreden werden gegen den titulierten Anspruch nur in Höhe des Erlasses erhoben (Rn 29). Vgl dazu nur BGH NJW 2015, 1181 in Rn 6 mwN.

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So Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 30 lit b); Künne MDR 1972, 181, 182. Zu § 61 öKO 1914 (öRGBl Nr 337/1914) vgl schon Bartsch/Pollak/Bartsch KO3 § 61 Anm 21 (Band I S 321); zu § 53a S 1 öAO 1925 (Rn 2) aA früher OGH v 31.1.1928, 1 Ob 47/28, SZ 10/16 (S 38); v 12.4. 1928, 1 Ob 358/28, SZ 10/111 (S 280); v 24.10.1934, 3 Ob 829/34, SZ 16/180 (S 493); v 6.10.1965, 3 Ob 93/65, EvBl 1966 Nr 223 (ÖJZ 1966, 269); wie hier schon Jelinek ÖJZ 1970, 34, 35 f. In § 54 I 1 öAO 1982 (Rn 6) und § 61 I 1 öKO 1982 ist dies durch das Wort „auch“ ausdrücklich klargestellt worden. Vgl dazu die Regierungsvorlage, 3 der Beilagen XV. GP, S 40, 48. So Jaeger/Weber KO8 § 164 Anm 6. Gaul FS Weber, S 155, 177 sprach sehr unscharf von „einer von Praktikabilitätsgesichtspunkten bestimmten Wertung“.

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§ 257

Sechster Teil. Insolvenzplan

der vollstreckbaren Ausfertigung für beide Titel auszuschließen.78 So kann die Vollstreckung aus dem früheren Titel einfacher sein, wenn dafür im Ausland schon das Exequatur erlangt worden ist. Insolvenzmäßige Modifikationen der Forderung kann und muss der Schuldner ggf im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gegen den älteren Titel geltend machen. 2. Vollstreckung gegen sogenannte Plangaranten

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a) Voraussetzungen der Vollstreckung. Außer gegen den Schuldner selbst kann sich die Vollstreckung auch gegen sogenannte Plangaranten richten. Dies sind Interzedenten, die durch eine dem Insolvenzgericht eingereichte schriftliche Erklärung für die Erfüllung des Plans neben dem Schuldner ohne Vorbehalt der Einrede der Vorausklage Verpflichtungen übernommen haben (§ 257 II). Die Regelung beruht auf § 201 PrKO 186979 und war von Anfang an fester Bestandteil des (gesamt-)deutschen Konkurs- und Vergleichsrechts.80 Bei § 257 II kann allerdings der Tabellenauszug nicht als Vollstreckungstitel dienen, weil die Feststellung der Forderungen nicht unmittelbar gegen den Interzedenten wirkt. Grundlage der Vollstreckung ist hier daher der rechtskräftig bestätigte Insolvenzplan in Verbindung mit der Erklärung des Plangaranten.81 Keine Plangaranten sind die in § 254 II S 1 erwähnten Bürgen und Mitschuldner, die sich schon vorinsolvenzlich gegenüber einzelnen Gläubigern mitverpflichtet haben, und „Realbürgen“, die nur dingliche Sicherheiten gestellt haben. Ob diese sich gegenüber dem Insolvenzgericht der Duldung der Zwangsvollstreckung nach § 1147 BGB unterwerfen könnten (§ 794 I Nr 5 ZPO),82 ist mit Blick auf §§ 20 I S 1 BNotO, 56 IV BeurkG sehr zweifelhaft.83 35 § 257 II gilt nicht nur für Verpflichtungserklärungen iSv § 230 III, die dem Plan als Anlage beizufügen sind, sondern auch für „eine in anderer Weise beim Insolvenzgericht eingereichte, etwa im Erörterungstermin übergebene, Erklärung“.84 Dagegen ist § 257 II nicht anwendbar, wenn die Interzession außerhalb des Insolvenzplanverfahrens erfolgt.85 In einem solchen Fall muss sich der Gläubiger daher ggf einen anderen Vollstreckungstitel verschaffen. Darüber hinaus muss sich der Dritte „neben dem Schuldner“ verpflichtet haben.86 Daher fallen beispielsweise eigenständige Pflichten einer Übernahmegesellschaft nicht unter § 257 II.87 Schließlich muss der Plangarant „für die Erfüllung des Plans“ einstehen. Begünstigt sind mit Blick auf § 257 I, an den § 257 II anknüpft, alle Gläubiger an-

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Schon nach § 54 I 3 öAO 1982 (Rn 6) bzw § 61 I 1 öKO 1982 durfte die Exekution nicht aus beiden Titeln gleichzeitig bewilligt werden. Vgl heute § 61 S 2 IO bzw für die Exekution gegen den Planbürgen § 156c I 2 IO. Vgl dazu die knappe Begründung in: Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Herrenhauses 1869, Aktenstück Nr 8, S 32. § 179 KO 1879 bzw § 61 der Geschäftsaufsicht von 1916 (RGBl S 1363). PrObTr v 7.12.1869, Striethorst 76 (1870), 321 hat den Titel im Bestätigungsurteil gesehen. So MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 43; entsprechend schon Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 21 lit b).

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Dazu Armbrüster/Preuß/Renner/Armbrüster BeurkG5 (2009)§ 56 Rn 6. Danach bleiben bestehende Zuständigkeiten in gerichtlichen Verfahren von § 56 IV BeurkG unberührt. Allerdings besteht hier keine originäre Zuständigkeit des Insolvenzgerichts zur Beurkundung von Unterwerfungserklärungen. So Begr zu RegE § 304, BT-Drucks 12/2443 S 214 unter Verweis auf § 85 II Hs 2 VglO. Zu einem solchen Fall im Rahmen von § 85 II VglO BGH WM 1961, 1048, 1050; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 49. Zu dieser Voraussetzung bei einem Liquidationsvergleich nach § 7 IV VglO BGH KTS 1970, 45, 47. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 16.

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Vollstreckung aus dem Plan

§ 257

gemeldeter und vom Schuldner nicht bestrittener Forderungen (Rn 5 ff). Eine Bürgschaft, die nur zugunsten bestimmter Plangläubiger gestellt wird, fällt damit ebenfalls nicht unter § 257 II. In allen diesen Fällen müsste sich der Dritte gegenüber dem Insolvenzgericht der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen (§ 794 I Nr 5 ZPO), dessen sachliche Zuständigkeit jedoch sehr zweifelhaft ist (Rn 34). Gläubiger, die ihre Forderung nicht angemeldet haben, sind zwar vom Schuldner ma- 36 teriell-rechtlich nach Maßgabe des Plans zu befriedigen (§ 254b Rn 9). Insoweit wirkt sich die Nichtanmeldung nur prozessual aus, weil die Vollstreckung nach § 257 I nicht möglich ist. Der Plangarant übernimmt diesen Gläubigern gegenüber dagegen bereits keine Leistungspflicht,88 so dass sich die Nichtanmeldung auch materiell-rechtlich negativ auswirkt. Diese Einschränkung ist zum Schutz des Plangaranten erforderlich, weil sich nur aus der Tabelle der Umfang der Passiva ergibt. Die Rechtsnatur der Verpflichtungserklärung wird in Deutschland kaum diskutiert. Al- 37 lerdings deutet die Literatur in die Richtung eines materiell-rechtlichen Verständnisses.89 Dagegen herrscht in Österreich ein prozessuales Verständnis vor.90 Das hat erhebliche Bedeutung für die Auswirkungen von Willensmängeln (Rn 46 ff)91 und die zu wahrende Form (Rn 42). Für das prozessuale Verständnis spricht prima facie, dass § 257 II die Übernahme der Verpflichtung von einer einseitigen Erklärung des Garanten abhängig macht, während das materielle Recht keine einseitigen Verpflichtungserklärungen, sondern nur einseitig verpflichtende Verträge wie die Bürgschaft (§ 765 BGB), den Schuldbeitritt oder die Garantie kennt. Gleichwohl muss die Verpflichtung materiell-rechtlich rekonstruiert werden, weil dem deutschen Recht eine materielle Verpflichtung allein aus Prozesshandlungen fremd ist. Dementsprechend ist auch der Prozessvergleich (§ 794 I Nr 1 ZPO) ganz wesentlich materiell-rechtlich geprägt,92 während die Vollstreckungsunterwerfung (§ 794 I Nr 5 ZPO) keine materielle Verpflichtung begründet.93 Grundlage der Verpflichtung des Plangaranten ist daher ein materiell-rechtlicher Vertrag. Die Annahmeerklärung der Planbeteiligten wird dabei durch den bestätigten Insolvenzplan ersetzt. Unabhängig von dieser Grundsatzentscheidung für eine materiell-rechtliche Qualifika- 38 tion ist dagegen die Frage zu beantworten, ob der Erklärende im Zweifel an sein Angebot bzw seine Erklärung gebunden ist. Entgegen der wohl herrschenden Meinung94 ist diese

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Vgl Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 22 lit b). Vgl etwa BeckOK/Freund InsO10 § 257 Rn 9; FK/Jaffé InsO9 § 257 Rn 17 ff; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 14; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 46; Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 257 Rn 8; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 257 Rn 21; ebenso BGH WM 1961, 1048, 1050 zu § 85 II VglO; wohl auch BGH WM 1961, 1048. OGH v 16.2.1927, Ob III 50/27, Rechtsprechung 1927, 107, 108 (Nr 161) verfügbar unter < http://alex.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=rsp >; v 23.4.1929, 3 Ob 367/29, SZ 11/88 (S 269 f); v 7.12.1967, 1 Ob 260/67, RZ 1968, 112; Bartsch/Pollak/ Pollak KO3 §§ 156, 156a Anm 7 (Band I S 650); Konecny/Schubert/Lovrek Insolvenzgesetze31 (2008) § 156a KO Rn 33.

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So ist bemerkenswert, dass OGH v 23.4.1929, 3 Ob 367/29, SZ 11/88 (S 269) einen angeblichen Irrtum „über die Höhe der Ausgleichspassiven“ für irrelevant erklärt hat. Vgl BGHZ 16, 388, 390; 164, 190, 193 f. BGHZ 108, 372, 375 f; 147, 203, 209. Vgl MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 230 Rn 90; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 48; für Widerruflichkeit bei § 194 KO Jaeger/Weber KO8 § 194 Anm 5; für Widerruflichkeit von Erklärungen vor dem Vergleichstermin RGZ 122, 361, 365, dort noch zur Geschäftsaufsicht 1916; für Widerruflichkeit in Österreich Konecny/Schubert/ Lovrek Insolvenzgesetze31 (2008), § 156a KO Rn 33.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Frage grundsätzlich zu bejahen.95 Der Plangarant kann aber einen Widerrufsvorbehalt erklären oder das Angebot befristen. Dann muss der Bestätigungsbeschluss ggf innerhalb der Frist erlassen werden, kann aber auch später noch rechtskräftig werden. 39 Die Verpflichtung muss „ohne Vorbehalt der Vorausklage“ (§ 771 BGB) übernommen worden sein. Dies ist nicht nur bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft (§ 773 I Nr 1 BGB), sondern auch bei einer Garantie oder einem Schuldbeitritt der Fall.96 Die herrschende Auffassung hält diese Voraussetzung auch bei der Bürgschaft für gegeben, wenn sich der Bürge die Einrede der Vorausklage nicht ausdrücklich vorbehalten hat.97 Für diese These spricht prima facie, dass § 257 II von einem „Vorbehalt der Einrede der Vorausklage“ spricht. Gleichwohl folgt daraus nicht, dass es sich um einen ausdrücklichen Vorbehalt im Erklärungsakt handeln muss. Vielmehr kann dieser Vorbehalt auch kraft dispositiven Gesetzesrechts bestehen. Soweit § 349 HGB nicht anwendbar ist und auch keine ausdrückliche selbstschuldnerische Bürgschaft vorliegt, müsste ansonsten im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob der Bürge auf die Einrede verzichtet hat, weil nur so der Zweck der Bürgschaft erreicht werden kann. Zwar mag es gute Gründe geben, dass der Plangarant mit Blick auf die Voraussetzungen von § 257 II konkludent auf die Einrede verzichtet. Diese Auslegung kann aber nicht der für die Erteilung der einfachen Klausel zuständige Urkundsbeamte vornehmen. Daher kommt die Vollstreckung nach § 257 II nicht in Betracht, wenn sich nicht aus der Urkunde selbst ergibt, dass die Bürgschaft „ohne Vorbehalt der Einrede der Vorausklage“ übernommen worden ist. Erst recht genügt eine Ausfallbürgschaft nicht den Anforderungen von § 257 II.98 40 Dagegen ist es für § 257 II unschädlich, wenn sich der Bürge nur für einen Höchstbetrag oder nur auf Zeit (§ 777 BGB) verbürgt hat.99 Allerdings stellt sich bei der Höchstbetragsbürgschaft die Frage, an welchen Gläubiger der Bürge in welcher Höhe zahlen muss. Dazu wird im Schrifttum vorgeschlagen, maßgeblich sei die Reihenfolge der Inanspruchnahme.100 Mohrbutter wollte dem Vergleichsgaranten den Einwand der Erschöpfung der Haftungssumme geben, der nach § 768 ZPO geltend zu machen sei.101 Das überzeugt nicht. In der vergleichbaren Situation der beschränkten Erbenhaftung kann der Erbe grundsätzlich frei entscheiden, welchen Nachlassgläubiger er befriedigt; den Vorrang genießen aber Gläubiger, die über einen rechtskräftigen Titel gegen den Erben verfügen (§ 1991 I, III BGB).102 Prozessual steht dem Erben ggf die Vollstreckungsabwehrklage zu 95

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So auch HambK/Thies InsO6 § 230 Rn 13; Hess/Obermüller/Hess Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz3 (2003) Rn 767; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 230 Rn 9; für Unwiderruflichkeit in Österreich Klang/Ohmeyer/Klang ABGB2 (1951), § 1348 Anm 7 (Band VI S 212). MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 46. BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: V/2009) § 257 Rn 10; Häsemeyer InsR4 Rn 28.87; HK/Haas InsO9 § 257 Rn 8; MünchKomm/ Huber InsO3 § 257 Rn 46; zur KO bereits Kilger/K Schmidt InsG17 § 194 KO Anm. 3). So schon BGH KTS 1957, 157; Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 21 lit c); BK/Flöther/ Wehner InsO66 (Stand: V/2009) § 257 Rn 10; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 15; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 257 Rn 22.

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Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 22 lit c) zu § 85 VglO; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 19; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 50. Ein Beispiel für eine zeitliche Begrenzung der Inanspruchnahme findet sich in BGH KTS 1970, 45: fünf Jahre nach Bestätigung des Vergleichs. Braun/Braun/Frank InsO7 § 257 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 257 Rn 19; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 50; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 257 Rn 24. Ebenso Kuhn/Uhlenbruck, KO11 § 194 Rn 7 zu § 194 KO. Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 22 lit c). Vgl etwa MünchKomm/Küpper BGB7 § 1991 Rn 7, 8.

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Vollstreckung aus dem Plan

§ 257

(§§ 781, 785, 767 ZPO). Da bei § 257 II alle Gläubiger über einen Titel gegen den Plangaranten verfügen, lässt sich der Gedanke aus § 1991 III BGB hierher nicht übertragen. Da aber weder das Prioritätsprinzip noch die Willkür des Plangaranten als Maßstab der Verteilungsgerechtigkeit taugen, muss die Haftsumme auf die Gläubiger pro rata verteilt werden. Daher sind die von § 257 II begünstigten Plangläubiger als gemeinschaftliche Mitgläubiger anzusehen, so dass die Leistung des Plangaranten unteilbar ist und jeder Gläubiger nur Leistung an alle verlangen kann (§ 432 BGB).103 Im Innenverhältnis ist dann das Verhältnis ihrer Forderungen maßgeblich. Die Verpflichtung muss sich nach dem Wortlaut von § 257 II aus einer dem Insolvenz- 41 gericht eingereichten schriftlichen Erklärung ergeben. Dagegen ließ § 85 II VglO auch eine im Vergleichstermin abgegebene mündliche Erklärung zu Protokoll genügen. Entsprechend war die Rechtslage nach § 194 KO, der sich überhaupt nicht zur Form der Verpflichtungserklärung geäußert hat.104 Da nicht ersichtlich ist, dass sich an der bewährten Rechtslage etwas ändern sollte, ist nach wie vor auch eine zu Protokoll abgegebene Erklärung wirksam.105 Auf § 127a BGB, der nur die Ersetzung der notariellen Beurkundung durch das gerichtliche Protokoll „bei einem gerichtlichen Vergleich“ regelt, kann dafür allerdings nicht unmittelbar,106 sondern nur entsprechend rekurriert werden. Davon zu trennen ist aber die Frage, ob der für das Planverfahren zuständige Richter die Erklärung zu Protokoll nehmen muss oder auf die Schriftform verweisen kann. Hier sprechen die besseren Gründe für die zweite Lösung, um das Gericht zu entlasten. Ist die Erklärung schriftlich abgegeben worden, bedarf sie ggf der gesetzlichen Form, 42 die nach der hier vertretenen Auffassung auch nicht nach § 254a III fingiert werden kann (§ 254a Rn 39). Dies ist insbesondere für Bürgschaften von Nichtkaufleuten von Bedeutung (§§ 766, 126 I BGB), zu denen auch die Gesellschafter einer Handelsgesellschaft zählen.107 Daneben ist an §§ 492, 506 I S 1 BGB zu denken, die der BGH auf den Schuldbeitritt von Verbrauchern zu entgeltlichen Darlehensverträgen und sonstigen Finanzierungshilfen entsprechend anwendet.108 Soweit Gläubiger ihre Forderungen, die nicht aus entgeltlichen Darlehensverträgen und sonstigen Finanzierungshilfen stammen, stunden, liegt darin jedoch nur eine unentgeltliche Finanzierungshilfe iSv § 515 BGB, so dass sich für den Schuldbeitritt keine Formfragen stellen. Hat der Plangarant seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, stellt sich die Frage, 43 ob auf das Schuldverhältnis gegenüber den Plangläubigern – wie in Art 4 II Rom I-VO vorgesehen – bei objektiver Anknüpfung das dort maßgebliche Recht anwendbar ist109 und ob

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Vgl allgemein zu § 432 bei Gemeinschaften MüKo/Bydlinski BGB7 § 420 Rn 15 und § 432 Rn 4. So Jaeger/Weber KO8 § 194 Anm 5, dort zur Ersetzung der Form nach § 766 BGB. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 257 Rn 16; HK/Haas InsO9 § 257 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 16; Leonhard/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 257 Rn 8; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 47; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 26.7; aA BeckOK/Freund InsO10 § 257 Rn 9; Häsemeyer InsR4 Rn 28.83 in Rn 252; Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 257 Rn 8; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 257 Rn 23.

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So wohl MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 47; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 16 unter Verweis auf §§ 162 ZPO, 126 IV BGB. Vgl BGH WM 1991, 536; WM 1993, 496. Grundlegend BGHZ 133, 71, 74 f zum Schuldbeitritt zu einem gewerblichen Finanzierungsleasingvertrag. Zu den Pflichtangaben grundlegend BGH ZIP 2000, 1523, 1524 f; zur Kritik MünchKomm/Schürnbrand BGB7 § 491 Rn 57. Vgl MünchKomm/Martiny BGB6 Art 4 Rom I-VO Rn 224; zu Art 28 EGBGB 1986 (BGBl I S 1142) entsprechend BGHZ 121, 224, 228.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

die Wirkungen einer möglichen Rechtswahl (Art 3 I Rom I-VO) bei Verbrauchern durch Art 6 II S 2 Rom I-VO beschränkt werden. Diese Frage ist zu bejahen, wenn das Rechtsverhältnis des Plangaranten mit den Plangläubigern als vertragliches Schuldverhältnis iSv Art 1 I Rom I-VO zu qualifizieren ist. Bei einer prozessualen Qualifikation wäre dagegen die deutsche lex fori concursus anwendbar (Art 7 II 1 EuInsVO nF). Auch wenn § 257 II einen engen Bezug zum Insolvenzverfahren begründet, wurzelt die materielle Verpflichtung des Plangaranten – auch bei der gebotenen autonomen Auslegung – in dessen Willensentschluss und damit im materiellen Recht. Dies hat zur Folge, dass natürliche Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich110 oder Belgien111 haben, die streng vorgegebene handschriftliche Erklärung abgeben müssen. Bei Plangaranten aus der Schweiz muss die Bürgschaftserklärung natürlicher Personen über 2.000 Franken nach der jeweiligen Ortsform unter Angabe des Höchstbetrags (Art 493 I OR) öffentlich beurkundet werden (Art 493 II OR).112 44 Für das Klauselverfahren und die Zustellung gelten die zu § 257 I dargelegten Grundsätze entsprechend (Rn 20–23). Nimmt man an, dass die Klausel nur auf den Tabellenauszug gesetzt wird,113 würde es sich um eine Art übertragende Klausel aufgrund der Verpflichtungserklärung handeln, die dann konsequenterweise vom Rechtspfleger zu erteilen wäre. Richtigerweise handelt es sich aber um einen einheitlichen Vollstreckungstitel, der aus dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans, dem Bestätigungsbeschluss nebst Rechtskraftvermerk, dem Tabellenauszug und der Verpflichtungserklärung besteht. Dabei kann die Klausel auch auf die Verpflichtungserklärung gesetzt werden.114

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b) Rechtsschutz des Plangaranten. Auch der Rechtsschutz des Plangaranten im Klauselverfahren (§§ 732, 768 ZPO) entspricht dem des Schuldners (Rn 23).115 Dagegen ist bei der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) im Ausgangspunkt zu bedenken, dass die Forderung gegen den Plangaranten nicht rechtskräftig festgestellt wird und auch die Rechtskraft der Feststellung der Planforderung nicht gegen den Plangaranten wirkt (§ 325 I ZPO). Daher ist hier im Grundsatz davon auszugehen, dass § 767 II ZPO wie bei der Vollstreckungsabwehrklage gegen vollstreckbare Urkunden nicht gilt (§ 797 IV ZPO).116 Gleichwohl kann der Plangarant im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nicht geltend machen, dass die festgestellte Forderung tatsächlich nicht besteht, weil er die Feststellung nach dem Sinn und Zweck seiner Erklärung für sich anerkennt.117 Insoweit gilt hier dasselbe wie bei der Prozessbürgschaft.118 Konsequenterweise gilt dieser Einwendungsaus-

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Vgl Art L 341–2 ccons. Vgl Art 2043quinquies § 3 cc idF v Art 7 des Gesetzes v 3.6.2007, Moniteur Belge v 27.6.2007, S 35012. Vgl BGE 117 II 490, 493 und dazu Frick IPRax 1994, 241 ff. So MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 53. So auch HK/Haas InsO9 § 257 Rn 10; für zwingende Platzierung auf der Verpflichtungserklärung Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 257 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 16. Zu § 768 ZPO Bley/Mohrbutter VglO4 § 85 Rn 24 lit a) und c).

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So auch Häsemeyer InsR4 Rn 28.88. Soweit Gaul FS Huber, S 1187, 1224 die Anwendung von § 797 IV ZPO für „systemwidrig“ hält, betrifft dieser Einwand nicht die hier erörterte Frage, ob bei einer Vollstreckungsabwehrklage des Plangaranten § 767 II ZPO anwendbar ist; dazu Rn 47. Häsemeyer InsR4 Rn 28.88; MünchKomm/ Huber InsO3 § 257 Rn 56. Dazu etwa BGHZ 163, 58, 65; Piekenbrock/ Ludwig/Piekenbrock Personalsicherheiten – Bürgschaft, Kreditauftrag, Garantie und Schuldbeitritt (2016), Rn 4/1271.

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Vollstreckung aus dem Plan

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schluss auch, wenn es sich nicht um eine „vollstreckbare Plangarantie“ iSv § 257 II handelt, sondern um eine Bürgschaft außerhalb des Planverfahrens.119 Nach dem Eintritt der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses sollen nach wohl herrschender Auffassung auch Einwände ausgeschlossen sein, die sich auf Willensmängel des Garanten120 und namentlich auf die arglistige Täuschung stützen.121 Diese Auffassung überzeugt nicht. So hat das RG früher die Feststellungsklage eines Bürgen für zulässig und begründet erachtet, mit der dieser zu Recht geltend gemacht hat, dass gar keine (wirksame) Verpflichtungserklärung vorliegt.122 Das müsste in jedem Fall auch für den Einwand gelten, die Erklärung des Bürgen sei wegen Geschäftsunfähigkeit (§ 105 BGB) oder Sittenwidrigkeit nichtig (§ 138 I BGB)123 oder, im Falle der Stellvertretung, ohne Vertretungsmacht abgegeben und nicht genehmigt worden (§ 177 I BGB).124 Im Falle der arglistigen Täuschung oder der widerrechtlichen Drohung dient die bloße Anfechtbarkeit der Willenserklärung nicht dem Schutz des „Täters“,125 sondern gibt dem „Opfer“ die Möglichkeit, die offenkundig mangelhafte Erklärung nachträglich noch zu konsentieren. Gegenüber dem Täter steht dem Opfer bei verpflichtenden Rechtsgeschäften darüber hinaus die (unbefristete) Arglisteinrede zu (§ 853 BGB). Es erscheint daher ungereimt, die Fälle der arglistigen Täuschung und der widerrechtlichen Drohung anders zu behandeln als diejenigen, in denen die Verpflichtungserklärung ipso iure nichtig ist. Dass die arglistige Täuschung heute – im Gegensatz zu § 196 KO und § 89 VglO – kein Anfechtungsrecht für die Gläubiger mehr begründet (§ 255 Rn 53), steht nicht entgegen. Allerdings kommt es nach § 123 II S 1 BGB entscheidend darauf an, wer den Plangaranten getäuscht bzw bedroht hat. Handelt es sich dabei um den Schuldner, scheidet die Anfechtung aus, wenn der jeweilige Gläubiger die Täuschung bzw Drohung weder kannte noch kennen musste. Die Arglisteinrede würde sogar voraussetzen, dass die Gläubiger Täter oder Teilnehmer waren (§ 830 BGB). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, bleibt dem Plangaranten nur der Anspruch gegen den Schuldner aus §§ 823 II BGB, 263 StGB126 bzw §§ 823 II BGB, 253 StGB. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass dem Plangaranten diese materiellen Einwendungen auch nach der rechtskräftigen Bestätigung des Plans noch zustehen, stellt

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Zur Gleichstellung beim Einwendungsausschluss BGH WM 1961, 1048, 1051, dort allerdings zum Ausschluss der Anfechtung nach § 123 BGB. Zum Irrtum des Bürgen schon RGZ 57, 270, 271 ff; MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 48. BGH WM 1961, 1048, 1051; Haarmeyer/ Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 257 Rn 19; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 257 Rn 26. Häsemeyer InsR4 Rn 28.83 teilt diese Auffassung, äußert aber auch eine gewisse Skepsis gegenüber der „problematischen Heilungswirkung der Bestätigung“ (Rn 28.88 in Rn 269); MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 56 aE hält die Anfechtung für „sehr zweifelhaft“; dafür aber Gaul FS Huber, S 1187, 1224. So RGZ 122, 361, 363, weil dem Bürgen nach § 59 II der Geschäftsaufsicht von 1916

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kein eigenes Beschwerderecht zustand; entsprechend RGZ 153, 85, 89 f zur Osthilfe (RGBl 1931 I S 675). Zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften Piekenbrock/Ludwig/Piekenbrock Personalsicherheiten – Bürgschaft, Kreditauftrag, Garantie und Schuldbeitritt (2016), Rn 4/1030 ff. Dazu hat Jaeger/Weber KO8 § 194 Anm 5 angenommen, ein Mangel der Vollmacht werde durch die rechtskräftige Bestätigung geheilt. Dagegen hat OGH v 16.2.1927, Ob III 50/27, Rechtsprechung 1927, 107, 108 (Nr 161) [verfügbar unter < http://alex.onb. ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=rsp >] der Beschränkung der (Prozess-) Vollmacht auch nachträglich noch Bedeutung beigemessen. Vgl Motive I, 209 = Mugdan I, 468. Dazu BGH WM 1961, 1048, 1051.

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sich die weitere Frage, wie diese verfahrensrechtlich geltend zu machen sind. Wenn man annimmt, die materielle Grundlage des Titels sei bspw der Anspruch aus § 765 BGB, handelt es sich um materiell-rechtliche Einwendungen, so dass die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO die richtige Klageart darstellt. Wenn man dagegen annimmt, die Verpflichtungserklärung stelle lediglich die Grundlage dafür dar, dass aus dem Tabellenauszug in Verbindung mit dem rechtskräftig bestätigten Plan auch gegen den Plangaranten vollstreckt werden kann, wäre statt der vom RG für zulässig angesehenen Feststellungsklage die Titelgegenklage analog § 767 ZPO einschlägig. Da die zweite Lesart bereits bei der Frage der Klauselerteilung verworfen worden ist (Rn 44), wird hier für die Vollstreckungsabwehrklage plädiert.

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c) Zweites Insolvenzverfahren. Wird gegen den Schuldner ein zweites Insolvenzverfahren eröffnet, stellt sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter analog § 93 den Plangaranten in Höhe des von diesem garantierten Betrags in Anspruch nehmen und daraus eine Sondermasse zugunsten der Altgläubiger bilden kann. Zwar verneint die Rechtsprechung die analoge Anwendung von § 93 auf Gesellschafterbürgschaften.127 Da der Plangarant aber eine Verpflichtung gegenüber allen Plangläubigern übernommen hat, die die Leistung ggf unter sich aufteilen müssen (Rn 40), erscheint der Einzug durch den Insolvenzverwalter als der einfachste Weg. 3. Vollstreckung der wiederaufgelebten Forderung

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Schließlich eröffnet § 257 III für die Plangläubiger die Möglichkeit, auch wegen ihrer ursprünglichen Insolvenzforderung in voller Höhe zu vollstrecken, wenn diese nach § 255 I wiederauflebt. Dazu werden die Voraussetzungen für die Erteilung der Vollstreckungsklausel für den vollen Betrag der festgestellten Forderung wesentlich vereinfacht. Dabei ist im Ausgangspunkt davon auszugehen, dass es sich bei der festgesetzten Forderung nach der Bestätigung des Insolvenzplans im Umfang des Erlasses um eine bedingte Forderung handelt, wobei der Eintritt der Voraussetzungen von § 255 I als aufschiebende Bedingung anzusehen ist.128 Daher müsste der Gläubiger den Eintritt dieser Bedingung mit öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden nachweisen, um in voller Höhe vollstrecken zu können (§ 726 I ZPO). Das ist zwar hinsichtlich der Mahnung mit Nachfristsetzung durch Vorlage einer entsprechenden Zustellurkunde möglich (§§ 182, 193 III, 418 ZPO), nicht aber hinsichtlich des Zahlungsausfalls. 52 Um dem Gläubiger die Vollstreckung zu erleichtern, sollte er den Verzug nach § 85 II des deutsch-österreichischen Entwurfs nicht beweisen müssen.129 Dies ist der Standpunkt des heutigen österreichischen Rechts (§ 156c II IO).130 Zuvor musste der Gläubiger, der die Exekutionsbewilligung (§ 7 II EO) aus einem früheren Titel131 oder aus dem Ausgleich

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BGHZ 151, 245, 248 f. So schon die Begr EVglO III (Fn 2), S 50. So schon die Begr EVglO III (Fn 2), S 50. Entsprechend § 54 III öAO 1982 (Fn 6) bzw § 156a II KO 1982 (Fn 6) und dazu die Regierungsvorlage, 3 der Beilagen XV. GP, S 41, 48, die hier einen Vorschlag von Bartsch/Pollak/Pollak AO3 § 53a Anm 9 (Band II S 448) aufgenommen hat. Danach liegt in dem Antrag auf Bewilligung der Exekution die Behauptung, dass die Forderung infolge Wie-

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derauflebens in voller Höhe geschuldet ist. Vgl Konecny/Schubert/Lovrek Insolvenzgesetze31 (2008) § 156a KO Rn 18. Die Exekution aus einem früheren Titel konnte grundsätzlich nicht bewilligt werden, wenn dem Gericht die Bestätigung des Ausgleichs bekannt war und soweit der Inhalt des Ausgleichs entgegenstand: OGH v 18.4.1932, 4 Ob 107/32, ZBl (Österreichisches Zentralblatt für die juristische Praxis) 1932/232 (S 605); v 1.8.1932, 1 Ob

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§ 257

ohne Rücksicht auf gewährte Stundungen erhalten wollte, urkundlich nachweisen, dass der Schuldner die Mahnung erhalten hatte.132 Verfügte der Gläubiger über keinen anderen Titel als den Ausgleich, musste er zur Verfolgung der wiederaufgelebten Rechte Leistungsklage erheben.133 In § 85 III VglO 1935 wurde dagegen wenigstens die „Glaubhaftmachung der Mahnung und des Ablaufs der Nachfrist“ gefordert. Damit hat das deutsche Recht einen Mittelweg zwischen den beiden österreichischen Extrempositionen beschritten. Diese Regelung besteht sinngemäß in § 257 III fort. Da dieser Weg zu einem vollstreckbaren Titel wesentlich einfacher ist als der ordentliche Prozessweg, fehlt für eine Leistungsklage auch im Fall von §§ 255 I, 257 III das Rechtsschutzbedürfnis (vgl Rn 4). Aus § 257 III folgt, dass der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung des Tabellenauszugs nach der Bestätigung des Insolvenzplans erhält, wenn er die Mahnung und den Ablauf der Nachfrist glaubhaft macht. Dazu genügt idR eine eidesstattliche Versicherung (§ 4 iVm § 294 I ZPO). Glaubhaft zu machen ist aber nicht nur die Abgabe, sondern auch der Zugang der Mahnung, ab dem die Nachfrist überhaupt erst läuft (vgl § 255 Rn 21). Entzieht sich der Zugang der unmittelbaren Wahrnehmung des Gläubigers, ist die eidesstattliche Versicherung als Beweismittel insoweit ungeeignet. Daher muss der Gläubiger entweder die Übergabe des Schreibens an den Schuldner selbst, einen Empfangsboten oder den Einwurf in den Briefkasten eidesstattlich versichern134 oder – unbedingt empfehlenswert – den Zugang durch die Zustellung des Schreibens ersetzen (§ 132 I BGB) und die Zustellurkunde vorlegen. Ob seit dem Zugang der Mahnung bzw dem Zustelldatum die vierzehntägige Nachfrist verstrichen ist, ergibt sich aus dem Kalender und muss daher vom Gläubiger nicht glaubhaft gemacht werden. Gemeint sein kann daher nur der fruchtlose Ablauf der Nachfrist. Die eidesstattliche Versicherung muss daher die Aussage enthalten, dass der Schuldner die Leistung bis zum Ablauf der Frist nicht vollständig erbracht hat. Diese Aussage setzt aber notwendigerweise die Behauptung voraus, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Mahnung mit fälligen Leistungen im Rückstand war. Daher ist auch dieser Umstand eidesstattlich zu versichern;135 § 257 III suspendiert den Gläubiger nur, insoweit einen weiteren Beweis zu führen. Die Vollstreckungsklausel richtet sich im Fall von § 257 III gegen den Schuldner. Für Plangaranten (§ 257 II) kommt sie dagegen nicht zum Tragen. Gerät der Schuldner mit der Erfüllung einer Planforderung im bürgerlich-rechtlichen Sinne in Verzug (§ 286 BGB), sind auch die Verzugszinsen (§ 288 BGB) von einer Bürgschaft gedeckt (§ 767 I 2 BGB). Dafür bedarf es aber bei kalendermäßiger Fälligkeit keiner Mahnung (§ 286 II Nr 1 BGB) und erst recht keiner Nachfristsetzung (§ 255 Rn 26). Daher ist § 257 III auch in diesem Fall nicht einschlägig.136 Die Klausel ist stets vom Rechtspfleger zu erteilen, weil es sich um eine qualifizierte Klausel iSv § 726 I ZPO handelt (§§ 18 I Nr 2, 20 I Nr 12 RPflG); im Übrigen ist § 257 III jedoch lex specialis. Für die Zwangsvollstreckung würde es eigentlich genügen, wenn dem

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781/32, RZ 1932, 215; v 19.1.1972, 1 Ob 343/71, SZ 45/5 (S 26). OGH v 10.1.1962, 3 Ob 473/61, RZ 1962, 254, 255; v 8.3.1967, 3 Ob 30/67, EvBl 1967/390 (ÖJZ 1967, 551); v 13.3.1968, 3 Ob 22/68, EvBl 1968/347 (ÖJZ 1968, 551); v 4.3.1970, 3 Ob 24/70, EvBl 1970/299 (ÖJZ 1970, 521).

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OGH v 13.3.1968, 3 Ob 22/68, EvBl 1968/347 (ÖJZ 1968, 551). MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 62. AA MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 61. Insoweit aA MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 63.

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Gläubiger, für den die Wirkungen des gestaltenden Teils des Insolvenzplans hinfällig geworden sind, lediglich eine vollstreckbare Ausfertigung des Tabellenauszugs erteilt würde. Der Titel nach § 257 III wäre dann äußerlich aber nicht von einem nach § 201 II zu unterscheiden. Daher empfiehlt es sich, den Titel wie bei § 257 I auszufertigen mit dem Zusatz, dass die Vollstreckung ohne Berücksichtigung von Stundungen und Teilerlassen im Insolvenzplan stattfindet.137 Außerdem sind mögliche Teilleistungen des Schuldners zu vermerken. 57 Dem Schuldner steht zum einen die Klauselerinnerung zu (§ 732 ZPO), wenn die Klausel ohne Beachtung der prozessualen Voraussetzungen in § 257 III erteilt worden ist.138 Dies dürfte am ehesten der Fall sein, wenn der Zugang der Mahnung nicht glaubhaft gemacht worden ist. Daneben ist die Klauselgegenklage (§ 768 ZPO) statthaft, wenn der Schuldner bestreitet, dass die Voraussetzungen von § 255 I tatsächlich vorgelegen haben.139 Der Gläubiger kann dagegen sofortige Beschwerde erheben, wenn der Rechtspfleger die Klausel zu Unrecht nicht erteilt haben soll (§§ 11 I RPflG, 567 ZPO).

§ 258 Aufhebung des Insolvenzverfahrens (1) Sobald die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig ist und der Insolvenzplan nicht etwas anderes vorsieht, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens. (2) 1Vor der Aufhebung hat der Verwalter die unstreitigen fälligen Masseansprüche zu berichtigen und für die streitigen oder nicht fälligen Sicherheit zu leisten. 2Für die nicht fälligen Masseansprüche kann auch ein Finanzplan vorgelegt werden, aus dem sich ergibt, dass ihre Erfüllung gewährleistet ist. (3) 1Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. 2Der Schuldner, der Insolvenzverwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses sind vorab über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufhebung (§ 9 Abs. 1 Satz 3) zu unterrichten. 3§ 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.2.26 Abs. 1, 2.2.27 S 2, 2.2.28; DiskE/RefE § 294; RegE § 305; Begr zu RegE § 305, BT-Drucks 12/2443 S 214; Stellungnahme BRat zu RegE § 305, BTDrucks 12/2443 S 248; Gegenäußerung BReg zu RegE § 305, BT-Drucks 12/2443 S 261 (Nr 2 lit d); Ber BT-RA zu RegE § 305, BT-Drucks 12/7302 S 185; Begr zu RegE ESUG § 258, BT-Drucks 17/5712 S 37; Stellungnahme BRat zu RegE ESUG § 258, BT-Drucks 17/5712 S 58; Gegenäußerung BReg zu RegE ESUG § 258, BT-Drucks 17/5712 S 70; Ber BT-RA zu RegE ESUG § 258, BT-Drucks 17/7511 S 36. Vorgängerregelung: §§ 190, 191 KO; § 90 VglO; § 19 I Nr 2, II, IV GesO. Literatur S zu § 254; Beth Die Vorabmitteilung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 258 Abs. 3 Satz 2 InsO), ZInsO 2015, 2017; Braun/Heinrich Auf dem Weg zu einer (neuen) Insolvenzplankultur in Deutschland – Ein Beitrag zu dem Regierungsentwurf für ein Ge-

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MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 64. MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 66; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 17.

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MünchKomm/Huber InsO3 § 257 Rn 66; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 257 Rn 17.

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Aufhebung des Insolvenzverfahrens

§ 258

setz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, NZI 2011, 505; Busch Zur Haftung des Insolvenzverwalters für Lieferantenforderungen nach Bestätigung eines Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens, DZWIR 2003, 172; Gerster Insolvenzplan, das unbekannte Wesen oder der Maßanzug des Insolvenzrechts?, ZInsO 2008, 437; Grub Zur Beendigung des Insolvenzverfahrens bei Insolvenzplan, DZWIR 2004, 317; Kreuznacht Massezulänglichkeit als ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung des Insolvenzplans oder Redaktionsversehen?, NZI 2007, 438; Pape Erleichterung der Sanierung von Unternehmen durch Insolvenzverfahren bei gleichzeitiger Abschaffung der Gläubigergleichbehandlung?, ZInsO 2010, 2155; Paul Die Rechtsprechung der Instanzgerichte zum Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2004, 72; Schreiber Geltendmachung von Forderungen nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens, BB 2005, 1173; Stapper Die Zigarette danach, oder was passiert, wenn der Insolvenzplan rechtskräftig wird?, ZInsO 2010, 1735; Wienberg/Dellit Masse- sowie Planquotenunzulänglichkeit im Insolvenzplanverfahren, FS Bruno Kübler (2015), S 805.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . 3. Normzweck . . . . . . . . . . . . . II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . 1. Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Behandlung von Masseansprüchen (§ 258 II) . . . . . . . . . . . . . . a) Unstreitige und fällige Masseansprüche . . . . . . . . . . . . b) Unstreitige, aber nicht fällige Masseansprüche . . . . . . . .

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c) Streitige Masseansprüche . . . . d) Masseinsuffizienz . . . . . . . . e) Verletzung der Pflichten aus § 258 II . . . . . . . . . . . . . 3. Bekanntmachung und Vorankündigung der Aufhebung (§ 258 III) . . a) Bekanntmachung der Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . b) Vorankündigung des Wirksamwerdens der Aufhebung . . . . . c) Registereintragungen . . . . . .

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Rn. 24 26

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte § 258 I InsO 19991 hat inhaltlich die Regelungen zur Aufhebung des Konkurs- bzw 1 Vergleichsverfahrens nach der rechtskräftigen Bestätigung des Vergleichs (§ 190 I KO2; § 90 I VglO) bzw zur Einstellung des Gesamtvollstreckungsverfahrens nach Eintritt der Rechtskraft des Vergleichsbeschlusses (§ 19 I Nr 2 GesO) übernommen; die Vorschrift entsprach bis auf eine redaktionelle Änderung § 294 I DiskE und wörtlich § 294 I RefE bzw § 305 I RegE. Durch das ESUG3 ist auf Empfehlung des Rechtsausschusses die Anordnung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans – im Anschluss an § 217 S 1 – durch den Zusatz der Wörter „und der Insolvenzplan nicht etwas anderes vorsieht“ ausdrücklich plandispositiv gestellt worden.4 § 258 I hat später als Vorbild für § 22 I KredReorgG gedient.5

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IdF v 5.10.1994, BGBl I S 2866. Die KO hat sich damit bewusst gegen das in § 232 der bremischen Verordnung für Debitund Nachlaßsachen v 25.5.1843, Sammlung der Verordnungen und Proclame 1843, 30 niedergelegte Prinzip entschieden, nach dem das Verfahren nach vollständiger Erfüllung des Akkords aufgehoben wurde. Vgl Begr EKO S 395 f, 421.

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Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v 7.12.2011, BGBl I S 2582. BT-RA zu RegE ESUG § 217, BT-Drucks 17/ 7511 S 35; BT-RA zu RegE ESUG § 258, BTDrucks 17/7511 S 36. Begr zu RegE KredReorgG § 22, BTDrucks 17/3024 S 58.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

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§ 258 I InsO 1999 geht inhaltlich auf § 191 I KO zurück, während es im Vergleichsverfahren keine Masseansprüche gab. Die Vorschrift entsprach wörtlich § 295 I S 3 DiskE/RefE, wurde dann aber systematisch zu Recht in § 305 II RegE eingestellt, weil sie keine Wirkung, sondern eine Voraussetzung der Aufhebung regelt. § 258 II InsO 1999 entspricht weitgehend § 258 II S 1; ergänzt worden sind mit dem ESUG lediglich die Wörter „oder nicht fälligen“.6 Für diese nicht fälligen Masseansprüche wurde mit dem ESUG zugleich die Sonderregelung in § 258 II S 2 geschaffen, die alternativ zur Sicherheitsleistung einen Finanzplan zulässt (Rn 22, 24). 3 § 258 III 1999 hat inhaltlich die Regelungen zur Bekanntmachung der Aufhebung bzw Einstellung des Verfahrens in § 190 II, III KO, § 98 III VglO bzw § 19 II, IV GesO übernommen. Die Regelung entsprach bis auf die Verweise wörtlich § 294 II DiskE/RefE und § 305 III RegE. Dabei wurde im Vergleich zu früher in § 258 III S 2 die Ankündigung der Aufhebung vorgeschrieben.7 Im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren ist die selbständige Verweisung auf die Regelungen in §§ 31 bis 33 (nach heutiger Zählung) zu den Registereintragungen durch einen Verweis auf 200 II S 3 InsO 1999 ersetzt worden. Dass in § 258 III S 3 InsO 1999 zusätzlich auf die Bestimmung zur auszugsweisen Bekanntmachung im Bundesanzeiger in § 200 II S 2 InsO 1999 verwiesen wurde, war den vom Bundesrat gewünschten Änderungen der allgemeinen Regelungen zur öffentlichen Bekanntmachung in § 9 I S 1 InsO 1999 geschuldet.8 20079 wurde der Verweis auf § 200 II an den Wegfall papiergebundener Bekanntmachungen zugunsten des Internets (§ 9 I 1 InsO) angepasst,10 so dass § 258 III S 3 nunmehr wie § 215 I S 3 nur noch eine Kettenverweisung über § 200 II S 2 auf §§ 31 bis 33 enthält. Daher wäre es einfacher, zur ursprünglich geplanten direkten Verweisung auf §§ 31 bis 33 zurückzukehren. 2. Zeitlicher Anwendungsbereich

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In zeitlicher Hinsicht ist § 258 I, II in der durch das ESUG geschaffenen Fassung nur anwendbar, wenn das Insolvenzverfahren, in dem der Insolvenzplan zustande gekommen ist, ab dem 1.3.2012 eröffnet worden ist (Art 103g EGInsO). Ob die Aufhebung des Insolvenzverfahrens schon in älteren Insolvenzverfahren ausgeschlossen werden kann, ist eine Frage der Auslegung von § 217 InsO 1999. Der BGH hat dazu nur die Vorschriften über die Feststellung des Forderungsrechts der Gläubiger als nicht disponibel angesehen.11 Allgemein hat er aber auch angenommen, dass von Verfahrensvorschriften nur abgewichen werden kann, wenn Sondervorschriften bestehen, „die eine Abweichung ausdrücklich zulassen“.12 Obwohl der Rechtsausschuss die Ergänzung von § 217 S 1 und § 258 I als Klar-

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Zuvor war LG Stuttgart DZWIR 2003, 171, 172 davon ausgegangen, dass § 258 II InsO 1999 unstreitige, aber nicht fällige Masseansprüche überhaupt nicht geregelt hat. Vgl Begr zu RegE § 258, BT-Drucks 12/2443 S 214. Dass dort von einer Ergänzung in „Absatz 2 Satz 2“ die Rede ist, beruht auf einem Redaktionsversehen, weil die Passage wörtlich aus der Begründung des Diskussionsentwurfs (S 266) übernommen worden ist. Dass der RegE in § 304 II die Regelung zu den Masseansprüchen eingefügt und die zur Bekanntmachung in Abs 3 verschoben hat, wurde nicht berücksichtigt.

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Vgl Stellungnahme BRat und Gegenäußerung BReg zu RegE §§ 9, 305, BT-Drucks 12/ 2443 S 248 f, 261; BT-RA zu RegE §§ 9, 305, BT-Drucks 12/7302 S 156, 185. Art 1 Nr 26 des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens v 13.4.2007, BGBl I S 509. Begr zu RegE § 258, BT-Drucks 16/3227 S 21. BGH ZIP 2009, 480 Rn 26. BGH ZIP 2009, 480 Rn 25.

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Aufhebung des Insolvenzverfahrens

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stellung angesehen hat, sprechen daher die besseren Gründe dafür, dass in Altfällen das Insolvenzverfahren zwingend aufzuheben ist und im Insolvenzplan nur die Überwachung der Planerfüllung außerhalb des Insolvenzverfahrens angeordnet werden konnte (§§ 259 II, 260).13 Dafür spricht auch, dass die Konkursbeendigung nach § 190 KO, der durch § 258 InsO 1999 weitgehend fortgeschrieben werden sollte,14 eine „notwendige Folge des Zwangsvergleichs“ bilden sollte.15 Dementsprechend kommt auch die Sicherung nicht fälliger Masseansprüche durch ei- 5 nen Finanzplan nur in Insolvenzverfahren seit dem 1.3.2012 in Betracht. Nicht eindeutig ist das Übergangsrecht für § 258 III. Zwar sind auf Insolvenzverfahren, 6 die vor dem 1.7.2007 eröffnet worden sind, grundsätzlich die bis dahin geltenden Vorschriften anzuwenden (Art 103c I 1 EGInsO). Allerdings gilt dies (ua) nicht für § 9. Auf den ersten Blick erfasst diese Ausnahme nur die Änderung der allgemeinen Bestimmungen über die öffentlichen Bekanntmachungen, nicht aber die besonderen zur Veröffentlichung von Eröffnungs- (§ 30 I InsO 1999) sowie Einstellungs- und Aufhebungsbeschlüssen im Bundesanzeiger (§§ 200 II 2, 215 I 3, 258 III 3 InsO 1999), die zum 1.7.2007 ebenfalls aufgehoben worden sind.16 Allerdings sollte durch die Ausnahme von der allgemeinen Übergangsvorschrift, die die neuen Vorschriften nur auf neu eröffnete Insolvenzverfahren angewendet wissen will, „vermieden werden, dass die Gerichte neben den Internetveröffentlichungen noch über Jahre hinweg Veröffentlichungen in den Printmedien vornehmen müssen.“17 Dieses Ziel würde aber verfehlt, wenn auf Einstellungs- und Aufhebungsbeschlüssen in Altfällen noch die ursprünglichen Vorschriften anwendbar wären. Daher ist Art 103c I S 1 EGInsO dahin auszulegen, dass seit 1.7.2007 auch in Altfällen öffentliche Bekanntmachungen nur noch nach den seither geltenden Vorschriften im Internet erfolgen.18 3. Normzweck Da das Insolvenzverfahren durch den Eröffnungsbeschluss (§ 27) förmlich eröffnet 7 wird, muss es auch durch einen entsprechenden actus contrarius förmlich wieder beendet werden.19 Diese Beendigung erfolgt – wie im früheren Vergleichsrecht (§ 91 I VglO) – unabhängig davon, ob im gestaltenden Teil des Insolvenzplans die Überwachung der Planerfüllung vorbehalten bleibt (vgl § 260 Rn 17). Anders als im heutigen österreichischen Recht (§ 152b II IO) (vgl dazu § 260 Rn 5 ff) wird das Insolvenzverfahren in Deutschland nicht bereits durch die Bestätigung des Insolvenzplans beendet, sondern wie im Regelverfahren (§ 200) erst durch die förmliche „Aufhebung des Insolvenzverfahrens“. Diese Trennung ist erforderlich, weil vor der förmlichen Beendigung des Insolvenzverfahrens noch wesentliche Abwicklungstätigkeiten erforderlich sind. Wer die Bestätigung des Insolvenzplans und die Aufhebung des Insolvenzverfahrens miteinander verbindet, muss die Durchführung dieser Abwicklungstätigkeiten dagegen schon für die Bestätigung verlangen (vgl dazu § 260 Rn 6). Die Durchführung des Insolvenzplans ist dagegen grundsätzlich nicht

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Für einen konstitutiven Charakter der Neuregelung in § 258 I auch MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 180; für Klarstellung dagegen HK/Haas InsO9 § 258 Rn 4. So Begr zu RegE § 305, BT-Drucks 12/2443 S 214. So Jaeger/Weber KO8 § 190 Anm 1.

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Vgl Art 1 Nr 10, 25, 26 des Gesetzes v 13.4.2007 (Rn 7). Begr zu RegE EGInsO Art 103c, BTDrucks 16/3227 S 22. So iE auch HK/Haas InsO9 § 258 Rn 10. Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 85; Wienberg/Dellit FS Kübler, S 805, 806.

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mehr die Aufgabe des Insolvenzverwalters, sondern des Schuldners; dies gilt heute auch für Genossenschaften, da § 116 GenG insoweit nichts anderes mehr bestimmt.20 8 Zu diesen Abwicklungstätigkeiten gehört nicht nur die Berichtigung bzw Sicherung der Masseansprüche (§ 258 II), sondern nach ganz herrschender Auffassung grundsätzlich auch die Rechnungslegung durch den Insolvenzverwalter (§ 66 I 1) sowie die Prüfung der Schlussrechnung durch das Gericht, die Gläubigerversammlung und ggf den Gläubigerausschuss (§§ 66 II, 197 I 2 Nr 1).21 Dass die Rechnungslegung grundsätzlich vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu erfolgen hat, liegt an der Beendigung der Ämter des Insolvenzverwalters und ggf der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 259 I 1).22 Da die Rechnungsprüfung durch den Rechtspfleger23 (§ 66 II) und die Gläubiger in einem separat zu bestimmenden Schlusstermin (vgl § 197 II) zeitaufwendig ist, kann der Insolvenzplan seit Inkrafttreten des ESUG vorsehen, dass das Insolvenzverfahren ohne vorherige Rechnungslegung oder -prüfung aufgehoben werden soll (§ 66 I 2).24 9 Schließlich muss das Insolvenzgericht vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens – grundsätzlich durch den Rechtspfleger (§§ 3 Nr 2 lit e, 18 II RPflG) – noch die Vergütung des Insolvenzverwalters und ggf der Mitglieder des Gläubigerausschusses festsetzen (§§ 63, 64, 73)25 und diese Masseverbindlichkeiten berichtigen (§ 258 II).26 Die sofortige Beschwerde gegen die Vergütungsfestsetzung hindert die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht (§§ 64 III, 73 II, 6 InsO, 570 ZPO).27 Grundsätzlich nicht erforderlich ist, dass der Insolvenzplan bereits durchgeführt worden ist. Vielmehr entspricht es dem tradierten Vorbild des (Zwangs-)Vergleichs, dass der Schuldner die Planforderungen nach Aufhebung des Insol-

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Dagegen war in § 115e II GenG 1933 (RGBl I S 1089) noch vorgesehen, dass der Zwangsvergleich vom Konkursverwalter durchgeführt (Nr 4) und das Konkursverfahren erst aufgehoben wird, wenn der Konkursverwalter dem Gericht die Erfüllung anzeigt (Nr 7); dazu etwa Jaeger/Weber KO8 § 192 Anm 8. Diese Regelungen sind in § 116 GenG im Rahmen der Insolvenzrechtsreform (Art 49 Nr 38 EGInsO) nicht übernommen worden. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 258 Rn 10; Braun/Braun/Frank InsO7 § 258 Rn 4; Gerster ZInsO 2008, 437, 443; Häsemeyer InsR4 Rn 28.53; HambK/Thies InsO6 § 258 Rn 7 f; HK/Haas InsO9 § 258 Rn 3; Jaeger/Eckardt InsO § 66 Rn 16, 20; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 258 Rn 4; MünchKomm/Huber InsO3 § 258 Rn 16; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2008) § 258 Rn 4; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 24.3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 258 Rn 10; zu § 190 KO vgl entsprechend Jaeger/Weber KO8 § 190 Anm 2; aA Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 258 Rn 6; FK/ Jaffé InsO9 § 258 Rn 9 ff; Grub DZWIR 2004, 317 ff; Haarmeyer/Wutzke/Förster/ Wenzel InsO2 § 258 Rn 17.

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Zutr HK/Haas InsO9 § 258 Rn 5; zur Rechnungslegung vor der regulären Beendigung des Amtes Jaeger/Eckardt InsO § 66 Rn 20. Zur Zuständigkeit HambK/Thies InsO6 § 258 Rn 8 aE. Begr zu RegE ESUG § 66, BT-Drucks 17/ 5712 S 26 f. Zu den Handlungsoptionen Braun/Heinrich NZI 2011, 505, 513; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 6. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 258 Rn 11; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 258 Rn 1; Haarmeyer/Wutzke/Förster/ Wenzel InsO2 § 258 Rn 6; Hess InsO2 § 258 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 258 Rn 3; Schmidt/ Montag SanierungsR §§ 258, 259 Rn 19; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 24.4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 258 Rn 3; aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 258 Rn 5; wohl auch Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 8. Ausführlich zur Höhe der Vergütung im Insolvenzplanverfahren Smid/ Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 24. 9 ff. Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 24.4. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 8.

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venzverfahrens kraft seiner wiedererlangten Verfügungsbefugnis (§ 259 I 2) selbst erfüllt. Dies gilt auch für Liquidationspläne.28 Der Insolvenzplan kann aber vorsehen, dass etwa für die liquide Masse oder einen Teil davon eine Schlussverteilung (§ 196) durchgeführt wird. Dann ist vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Schlusstermin (§ 197 I Nr 2) abzuwarten.29 Sieht der Insolvenzplan keine von § 258 I abweichende Regelung vor, ist zur Vermei- 10 dung von Verzögerungen für die Prüfung von Forderungen, die erst nach der Bestätigung des Insolvenzplans angemeldet worden sind, weder in einem besonderen Prüfungstermin noch im schriftlichen Verfahren (§ 177 I 2) Raum.30 Solche Gläubiger müssen Klage auf Erfüllung ihrer Planforderung erheben, wenn sie über keinen anderen Titel verfügen und der Schuldner die Forderung bestreitet. Nach § 258 I ist das Insolvenzverfahren immer aufzuheben, wenn der Insolvenzplan 11 nichts anderes vorsieht. Im Schrifttum wird dagegen die Auffassung vertreten, dass das Verfahren von Amts wegen fortzusetzen sei, wenn der Plan nicht mehr erfüllbar ist.31 Allerdings ändert die Fortsetzung des Insolvenzverfahrens nichts an der rechtswirksamen Bestätigung des Insolvenzplans,32 dessen Folgen nur nach Maßgabe von § 255 II durch ein neues Insolvenzverfahren beseitigt werden können.33 Auch eine Fortsetzung des bisherigen Insolvenzverfahrens als Regelverfahren „in analoger Anwendung von § 275 I BGB“34 ist nicht möglich. Dasselbe gilt für die analoge Anwendung von § 323a ZPO.35 Ist der Schuldner schon beim Beschluss über die Aufhebung des alten Insolvenzverfahrens zahlungsunfähig oder überschuldet und damit ggf antragspflichtig (§ 15a I), ist vielmehr ein neues Insolvenzverfahren zu eröffnen. Teilt der Insolvenzverwalter die Quotenunzulänglichkeit dem Insolvenzgericht mit und stellt der Schuldner daraufhin einen Eigenantrag, kann die Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens zeitgleich mit der Eröffnung des zweiten erfolgen. An diesem Insolvenzverfahren können sich alle Gläubiger beteiligen, die zu diesem Zeitpunkt eine Forderung gegen den Schuldner haben (§ 38). Eine Fortsetzung des bisherigen Insolvenzverfahrens würde die Neugläubiger, die keine Massegläubiger geworden sind, dagegen ausschließen.

II. Einzelerläuterung 1. Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Beschluss, für den im Insolvenz- 12 planverfahren in Neuverfahren seit dem 1.1.201336 stets originär der Richter zuständig ist

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Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2008) § 258 Rn 4. HK/Haas InsO9 § 258 Rn 3; MünchKomm/ Huber InsO3 § 258 Rn 16. Grub DZWIR 2004, 317, 318; HK/Haas InsO9 § 258 Rn 6; aA HambK/Thies InsO6 § 258 Rn 9. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 4; Wienberg/Dellit FS Kübler, S 805, 808 f; HambK/ Thies InsO6 § 258 Rn 17; aA wohl Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 258 Rn 8. Ausführlich zum Problem Schmidt/ Montag SanierungsR §§ 258, 259 Rn 7.

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MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 217 Rn 55 bejaht hier allerdings über § 313 BGB eine Neuverhandlungspflicht. Dagegen plädiert K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 5 für eine analoge Anwendung von § 255 II im alten Insolvenzverfahren. Wienberg/Dellit FS Kübler, S 805, 810. Dafür Schmidt/Montag SanierungsR §§ 258, 259 Rn 11. Zum Inkrafttreten von § 18 I Nr 2 RPflG vgl 10 S 2 ESUG. Zum Übergangsrecht vgl Art 103g S 2 EGInsO.

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(§ 18 I Nr 2 RPflG).37 Zwar ist das Insolvenzplanverfahren mit der rechtskräftigen Bestätigung abgeschlossen; gleichwohl spricht § 18 I Nr 2 RPflG ausdrücklich von „Verfahren über einen Insolvenzplan nach den §§ 217–256 und den §§ 258–269 der Insolvenzordnung.“ Damit ist auch der Beschluss nach § 258 I dem Richter vorbehalten, der auch das eigentliche Insolvenzplanverfahren geführt hat. Im Schrifttum wird zum Teil die These vertreten, dass der Rechtspfleger zuständig ist, wenn im Insolvenzplan eine von § 258 I abweichende Regelung getroffen worden ist, die den Zusammenhang zwischen der Planbestätigung und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens beseitigt.38 Dieser Auffassung beruht auf einer richtigen Überlegung, ist aber ungenau formuliert. Wird das Verfahren unter Angabe des entsprechenden Grundes nach § 258 I aufgehoben, ist stets der Richter zuständig. Sieht der Insolvenzplan dagegen vor, dass das Insolvenzverfahren nach der Bestätigung des Insolvenzplans regulär weitergeführt wird, erfolgt die Aufhebung nach § 200; zuständig ist dann nach allgemeinen Grundsätzen (§ 3 Nr 2 lit e RPflG) der Rechtspfleger. 13 Der Beschluss muss im Tenor angeben, dass das Insolvenzverfahren aufgehoben worden ist. Dadurch ist er von Fällen der Einstellung nach §§ 207, 211, 212, 213 bereits im Tenor zu unterscheiden. Die Angabe der „Stunde der Aufhebung“ ist – im Gegensatz zur „Stunde der Eröffnung“ (§ 27 II Nr 3) – dagegen weder in § 200 I noch in § 258 I vorgesehen. Allein daraus folgt jedoch noch nicht zwingend, dass der Beschluss erst mit Beginn des dritten Tages nach der Bekanntmachung im Internet (§ 9 I 3) wirksam wird.39 Vielmehr hat der Gesetzgeber diese Frage jedenfalls nicht unmittelbar geregelt.40 Zu § 200 I hat der BGH entschieden, dass die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht erst nach Maßgabe von § 9 I S 3 wirksam wird, weil der Entzug der Verfügungsbefugnis für den Schuldner nicht länger dauern darf als erforderlich.41 Obwohl dieses Argument prima facie auch bei § 258 I valide ist, geht § 258 III S 2 offensichtlich davon aus, dass die Aufhebung nach Maßgabe von § 9 I S 3 wirksam wird. An diese ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers ist der Rechtsanwender gebunden.42 14 Als Grund der Aufhebung ist die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans zu nennen. Dies kann – auch zur Vereinfachung der Veröffentlichung (§§ 258 III 1, 9 I 1 Hs 1) – ebenfalls im Tenor geschehen. Dieser könnte etwa lauten: „ Das mit Beschluss vom … eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen … wird nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans aufgehoben.“43 Eine weitergehende Begründung des Beschlusses ist nicht zwingend erforderlich, zumal es sich – vorbehaltlich einer abweichenden Bestimmung im

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Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 9; HK/Haas InsO9 § 258 Rn 9. Dagegen hält MünchKomm/Huber InsO3 § 258 Rn 8 hier § 18 II RPflG nach wie vor für einschlägig, so dass der Rechtspfleger zuständig ist, wenn sich der Richter die Entscheidung nicht vorbehalten hat. Beth ZInsO 2015, 2017, 2018; HambK/ Thies InsO6 § 258 Rn 21; HK/Haas InsO9 § 258 Rn 9. Zu § 200 I ausdrücklich BGH ZIP 2010, 1610 Rn 8. Dagegen war im 1. Ber InsRKomm LS 2.2.28 III vorgesehen, dass der Beschluss mit der Zustellung an den Insolvenzverwalter wirksam wird. BGHZ 186, 223 Rn 5 ff.

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So iE auch Beth ZInsO 2015, 2017, 2018; Braun/Braun/Frank InsO7 § 258 Rn 13; Brünkmann/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 9; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 258 Rn 7; HK/Haas InsO9 § 258 Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 19; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 258 Rn 11; MünchKomm/Huber InsO3 § 258 Rn 19; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2008) § 258 Rn 5. Entsprechend schon Begr EKO S 421. Ganz ähnlich Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 11 und MünchKomm/Huber InsO3 § 258 Rn 9, dort jeweils ohne Hinweis auf den Eröffnungsbeschluss.

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Insolvenzplan – um eine gebundene Entscheidung handelt. Gleichwohl bietet es sich an, kurz die Chronologie der Beschlussfassung und der Bestätigung des Insolvenzplans darzulegen und darauf hinzuweisen, dass „der Insolvenzplan nicht etwas anderes vorsieht“. Der richterliche Beschluss ist unanfechtbar (§ 6 I 1); die förmliche Zustellung ist daher 15 nicht erforderlich (§ 4 iVm § 329 II ZPO).44 In Verfahren, die vor dem 1.1.2013 eröffnet worden sind und in denen noch der Rechtspfleger entschieden hat,45 ist dagegen die befristete Erinnerung nach § 11 II RPflG gegeben. Daher muss der Beschluss nach Maßgabe von § 8 dem Insolvenzverwalter, dem Schuldner und den Mitgliedern des Gläubigerausschusses zugestellt werden.46 Die unverzügliche47 Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung des Insol- 16 venzplans kann für die Durchführung des Plans von erheblicher Bedeutung sein, weil dann auch aus Dauerschuldverhältnissen oder aus Handlungen des Insolvenzverwalters keine neuen Masseverbindlichkeiten mehr begründet werden können, die vorab zu berichtigen bzw zu sichern sind (Rn 19 ff). Gleichwohl ist es zu begrüßen, dass im gestaltenden Teil des Insolvenzplans nunmehr von der Aufhebung des Insolvenzverfahrens abgesehen werden kann. Diese Gesetzesänderung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass es eine Vielzahl unterschiedlicher Pläne geben kann, bei denen die unverzügliche Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht in allen Fällen opportun ist. Insbesondere muss der Plan – anders als ein (Zwangs-)Vergleich – eine insolvenzmäßige Befriedigung der Gläubiger aus der Masse funktional nicht vollständig ersetzen, sondern kann sich auf Teilaspekte des Insolvenzverfahrens beschränken. In diesen Fällen wäre die Aufhebung des Insolvenzverfahrens unmittelbar nach der Bestätigung des Insolvenzplans und der Befriedigung der Massegläubiger (§ 258 II) dysfunktional.48 2. Behandlung von Masseansprüchen (§ 258 II) a) Unstreitige und fällige Masseansprüche. Vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens 17 sind zwingend die unstreitigen fälligen Masseansprüche zu berichtigen; dies gilt auch, wenn im gestaltenden Teil des Insolvenzplans die Überwachung der Planerfüllung vorgesehen ist (§ 260 I), es sei denn, ein Massegläubiger lässt die Forderung im Rahmen eines Kreditrahmens stehen (vgl § 264 Rn 15 f, 21). Fehlen dazu die erforderlichen liquiden Mittel, muss der Insolvenzverwalter das Schuldnervermögen (anteilig) verwerten,49 selbst wenn das im Widerspruch zum Plan steht.50 Die Pflicht zur Berichtigung aller unstreitigen und fälligen Masseverbindlichkeiten wird nur bei der rechtskräftigen Bestätigung eines Insolvenzplans bei Masseunzulänglichkeit eingeschränkt, weil die übrigen Massegläubiger iSv § 209 I Nr 3 dann wie nicht nachrangige Insolvenzgläubiger behandelt werden (§ 210a Nr 1) und sich § 258 II daher nur auf die Massegläubiger iSv § 209 I Nr 1, 2 beziehen kann (Rn 26).51

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Vgl MünchKomm/Ganter/Lohmann InsO3 § 8 Rn 9. §§ 3 Nr 2 lit e), 18 I RPflG idF v Art 14 EGInsO v 5.10.1994, BGBl I S 2911. Zum Übergangsrecht vgl Art 103c S 2 EGInsO. Im Einzelnen MünchKomm/Huber InsO3 § 258 Rn 20 f. HambK/Thies InsO6 § 258 Rn 19; Hess InsO2 § 258 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 258 Rn 6.

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Vgl HK/Haas InsO9 § 258 Rn 4. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 258 Rn 17; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 258 Rn 6. BeckOK/Freund InsO10 § 258 Rn 5. So zutr MünchKomm/Madaus InsO3 § 210a Rn 27. Dagegen meint Brünkmans/Thole/ Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 3, § 258 II sei in diesem Fall plandispositiv.

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Damit ergänzt § 258 II die allgemeine Regelung in § 53, der vorschreibt, dass die Kosten (§ 54) und sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55) vorweg zu berichtigen sind. Dies gilt – anders als zeitweise in Österreich (vgl § 260 Rn 5) – auch, wenn im gestaltenden Teil des Insolvenzplans die Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans vorgesehen ist. Diese Vorschrift, die im Regierungsentwurf nicht näher begründet worden ist,52 bereitet jedoch erhebliche Probleme. Unproblematisch ist die Berichtigung der Verfahrenskosten, zu denen neben den Gerichtskosten (§ 54 Nr 1) auch die Vergütungen und Auslagen des Insolvenzverwalters und ggf der Mitglieder des Gläubigerausschusses gehören (§ 54 Nr 2). Dazu kann der Insolvenzverwalter auf die jeweilige Festsetzung zurückgreifen. Soweit dabei Beträge streitig geblieben sind, kann in Höhe der behaupteten Mehrforderung Sicherheit geleistet werden. War dem Schuldner als natürlicher Person Verfahrenskostenstundung gewährt (§ 4a), kommt eine weitere Stundung analog § 4b nach Bestätigung eines Insolvenzplans nicht in Betracht.53 19 Im Übrigen sind die Masseverbindlichkeiten nach § 55 I, II zu berichtigen.54 Dabei stellt sich bei der Fortführung eines Unternehmens durch den Insolvenzverwalter bzw den eigenverwaltenden Schuldner jedoch das Problem, dass täglich neue Masseverbindlichkeiten iSv § 55 I Nr 1, 2 entstehen. Daher lässt sich kaum ein Zeitpunkt für die Aufhebung des Insolvenzverfahrens finden, in dem alle fälligen Masseverbindlichkeiten erfüllt sind.55 Dies gilt umso mehr, als der Beschluss nach § 258 I erst nach Maßgabe von § 9 I S 3 wirksam wird (Rn 13). 20 Das LG Stuttgart hat zur Lösung dieses praktischen Problems angenommen, § 258 II sei „auf Fälle der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung eines Insolvenzplans nicht anwendbar“.56 Dass diese Aussage so nicht richtig sein kann, ist evident,57 weil § 258 II genau diesen Fall regelt. Gemeint war offensichtlich, § 258 II erfasse nicht die nach der Bestätigung des Insolvenzplans entstandenen Masseansprüche. Diese Auffassung ist im Schrifttum aber zu Recht verworfen worden.58 Daher ist die These, § 258 II erfasse keine Masseansprüche nach § 55, soweit sie auf Grund der Betriebsfortführung entstanden sind,59 erst recht mit dem Gesetz unvereinbar. Stattdessen ist vorgeschlagen worden, dass das Insolvenzverfahren auch aufgehoben werden kann, wenn die zukünftige Erfüllung der bis zur Verfahrensaufhebung noch anfallenden Masseverbindlichkeiten offensichtlich durch den Insolvenzplan gewährleistet ist.60

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In der Begr zu RegE § 304, BT-Drucks 12/ 2443 S 214 ist im Vergleich zur Begr zu RefE § 294 (S 305) nur ergänzt worden, dass (auch) die Vorschriften „über die Erfüllung und Sicherstellung der Masseansprüche“ dem bisherigen Recht (§ 191 KO) entsprechen. BGH ZIP 2011, 1327 Rn 12. Dass es hier vor allem um die vom Verwalter selbst begründeten Masseansprüche geht, war schon den „Vätern“ der KO bewusst. Vgl Begr EKO S 421. Der Vorschlag von Frind ZInsO 2010, 1524, 1525, § 258 II auf die Kosten zu beschränken, ist im ESUG zu Recht nicht aufgegriffen worden. Gerster ZInsO 2008, 437, 443; Kreuznacht NZI 2007, 438; Schreiber BB 2005, 1173, 1174.

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LG Stuttgart DZWIR 2003, 171, 172. Zur Kritik schon Busch DZWIR 2003, 172, 174. Paul ZInsO 2004, 72, 75; Schreiber BB 2005, 1173, 1174. Positive Aufnahme fand die Entscheidung bei FK/Jaffé InsO9 § 258 Rn 13. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 258 Rn 8; Kreuznacht NZI 2007, 438, 441; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2008) § 258 Rn 3; ähnlich FK/ Jaffé InsO9 § 258 Rn 21; abl Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 258 Rn 18. Busch DZWIR 2003, 172, 174; Schreiber BB 2005, 1173, 1175; aA MünchKomm/Huber InsO3 § 258 Rn 11.

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Aufhebung des Insolvenzverfahrens

§ 258

Diese Auffassung, die eine hohe Plausibilität für sich hat, aber der tradierten Lehre zu 21 § 191 I KO widerspricht,61 ist vom Gesetzgeber im ESUG so nicht übernommen worden, weil ein Finanzplan nur für „die nicht fälligen Masseforderungen“ vorgesehen ist. Zwar lassen sich damit viele Probleme lösen, wenn man annimmt, dass Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen nicht fällig sind, bevor eine Rechnung gestellt worden ist (vgl Rn 22).62 Zusätzlich könnten Stundungsvereinbarungen getroffen werden.63 Gleichwohl erscheint es kaum möglich, dass bei Wirksamkeit der Aufhebung (Rn 13) verlässlich alle fälligen Masseansprüche erfüllt sind. Daher muss es genügen, wenn der Insolvenzverwalter bestätigt, alle zu einem bestimmten Stichtag fälligen und bekannten Masseansprüche erfüllt zu haben, wenn für die noch absehbaren wie für die noch nicht fälligen ein Finanzplan vorgelegt wird. Auf dieser Grundlage kann das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens beschließen. b) Unstreitige, aber nicht fällige Masseansprüche. Für unstreitige, aber noch nicht fäl- 22 lige Masseansprüche muss der Insolvenzverwalter bzw der eigenverwaltende Schuldner wahlweise Sicherheit leisten oder einen Finanzplan vorlegen. Lässt der Massegläubiger seinen Kredit vereinbarungsgemäß stehen, kann er in einem zweiten Insolvenzverfahren zusätzlich vom Vorrang nach §§ 264 ff profitieren (§ 264 Rn 15 f). Andernfalls wird er so behandelt wie die nicht nachrangigen Neugläubiger iSv § 265 (§ 266 Rn 4). Nicht fällige Ansprüche sind in erster Linie solche, die bereits begründet worden sind, ohne dass die Voraussetzung der Fälligkeit (vgl §§ 488 III 1, 614 S 1, 641 BGB) oder der vereinbarte Leistungszeitpunkt (§ 271 II BGB) bereits eingetreten ist. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH auch für die Forderungen des Leasinggebers beim Finanzierungsleasing während der „Grundmietzeit“.64 Als nicht fällig iSv § 258 II sind aber auch Ansprüche anzusehen, denen der Schuldner die Einrede aus § 320 BGB bzw aus § 273 BGB entgegenhält. Schließlich sind auch aufschiebend befristete oder bedingte Ansprüche hierher zu rechnen.65 Diese nach der Einführung der Sonderregelung für nicht fällige Forderungen weiterhin wie streitige zu behandeln,66 ist systemwidrig. Periodisch erzeugte Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen wie Miet- oder Arbeitsverträgen fallen dagegen nur unter § 258 II, soweit sie im laufenden Insolvenzverfahren entstehen und damit Masseverbindlichkeiten begründen (§ 55 I Nr 2).67 Ob es sich um befristete oder unbefristete Dauerschuldverhältnisse handelt, spielt dabei keine Rolle. Legt der Insolvenzverwalter einen Finanzplan vor, muss dieser erkennen lassen, „dass 23 die Begleichung der Verbindlichkeit im Zeitpunkt des Fälligwerdens durch eine belastbare Liquiditätsrechnung gesichert ist.“68 Wie ggf Sicherheit zu leisten ist, bestimmt sich dagegen kraft der Verweisung in § 4 nach § 108 ZPO, so dass stets auch eine Bankbürgschaft genügt. In Rechtsprechung und Schrifttum wird dagegen regelmäßig auf § 232 BGB ver-

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Vgl RG JW 1900, 73, Nr 8 zu Warenbestellungen durch den Konkursverwalter nach der rechtskräftigen Bestätigung des Zwangsvergleichs; Jaeger/Weber KO8 § 191 Anm 3; Kilger/K Schmidt InsG17 KO § 191 Anm 1. Zum Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB bis zum Erhalt einer Rechnung iSv § 14 II UStG BGH NJW-RR 2005, 1005, 1006. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 258 Rn 12; Wienberg/Dellit FS Kübler, S 805, 808. Vgl BGHZ 109, 368, 372 f.

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Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 6; Schmidt/Montag SanierungsR §§ 258, 259 Rn 27. So Braun/Braun/Frank InsO7 § 258 Rn 7; MünchKomm/Huber InsO3 § 258 Rn 12. Insoweit aA wohl Stapper ZInsO 2010, 1735, 1736, der vor diesem Hintergrund für eine völlige Streichung von § 258 II plädiert hat. So wörtlich Begr zu RegE ESUG § 258, BTDrucks 17/5712 S 37.

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wiesen.69 Diese Vorschrift ist jedoch nur anwendbar, wenn nach bürgerlichem Recht anstelle der Befreiung von nicht fälligen Ansprüchen Sicherheit geleistet werden kann (§§ 257 S 2, 738 I 3, 775 II BGB). In diesen Fällen kommt eine (Bank-)Bürgschaft nur subsidiär in Betracht (§ 232 II BGB). Für eine analoge Anwendung von § 232 BGB besteht mangels Regelungslücke kein Raum. Daneben wird auch eine Doppeltreuhand des Insolvenzverwalters für den Schuldner und den jeweiligen Gläubiger für möglich gehalten.70 Jedenfalls muss jeder Massegläubiger die für ihn bestellte Sicherheit individuell realisieren können.71 Die Höhe der Sicherheit bestimmt sich nach dem abgezinsten Nominalwert.72

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c) Streitige Masseansprüche. Für streitige Masseansprüche, die nach der Behauptung des Massegläubigers fällig sind, ist – jedenfalls nach dem Gesetzestext – dagegen stets Sicherheit zu leisten. Schon im Vorfeld der Reform ist von namhaften Autoren darauf hingewiesen worden, dass für den Ausschluss eines Finanzplans für streitige Masseansprüche kein sachlicher Grund ersichtlich ist.73 Da diese Kritik im Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht aufgegriffen worden ist, fällt es nicht leicht, methodisch hier von einem bloßen Redaktionsversehen auszugehen.74 Andererseits ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber das Sicherungsinteresse der Gläubiger streitiger Masseansprüche höher gewichten wollte als das der Gläubiger nicht fälliger Masseansprüche. Daher ist der herrschenden Meinung, die den Finanzplan auch für streitige Ansprüche zulässt,75 im Ergebnis zuzustimmen. 25 Wird ein solcher Anspruch erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht und vom Schuldner bestritten, wird im Schrifttum analog § 258 II für einen Anspruch auf Sicherheit plädiert.76 Allerdings ist nicht erkennbar, wieso die Privilegierung von Masseverbindlichkeiten nach dem Wegfall der Masse in dieser Weise fortwirken soll. Vielmehr muss der Gläubiger seinen (vermeintlichen) Anspruch wie jeder Forderungsprätendent gegen den Schuldner gerichtlich geltend machen (vgl § 259 Rn 15). Davon zu trennen ist die Frage, ob der Schuldner für die Erfüllung von Masseverbindlichkeiten nur mit der ehemaligen Masse oder mit seinem nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erworbe-

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LAG Düsseldorf, ZIP 2015, 1743 Rn 38; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 258 Rn 8; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 258 Rn 9; BK/Wehner InsO66 (Stand: III/2017) § 258 Rn 6; Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 4; FK/Jaffé InsO9 § 258 Rn 17; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 258 Rn 2; Haarmeyer/Wutzke/ Förster/Wenzel InsO2 § 258 Rn 14; Hess InsO2 § 258 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 12; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 258 Rn 15; MünchKomm/Huber InsO3 § 258 Rn 13; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2008) § 258 Rn 4; Schmidt/Montag SanierungsR §§ 258, 259 Rn 28; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 258 Rn 8. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 12. Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 4; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2008) § 258 Rn 4; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 258 Rn 8.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 14. Braun/Heinrich NZI 2011, 505, 514; Pape ZInsO 2010, 2155, 2162. So HK/Haas InsO9 § 258 Rn 7; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 258 Rn 17. BeckOK/Freund InsO10 § 258 Rn 7; GrafSchlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 258 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 258 Rn 13; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 258 Rn 21; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 258 Rn 8; aA de lege lata wohl Braun/Braun/Frank InsO7 § 258 Rn 7, 8; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2008) § 258 Rn 4. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 258 Rn 24. Dazu grundsätzlich Jaeger/Windel § 80 Rn 44 mwN.

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Aufhebung des Insolvenzverfahrens

§ 258

nen Vermögen einzustehen hat.77 Diese Frage ist bei der Fortführung eines Unternehmens im Sinne einer umfassenden Haftung zu beantworten.78 d) Masseinsuffizienz. Ist die Berichtigung bzw Besicherung der Masseansprüche nicht 26 möglich, liegt ein Fall der Masseinsuffizienz vor, die der Insolvenzverwalter bzw der Sachwalter dem Insolvenzgericht unverzüglich anzuzeigen hat (§§ 208, 285), so dass das Verfahren nicht aufzuheben, sondern einzustellen ist (§ 211).79 Die Durchführung des Insolvenzplans wird dann in aller Regel nicht mehr möglich sein.80 Zwar ist ein Insolvenzplanverfahren im Falle der Masseinsuffizienz nunmehr ausdrücklich möglich (§ 210a).81 Zeigt der Insolvenzverwalter die Masseinsuffizienz jedoch erst nach der Bestätigung des Insolvenzplans an, liegt kein solcher Plan nach § 210a vor, bei dem die übrigen Massegläubiger zu den planunterworfenen Beteiligten gehören. Ein Plan unter Beteiligung der Insolvenzgläubiger wird dagegen Makulatur, soweit darin Planforderungen zu deren Gunsten vorgesehen sind. e) Verletzung der Pflichten aus § 258 II. Verletzt der Insolvenzverwalter die Pflichten 27 aus § 258 II,82 kann der Massegläubiger ggf Schadensersatz nach Maßgabe von § 60 verlangen. Daneben kann auch § 61 einschlägig sein, der allerdings an eine Pflichtverletzung bei der Begründung der Masseverbindlichkeit und nicht bei § 258 II anknüpft. Verletzen der Insolvenzverwalter bzw der Sachwalter ihre Pflicht aus § 208 bzw § 285 bei Masseinsuffizienz, ist ebenfalls ein Anspruch aus § 60 ggf iVm § 274 I gegeben. Hebt das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf, ohne dass die Voraussetzungen 28 nach § 258 II erfüllt sind, kommt auch die Amtshaftung des jeweiligen Landes aus § 839 I BGB iVm Art 34 GG in Betracht, wenn dem Insolvenzrichter ein eigenes fahrlässiges Handeln zur Last fällt.83 Ein solcher Fall kann etwa gegeben sein, wenn die im Finanzplan vorgenommene Liquiditätsrechnung erkennbar nicht belastbar ist. Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei der Prüfung der Voraussetzung von § 258 II vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens um eine drittgerichtete Amtspflicht zugunsten der Massegläubiger

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So auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 16, der dementsprechend in Abweichung von BGH ZIP 2009, 2204 Rn 10 ff für eine Haftung der Personengesellschafter aus § 128 HGB plädiert. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 258 Rn 9; HambKomm/Thies InsO6 § 258 Rn 17. Dazu auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 19, 4. Dagegen schied ein Zwangsvergleich bei Masseinsuffizienz generell aus: Jaeger/Weber KO8 § 191 Anm 6; Kilger/K. Schmidt InsG17 KO § 191 Anm 1 aE. § 323 II RegE, der das Insolvenzplanverfahren bei Masseinsuffizienz ausdrücklich zulassen wollte, ist im Gesetzgebungsverfahren ersatzlos gestrichen und die Entscheidung der Frage der Rechtsprechung überlassen worden, BT-RA zu § 234d, BT-Drucks 12/7302 S 180. Gegen Insolvenzplanverfahren bei Masseinsuffizienz LG Dresden ZIP 2005, 1607 f unter

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Hinweis auf § 258 II; Jaeger/Windel InsO § 210 Rn 88; dafür etwa LG Mühlhausen KTS 2008, 210, 217 bei Beseitigung der Massekostenunterdeckung durch den Plan; Busch DZWIR 2003, 172, 174 unter Verweis auf § 289 I 1 InsO 1999 (= § 289); Kreuznacht NZI 2007, 438, 440 f. Die Pflichtverletzung kann auch darin liegen, dass der Insolvenzverwalter einen nicht von ihm selbst erstellten Finanzplan nicht sorgfältig auf die Belastbarkeit der Liquiditätsrechnung geprüft hat: HambK/Thies InsO6 § 258 Rn 15; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 258 Rn 15. FK/Jaffé InsO9 § 258 Rn 25; HambK/Thies InsO6 § 258 Rn 15; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 258 Rn 22; MünchKomm/Huber InsO3 § 258 Rn 15; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 258 Rn 11; aA Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2008) § 258 Rn 3.

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handelt.84 § 839 II S 1 BGB steht dem Anspruch nicht entgegen, weil der Insolvenzrichter keine spruchrichterliche Tätigkeit iSv Art 92 GG ausübt.85 Allerdings ist die Amtshaftung bei bloßer Fahrlässigkeit gegenüber der Haftung des Schuldners und ggf des Insolvenzverwalters subsidiär (§ 839 I 2 BGB). Von praktischer Relevanz wird sie daher nur sehr selten sein.86 3. Bekanntmachung und Vorankündigung der Aufhebung (§ 258 III)

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a) Bekanntmachung der Aufhebung. Der Beschluss, mit dem das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren aufhebt, ist öffentlich bekannt zu machen (§ 258 III 1). Dasselbe gilt für eine mögliche Überwachung der Planerfüllung (§ 267). Diese Bekanntmachung hat anders als bei §§ 30, 200 II S 1 nicht nur deklaratorische, sondern wie bei § 215 I S 187 konstitutive Bedeutung (Rn 13). Die Art und Weise der öffentlichen Bekanntmachung richtet sich – auch in Altverfahren (Art 103c I 2 EGInsO) – nach § 9 I, II iVm der Insolvenz-Internet-Bekanntmachungs-VO. Danach erfolgt die Veröffentlichung auf der Internetseite „www.insolvenzbekanntmachungen.de“.88 Da, soweit ersichtlich, bis heute kein Bundesland von der Ermächtigung nach § 9 II S 1 Gebrauch gemacht hat, ist dies die einzige Form der öffentlichen Bekanntmachung. Der Aufhebungsbeschluss kann auch auszugsweise öffentlich bekannt gemacht werden (§ 9 I S 1 Hs 2).89 Dafür genügt die Bekanntmachung des Tenors, wenn dieser § 258 I als Grund der Aufhebung nennt (vgl Rn 14); eine etwaige Begründung muss dagegen nicht bekannt gemacht werden.

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b) Vorankündigung des Wirksamwerdens der Aufhebung. Seit der Insolvenzrechtsreform ist für die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach der Bestätigung des Insolvenzplans und die Einstellung des Verfahrens (§ 215 I S 2) eine Vorankündigung an den Schuldner, den Insolvenzverwalter und ggf die Mitglieder des Gläubigerausschusses vorgeschrieben (§ 258 III 2). Dadurch sollen sich diese Beteiligten auf die für sie jeweils einschlägigen Wirkungen der Aufhebung (§ 259 I) einstellen können.90 Nicht ganz eindeutig ist, wann das Gericht die besagten Personen zu unterrichten hat. Der Regierungsentwurf ging davon aus, dass sich das Gericht auf die Mitteilung, die Veröffentlichung veranlasst zu haben, und den Hinweis auf § 9 I S 3 beschränken könne.91 Daraus ist im Schrifttum abgeleitet

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Zum Teil wird auf die Verletzung der Aufsichtsplicht nach § 58 I abgestellt: FK/Jaffé InsO9 § 258 Rn 25; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 258 Rn 22. Statt aller BGH NJW 1959, 1085 zu einem Eröffnungsbeschluss; MünchKomm/Papier/ Shirvani BGB7 § 839 Rn 326. Praktisch relevant wäre sie im Fall RG JW 1900, 73 Nr 8 geworden. Dort hatte der Konkursrichter den Konkursverwalter daran gehindert, die nach Bestätigung des Zwangsvergleichs entstandenen Masseansprüche noch zu erfüllen, weil es der irrigen Auffassung war, diese seien von § 176 I 1 KO 1879 (= § 191 I 1 KO 1900) erfasst. Das RG hat die Haftung des Konkursverwalters aus § 74 KO 1879 (≈ § 82 KO 1900) mangels Fahrlässigkeit verneint. Allerdings war § 839 BGB

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zu dem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten. Vgl Jaeger/Windel InsO § 215 Rn 8; MünchKomm/Hefermehl InsO3 § 215 Rn 6. Nach BGH ZIP 2017, 1680 Rn 9 ff begründet der Ausdruck eines Sendeberichts für die Internetveröffentlichung allerdings keinen Anscheinsbeweis für die tatsächliche Veröffentlichung im Internet. MünchKomm/Stephan InsO3 § 267 Rn 8. So Begr zu § 305 RegE, BT-Drucks 12/2443 S 214. Daher kommen bei Verletzung der Vorankündigungspflicht Amtshaftungsansprüche in Betracht: Haarmeyer/Wutzke/ Förster/Wenzel InsO2 § 258 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 258 Rn 15. So Begr zu RegE § 305, BT-Drucks 12/2443 S 214.

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Aufhebung des Insolvenzverfahrens

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worden, dass die Unterrichtung vor der Veröffentlichung zu erfolgen hat.92 Die Gegenthese lautet, dass die Unterrichtung erst nach der Veröffentlichung erfolgen darf, weil erst dann der exakte Zeitpunkt feststeht, zu dem die Aufhebung nach § 9 I S 3 wirksam wird.93 Diese Streitfrage hat sich auch durch die Veröffentlichung im Internet (§ 9 I) nicht er- 31 ledigt, weil das Insolvenzgericht die Veröffentlichung nicht selbst vornehmen kann, sondern nur die Daten an das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen als zuständige Stelle übermittelt.94 Sie ist zur Reduktion der Arbeitsbelastung der Gerichte im Sinne der Begründung des Regierungsentwurfs zu entscheiden. Das Gericht genügt seiner Pflicht aus § 258 III S 2, wenn es den Beteiligten mitteilt, dass es die Daten zur Veröffentlichung übermittelt hat, und sie auf § 9 I S 3 hinweist. Dann ist es den Beteiligten ohne weiteres zuzumuten, selbst zu prüfen, wann der Beschluss unter www.insolvenzbekanntmachungen.de veröffentlicht worden ist. Das Gericht handelt aber auch dann pflichtgemäß, wenn es die Beteiligten erst unmittelbar nach der Veröffentlichung vom konkreten Zeitpunkt unterrichtet, zu dem die Wirkungen des § 259 I eintreten werden. Dass das Gericht darüber hinaus den Zeitpunkt der Beschlussfassung mit dem Insolvenzverwalter abstimmen sollte,95 hat mit § 258 III S 2 dagegen nichts zu tun. c) Registereintragungen. Schließlich ist auch bei der Aufhebung des Insolvenzverfah- 32 rens nach § 258 I die Registerpublizität zu wahren (§§ 258 III 3, 200 II 2, 31, 32, 33). So ist die Aufhebung des Insolvenzverfahrens ggf ins Handelsregister (§ 32 I 2 Nr 4 HGB), ins Genossenschaftsregister (§ 102 I 2 Nr 4), ins Partnerschaftsregister (§§ 2 II Hs 1 PartGG, 32 I 2 Nr 4 HGB) oder ins Vereinsregister (§ 75 I 2 Nr 4 BGB) einzutragen. Zu diesem Zweck hat die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts bei einem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer in ein deutsches Register eingetragenen Handelsgesellschaft, Genossenschaft, Partnerschaft oder eines eingetragenen Vereins dem zuständigen Registergericht den Beschluss zu übermitteln, durch den das Insolvenzverfahren aufgehoben worden ist (§§ 258 III 3, 200 II 2, 31). Auch wenn § 31, auf den hier verwiesen wird, jeweils von einer „Ausfertigung“ des Beschlusses spricht, genügt wie nach § 112 KO, auf den in den Materialien ausdrücklich Bezug genommen wird,96 die Übersendung einer beglaubigten Abschrift.97 Da der Beschluss keine Angabe über den Zeitpunkt der Wirksamkeit enthält, sollte dieser auf der Ausfertigung bzw der beglaubigten Abschrift vermerkt werden. Die Eintragung erfolgt jeweils gebührenfrei.98 Sie ist auch dann vorzunehmen, wenn 33 im gestaltenden Teil des Insolvenzplans die Überwachung (§ 260) vorgesehen ist, die aber ihrerseits einzutragen ist (§ 267 Rn 11). Insoweit unterscheidet sich das heutige Recht wesentlich von § 98 III S 3 VglO. Danach wurde die Aufhebung „erst nach der Beendigung der Überwachung in die öffentlichen Register eingetragen.“

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So Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 258 Rn 15. Beth ZInsO 2015, 2017, 2019. § 2 I Nr 1 der Insolvenz-Internet-Bekanntmachungs-VO. So Braun/Braun/Frank InsO7 § 258 Rn 10; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 258 Rn 7; HambK/Thies InsO6 § 258 Rn 19.

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Begr zu RegE § 38, BT-Drucks 12/2443 S 120. HK/Rüntz/Laroche InsO9 § 31 Rn 5; Jaeger/ Schilken § 31 Rn 8; MünchKomm/Schmahl/ Busch InsO3 § 31 Rn 26; aA Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Sander InsO3 § 31 Rn 4. Vgl § 58 I 2 GNotKG bzw für den Verein Vorbem 1.3 II Nr 1 KV GNotK.

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Handelt es sich beim Schuldner um eine ausländische juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, für die in Deutschland nach Maßgabe von Art 3 I EuInsVO nF bzw analog § 399 ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden, ist die Ausfertigung ggf den inländischen Registergerichten zu übermitteln, bei denen eine inländische Zweigniederlassung eingetragen ist (§ 13d HGB). Die grenzüberschreitenden Mitteilungen obliegen im Anwendungsbereich von Art 28, 29 EuInsVO nF dem Insolvenzverwalter bzw dem Schuldner in Eigenverwaltung. Räumlich gilt dies für die EU-Mitgliedstaaten ohne Dänemark, sachlich für den Eröffnungsbeschluss. Für den Aufhebungsbeschluss als actus contrarius (Rn 7) muss jedoch das gleiche gelten, auch wenn die Aufgabe dann nur im Falle der Überwachung der Planerfüllung dem Insolvenzverwalter obliegen kann (§ 261 I 2). Ansonsten obliegt die Übermittlung an die ausländischen Stellen dem Schuldner. 35 Diese unionsrechtlichen Regelungen lassen aber eine mitgliedstaatliche Pflicht zur Unterrichtung ausländischer Stellen unberührt.100 Daher ist durch Auslegung zu ermitteln, ob § 31 auch die Unterrichtung ausländischer Stellen erfasst. Dass der Wortlaut auf die Eintragung in einem der dort genannten deutschen Register zugeschnitten ist, kann dabei nicht entscheidend sein, weil dasselbe auch für § 11 II Nr 1 gilt, ohne dass die Insolvenzfähigkeit auf Personengesellschaften deutschen Rechts beschränkt wäre. Im Interesse des reibungslosen Ablaufs grenzüberschreitender Insolvenzverfahren sollte das deutsche Insolvenzgericht die ausländische Stelle, bei der der Schuldner registriert ist, aber von Amts wegen sowohl über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 31 Nr 1)101 als auch über die Aufhebung (§§ 258 III 3, 200 II 2, 31) informieren. 36 Darüber hinaus hat das Insolvenzgericht ggf das Grundbuchamt, das Schiffsregister, das Schiffsbauregister oder das Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen um Löschung des Insolvenzvermerks zu ersuchen (§§ 32 II 1, 33). Auch diesen ist eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift (vgl Rn 32) des Beschlusses zu übermitteln. Da das Amt des Insolvenzverwalters mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erloschen ist (§ 259 I 1), kann statt seiner (vgl §§ 32 II 2, 33) der Schuldner selbst die Löschung des Insolvenzvermerks beantragen. Bei Briefgrundpfandrechten (§§ 1116 I, 1192 I BGB) ist die Aufhebung des Insolvenzverfahrens wie zuvor die Eröffnung102 auch auf dem Brief einzutragen. Auch diese Eintragungen sind gebührenfrei.103 37 Auch §§ 32, 33 beziehen sich prima facie nur auf Grundstücke, Schiffe, Schiffsbauwerke und Flugzeuge, die in Deutschland belegen bzw registriert sind. Daher stellt sich auch hier die Frage, ob sich die Pflicht des Insolvenzgerichts auf die Information an die deutschen Registergerichte beschränkt. Diese Frage ist zu bejahen, weil das Insolvenzgericht mit der Prüfung, welche ausländischen Stellen ggf zu informieren sind, überfordert wäre. Hat ein deutsches Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über einen inländischen Schuldner eröffnet, obliegt die Information eines ausländischen Grundbuchsamtes dem In-

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Zur analogen Anwendung für die internationale Eröffnungszuständigkeit gegenüber Drittstaaten vgl Jaeger/Gerhardt § 3 Rn 52; MünchKomm/Ganter/Lohmann InsO3 § 3 Rn 24. Zu denken ist insbesondere an Gesellschaften aus den EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen sowie an US-amerikanische Gesellschaften, bei denen kollisionsrechtlich die Gründungstheorie

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100 101 102 103

gilt. Vgl dazu BGHZ 153, 353, 355 ff (USA); 164, 148, 151 ff (Liechtenstein). Vgl Mankowski/Müller/Schmidt EuInsVO 2015 Art 28 Rn 13. So zu Art 22 II EuInsVO aF auch Jaeger/ Schilken § 31 Rn 8. Jaeger/Schilken § 32 Rn 25. Vgl Vorbem 1.4 II Nr 2, 3 KV GNotK.

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Wirkungen der Aufhebung

§ 259

solvenzverwalter bzw dem Schuldner in Eigenverwaltung (Art 29 I EuInsVO nF). Dann ist es auch Aufgabe des Schuldners bzw bei der Überwachung der Planerfüllung des Insolvenzverwalters, den Stellen, die die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetragen haben, den Aufhebungsbeschluss zu übermitteln.

§ 259 Wirkungen der Aufhebung (1) 1Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlöschen die Ämter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. 2Der Schuldner erhält das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen. (2) Die Vorschriften über die Überwachung der Planerfüllung bleiben unberührt. (3) 1Einen anhängigen Rechtsstreit, der die Insolvenzanfechtung zum Gegenstand hat, kann der Verwalter auch nach der Aufhebung des Verfahrens fortführen, wenn dies im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist. 2In diesem Fall wird der Rechtsstreit für Rechnung des Schuldners geführt, wenn im Plan keine abweichende Regelung getroffen wird. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.2.27 S 1, DiskE/RefE § 295; RegE § 306; Begr zu RegE § 306, BT-Drucks 12/2443 S 214. Vorgängerregelung: § 192 KO; § 98 I, II VglO.

Literatur S zu § 254; Gaul Rangfolge und Rangsicherung unter Befriedigung suchenden konkurrierenden Anfechtungsgläubigern, FS K Schmidt, S 425; Hees Setzt die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters gem. § 259 Abs. 3 InsO Rechtshängigkeit seiner Anfechtungsklage voraus?, ZInsO 2011, 953; Hingerl Nachtragsverteilung nach Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2007, 870; Jacoby Anmerkung zur Entscheidung des BGH vom 17.2.2011 – IX ZR 91/10; NZI 2011, 486, LMK 2011, 323485; König Die Anfechtung nach der IO, 5 Auflage (2014); Kühne/Hancke Die einvernehmliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners nach § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO im Insolvenzplan, ZInsO 2012, 812; Markgraf/Hertelt Die Beendigung des Insolvenzverfahrens während des rechtshängigen Zivilprozesses, ZIP 2018, 1480; Münzel Sanierender Insolvenzplan: Lähmung nach Konvaleszenz?, ZInsO 2014, 761; Paul Rechtsprechungsübersicht zum Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2011, 610; Priebe Anhängig gleich rechtshängig – § 259 Abs. 3 InsO im Spiegel des § 253 Abs. 1 ZPO, ZInsO 2012, 1015; Rühle Gegenseitige Verträge nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (2006); Schulte-Kaubrügger Nachtragsverteilung trotz Insolvenzplan für nachträglich ermittelte Gegenstände, ZInsO 2009, 1321; Smid Grund und Grenzen einer Prozessstandschaft des Sachwalters im Planerfüllungsverfahren, NZI 2006, 201; ders Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters wegen massezugehöriger Ansprüche nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, ZInsO 2010, 641; Stapper Die Praxis der Arbeit mit Insolvenzplänen oder die Insuffizienz des Insolvenzplans: Diagnose und Therapie, ZInsO 2009, 2361; Thole Die Insolvenzanfechtung in der Folgeinsolvenz, NZI 2017, 129; Uhlenbruck Rechtsfolgen der Beendigung des Konkursverfahrens, ZIP 1993, 241; Wollweber/ Hennig Fortführung des Anfechtungsprozesses nach Planaufhebung Zum Begriff des „anhängigen Rechtsstreits“ i.S.d. § 259 Abs. 3 InsO, ZInsO 2013, 49; dies BGH bestätigt: „§ 259 Abs. 3 InsO setzt Rechtshängigkeit voraus“, ZInsO 2013, 1182.

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Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . 2. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . . 1. Erlöschen der Ämter (§ 259 I 1) . . . 2. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners (§ 259 I 2) . . . . . . 3. Vorbehalt der Planüberwachung (§ 259 II) . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anfechtungsprozesse (§ 259 III) . . . a) Normzweck und Wirkungsweise . b) Voraussetzungen für die Fortführung von Anfechtungsprozessen . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1 1 3 4 4

aa) Anhängiger Rechtsstreit . . . bb) Insolvenzanfechtungsprozess cc) Regelung im Insolvenzplan . c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . aa) Fortführung für Rechnung des Schuldners . . . . . . . . bb) Abweichende Regelung im Insolvenzplan . . . . . . . . . cc) Materielle Folgen für den Anfechtungsanspruch . . . . d) Verhältnis zu § 18 AnfG . . . . . e) Erneute Insolvenzeröffnung . . .

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Rn. 27 30 32 34 35 41 43 44 45

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

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§ 259, der seit 1999 unverändert gilt, geht zurück auf § 295 DiskE/RefE und § 306 RegE. Im gesamten Gesetzgebungsverfahren ist die Vorschrift – abgesehen von einer redaktionellen Änderung1 – nur in zwei Punkten geändert worden. Zum einen stand die Verfügungsbefugnis des Schuldners nach § 295 I S 2 DiskE/RefE – im Anschluss an § 192 KO – noch unter dem Vorbehalt einer anderen Bestimmung des Insolvenzplans. Diesen Vorbehalt hat § 306 RegE, der in Gestalt von § 259 unverändert Gesetz geworden ist, nicht übernommen. Eine ausdrückliche Begründung dafür findet sich im Regierungsentwurf zwar nicht.2 Doch sah der Gesetzgeber den Vorbehalt der Planüberwachung (§ 259 II) mit ihren möglichen Beschränkungen der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 263) offenbar als hinreichend an. Dieses Institut der Planüberwachung war dem alten Konkursrecht fremd und ist im Vergleichsrecht entwickelt worden (§ 260 Rn 1). Allerdings wurde es unter Rückgriff auf § 192 KO auch im Konkursrecht praktiziert.3 Eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage ist dafür aber – anders als in Österreich4 – nicht geschaffen worden. Darüber hinaus steht seit dem ESUG5 die ganze Aufhebung des Insolvenzverfahrens unter Planvorbehalt (§ 258 Rn 1). 2 Zum anderen ist die Regelung zur Berichtigung bzw Besicherung von Masseansprüchen in § 295 I S 3 DiskE/RefE zu Recht in § 305 II RegE eingestellt worden, weil sie keine Wirkung, sondern eine Voraussetzung für die Aufhebung des Insolvenzverfahrens regelt (§ 258 Rn 2). Inhaltlich übernimmt § 259 I S 1 die Regelung zum Erlöschen der Ämter aus § 98 I VglO, der seinerseits im deutsch-österreichischen Entwurf von 1933 wurzelt.6 § 259 I

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In § 295 I 2 DiskE war statt vom „Insolvenzplan“ wie üblich schlicht vom „Plan“ die Rede. Die Begr zu RegE § 306 I, BT-Drucks 12/ 2443 S 214 entspricht fast vollständig der von § 295 I RefE (S 305), außer dass der Verweis auf § 191 KO angesichts der Verschiebung der Regelungen zu den Masseansprüchen in § 305 II RegE gestrichen worden ist.

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Jaeger/Weber KO8 § 192 Anm 5; Kilger/ K Schmidt InsG17 KO § 191 Anm 1. Vgl erstmals §§ 157 bis 157g öKO (öBGBl Nr 370/1982). Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v 7.12.2011, BGBl I S 2582. Vgl § 97 I des Entwurfs einer Vergleichsordnung nebst Einführungsgesetz und Begründung, veröffentlicht durch das Reichsjustiz-

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Wirkungen der Aufhebung

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S 2 geht dagegen zum einen – unter Wegfall der Vergleichsdisponibilität – auf § 192 KO zurück. Zum anderen ordnete auch § 98 II S 1 VglO den grundsätzlichen Wegfall der Verfügungsbeschränkungen an. § 259 II lässt sich auf § 98 II S 1 VglO zurückführen, der einen Vorbehalt der Verfügungsbeschränkungen bei der Überwachung des Vergleichs (§ 94) angeordnet hat. Dagegen stammt § 259 III originär aus der Insolvenzrechtsreform. 2. Überblick § 259 I regelt die Wirkungen der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und ergänzt da- 3 mit § 258 I. Die dort genannten Wirkungen sind aber nicht insolvenzplanspezifisch, sondern treten auch bei der Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Regelverfahren nach § 200 ein. Dasselbe gilt allerdings nicht ohne weiteres umgekehrt für die Wirkungen in § 201, der durch §§ 254, 254b, 257 überlagert wird.7 § 259 II hat im Wesentlichen deklaratorischen Charakter und weist auf das in dieser Form neu geschaffene Rechtsinstitut der „Überwachung der Planerfüllung“ hin. Dadurch werden die Wirkungen von § 259 I teilweise unter Planvorbehalt gestellt (Rn 12). Darüber hinaus stellt § 259 III die Wirkung von § 259 I S 1 für das Verwalteramt bei anhängigen Anfechtungsstreitigkeiten unter Planvorbehalt.

II. Einzelerläuterung 1. Erlöschen der Ämter (§ 259 I S 1) Sobald die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe von § 9 I S 3 wirksam 4 wird (§ 258 Rn 13), enden alle Ämter, die mit der Führung des Verfahrens verbunden sind. Diese Wirkung ergab sich für die Aufhebung des Konkursverfahrens nach dem Schlusstermin (§ 163 I KO) schon aus der Funktionslosigkeit des Amtes, weil es nach der Schlussverteilung keine Masse mehr gab. Trotz der Erstreckung der Masse auf den Zuerwerb im Verfahren (§ 35 I), der bei Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen zu einer Ausnahme für laufendes Einkommen geführt hat (§ 196 I), gilt dies im Wesentlichen auch für die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 200 I InsO. Eine ausdrückliche Regelung, dass insbesondere das Amt des Konkurs- bzw Insolvenzverwalters mit der Aufhebung des Verfahrens erlischt, bestand und besteht für diese selbstverständliche Rechtsfolge daher bis heute nicht. Aber auch § 192 KO enthielt für die Bestätigung des Zwangsvergleichs keine entspre- 5 chende Regelung, die offenbar für überflüssig gehalten wurde. Vielmehr findet sich eine Aussage zum Erlöschen der bisherigen Ämter erstmals im Vergleichsrecht (§ 98 I VglO). Obwohl dies in den Materialien nicht ausdrücklich begründet wurde,8 erscheint diese Regelung hier sinnvoll, weil im reformierten Vergleichsrecht erstmals die vereinbarte Überwachung des Schuldners durch einen oder mehrere Sachwalter geregelt worden ist (§ 91 I VglO).9 Dagegen bestehen im Insolvenzplanverfahren die Ämter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses im Falle der Überwachung der Planerfüllung

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amt (1933) (= EVglO III), S 27. Eine entsprechende ausdrückliche Regelung zum Erlöschen der Ämter fand sich weder in § 69 VglO 1927 noch in § 55 öAO 1925 (öBGBl II Nr 103/1925). Insoweit zumindest missverständlich HK/ Haas InsO9 § 258 Rn 1.

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Vgl dazu EVglO III (Rn 6), S 83; DJ 1935, 389, 393. Vgl entsprechend § 55 II öAO 1934 (öBGBl II Nr 221/1934) und später § 157 II öKO 1982 (Rn 4).

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fort (§ 261 I 2).10 Insoweit steht auch § 259 I S 1 unter Planvorbehalt. Darüber hinaus steht § 259 I S 1 mit Blick auf § 259 III unter Planvorbehalt. 6 In Verfahren mit Eigenverwaltung gilt § 259 I S 1 entsprechend für das Amt des Sachwalters.11 Auch hier ist bei der Planüberwachung jedoch der Vorbehalt in § 284 II zu beachten. Danach wird die Erfüllung des Insolvenzplans statt vom Insolvenzverwalter vom Sachwalter überwacht. 2. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners (§ 259 I 2)

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Quasi als Kehrseite der Medaille erhält der Schuldner mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und damit dem Ende des Insolvenzbeschlags die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zurück. Dazu gehören ggf auch Ansprüche der früheren Masse gegen den Insolvenzverwalter aus § 60.12 Auch diese Wirkung tritt ex nunc mit der Wirksamkeit des Aufhebungsbeschlusses ein.13 Soweit der Schuldner schon während des Verfahrens etwa durch Freigabe oder bei natürlichen Personen nach § 36 I über massefreies Vermögen verfügt hat, verschmelzen beide Teile zu einem einheitlichen Vermögen. Waren Verfügungen des Schuldners nach § 81 (ggf iVm § 24 I) unwirksam, werden sie mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich analog § 185 II S 1 Var 2 BGB ex nunc wirksam.14 Dasselbe gilt für Verfügungen, die unter der aufschiebenden Bedingung der Aufhebung des Insolvenzplans getroffen worden sind (§ 158 I BGB). Die Wirksamkeit von Verfügungen des vormaligen Insolvenzverwalters werden von § 259 I S 2 dagegen selbstverständlich nicht berührt.15 8 Einen Sonderfall stellen Vorausabtretungen künftiger Forderungen dar, die für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung nach § 91 I keine Wirkung mehr entfalten konnte. Zu denken ist dabei insbesondere an die Globalzession von Kundenforderungen an eine Bank. Für die Frage der freiberuflichen Tätigkeit (§ 35 II) hat der BGH die Konvaleszenz der Vorausverfügung analog § 185 II S 1 Var 2 BGB ex nunc bejaht.16 Das spricht dafür, dass dieselben Wirkungen auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens eintreten. Für dieses Ergebnis spricht auch die ansonsten nicht erforderliche Sonderregelung in § 287 III, die seit 1.7.2014 ausdrücklich anordnet, dass eine vorinsolvenzliche Lohn- und Gehaltsabtretung die Abtretung nach § 287 II im Zuge der Restschuldbefreiung nicht beeinträch-

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In Österreich fällt die Aufgabe der Planüberwachung dagegen einem Treuhänder zu, vgl § 157 IO. MünchKomm/Huber InsO3 § 259 Rn 10; Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 23.5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259 Rn 3. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 5. OLG Celle ZIP 2006, 2394; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 259 Rn 2; BeckOK/ Freund InsO10 § 259 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 259 Rn 9; MünchKomm/Huber InsO3 § 259 Rn 11; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 259 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259 Rn 7; entsprechend schon Jaeger/Weber KO8 § 192 Anm 3.

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RGZ 149, 19, 22; BGHZ 123, 58, 62; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 259 Rn 2; BeckOK/Freund InsO10 § 259 Rn 4; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 259 Rn 4; Brünkmans/ Thole/Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 14; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 7, 9; MünchKomm/Bayreuther BGB7 § 185 Rn 52; MünchKomm/ Huber InsO3 § 259 Rn 14; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 259 Rn 3; Schiessler Insolvenzplan, S 205; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259 Rn 8. AA BK/Breutigam InsO66 (Stand: I/2002) § 259 Rn 5; Hess InsO2 § 259 Rn 14. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 8 mwN. BGH ZIP 2013, 1181 Rn 15 ff.

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tigt.17 Daraus folgt im Umkehrschluss, dass alle anderen Vorausabtretungen für die Forderungen, die erst nach der Aufhebung entstehen, wirksam sind. Genau genommen bedarf es dazu nicht einmal der Heilung analog § 185 II S 1 Var 2 BGB, weil § 91 I nur den Erwerb von Rechten „an den Gegenständen der Insolvenzmasse“ sperrt. Forderungen, die erst nach der Aufhebung entstanden sind, waren aber nie massebefangen. Soweit im Schrifttum dagegen angenommen wird, § 91 I müsse zum Zwecke der Sanierung auch über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hinaus der Wirksamkeit von Vorausabtretungen entgegenstehen,18 lässt sich eine dogmatisch tragfähige Begründung dafür nicht finden. Da die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach der Bestätigung des Insolvenzplans jedoch plandispositiv ist (§ 258 I), besteht für den Planverfasser die Möglichkeit, die Wirkung von § 91 I zu perpetuieren. Diese Option kann auch für den Zessionar Anlass für Verhandlungen über die Behandlung der vorinsolvenzlichen Globalzession nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens sein. Mit der Verfügungsbefugnis erhält der Schuldner auch die Empfangszuständigkeit für Forderungen zurück, die zuvor der Masse zustanden. Zahlungen eines Drittschuldners auf ein nach Verfahrensaufhebung fortbestehendes Anderkonto des vormaligen Insolvenzverwalters haben daher keine schuldbefreiende Wirkung, wenn der Schuldner dem Insolvenzverwalter keine Einziehungsermächtigung erteilt hat und die Leistung nicht nachträglich genehmigt (§§ 362 II, 185 II 1 Var. 1 BGB).19 Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet auch die Vollstreckungssperre zulasten der Insolvenzgläubiger (§ 89).20 Gläubiger von Masseverbindlichkeiten konnten ohnehin auch während des Insolvenzverfahrens vollstrecken; insoweit fallen nur die Beschränkungen nach § 90 weg. Für Neugläubiger, die etwa aus einer unerlaubten Handlung des Schuldners Schadensersatz fordern können, fällt zum einen die Vollstreckungssperre nach § 89 II S 1 weg. Zum anderen fällt auch § 91 I weg, so dass diese Gläubiger wie alle anderen in das gesamte Vermögen des Schuldners vollstrecken können.21 Die Wirkung von § 259 I S 2 ist grundsätzlich nicht plandispositiv (vgl Rn 2).22 Das Gesetz sieht auch nicht vor, dass der Schuldner die Verfügungsbefugnis nur teilweise wiedererlangt.23 Ist im gestaltenden Teil des Insolvenzplans jedoch die Überwachung der Planerfüllung vorgesehen (§ 260 I), kann zusätzlich vorgesehen werden, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners während dieser Zeit nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 263 S 1). Alternativ zur Überwachung kann der bisherige Insolvenzverwalter auch zum Mitgeschäftsführer bzw Vorstand bestellt werden (vgl § 254a

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Vgl dazu BT-RA zu § 287 III RegE eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks 17/13535 S 27. So HK/Haas InsO9 § 259 Rn 5; Münzel ZInsO 2014, 761, 767 f. BGH ZIP 2011, 1220 Rn 12; Brünkmans/ Thole/Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 14; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 1. HK/Haas InsO9 § 259 Rn 2. HK/Haas InsO9 § 259 Rn 2. BGH ZIP 2018, 1141 Rn 24, 30; OLG Celle ZIP 2006, 2394; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 259 Rn 4; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 259 Rn 2; BeckOK/ Freund InsO10 § 259 Rn 2; Braun/Braun/

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Frank InsO7 § 259 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 259 Rn 14; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 259 Rn 4; Schiessler Insolvenzplan, S 206; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 259 Rn 4. AA OLG Düsseldorf NZI 2006, 240; BK/Breutigam InsO66 (Stand: I/2002) § 259 Rn 5; Haarmeyer/ Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 259 Rn 8, 10 f; Hingerl ZInsO 2007, 870, 872; Markgraf/Hertelt ZIP 2018, 1480, 1484. BGHZ 175, 86 Rn 10; BGH ZIP 2008, 2094 Rn 10; ZIP 2018, 1141 Rn 30; HambK/ Thies InsO6 § 259 Rn 6; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 2.

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Rn 23 f).24 Dabei kann die Vertretungsregel bei einem mehrköpfigen Vertretungsorgan so modifiziert werden, dass stets auch die Mitwirkung des ehemaligen Insolvenzverwalters erforderlich ist.25 Dagegen scheidet diese Gestaltungsoption parallel zur Überwachung aus, weil das Amt des Insolvenzverwalters dann partiell fortbesteht (§ 261 I 2) und der Insolvenzverwalter sich selbst überwachen müsste. Dementsprechend sind bei der Eigenverwaltung auch der Sachwalter und ein Sanierungsvorstand stets verschiedene Personen (vgl §§ 274 I, 56 I 1). Aus demselben Grund darf die Bestellung zum Mitglied des Vertretungsorgans erst ab der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wirksam werden. 13 Im gestaltenden Teil des Plans kann außerdem vereinbart werden, dass eine Forderung mit der rechtskräftigen Bestätigung an den bisherigen Insolvenzverwalter als Treuhänder abgetreten wird (§§ 228, 254 I, 254a I).26 Über diese Forderung kann der Schuldner daher auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verfügen.27 Vielmehr liegt die Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis dann beim bisherigen Insolvenzverwalter persönlich und nicht als Partei kraft Amtes.28 Wird die Planüberwachung dagegen einem „gewillkürten Sachwalter“ übertragen (§ 261 Rn 25 ff), kann diesem weder eine eigene, die Verfügungsbefugnis des Schuldners verdrängende Verfügungsbefugnis noch ein Zustimmungsvorbehalt (§ 263) zuerkannt werden. 14 Als Kehrseite zu § 148 hat der Insolvenzverwalter die (ehemalige) Masse wieder an den Schuldner herauszugeben (§ 985 BGB), damit dieser auch wieder den (unmittelbaren) Besitz zurückerlangt. Da es sich insoweit um die tatsächliche Sachherrschaft handelt (§ 854 I BGB), kann diese Wirkung nicht allein mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eintreten.29 Die Herausgabepflicht erfasst die gesamte Masse iSv § 35 I, auch soweit die Vermögenswerte erst im Insolvenzverfahren entstanden sind und vom Schuldner nicht nach § 148 herausgegeben wurden. Das bedeutet nicht nur, dass der Insolvenzverwalter den Besitz an Sachen an den Schuldner (zurück)übertragen, sondern auch, dass er bspw bei der Umschreibung von Konten auf den Schuldner mitwirken muss.30 Auch die (zumeist elektronische) Buchführung muss der Insolvenzverwalter dem Schuldner (wieder) zugänglich machen.31 Darüber hinaus folgt aus dem Grund der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, der gerade nicht in der (vermeintlich) vollständigen Verwertung der Masse liegt, dass es bei §§ 258 I, 259 I grundsätzlich keine Nachtragsverteilung wie nach § 203 gibt.32 Im gestal24 25 26

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Hess InsO2 § 259 Rn 8. Zu den Gestaltungsoptionen vgl etwa MünchKomm/Spindler AktG4 § 78 Rn 39 ff. BGHZ 175, 86 Rn 10; Brünkmans/Thole/ Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 44; HambK/ Thies InsO6 § 259 Rn 9; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259 Rn 10. Vgl BGH ZIP 1992, 1152, 1153. BGHZ 175, 86 Rn 11, 12; FK/Jaffé InsO9 § 259 Rn 13; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 8. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 2. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259 Rn 5. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 259 Rn 2; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 259 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259 Rn 5.

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So BGH ZIP 2008, 2094 Rn 10; ZIP 2010, 102 Rn 9; ZIP 2018, 1141 Rn 30; Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 259 Rn 8; BeckOK/Freund InsO10 § 259 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 259 Rn 7; Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 2; Mohrbutter/Ringstmeier/Bähr, Hdb InsVerwaltung9 Kap 14 Rn 286; MünchKomm/Huber InsO3 § 259 Rn 13; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259 Rn 10; zum Zwangsvergleich entsprechend schon BGHZ 83, 102, 104. AA Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 259 Rn 11 ff; Hingerl ZInsO 2007, 870; Schulte-Kaubrügger ZInsO 2009, 1321; abl de lege ferenda Stapper ZInsO 2009, 2361, 2365. Ausführlich zum Problem und zu Lösungsansätzen Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 339 ff.

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tenden Teil des Insolvenzplans kann eine solche Verteilung nur vorgesehen werden, wenn der Insolvenzverwalter Anfechtungsprozesse fortführt (§ 259 III)33 oder ihm als Treuhänder eine Forderung abgetreten wird.34 Ansonsten ist der Wegfall der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters auch für einzelne bisherige Massegegenstände nicht plandispositiv.35 In prozessualer Hinsicht führt die Aufhebung des Insolvenzverfahrens zum Übergang 15 der Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters auf den Schuldner36 bzw bei § 92 und – nach Maßgabe von § 227 II – bei § 93 ggf auf die Gläubiger; § 265 II ZPO ist dabei auch nicht analog anwendbar.37 Richtigerweise führt dies auf dem Boden der Amts- und der Organtheorie wie bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens38 zu einem gesetzlichen Parteiwechsel.39 Da § 259 I 2 nicht plandispositiv ist (vgl Rn 12), ist es auch nicht möglich, einen Treuhänder zu ermächtigen, eine Forderung im Namen des Schuldners einzutreiben und den Erlös an die Gläubiger zu verteilen.40 Möglich wäre ggf aber eine Abtretung (vgl Rn 13).41 Zu einem Übergang der Prozessführungsbefugnis und einem gesetzlichen Parteiwechsel kommt es auch in Passivprozessen des Insolvenzverwalters. Zu denken ist dabei insbesondere an anhängige Klagen wegen streitiger Masseansprüche,42 für die der Insolvenzverwalter vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Sicherheit geleistet oder in einem Finanzplan Rückstellungen gebildet hat (§ 258 II) (§ 258 Rn 24).43 Aber auch bei Feststellungsprozessen iSv § 179 I wird der Schuldner, der die Planforderung zu erfüllen hat, prozessführungsbefugt und damit wieder Partei des Rechtsstreits.44 Allerdings muss der Feststellungskläger seinen Antrag auf Erfüllung der Planforderung umstellen,45 weil für die Feststellung zur Tabelle das Rechtsschutzbedürfnis trotz der möglichen Vollstreckung nach § 257 entfallen ist.46 Da der Insolvenzverwalter kraft Gesetzes aus dem Pro-

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Vgl Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 348 ff. Zum zweiten Fall vgl BGHZ 175, 86 Rn 11. Vgl HambK/Thies InsO6 § 259 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 7; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 2; Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 259 Rn 3. AA Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 352 ff; Hingerl ZInsO 2007, 870, 871; Kühne/Hancke ZInsO 2012, 812, 813. BGH ZIP 2010, 102 Rn 7; ZIP 2018, 1141 Rn 25; LG Düsseldorf ZIP 2017, 1871, 1872 (betr Sachwalter); BeckOK/Freund InsO10 § 259 Rn 5; HK/Haas InsO9 § 259 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 5. Vgl BGH ZIP 1992, 1152, 1153; BGHZ 175, 86 Rn 9; BGH ZIP 2008, 2094 Rn 9; ZIP 2011, 1063 Rn 6; ZIP 2018, 1141 Rn 25. Zur Freigabe entsprechend BGHZ 46, 249, 251 ff. Dazu statt aller Jaeger/Windel InsO § 80 Rn 203. BGHZ 46, 249, 250; BGH ZIP 2011, 1063 Rn 6; ZIP 2018, 1141 Rn 25; HambK/Thies InsO6 § 259 Rn 11; MünchKomm/Huber InsO3 § 259 Rn 15; Markgraf/Hertelt ZIP

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2018, 1480, 1484; vgl auch LG Düsseldorf ZIP 2017, 1871, 1872. BGH ZIP 2018, 1141 Rn 21 ff. Vgl auch BGH ZIP 2018, 1141 Rn 28, 31. Dazu ausdrücklich schon RGZ 27, 113 f, dort zu einem Masseanspruch auf notarielle Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags nach rheinischem Recht. Zur Prozessführungsbefugnis des Schuldners vgl Häsemeyer InsR4 Rn 28.51; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 258 Rn 23; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 258 Rn 9. AA bei den vom Insolvenzverwalter begründeten Masseverbindlichkeiten BK/Breutigam InsO14 (Stand: XII/2002) § 258 Rn 6 in Analogie zu §§ 203, 205. Nicht übernommen in die Neubearbeitung BK/Wehner InsO66 (Stand: III/2017) § 258 Rn 9. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 5. BAGE 151, 302 Rn 66 f; HambK/Thies InsO6 § 259 Rn 11; MünchKomm/ Schumacher InsO3 § 179 Rn 55; Markgraf/ Hertelt ZIP 2018, 1480, 1484; aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 5. So auch Jaeger/Gerhardt InsO § 179 Rn 108; Markgraf/Hertelt ZIP 2018, 1480, 1484.

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zess ausscheidet, kann über dessen außergerichtliche Kosten nicht im laufenden Prozess entschieden werden.47 16 Nach herrschender, vom BGH48 aber noch nicht ausdrücklich bestätigter Auffassung werden laufende Prozesse über massebefangenes Vermögen analog § 239 ZPO unterbrochen bzw sind nach § 246 ZPO auszusetzen.49 Dies ist sachgerecht, um dem Schuldner die Möglichkeit zu verschaffen, sich auf seine neue Rolle als Partei einzustellen. Da eine vom Insolvenzverwalter erteilte Vollmacht – anders als bei der Insolvenzeröffnung (vgl § 117 I) – fortbesteht, genügt bei anwaltlicher Vertretung die Möglichkeit, die Aussetzung zu beantragen.50 Diese Grundsätze gelten auch, wenn bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens Feststellungsklagen nach § 179 I gegen den Insolvenzverwalter anhängig sind (vgl auch § 257 Rn 9).51 War der Prozess dagegen schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner geführt und nach § 240 ZPO unterbrochen worden, ohne dass der Insolvenzverwalter oder der Gegner ihn aufgenommen hätte, endet die Unterbrechung ipso iure mit der Wirksamkeit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens.52 17 Der II. Zivilsenat des BGH hat in einem Fall, in dem der Insolvenzverwalter zwischen der Bestätigung des Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Klage erhoben und auf diesen Umstand erstmals in der Revisionsinstanz hingewiesen hat, in der Aufnahme des Verfahrens für die Schuldnerin einen (unzulässigen) gewillkürten Parteiwechsel gesehen, weil der Insolvenzverwalter „nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durchgängig bewusst und gewollt als klagende Partei aufgetreten ist.“53 Diese Ausführungen überzeugen so nicht, weil das Auftreten des (ehemaligen) Insolvenzverwalters allein diesen nicht wieder zur Partei des Rechtsstreits gemacht haben kann, wenn er diese Stellung mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens verloren hatte. Zwar wäre es nicht zu einem Parteiwechsel gekommen, wenn die weitere Prozessführung des Insolvenzverwalters von § 259 III gedeckt gewesen wäre (vgl Rn 35). Da der Senat diesen Vortrag in der Revisionsinstanz für verspätet gehalten,54 aber den Verlust der Prozessführungsbefugnis berücksichtigt hat,55 hätte er von der Parteistellung der Schuldnerin ausgehen müssen. 18 Da die Aufhebung die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur ex nunc beseitigt, bleiben die unmittelbar an die Eröffnung geknüpften Rechtsfolgen des materiellen Rechts von der Aufhebung unberührt. Dies gilt namentlich für die Auflösung von Gesellschaften oder Vereinen, die nach deutschem Recht organisiert sind. Daher ist in diesen Fäl-

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OLG Naumburg ZIP 2015, 793, 794. Vgl BGHZ 83, 102, 104 f; BGH NJW-RR 1990, 1213; BGHZ 123, 132, 134; BGH NZI 2011, 27 Rn 10, 11 und dazu Paul ZInsO 2011, 610, 612. So etwa OLG Köln ZIP 1987, 1004; LAG Hamm KTS 1997, 318, 320; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Piekenbrock InsO3 § 80 Rn 20; Braun/Braun/Frank InsO7 § 259 Rn 6; FK/Jaffé InsO9 § 259 Rn 25; Jaeger/ Windel InsO § 80 Rn 206; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 5; MünchKomm/Ott/Vuia InsO3 § 80 Rn 80; MünchKomm/Huber InsO3 § 259 Rn 15; Rendels/Zabel Insolvenzplan, Rn 567; Uhlenbruck/Mock InsO14 § 80 Rn 179; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259 Rn 13. AA RGZ 47, 372, 374; Zöller/ Greger ZPO32 § 239 Rn 7.

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259 Rn 13. Ebenso Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 112, 114; Jaeger/Gerhardt InsO § 170 Rn 112; MünchKomm/Schumacher InsO3 § 179 Rn 51 mit Rn 55. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 259 Rn 17; HambK/Thies InsO6 § 259 Rn 11; Hess InsO2 § 259 Rn 16; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 259 Rn 5; Rendels/Zabel Insolvenzplan, Rn 566; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259 Rn 12. AA BK/Breutigam InsO66 (Stand: I/2002) § 259 Rn 8: fortbestehende Unterbrechung analog § 239 ZPO. BGH ZIP 2008, 2094 Rn 6, 7. BGH ZIP 2008, 2094 Rn 14. BGH ZIP 2008, 2094 Rn 12.

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len stets ein Fortsetzungsbeschluss erforderlich, der auch im Insolvenzplan enthalten sein kann (§ 225a III) (§ 254a Rn 25). Auch die Beendigung von Rechtsgeschäften kraft Gesetzes (§§ 115 bis 117), durch die – ggf fingierte – Erfüllungsverweigerung des Insolvenzverwalters (§ 103 II 1, 3) oder durch insolvenzbedingte Kündigung (§§ 109 I 2, 113) wird durch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht berührt.56 Allerdings können die Vermögensverhältnisse eines (ehemaligen) Rechtsanwalts nach der Bestätigung eines Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder als geordnet angesehen werden, so dass der Widerruf der Zulassung (§ 14 II Nr 7 BRAO) aufgehoben57 bzw die Zulassung wieder erteilt werden kann (§§ 7 Nr 9 BRAO) (vgl § 260 Rn 33 ff).58 Unberührt bleiben schließlich die Verträge, die der Insolvenzverwalter fortführen musste (§ 108 I, II) oder für die er Erfüllung nicht abgelehnt hat (§ 103 I).59 Dasselbe gilt für die vom Insolvenzverwalter für die Masse abgeschlossenen Verträge, soweit diese keine Beendigung mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens vorsehen;60 § 119 steht solchen Lösungsklauseln nicht entgegen. 3. Vorbehalt der Planüberwachung (§ 259 II) Der Vorbehalt der Planüberwachung in § 259 II hat ausschließlich klarstellende Bedeu- 19 tung. Gäbe es diesen Vorbehalt nicht, hätten die besonderen Bestimmungen in §§ 261 I S 2, 263 als leges speciales Vorrang vor § 259 I. Gleichwohl ist die ausdrückliche Klarstellung des Verhältnisses der prima facie widersprüchlichen Regelungen zu begrüßen. 4. Anfechtungsprozesse (§ 259 III) a) Normzweck und Wirkungsweise. Unabhängig von der Planüberwachung enthält 20 § 259 III erstmals eine Sonderregelung zur Behandlung anhängiger Anfechtungsprozesse. Ausgangspunkt dieser Neuregelung im Zuge der Insolvenzrechtsreform (Rn 2) war, dass das Anfechtungsrecht des Konkursverwalters nach der früher herrschenden Auffassung mit der Aufhebung des Konkursverfahrens erloschen ist.61 Das Anfechtungsrecht sollte mit dem Amt des Konkursverwalters untrennbar verbunden sein.62 Da der Gemeinschuldner selbst zur Führung eines solchen Prozesses nicht befugt sein konnte,63 wurde er auch nicht Partei des anhängigen Prozesses.64 Aber auch die einzelnen Gläubiger konnten nur Partei werden und den Rechtsstreit wieder aufnehmen, wenn sie ihn selbst anhängig gemacht hatten und der Konkursverwalter den unterbrochenen Prozess zwar aufgenommen, aber nicht zu Ende geführt hatte (vgl § 13 II AnfG 197665). Hatte dagegen der Konkursverwalter die Anfechtungsklage erhoben, musste jeder Gläubiger nach Aufhebung des Konkursverfahrens eine neue Klage erheben (§ 13 IV AnfG 197666).67 Daraus folgte, dass der Konkurs-

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Vgl hier aber HK/Haas InsO9 § 259 Rn 4; Rühle Gegenseitige Verträge, S 122 ff. Vgl BGH ZVI 2007, 619 Rn 7, 9; NZI 2011, 464 Rn 7; ZInsO 2012, 140 Rn 4. Vgl BGH NJW 2005, 1271 f. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 12. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 10. RGZ 31, 40, 42 f; 135, 347, 350; Jaeger/ Henckel KO9 § 36 Rn 6.

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Vgl nur BGHZ 118, 374, 381. Dazu schon RGZ 7, 35, 36. BGHZ 83, 102, 105. IdF der Bek v 20.5.1898, RGBl S 709, geändert durch Art 7 Nr 7 der Vereinfachungsnovelle v 3.12.1976, BGBl I S 3281. IdF der Bek v 20.5.1898, RGBl S 709, geändert durch Art 9 der GmbH-Novelle v 4.7.1980, BGBl I S 836. Zum heutigen, insoweit inhaltlich unveränderten Recht MünchKomm/Kirchhof AnfG § 18 Rn 10, 16.

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verwalter Partei der von ihm angestrengten Anfechtungsprozesse blieb und den Rechtsstreit jeweils in der Hauptsache für erledigt erklären musste, um die Prozesse nicht allein wegen der Aufhebung des Konkursverfahrens kostenpflichtig zu verlieren.68 Daran konnten die Beteiligten auch im Zwangsvergleich nichts ändern.69 Allerdings sollte der Konkursverwalter den Anfechtungsprozess fortführen können, wenn das Konkursverfahren nach Abhaltung des Schlusstermins aufgehoben (§ 163 KO) und eine Nachtragsverteilung angeordnet worden war (§ 166 KO).70 Dieser Zustand wurde zu Recht als unbefriedigend empfunden,71 weil er dazu nötigte, das Konkursverfahren unnötig lange fortzuführen oder auf das Anfechtungsrecht zu verzichten. Zur Lösung des Problems kann der Insolvenzverwalter nunmehr einen „anhängigen Rechtsstreit, der die Insolvenzanfechtung zum Gegenstand hat“, auch nach der Aufhebung des Verfahrens fortführen, wenn dies im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist (§ 259 III 1). Der BGH versteht diese Regelung so, dass damit die Möglichkeit geschaffen wurde, „im Insolvenzplan für den Insolvenzverwalter das Fortbestehen der Prozessführungsbefugnis vorzusehen“.72 Wie oben gesehen, wurzelte die unbefriedigende Rechtslage nach der KO jedoch nicht (allein) im Prozessrecht, sondern nach der seinerzeit herrschenden Lesart im materiellen Recht. Der Konkursverwalter musste den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, weil das materielle Anfechtungsrecht erloschen war. Damit kann das von der Reform angestrebte Ziel allein über die Fortdauer der Prozessführungsbefugnis nicht erreicht werden. Vielmehr muss hier – im Anschluss an die Rechtsprechung des RG zur Nachtragsverteilung (Rn 20) – angenommen werden, dass auch der Anspruch aus § 143 InsO über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hinaus unverändert fortbesteht.73 Anders ist die herrschende Vorstellung, im Regelfall des § 259 III S 2 werde der Insolvenzverwalter als gewillkürter Prozessstandschafter des Schuldners tätig (Rn 35), nicht erklärbar. Dementsprechend heißt es in der Begründung des Regierungsentwurfs: „In diesem Fall wird der Anfechtungsanspruch von der Aufhebung des Verfahrens nach der Bestätigung des Insolvenzplans nicht berührt.“74 In dieser Form der Verknüpfung der Prozessführungsbefugnis mit dem Bestand des materiellen Rechts kann man eine moderne Ausprägung aktionenrechtlichen Denkens erkennen.75 Ist der Anspruch aus § 143 Bestandteil der Insolvenzmasse76 und der Schuldner Inhaber (auch) dieses Anspruchs,77 so spricht nichts dagegen, dass der Anspruch auch nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortbesteht, solange damit der ursprüngliche Zweck 68 69 70

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Vgl dazu BGHZ 83, 102, 106. So ausdrücklich RGZ 135, 347, 350; insoweit offen BGHZ 83, 102, 104. So RG JW 1936, 2927, 2928 f. Zu den Konsequenzen Uhlenbruck ZIP 1993, 241, 246. Zu Österreich ganz ähnlich König Anfechtung nach der IO5 Rn 21/4. So Begr zu RegE § 306, BT-Drucks 12/2443 S 214. So wörtlich BGH ZIP 2006, 39 Rn 10; sinngemäß auch BGH ZIP 2010, 102 Rn 10; ZIP 2013, 998 Rn 8; BGHZ 199, 344 Rn 15; BGH ZIP 2018, 1141 Rn 16. BGH ZIP 2016, 831 Rn 7; Häsemeyer InsR4 Rn 28.52; Schiessler Insolvenzplan, S 206;

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wohl auch HK/Haas InsO9 § 259 Rn 4. AA Hess InsO2 § 259 Rn 19. So Begr zu RegE § 306, BT-Drucks 12/2443 S 214. (Hervorhebung hinzugefügt) So Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 23.11. Statt aller Jaeger/Henckel InsO § 129 Rn 285. Dazu nach wie vor sehr lesenswert Jaeger/ Weber KO8 Vorbem IV.3. zu §§ 29–42, der dieses Ergebnis zwar prima facie für grotesk hält. In Wahrheit sei es aber für „ein wohl überlegtes technisches Mittel, um auf einfachste Weise das Interesse der Gläubiger an Vermehrung des Massebestandes zu erfül-

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der Mehrung der Aktiv- oder der Verminderung der Passivmasse noch erreicht werden kann. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist bei Sanierungsplänen nicht unumstritten,78 zumal der Rechtsstreit im Regelfall „für Rechnung des Schuldners geführt wird“ (§ 259 III 2). Gleichwohl ist die Zweckbindung auch in diesem Fall wohl noch gewahrt, da die Fortführung des Prozesses jedenfalls nach der maßgeblichen Auffassung der Gläubiger der Durchführung des Insolvenzplans und damit (auch) ihren Interessen dient. Allerdings gilt die Aussage des RG fort, dass der Schuldner selbst zur Führung eines 25 solchen Prozesses nicht befugt sein kann. Daher klagt in der Eigenverwaltung der Sachwalter in Prozessstandschaft als Partei kraft Amtes (§ 280)79 und kann nach § 259 III zur Fortführung der von ihm angestrengten oder wiederaufgenommenen Anfechtungsprozesse ermächtigt werden.80 Im früheren „vereinfachten Insolvenzverfahren“, das in allen vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren noch anwendbar ist (Art 103h S 1 EGInsO), steht die Prozessführungsbefugnis wahlweise den einzelnen Gläubigern, einem beauftragten Gläubiger oder dem Treuhänder als Prozessstandschafter zu (§ 313 II 1, 3 InsO 199981).82 Da in diesen Verfahren – abweichend von § 312 II InsO 1999 – ein Insolvenzplanverfahren möglich ist (Art 103h S 2 EGInsO), können auch die Gläubiger bzw der Treuhänder zur Fortführung der anhängigen Anfechtungsprozesse ermächtigt werden. In diesen Rahmen fügt sich auch § 259 III ein. Auch dort macht der Insolvenzverwalter den Anspruch, der nach seiner Zweckbindung zur Durchführung des Insolvenzplans fortbeseht, als (gesetzlicher) Prozessstandschafter geltend (Rn 39, 41). Dieses dogmatische Verständnis von § 259 III deckt sich schließlich auch mit der neue- 26 ren Rechtsprechung, die auch die Abtretung des Anspruchs für möglich hält.83 Auch in einem solchen Fall erlischt der Anspruch nicht, wenn das Insolvenzverfahren aufgehoben wird,84 weil sich der Wert durch einen Forderungsverkauf ansonsten nicht realisieren lässt. Würde der käuflich erworbene Anspruch mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlöschen, bevor der Käufer ihn realisiert hat, wäre die Masse mit der Veritätshaftung belastet (§§ 453, 435, 437 BGB). Der Insolvenzverwalter müsste den aufschiebend bedingten Masseanspruch (§ 55 I Nr 1) des Käufers (§§ 437 Nr 2, 326 V, 346 I BGB) dann vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens in den Finanzplan einstellen oder Sicherheit dafür leisten (§ 258 II) (vgl § 258 Rn 22). Für die freie Masse könnte der Anspruch durch Forderungsverkauf damit nicht realisiert werden. b) Voraussetzungen für die Fortführung von Anfechtungsprozessen aa) Anhängiger Rechtsstreit. § 259 III S 1 setzt zunächst tatbestandlich voraus, dass es 27 sich um einen „anhängigen Rechtsstreit“ handelt. Trotz dieses missverständlichen Begriffs ist damit wie bei § 240 ZPO85 Rechtshängigkeit iSv § 261 ZPO gemeint, die die Zustellung

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len“ (Hervorhebung so im Original). AA noch Jauernig ZwVInsR21 § 51 II 5 (S 239); wie hier Jauernig/Berger ZwVInsR23 § 51 VI 2 (Rn 39). Krit etwa Häsemeyer InsR4 Rn 28.55, der auch darauf hinweist, dass dem Anfechtungsgegner kein Minderheitenschutz nach § 251 zusteht und er darum dem Plan nicht zugestimmt haben muss; Jauernig ZwVInsR21 § 51 II 5 (S 240). Vgl nur MünchKomm/Kichhof InsO3 § 280 Rn 6.

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Vgl OLG Dresden ZIP 2014, 1294, 1295; BGH ZIP 2016, 831 Rn 7; BGHZ 210, 372 Rn 12; HK/Haas InsO9 § 259 Rn 7. IdF v 5.10.1994, BGBl I S 2866. Vgl nur MünchKomm/Ott/Vuia InsO3 § 313 Rn 12. BGH ZIP 2011, 1114 Rn 8; ZIP 2013, 531 Rn 10. Jacoby LMK 2011, 323485; K Schmidt/Büteröwe InsO19 § 143 Rn 18; Uhlenbruck/ Ede/Hirte InsO14 § 143 Rn 90. Dazu BGH ZIP 2009, 240 Rn 9, 10; aA Jaeger/Windel InsO § 80 Rn 6 ff.

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der Klageschrift an den Beklagten voraussetzt (§ 253 I ZPO);86 § 167 ZPO ist dabei weder direkt noch entsprechend anwendbar.87 Hinreichend ist auch die Zustellung eines Mahnbescheids (§ 693 I ZPO), mit der die Streitsache als rechtshängig geworden gilt (§§ 696 III, 700 II ZPO).88 Dagegen genügt die formlose Übermittlung eines PKH-Antrags des Insolvenzverwalters für § 259 III nicht.89 28 Erst recht kann der Insolvenzverwalter auf der Grundlage eines Insolvenzplans keine neuen Anfechtungsklagen erheben.90 Eine solche Befugnis kann ihm auch durch eine Entscheidung des Insolvenzgerichts nicht eingeräumt werden.91 Soweit dadurch Verzögerungen bei der Durchführung des Insolvenzplans zu befürchten sind, können die Ansprüche treuhänderisch an den Insolvenzverwalter persönlich abgetreten und dann nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eingeklagt werden (vgl Rn 26).92 Dagegen wird die Fortführung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung, die die Erhebung neuer Anfechtungsklagen durch den Sachwalter ermöglichen würde (§ 280), regelmäßig keine praktikable Option sein. De lege ferenda wäre es allerdings besser, wenn der Insolvenzverwalter auch ermächtigt werden könnte, neue Anfechtungsprozesse anzustrengen, um die Durchführung des Insolvenzplans nicht zu verzögern. Damit wäre jedes Obstruktionspotential potentieller Anfechtungsgegner beseitigt. 29 Ein solche Möglichkeit besteht in Österreich bei einem Sanierungsplan mit Übergabe von Vermögen an einen Treuhänder zur Verwertung (§ 157i I 1 IO).93 Darin kann vorgesehen werden, dass der Treuhänder genau zu bezeichnende Anfechtungsansprüche geltend zu machen hat (§ 157i I 2 IO). Damit können nicht nur anhängige Prozesse fortgeführt, sondern auch neue begonnen werden.94 Die Übergabe von Vermögen an den Treuhänder kann sich auch auf die Anfechtungsrechte beschränken, so dass der Plan keinen mit § 7 IV VglO vergleichbaren Liquidationsvergleich beinhalten muss.95 86

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So nunmehr auch BGH ZIP 2013, 998 Rn 10; implizit auch BGH ZIP 2018, 1141 Rn 16; dem BGH folgen Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 259 Rn 14; FK/Jaffé InsO9 § 259 Rn 24; Graf-Schlicker/Kebekus/ Wehler InsO4 § 259 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 9; MünchKomm/Huber InsO3 § 259 Rn 21; de lege lata auch HambK/Thies InsO6 § 259 Rn 15, dort mehr mit rechtspolitischer Kritik wegen des Trends zu „frühen“ Plänen etwa in § 270b; für Rechtshängigkeit zuvor schon LG Marburg ZInsO 2012, 1023, 1024 f; LG Berlin ZInsO 2012, 2344 f. AA OLG Hamburg v 28.8.2012 – 11 U 38/12, juris-Rn 23; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 259 Rn 19; Hees ZInsO 2011, 953, 955. Soweit Wollweber/Hennig ZInsO 2013, 49, 53 f darüber hinaus die Rechtshängigkeit bereits im Abstimmungstermin fordern, findet sich dafür im Gesetz keine Stütze; abl insoweit auch FK/Jaffé InsO9 § 259 Rn 24. Im Ergebnis zutr FK/Jaffé InsO9 § 259 Rn 24; MünchKomm/Huber InsO3 § 259 Rn 21; Wollweber/Hennig ZInsO 2013, 49, 53. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 259 Rn 19.

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AA Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 259 Rn 19. BGH ZIP 2013, 998 Rn 8; ZIP 2018, 1141 Rn 16; LG Hamburg ZIP 2017, 1920, 1921; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 259 Rn 5; FK/Jaffé InsO9 § 259 Rn 24; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 259 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 259 Rn 7; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 19. BGH ZIP 2010, 102 Rn 10; ZIP 2018, 1141 Rn 17. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 259 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 9. Zuvor schon OGH v 3.11.2005, 2 Ob 243/05g, RdW 2005, 342 (Nr 340) bei Aufhebung des Konkursverfahrens nach Abschluss eines Zwangsausgleichs und der Bestellung des Masseverwalters zum Sachwalter der Gläubiger nach § 157e öKO 1982 (öBGBl 370/1982). Diese Rechtsprechung ist in § 157i IO festgeschrieben worden. Vgl 612 der Beilagen XXIV. GP – Regierungsvorlage – Vorblatt und Erläuterungen S 27. König Anfechtung nach der IO5 Rn 19/5. König Anfechtung nach der IO5 Rn 19/8.

Andreas Piekenbrock

Wirkungen der Aufhebung

§ 259

bb) Insolvenzanfechtungsprozess. Wie die Genese von § 259 III S 1 zeigt, muss der 30 Rechtsstreit zwingend „die Insolvenzanfechtung zum Gegenstand“ haben, weil nur für diese Ansprüche die Prozessführungsbefugnis des Schuldners ausscheidet.96 Diese Voraussetzung kann zu erheblichen Abgrenzungsproblemen führen. Dies gilt zum einen, wenn es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um einen sonstigen Anspruch handelt und der Insolvenzverwalter der Aufrechnung durch den Beklagten den Anfechtungseinwand (§ 96 I Nr 3) entgegengehalten hat. In einem solchen Fall hat der BGH die insolvenzrechtliche Annexzuständigkeit analog Art 3 I EuInsVO nF zu Recht verneint.97 Diese Überlegung lässt sich auch bei § 259 III fruchtbar machen. Danach steht die Prozessführungsbefugnis nach § 259 I S 2 wieder dem Schuldner zu.98 Dagegen ist es eine Frage des materiellen Rechts, ob der Anfechtungseinwand gegen die Aufrechnung (§ 96 I Nr 3) fortbesteht. Dies wird man nur bejahen können, wenn sich aus dem Insolvenzplan ergibt, dass die Fortführung des Prozesses durch den Schuldner den Interessen der Gläubiger dient. Eine ähnliche Problemlage besteht, wenn der Insolvenzverwalter einen einheitlichen 31 Anspruch sowohl auf Insolvenzanfechtung als auch auf andere Anspruchsgrundlagen gestützt hat. Diese Fälle waren häufig, wenn ein Anspruch auf Rückerstattung der Zahlungen auf eigenkapitalersetzende Darlehen sowohl auf § 135 InsO 1999 als auch auf eine analoge Anwendung von § 31 I GmbHG nach den sogenannten Rechtsprechungsregeln gestützt wurde.99 Ergänzend ist daran zu denken, dass ein Anspruch sowohl aus § 812 I BGB als auch aus § 134 InsO geltend gemacht wird.100 Auch wenn hier für die anderen Anspruchsgrundlagen die Prozessführungsbefugnis des Schuldners in Betracht kommt, wird man den Schwerpunkt im Anfechtungsrecht sehen müssen. Dass das Gericht den Rechtsstreit – ähnlich wie früher bei § 32 ZPO101 – nur unter anfechtungsrechtlichen Aspekten entscheidet, ist im Interesse des Beklagtenschutzes nicht indiziert. Bei Klagehäufung (§ 260 ZPO) ist dagegen ggf zu trennen. cc) Regelung im Insolvenzplan. Weiterhin setzt § 259 III S 1 voraus, dass die Fortfüh- 32 rung des Rechtsstreits „im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist.“ Steht dieser im Widerspruch zu der den Gläubigern mitgeteilten „Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts“ (vgl § 235 III 2), ist allein der gestaltende Teil des Plans maßgeblich, der für alle Beteiligten zur Einsicht auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts niedergelegt ist (§ 234).102 Dasselbe gilt für mögliche Widersprüche mit dem darstellenden Teil des Insolvenzplans (§ 220).103 Die Ermächtigung zur Fortführung anhängiger Anfechtungsprozesse muss jedoch nicht alle derartigen Prozesse betreffen, sondern kann sich auf bestimmte Verfahren beschränken.104 Daher hätte es in § 259 III S 1 besser heißen sollen, dass der Insolvenzverwalter die Prozesse fortführen kann, „soweit“ dies im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist.

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Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 14. BGH ZIP 2015, 2192 Rn 13 ff. HambK/Thies InsO6 § 259 Rn 17; aA MünchKomm/Huber InsO3 § 259 Rn 21; Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 30. Vgl dazu nur Jaeger/Henckel InsO § 135 Rn 12; MünchKomm/Stodolkowitz/Bergmann InsO2 § 135 Rn 104 ff. Dazu MünchKomm/Kayser InsO3 § 134 Rn 22. Allerdings wird § 134 bei unbewussten rechtsgrundlosen Leistungen vielfach

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verneint, etwa bei Ganter NZI 2015, 249, 256; Jaeger/Henckel InsO § 134 Rn 14; aA Baumert AP Nr 3 zu § 134 InsO. Vgl dazu nur BGHZ 157, 173, 176 ff. Vgl BGHZ 199, 344 Rn 18. Vgl LG Wuppertal ZInsO 2002, 337, 338. BGH ZIP 2013, 738; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 259 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 259 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 10; A Schmidt/Montag SanierungsR §§ 258, 259 Rn 44.

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§ 259

Sechster Teil. Insolvenzplan

33

Die Ermächtigung zur Fortführung anhängiger Anfechtungsprozesse muss auch nicht ausdrücklich geschehen. Vielmehr ist auch in der Formulierung „§ 259 III InsO findet Anwendung“ in der Regel die Ermächtigung des Insolvenzverwalters sehen, Anfechtungsrechtsstreitigkeiten auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortzuführen.105 Diese Formulierung hat den Vorteil, dass der Insolvenzverwalter auch noch nach dem Abstimmungstermin neue Klagen erheben kann, die im Insolvenzplan gar nicht einzeln aufgeführt sein können.106 Allerdings bürdet eine solche Formulierung den in der Regel rechtsunkundigen Gläubigern die Last auf, sich ggf im Erörterungstermin nach der Bedeutung dieser Formulierung zu erkundigen. Im Interesse der Transparenz ist daher eine aus sich heraus verständlichere Formulierung, die etwa die Rechtsfolge von § 259 III wiedergibt, wünschenswert.

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c) Rechtsfolgen. Welche Rechtsfolgen im Falle der Ermächtigung nach § 259 III S 1 eintreten, hängt jedenfalls zum Teil von der Ausgestaltung im Insolvenzplan ab.

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aa) Fortführung für Rechnung des Schuldners. Ist im Insolvenzplan keine abweichende Regel getroffen worden, „wird der Rechtsstreit für Rechnung des Schuldners geführt“ (§ 259 III 2). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll in diesem Fall „das Erlangte an den Schuldner fallen“; umgekehrt soll dieser aber auch die Kosten eines verlorenen Prozesses tragen.107 Dabei soll der (frühere) Insolvenzverwalter persönlich als gewillkürter Prozessstandschafter des Schuldners tätig werden.108 Das bedeutet, dass in diesem Fall mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein gesetzlicher Parteiwechsel eintritt. 36 Diese Vorschrift ist nicht nur „eigenartig“,109 sondern misslungen.110 Die erste Aussage widerspricht eigentlich dem Zweck des Anfechtungsanspruchs (Rn 24).111 Immerhin lässt sie sich rechtstechnisch dadurch verwirklichen, dass der Insolvenzverwalter den Klageantrag – wie bei § 265 II S 1 ZPO112 – auf Zahlung an den Schuldner umstellen muss. Andernfalls müsste der Schuldner gegen den (früheren) Insolvenzverwalter einen Anspruch aus § 667 BGB haben. 37 Dagegen ist die zweite Aussage zu den Kosten nur materiell-rechtlich richtig, aber prozessual nicht unmittelbar zu realisieren. Dass der Schuldner die Kosten des nicht von ihm angestrengten Rechtsstreits tragen muss, ist Folge der zuvor bestehenden Verwaltungsund Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Insoweit ist nur umstritten, ob man aus § 788 ZPO herleiten kann, dass der Schuldner nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens unbeschränkt für die Masseverbindlichkeiten haftet,113 oder ob sich die Haftung auf 105 106 107 108

BGH ZIP 2006, 39 Rn 10 ff. Priebe ZInsO 2012, 1015, 1016. Begr zu RegE § 306, BT-Drucks 12/2443 S 214. BGH ZIP 2006, 39 Rn 29; BGHZ 199, 344 Rn 22; BGH ZIP 2018, 1141 Rn 16; BeckOK/Freund InsO10 § 259 Rn 7; Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 39; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 259 Rn 2; Jauernig/Berger ZwVInsR23 § 62 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 11; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 20 f; MünchKomm/Huber InsO3 § 259 Rn 22; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 259 Rn 7; Smid NZI

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2006, 201, 204. Für gesetzliche Prozessstandschaft dagegen BGH ZIP 2016, 831 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259 Rn 17. Gaul FS K Schmidt, S 425, 436. AA Häsemeyer InsR4 Rn 28.52, der die Regelung rechtstechnisch für stimmig hält. MünchKomm/Huber InsO3 § 259 Rn 24 hält dieses Ergebnis insbesondere bei § 133 für „ziemlich ungereimt“. Vgl nur BGHZ 158, 295, 304 mwN. Dafür etwa Häsemeyer InsR4 Rn 25.30 f; Jaeger/Windel § 80 Rn 44. Für das Konkursrecht auch die Protokolle der Kommission Erster Lesung S 109, in: Hahn S 604 f.

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Wirkungen der Aufhebung

§ 259

die frühere Masse beschränkt.114 Dem Schuldner bleibt jedoch ggf ein Anspruch aus § 60, wenn der Insolvenzverwalter die Klage pflichtwidrig erhoben hat. Prozessrechtlich lässt sich diese Haftung aber nicht unmittelbar realisieren, weil § 91 I 38 ZPO immer zulasten der unterlegenen Partei wirkt und daher auch der Prozessstandschafter persönlich Adressat der Kostenentscheidung ist.115 Nur die Partei kraft Amtes wird lediglich mit dem von ihr verwalteten Vermögen verpflichtet;116 jedoch endet das Amt des Insolvenzverwalters grundsätzlich mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 259 I 2). Nimmt man einen Fall gewillkürter Prozessstandschaft an, müsste der (frühere) Insolvenzverwalter dem Beklagten die Kosten persönlich erstatten und könnte vom Schuldner lediglich Ersatz dieser Aufwendungen (§ 670 BGB) bzw Freistellung (§ 257 BGB) verlangen.117 Damit würde der Insolvenzplan zulasten des Insolvenzverwalters persönlich wirken. Die Gefahr, den Anspruch gegen den Schuldner nicht realisieren zu können, kann der Insolvenzverwalters nur dadurch abmildern, dass er für den potentiellen Erstattungsanspruch aus § 91 I ZPO, der einen aufschiebend bedingten Masseanspruch darstellt, noch vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Sicherheit leistet oder in einem Finanzplan Rückstellungen bildet (§ 258 II) (§ 258 Rn 22). Diese gesamte Konstruktion kann so nicht überzeugen. Ein stimmiges Bild ergibt sich 39 vielmehr nur, wenn man annimmt, dass § 259 III eine Ausnahme zu § 259 I S 2 darstellt und der Insolvenzverwalter zur Verwaltung und Verfügung über die Masse, die sich auf die Ansprüche aus § 143 beschränkt, berufen bleibt. Damit prozessiert der Insolvenzverwalter nicht als gewillkürter Prozessstandschafter, sondern weiterhin als Partei kraft Amtes;118 ein Parteiwechsel tritt nicht ein. Diese Auffassung wird im Schrifttum tatsächlich befürwortet, soweit im Insolvenzplan vorgesehen ist, dass das vom Anfechtungsgegner Erlangte zur (weiteren) Befriedigung der Insolvenzgläubiger verwendet wird (Rn 41). Für die Stellung des Insolvenzverwalters im Anfechtungsprozess kann es aber nicht entscheidend darauf ankommen, an wen die „Restmasse“, die vermögensrechtlich ohnehin dem Schuldner zusteht, später ausgekehrt wird. Bestand die (vermeintliche) „Restmasse“ nur aus einem Anspruch, der im Prozess 40 rechtskräftig verneint worden ist, ist der Insolvenzverwalter im Falle des Prozessverlustes für § 91 I ZPO als Kostenschuldner ein „König ohne Land“. Der Beklagte kann seinen Erstattungsanspruch jedoch – nach der üblichen Umschreibung des Titels gegen den Insolvenzverwalter auf den Schuldner (§ 727 I ZPO) – durch Vollstreckung in die frühere Masse und das sonstige Vermögen des Schuldners durchsetzen. Hat der Insolvenzverwalter vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens für diesen Anspruch nicht nach Maßgabe von § 258 II hinreichend vorgesorgt (§ 258 Rn 22), kommt ein Anspruch gegen den Insolvenzverwalter persönlich aus § 60 I in Betracht (§ 258 Rn 27).119

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Dafür BGH NJW 1955, 339; WM 1964, 1125; M Schmidt Der Gemeinschuldner als Schuldner der Masseverbindlichkeiten (1972), S 120; MünchKomm/Ott/Vuia InsO3 § 80 Rn 8; Stürner ZZP 94 (1981), 263, 294. MünchKomm/Schulz ZPO5 § 91 Rn 17; Stein/Jonas/Muthorst ZPO23 vor § 91 Rn 25. Stein/Jonas/Muthorst ZPO23 vor § 91 Rn 25.

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HambK/Thies InsO6 § 259 Rn 16; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 20. Dazu passt die Aussage von Häsemeyer InsR4 Rn 28.52, der Insolvenzverwalter führe den Prozess „nicht für den Schuldner, sondern noch für die Masse“. Da es um die Verletzung der insolvenzspezifischen Pflicht aus § 258 II geht, ergibt sich aus BGHZ 148, 175 und BGHZ 154, 269 nichts anderes.

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§ 259

Sechster Teil. Insolvenzplan

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bb) Abweichende Regelung im Insolvenzplan. Im Insolvenzplan kann (und sollte) abweichend von § 259 III S 2 bestimmt werden, dass das vom Anfechtungsgegner Erlangte – wie in Österreich gesetzlich vorgesehen (§ 257i I 2 IO) – unmittelbar zur (weiteren) Befriedigung der Insolvenzgläubiger verwendet wird. Der Antrag ist dann auf Zahlung an den Kläger zu richten, der regelmäßig eine Nachtragsverteilung vornehmen wird (§ 203) (Rn 14). In prozessualer Hinsicht soll der Insolvenzverwalter in diesem Fall auch nach der herrschenden Auffassung im Schrifttum weiter als Partei kraft Amtes und damit als gesetzlicher Prozessstandschafter prozessieren.120 42 Ob die aus der Nachtragsverteilung erlangten Beträge als Tilgungsleistungen auf die Planforderungen verrechnet werden oder den Gläubigern zusätzlich zufließen, muss sich ebenfalls aus dem Insolvenzplan ergeben. Ist eine Tilgung vorgesehen, wirkt sich eine Anfechtung nach § 135 allerdings ausschließlich zugunsten der Schuldnergesellschaft aus, weil der Anspruch des Anfechtungsgegners, der nach § 144 I wieder auflebt, nur eine nachrangige Insolvenzforderung begründet (§ 39 I Nr 5), die im Zweifel als erlassen gilt (§ 225 I). Dasselbe gilt mit Blick auf § 39 I Nr 4 für eine Anfechtung nach § 134.

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cc) Materielle Folgen für den Anfechtungsanspruch. Nach herrschender Auffassung kann sich der Anfechtungsgegner nicht auf Einwendungen oder Einreden stützen, die ihm im laufenden Insolvenzverfahren nicht zugestanden hätten.121 Das bedeutet insbesondere, dass der Anfechtungsgegner gegen einen Anspruch aus §§ 130, 143 nicht einwenden kann, er habe einen fälligen Anspruch auf die Leistung gehabt.122 Allerdings ist hier auch § 144 I zu beachten, der die anfechtbar erfüllte Forderung als Insolvenzforderung123 wieder aufleben lässt. Wenn der Anfechtungsgegner die Rückzahlung der empfangenen Leistung an den Schuldner schuldet und ihm gleichzeitig eine fällige Insolvenzplanforderung zusteht (§§ 254 I, 254b), muss der Anfechtungsgegner insoweit aufrechnen können.124 Dass der Anfechtungsanspruch ipso iure um den Betrag zu kürzen ist, der dem Anfechtungsgegner nach Maßgabe des Insolvenzplans zu verbleiben hat, ist dagegen de lege lata nicht begründbar. Ist der Anspruch aus § 143 I nicht auf Geldzahlung gerichtet, wäre ein Zurückbehaltungsrecht anzuerkennen (§ 273 BGB), so dass der Anfechtungsgegner nur Zug um Zug gegen Erfüllung seiner Planforderung leisten müsste (§ 274 I BGB).125

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d) Verhältnis zu § 18 AnfG. Soweit der Insolvenzverwalter einen anhängigen Anfechtungsprozess fortführt, ist eine Klage eines einzelnen Gläubigers nach § 18 I AnfG unzulässig.126 Dasselbe gilt, wenn der Insolvenzverwalter den Anspruch an einen Dritten abgetreten hatte (vgl Rn 26).127 Im Übrigen gelten die eingangs dargestellten Grundsätze des früheren Rechts (vgl Rn 20) auch nach § 18 I AnfG fort.

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e) Erneute Insolvenzeröffnung. Hat der Insolvenzverwalter einen Anfechtungsprozess nach § 259 III fortgeführt, wird dieser Prozesse durch die Eröffnung eines neuen Insolvenz-

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Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 24 Rn 39; MünchKomm/Huber InsO3 § 259 Rn 22; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 259 Rn 7. BGH ZIP 2016, 831 Rn 7; HambK/Thies InsO6 § 259 Rn 13; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 13; Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259 Rn 21; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259 Rn 17.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 13. BeckOK/Schoon InsO10 § 144 Rn 6; Uhlenbruck/Hirte/Ede InsO14 § 144 Rn 3. AA BGH ZIP 2016, 831 Rn 7; HambK/Thies InsO6 § 259 Rn 13. So HambK/Thies InsO6 § 259 Rn 16. MünchKomm/Kirchhof AnfG § 18 Rn 5; MünchKomm/Huber InsO3 § 259 Rn 26; Thole NZI 2017, 129, 131. Vgl MünchKomm/Kirchhof AnfG § 18 Rn 5.

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Vollstreckungsschutz

§ 259a

verfahrens analog § 240 ZPO unterbrochen, weil er die Insolvenzmasse dieses neuen Insolvenzverfahrens betrifft.128 Der Verwalter in dem neuen Insolvenzverfahren kann den Rechtsstreit als Aktivprozess nach § 85 aufnehmen.129

§ 259a Vollstreckungsschutz (1) 1Gefährden nach der Aufhebung des Verfahrens Zwangsvollstreckungen einzelner Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen bis zum Abstimmungstermin nicht angemeldet haben, die Durchführung des Insolvenzplans, kann das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben oder längstens für drei Jahre untersagen. 2Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Schuldner die tatsächlichen Behauptungen, die die Gefährdung begründen, glaubhaft macht. (2) Ist die Gefährdung glaubhaft gemacht, kann das Gericht die Zwangsvollstreckung auch einstweilen einstellen. (3) Das Gericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn ab, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.2.30; Begr zu RegE ESUG §§ 259a, 259b, BTDrucks 17/5712 S 37; Begr zu RegE ESUG § 259a, BT-Drucks 17/5712 S 37. Literatur S zu § 254; Rugullis Neue Gesetze schaffen neue Probleme – zur Auslegung der besonderen Verjährungsfrist des § 259 b InsO, NZI 2012, 825; J Schmidt Nachzügler, FS Kübler, S 621; Schur Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO im Insolvenzverfahren, KTS 2008, 471.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckungsmoratorium (§ 259a I) a) Voraussetzungen . . . . . . . . . aa) Antrag des Schuldners . . . . bb) Betroffene Gläubiger . . . . . cc) Gefährdung der Durchführung des Insolvenzplans . b) Verfahren . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit des (früheren) Insolvenzgerichts . . . . . . . bb) Anforderungen an den Antrag . . . . . . . . . . . .

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Rn.

Rn. 1 1 2 4 4 4 4 5

cc) Insolvenzgerichtliches Verfahren . . . . . . . . . . . c) Insolvenzgerichtliche Entscheidung . . . . . . . . . . . . . d) Zweites Insolvenzverfahren . . . . aa) Insolvenzantrag des Nachzüglers . . . . . . . . . . . . bb) Vorsatzanfechtung der Leistungen an die Plangläubiger . . . . . . . . . . . 2. Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 259a II) . . . . . . . 3. Aufhebung und Abänderung des Beschlusses (§ 259a III) . . . . . . . .

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BGHZ 199, 344 Rn 20 ff; Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 259 Rn 5; HK/ Haas InsO9 § 259 Rn 8; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259 Rn 12.

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BGHZ 199, 344 Rn 32 ff; Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 259 Rn 5; HambK/Thies InsO6 § 259 Rn 16.

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§ 259a

Sechster Teil. Insolvenzplan

I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

1

§ 259a geht unmittelbar auf den Regierungsentwurf des ESUG1 zurück und ist im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren nicht mehr geändert worden.2 Dass der Vollstreckungsschutz ein geeignetes Instrument zum Schutz der Durchführung des Insolvenzplans gegen Forderungen von Nachzüglern sein kann, hat aber schon die Kommission für Insolvenzrecht in ihrem ersten Bericht festgestellt.3 Diesen Vorschlag hat der Gesetzgeber mit dem ESUG wieder aufgegriffen und in § 259a realisiert.4 2. Normzweck

2

Das deutsche Insolvenzplanrecht sieht keine Möglichkeit vor, Insolvenzgläubiger, die sich am Insolvenzverfahren nicht beteiligt haben, zu präkludieren (§ 254b Rn 9 f). Vielmehr können diese vom Schuldner Erfüllung ihrer Forderungen nach Maßgabe des Insolvenzplans verlangen. Sobald sie über einen Vollstreckungstitel verfügen, können sie ihre Planforderungen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens auch zwangsweise durchsetzen, weil § 89 I dann nicht mehr entgegensteht. Dies gilt auch im Fall der Planüberwachung. Schon die Kommission für Insolvenzrecht hat es jedoch für unvertretbar gehalten, „nachträglich eine Reorganisation daran scheitern zu lassen, daß Gläubiger, die sich verschwiegen hatten, nach Abschluß des Verfahrens Ansprüche in beträchtlicher Höhe geltend machen“, mit denen die Beteiligten bei der Aufstellung und Annahme des Plans und der zugrunde liegenden Liquiditätsplanung nicht rechnen konnten.5 3 Dieser Einschätzung hat sich der Gesetzgeber nunmehr angeschlossen.6 Dies war erforderlich, weil der Schuldnerschutz nach § 765a ZPO, der von § 259a unberührt bleibt,7 in der Regel nur den Grundrechtsschutz natürlicher Personen namentlich aus Art 2 II GG verwirklicht8 und die bloße Gefährdung der Sanierung nicht erfasst.9 Um den Eingriff in die Gläubigerrechte, der als Inhalts- und Schrankenbestimmung iSv Art 14 I S 2 GG den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit genügen muss, so gering wie möglich zu halten, hat der Gesetzgeber für den Fall, dass die Durchführung des Insolvenzplans ansonsten gefährdet ist, eine befristete Vollstreckungssperre auf Antrag des Schuldners eingeführt.10

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Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v 7.12.2011, BGBl I S 2582. Vgl RegE ESUG § 259a, BT-Drucks 17/5712 S 11; BT-RA zu RegE ESUG § 259a, BTDrucks 17/7511 S 18. Vgl 1. Ber InsRKomm S 203. Vgl Begr zu RegE ESUG §§ 259a, 259b, BTDrucks 17/5712 S 37. Vgl 1. Ber InsRKomm S 203. Vgl Begr zu RegE ESUG § 259a, BTDrucks 17/5712 S 37. Begr zu RegE ESUG § 259a, BT-Drucks 17/ 5712 S 37 f. Im Anschluss hieran auch BK/ Flöther/Wehner InsO66 (Stand: III/2016) § 259a Rn 11; FK/Jaffé InsO9 § 259a Rn 6;

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Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 §§ 259a, 259b Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 259a Rn 7; HK/Haas InsO9 § 259a Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259a Rn 1. Vgl dazu BVerfGE 52, 214, 219; BVerfG NJW 2013, 290; NJW-RR 2014, 583 Rn 11; NJW-RR 2014, 584 Rn 10; NJW-RR 2014, 1290 f; WM 2014, 1726. Zutr MünchKomm/Madaus InsO3 § 259a Rn 6. Daher ist § 765a ZPO in den hier interessierenden Fällen regelmäßig irrelevant. So zutr auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259a Rn 8. Vgl Begr zu RegE ESUG § 259a, BTDrucks 17/5712 S 37 f.

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Vollstreckungsschutz

§ 259a

II. Einzelerläuterung 1. Vollstreckungsmoratorium (§ 259a I) a) Voraussetzungen aa) Antrag des Schuldners. Vollstreckungsschutz wird immer nur auf Antrag des 4 Schuldners gewährt. Obwohl das Scheitern der Durchführung des Insolvenzplans auch die Interessen der Gläubiger beeinträchtigen kann, verletzen Vollstreckungshandlungen von Nachzüglern nicht die subjektiven Rechte der anderen Gläubiger. Daher haben diese zu Recht kein eigenes Antragsrecht. Auch der Insolvenzverwalter hat im Falle der Planüberwachung kein eigenes Antragsrecht,11 weil § 261 I den Fortbestand seines Amtes eng auf die Überwachung beschränkt. Da im gestaltenden Teil des Insolvenzplans aber nur ein Zustimmungsvorbehalt für bestimmte Rechtsgeschäfte vorgesehen werden kann (§ 263), scheidet ein eigenes Antragsrecht, das den partiellen Fortbestand der Verwaltungsbefugnis (§ 80 I) voraussetzen würde, aus. De lege lata hat schließlich auch eine Übernahmegesellschaft (§ 260 III), gegen die die Gläubiger nach §§ 230 III, 257 II vollstrecken können, kein eigenes Antragsrecht. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung12 kann ein solches Antragsrecht auch nicht durch den gestaltenden Teil des Insolvenzplans begründet werden. De lege ferenda erscheint es dagegen durchaus diskutabel. bb) Betroffene Gläubiger. § 259a betrifft nur die Vollstreckung durch Insolvenzgläu- 5 biger. Aus- und Absonderungsberechtigte sind als solche keine Gläubiger und werden in ihren Rechten nicht berührt.13 Eine mit § 21 I S 1 Nr 5 vergleichbare Regelung gibt es zur Sicherung der Durchführung des Insolvenzplans nicht. Auch Neugläubiger, die ihre Forderung während des nunmehr aufgehobenen Insolvenzverfahrens erworben haben und daher keine Insolvenzgläubiger iSv § 38 sind,werden von § 259a nicht erfasst. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie dort Gläubiger einer Masseverbindlichkeit waren oder etwa aus einer unerlaubten Handlung des Schuldners Schadensersatz fordern können. Darüber hinaus muss die Forderung tituliert sein. Bei dem Titel kann es sich zum einen 6 um einen Titel über die Insolvenzforderung aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens handeln (vgl § 257 Rn 29 ff). Zum anderen kann § 257 I einschlägig sein, wenn die Forderung erst nach dem Abstimmungstermin, der mit dem Prüfungstermin verbunden werden kann (§ 236 S 2), angemeldet worden ist und das Insolvenzgericht noch die Prüfung im schriftlichen Verfahren angeordnet hat (§ 177 I 2), bei dem niemand der Forderung widersprochen hat (§ 257 Rn 28). Schließlich kann der Gläubiger den Titel für seine Insolvenzplanforderung aber auch erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens etwa im Rahmen eines Mahnverfahrens oder – bei öffentlichen Gläubigern – durch Erlass eines Verwaltungsaktes erlangt haben (vgl § 257 Rn 4). Unglücklich ist die Umschreibung der betroffenen Gläubiger, gegen die sich die An- 7 ordnung nach § 259a I S 1 richten kann. Dabei hat der Gesetzgeber nur auf die Anmeldung der Insolvenzforderung im Insolvenzverfahren (§ 174) bis zum Abstimmungstermin (§ 235) abgestellt. Maßgeblich ist damit, ob die Forderung bis zum Beginn des Abstimmungstermins, der grundsätzlich unmittelbar auf die Erörterung folgen soll (§ 235 I 1),14 aber ausnahmsweise auch gesondert anberaumt werden kann (§ 241 I),15 schriftlich beim

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So auch Nerlich/Römermann/Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 259a Rn 4. Kübler/Schmidt HRI2 § 45 Rn 22 f. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259a Rn 2.

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Vgl MünchKomm/Hintzen InsO3 § 235 Rn 28. Vgl MünchKomm/Hintzen InsO3 § 241 Rn 1.

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§ 259a

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Insolvenzverwalter angemeldet worden ist. Dabei wird aus teleologischer Sicht vielfach auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem die Änderung des Plans noch möglich ist (§ 240).16 Da der Insolvenzverwalter im Erörterungstermin anwesend sein muss, kann ihm die schriftliche Anmeldung dort direkt übergeben werden. Der Eingang in dessen Büro wäre dagegen zu spät, weil mit der Kenntnisnahme dann nicht mehr vor Beginn des Abstimmungstermins gerechnet werden kann (arg e § 130 I 1 BGB). 8 Diese Bestimmung einer rein zeitlichen Zäsur hat zwar den wesentlichen Vorteil der Rechtsklarheit, geht aber über den eigentlichen Zweck von § 259a hinaus, wenn die Forderungen im Planverfahren bekannt waren.17 So sieht das ESUG selbst ausdrücklich vor, dass im Finanzplan auch die Gläubiger zu berücksichtigen sind, die zwar ihre Forderungen nicht angemeldet haben, jedoch bei der Ausarbeitung des Plans bekannt sind (§ 229 S 3). In diesem Fall besteht nach dem Zweck von § 259a kein Grund für ein Vollstreckungsmoratorium, wenn der Schuldner eine in die Liquiditätsplanung einbezogene Forderung nicht planmäßig befriedigen kann. Der Kreis der betroffenen Gläubiger ist damit zu weit gezogen. Ein Vollstreckungsmoratorium zulasten der im Finanzplan berücksichtigten Gläubiger kommt daher auch im Lichte von Art 14 I S 2 GG nicht in Betracht. 9 Diese Erwägungen zwingen aber nicht dazu, das Tatbestandsmerkmal, dass die betroffenen Gläubiger „ihre Forderungen bis zum Abstimmungstermin nicht angemeldet haben“ teleologisch oder verfassungskonform zu reduzieren.18 Vielmehr kann eine zweckentsprechende Rechtsanwendung auch auf der Rechtsfolgenseite erreicht werden, indem das Insolvenzgericht Anordnungen nach § 259a I, II nicht trifft, soweit die Forderung im Finanzplan berücksichtigt worden ist. Hier wird das Ermessen somit auf Null reduziert (vgl Rn 20).19 10 Weniger klar ist dagegen, ob das Insolvenzgericht Maßnahmen der Zwangsvollstreckung auch dann nicht aufheben bzw untersagen darf, wenn die Forderung dem Planverfasser, also dem Schuldner bzw dem Insolvenzverwalter (§ 218 I 1), zwar bekannt war, aber im Finanzplan nicht berücksichtigt worden ist. In derartigen Fällen kann die Durchführung des Insolvenzplans auf der Grundlage des aufgestellten Finanzplans durch die später angemeldeten Forderungen selbstverständlich gefährdet werden. Diese Gefahr muss den anderen Gläubigern bei der Abstimmung auch nicht bewusst gewesen sein. Gleichwohl darf sich die Pflichtverletzung des Schuldners bzw des Insolvenzverwalters bei der

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HambK/Thies InsO6 § 259a Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259a Rn 2; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259a Rn 3; Nerlich/Römermann/ Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 259a Rn 9. Zutr MünchKomm/Madaus InsO3 § 259a Rn 7; aA HambK/Thies InsO6 § 259a Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259a Rn 2; Nerlich/ Römermann/Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 259a Rn 8; ebenso unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung „Gläubiger, die sich verschwiegen haben“ und den bezweckten Sanierungsschutz BeckOK/Freund InsO10 § 259a Rn 2. Abw wohl BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: III/2016) § 259a Rn 7, die sich für

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eine (einfachrechtliche) Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 259a InsO aussprechen. Für teleologische Reduktion Kübler/Schmidt HRI2 § 45 Rn 43 f. So auch Nerlich/Römermann/Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 259a Rn 8, die allerdings nicht von Ermessensreduzierung auf Null sprechen. Ähnlich wie hier auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259a Rn 2, 7: Der Antrag des Schuldners ist in solchen Fällen missbräuchlich, was im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen ist. Dem folgend J Schmidt FS Kübler, S 621, 625. AA ohne Begr Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259a Rn 8.

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Vollstreckungsschutz

§ 259a

Aufstellung des Finanzplans nicht zulasten des Gläubigers auswirken, der nunmehr seine berechtigte und im Voraus bekannte Planforderung durchsetzen will. Daher darf das Insolvenzgericht Maßnahmen der Zwangsvollstreckung auch in diesem Fall weder aufheben noch für die Zukunft untersagen.20 Soweit die Durchführung des Insolvenzplans aufgrund einer Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters scheitert, ist § 60 erfüllt. Der Nachweis der Kausalität dürfte allerdings schwierig zu führen sein. Auf der anderen Seite ist der Kreis der von § 259a betroffenen Gläubiger aber auch zu 11 eng, weil bis dahin unbekannte Forderungen, die erst kurz vor dem Abstimmungstermin angemeldet worden sind, in den bereits bei der Planvorlage abgeschlossenen Finanzplan nach § 229 nicht einbezogen werden konnten. Ob die angemeldete Forderung begründet ist, kann im Abstimmungstermin völlig unklar sein. Daher dürfte es schwer fallen, den Finanzplan noch kurz vor der Abstimmung zu ändern,21 obwohl dies rechtlich möglich wäre (§ 240). Gleichwohl kommt ein Vollstreckungsmoratorium zulasten dieser Gläubiger de lege lata nicht in Betracht.22 De lege ferenda erscheint es dagegen sinnvoll, die Zäsur auf das Ende des Erörterungstermins vorzuverlegen,23 weil dann auf die Anmeldung mit der Vertagung des Abstimmungstermins bzw der Bestimmung eines gesonderten Abstimmungstermins24 und der Anordnung der Prüfung im schriftlichen Verfahren (§ 177 I 2) reagiert werden kann. cc) Gefährdung der Durchführung des Insolvenzplans. Der Vollstreckungsschutz nach 12 § 259a I S 1 setzt zwingend voraus, dass die Durchführung des Insolvenzplans durch eine Vollstreckungshandlung eines (im Planverfahren unbekannten) Titelgläubigers gefährdet wird. Um was für eine Art von Insolvenzplan es sich handeln muss, wird dabei wie üblich nicht näher spezifiziert. Schon die Genese von § 259a, der erstmals nur in einem Reorganisationsverfahren vorgesehen war,25 legt aber die Beschränkung auf Sanierungspläne nahe.26 Darüber hinaus ist nur in den Fällen, in denen die Sanierung des Schuldners gefährdet wird, ein hinreichend gewichtiger Grund für den Eingriff in das Vollstreckungsrecht des Titelgläubigers gegeben. Die Gefährdung der Sanierung setzt zum einen voraus, dass dem Schuldner Gegen- 13 stände entzogen werden sollen, die für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung sind.27 Diese Voraussetzung kann sowohl bei wesentlichen Produktions- und Betriebsmitteln im Rahmen einer Sachpfändung bzw der Immobiliarvollstreckung als auch beim Abfluss von Liquidität im Rahmen einer Forderungs- und namentlich einer Kontenpfändung erfüllt sein. Zum anderen kann die konkrete Maßnahme der Zwangsvollstreckung für die Gefährdung der Sanierung nur ursächlich sein, wenn diese ansonsten ceteris paribus nach wie vor aussichtsreich erscheint.28

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IE ebenso BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: III/2016) § 259a Rn 7. So auch Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259a Rn 3. AA wohl Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259a Rn 3, der auf den Abschluss des „Erörterungsteils“ eines gemeinsamen Termins bzw des gesonderten Erörterungstermins abstellen will. Entspr auch BeckOK/Freund InsO10 § 259a Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259a Rn 2. So HambK/Thies InsO6 § 259a Rn 3.

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Zu den verschiedenen Optionen vgl MünchKomm/Hintzen InsO3 § 241 Rn 6, 8. Vgl 1. Ber InsRKomm S 152, 203. BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: III/2016) § 259a Rn 8; MünchKomm/Madaus InsO3 § 259a Rn 9; Schmidt/Martini SanierungsR § 259a Rn 7; aA Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259a Rn 4. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259a Rn 4. MünchKomm/Madaus InsO3 § 259a Rn 10.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

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Diese zweite Voraussetzung liegt nicht vor, wenn die Sanierung unabhängig von den Planforderungen der Nachzügler bereits erkennbar gescheitert ist. Unter diesen Topos kann man auch die Aussage fassen, dass bei ganz geringfügigen Forderungen kein Vollstreckungsmoratorium in Betracht kommt.29 Denn wenn der Finanzplan so eng ist, dass ihn kleinste Abweichungen bedrohen, dürfte die Durchführung des Insolvenzplans ohnehin kaum möglich sein.30 15 Darüber hinaus fehlt es an der Kausalität, wenn absehbar ist, dass der Schuldner die Planforderungen der Nachzügler selbst nach Ablauf des Moratoriums nicht wird bedienen können.31 Dementsprechend heißt es auch in der Entwurfsbegründung, dass das Gericht den Schutz nur gewährt, „wenn die begründete Aussicht besteht, das sanierte Unternehmen werde die nachträglich geltend gemachten Forderungen – jedenfalls nach Erfüllung des Insolvenzplans und in Raten – aus den erwirtschafteten Erträgen bezahlen können.“32 Dies ist nicht der Fall, wenn die Forderungen der bereits bekannten Nachzügler die Leistungsfähigkeit des Schuldners deutlich übersteigen, was etwa bei nachträglich bekannt gewordenen massenhaften Produktionsmängeln der Fall sein kann. b) Verfahren

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aa) Zuständigkeit des (früheren) Insolvenzgerichts. Zuständig für den Vollstreckungsschutz nach § 259a ist stets das Insolvenzgericht, bei dem das Insolvenzverfahren geführt worden ist. Dies gilt unabhängig davon, ob im gestaltenden Teil des Insolvenzplans die Planüberwachung vorgesehen ist oder nicht. Auch wenn das Insolvenzverfahren mit der Aufhebung durch das Insolvenzgericht endet (§§ 258 I, 259 I), bleibt die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts – anstelle des Vollstreckungsgerichts (§ 764 ZPO) – bestehen, „weil es die Verhältnisse des Unternehmens aufgrund der vorangegangenen Befassung mit dem Insolvenzplan am besten beurteilen kann.“33 Funktional zuständig ist auch hier in den seit dem 1.1.2013 beantragten Verfahren stets der Richter (§ 18 I Nr 2 RPflG).34 Dagegen ist in den zwischen dem 1.3.2012 und dem 31.12.2012 beantragten Verfahren – wie bei § 765a ZPO (§ 20 I Nr 17 RPflG) – originär der Rechtspfleger zuständig (§ 3 Nr 2 lit e RPflG). Die Entscheidung nach § 259a I 1 sollte sich der Richter aber auch in diesen Altfällen vorbehalten (§ 18 II RPflG), damit die Anordnungen sofort (formell) rechtskräftig wird und vollzogen werden kann (Rn 21).

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bb) Anforderungen an den Antrag. Damit der Antrag zulässig ist, muss der Schuldner zum einen die tatsächlichen Behauptungen, die die Gefährdung der Sanierung begründen, glaubhaft machen (§ 259a I 2). Dazu steht ihm auch die eidesstattliche Versicherung als Beweismittel zur Verfügung (§ 4 iVm § 294 ZPO). Dabei muss schon im Antrag dargelegt werden, dass bestimmte Vollstreckungshandlungen die Gefährdung der Sanierung verursachen können. Zum anderen muss der Schuldner die „Maßnahme der Zwangsvollstre-

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So BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: III/2016) § 259a Rn 4; HK/Haas InsO9 § 259a Rn 3; abw Nerlich/Römermann/ Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 259a Rn 10. Insoweit skeptisch HambK/Thies InsO6 § 259a Rn 5. Ebenso BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: III/2016) § 259a Rn 9.

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Begr zu RegE ESUG § 259a, BT-Drucks 17/ 5712 S 37. Begr zu RegE ESUG § 259a, BT-Drucks 17/ 5712 S 37. Zum Inkrafttreten von § 18 I Nr 2 RPflG vgl 10 S 2 ESUG. Zum Übergangsrecht vgl Art 103g S 2 EGInsO.

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Vollstreckungsschutz

§ 259a

ckung“, die das Gericht aufheben bzw untersagen soll, konkret bezeichnen. Ein bloßer Antrag auf „Vollstreckungsschutz nach § 259a“ genügt diesen Anforderungen nicht. cc) Insolvenzgerichtliches Verfahren. Bevor das Insolvenzgericht Vollstreckungshand- 18 lungen aufhebt bzw untersagt, muss es den Titelgläubiger anhören.35 Dies ergibt sich zwar nicht aus Art 103 I GG, weil diese Vorschrift für Verfahren vor dem Rechtspfleger nicht gilt.36 Dass § 18 I Nr 2 RPflG die Einstellung der Zwangsvollstreckung nunmehr zwingend dem Richter anvertraut, ändert an dieser Aussage nichts, wenn man Art 103 I GG entsprechend seiner systematischen Stellung auf die Ausübung rechtsprechender Gewalt iSv Art 92 GG beschränkt.37 Um Rechtsprechung geht es bei § 259a I S 1 aber nicht. Einschlägig ist vielmehr der im Rechtsstaatsgebot (Art 20 III GG) wurzelnde Grundsatz des fairen Verfahrens, der grundsätzlich, aber nicht ausnahmslos eine vorherige Anhörung gebietet.38 Im Falle der Planüberwachung ist auch der Insolvenzverwalter anzuhören. Das Insolvenzgericht hat die Voraussetzungen von § 259a I S 1 von Amts wegen zu er- 19 mitteln (§ 5 I 1)39 und kann sich dazu aller Beweismittel einschließlich Zeugen und Sachverständigen bedienen (§ 5 I 2). Der Sachverständigenbeweis kommt insbesondere in Betracht, wenn unklar ist, ob die Sanierung nicht ohnehin gescheitert ist.40 Wie bei § 22 I S 2 Nr 3 kann im Falle der Planüberwachung auch der Insolvenzverwalter als Gutachter bestellt werden. c) Insolvenzgerichtliche Entscheidung Die Entscheidung ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen durch Beschluss. Aufgrund 20 der gesetzlichen Wertentscheidung reduziert sich das (Entschließungs-)Ermessen, ob überhaupt Vollstreckungsschutz gewährt wird, aber in der Regel auf Null. So darf kein Vollstreckungsschutz angeordnet werden, wenn die Forderung bei der Finanzplanung hätte berücksichtigt werden können (Rn 9, 10) oder wenn die Sanierung ohnehin gescheitert ist (Rn 14, 15). Ob der Gläubiger seine Forderung tatsächlich hätte anmelden können, spielt dagegen keine Rolle.41 Ist die Sanierung durch die konkrete Vollstreckungshandlung jedoch in der Tat gefährdet, ist dagegen kaum denkbar, dass das Insolvenzgericht bei pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens überhaupt keine Maßnahme nach § 259a I S 1 anordnet. Denkbar ist aber ein Auswahlermessen, welche Vollstreckungshandlung konkret aufgehoben bzw untersagt wird und ob dies ganz oder teilweise geschieht. Dabei kann das Gericht einzelne Maßnahmen der Zwangsvollstreckung aber nur aufheben, wenn dies konkret beantragt ist. Soweit beantragt, kann das Gericht die Zwangsvollstreckung durch einen bestimmten Gläubiger für die nächsten drei Jahre ab Erlass des Beschlusses ganz untersagen.42 Da in § 259a nicht vorgesehen ist, dass der Beschluss der sofortigen Beschwerde unter- 21 liegt, ist er grundsätzlich unanfechtbar (§ 6 I 1).43 Dem Gläubiger bleibt daher nur, eine Veränderung der Sachlage darzulegen und einen Antrag nach § 259a III zu stellen (Rn 27).

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Zum strukturell vergleichbaren § 765a ZPO vgl entsprechend MünchKomm/Heßler ZPO5 § 765a Rn 84. Vgl dazu nur BVerfGE 101, 397, 404 f. So wohl auch BVerfGE 101, 397, 404 f: „Aus diesem systematischen Zusammenhang folgt, dass Art. 103 I GG Anspruch auf rechtliches Gehör nur in Verfahren vor dem Richter im Sinne des Art. 92 GG gewährt.“ Vgl dazu nur BVerfGE 101, 397, 405.

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Vgl Begr zu RegE ESUG § 259a, BTDrucks 17/5712 S 38. Vgl MünchKomm/Madaus InsO3 § 259a Rn 13. Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259a Rn 8; aA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 259a Rn 8, 13. Insoweit aA Rugullis NZI 2012, 825, 827. Begr zu RegE ESUG § 259a, BT-Drucks 17/ 5712, S 38.

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§ 259a

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Nur in Altfällen, in denen noch der Rechtspfleger originär zuständig war (Rn 16), fand ggf die Erinnerung nach § 11 II RPflG statt. In diesen Fällen wurde der Beschluss des Rechtspflegers nicht schon mit seinem Erlass (formell) rechtskräftig. Daher hätte es hier einer Regelung über die Vollziehungssperre wie in § 765a V ZPO bedurft. Darauf ist im Regierungsentwurf verzichtet worden, obwohl die Einführung von § 18 I Nr 2 RPflG von Anfang an nicht zeitgleich mit § 259a in Kraft treten sollte.44 Aus diesem Grund ist § 765a V ZPO bei § 259a in möglichen Altfällen entsprechend anzuwenden. d) Zweites Insolvenzverfahren

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aa) Insolvenzantrag des Nachzüglers. Von entscheidender Bedeutung für die Schlagkraft von § 259a I S 1 ist die Frage, ob von der Vollstreckungssperre auch der Insolvenzantrag eines Nachzüglers erfasst ist. Da (auch) der Nachzügler in einem zweiten Insolvenzverfahren seine Altforderung uneingeschränkt anmelden könnte (§ 255 II), kann man ihm das rechtliche Interesse iSv § 14 I S 1 nicht absprechen. Darüber hinaus ist bei § 259a I S 1 wie bei § 721 ZPO davon auszugehen, dass die Anordnung ausschließlich verfahrensrechtlich wirkt und auf die materiell-rechtliche Beziehung der Parteien keinen Einfluss hat.45 Damit bleibt die Forderung des Nachzüglers fällig und durchsetzbar, so dass Zahlungsunfähigkeit iSv § 17 II vorliegt, wenn sie aus liquiden Mitteln nicht befriedigt werden kann. Zwar hat der BGH zum Zahlungsverbot iSv § 46 I S 2 Nr 4 KWG angenommen, dass diese Anordnung zwar nicht die Fälligkeit, aber die Durchsetzbarkeit der Forderung vorübergehend beseitigt.46 Mit einem aufsichtsrechtlichen Zahlungsverbot ist das auf Antrag des Schuldners erlassene Vollstreckungsmoratorium nach § 259a I S 1 aber nicht vergleichbar. Wenn das Insolvenzgericht hier privatrechtsgestaltende Hoheitsakte sollte erlassen können, hätte dies einer hinreichend klaren Ermächtigungsgrundlage bedurft.47 Damit begründet § 259a I S 1 kein Leistungsverweigerungsrecht (vgl § 259b Rn 23) und beseitigt die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ggf nicht. 23 Soweit seine Forderung den Insolvenzgrund bildet, kann der Gläubiger sie durch Vorlage des Titels ohne weiteres nachweisen.48 Bei einer rein prozessrechtlichen Wirkung von § 259a I S 1 wäre der Insolvenzantrag des Nachzüglers daher zulässig und in der Regel auch begründet. Verfahrensrechtlich lässt sich ein anderes Ergebnis daher nur begründen, wenn man auch den Insolvenzantrag – mit guten Gründen – als „Maßnahme der Zwangsvollstreckung“ qualifiziert. Für § 765a ZPO hat der BGH dies „nicht grundsätzlich ausgeschlossen“.49 Soweit im Schrifttum die Gegenauffassung vertreten wird, stützt sich die Begründung überwiegend auf die Besonderheiten des dort verankerten Vollstreckungsschutzes.50 Daneben werden aber auch prinzipielle Einwände gegen die Qualifikation des 44

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Vgl Begr zu RegE ESUG § 259a, BTDrucks 17/5712 S 38. Zum geplanten Inkrafttreten vgl RegE ESUG Art 10, BTDrucks 17/5712 S 16. So zu § 721 ZPO BGH MDR 1953, 675, 676; MünchKomm/Götz ZPO5 § 721 Rn 13. BGHZ 197, 21 Rn 19, dort noch zu § 46a I 1 Nr 1 KWG 1998 (BGBl I S 2776). So hat BGHZ 197, 21 Rn 20 begründet, dass § 46a I 1 Nr 1 KWG 1998 den Verzug unberührt gelassen hat. Vgl BGH ZIP 2016, 1447 Rn 14. So BGH KTS 1978, 24, 29 = MDR 1978, 37, 38. BGH NJW 2009, 78 Rn 14 hat daraus

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sogar abgeleitet, die Anwendung von § 765a ZPO im Konkurseröffnungsverfahren sei „anerkannt“ gewesen; entsprechend BGH NZI 2017, 931 Rn 11; BeckOK/Ulrici ZPO29 § 765a Rn 1.1; MünchKomm/ Schmahl/Vuia InsO3 § 14 Rn 39 ff; Musielak/Voit/Lackmann ZPO14 § 765a Rn 2; aA OLG Nürnberg KTS 1971, 291, 292. Uhlenbruck/Wegener InsO14 § 14 Rn 199; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Ralf/Bendtsen Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung3 § 765a ZPO Rn 21; MünchKomm/Heßler ZPO5 § 765a Rn 20.

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Vollstreckungsschutz

§ 259a

Insolvenzantrags als „Maßnahme der Zwangsvollstreckung“ geltend gemacht.51 Um § 259a I S 1 nicht leerlaufen zu lassen, müssen diese Bedenken hier jedoch zurückstehen. bb) Vorsatzanfechtung der Leistungen an die Plangläubiger. Können die Forderungen 24 der Nachzügler letztlich nicht befriedigt werden, kommt es – bei kostendeckender Masse – spätestens nach Ablauf der in § 259a I S 1 genannten Zeitspanne unweigerlich zu einem neuen Insolvenzverfahren, auch wenn der Antrag eines Nachzüglers zunächst als unzulässig abgewiesen werden kann. Daher stellt sich die Frage der Insolvenzanfechtung insbesondere nach § 133 I. Wenn ein Schuldner einen Antrag nach § 259a stellt, um zunächst nur die Planforderungen der am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubiger zu befriedigen, ist ihm die mögliche Benachteiligung der Nachzügler bei den Leistungen bewusst. Auch wenn der Schuldner versucht, die Durchführung des Plans zu retten, wird er für den Fall des Scheiterns die Benachteiligung der Nachzügler zumindest billigend in Kauf nehmen. Das genügt bekanntlich für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.52 Geht man weiter davon aus, dass die Gläubiger, die weiterhin planmäßig befriedigt werden, von der Anordnung nach § 259a I S 1 Kenntnis hatten, liegen auch die Voraussetzungen von § 133 I S 2 nahe, auch wenn die Rechtsprechung zu den ernsthaften Sanierungsbemühungen53 für das Gegenteil spricht. Hält man § 133 I hier für einschlägig, würde die Gleichbehandlung der am Insol- 25 venzverfahren beteiligten Plangläubiger und der Nachzügler gestärkt, wenn die Plandurchführung trotz des Moratoriums letztlich scheitert. Das entspricht der Grundidee der Verteilungsregel für Nachzügler im Verfahren, auch wenn § 192 die vorherigen Abschlagsverteilungen unberührt lässt, und ist grundsätzlich auch mit Blick auf den Zweck von § 259a zu begrüßen. Diese Überlegungen ändern aber nichts daran, dass § 133 I seine Legitimation gar nicht in der Verletzung der par condicio findet54 und damit dysfunktional eingesetzt würde. 2. Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 259a II) Wie bei Maßnahmen des Vollstreckungsschutzes üblich (§§ 732 II, 765a I 2, 766 I 2, 26 769 ZPO, 22 II 1 Nr 3), kann das Insolvenzgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnen, wenn die Gefährdung glaubhaft gemacht worden ist. Dazu muss ein zulässiger Antrag iSv § 259 I S 2 vorliegen (Rn 17). Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und setzt als Sicherungsmaßnahme – anders als der Beschluss nach § 259a I S 1 (Rn 18) – keine Anhörung des Gläubigers oder des Insolvenzverwalters voraus. 3. Aufhebung und Abänderung des Beschlusses (§ 259a III) Wie bei § 765a IV ZPO, dem § 259a III nachgebildet ist,55 kann das (Insolvenz-)Ge- 27 richt seinen Beschluss auf Antrag des Gläubigers ändern oder aufheben, wenn sich die

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Jaeger/Gerhardt InsO § 14 Rn 43; Schur KTS 2008, 471, 476. BGHZ 155, 75, 84; 162, 143, 153; 180, 98 Rn 10; BGH ZIP 2007, 1511 Rn 8; ZIP 2009, 573 Rn 13; Andres/Leithaus/Leithaus InsO3 § 133 Rn 4; Braun/de Bra InsO7 § 133 Rn 10; Jaeger/Henckel InsO § 133 Rn 24; K Schmidt/Ganter/Weinland InsO19 § 133 Rn 34; MünchKomm/Kayser InsO3 § 133 Rn 13.

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BGHZ 180, 98 Rn 17; BGH ZIP 1993, 276, 279; ZIP 2004, 957, 959; ZIP 2009, 91 Rn 52; ZIP 2012, 137 Rn 11; ZIP 2013, 894 Rn 11; ZIP 2014, 1032 Rn 40; ZIP 2016, 1235 Rn 14. Vgl etwa Thole ZZP 121 (2008), 67, 70 ff; Schoppmeyer ZIP 2009, 600, 602. Vgl Begr zu RegE ESUG § 259a, BTDrucks 17/5712 S 38.

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Sachlage entscheidend ändert. Dies kann darauf beruhen, dass die Sanierung aufgrund einer positiven Entwicklung nicht mehr gefährdet oder dass sie ohnehin gescheitert ist. Tatsachen, die schon vor dem Erlass des Beschlusses nach § 259a I S 1 bestanden haben, aber erst später bekannt geworden und vom Gericht noch nicht berücksichtigt worden sind, können ebenfalls die „Änderung der Sachlage“ begründen. Da der Beschluss nicht in materielle Rechtskraft erwächst, ist § 767 II ZPO auch nicht entsprechend anwendbar. Eine Abänderung zugunsten des Schuldners kann auch auf dessen Antrag erfolgen, etwa wenn die Dauer des Vollstreckungsmoratoriums verlängert werden soll. Systematisch fällt dieser Antrag aber unter § 259a I S 1.56

§ 259b Besondere Verjährungsfrist (1) Die Forderung eines Insolvenzgläubigers, die nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet worden ist, verjährt in einem Jahr. (2) Die Verjährungsfrist beginnt, wenn die Forderung fällig und der Beschluss rechtskräftig ist, durch den der Insolvenzplan bestätigt wurde. (3) Die Absätze 1 und 2 sind nur anzuwenden, wenn dadurch die Verjährung einer Forderung früher vollendet wird als bei Anwendung der ansonsten geltenden Verjährungsvorschriften. (4) 1Die Verjährung einer Forderung eines Insolvenzgläubigers ist gehemmt, solange wegen Vollstreckungsschutzes nach § 259a nicht vollstreckt werden darf. 2Die Hemmung endet drei Monate nach Beendigung des Vollstreckungsschutzes. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.2.31; Begr zu RegE ESUG §§ 259a, 259b, BT-Drucks 17/ 5712 S 37; Begr zu RegE ESUG § 259b, BT-Drucks 17/5712 S 38. Literatur S zu §§ 254, 259a; Piekenbrock Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung, 2006.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . . . 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematische Kritik . . . . . b) Verfassungs- und unionsrechtliche Kritik . . . . . . . . . . II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . 1. Verjährungsfrist (§ 259b I) . . . . 2. Verjährungsbeginn (§ 259b II) . . a) Fälligkeit . . . . . . . . . . .

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Rn. b) Rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans . . . . . . . . . . 3. Vorbehalt der kürzeren Verjährung (§ 259b III) . . . . . . . . . . . . . 4. Hemmung und Neubeginn der Verjährung (§ 259b IV) . . . . . . . 5. Rechtsfolgen der Insolvenzverjährung . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Rechtsfolgen . . . . b) Bedeutung in einem zweiten Insolvenzverfahren . . . . . . .

Für § 259a III dagegen Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 259a Rn 14.

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte § 259b geht unmittelbar auf den Regierungsentwurf des ESUG1 zurück und ist im par- 1 lamentarischen Gesetzgebungsverfahren nicht mehr geändert worden.2 Dass auch das Verjährungsrecht ein geeignetes Instrument zum Schutz der Durchführung der Reorganisation gegen Forderungen von Nachzüglern sein kann, hat aber schon die Kommission für Insolvenzrecht in ihrem ersten Bericht festgestellt.3 Diesen Vorschlag hat der Gesetzgeber mit dem ESUG wieder aufgegriffen und in § 259b realisiert.4 Allerdings ist die Frist für die „Insolvenzverjährung“ in § 259b I gegenüber der Empfehlung der Insolvenzrechtskommission von zwei Jahren5 auf ein Jahr halbiert worden. Eine Begründung dafür findet sich in der Entwurfsbegründung nicht. § 259b II, III nehmen dagegen weitgehend den ursprünglichen Regelungsvorschlag auf.6 § 259b IV hat dort dagegen kein Vorbild. 2. Normzweck Das deutsche Insolvenzplanrecht sieht keine Möglichkeit vor, Insolvenzgläubiger, die 2 sich am Insolvenzverfahren nicht beteiligt haben, durch entsprechende Regelungen im gestaltenden Teil des Plans zu präkludieren (§ 254b Rn 9 f). Als weitere Maßnahme zum Schutz der Sanierung vor möglichen Forderungen von Nachzüglern sieht § 259b I, II eine kurze insolvenzrechtliche Sonderverjährung vor,7 die die Verjährung nach allgemeinen Regeln verkürzen, aber nicht verlängern kann (§ 259b III). Während § 259a nur einen vorübergehenden Schutz bietet, wenn derartige Forderungen relativ bald nach der Bestätigung des Insolvenzplans geltend gemacht werden, gibt die Insolvenzverjährung dem Schuldner ggf mit der Einrede aus § 214 I BGB ein dauerhaftes Abwehrinstrument in die Hand, wenn die Forderungen erst nach längerer Zeit geltend gemacht werden. Durch die Anknüpfung der Insolvenzverjährung an die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans (§ 259b II) und die Verknüpfung mit dem Vollstreckungsschutz nach § 259a (§ 259b IV) bleibt dem Nachzügler nur ein kleinen „Durchsetzungsfenster“,8 durch das nach dem Gesetzeszweck möglichst wenige Gläubiger hindurchschlüpfen sollen, um die Durchführung des Insolvenzplans zu sichern. 3. Kritik Die Insolvenzverjährung bricht nicht nur mit einer langen konkursrechtlichen Tradi- 3 tion,9 sondern stellt auch im übrigen Verjährungsrecht einen Fremdkörper dar. Darüber hinaus ist die Regelung als legitimationsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmung iSv

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Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v 7.12.2011, BGBl I S 2582. Vgl RegE ESUG § 259b, BT-Drucks 17/5712 S 11 f; BT-RA zu RegE ESUG § 259b, BTDrucks 17/7511 S 18 f. Vgl 1. Ber InsRKomm S 204. Vgl Begr zu RegE ESUG § 259b, BTDrucks 17/5712 S 37. So LS 2.2.31 I 1.

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So LS 2.2.31 I 2, II. Vgl fast gleichlautend die Begr zum Leitsatz 2.2.31 im Ersten Bericht der Kommission für Insolvenzrecht (1985) S 204 und Begr zu RegE ESUG § 259b, BT-Drucks 17/ 5712 S 38. So bildlich MünchKomm/Madaus InsO3 § 259b Rn 2. So Rugullis NZI 2012, 825, 826.

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Art 14 I S 2 GG nicht in allen Fällen verfassungskonform und kann im Einzelfall auch unionsrechtswidrig sein.

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a) Systematische Kritik. Die systematische Kritik muss bereits daran ansetzen, dass nach § 259b I eine Forderung soll verjähren können. Tatsächlich unterliegt aber nur der (von Windscheid konturierte) Anspruch der Verjährung (§ 194 I BGB).10 Die Kritik geht freilich noch wesentlich weiter. Die Anspruchsverjährung lässt sich aus drei verschiedenen Perspektiven rechtfertigen.11 Die erste Perspektive ist die des Gläubigers, der über einen längeren Zeitraum seinen Anspruch nicht verfolgt hat. Um darin eine Nachlässigkeit zu sehen, die die Verjährung legitimieren kann, muss der Gläubiger sein Recht jedenfalls gekannt haben können. Diese Perspektive liegt der heutigen Regelverjährung (§§ 195, 199 I BGB) zugrunde. Die zweite Perspektive ist die des (potentiellen) Schuldners, der nach Ablauf einer bestimmten Zeit die Inanspruchnahme wegen (vermeintlich) abgeschlossener Vorgänge nicht mehr fürchten muss. Diese Perspektive liegt traditionell dem Mängelgewährleistungsrecht zugrunde, das objektiv an die Ablieferung der Kaufsache anknüpft (§ 438 II BGB), aber bei arglistig verschwiegenen Mängeln nicht gilt (§ 438 III BGB). Ob der Gläubiger seinen Anspruch auch nur kennen konnte, spielt bei dieser haftungsbeschränkenden Verjährung keine Rolle. Die dritte Perspektive ist die der Allgemeinheit, damit nach Ablauf einer bestimmten Zeit allen Streitigkeiten ein Ende gesetzt wird (ut sit finis litium). Diese Perspektive liegt von Höchstfristen in § 199 II – IV BGB und der Beschränkung der Parteidisposition in § 202 II BGB zugrunde. 5 Zu allen drei Perspektiven passt die Insolvenzverjährung nicht richtig. Sie vernachlässigt die Perspektive des Gläubigers vollständig, weil dieser seinen Anspruch nicht einmal hat kennen können müssen. Die Perspektive des Schuldners wird überbetont, weil sich die Insolvenzverjährung selbst auf solche Forderungen erstreckt, die im Insolvenzverfahren bekannt waren und im Finanzplan nach § 229 S 3 berücksichtigt worden sind. Insoweit gilt hier dieselbe Kritik wie bei § 259a (§ 259a Rn 8). Die Perspektive der Allgemeinheit ist dagegen schwach ausgeprägt, weil nicht einmal die Sicherung der Durchführung des Insolvenzplans Voraussetzung für § 259b I, II ist. Damit dient die Insolvenzverjährung erst recht nicht notwendig der Sicherung der Sanierung, für die sie geschaffen worden ist12 und an der auch ein Allgemeininteresse bestehen kann. Dagegen profitieren die konkurrierenden Gläubiger, in deren Interesse die Verjährung andernorts noch nie angeordnet worden ist. So könnte ein verfahrensleitender Insolvenzplan beschlossen werden, der gar nicht auf die baldige Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) abzielt, nur damit die Ansprüche von Nachzüglern möglichst bald verjähren.13 Damit hat die Insolvenzverjährung mehr die Funktion einer Präklusivfrist im Insolvenz(plan)verfahren, die es ansonsten nicht gibt und die stets die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei unverschuldeter Säumnis eröffnen müsste.14

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b) Verfassungs- und unionsrechtliche Kritik. Diese Analyse legt zugleich die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Insolvenzverjährung offen, weil diese Inhalts- und

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Vgl im Einzelnen Piekenbrock Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung, S 317 ff. Zum Folgenden ausführlich Piekenbrock Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung, S 317 ff; BeckOGK/Piekenbrock BGB § 194 Rn 5 ff und § 202 Rn 4 (Stand: 1.8.2018).

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So 1. Ber InsRKomm S 204 und Begr zu RegE ESUG § 259b, BT-Drucks 17/5712 S 38. Gegen eine Anwendung des § 259b auf solche Pläne HambK/Thies InsO6 § 259b Rn 1. So Begr zu RegE ESUG §§ 259a, 259b, BTDrucks 17/5712 S 37.

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Schrankenbestimmung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren muss. Wenn die Insolvenzverjährung aber nur der Präklusion von Gläubigern dient, die ihren Anspruch noch gar nicht kennen, ohne dass die Sanierung des Unternehmens angestrebt wird, stellt sich bereits die Frage, welchen legitimen Zweck die Regelung verfolgt. Aber auch in Sanierungsfällen ist zu prüfen, ob die Sanierungsverjährung in allen Fällen auch im engeren Sinne verhältnismäßig ist. Dass dies keinesfalls immer der Fall sein muss, soll an einem kurzen Beispiel dargelegt werden: Ein Automobilhersteller ist aufgrund gesunkener Absatzzahlen in wirtschaftlichen 7 Schwierigkeiten und strebt die Sanierung im Insolvenzplanverfahren an. Dabei ist allerdings noch nicht bekannt, dass im letzten halben Jahr vor der Antragstellung zur Kostenreduktion zum Teil minderwertige Elektronikteile eingebaut wurden, so dass die an Händler und Direktabnehmer ausgelieferten Fahrzeuge mangelhaft sind. Müssten diese Mängelansprüche im Insolvenzverfahren berücksichtigt werden, wäre die Sanierung wesentlich schwieriger zu erreichen. Legt der Hersteller den Insolvenzplan als sogenannten „prepackaged plan“ mit der Antragstellung vor (§ 218 I 2) oder arbeitet er den Plan während des sogenannten Schutzschirmverfahrens aus (§ 270b I 1), kann der Insolvenzplan unter Beachtung aller Terminvorgaben für die Anmeldung der Forderungen (§ 28 I 2), den Berichts-, den Prüf-, den Erörterungs- und den Abstimmungstermin (§§ 29, 235 I 2, 236) sowie unter Berücksichtigung der Beschwerdefrist (§§ 6, 253 I iVm § 569 I 1 ZPO) schon wenige Monate nach der Insolvenzeröffnung rechtskräftig bestätigt werden. Da die einjährige Frist (§ 259b I) ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt (§ 259b II), 8 kann die Insolvenzverjährung früher eintreten als die kaufrechtliche (§§ 438 I Nr 3, II, 479 I BGB). Zwar ist die Insolvenzverjährung in diesem Beispiel zur Sanierung geeignet und erforderlich. Da dem Schuldner die Ansprüche bekannt waren, während sie den Gläubigern nicht einmal bekannt sein konnten,15 kann von einem angemessenen Interessenausgleich aber keine Rede sein. Damit wäre die Anwendung von § 259b in diesem Fall verfassungswidrig. Darüber hinaus wäre sie unionsrechtswidrig, soweit es sich bei den Direktabnehmern um Verbraucher handelt.16 An dieser Einschätzung kann auch die Überlegung, dass Gläubiger, die ihre Forderungen im Regelinsolvenzverfahren bis zur Schlussverteilung nicht kennen, diese mit der Löschung der vermögenslosen Gesellschaft (§ 394 I 2 FamFG) ohnehin verlieren, nichts ändern,17 weil damit der falsche Vergleichsmaßstab gewählt wird. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung von § 259b ist allein entscheidend, dass die Regelung einseitig zulasten der unbekannten Gläubiger geht. Um zu verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklichen Ergebnisse zu kommen, muss 9 man § 259b in drei Punkten korrigieren: Zum einen ist eine teleologische Reduktion geboten, wenn die fragliche Forderung im Finanzplan nach § 229 S 3 berücksichtigt worden ist oder jedenfalls hätte berücksichtigt werden müssen.18 Dies gilt auch für Ansprüche aus

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Der Einwand von J Schmidt FS Kübler, S 621, 624 in Rn 11, Kunden insolventer Unternehmen hätten allein infolge der Insolvenz genug Anlass ihre Kaufgegenstände auf etwaige Mängel zu überprüfen, beruht auf reiner Spekulation. Außerdem ist, wie das hier gebildete Beispiel zeigt, keineswegs sicher, dass der Mangel bei der Überprüfung zu entdecken wäre. Zu den verjährungsrechtlichen Vorgaben vgl Art 5 I 2 der Richtlinie 1999/44/EG des Eu-

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ropäischen Parlaments und des Rates v 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl Nr L 171/12. So aber HambK/Thies InsO6 § 259b Rn 2. BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: III/2016) § 259b Rn 4; MünchKomm/Madaus InsO3 § 259b Rn 5; aA HambK/Thies InsO6 § 259b Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259b Rn 3; Nerlich/Römermann/Rühle/Ober InsO35

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wieder auflebenden Forderungen nach § 144 I, wenn das anfechtbar Erlangte als Aktivum in den Finanzplan eingestellt worden ist.19 Hat der Schuldner den Insolvenzplan vorgelegt, liegt darin bezüglich der ursprünglichen Verjährung der Insolvenzforderung ein Anerkenntnis iSv § 212 I Nr 1 BGB. Auf die Insolvenzverjährung kann sich dieser Neubeginn jedoch nicht auswirken, weil sie ohnehin erst später zu laufen beginnt (Rn 18 ff). Für den mit § 259b verfolgten Zweck der Sicherung der Sanierung ist die Insolvenzverjährung jedoch nicht erforderlich, wenn die fragliche Forderung im Finanzplan auch ohne Anmeldung berücksichtigt worden ist. Da die hier vorgeschlagene Rechtsfortbildung in den Materialien eine Stütze findet20 und den Gesetzeszweck wahrt, können die Fachgerichte diesen Weg ohne Vorlage nach Art 100 I GG beschreiten.21 Freilich wird (auch) die Insolvenzverjährung in diesen Fällen durch Zahlungen auf die Planforderungen ohnehin häufig neu zu laufen begonnen haben (§ 212 I Nr 1 BGB), so dass es im Ergebnis auf die hier vorgeschlagene Lösung nur selten ankommen dürfe. 10 Darüber hinaus muss dem Gläubiger die Arglisteinrede (§ 242 BGB) zustehen, wenn er nachweisen kann, dass der Schuldner im Insolvenzverfahren die den Anspruch begründenden Umstände arglistig verschwiegen hat. Diese Gegeneinrede ist aus der Rechtsprechung zum unwirksamen Verjährungsverzicht nach § 225 S 1 BGB 1900 bekannt.22 11 Schwieriger zu bewältigen sind die Fälle, in denen gar keine Sanierung angestrebt wird, weil der Tatbestand der Sanierung unscharf ist und daher zu einem Verjährungstatbestand nicht passt.23 Daher kann die Anwendung von § 259b – anders als das Vollstreckungsmoratorium (§ 259a I 1) – auch nicht davon abhängen, dass die Geltendmachung der Ansprüche die Durchführung des Insolvenzplans gefährden. Wie bei § 259a ist hier daher eine Lösung auf der Rechtsfolgenseite geboten (vgl § 259a Rn 9).24 Das bedeutet, dass der Schuldner der Einrede aus § 214 I BGB eine Gegeneinrede entgegenhalten kann, wenn mit dem Insolvenzplan überhaupt keine Sanierung angestrebt wird. Die Arglisteinrede passt hier aber nicht, weil der Schuldner, dem die Gegeneinrede entgegengehalten wird, weder Planinitiator sein noch überhaupt zugestimmt haben muss (§ 247).

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(Stand: IV/2017) § 259b Rn 5. BeckOK/ Freund InsO8 § 259b Rn 3 meint gar, es entspreche dem Normzweck, solche Fälle noch als erfasst anzusehen. Methodisch widersprüchlich ist die Argumentation von A Schmidt/Martini SanierungsR § 259a Rn 7, für eine teleologische Reduktion lasse der Wortlaut von § 259b keinen Raum. Auf die von K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259b Rn 2 aufgeworfene Frage, ob bei Ansprüchen aus Forderungen iSv § 144 I für den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt der Rückerstattung abzustellen ist, kommt es daher nicht an (Rn 27). Vgl Begr zu RegE ESUG § 259b, BTDrucks 17/5712 S 38, wo zum einen von Ansprüchen die Rede ist, die „nicht in die Finanzplanung im Planverfahren aufgenommen werden konnten“. Zum anderen soll das zu sanierende Unternehmen in angemessener Zeit Klarheit darüber bekommen, ob es noch Altforderungen gibt, mit

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„mit denen es in aller Regel nicht mehr rechnet.“ Zu den Grenzen der verfassungskonformen Auslegung vgl etwa BVerfGE 18, 97, 111; 54, 277, 297 ff (Plenum); 71, 81, 105. Vgl BeckOGK/Piekenbrock BGB § 202 Rn 4.1 (Stand: 1.8.2018). Unter Hinweis auf den Wortlaut der Norm gegen eine Herausnahme dieses Falls aus dem Anwendungsbereich des § 259b HambK/Thies InsO6 § 259b Rn 1; Nerlich/ Römermann/Rühle/Ober InsO35 (Stand: IV/2017) § 259b Rn 3; das verkennt jedoch, dass eine teleologische Reduktion gerade dazu dient, einen zu weit geratenen Wortlaut zu korrigieren. Für eine Anwendung des § 259b auf Abwicklungspläne auch Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259b Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 259b Rn 1. Gegen eine tatbestandsseitige Lösung auch Kübler/Schmidt HRI2 § 45 Rn 76.

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Die Anwendung von § 259b stößt im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG zu § 14 12 GesO (§ 254b Rn 12) auch in den Fällen auf Bedenken, in denen eine Sanierung angestrebt wird und niemand die fraglichen Forderungen kennt, aber die kurze Verjährung im Vergleich mit den Interessen des Gläubigers außer Verhältnis steht.25 Solche Fälle sind vor allem bei der Verletzung von Leib und Leben in Gefährdungshaftungsfällen gegeben. Ist nicht nur die Schadensursache vor der Insolvenzeröffnung eingetreten, sondern auch eine primäre Rechtsgutverletzung in Form einer organischen Veränderung, die aber zunächst unentdeckt bleibt, ist der Schadensersatzanspruch des Geschädigten entstanden, so dass eine Insolvenzforderung vorliegt. In derartigen Fällen gebietet aber auch Art 6 EMRK, dass die Verjährung nicht in allzu kurzer Zeit eintritt (vgl § 254b Rn 13). Auch hier muss dem Geschädigten die Gegeneinrede aus § 242 BGB zustehen.26 Allerdings dürften hier die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung überschritten sein, so dass ggf eine Vorlage nach Art 100 I GG geboten ist. Schließlich ist § 259b teleologisch zu reduzieren, wenn die eigentlich anwendbare Ver- 13 jährung im konkreten Fall länger und unionsrechtlich zwingend vorgeschrieben ist. Auch dagegen bestehen keine methodologischen Bedenken, selbst wenn man der vom BGH in der Quelle-Entscheidung27 begründeten Rechtsprechungslinie zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung28 nicht folgt. Denn zum einen bleibt hier der Gesetzeszweck weitgehend gewahrt. Zum anderen ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Jahre 2011 bei der Übernahme eines Regelungsvorschlags von 1986 bewusst von den Vorgaben des Verbrauchsgüterkaufrechts von 1999 abweichen wollte. Vielmehr dürfte ein möglicher Konflikt zwischen der Insolvenzverjährung und der Richtlinie schlicht übersehen worden sein.

II. Einzelerläuterung 1. Verjährungsfrist (§ 259b I) § 259b I betrifft alle Ansprüche, die auf einer Insolvenzforderung iSv § 38 beruhen und 14 damit teilnahmeberechtigt waren, aber bis zum Abstimmungstermin nicht angemeldet worden sind. Die Definition der betroffenen Forderungen deckt sich damit mit § 259a I S 1 (vgl § 259a Rn 7).29 Dagegen gilt für die Gläubiger, die ihre Forderung rechtzeitig angemeldet haben, ohnehin die dreißigjährige Frist nach § 197 I Nr 5, wenn die Forderung nicht bestritten oder der Widerspruch inzwischen beseitigt worden ist (vgl dazu § 257 Rn 5 ff). Ist der Widerspruch nicht beseitigt worden, ist dagegen die ursprüngliche Verjährung maßgeblich, die durch die Anmeldung bis sechs Monate nach der Aufhebung des In-

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AA HambK/Thies InsO6 § 259b Rn 2: Für eine teleologische Reduktion besteht weder Raum noch Bedarf; ebenso Kübler/Prütting/ Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259b Rn 3. Ähnlich wie hier Brünkmans/ Thole/Madaus Hdb InsPlan § 23 Rn 13. Für eine teleologische Reduktion dagegen BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: III/2016) § 259b Rn 4; MünchKomm/Madaus InsO3 § 259b Rn 6. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259b Rn 2 spricht sich für eine verfassungskonforme Auslegung des § 259b I aus mit der Folge, dass § 199 I Nr 2 BGB an-

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wendbar sein soll, wenn der Gläubiger seinen Anspruch (bspw infolge eines versteckten Mangels) noch nicht kennen konnte. BGHZ 179, 27 Rn 35. Vgl nachfolgend etwa BGH NJW 2009, 2215 Rn 18; BGHZ 192, 148 Rn 30 ff; 207, 209 Rn 38 ff. Zum Ende der Änderungsmöglichkeit vgl hier HambK/Thies InsO6 § 259b Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259b Rn 1; Kübler/ Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259b Rn 5.

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solvenzverfahrens (§ 258 I) gehemmt worden ist (§ 204 I Nr 10, II 1 BGB).30 § 259b ist in diesen Fällen nicht einschlägig.31 15 Für die Ansprüche aus nicht rechtzeitig angemeldeten Forderungen bestimmt § 259b I eine Verjährungsfrist von einem Jahr, die als lex specialis allen anderen Verjährungsregeln (vgl etwa §§ 196, 197, 199 II – IV BGB) vorgesehen soll. Für § 197 I Nr 1 BGB, der erst 2013 und damit nach dem ESUG ins BGB eingefügt worden ist,32 kann dies aber wegen der Schwere der Rechtsverletzung nicht gelten. In den dort genannten Fällen wäre auch eine Restschuldbefreiung ausgeschlossen (§ 302 Nr 1). Es kann nicht der Wille des Gesetzgebers sein und wäre mit Art 2 II GG unvereinbar, wenn ein Unternehmer, der durch einen Insolvenzplan saniert werden sollte, durch § 259b wirtschaftlich von seiner Schadensersatzpflicht befreit wird, bevor das Opfer von der Person des Täters Kenntnis erlangt hat. Daher muss § 197 I Nr 1 BGB als lex posterior Vorrang haben vor § 259b. § 197 I Nr 2 ist dagegen von vornherein nicht berührt, soweit die dort genannten Herausgabeansprüche keine Insolvenzforderungen begründen, sondern zur Aus- (§ 985 BGB) oder Absonderung (§ 1231 BGB) berechtigen. 16 Bezüglich § 197 I Nr 3–5 BGB33 kann der Vorrang von § 259b aber nur für die rechtskräftige Feststellung und für Titel über die Insolvenzforderung aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens34 und ggf für die Feststellung im Insolvenzverfahren aufgrund verspäteter Anmeldung gelten (vgl § 257 Rn 5). Wenn der Plangläubiger, dem die Vollstreckung nach § 257 verwehrt ist, nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans seine Planforderung (§ 254b) etwa im Mahnverfahren titulieren lässt, wird die Verjährung zunächst durch die Zustellung des Mahnbescheids gehemmt (§ 204 I Nr 3 BGB). Ab Eintritt der (formellen) Rechtskraft des Vollstreckungsbescheids (§§ 700 I, 339, 705 ZPO) ist darüber hinaus die dreißigjährige Frist anwendbar (§§ 197 I Nr 3, 201 S 1 BGB); für § 259b I ist daneben kein Raum. 17 § 259b I verdrängt auch die abgabenrechtliche Verjährung (§§ 169 ff, 228 ff AO). Dies ergibt sich auch aus § 251 II S 1 AO. Für die Verjährung der Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge (§ 25 SGB IV) gilt § 251 II S 1 AO jedenfalls im Bundesrecht entsprechend,35 so dass auch dort die Spezialität von § 259b I unzweifelhaft ist. Praktische Bedeutung wird § 259b in diesen Fällen aber nur haben, wenn der Schuldner Steuern vorsätzlich hinterzogen (§ 370 AO) oder seine sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht (§ 28a SGB IV) verletzt und die jeweilige Behörde den Anspruch vor Ablauf der Jahresfrist deshalb nicht gekannt hat. Zwar ist zugunsten dieser Hoheitsträger Art 14 I S 2 GG selbstverständlich nicht anwendbar. Gleichwohl muss auch hier die Arglisteinrede greifen (Rn 10), weil sich dieses Ergebnis nicht allein auf den Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung stützt, sondern teleologisch auch einfachrechtlich geboten ist.

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Zur Dauer der Hemmung vgl BGH NJW 2010, 1284 Rn 45 ff; BeckOGK/Meller-Hannich BGB § 204 Rn 339, 339.1, 428 (Stand: 1.6.2018); Kübler/Schmidt HRI2 § 45 Rn 80; MünchKomm/Grothe BGB7 § 204 Rn 102. LAG Düsseldorf ZIP 2014, 1988, 1989. Vgl Art 4 des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs v 26.6.2013, BGBl I S 1805. So zu „titulierten Forderungen“ ausdrücklich Begr zu RegE ESUG § 259b, BTDrucks 17/5712 S 38.

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So wohl auch Rugullis NZI 2012, 825, 826, der nur den Fall erwähnt, dass eine bereits titulierte Forderung nicht angemeldet wird. Für die Bundesbehörden wie die Ersatzkassen, die den Gesamtsozialversicherungsbeitrag einziehen (§§ 28d, 28h I 1 SGB IV) ergibt sich dies aus §§ 66 I 1 SGB X, 5 I VwVG. Für die landesrechtlichen Stellen wie die Allgemeinen Ortskrankenkassen richtet sich die Vollstreckung dagegen nach dem jeweiligen Landesrecht.

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Besondere Verjährungsfrist

§ 259b

2. Verjährungsbeginn (§ 259b II) § 259b II regelt den Beginn der Insolvenzverjährung selbständig und stellt damit eine 18 lex specialis zu § 200 BGB dar.36 Statt an die Entstehung des Anspruchs (§ 200 S 1) knüpft § 259b II an die Fälligkeit der Forderung und die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans an. a) Fälligkeit. Wann die Jahresfrist zu laufen beginnt, hängt zunächst von der Fälligkeit 19 der Forderung ab. Dies ist auf den ersten Blick konsequent, weil § 41 I Forderungen, die im Insolvenzverfahren überhaupt nicht angemeldet worden sind, nicht erfasst.37 Tatsächlich müssen die Nachzügler aber die gleichen Rechte haben wie die Plangläubiger (§ 254b). Wenn die Planforderungen der entsprechenden Gläubigergruppe fällig werden, muss dasselbe auch für die Gläubiger gelten, die ihre Forderung nicht angemeldet haben (vgl § 254b Rn 9). Damit kommt es nicht auf die möglicherweise erst spätere Fälligkeit der ursprünglichen (Insolvenz-)Forderung an.38 Zwar trägt das Argument der Gleichbehandlung der Nachzügler nicht für den PSV, für den eine besondere Gruppe gebildet werden kann (§ 9 IV 1 BetrAVG) (vgl § 255 Rn 46). Gleichwohl spricht mehr dafür, dass auch hier die insolvenzrechtliche Sonderverjährung nach § 259b zu laufen beginnt, auch wenn die Forderung noch nicht fällig ist.39 Umgekehrt liegt Fälligkeit iSv § 259b II nicht vor, wenn die Planforderung noch nicht fällig ist, mag die ursprüngliche (Insolvenz-) Forderung auch schon vorher fällig gewesen sein.40 Daher führt eine Gestaltung, nach der alle Planforderungen erst fällig werden, wenn die nicht rechtzeitig angemeldeten Forderungen nach § 259b verjährt sind,41 in einen Circulus vitiosus. b) Rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans. Bei Forderungen, deren Fälligkeit 20 durch den Insolvenzplan nicht nach hinten verschoben wird, beginnt die Jahresfrist grundsätzlich ab der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses zu laufen (vgl dazu im Einzelnen § 254 Rn 52 ff). Wird die sofortige Beschwerde (§§ 6, 253 I) nicht erhoben, endet die Beschwerdefrist mit Ablauf des 14. Tages nach der Verkündung des Bestätigungsbeschlusses (§§ 4, 6 II, 252 I 1 iVm § 569 I 1 ZPO), so dass die Rechtskraft mit Beginn des nächsten Tages eintritt.42 Nach § 4 iVm § 222 I ZPO und § 187 II S 1 BGB ist dieser Tag bei der Berechnung der Verjährungsfrist mitzuzählen. Wird der Bestätigungsbeschluss am 12.11.2018 verkündet, endet die Beschwerdefrist mit Ablauf des 26.11.2018, so dass die Verjährung ab dem 27.11.2018 läuft. Damit tritt Verjährung am 27.11.2019 ein.

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Zutr Rugullis NZI 2012, 825, 826. HambK/Thies InsO6 § 259b Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259b Rn 2; MünchKomm/Madaus InsO3 § 259b Rn 6; aA Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 259b Rn 9; Kübler/Schmidt HRI2 § 45 Rn 70. Nach K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259b Rn 2 soll es dagegen auf die „Fälligkeit nach dem Schuldgrund“ ankommen. Auch BK/Flöther/ Wehner InsO66 (Stand: III/2016) § 259b Rn 6 stellen scheinbar auf die ursprüngliche Parteivereinbarung ab. Dazu tendiert auch Silcher/Brandt/Bremer Hdb InsPlanEV Kap 23 Rn 20.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259b Rn 5 greift dafür auf § 205 BGB zurück. Klassischerweise stellt die Fälligkeit jedoch eine Voraussetzung für den Beginn der Verjährung dar. Vgl im Einzelnen BeckOGK/Piekenbrock BGB § 199 Rn 16.1 ff (Stand: 1.8.2018). In dem in AG Hannover ZIP 2016, 2081 wiedergegebenen Insolvenzplan sollte sich die Fälligkeitsregelung nur auf Gläubiger erstrecken, die sich am Insolvenzverfahren beteiligt hatten. Das verstieß schon gegen § 254b. Vgl MünchKomm/Madaus InsO3 § 259b Rn 9.

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§ 259b 21

Sechster Teil. Insolvenzplan

Wird dagegen sofortige Beschwerde eingelegt, kommt es entscheidend auf den Abschluss des Beschwerdeverfahrens an. Als maßgebliche Ereignisse kommen der Beschluss des Landgerichts nach § 572 IV ZPO (vgl dazu § 254 Rn 58 f) und ggf die Rücknahme der Beschwerde in Betracht. Beide Ereignisse fallen in den Lauf eines Tages, so dass die Verjährung erst am folgenden Tag zu laufen beginnt (§ 187 I BGB). Wird die Beschwerde am 26.11.2018 zurückgewiesen bzw zurückgenommen, läuft die Verjährung ab dem 27.11. 2018 und kann bis einschließlich 26.11.2019 gehemmt werden bzw neu beginnen. Am 27.11.2019 tritt um 0.00 Uhr dagegen Verjährung ein. 3. Vorbehalt der kürzeren Verjährung (§ 259b III)

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Dem Telos von § 259b entsprechend, bleibt die nach allgemeinen Regeln anwendbare Verjährung maßgeblich, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Hemmungstatbestände und eines möglichen Neubeginns früher eintritt als die Insolvenzverjährung. Insoweit besteht eine Parallele zu § 199 III S 2 BGB, der bei den unterschiedlichen Höchstfristen für Schadensersatzansprüche die früher endende Frist für maßgeblich erklärt. Bei diesem Vergleich ist zu berücksichtigen, dass eine Anmeldung der Insolvenzforderung im Insolvenzverfahren die reguläre Frist auch dann hemmt, wenn sie nach dem Beginn des Abstimmungstermins erfolgt ist (§ 204 I Nr 10 BGB).43 Diese Hemmung dauert bis sechs Monate nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) an (§ 204 II 1 BGB) (s Rn 14). 4. Hemmung und Neubeginn der Verjährung (§ 259b IV)

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Zur Hemmung und zum Neubeginn der Insolvenzverjährung enthält § 259b IV nur die Aussage, dass die Verjährung gehemmt wird, „solange wegen Vollstreckungsschutzes nach § 259a nicht vollstreckt werden darf“ (§ 259b IV 1) und dass diese Hemmung – in Anlehnung an § 204 II S 1 BGB,44 aber mit halbierter Frist – drei Monate nach Beendigung des Vollstreckungsschutzes endet (§ 259b IV 2).45 Damit beginnt die Frist am Tag nach der Beendigung des Vollstreckungsschutzes wieder zu laufen (§§ 187 II 1, 209 BGB). Voraussetzung für diesen Hemmungstatbestand ist aber, dass der Gläubiger keine Möglichkeit hatte, seinen Anspruch geltend zu machen.46 Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn Maßnahmen der Zwangsvollstreckung ganz untersagt worden sind (§ 259a I 1). In einem solchen Fall bliebe ein Vollstreckungsantrag letztlich wirkungslos, weil ihm das Vollstreckungsorgan nicht stattgegeben dürfte (§ 212 I Nr 2, III Alt 1 BGB).47

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So auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259b Rn 5; Kübler/Schmidt HRI2 § 45 Rn 79 ff; insoweit unpräzise Rugullis NZI 2012, 825, 826. aA Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259b Rn 10, der § 204 I Nr 10 BGB auf Nachmeldungen nicht anwenden will. So Begr zu RegE ESUG § 259b, BTDrucks 17/5712 S 38. Kritik an dieser Hemmung bei HambK/Thies InsO6 § 259b Rn 4. Vgl Begr zu RegE ESUG § 259b, BTDrucks 17/5712 S 38. Dagegen meint Rugullis NZI 2012, 825, 827, wenn der Gläubiger seine Planforde-

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rung im Wege der Zwangsvollstreckung aus einem Alttitel geltend macht, könne „die Verjährung bereits nach § 259b I InsO nicht mehr eintreten“, weil eine Forderung nicht „eindringlicher und nachdrücklicher“ geltend gemacht werden könne als durch Zwangsvollstreckung. Dem liegt offenbar das Verständnis von § 259b als Ausschlussfrist zugrunde, die gewahrt ist, wenn der Gläubiger die Forderung rechtzeitig geltend macht (vgl Rn 25). Mit verjährungsrechtlichen Tatbestanden lässt sich die getroffene Aussage nicht begründen.

Andreas Piekenbrock

Besondere Verjährungsfrist

§ 259b

Wird die Zwangsvollstreckung dagegen nur teilweise untersagt, bleibt der Neubeginn der Verjährung nach § 212 I Nr 2 BGB möglich. Wird eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung vom Insolvenzgericht nachträglich aufgehoben (§ 259a I 1), ändert sich am Neubeginn der Verjährung nichts. Vielmehr gilt der Neubeginn der Verjährung durch einen Vollstreckungsantrag nur dann als nicht eingetreten, wenn (1.) dem Antrag nicht stattgegeben oder (2.) der Antrag vor der Vollstreckungshandlung zurückgenommen oder (3.) die erwirkte Vollstreckungshandlung (a.) auf Antrag des Gläubigers oder (b.) wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird (§ 212 II, III BGB). Hat der Gläubiger bspw eine Sach- oder Forderungspfändung erwirkt und wird diese Maßnahme nach § 259a I S 1 auf Antrag des Schuldners aufgehoben, liegt keiner dieser Tatbestände vor. Allerdings ist nach dem Telos von § 259b nicht nachvollziehbar, wieso § 212 I Nr 2 erneut die einjährige Insolvenzverjährung in Gang setzen soll. Das würde bedeuten, dass der Gläubiger, der über einen Titel über die ursprüngliche Insolvenzforderung verfügt, jedes Jahr einen Vollstreckungsantrag stellen müsste, weil § 197 I Nr 3, 4 BGB nicht anwendbar ist (Rn 16). Auch hier zeigt sich, dass § 259b eigentlich eine materielle Ausschlussfrist darstellt, die nicht neubeginnt, sondern einmalig gewahrt werden muss. Ist dies der Fall, sollte die ursprüngliche Verjährung anwendbar sein. De lege lata ist Regelung jedoch hinzunehmen, so dass die Insolvenzverjährung ihrerseits gehemmt werden und neu beginnen kann. Zu denken ist dabei zunächst an die Fälle, in denen der Gläubiger noch keinen Titel hat und die Verjährung durch Maßnahmen der Rechtsverfolgung gehemmt wird (§ 204 I BGB).48 Dasselbe gilt für Verhandlungen zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger (§ 203 BGB). Von besonderem Interesse sind bei der Insolvenz natürlicher Personen schließlich die Regelungen zur Hemmung der Verjährung aus familiären und ähnlichen Gründen (§ 207 BGB) und bei Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (§ 208 BGB). Da diese Hemmungstatbestände zum allgemeinen Verjährungsrecht gehören, müssen sie auch für § 259b gelten. Auch hier zeigt sich, dass eine materielle Ausschlussfrist besser geeignet gewesen wäre, das gesetzgeberische Ziel zu erreichen. Über die Anwendung der allgemeinen Hemmungstatbestände lässt sich auch die Verjährung möglicher Ansprüche aus wiederaufgelebten Forderungen iSv § 144 I gegen einen insolventen Bürgen lösen. Wie dargelegt (Rn 9), ist § 259b im Verhältnis zum Schuldner ohnehin nicht anwendbar. Im Fall der Doppelinsolvenz des Hauptschuldners und des Bürgen kann die Forderung gegen den Bürgen jedoch wiederaufleben, ohne dass eine Zahlung in die Masse erfolgt. Bei einem Insolvenzplan im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bürgen könnte § 259b gegen den Anfechtungsgegner, der die Forderung in beiden Verfahren in voller Höhe geltend machen kann (§ 43), zum Tragen kommen. Im Schrifttum wird angenommen, der Verjährungsbeginn knüpfe abweichend von § 259b II an die Erfüllung des Anfechtungsanspruchs an.49 Richtigerweise ist sie aber nur analog § 206 BGB für die letzten sechs Monate bis zur Rückgewähr des Erlangten an den Insolvenzverwalter des Hauptschuldners gehemmt.50 § 259b IV setzt stets eine Anordnung nach § 259a voraus, der wiederum die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) voraussetzt. Im Schrifttum sind gegen diese Regelung Bedenken erhobenen worden, weil der Nachzügler während des Insolvenzverfahrens ebenfalls an der Zwangsvollstreckung gehindert sei (§ 89 I).51 Diese Bedenken greifen je-

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So Rugullis NZI 2012, 825, 826. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 259b Rn 2. Vgl im Einzelnen BeckOGK/Piekenbrock BGB § 199 Rn 69 (Stand: 1.8.2018).

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Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 259b Rn 10.

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§ 259b

Sechster Teil. Insolvenzplan

doch zu kurz, weil der Nachzügler in diesem Fall die Verjährung durch nachträgliche Anmeldung der Forderung jederzeit hemmen kann (§ 204 I Nr 10 BGB). 5. Rechtsfolgen der Insolvenzverjährung

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a) Allgemeine Rechtsfolgen. Grundsätzlich kann der Schuldner die Erfüllung des Anspruchs nach Eintritt der Verjährung verweigern (§ 214 I BGB), aber das gleichwohl Geleistete nicht kondizieren (§§ 214 II, 813 I 2 BGB). Bestand beim Eintritt der Verjährung eine Aufrechnungslage, kann der Gläubiger noch nachträglich mit der Forderung aufrechnen (§ 215 BGB). Wenn dem Schuldner dadurch eingeplante Liquidität verlorengeht, wird das Ziel von § 259b verfehlt. Um ein anderes Ergebnis zu erzielen, hätte der Gesetzgeber aber eine materielle Ausschlussfrist schaffen müssen. Da dies bewusst nicht geschehen, kann die Anwendung von § 215 BGB auf § 259b auch nicht im Wege einer teleologischen Reduktion ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.

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b) Bedeutung in einem zweiten Insolvenzverfahren. Nicht klar geregelt ist die Rechtsfolge von § 259b, wenn ein zweites Insolvenzverfahren eröffnet wird und damit die ursprüngliche Forderung wiederauflebt (§ 255 II). In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Insolvenzverjährung ggf auch die Teilnahme an dem zweiten Insolvenzverfahren mit der ursprünglichen Insolvenzforderung beeinträchtigt. Diese Frage stellt sich in allen Fällen, in denen der Gläubiger seine Insolvenzforderung im zweiten Insolvenzverfahren erst nach Eintritt der Insolvenzverjährung anmeldet, so dass die Hemmung nach § 204 I Nr 10 BGB prima facie zu spät erfolgt.52 Da die Sanierung jedenfalls auf der Grundlage des ersten Insolvenzplans mit der Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens aber offensichtlich gescheitert ist, besteht bei teleologischer Betrachtung kein Grund dafür, dass der Insolvenzverwalter in diesem zweiten Verfahren die Einrede der Insolvenzverjährung sollte erheben können.53 31 Methodisch lässt sich dieses Ergebnis am besten mit einer teleologischen Reduktion von § 259b erzielen, so dass die Insolvenzverjährung bei Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens insgesamt unbeachtlich ist. Dagegen überzeugt es weniger, die Rechtsfolge von § 255 II ggf auch auf die Verjährung zu erstrecken,54 weil sich die Einrede gerade gegen die Insolvenzplanforderung richtet, während § 255 II die ursprüngliche Insolvenzforderung betrifft. Ist die ursprüngliche Insolvenzforderung in der Zwischenzeit nach allgemeinem Verjährungsrecht verjährt, kann der Insolvenzverwalter darauf im zweiten Insolvenzverfahren selbstverständlich seinen Widerspruch stützen.

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Rugullis NZI 2012, 825, 828 differenziert dagegen ungenau nach dem Zeitpunkt der Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens. So iE auch MünchKomm/Madaus InsO3 § 259b Rn 12; Rugullis NZI 2012, 825, 828; speziell für Forderungen des PSV auch

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Silcher/Brandt/Bremer Hdb InsPlanEV Kap 23 Rn 23; aA Kübler/Prütting/Bork/ Spahlinger InsO74 (Stand: IX/2017) § 259b Rn 12. So MünchKomm/Madaus InsO3 § 259b Rn 12.

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Überwachung der Planerfüllung

§ 260

§ 260 Überwachung der Planerfüllung (1) Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans kann vorgesehen werden, daß die Erfüllung des Plans überwacht wird. (2) Im Falle des Absatzes 1 wird nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens überwacht, ob die Ansprüche erfüllt werden, die den Gläubigern nach dem gestaltenden Teil gegen den Schuldner zustehen. (3) Wenn dies im gestaltenden Teil vorgesehen ist, erstreckt sich die Überwachung auf die Erfüllung der Ansprüche, die den Gläubigern nach dem gestaltenden Teil gegen eine juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit zustehen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegründet worden ist, um das Unternehmen oder einen Betrieb des Schuldners zu übernehmen und weiterzuführen (Übernahmegesellschaft). Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.3.1; DiskE/RefE § 296; RegE § 307; Begr zu RegE § 307, BTDrucks 12/2443 S 214; Ber BT-RA zu RegE § 307, BT-Drucks 12/7302 S 185. Vorgängerregelung: § 91 VglO. Literatur S zu § 254; Braun Anmerkung zu BSG Urt v 29.5.2008 – B 11a AL 57/06 R, SGb 2009, 437; Fischer Die unternehmerischen Mitwirkungsrechte der Gläubiger in der Überwachungsphase des Insolvenzplans (2002); Frank Die Überwachung der Insolvenzplanerfüllung (2002); Frank/Heinrich Insolvenzgeldansprüche von Arbeitnehmern nach einem gerichtlich bestätigten Insolvenzplan – Divergenzen zwischen Sozial- und Insolvenzrecht, NZI 2011, 569; dies Ganzheitliches Sanierungsrecht! Ohne Arbeitnehmer?, NZS 2011, 689; Kluth Die überwachte Übernahmegesellschaft – der „Kannitverstan“ in und um § 260 III InsO, NZI 2003, 361; Kolbe Insolvenzgeld bei mehreren Insolvenzereignissen, ZInsO 2014, 2155; Noack/Bunke Gläubigerbeteiligung an Sanierungserträgen und Vertragsüberleitung bei übertragender Sanierung in der Gesellschaftsinsolvenz, KTS 2005, 129.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . a) Herkunft der Planüberwachung b) Entwicklung in Österreich . . . c) Textgenese von § 260 . . . . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . . . . 3. Plandisposivität . . . . . . . . . . . 4. Zustimmung des Schuldners . . . . II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . 1. Planüberwachung als möglicher Planbestandteil (§ 260 I) . . . . . . 2. Gegenstand der Planüberwachung (§ 260 II) . . . . . . . . . . . . . .

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Rn. 1 1 1 5 8 9 10 12 17

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Rn. 3. Planerfüllung durch Übernahmegesellschaften (§ 260 III) . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . b) Anforderungen an die Übernahmegesellschaft . . . . . . . . 4. Insolvenzgeld in der Folgeinsolvenz 5. Berufsrechtliche Bedeutung der Überwachung . . . . . . . . . . 6. Überwachung der Planerfüllung nach dem KredReorgG . . . . . . .

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§ 260

Sechster Teil. Insolvenzplan

I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

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a) Herkunft der Planüberwachung. § 260, der seit 1.1.1999 unverändert gilt, geht auf § 91 VglO zurück,1 der seinerseits im deutsch-österreichischen Entwurf von 1933 wurzelt.2 Die dort vorgeschlagene Einführung eines „Nachverfahrens“ zur Sicherung der Durchführung des Vergleichs sollte die Gläubigerrechte stärken, weil eine freiwillige Unterwerfung unter eine Überwachung durch Vertrauensleute der Gläubiger nicht immer zu realisieren war.3 Dazu sollte das Vergleichsverfahren nach der Bestätigung des Vergleichs grundsätzlich nur aufgehoben werden, wenn sich der Schuldner im Vergleich der Überwachung durch (einen oder mehrere) Sachwalter der Gläubiger unterworfen hatte (§ 91 I VglO).4 Ausnahmen von diesem Grundsatz bestanden bei einem qualifizierten Mehrheitsbeschluss der Gläubiger (§§ 90 I Nr 1, 74 VglO)5 und in geringfügigen Fällen (§ 90 I Nr 2 VglO),6 soweit die Aufhebung des Verfahrens nicht den gemeinsamen Interessen der Vergleichsgläubiger widersprach (§ 90 II VglO). Kam es nicht zur Überwachung durch Sachwalter, sollte der Vergleichsverwalter die Erfüllung überwachen (§ 96 I, II VglO); das Vergleichsverfahren sollte dann erst nach der Erfüllung des Vergleichs aufgehoben werden (§ 97 IV VglO).7 Die Überwachung durch Sachwalter war in §§ 92 bis 95 VglO im Einzelnen geregelt.8 Darin fanden sich – im Gegensatz zu §§ 261–266 – auch Regelungen zur unwiderruflichen Bevollmächtigung des Sachwalters (§ 92 IV VglO) und zur (treuhänderischen) Vermögensübertragung auf den Sachwalter, für die die Haftung aus § 419 BGB 19009 ausgeschlossen war (§ 92 V VglO).10 Für den Zwangsvergleich (§ 173 KO) sind entsprechende Regelungen dagegen nie eingeführt worden; dasselbe gilt für den Vergleich nach § 16 GesO. 2 Bei der Insolvenzrechtsreform bestanden somit drei Regelungsmodelle: 1. die ersatzund bedingungslose Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Konkurs- und im Gesamtvollstreckungsrecht sowie in Bagatellfällen bzw nach Mehrheitsbeschluss im Vergleichsrecht; 2. die Fortführung des Insolvenzverfahrens bis zur vollständigen Erfüllung des Vergleichs; 3. die Überwachung der Erfüllung des Vergleichs durch Sachwalter. Demgegenüber wollte der Gesetzgeber eine weniger komplizierte Lösung schaffen.11 Dabei ist namentlich die Ba-

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Begr zu RegE § 304, BT-Drucks 12/2443 S 215. Vgl §§ 91, 92 EVglO III, S 25 f. So die allgemeine Begründung in EVglO III, S 42. Weitgehend wortgleich in Österreich § 55 II 1 öAO 1934 (öBGBl Nr 221/1934). Vgl entsprechend in Österreich § 55 I öAO 1934 (Rn 4), der auch den Vorbehalt in § 90 II VglO enthielt. Die Grenze lag in Deutschland zunächst bei einer Gesamtpassivmasse von 20.000 RM. Vgl § 90 I Nr 2 VglO-E 1933 iVm Art 7 EGVglO-E (Rn 2); § 90 I Nr 2 VglO 1935 (RGBl I S 321). Dieser Betrag wurde im Zuge der Währungsreform durch § 2 des Währungsgesetzes v 20.6.1948, WiGBl Beilage Nr 5, 1:1 auf DM umgestellt. In Österreich ist die Bagatellregelung in § 55 öAO 1934

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(öBGBl Nr 221/1934) nicht eingeführt worden. Diese Regelungen finden sich in den § 55 ff öAO 1934 (Rn 4) nicht ausdrücklich. Vgl in Österreich §§ 55b bis 55d öAO 1934 (Rn 4). IdF v 18.8.1896, RGBl S 195. Vgl in Österreich § 55c I, II öAO 1934 (Rn 4). Danach war beim „Sachwalterausgleich mit Vermögensübergabe“ § 1409 ABGB nicht anwendbar. Anders als in Deutschland bestehen die entsprechenden Regelungen heute in § 157g I, II IO fort. Die Überwachung erfolgt heute jedoch durch einen Treuhänder (§§ 157 I 1, 157b I IO) (vgl Rn 6). Begr zu RegE § 307, BT-Drucks 12/2443 S 215.

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Überwachung der Planerfüllung

§ 260

gatellregelung ersatzlos weggefallen. Die praktischen Auswirkungen dürften allerdings gering sein, weil sich bei natürlichen Personen in der Regel ohnehin das Restschuldbefreiungsverfahren (§§ 286 ff) anschließt. Darüber hinaus fand das Insolvenzplanverfahren im früher so genannten vereinfachten Insolvenzverfahren,12 das Verbraucher und bestimmte Kleinunternehmer betraf (§ 304), gar nicht statt (§ 312 II InsO 199913). Geblieben sind dagegen weiterhin drei gesetzliche Optionen: 1. die ersatz- und bedin- 3 gungslose Aufhebung des Insolvenzverfahrens, wenn im gestaltenden Teil des Insolvenzplans nicht vorgesehen ist, dass die Erfüllung des Plans überwacht wird (vgl § 260 I); 2. die Fortführung des Insolvenzverfahrens, wenn dies im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehen ist (§ 258 I); 3. die Überwachung der Erfüllung der Insolvenzplanforderungen durch den Insolvenzverwalter, wenn dies im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehen ist (§ 260 I, II). Damit ist die Planüberwachung – entgegen dem Vorschlag der Insolvenzrechtskommis- 4 sion14 – nicht der gesetzliche Regelfall, sondern muss zum einen im Insolvenzplan ausdrücklich vorgesehen sein und stellt zum anderen nur eine Regelungsoption unter mehreren dar.15 Eine vergleichbare Vorschrift findet sich heute auch in § 22 II S 1 KredReorgG (Rn 37).16 Geändert hat sich aber die systematische Stellung dieser Optionen. Im Vergleichsrecht musste sich der Schuldner der Überwachung unterwerfen, damit das Vergleichsverfahren aufgehoben wurde (§ 91 I VglO). Dagegen kann die Überwachung im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehen werden (§ 260 I). Darüber hinaus kann sich die Überwachung nunmehr bei übertragenden Sanierungen erstmals auf die Übernahmegesellschaft erstrecken (§ 260 III). b) Entwicklung in Österreich. In Österreich hat der Gesetzgeber das Instrument der 5 Überwachung dagegen schon 1982 auf den Zwangsausgleich im Konkursverfahren übertragen (§§ 157 bis 157g öKO 198217). Dort konnte das Konkursverfahren ursprünglich nur aufgehoben werden, wenn für die Ansprüche der Aus- und Absonderungsberechtigten (§ 149 I öKO 191418), die Massegläubiger und alle bevorrechtigten Konkursgläubiger erster und zweiter Klasse (§§ 150 I, 51, 52 öKO 1914) sowie ergänzend nach Maßgabe des Ausgleichs Sicherheit geleistet worden war (§ 157 I öKO 1914). Zur Angleichung des Ausgleichsrechts im und außerhalb des Konkursverfahrens wurde diese Regelung 1982 zusammen mit dem Wegfall der Klassen ergänzt. Danach konnte das Konkursverfahren auch aufgehoben werden, wenn sich der Schuldner der Überwachung durch einen Sachwalter unterworfen hatte (§ 157 II 1 öKO 1982).19 Nach der Novelle von 2006 wurde das Konkursverfahren mit der Bestätigung des 6 Zwangsausgleichs automatisch aufgehoben (§ 154b II öKO 200620). Die Bestätigung des Ausgleichs hing aber davon ab, dass die Massekosten und -verbindlichkeiten bezahlt bzw

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Diese Überschrift des Dritten Abschnitts im Neunten Teil wurde mit der Reform des Restschuldbefreiungsverfahrens gestrichen. Vgl Art 1 Nr 37 des Gesetzes v 15.7.2013, BGBl I S 2379. IdF v 5.10.1994, BGBl I S 2866. So 1. Ber InsRKomm LS 2.3.1. Vgl MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 3. Zur Vorbildfunktion von § 260 vgl nur Begr zu RegE § 22 KredReorgG, BT-Drucks 17/ 3024 S 58.

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IdF v Art II des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982, öBGBl Nr 371/1982. Konkursordnung v 10.12.1914, öRGBl Nr 337/1914. Zu den Motiven vgl 3 der Beilagen XV. GP, S 58. IdF v Art 6 der Gerichtsgebühren- und Insolvenzrechts-Novelle 2006, öBGBl I Nr 8/2006.

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§ 260

Sechster Teil. Insolvenzplan

gesichert waren (§ 154a I Z 1, 2 öKO 2006). Nur wenn sich der Schuldner der Überwachung unterworfen hatte, konnte der Ausgleich auch ohne diese Voraussetzungen bestätigt und damit das Konkursverfahren aufgehoben werden (§ 157 I öKO 2006). Inhaltliche Änderungen der Voraussetzung für die Aufhebung des Konkursverfahrens waren damit nicht verbunden.21 7 Aufgrund der Kritik an dieser Regelung, die bei jeder Unterwerfung unter eine Art der Überwachung die bedingungslose Bestätigung des Ausgleichs und damit die Aufhebung des Konkursverfahrens vorsah,22 dispensiert die Unterwerfung unter die „Überwachung durch eine im Sanierungsplan bezeichnete Person als Treuhänder“ (§ 157 I 1 IO) heute nicht mehr von den allgemeinen Voraussetzungen für die Bestätigung des Sanierungsplans (§ 152a I IO),23 die weiterhin unmittelbar auch zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens führt (§ 154b II IO). Mit Blick auf die Voraussetzungen für die Aufhebung des Insolvenzverfahrens gleicht die Rechtslage in Österreich der deutschen nach § 258 II, der auch im Falle der Überwachung der Planerfüllung gilt (vgl § 258 Rn 17). Allerdings setzt die Überwachung durch einen Treuhänder in Österreich nach wie vor die Unterwerfung des Schuldners voraus (§ 157 I 1 IO).

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c) Textgenese von § 260. § 260 entspricht weitestgehend bereits § 296 DiskE. § 296 RefE hat lediglich drei kleine redaktionelle Änderungen vorgenommen, indem in § 296 I RefE statt vom Plan vom Insolvenzplan die Rede ist und in § 296 II, III RefE jeweils hinter den Wörtern „gestaltenden Teil“ die weiteren zwei Wörter „des Plans“ gestrichen wurden. § 307 RegE entsprach wörtlich § 296 RefE. Auch im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren hat es keine weiteren Änderungen des Textes mehr gegeben. 2. Normzweck

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Die Überwachung der Planerfüllung ist insbesondere für die Fälle gedacht, in denen der Schuldner die Planforderungen bei Fortführung des Unternehmens aus dem laufenden Cash flow befriedigen soll.24 In einem solchen Fall bietet die Überwachung den Plangläubigern den Vorteil, daß sie mit Blick auf die Berichtspflicht des Schuldners (§ 261 II 1) und die Auskunftsrechte des Gläubigerausschusses und des Gerichts (§ 261 II 2) in den folgenden drei Jahren (§ 268 I Nr 2) über die Gefährdung der Planerfüllung informiert werden, noch bevor es tatsächlich zur Verzögerung der Erfüllung kommt. Allerdings ist die Überwachung nicht wie in Österreich (§ 157 I 1 IO) auf Sanierungspläne beschränkt, sondern kann auch im gestaltenden Teil eines Liquidationsplans vorgesehen werden.25 Für einen Insolvenzplan zur Durchführung einer übertragenden Sanierung mit einer Übernahmegesellschaft ergibt sich dies unmittelbar aus § 260 III. Die Überwachung kann durch das Instrument des Kreditahmens (§§ 264–266) auch zur (weiteren) Sanierungsfinanzierung ein-

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Vgl dazu 1168 der Beilagen XXII. GP, S 19. Zur Kritik vgl Konecny/Schubert/Mohr Kommentar zu den Insolvenzgesetzen37 (2009) § 157 KO Rn 32, 33. Vgl dazu 612 der Beilagen XXIV. GP – Regierungsvorlage – Vorblatt und Erläuterungen, S 25. MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 1. BeckOK/Freund InsO10 § 260 Rn 2; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 260 Rn 1; HambK/

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Thies InsO6 § 260 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 260 Rn 1; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 260 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 3; MünchKomm/ Stephan InsO3 § 260 Rn 15; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 260 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 4. AA Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 260 Rn 2.

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Überwachung der Planerfüllung

§ 260

gesetzt werden,26 auch wenn die gesetzlichen Regelungen zu diesem Zweck suboptimal ausgestaltet sind (§ 264 Rn 5 ff). Gegen die Überwachung nach den gesetzlichen Regelungen kann jedoch sprechen, dass sie stets in das für den Schuldner maßgebliche Register einzutragen ist (§§ 267 III 1, 31) und leicht als „Rest-Insolvenzverfahren“ (miss)verstanden werden und damit Geschäftspartner verunsichern kann.27 Ein solches Verständnis scheint insbesondere bei einem Zustimmungsvorbehalt nach § 263 nachvollziehbar. 3. Plandisposivität Die Regelungen zur Überwachung der Erfüllung der Insolvenzplanforderungen geben 10 den Beteiligten einen rechtlichen Rahmen, der aber nicht zwingend, sondern seinerseits plandispositiv ist.28 Dabei ist jedoch zwischen Gestaltungen innerhalb und außerhalb des gesetzlichen Rahmens zu unterscheiden. Innerhalb des gesetzlichen Rahmens setzen die Regelungen zum Zustimmungsvorbehalt (§ 263) und zum Kreditrahmen (§§ 264–266) eine entsprechende Regelung im gestaltenden Teil des Insolvenzplans voraus und begründen damit einen Gestaltungsspielraum etwa zu den konkret erfassten Rechtsgeschäften oder zur Höhe des Kreditrahmens. Im Plan kann der gesetzliche Gestaltungsspielraum allerdings nur ausgefüllt, aber nicht erweitert werden.29 Im eigentlichen Sinne plandispositiv sind die §§ 263, 264 folglich nicht; dies gilt etwa für die maximale Höhe des Kreditrahmens (§ 264 Rn 10). Plandispositiv ist dagegen die Berichtspflicht des Insolvenzverwalters (§ 261 II 1), für die der Insolvenzplan auch kürzere Zeitintervalle vorsehen kann (§ 261 Rn 24). Darüber hinaus kann die Dauer der Überwachung innerhalb der Grenzen von § 268 I frei bestimmt werden (§ 268 Rn 9). Davon zu unterscheiden ist eine Überwachung, die außerhalb des gesetzlichen Rah- 11 mens der §§ 261–269 erfolgt und auf die diese Regelungen daher insgesamt nicht anwendbar sind. Dies gilt namentlich, wenn der Insolvenzplan die Überwachung der Planerfüllung durch einen von den Gläubigern bestimmten „gewillkürten“ Sachwalter vorsieht,30 der vom „gesetzlichen“ Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren (§§ 270c, 284 II) strikt zu unterscheiden ist und für den die Vorgaben von § 56 InsO nicht gelten (vgl dazu § 261 Rn 25 ff); daher kann im Insolvenzplan sogar ein Gläubiger zum gewillkürten Sachwalter ernannt werden.31 Der mantrahaft vorgetragene Hinweis auf die „Vertrags- und Gestal-

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Diesen Zweck betonen BeckOK/Freund InsO10 § 260 Rn 1; Leonhardt/Smid/Zeuner/ Rattunde InsO3 § 260 Rn 1. So Rendels/Zabel Insolvenzplan Rn 575. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 260 Rn 5; BeckOK/Freund InsO10 § 260 Rn 3; BK/Wehner InsO66 (Stand: IX/2017) § 260 Rn 4; Braun/Braun/Frank InsO7 § 260 Rn 1; FK/Jaffé InsO9 § 260 Rn 11; MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 13; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 260 Rn 6; HambK/Thies InsO6 § 260 Rn 4; Hess InsO2 § 260 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 260 Rn 3; Schiessler Insolvenzplan, S 208; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 8. In diesem Sinne auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 8.

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Vgl Begr zu RegE § 307, BT-Drucks 12/2443 S 215; BeckOK/Freund InsO10 § 260 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 260 Rn 5; FK/ Jaffé InsO9 § 261 Rn 2; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 15; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 119; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 17, 19; dagegen will Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 260 Rn 4 auch beim „gewillkürten Sachwalter“ §§ 261 ff anwenden. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 15; MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 13; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 260 Rn 3.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

tungsfreiheit der Beteiligten“32 greift hier zu kurz, weil die gesetzlichen Planüberwachungsregelungen auch Drittwirkungen entfalten und der Registerpublizität unterliegen (§ 267 III). Derartige Drittwirkungen können gegenüber Personen, die nicht am Insolvenzverfahren teilnehmen (§ 254b), nicht privatautonom geschaffen werden, sondern müssen gesetzlich angeordnet sein.33 Eine solche Anordnung liegt aber nur bei einer Planüberwachung nach §§ 261–269 vor.34 Daher setzen die dinglich wirkenden Verfügungsbeschränkungen (§ 263) und der Nachrang der Insolvenzgläubiger (§ 264 I 1) und der vertraglichen Neugläubiger beim Kreditrahmen (§ 265) die Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter innerhalb des gesetzlichen Ordnungsrahmens voraus.35 Auch wird nur die Überwachung durch den Insolvenzverwalter bzw den „gesetzlichen“ Sachwalter öffentlich bekanntgemacht (§ 267 I) und ggf in das für den Schuldner maßgebliche Register eingetragen (§§ 267 III 1, 31) (§ 267 Rn 4). 4. Zustimmung des Schuldners

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Selbstverständlich bedarf (auch) ein Insolvenzplan, der die Überwachung der Planerfüllung vorsieht, der Zustimmung des Schuldners (§ 247). Die entscheidenden Fragen, die im Schrifttum vielfach nicht klar formuliert werden,36 können daher nur sein, ob diese Zustimmung fingiert werden kann, „wenn der Schuldner dem Plan nicht spätestens im Abstimmungstermin schriftlich widerspricht“ (§ 247 I), und unter welchen Umständen ein Widerspruch des Schuldners ggf unbeachtlich ist (§ 247 II). Zwar mag aus praktischer Sicht naheliegen, dass ein Sanierungsplan ohnehin stets der Unterstützung und damit auch der ausdrücklichen Zustimmung des Schuldners bedarf.37 Abgesehen davon, dass sich der Anwendungsbereich von § 260 I nicht auf Sanierungspläne beschränkt (Rn 9), entbinden solche rechtspraktischen Erwägungen die Rechtsdogmatik nicht von der Aufgabe, die Frage nach den Anforderungen an die Zustimmung des Schuldners zu beantworten. 13 Bei der ersten Frage ist danach zu differenzieren, ob die Überwachung innerhalb oder außerhalb des gesetzlichen Ordnungsrahmens der §§ 261–269 erfolgen soll. Bei einer Überwachung innerhalb des gesetzlichen Ordnungsrahmens ist die Anwendung von § 247 I unbedenklich, weil diese Form der Überwachung Gegenstand des gestaltenden Teils des In-

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BeckOK/Freund InsO10 § 260 Rn 3; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 14; Leonhardt/Smid/ Zeuner/Rattunde InsO3 § 260 Rn 4; MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 13; Rendels/ Zabel Insolvenzplan, Rn 579. Ähnlich wie hier Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 19. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 217 S 1, weil auch diese Norm ihre Wirkungen nur gegenüber Beteiligten iSv § 254b entfalten kann. Begr zu RegE § 307, BT-Drucks 12/2443 S 215; BK/Wehner InsO66 (Stand: IX/2017) § 260 Rn 17; abl Leonhardt/Smid/Zeuner/ Rattunde InsO3 § 260 Rn 4; aA auch HambK/Thies InsO6 § 260 Rn 4: nur § 267 nicht dispositiv. Für ausdrückliches Einverständnis und gegen eine Anwendung des § 247: HK/Haas InsO9

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§ 260 Rn 7; wohl auch Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 260 Rn 1; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 8. Für ein Widerspruchsrecht in entsprechender Anwendung des § 247 II Nr 1 bei schuldnerbenachteiligenden Abweichungen von den §§ 261 ff Kübler/Prütting/Otte InsO54 (Stand: VIII/1998) § 260 Rn 7 und ihm folgend MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 13; ohne nähere Ausführungen für Anwendung von § 247 jetzt Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 17; abl gegenüber dem Vorschlag von Otte BeckOK/ Freund InsO10 § 260 Rn 3 und Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 260 Rn 3, die den Schuldner durch § 247 für ausreichend geschützt erachten. In diese Richtung Frank Überwachung, Rn 55.

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Überwachung der Planerfüllung

§ 260

solvenzplans sein kann (§ 260 I) und daher auch den entsprechenden Ab- und Zustimmungsmodalitäten unterliegt. Dies gilt selbstverständlich auch, wenn von den gesetzlichen Vorgaben zugunsten des Schuldners etwa bei der Höchstdauer der Überwachung (§ 268 I Nr 2) abgewichen wird. Aber auch wenn die Überwachungsintensität etwa bei den Berichtsintervallen verkürzt wird, bleibt § 247 I anwendbar, weil sich die Regelung innerhalb des plandispositiven Rahmens bewegt. Dagegen bewegt sich die Überwachung der Planerfüllung durch einen von den Gläubi- 14 gern bestimmten „gewillkürten“ Sachwalter außerhalb des gesetzlichen Ordnungsrahmens der §§ 261–269 und ist damit nicht mehr tauglicher Regelungsgegenstand des gestaltenden Teils des Insolvenzplans (§ 217 S 1).38 Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass es sich bei der Überwachung der Planerfüllung um „die Verfahrensabwicklung“ handelt, die „abweichend von den Vorschriften dieses Gesetzes geregelt werden“ könnte. Daher kann die Überwachung durch einen „gewillkürten“ Sachwalter nicht durch den Bestätigungsbeschluss als privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt (§ 254 Rn 37) begründet werden, sondern nur privatautonom durch eine Vereinbarung des Schuldners mit dem „gewillkürten“ Sachwalter.39 Eine solche Vereinbarung kann der Schuldner ohne weiteres abschließen, weil sie ohnehin erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und damit dem Rückfall der Verwaltungsbefugnis über sein Vermögen wirksam wird. Der Abschluss einer solchen Vereinbarung kann zwar eine Bedingung für die Bestätigung des Insolvenzplans (§ 249) und damit auch für die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) sein. Hat der Schuldner den Insolvenzplan vorgelegt (§ 218 I 1 Alt 2), kann man darin auch die ausdrückliche Zustimmung zur Überwachung durch den darin benannten „gewillkürten“ Sachwalter sehen.40 Nach § 247 I fingert werden kann die Zustimmung des Schuldners zu dieser Form der Überwachung jedoch nicht.41 Diese Lösung überzeugt auch deshalb, weil sie an die Regelung in § 91 I VglO anknüpft; auch dort wurde angenommen, dass der Sachwalter aufgrund eines zwischen ihm und dem Schuldner geschlossenen Vertrags tätig wird (§ 261 Rn 3). Ist im gestaltenden Teil des Insolvenzplans eine Überwachung innerhalb des Ordnungs- 15 rahmens der §§ 261–269 vorgesehen, ist für die zweite Frage, ob der (ausdrückliche) Widerspruch des Schuldners persönlich bzw des Vertretungsorgans42 nach § 247 II beachtlich oder unbeachtlich ist, zwischen Verbänden (juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften) und natürlichen Personen zu differenzieren. Dabei ist für den „best interest test“ als Vergleichsmaßstab ausschließlich die Durchführung des Regelinsolvenzverfahrens „ohne einen Plan“ entscheidend, nicht aber ein anderer Plan ohne oder mit einer anderen

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Treffend daher die Bemerkung von FK/Jaffé InsO9 § 261 Rn 4, dem „gewillkürten“ Sachwalter fehle jegliche verfahrensrechtliche Autorisierung oder Legitimation. Vgl Braun/Braun/Frank InsO7 § 261 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 261 Rn 8. Frank Überwachung, Rn 55. So wohl auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 260 Rn 3, der von der „Fiktion des § 227“ redet und damit vermutlich § 247 meint. IE ähnlich A Schmidt/Ellers SanierungsR § 260 Rn 11, der zwar die Ersetzung der Zustimmung nach § 247 für möglich hält, dieser

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aber nicht die Kraft zuspricht, die auf den Abschluss des „Überwachungsvertrags“ zwischen dem Schuldner und dem „gewillkürten“ Sachwalter gerichtete Willenserklärung des Schuldners zu fingieren. Inwieweit das Vertretungsorgan intern weisungsgebunden ist, richtet sich nach der Binnenverfassung des Verbandes. Beim Geschäftsführer einer GmbH ist dies typischerweise der Fall (§§ 45, 46 Nr 6 GmbHG), nicht aber beim Vorstand einer AG (§§ 76 I, 111 IV 1, 119 II AktG).

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Form der Überwachung. Ohne dass ein bestätigter Insolvenzplan die Fortsetzung vorsieht, bleibt der Verband aber in jedem Fall aufgelöst43 und wird im Regelverfahren – vorbehaltlich der Freigabe wertloser Vermögensgegenstände – vollbeendet und von Amts wegen gelöscht (§ 394 I 2 FamFG). Im Vergleich dazu ist ein Insolvenzplan, der die Fortsetzung vorsieht, aus Sicht des Verbandes stets vorteilhafter, weil es kein Interesse des Verbandes an seiner Beendigung gibt. Daher wäre der Widerspruch auch unbeachtlich, wenn die vorgesehenen Modalitäten der Überwachung zwar innerhalb des Ordnungsrahmens der §§ 261–269 bleiben, aber etwa bei der Berichtspflicht zulasten des Schuldners davon abweichen (Rn 10).44 16 Anders stellt sich die Situation dagegen bei natürlichen Personen dar, die Aussicht auf Restschuldbefreiung haben (§§ 286 bis 303). In diesen Fällen ist durch einen wirtschaftlichen Vergleich zu ermitteln, ob der Schuldner ohne einen Insolvenzplan besser stünde als mit. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn der Schuldner schon drei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Restschuldbefreiung rechnen kann (§§ 300 I 2 Nr 2, 287 II), während die Überwachung drei Jahre ab der Aufhebung des Insolvenzverfahrens andauern würde (§ 268 I Nr 2 InsO). Allerdings ist bei dem Vergleich auch zu berücksichtigen, ob der Insolvenzplan auch einen (Teil-)Verzicht auf Insolvenzforderungen enthält, die von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind (§ 302 Nr 1), und ob mit der Bestätigung eines Insolvenzplans und dessen Überwachung berufsrechtliche Restriktionen früher wegfallen (vgl Rn 34 ff) als im Regelverfahren mit Restschuldbefreiung.45 Schließlich ist bei dem Gesamtvergleich auch zu berücksichtigen, ob in dem Insolvenzplan eine Überwachung mit Zustimmungsvorbehalt nach § 263 vorgesehen ist und wann der das Regelinsolvenzverfahren aufgehoben würde, weil eine vergleichbare Regelung bei der Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners durch den Treuhänder (§ 292 II) nicht besteht.

II. Einzelerläuterung 1. Planüberwachung als möglicher Planbestandteil (§ 260 I)

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§ 260 I verankert die vom Gesetzgeber getroffene Grundentscheidung, dass die Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans nicht den gesetzlichen Regelfall darstellt, sondern im gestaltenden Teil des Insolvenzplans (§ 221) ausdrücklich vorgesehen sein muss (vgl Rn 4). Aufgrund der Regelung im gestaltenden Teil des Insolvenzplans muss die Überwachung aber nicht gesondert angeordnet werden, sondern beginnt ipso iure mit der Rechtskraft des Beschlusses nach § 258 I.46 Sie ist vielmehr nur (deklaratorisch) mit dem

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Vgl im Einzelnen für die GbR § 728 I 2 BGB; für die oHG § 144 I HGB; für die KG §§ 161 II, 144 I HGB; für die Partnerschaft §§ 9 I PartGG, 144 I HGB, für die GmbH § 60 I Nr 4 GmbHG; für die AG § 274 I, II Nr 1 AktG; für die Genossenschaft § 117 I 1 GenG; für den eingetragenen Verein § 42 I 2 BGB. Für Anwendung des § 247 II auch Frank Überwachung, Rn 57, allerdings beschränkt auf Liquidationspläne. Insgesamt aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 260 Rn 3, der von

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der Unanwendbarkeit der „Fiktion des § 227“ spricht und wohl § 247 meint. Vgl iÜ den Meinungsstand bei Rn 36 und dort insbes die aA von Otte. Bei Rechtsanwälten wird die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nicht bereits durch einen Beschluss nach § 287a widerlegt. Vgl BGH NJW 2017, 1181 Rn 9 ff mit zust Anm Ahrens NJW 2017, 1183 f. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 260 Rn 4; Braun/Braun/Frank InsO7 § 260 Rn 3; Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 26

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Überwachung der Planerfüllung

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Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I, III) öffentlich bekanntzumachen (§ 267 I). Allerdings beschränkt sich die Regelung auf die bloße Überwachung der Planerfüllung 18 durch den Schuldner. Soll die Erfüllung dagegen nicht dem Schuldner überlassen werden, sondern vom Insolvenzverwalter vorgenommen werden,47 muss das Insolvenzverfahren entweder fortgeführt oder dem Insolvenzverwalter vom Schuldner, der die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über sein Vermögen grundsätzlich zurückerlangt, eine Vollmacht erteilt werden. 2. Gegenstand der Planüberwachung (§ 260 II) Gegenstand der Planüberwachung ist grundsätzlich nur die Erfüllung der Planforde- 19 rungen der Gläubiger (§ 260 II). Auch insoweit weicht das Gesetz von den Vorstellungen der Insolvenzrechtskommission ab, die auch die „Durchführung der wirtschaftlich-organisatorischen Maßnahmen“ von der Überwachung erfasst sehen wollte.48 Zu den Planforderungen, deren Erfüllung überwacht werden soll, gehören nicht nur die Ansprüche der Insolvenzgläubiger. Vielmehr ist § 260 II auch erfüllt, wenn bspw einem Absonderungsberechtigten für den Verzicht auf sein Recht eine Gegenleistung angeboten worden ist.49 Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans kann aber auch bestimmt werden, dass nicht die Erfüllung aller Planforderungen überwacht werden soll, sondern nur die bestimmter Gläubiger oder ab einer bestimmten Höhe.50 Da die Überwachung insoweit nur intern wirkt (vgl § 261 II), kann auch vorgesehen werden, dass der Insolvenzverwalter auch die Erfüllung neuer Forderungen, deren Begründung er nach § 263 zugestimmt hat, überwacht.51 Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass sich die Überwachung dadurch in zeitlicher Hinsicht verlängern kann, wenn alle Planforderungen erfüllt sind (vgl § 268 I Nr 1), aber noch nicht die mit Zustimmung des Insolvenzverwalters begründeten neuen Verbindlichkeiten. Schließlich muss der Insolvenzverwalter auch die Einhaltung eines Finanzplans iSv § 258 II S 2 und die Bezahlung der geltend gemachten Vorschüsse auf die Vergütung des Insolvenzverwalters und ggf der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 269 Rn 12)52 überwachen können. Dagegen können Ansprüche gegen Plangaranten nicht Gegenstand der gesetzlich konturierten Überwachung sein.53

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Rn 2; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 260 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 260 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 260 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 8; MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 14; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 260 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 5. So die Empfehlung von Rendels/Zabel Insolvenzplan Rn 578. So 1. Ber InsRKomm S 207. BeckOK/Freund InsO10 § 260 Rn 4; BK/ Wehner InsO66 (Stand: IX/2017) § 260 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 260 Rn 4; Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 26 Rn 8; HK/Haas InsO9 § 260 Rn 3; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 260 Rn 6; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 9; MünchKomm/Stephan

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InsO3 § 260 Rn 15; Schiessler Insolvenzplan, S 209; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 7. Vgl Begr zu RegE § 315, BT-Drucks 12/2443 S 217. Dort wird selbstverständlich davon auszugegangen, dass sich die Überwachung auf die Ansprüche erstreckt, „die im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen sind“. Vgl Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 7; ähnlich Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 260 Rn 3. So MünchKomm/Stephan InsO3 § 269 Rn 11. So auch Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 260 Rn 3; BeckOK/Freund InsO10 § 260 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 260 Rn 3; aA BK/Wehner InsO66 (Stand: IX/2017) § 260 Rn 20; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 260 Rn 20.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Der Gegenstand der Planüberwachung ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Umfang der Überwachungstätigkeit. Nur um festzustellen, ob der Schuldner die Planforderungen planmäßig erfüllt, bedarf es keiner Überwachung. Vielmehr umfasst die Überwachung alle Umstände, die für die „weiteren Aussichten der Erfüllung des Insolvenzplans“ (§ 261 II 1) erheblich sind.54 Das können insbesondere betriebswirtschaftliche Kennzahlen, aber auch sonstige Maßnahmen wie die Schließung eines Betriebs oder die Veräußerung einer Geschäftssparte sein, die für die Erfüllung der Planforderungen von Bedeutung sind.55 Zwar können die Gläubiger nicht verlangen, dass Maßnahmen, die aus ihrer Sicht erforderlich sind, um die gesteckten Ziele zu erreichen, auch tatsächlich durchgeführt werden.56 Daraus folgt aber nicht, dass die Geschäftsführungstätigkeit bzw bei natürlichen Personen ihre wirtschaftlicher Haushaltsführung nicht vom Umfang der Überwachung erfasst ist.57 Allerdings erstreckt sich die Überwachung nicht auf das „allgemeine (private oder geschäftliche) Verhalten des Schuldners“, soweit es auf die Erfüllung/Erfüllbarkeit der Planforderungen keinen Einfluss haben kann.58 3. Planerfüllung durch Übernahmegesellschaften (§ 260 III)

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a) Grundsätzliches. Soll nicht der bisherige Rechtsträger, sondern nur das Unternehmen im Wege der Übertragung auf einen neuen Rechtsträger saniert werden, kann sich die Überwachung mit ihren gesetzlichen Folgen (§§ 263 ff) auch auf eine Übernahmegesellschaft erstrecken (§ 260 III), wenn diese „für den Fall der Bestätigung des Plans Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern übernommen hat“ (§ 230 III).59 Dagegen kommt die Überwachung einer natürlichen Person als übernehmendem Rechtsträger von vornherein nicht in Betracht.60 Für die Überwachung einer Übernahmegesellschaft spielt es keine Rolle, ob auch der Schuldner zu Zahlungen verpflichtet ist, weil dieser einen Teil des Unternehmens selbst fortführt und nur ein anderer Teil übertragen wird, oder ob das restliche Vermögen der Schuldnergesellschaft insolvenzmäßig liquidiert wird, so dass sie schließlich liquidiert wird und die Forderungen gegen sie erlöschen. 22 Nicht ganz einfach zu beantworten ist die Frage, wie die Einschränkungen, die die Planüberwachung mit sich bringt, zu legitimieren ist. Anders als beim Schuldner, der seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis mit der Verfahrenseröffnung ganz verloren hatte (§ 80 I) und sie nur nicht vollständig zurückerhält, ist die Übernahmegesellschaft in ihren Befugnissen bis zum Beginn der Planüberwachung nicht beschränkt. Da sie am Insolvenz(plan)verfahren und insbesondere an der Annahme des Insolvenzplans nicht mitwirkt, muss sie in die Überwachung ausdrücklich einwilligen. Insoweit kann für die Überwa-

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Für weite Auslegung auch Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 260 Rn 2. Dazu ausführlich Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 26 Rn 9 f. Insoweit zutr MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 16 und FK/Jaffé InsO9 § 260 Rn 9: „keine subjektiven Rechte auf die Durchführung von planmäßig beschlossenen organisatorischen Maßnahmen“. Entsprechend schon Bork in Leipold (Hrsg), Insolvenzrecht im Umbruch, S 51, 59 f. So aber Braun/Braun/Frank InsO7 § 260 Rn 4; MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 16; Nerlich/Römermann/Braun InsO35

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(Stand: III/2005) § 260 Rn 3; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 261 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 260 Rn 6; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 260 Rn 8; Häsemeyer InsR4 Rn 28.58; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 11. Richtig BK/Wehner InsO66 (Stand: IX/2017) § 260 Rn 21. So HK/Haas InsO9 § 260 Rn 3. Zur Maßgeblichkeit von § 230 III vgl schon Noack/Bunke KTS 2005, 129, 135. Vgl BK/Wehner InsO66 (Stand: IX/2017) § 260 Rn 23.

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Überwachung der Planerfüllung

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chung der Erfüllung der Planforderungen nichts anderes gelten als für die Begründung dieser Forderungen selbst (§ 230 III).61 Gleichwohl ist § 260 III nicht überflüssig, auch wenn man stets die Einwilligung der 23 Übernahmegesellschaft fordert.62 Zwar könnte auch ohne die gesetzliche Regelung in § 260 III mit der Übernahmegesellschaft eine Überwachung vereinbart werden. Dabei könnte es sich aber nicht um eine Überwachung nach §§ 261 ff handeln, weil insbesondere die Drittwirkungen wie die dinglich wirkenden Verfügungsbeschränkungen (§ 263) nicht zur Disposition stehen.63 Vielmehr ist eine rechtsgeschäftliche Einschränkung der Verfügungsbefugnis über veräußerliche Rechte ausgeschlossen (§ 137 S 1 BGB). Auch den Nachrang beim Kreditrahmen (§§ 264 ff) könnten die Beteiligten nicht privatautonom herbeiführen, weil über den Rang einer Forderung im Insolvenzverfahren – abgesehen von Nachrangvereinbarungen (§ 39 II) – das Gesetz entscheidet. b) Anforderungen an die Übernahmegesellschaft. Tatbestandlich setzt § 260 III vor- 24 aus, dass die Gesellschaft nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegründet worden ist. Darüber hinaus muss sie „eigens zu dem Zweck gegründet worden [sein], das Unternehmen oder Teile des Unternehmens fortzuführen“.64 Zur Begründung dieses einschränkenden Tatbestandsmerkmals heißt es, dass sich die Einschränkungen der Geschäftstätigkeit durch die Überwachung nur in diesen Fällen rechtfertigen lasse; dagegen sei eine Überwachung „den Gesellschaftern einer schon vor dem Verfahren bestehenden Gesellschaft und den Gläubigern einer solchen Gesellschaft […] nicht zuzumuten.“65 Diese Begründung verdeutlicht, dass § 260 III nicht erfüllt ist, wenn die Gesellschaft auf die Stilllegung der auf sie übertragenen Unternehmensteile gerichtet ist.66 Dagegen kann der Begründung nicht entnommen werden, dass der Übernahmezweck in der Satzung der Übernahmegesellschaft verankert sein muss67 oder dass sich der Gesellschaftszweck in der Fortführung erschöpft.68 Vielmehr genügt es, wenn der Gesellschaftszweck (auch) auf die Führung eines Handelsgeschäfts gerichtet ist, das das auf sie übertragene Unternehmen oder die Unternehmensteile umfasst. Dass die Überwachung der neu gegründeten Gesellschaft zumutbar ist, ergibt sich schon aus der ausdrücklichen Zustimmung (Rn 22). Aus dieser Teleologie wird deutlich, dass im Insolvenzplan keine Überwachung einer 25 werbenden Gesellschaft vereinbart werden kann, die bspw einen Teil des Unternehmens übernimmt und statt oder neben der Zahlung eines Kaufpreises an den Schuldner Zahlungsverpflichten gegenüber den Gläubigern eingeht.69 Entgegen den im Schrifttum for-

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Insoweit in der Sache zutr Kluth NZI 2003, 361, 363; ihm folgend HK/Haas InsO9 § 260 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 260 Rn 7. So aber Kluth NZI 2003, 361, 362. AA MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 18; FK/Jaffé InsO9 § 260 Rn 15. So Begr zu RegE § 307, BT-Drucks 12/2443 S 215. So Begr zu RegE § 307, BT-Drucks 12/2443 S 215; dazu krit BK/Wehner InsO66 (Stand: IX/2017) § 260 Rn 27 ff; Frank Überwachung, Rn 475; Schiessler Insolvenzplan, S 209 f. So auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 10, 16.

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So auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 15. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 260 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 260 Rn 5; HK/ Haas InsO9 § 260 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 260 Rn 15. Zu den vier verschiedenen und miteinander kombinierbaren Modellen der Einbindung der Übernahmegesellschaft vgl Noack/Bunke KTS 2005, 129, 133 f. Sehr krit und im Tonfall unangemessen zu dem hier angenommenen Szenario Kluth NZI 2003, 361, 362.

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mulierten Einwänden70 trägt die dafür gegebene Begründung selbst dann, wenn alle Gesellschafter der Altgesellschaft der Überwachung zustimmen würden, weil sich eine vorrangige Erfüllung der Verpflichtung aus dem Unternehmenskauf zulasten der anderen Gesellschaftsgläubigern auswirken kann. Daher kann mit solchen Altgesellschaften nur eine Überwachung außerhalb des Ordnungsrahmens der §§ 261–269 vereinbart werden (Rn 11), die, wie oben gesehen (Rn 23), nur inter partes wirkt. 26 Mit Blick auf den Zweck der Beschränkung von § 260 III auf neu gegründete Gesellschaften spricht aber nichts dagegen, § 260 III auch anzuwenden, wenn es sich bei der Übernahmegesellschaft um eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegründete, aber erst danach (re-)aktivierte Vorrats- bzw Mantelgesellschaft handelt, die zu diesem Zeitpunkt keine Gläubiger hat und deren Altgesellschafter vollständig aus der Gesellschaft ausscheiden.71 Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BGH eine wirtschaftliche Neugründung vorliegt.72 Dies deckt sich mit der im Schrifttum vertretenen Auffassung, dass die Gründung schon vor der Insolvenzeröffnung begonnen haben kann, aber erst danach abgeschlossen worden sein darf.73 Da in diesem Fall sogar die Wortlautgrenze beachtet wird, ist nicht einmal eine analoge Anwendung von § 260 III indiziert.74 27 Für die Rechtsform der Übernahmegesellschaft macht § 260 III keine Vorgaben. Der Begründung ist nur zu entnehmen, dass es sich sowohl um juristische Personen als auch um Personengesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit handeln kann.75 Dabei kann es sich ohne weiteres auch um eine Auslandsgesellschaft handeln (Art 49, 54 AEUV).76 Hat diese den Mittelpunkt ihrer wirtschaftlichen Interessen (Art 3 I EuInsVO nF) jedoch nicht in Deutschland, stellen sich Folgeprobleme. Zwar könnten §§ 263, 81, 82 auch Verfügungen der Übernahmegesellschaft und Leistung an die Gesellschaft im Ausland erfassen, soweit die Wirkungen des deutschen Insolvenzverfahrens dort anerkannt werden. Das ist jedenfalls im Geltungsbereich von Art 19, 20, 32 EuInsVO nF bzw Art 16, 17, 25 EuInsVO aF und damit in den EU-Mitgliedstaaten außer Dänemark (vgl § 254 Rn 66) der Fall, weil sich die Wirkungen der Beendigung des Insolvenzverfahrens nach der deutschen lex fori concursus richten (Art 7 II 2 lit j EuInsVO nF bzw Art 4 II S 2 lit j EuInsVO aF). 28 Dagegen lässt sich in der Insolvenz der Übernahmegesellschaft der Nachrang nach §§ 264 ff nicht realisieren, weil das Insolvenzverfahren über die Übernahmegesellschaft in

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BK/Wehner InsO66 (Stand: IX/2017) § 260 Rn 28 f; Bork in Leipold (Hrsg) Insolvenzrecht im Umbruch, S 59; Schiessler Insolvenzplan, S 210; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 23. Ebenso BeckOK/Freund InsO10 § 260 Rn 6; BK/Breutigam InsO (Stand: Grundwerk 1998) § 260 Rn 31; BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 263 Rn 6; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 260 Rn 7; HambK/ Thies InsO6 § 260 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 260 Rn 7; grundsätzlich auch Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 14. Noch weiter scheinbar Hess InsO2 § 260 Rn 7. Gänzlich abl Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 260 Rn 5; FK/Jaffé InsO9 § 260 Rn 15; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel

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InsO2 § 260 Rn 10 f; MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 18; trotz Bedenken an der Regelung auch Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 24. Dazu BGHZ 117, 323, 331 (Vorrats-AG); 153, 158, 160 (Vorrats-GmbH); 155, 318, 322 (Mantel-GmbH); BGH ZIP 2011, 1761 Rn 9. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 14; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 260 Rn 4. Für eine teleologische Ausdehnung dagegen BK/Wehner InsO66 (Stand: IX/2017) § 260 Rn 31. So Begr zu RegE § 307, BT-Drucks 12/2443 S 215. BeckOK/Freund InsO10 § 260 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 13.

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Überwachung der Planerfüllung

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einem anderen Mitgliedstaat eröffnet wird und sich der Rang der Forderungen dann nach dem Recht des Eröffnungsstaates richtet (Art 7 II 2 lit i EuInsVO nF bzw Art 4 II 2 lit i EuInsVO aF). Dieser Vorbehalt für §§ 264 ff gilt allerdings auch, wenn die Schuldnergesellschaft selbst den Mittelpunkt ihrer wirtschaftlichen Interessen während der Planüberwachung in einen anderen Mitgliedstaat verlegt. 4. Insolvenzgeld in der Folgeinsolvenz Die Entscheidung, ob die Erfüllung der Ansprüche aus dem Insolvenzplan überwacht 29 werden soll, kann Auswirkungen auf den möglichen Bezug von Insolvenzgeld in einer Folgeinsolvenz haben. Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass ein neues Insolvenzereignis iSv § 165 I S 2 SGB III nicht eintritt, „solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert“.77 Ob dies bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzverfahrens der Fall ist, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Vielmehr ist der Vorschlag des Bundesrates, für diesen Fall ausdrücklich einen Anspruch auf Insolvenzgeld vorzusehen, nicht Gesetz geworden.78 Das BSG hat mit Blick auf § 255 schon früh angezweifelt, ob die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers durch die bedingungslose Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung des Insolvenzplans (§ 258 I) tatsächlich wiederhergestellt wird.79 Inzwischen hat es die Frage – entgegen der Auffassung des LSG Sachsen80 als Vorinstanz – verneint und angenommen, dass es (auch) in diesem Fall entscheidend auf die materielle Zahlungsfähigkeit ankommt;81 das einschlägige Unionsrecht82 soll dieser Auffassung nicht entgegenstehen.83 Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Zahlungsfähigkeit erst mit der vollständigen Planerfüllung wiederhergestellt werden kann. Vielmehr kann auch während der Planerfüllung ein Zustand eintreten, in dem der Schuldner wieder „in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen.“84 Wird dagegen während des Zeitraums der Planüberwachung ein neuer Insolvenzan- 30 trag gestellt, wird nach Auffassung des BSG damit lediglich die auch im Zeitpunkt der Aufhebung des vorherigen Insolvenzverfahrens noch anzunehmende Zahlungsunfähigkeit erneut offenkundig.85 Daher kann bei Planüberwachung nicht der Beweis erbracht werden, dass der Schuldner zwischenzeitlich materiell zahlungsfähig war und ihn nur unvorhergesehene Umstände wieder in die Zahlungsunfähigkeit gebracht haben.86 In der

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So BSGE 90, 157, 158 mwN = ZIP 2003, 445; BSGE 112, 235 Rn 16 = ZIP 2013, 795; BSG ZIP 2015, 1402 Rn 14, 17. Vgl § 183 I 2 SGB III-E idF der Stellungnahme des BRat zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 17/6853 S 2 und die abl Gegenäußerung der BReg, S 18. So BSGE 90, 157, 159 = ZIP 2003, 445; BSGE 100, 282 Rn 13 = ZIP 2008, 1989. LSG Sachsen v 9.3.2011 – L 1 AL 51/07, BeckRS 2011, 72834. So BSGE 112, 235 Rn 19 = ZIP 2013, 795; BSG ZIP 2015, 1402 Rn 14. Im Streitfall: Art 2 I der Richtlinie des Rates über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers v 20.10.

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1980 (80/987/EWG), ABl Nr L 283, S 23 idF der Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.9.2002, ABl Nr L 270, S 10. Vgl heute Art 2 I der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (kodifizierte Fassung) v 22.10.2008, ABl Nr L 283, S 36. So BSGE 112, 235 Rn 21 ff = ZIP 2013, 795; BSG ZIP 2015, 1402 Rn 19 f; zust Kolbe ZInsO 2014, 2155, 2157 f. So die Definition in BSGE 112, 235 Rn 16 = ZIP 2013, 795; BSG ZIP 2015, 1402 Rn 14. So BSGE 90, 157, 161 = ZIP 2003, 445; abl HambK/Thies InsO6 § 260 Rn 7. So auch Braun SGb 2009, 437, 439.

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jüngsten Entscheidung des BSG zu dieser Konstellation heißt es dazu, „bei vorgesehener und andauernder Planüberwachung [werde] trotz Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 InsO) der weiter gegebene Zusammenhang mit dem einmal eröffneten Insolvenzverfahren dadurch dokumentiert, dass Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters und gegebenenfalls des Gläubigerausschusses sowie die Aufsicht des Insolvenzgerichts insoweit fortbestehen“; „[i]n einer solchen Situation komm[e] […] die Wiedererlangung der Fähigkeit des Schuldners, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen erfüllen zu können, nicht in Betracht.“87 31 Schließlich ist davon auszugehen, dass auch bei einem Insolvenzantrag nach Aufhebung der Überwachung der Planerfüllung nach Ablauf der festgesetzten Frist (vgl § 268 I Nr 2) nicht zwingend ein neues Insolvenzereignis vorliegt. Zwar hatte das LSG Sachsen im Fall der Insolvenz des VfB Leipzig angenommen, der vorleistungspflichtige Arbeitnehmer88 solle sich darauf verlassen können, „dass die formell ordnungsgemäße Beendigung des überwachten Insolvenzplanverfahrens ohne einen zeitgleich oder zumindest sehr zeitnah dazu gestellten erneuten Insolvenzantrag bedeutet, dass er vom Schutz der Insolvenzgeld-Versicherung erfasst wird.“89 Das BSG hat dagegen angenommen, dass auch die Aufhebung der Überwachung allein für die Feststellung eines neuen Insolvenzereignisses nicht genüge,90 die Frage aber zuletzt offen gelassen.91 32 Im Falle der übertragenden Sanierung ist dagegen davon auszugehen, dass die Insolvenz der Übernahmegesellschaft ein neues Insolvenzereignis iSv § 165 I S 2 SGB III darstellt. Zwar tritt die Übernahmegesellschaft in die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen ein (§ 613a I 1 BGB). Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass ihr auch das erste Insolvenzereignis zugerechnet wird. Insoweit hat die übertragende Sanierung gegenüber der Rechtsträgersanierung aus Sicht der Arbeitnehmer tatsächlich Vorteile. 5. Berufsrechtliche Bedeutung der Überwachung

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Besondere Bedeutung hat die Überwachung des Insolvenzplans im Gewerberecht. Dort gibt es zahlreiche Gewerbe, bei denen die Zulassung zu versagen bzw zu widerrufen ist, wenn der Gewerbetreibende in ungeordneten Vermögensverhältnisse lebt. Dies gilt namentlich für das Bewachungs- (§ 34a I 3 Nr 2 GewO) und das Versteigerungsgewerbe (§ 34b IV Nr 2 GewO), für Makler, Bauträger, Baubetreuer (§ 34c II Nr 2 GewO) sowie für Versicherungs- (§ 34d II Nr 2, III 1 Nr 3 GewO), Finanzanlagen- (§ 34e II Nr 2 GewO) und Immobiliendarlehensvermittler (§ 34i II Nr 2 GewO). Darüber hinaus begründen die Überschuldung und die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit grundsätzlich die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden und rechtfertigen damit die Gewerbeuntersagung (§ 35 I GewO).92 34 In allen diesen Fällen finden die besagten Tatbestände keine Anwendung während eines Insolvenzverfahrens, während der Zeit, in der Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO an-

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So BSGE 100, 282 Rn 14 = ZIP 2008, 1989; iE ebenso LSG Sachsen NZI 2011, 608, 609 f. Zu dieser Begründung von Insolvenzschutzregelungen vgl Piekenbrock ZZP 122 (2009), 63, 77, 84 f.

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So LSG Sachsen NZI 2011, 608, 612; iE entsprechend SG Karlsruhe NZS 2012, 916 f; MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 21 f. BSG v 6.12.2012 – B 11 AL 10/11 R, BeckRS 2013, 68049 Rn 17. BSG ZIP 2015, 1402 Rn 18. Vgl etwa BVerwGE 152, 39 Rn 14 mwN.

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Überwachung der Planerfüllung

§ 260

geordnet sind, und während der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans (§ 260 InsO), soweit das Gewerbe zur Zeit des Eröffnungsantrags bereits ausgeübt worden war (§ 12 S 1 GewO). Das bedeutet, dass die ungeordneten Vermögensverhältnisse im Interesse der Unternehmensfortführung durch die insolvenzrechtlichen Maßnahmen quasi kompensiert werden.93 Dagegen könnte ohne die Überwachung nicht davon ausgegangen werden, dass die Vermögensverhältnisse allein aufgrund des rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans wieder geordnet sind. Bei Rechtsdienstleistern (vgl § 12 I Nr 1 lit b, II RDG) liegen ungeordneten Vermögens- 35 verhältnisse dagegen bereits dann nicht mehr vor, wenn die Gläubigerversammlung einer Fortführung des Unternehmens auf der Grundlage eines Insolvenzplans zugestimmt und das Gericht den Plan bestätigt hat (§ 12 II 2 RDG). Auf die Überwachung des Insolvenzplans kommt es danach nicht an.94 Schließlich steht der Vermögensverfall der Zulassung als Rechtsanwalt (§§ 7 Nr 9, 14 36 Nr 7 BRAO), Notar (§ 50 I Nr 6 BNotO), Patentanwalt (§§ 14 Nr 9, 21 II Nr 8 PatO), Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter (§ 46 II Nr 4 StBerG) und als Wirtschaftsprüfer (§§ 16 I Nr 7, 20 II Nr 5 WPO), aber auch der Eintragung in die Architektenliste95 und der Bestellung als öffentlich bestellter Vermessungsingenieur96 entgegen. Eine ausdrückliche Regelung wie in § 12 S 1 GewO oder § 12 II S 2 RDG besteht dabei nicht. Allerdings geht der BGH wie bei § 12 II S 2 RDG davon aus, dass die Vermögensverhältnisse im Falle eines Insolvenzverfahrens wieder geordnet sind, wenn ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan vorliegt.97 6. Überwachung der Planerfüllung nach dem KredReorgG Das Rechtsinstitut der Planüberwachung hat der Gesetzgeber auch in die Regelungen 37 zum Reorganisationsverfahren für Kreditinstitute übernommen (§ 22 II KredReorgG). Danach kann im gestaltenden Teil des Reorganisationsverfahrens vorgesehen werden, dass der Reorganisationsberater (§§ 7 V 1, 3 I 2 KredReorgG) die Erfüllung des Reorganisationsplans auch nach Aufhebung des Reorganisationsverfahrens überwacht (§ 22 II 1 KredReorgG). Dagegen ist eine vergleichbare Überwachung der Erfüllung des weniger invasiven Sanierungsplans (§ 2 II KredReorgG) nicht vorgesehen.

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Vgl RegE zu Art 75 EGInsO, BT-Drucks 12/ 3803 S 103. Eine Auseinandersetzung mit § 12 GewO findet sich im RegE zu RDG § 12, BTDrucks 16/3655 S 68 leider nicht. Vgl beispielhaft in Baden-Württemberg § 6 II Nr 1 ArchG idF vom 28.3.2011, GBl S 152.

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Vgl beispielhaft in Baden-Württemberg § 1 II Nr 5 ÖbVI-BO vom 8.6.2013, GBl S 135. BGH ZInsO 2010, 1380 Rn 12; NZI 2012, 106 Rn 8; Beschl v 4.4.2012 – AnwZ (Brfg) 62/11, Rn 4, AnwBl 2012, 655 (LS).

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§ 261 Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters (1) 1Die Überwachung ist Aufgabe des Insolvenzverwalters. 2Die Ämter des Verwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses und die Aufsicht des Insolvenzgerichts bestehen insoweit fort. 3§ 22 Abs. 3 gilt entsprechend. (2) 1Während der Zeit der Überwachung hat der Verwalter dem Gläubigerausschuß, wenn ein solcher bestellt ist, und dem Gericht jährlich über den jeweiligen Stand und die weiteren Aussichten der Erfüllung des Insolvenzplans zu berichten. 2Unberührt bleibt das Recht des Gläubigerausschusses und des Gerichts, jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Zwischenbericht zu verlangen. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.3.2; DiskE/RefE § 297; RegE § 308; Begr zu RegE § 308, BTDrucks 12/2443 S 215. Vorgängerregelung: § 92 VglO. Literatur S zu §§ 254, 260; Huber Das Bankgeheimnis in der Insolvenz des Kunden, ZInsO 2001, 289; Lissner, Die gesetzliche Planüberwachung in § 261 InsO – eine zum Teil fragwürdige Bestimmung?, ZInsO 2012, 1452; Lüke Zur Haftung des Insolvenzverwalters im Planverfahren, FS Uhlenbruck (2000), S 519; Madaus, Möglichkeiten und Grenzen von Insolvenzplanregelungen, ZIP 2016, 1141; Uhlenbruck Die Rechtsstellung des Sequesters le lege lata und des vorläufigen Insolvenzverwalters de lege ferenda, KTS 1990, 15; Smid Grund und Grenzen einer Prozessstandschaft des Sachwalters im Planerfüllungsverfahren, NZI 2006, 201.

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . 1 2. Stellung des früheren Sachwalters im Vergleich zum Insolvenzverwalter . . 3 II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . . 4 1. Fortbestand der Ämter des Insolvenzverwalters und ggf der Mitglieder des Gläubigerausschusses . . . . . . 4 2. Rechte des Insolvenzverwalters . . . 6 a) Umfang der Rechte des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . 6 b) Durchsetzung des Rechts des Insolvenzverwalters aus § 22 III S 1 . . . . . . . . . . . . . . . 8

3. Pflichten des Insolvenzverwalters . . 4. Pflichten des Schuldners bzw der Übernahmegesellschaft . . . . . . . . 5. Rechte und Pflichten des Gläubigerausschusses bzw seiner Mitglieder . . 6. Aufgaben des Insolvenzgerichts . . . 7. Planüberwachung in der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . III. Abweichende Regelungen im Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Modifikation der Pflichten des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . 2. Überwachung durch einen oder mehrere Sachwalter . . . . . . . . . .

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1. Gesetzgebungsgeschichte

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§ 261 stellt gegenüber der Überwachung der Erfüllung eines Vergleichs einen Paradigmenwechsel dar. Danach erfolgte die Überwachung durch einen im Vergleich bezeichneten Sachwalter (§ 91 I VglO), der die in §§ 39, 40 I, 42, 57 VglO bezeichneten Rechte und Pflichten des Vergleichsverwalters hatte (§ 92 I 1 VglO). Dabei war auch die Bezeichnung mehrerer Personen möglich, die die Geschäfte gemeinschaftlich geführt haben (§ 92 I 2 VglO). Von diesem Regelungskonzept hat der Gesetzgeber im Zuge der Insolvenzrechts-

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Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters

§ 261

reform Abstand genommen1 und die Überwachung dem Insolvenzverwalter anvertraut (§ 261 I 1), dessen Amt insoweit fortbesteht (§ 261 I 2). Maßgeblich dafür war, dass der Insolvenzverwalter den Plan vielfach selbst ausgearbeitet hat (§ 218 I 1) und ansonsten aufgrund der eigenen Stellungnahme (§ 232 I Nr 3) mit dem Inhalt des Plans bestens vertraut ist.2 In Österreich obliegt die Überwachung des Sanierungsplans dagegen einem Treuhänder, den der Schuldner in dem von ihm vorgelegten Sanierungsplan (vgl § 140 I IO) zu bezeichnen hat (§ 157 I 1 IO). Hier sind die Fundamente des ursprünglich gemeinsamen Vergleichsrechts (§ 260 Rn 1) noch deutlich sichtbar. Da die Benennung des bisherigen Verwalters jedoch üblich zu sein scheint,3 ist der praktische Unterschied zu § 261 I InsO insoweit nicht sehr groß. Die heutige Regelung in § 261 entspricht weitestgehend bereits § 297 DiskE. § 297 2 RefE hat lediglich eine kleine redaktionelle Änderung vorgenommen, indem in § 296 II RefE statt vom Plan vom Insolvenzplan die Rede ist. § 308 RegE entsprach wörtlich § 297 RefE. Auch im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren hat es keine weiteren Änderungen des Textes mehr gegeben. 2. Stellung des früheren Sachwalters im Vergleich zum Insolvenzverwalter Der Sachwalter hatte keine mit dem Vergleichsverwalter vergleichbare amtsähnliche 3 Stellung,4 sondern leitete seinen Auftrag vom Schuldner ab.5 Seine Aufgaben umfassten nach § 92 I S 1 VglO die Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners und die Geschäftsführung, die Überwachung der Ausgaben für die Lebensführung des Schuldners und seiner Familie (§ 39 VglO), das Betreten der Geschäftsräume des Schuldner (§ 40 I 1 VglO) sowie Bucheinsicht- und Auskunftsrechte (§ 40 I 2 VglO). Das entspricht §§ 261 I S 3 III. Außerdem bedurfte die Begründung von Verbindlichkeiten außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsgangs der Zustimmung des Sachwalters (§ 57 I 1 VglO). Im Übrigen konnte er der Begründung von Verbindlichkeiten widersprechen (§ 57 I 2 VglO). Allerdings hatte die Zuwiderhandlung des Schuldners keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Verpflichtungsbegründung.6 Schließlich konnte der Sachwalter – ebenfalls beschränkt auf die Wirkung im Innenverhältnis7 – die Übernahme der Kassenführung verlangen (§ 57 II VglO). Daneben konnten im Außenverhältnis Verfügungsverbote fortbestehen oder neu erlassen werden, so dass Verfügungen ohne Zustimmung des Sachwalters den Gläubigern gegenüber unwirksam waren (§§ 94, 59, 62, 64 VglO). Dass der Sachwalter allen Beteiligten gegenüber für die gewissenhafte Erfüllung seiner Pflichten verantwortlich war (§ 42 VglO), wurde einer Drittwirkung des zwischen dem Schuldner und dem Sachwalter geschlossenen Vertrags entnommen.8

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So die Begr 1. Ber InsRKomm S 206 zu LS 2.3.1. So die Begr zu RegE zu § 308, BT-Drucks 12/ 2443 S 215. So Konecny/Schubert/Mohr Kommentar zu den Insolvenzgesetzen56 § 157 KO Rn 11 (Stand: VII/2009) zum früheren Konkursrecht.

4 5 6 7 8

Bley/Mohrbutter VglO4 § 92 Rn 3. BGHZ 35, 32, 36. BGHZ 67, 223, 227. Vgl nur Bley/Mohrbutter VglO4 § 57 Rn 42, 43. So BGHZ 35, 32, 36.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

II. Einzelerläuterung 1. Fortbestand der Ämter des Insolvenzverwalters und ggf der Mitglieder des Gläubigerausschusses

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§ 261 I S 1 weist die Aufgabe der im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehenen Überwachung der Erfüllung des Plans dem Insolvenzverwalter zu. Folgerichtig bleibt dieser im Amt, auch wenn sich seine Befugnisse nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr nach § 80 richten können. Mit dem Rückfall der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis obliegt damit auch die Unternehmensleistung – vorbehaltlich §§ 263, 264 II – grundsätzlich dem Schuldner bzw dessen Vertretungsorganen.9 Damit ist grundsätzlich der Schuldner prozessführungsbefugt und nicht der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes.10 Auch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner (vgl § 259 Rn 11) werden von der Überwachung der Planerfüllung nicht berührt.11 5 Das Amt des Insolvenzverwalters besteht vielmehr nur „insoweit“ fort, als es die Aufgabe der Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans erfordert (§ 261 I 2). Dasselbe gilt ggf für die Ämter der Mitglieder des Gläubigerausschusses nach § 68 (§ 261 I 2). Darüber hinaus kann ein Gläubigerausschuss erstmals für die Überwachung des Insolvenzplans bestellt werden.12 Insoweit gilt heute nichts anders als für den Gläubigerbeirat nach § 44 VglO.13 Des Weiteren bestehen auch die Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Insolvenzverwalter (§ 58) und die Befugnis, Mitglieder des Gläubigerausschusses von Amts wegen aus wichtigem Grund zu entlassen (§ 70), während der Überwachung der Planerfüllung fort (§ 261 I 1).14 Ein Austausch des Insolvenzverwalters ist auch in der Überwachungsphase nur unter den Voraussetzungen des § 59 möglich.15 Dagegen hat die Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens das Ende der Überwachung und damit die Einsetzung eines neuen Insolvenzverwalters zur Folge.16 2. Rechte des Insolvenzverwalters

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a) Umfang der Rechte des Insolvenzverwalters. Die konkreten Rechte und Befugnisse des Insolvenzverwalters ergeben sich durch den Verweis auf die Regelungen für den vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 22 III) in § 261 I S 3. Danach hat der Insolvenzverwalter – wie früher der Sachwalter (vgl Rn 3) – (weiterhin) das Recht, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen (§ 22 III 1), Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere zu nehmen (§ 22 III 2) und alle erforderlichen Auskünfte zu

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Vgl die Begr zu RegE § 308, BT-Drucks 12/ 2443 S 215. Vgl BGH ZIP 2008, 2094 Rn 11; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 261 Rn 7. AA für Gläubiger aus unerlaubten Handlungen während des Insolvenzverfahrens BK/ Wehner InsO66 (Stand: X/2017) § 261 Rn 9; dem folgend MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 28. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 261 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO6 § 261 Rn 3; BK/ Breutigam InsO66 (Stand: X/2017) § 260 Rn 9; Frank Überwachung der Planerfül-

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lung Rn 152; Hess InsO2 § 261 Rn 7; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 261 Rn 15; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 261 Rn 1. Vgl nur Bley/Mohrbutter VglO4 § 96 Rn 6. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 261 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 261 Rn 19 f. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 261 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 261 Rn 4, 19. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 261 Rn 6.

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Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters

§ 261

verlangen (§ 22 III 3 Hs 1). Dieselben Rechte nach § 22 III hat der Insolvenzverwalter ggf auch gegenüber einer Übernahmegesellschaft iSv § 260 III.17 Dieses Recht ist umfassend und dient dazu, den eigenen Informationserhebungs- und Berichtspflichten (Rn 14 ff) gerecht zu werden. Es umfasst daher auch die Einsicht in Steuerunterlagen und betriebswirtschaftliche Auswertungen.18 Soweit der Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren kraft § 80 befugt war, Auskünfte 7 von Dritten zu verlangen, bestehen auch diese Rechte fort, soweit sie für die Überwachung von Bedeutung sind.19 Zur Vereinfachung sollten aber im Insolvenzplan ausdrückliche Regelungen dazu getroffen werden, welche Informationsrechte der Insolvenzverwalter während der Planüberwachung Dritten gegenüber haben soll.20 b) Durchsetzung des Rechts des Insolvenzverwalters aus § 22 III S 1. Dass der Insol- 8 venzverwalter (weiterhin) die Geschäftsräume des Schuldners betreten darf, berührt das Grundrecht aus Art 13 I GG;21 soweit die dortigen „Nachforschungen“ iSv § 22 III S 1 als Durchsuchung iSv Art 13 II GG zu qualifizieren sind,22 unterliegen sie zusätzlich dem Richtervorbehalt (Art 13 II GG).23 Zwar wird von einer Durchsuchung regelmäßig nur gesprochen, wenn sie von staatlichen Organen ausgeht.24 Diese Voraussetzung liegt beim Insolvenzverwalter nicht vor. Gleichwohl bedarf die Durchsuchung in diesem Fall erst recht einer entsprechenden richterlichen Ermächtigung, wenn der Schuldner nicht einwilligt, und eines Vollstreckungstitels, wenn die Pflicht zur Duldung der Durchsuchung mit Hilfe des Gerichtsvollziehers und ggf der polizeilichen Vollzugsorgane unter Anwendung von Gewalt gegen den Schuldner durchgesetzt werden muss (§§ 892, 758 III ZPO).25 Nun mag im Stadium der Überwachung der Planerfüllung eher fernliegen, dass sich der Schuldner unkooperativ verhält und dem Insolvenzverwalter den Zutritt verweigert. Das entbindet die Rechtsdogmatik aber nicht von der Antwort auf die Frage, wie sich der Insolvenzverwalter ggf Zutritt verschaffen kann. Abgesehen davon wird die Verweigerung des Schuldners während der Planüberwachung – anders als bei § 40 I S 1 VglO, auf den § 22 III zurückgeht26 – nicht mehr mittelbar sanktioniert. Wenn der Schuldner seiner Pflicht, die „Nachforschungen“ des Vergleichsverwalters zu dulden, nicht nachkam, konnte das Vergleichsverfahren eingestellt (§ 100 I Nr 4 VglO) und der Anschlusskonkurs eröffnet werden (§ 101 VglO). Somit bestand zwar kein unmittelbares Zwangsmittel zur Durchsetzung

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Frank Überwachung der Planerfüllung Rn 483; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 261 Rn 15. Vgl MünchKomm/Stephan InsO3 § 261 Rn 7. AA für das Verlangen nach Auskunft oder Rechnungslegung gegenüber einem Kreditinstitut des Schuldners Huber ZInsO 2001, 289, 297; dem folgend FK/Jaffé InsO9 § 262 Rn 12 (dort fälschlich: „Hubert“). Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsR3 § 258 Rn 4. Zum maßgeblichen weiten Wohnungsbegriff iSv Art 13 I GG grundlegend BVerfGE 32, 54, 68 ff. Dazu etwa BVerfGE 51, 97, 106 f. Danach muss es sich um eine ziel- und zweckgerichtete Suche nach Personen oder Sachen oder

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zur Ermittlung eines Sachverhalts handeln, „um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will“. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Schuldner nur eine konkrete Handlung in seiner Wohnung wie den Einbau eines Rauchmelders zu dulden hat. Vgl dazu Rosenberg/Gaul/Schilken/Becker-Eberhard Zwangsvollstreckungsrecht12 § 26 Rn 38. So BVerfGE 51, 97, 107. Dagegen hat BGH ZIP 2008, 476 Rn 7 die Anordnung des Einsatzes des Gerichtsvollziehers im Eröffnungsverfahren als eine nach §§ 758 I, 883 I ZPO zulässige Hilfstätigkeit angesehen. Vgl Begr zu RegE § 26, BT-Drucks 12/2443 S 117.

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der Duldungspflicht, aber ein mittelbares Druckmittel.27 Dagegen kann der Insolvenzverwalter nur das Gericht und den Gläubigerausschuss über die die Verweigerung des Schuldners informieren. Die Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens kann darauf aber nicht gestützt werden, sondern setzt einen Eröffnungsgrund voraus (§ 16). Solange die Planforderungen erfüllt werden und kein erheblicher Rückstand entsteht, wird ein Gläubiger schon die Zahlungsunfähigkeit kaum glaubhaft machen können, so dass der Eröffnungsantrag regelmäßig unzulässig ist, weil kein Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht werden kann (§ 14 I 1). Da es damit an Anreizen zu kooperativem Verhalten fehlen kann, ist die Prüfung der unmittelbaren Zwangsmittel umso dringender geboten. 9 § 22 III, auf den in § 261 I S 3 verwiesen wird, steht bekanntlich im Regelungskontext des Insolvenzeröffnungsverfahrens. Dort wird zum Teil die richterliche Anordnung iSv Art 13 II GG im Bestellungsbeschluss (§ 21 II 1 Nr 1) gesehen,28 der zugleich einen Vollstreckungstitel iSv § 794 I Nr 3 ZPO darstellen soll.29 Allerdings fehlt in einem bloßen Bestellungsbeschluss bereits die hinreichende Bestimmung des Vollstreckungsgegenstandes, weil sich die Befugnis zu den „Nachforschungen“ in den Geschäftsräumen des Schuldners aus dem Gesetz ergibt (§ 22 III 1)30 und – insoweit abweichend von der Sequestration nach § 106 KO31 – nicht zwingend im Bestellungsbeschluss angeordnet werden muss. Es ist daher richtig, dass in § 38 Nr 27 GVGA nur der Eröffnungsbeschluss als Vollstreckungstitel erwähnt wird (§§ 34, 148). Muss die Befugnis nach § 22 III zwangsweise durchgesetzt werden, ist daher ein gesonderter Beschluss des Insolvenzgerichts mit Durchsuchungsanordnung erforderlich,32 der auf § 21 I S 1 gestützt werden kann und daher als beschwerdefähig (§ 21 I 2) die Voraussetzungen von § 794 I Nr 3 ZPO erfüllt. 10 Allerdings hat sich die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 21 II S 1 Nr 1 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohnehin erledigt33 und kann daher die Befugnisse aus §§ 261 I S 3, 22 III nicht mehr legitimieren. Vielmehr ist hier zu erwägen, ob die Anordnung der Befugnis zu „Nachforschungen“ in den Geschäftsräumen des Schuldners dem Eröffnungsbeschluss nach § 27 I S 1 entnommen werden kann. Zwar soll es nach der Rechtsprechung des BVerfG zu § 758 ZPO dem Richtervorbehalt nicht genügen, dass „ein Richter einen Titel mit dem ausdrücklichen Zusatz geschaffen hat, er sei vollstreckbar“.34 Mit dem (richterlichen) Eröffnungsbeschluss35 wird jedoch zugleich ein Herausgabetitel geschaffen (§ 148 II), der nach ganz herrschender Auffassung ohne gesonderte richterliche Durchsuchungsanordnung iSv Art 13 II GG vollstreckt werden kann.36 Gleich27 28

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Vgl Bley/Mohrbutter VglO4 § 40 Rn 2. Vgl U. Pohlmann Befugnisse und Funktionen des vorläufigen Insolvenzverwalters (1998), Rn 128; MünchKomm/Haarmeyer InsO3 § 22 Rn 179. So MünchKomm/Haarmeyer InsO3 § 22 Rn 179; zu § 23 III RefE schon Uhlenbruck KTS 1990, 15, 25. Vgl BGHZ 158, 212, 216. Nach Jaeger/Weber KO8 § 106 Rn 12 waren die Aufgaben des Sequesters im Anordnungsbeschluss näher darzulegen; einen Vollstreckungstitel sah Weber (aaO) darin aber nicht. Gleichwohl wurde in der Anordnung zum Teil eine Anordnung nach Art 13 II GG gesehen. Vgl in diesem Sinne Uhlenbruck KTS 1982, 201, 206; Koch Die Sequestration im Konkurseröffnungsverfahren (1982),

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S 78, der auch unbestimmte Titel genügen lassen will; aA Herbert Die Sequestration im Konkursantragsverfahren (1989), S 117. So auch Jauernig/Berger ZwVInsR23 § 54 Rn 35. Dem Fall BGH ZIP 2008, 476 lag ein solcher gesonderter Beschluss zugrunde. Vgl BGH ZIP 2008, 476 Rn 3. So BVerfGE 51, 97, 109 f. Zum Richtervorbehalt vgl § 18 I Nr 1 RPflG. So etwa MünchKomm/Füchsl/Weishäupl/ Jaffé InsO3 § 148 Rn 68. Dazu umfassend Jaeger/Eckardt InsO § 148 Rn 96 ff, der allerdings nach reinen Geschäfts- und auch privat genützten Räumen differenziert und für Privaträume eine richterliche Anordnung verlangt (Rn 108); aA grundsätzlich MünchKomm/Stürner InsO3 Einl Rn 89.

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Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters

§ 261

wohl kann man nicht annehmen, dass der Eröffnungsbeschluss nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens insoweit fortwirkt, wie dem Insolvenzverwalter die durch die Verfahrenseröffnung verliehenen Befugnisse während der Überwachung im Umfang von § 22 III fortwirken. Vielmehr hat der Insolvenzverwalter die (ehemalige) Masse als Kehrseite zu § 148 I wieder an den Schuldner herauszugeben (§ 259 Rn 14). Damit kann § 148 II aber keine richterliche Anordnung nach Art 13 II GG im Stadium der Überwachung begründen. Im Übrigen würde dieser Begründungsansatz zum einen bei der Überwachung durch 11 den „gesetzlichen Sachwalter“ (§ 284 II) nicht tragen, weil dem Sachwalter in der Eigenverwaltung kein Herausgabeanspruch nach § 148 I zusteht.37 Vielmehr bleiben die Kontrollbefugnisse des Sachwalters mit dem Übergang vom Insolvenzverfahren in die Planüberwachung unverändert, weil auch § 274 II S 2 auf § 22 III verweist. Die (richterliche) Bestellung nach § 270c S 1 stellt hier aber wie im Eröffnungsverfahren nicht einmal einen hinreichend konkreten Vollstreckungstitel dar und ersetzt erst recht keine Anordnung nach Art 13 II GG. Zum anderen fehlt es bei der Überwachung einer Übernahmegesellschaft am Eröffnungsbeschluss. Weiterhin kann auch nicht angenommen werden, die richterliche Anordnung liege im 12 (richterlichen) Bestätigungsbeschluss nach § 248, der als Vollstreckungstitel zur Durchsuchung der Geschäftsräume ebenfalls viel zu unbestimmt wäre. Schließlich ist eine richterliche Anordnung der Durchsuchung nicht deshalb entbehrlich, weil es sich nicht um hoheitliche Eingriffe in die Grundrechte des Schuldners handele, sondern um Regelungen des Insolvenzplans.38 Denn damit wird impliziert, der Schuldner habe dem Betreten mit dem Insolvenzplan zugestimmt. Tatsächlich ist aber sogar der Widerspruch des Schuldners gegen den Insolvenzplan in der Regel unbeachtlich (§ 260 Rn 15 f). Zwar muss die Übernahmegesellschaft der Überwachung ausdrücklich zugestimmt haben, weil sie nicht Beteiligte des Insolvenzverfahrens ist (§ 260 Rn 22). Daraus folgt jedoch nicht, dass die Durchsetzung der Rechte aus §§ 261 I S 3, 22 III nunmehr ohne Titel und ggf ohne richterliche Anordnung nach Art 13 II GG erfolgen kann. Daraus folgt, dass der Insolvenzverwalter in der Überwachung wie der vorläufige In- 13 solvenzverwalter im Eröffnungsverfahren einen Titel und ggf eine richterliche Anordnung nach Art 13 II GG benötigt, um die Geschäftsräume zu durchsuchen. Die Grundlage für den Erlass dieser Maßnahmen kann allerdings nicht ohne weiteres in § 21 I gesehen werden, weil § 261 I S 3 darauf nicht verweist. Aber auch § 98, auf den § 22 III S 3 Hs 2 verweist, erfasst nur die Durchsetzung der Pflichten aus § 97 und nicht auch aus § 22 III S 1. Schließlich besteht nach § 261 I S 2 nur die Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Insolvenzverwalter fort (§ 58) (Rn 22); Maßnahmen gegen den Schuldner sind davon nicht erfasst. Gleichwohl wird man den Verweis auf § 22 III S 1 so lesen können, dass das Insolvenzgericht auch die Befugnisse hat, die zur Durchsetzung dieses Rechts erforderlichen Anordnungen zu treffen. Andernfalls bliebe nur die Möglichkeit, dass der Insolvenzverwalter eine einstweilige Regelungsverfügung erwirkt. Da die Privaträume des Schuldners von § 22 III S 1 nicht erfasst werden, darf der Insolvenzverwalter sie ohne Einwilligung des Schuldners nicht betreten. Auch für eine entsprechende richterliche Anordnung39 fehlt es in der Überwachung an einer Ermächtigungsgrundlage.

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Soweit Jaeger/Eckardt InsO § 148 Rn 16 die „Gebote des § 148 I“ auch in der Eigenverwaltung für maßgeblich hält, ist damit selbstverständlich kein Herausgabeanspruch des Sachwalters intendiert.

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So aber Smid/Rattunde/Martini Insolvenzplan4 Rn 25.8. Dazu Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 261 Rn 3a; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 261 Rn 17.

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3. Pflichten des Insolvenzverwalters

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Mit den soeben beschriebenen Rechten korrespondiert zum einen zugleich die Pflicht, diese Befugnisse auszuüben, soweit dies für die Erfüllung der Überwachungsaufgabe im Einzelfall erforderlich ist. Daher darf sich der Insolvenzverwalter nicht ohne weiteres auf turnusmäßige Berichte des Schuldners über die bisherige Erfüllung des Insolvenzplans verlassen, sondern muss eigene Erkundigungen einziehen.40 Insoweit kann man von einer Pflicht zur Informationserhebung sprechen. Zum anderen trifft den Insolvenzverwalter während der Überwachung eine Berichtspflicht. Insbesondere muss der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht und ggf den Mitgliedern des Gläubigerausschusses jährlich über den jeweiligen Stand und die weiteren Aussichten der Erfüllung des Insolvenzplans berichten (§ 261 II 1). Den Gläubigern gegenüber besteht die Berichtspflicht dagegen nicht; diese sind vielmehr auf ihr Akteneinsichtsrecht verwiesen (§ 4 iVm § 299 I ZPO).41 15 Da die Überwachung maximal drei Jahre ab der Aufhebung des Insolvenzverfahrens dauert (§ 268 I Nr 2), richtet sich der Berichtszeitraum weder nach dem Kalender- noch nach dem Geschäftsjahr, sondern beginnt jeweils am Tag bzw am Jahrestag der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. In dem turnusmäßig zu erstattenden Bericht muss der Insolvenzverwalter sowohl den bisherigen Verlauf der Planerfüllung dokumentieren als auch die Umstände mitteilen, die für die weitere Erfüllung von Bedeutung sind.42 Dabei kommt Umständen, die im darstellenden Teil des Insolvenzplans für die künftige Geschäftsentwicklung aufgenommen worden sind (§ 220 II), besondere Bedeutung zu. Zu nennen sind hier insbesondere betriebswirtschaftliche Planzahlen, denen die Ist-Entwicklung gegenübergestellt wird. 16 Auf Anforderung ist der Insolvenzverwalter darüber hinaus verpflichtet, einzelne Auskünfte zu erteilen oder Zwischenberichte vorzulegen (§ 261 II 2). Dafür ist ihm jedoch eine angemessene Frist zu setzen; sofortige Auskünfte können dagegen nicht verlangt werden.43 Auch die Modalitäten dieses Auskunftsrechts können im Insolvenzplan festgeschrieben werden.44 Schließlich trifft den Insolvenzverwalter ggf die Anzeigepflicht nach § 262 (§ 262 Rn 3 ff). 17 Verletzt der Insolvenzverwalter seine (nur noch eingeschränkten) Pflichten in der Überwachungsphase,45 haftet er allen Beteiligten auf Schadensersatz (§ 60 I).46 Dass diese Anspruchsgrundlage auch nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens unmittelbar anwendbar ist,47 ist die Folge von § 261 I S 2, so dass den Insolvenzverwalter auch während der Planüberwachung insolvenzspezifische Pflichten treffen können. Die im Vergleichsrecht erforderliche Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (vgl Rn 3) ist damit für das Insolvenzplanverfahren überholt, soweit die Überwachung innerhalb des Ord-

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Vgl Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 261 Rn 4. Vgl MünchKomm/Stephan InsO3 § 261 Rn 8. Frank Überwachung, Rn 86, 87. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 261 Rn 10. So FK/Jaffé InsO9 § 261 Rn 10; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 261 Rn 10. So der Hinweis von Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 261 Rn 3a. BeckOK/Freund InsO10 § 261 Rn 5; BK/ Wehner InsO66 (Stand: X/2017) § 261 Rn 13; Braun/Braun/Frank InsO6 § 261 Rn 9; Frank

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Überwachung, Rn 129; Haarmeyer/Wutzke/ Förster/Wenzel InsO2 § 261 Rn 11; Häsemeyer InsR4 Rn 28.56; HambK/Thies InsO6 § 261 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 261 Rn 6; Lüke FS Uhlenbruck, S 519, 535; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 261 Rn 6; A Schmidt/Ellers SanierungsR § 261 Rn 2; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 120; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 261 Rn 18. Für analoge Anwendung dagegen Lissner ZInsO 2012, 1452, 1453.

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Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters

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nungsrahmens der §§ 261–269 erfolgt. Für die Überwachung durch den „gewillkürten Sachwalter“ ist sie dagegen nach wie vor virulent (Rn 29). Die Verjährungshöchstfrist von drei Jahren (§ 62 S 2), die an die Stelle von § 199 III tritt,48 läuft dann ab der „Beendigung der Überwachung“ (§ 62 S 3). Verwiesen wird damit auf die Wirksamkeit des Beschlusses, durch den die Überwachung aufgehoben worden ist (§ 268). Da der Beschluss mit Beginn des dritten Tages nach der öffentlichen Bekanntmachung wirksam wird (§ 268 Rn 13), beginnt zum selben Zeitpunkt auch die Verjährung zu laufen (§ 187 II BGB).49 4. Pflichten des Schuldners bzw der Übernahmegesellschaft Die Pflichten des Schuldners bzw der Übernahmegesellschaft (§ 260 III) während der 18 Planüberwachung und die Möglichkeiten, diese durchzusetzen, ergeben sich zum Teil aus §§ 261 I S 3, 22 III selbst und im Übrigen durch Verweisung auf §§ 97, 98, 101 I S 1, 2, II. Danach hat der Schuldner dem Insolvenzverwalter, dem Insolvenzgericht und ggf dem Gläubigerausschuss alle für die Planerfüllung erforderlichen Auskünfte zu erteilen (§ 22 III 2, 97 I) und den Insolvenzverwalter bei der Erfüllung seiner Überwachungsaufgaben zu unterstützen (§ 22 III 2, 97 II). Handelt es sich beim Schuldner um eine Gesellschaft oder trifft die Pflicht eine Übernahmegesellschaft, so richten sich diese Pflichten gegen die Vertretungs- und die Aufsichtsorgane bzw die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter (§ 101 I 1).50 Die Auskunftspflicht trifft dagegen auch die früheren Organwalter und Gesellschafter, die in den letzten zwei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus ihrer Stellung ausgeschieden sind (§ 101 I 2), und die (früheren) Angestellten (§ 101 II). Diese Pflichten können vom Insolvenzgericht nach Maßgabe von § 98 zwangsweise durchgesetzt werden. Dagegen ist der Insolvenzverwalter nicht mit Hoheitsrechten beliehen und kann daher selbst keine Zwangsmaßnahmen vornehmen.51 5. Rechte und Pflichten des Gläubigerausschusses bzw seiner Mitglieder Der Gläubigerausschuss hat das Recht, vom Insolvenzverwalter jederzeit einzelne Aus- 19 künfte oder einen Zwischenbericht zu verlangen (§ 261 II 2). Dabei handelt es sich um ein kollegiales Recht, das der Ausschuss nur als Kollegium ausüben kann; die einzelnen Mitglieder des Ausschusses haben daher jedenfalls kein entsprechendes originäres Auskunftsrecht.52 Dasselbe gilt für das Auskunftsrecht gegenüber dem Schuldner bzw dessen Organen, Gesellschaftern und Angestellten (§§ 97 I, 101 I 1, 2, II). Dass dieses Informationsrecht von der Pflicht des Insolvenzverwalters zur Vorlage der turnusmäßig zu erstattenden Berichte (§ 261 II 1) „unberührt“ bleiben soll, zeigt, dass es in § 261 II S 2 nicht begründet wird. Vielmehr handelt es sich um ein Recht, das in der Überwachungspflicht des

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BGH ZIP 2018, 1402 Rn 4; BeckOGK/Piekenbrock BGB § 195 Rn 88 (Stand: 1.8.2018); MünchKomm/Brandes/Schoppmeyer InsO3 § 62 Rn 5, dort allerdings mit Bezug zu § 199 IV BGB. Zur Unanwendbarkeit der Jahresultimoregelung in § 199 I vgl nur Jaeger/Gerhardt InsO § 62 Rn 9. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 261 Rn 14. BeckOK/Freund InsO10 § 261 Rn 4; BK/ Wehner InsO66 (Stand: X/2017) § 261 Rn 9;

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Braun/Braun/Frank InsO7 § 261 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 261 Rn 4; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 261 Rn 13; MünchKomm/Stephan InsO3 § 261 Rn 6; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 261 Rn 3a; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 261 Rn 14. Jaeger/Gerhardt InsO § 69 Rn 4; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 261 Rn 16.

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Ausschusses (§ 69 S 1) wurzelt und insoweit nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortbesteht wie die Ämter der Mitglieder des Ausschusses.53 20 Keine klare Aussage findet sich in § 261 zu den Pflichten der Mitglieder des Gläubigerausschusses.54 Im Insolvenzverfahren haben diese den Insolvenzverwalter bei seiner Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen und üben damit ähnliche Befugnisse aus wie ein Aufsichtsrat. Allerdings ist die Architektur der Befugnisse bei der Planüberwachung eine ganz andere als im Insolvenzverfahren, in dem die Mitglieder des Ausschusses den verwaltungs- und verfügungsbefugten Insolvenzverwalter „zu unterstützen und zu überwachen“ haben (§ 69 S 1) und insbesondere die Kassenführung prüfen lassen müssen (§ 69 S 2). Im Regelinsolvenzverfahren ist damit eine der wesentlichen Aufgaben, die Masse vor Unterschlagungen und Veruntreuungen durch den Insolvenzverwalter zu bewahren.55 Bei der Planüberwachung ist es dagegen Aufgabe des Insolvenzverwalters, den Schuldner bei der Erfüllung des Insolvenzplans zu überwachen. Daher ist weder für die Kassenprüfung (§ 69 S 2) noch für die Beteiligung an besonders bedeutsamen Rechtshandlungen Raum (§§ 160, 276).56 Angesichts dieses Befundes stellt sich in der Tat die Frage, ob die „Überwachung des Überwachers“ nicht besser beim Insolvenzgericht angesiedelt worden wäre (vgl Rn 22).57 21 Soweit Mitglieder des Gläubigerausschusses ihre Pflichten während der Überwachung verletzen, ist für den Anspruch auf Schadensersatz § 71 unmittelbar einschlägig. Für die Verjährungshöchstfrist ist auch hier § 62 S 3 zu beachten (Rn 17), auf den in § 71 S 2 ebenfalls verwiesen wird. 6. Aufgaben des Insolvenzgerichts

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Gar nicht erwähnt wird in § 261 die Rolle des Insolvenzgerichts, dessen Funktion ebenfalls fortbesteht. Daher steht der Insolvenzverwalter auch im Planüberwachungsverfahren unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts (§ 58).58 Darüber hinaus kann das Insolvenzgericht Mitglieder des Gläubigerausschusses, deren Ämter fortbestehen (§ 261 I 2), aus wichtigem Grund entlassen (§ 70 S 1); ein Antrag der Gläubigerversammlung (§ 70 S 2) scheidet jedoch nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus. Zuständig ist in Neuverfahren seit dem 1.1.201359 stets oder Richter (§ 18 I Nr 2 RPflG). Darüber hat auch das Gericht die Informationsrechte aus §§ 261 I S 3, 22 III, 97 I S 1, 101 I S 1, 2, II und muss die entsprechenden Informationspflichten für alle Berechtigten mit den dafür vorgesehenen hoheitlichen Befugnissen bis hin zur Freiheitsentziehung (§ 98 II, III) durchsetzen. Schließlich obliegt dem Insolvenzgericht die Bekanntmachung der Planüberwachung zusammen mit der Bekanntmachung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 267) und die Aufhebung der Überwachung (§ 268).

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Frank Überwachung, Rn 153. So zutreffend Lissner ZInsO 2012, 1452, 1454. Dazu namentlich RGZ 63, 133, 137 f; BGHZ 202, 324 Rn 16 ff. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 261 Rn 19. Zur Kritik vgl Lissner ZInsO 2012, 1452, 1454. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 261 Rn 8; Frank Überwachung, Rn 159; Haarmeyer/

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Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 261 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 261 Rn 1; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 261 Rn 6, 19; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 261 Rn 2; A Schmidt/Ellers SanierungsR § 261 Rn 14. Zum Inkrafttreten von § 18 I Nr 2 RPflG vgl Art 10 S 2 ESUG. Zum Übergangsrecht vgl Art 103g S 2 EGInsO.

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Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters

§ 261

7. Planüberwachung in der Eigenverwaltung Im Falle der Eigenverwaltung tritt der Sachwalter (§ 270c) auch für die Überwachung 23 der Planerfüllung an die Stelle des Insolvenzverwalters (§ 284 II). Dieser Fall der Überwachung durch den „gesetzlichen Sachwalter“ ist streng zu trennen von der am alten Vergleichsrecht orientierten Bestellung eines „gewillkürten Sachwalters“, für den §§ 261 ff nicht gelten (vgl Rn 25). Der „gesetzliche Sachwalter“ iSv § 270c bleibt nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ebenfalls im Amt (§ 261 I 2) und hat genau dieselben Rechte und Pflichten wie der „überwachende Insolvenzverwalter“. Diese bleiben ebenfalls hinter denen im Insolvenzverfahren zurück, soweit es bspw um die Mitwirkung bei der Eingehung von Verbindlichkeiten im Innenverhältnis geht (§ 275). Dagegen sind die Regelungen zur Zustimmungsbedürftigkeit von Rechtsverhältnissen im Außenverhältnis in der Eigenverwaltung (§ 277 I) und im Planüberwachungsverfahren (§ 263) durchaus vergleichbar.

III. Abweichende Regelungen im Insolvenzplan 1. Modifikation der Pflichten des Insolvenzverwalters Die Bestimmungen in § 261 sind keineswegs immer zwingend. Vielmehr können die 24 Aufgaben des Insolvenzverwalters im Insolvenzplan mit Wirkung inter partes weitergehend modifiziert werden. So bestehen keine Bedenken, auf die regelmäßige Berichtspflicht zu verzichten.60 Da es sich um eine rein interne Maßnahme handelt und der Insolvenzverwalter auf Anforderung ohnehin stets einen Zwischenbericht vorlegen muss (§ 261 II 2), können im gestaltenden Teil des Insolvenzplans für die regelmäßige Berichtspflicht kürzere Zeitintervalle bestimmt werden,61 auch wenn sich dadurch die vom Schuldner zu tragenden Kosten der Überwachung (vgl § 269) erhöhen. 2. Überwachung durch einen oder mehrere Sachwalter Aus dem früheren Vergleichsrecht tradiert worden ist die Überwachung durch einen 25 oder mehrere Sachwalter (Rn 2), für die §§ 261 ff nicht gelten (§ 260 Rn 11).62 Dieser „gewillkürte“ Sachwalter, der nicht mit dem „gesetzlichen“ Sachwalter bei vorausgegangener Eigenverwaltung (§ 284 II) verwechselt werden darf (Rn 23), wird nicht aufgrund des ursprünglichen Bestellungsaktes des Insolvenzgerichts tätig. Anders als im Vergleichsrecht, in dem sich der Schuldner der Überwachung durch den Sachwalter unterwerfen musste (§ 91 I VglO), kann diese Form der Planüberwachungin einem vom Insolvenzverwalter vorgelegten Insolvenzplan vorgesehen sein. Für die Ernennung des „gewillkürten Sachwalters“ muss dabei weder ein Abberufungsgrund nach § 59 bestehen (vgl Rn 5), noch gibt es eine Bindung an § 56, obwohl damit zugleich das Amt des Insolvenzverwalters beendet wird (arg e § 261 I 1). Soweit es nur um die Rechte und Pflichten der Planbetroffenen geht, können die Rechte 26 und Pflichten des Sachwalters im Insolvenzplan frei bestimmt werden. Auch hier setzt jedoch die Schuldner- bzw die Drittbetroffenheit wesentliche Grenzen. So kann der „gewill-

60

61

Vgl den Formulierungsvorschlag bei Rendels/Zabel Insolvenzplan Rn 584. aA A Schmidt/Ellers SanierungsR § 261 Rn 9. AA wohl MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 13, der annimmt, der Plan könne „keine

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gegenüber den §§ 261 ff verschärfte Überwachung vorsehen.“ Vgl FK/Jaffé InsO9 § 261 Rn 2; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 19.

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§ 261

Sechster Teil. Insolvenzplan

kürte Sachwalter“ gegen den Willen des Schuldners nicht die Befugnisse nach §§ 261 I S 3, 22 III ausüben.63 27 Das OLG Düsseldorf hat allerdings angenommen, dass das Insolvenzgericht dem bisherigen Insolvenzverwalter als Sachwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über einzelne Massegegenstände belassen kann, so dass er insoweit weiterhin als Partei kraft Amtes handelt.64 Daher wurde eine Klage der Schuldnerin gegen den Sachwalter auf Erstattung bestimmter Kosten aus der verbliebenen Sondermasse als zulässig angesehen. Allerdings findet eine solche Anordnung in §§ 260, 261 keine Stütze.65 Insbesondere gibt es dort keine mit § 55 II vergleichbare Regelung, die es dem Insolvenzgericht auch ermöglicht, Einzelermächtigungen zur Verfügung über bestimmte Gegenstände oder zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten zu erteilen.66 Möglich ist vielmehr nur, im Insolvenzplan die Einwilligung des Schuldners in Verfügungen des Sachwalters (§ 185 I BGB) oder eine Vollmacht für Handlungen im Namen des Schuldners (§§ 164 I, 167 BGB) vorzusehen. Wird der Widerruf der Vollmacht ausgeschlossen, wird dadurch eine mit § 92 IV VglO vergleichbarer Zustand erreicht.67 28 In prozessualer Hinsicht ist es dem gewillkürten Sachwalter wie dem mit der Planüberwachung betrauten (ehemaligen) Insolvenzverwalter verwehrt, als Partei kraft Amtes zu prozessieren.68 Möglich ist dagegen, dass der Sachwalter im Insolvenzplan – entsprechend der materiellen Erklärung nach § 185 I BGB – auch zur Prozessführung für den Schuldner ermächtigt wird und damit als gewillkürter Prozessstandschafter des Schuldners prozessiert.69 Das kann aber lege artis keinesfalls zu der vom OLG Düsseldorf zu beurteilenden Situation führen, dass der Schuldner den Sachwalter als gewillkürten Prozessstandschafter verklagt. 29 Der „gewillkürte Sachwalter“ unterliegt nicht der Aufsicht des Insolvenzgerichts; § 58 kann schon deshalb nicht entsprechend gelten,70 weil das Insolvenzverfahren nach der Aufhebung ohne gesetzliche Planüberwachung bis auf Tätigkeiten im Rahmen von § 257 und mögliche Kostenfragen vollständig abgeschlossen ist. Darüber hinaus kann sich die Haftung des „gewillkürten Sachwalters“ nicht aus § 60 ergeben,71 sondern beruht wie bei § 91 I VglO72 auf der drittschützenden Wirkung des Geschäftsbesorgungsvertrags zwischen dem Schuldner und dem Sachwalter.73

63

64 65 66 67 68 69 70

Vgl BK/Breutigam InsO66 (Stand: Grundwerk 1998) § 261 Rn 10; MünchKomm/Stephan InsO3 § 261 Rn 11; AA jetzt BK/Wehner InsO66 (Stand: X/2017) § 261 Rn 11. OLG Düsseldorf NZI 2006, 240; zust Smid NZI 2006, 201. So auch Smid NZI 2006, 201, 202. Zu § 55 II vgl nur BGHZ 151, 353, 365 f. Vgl dazu Bley/Mohrbutter VglO4 § 92 Rn 16 f. Smid NZI 2006, 201, 204. Smid NZI 2006, 201, 204. BeckOK/Freund InsO10 § 261 Rn 8; Braun/ Braun/Frank InsO6 § 261 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 261 Rn 8. AA BK/Breutigam InsO66 (Stand: Grundwerk 1998) § 261 Rn 6. Nach BK/Wehner InsO66 (Stand: X/2017) § 261

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Rn 7 können die Gläubiger im Insolvenzplan eine Aufsicht vorsehen oder auf sie verzichten. Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 119; aA BK/Breutigam InsO66 (Stand: Grundwerk 1998) § 261 Rn 14, soweit der „gewillkürte Sachwalter“ die Rechte des Insolvenzverwalters bzw des „gesetzlichen Sachwalters“ hat. Nach BK/Wehner InsO66 (Stand: X/2017) § 261 Rn 15 kann eine Haftung in entsprechender Anwendung des § 60 im Plan festgelegt werden. BGHZ 35, 32, 36: „Vertrag zugunsten Dritter“. BeckOK/Freund InsO10 § 261 Rn 6; HambK/Thies InsO6 § 261 Rn 5; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 261 Rn 8; Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 261 Rn 6.

Andreas Piekenbrock

Anzeigepflicht des Insolvenzverwalters

§ 262

§ 262 Anzeigepflicht des Insolvenzverwalters 1Stellt

der Insolvenzverwalter fest, daß Ansprüche, deren Erfüllung überwacht wird, nicht erfüllt werden oder nicht erfüllt werden können, so hat er dies unverzüglich dem Gläubigerausschuß und dem Insolvenzgericht anzuzeigen. 2Ist ein Gläubigerausschuß nicht bestellt, so hat der Verwalter an dessen Stelle alle Gläubiger zu unterrichten, denen nach dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans Ansprüche gegen den Schuldner oder die Übernahmegesellschaft zustehen. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.3.3 II; DiskE/RefE § 298; RegE § 309; Begr zu RegE § 309, BT-Drucks 12/2443 S 215. Vorgängerregelung: § 92 VglO. Literatur: S zu §§ 254, 260.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . II. Einzelkommentierung . . . . . . 1. Gegenstand der Pflichtanzeige 2. Adressaten der Pflichtanzeige

. . . . . .

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Rn. 1 1 2 3 3 10

3. Frist und Form der Pflichtanzeige 4. Folgen der Anzeige . . . . . . . . 5. Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . III. Gewillkürter Sachwalter . . . . . . .

. . . .

Rn. 11 12

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13 15

I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte Die Anzeigepflicht nach § 262 geht auf die Kommission für Insolvenzrecht zurück, 1 sollte aber zunächst ausschließlich gegenüber dem Insolvenzgericht bestehen und Grundlage für die Eröffnung des Liquidationsverfahrens von Amts wegen sein.1 Ziel dieses Regelungsvorschlags war dementsprechend der Gläubigerschutz, indem für eine schnelle Eröffnung des Liquidationsverfahrens gesorgt werden sollte.2 Schon in § 298 DiskE wurde die Anzeigepflicht auf den Gläubigerausschuss bzw alle aus dem Insolvenzplan berechtigten Gläubiger erweitert; die Befugnis des Insolvenzgerichts zur Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens von Amt wegen fiel weg.3 § 298 RefE hat die Regelung bis auf zwei redaktionelle Korrekturen in S 2 unverändert übernommen.4 Dieser Text entspricht wörtlich § 309 RegE und § 262.

1 2 3

So 1. BerInsRKomm LS 2.3.3 II. So 1. BerInsRKomm S 209. Vgl Begr zu DiskE § 298 S B270 = Begr zu RegE § 209, BT-Drucks 12/2443 S 215.

4

Zum einen wurde die Formulierung „Ist kein Gläubigerausschuß bestellt“ durch die Wörter „Ist ein Gläubigerausschuß nicht bestellt“ ersetzt. Zum anderen war anstelle der Wörter „des Plans“ nun wie häufig von „des Insolvenzplans“ die Rede.

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§ 262

Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Normzweck

2

Die Anzeigepflicht dient dazu, den anderen Akteuren die Gelegenheit zu geben, durch geeignete Maßnahmen größeren Schaden abzuwenden. Dies gilt insbesondere für die Gläubiger, die entscheiden können, ob sie ggf die Zwangsvollstreckung aus dem Plan betreiben (§ 257) oder einen neuen Insolvenzantrag mit den Folgen nach § 255 II stellen wollen.5 Gegenüber dem Insolvenzgericht, dessen Aufsicht während der Überwachung der Planerfüllung fortbesteht (§ 261 I 2), stellt die Anzeigepflicht nur eine Konkretisierung der allgemeinen Informationspflicht nach § 58 I dar.6 Besondere Handlungsoptionen erwachsen dem Gericht daraus nicht.

II. Einzelkommentierung 1. Gegenstand der Pflichtanzeige

3

Anzuzeigen hat der Insolvenzverwalter jede Nichterfüllung einer zu überwachenden Planforderung durch den Schuldner selbst bzw ggf eine Übernahmegesellschaft iSv § 260 III. Dass der Gesetzestext von „Ansprüchen“ im Plural spricht, bedeutet nicht, dass die Nichterfüllung eines Anspruchs nicht anzuzeigen wäre.7 Der Zusatz, dass es sich um einen Anspruch handeln muss, dessen Erfüllung überwacht wird, zeigt zum einen, dass die Überwachung im gestaltenden Teil des Insolvenzplans auf bestimmte Ansprüche beschränkt werden kann. Zum anderen treffen den Schuldner auch Pflichten, die mit der Erfüllung des Plans, die allein Gegenstand der Überwachung ist (§ 260 I), nichts zu tun haben. Dies gilt namentlich für neue Verbindlichkeiten aus der Fortführung des Geschäftsbetriebs seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, soweit sie nicht mit Zustimmung des Insolvenzverwalters begründet worden sind (§ 260 Rn 19). Bezahlt der Schuldner Mitarbeiter oder Lieferanten nicht pünktlich, hat der Insolvenzverwalter dies nicht anzuzeigen. 4 Die Nichterfüllung besteht in der objektiven Verletzung einer entsprechenden Leistungspflicht iSv § 280 I S 1 BGB. Soweit der Anspruch auf eine Geldleistung gerichtet ist, liegt die Nichterfüllung vor, wenn die Zahlungshandlung bei Fälligkeit nicht vollständig vorgenommen wird;8 auf die Voraussetzungen des Verzugs (§ 286 BGB) oder gar des erheblichen Rückstandes (§§ 255 I, 256 II 2) kommt es für § 262 S 1 ebenso wenig an9 wie auf das Verschulden (§§ 280 I 2, 286 IV BGB).10 5 Hat der Schuldner mit einem Gläubiger schon vor der Fälligkeit der Forderung eine individuelle Stundungsvereinbarung getroffen, löst die Nichterfüllung zu dem im Insolvenzplan festgelegten Zeitpunkt keine Anzeigepflicht aus,11 obwohl sich darin erste Risiken für die Planerfüllung manifestieren. 5 6 7

8

Vgl Begr zu RegE § 309, BT-Drucks 12/2443 S 215. MünchKomm/Stephan InsO3 § 262 Rn 8. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeiser/Silcher InsO3 § 262 Rn 3; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 262 Rn 2. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 262 Rn 2; BeckOK/Freund InsO10 § 262 Rn 2; BK/ Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 262 Rn 4; Braun/Braun/Frank InsO7 § 262 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 262 Rn 9; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005)

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§ 262 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 262 Rn 3. Für § 256 II 2 aA Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 262 Rn 9. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 262 Rn 2; BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 262 Rn 3; Hess InsO2 § 262 Rn 1; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 262 Rn 9; MünchKomm/Stephan InsO3 § 262 Rn 3. BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 262 Rn 11; MünchKomm/Stephan InsO3 § 262 Rn 3.

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Anzeigepflicht des Insolvenzverwalters

§ 262

Nicht ausdrücklich geregelt ist zum einen die Frage, ob die Anzeigepflicht nachträglich wegfällt, wenn der Schuldner bzw die Übernahmegesellschaft die fragliche Forderung erfüllt, bevor der Insolvenzverwalter das Insolvenzgericht und den Gläubigerausschuss bzw die Plangläubiger hat unterrichten können. Dies ist nach dem Sinn und Zweck der Anzeigepflicht zu bejahen.12 Anderes kann hier nur gelten, wenn feststeht, dass auch künftig fällige Forderungen bei Fälligkeit nicht erfüllt werden können, weil dieser Umstand eine selbständige Anzeigepflicht auslöst (Rn 8). Dann sollte von dieser Anzeige auch die bereits zuvor eingetretene Pflichtverletzung umfasst sein. Von der Frage des Wegfalls der Anzeigepflicht ist die weitere Frage zu trennen, ob der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, das Insolvenzgericht und den Gläubigerausschuss bzw die Plangläubiger auch davon zu unterrichten, dass die Forderung, deren Nichterfüllung er bereits angezeigt hatte, nachträglich erfüllt worden ist. Auch diese Frage ist nach dem Sinn und Zweck der Anzeigepflicht zu bejahen, weil damit ein möglicher Insolvenzeröffnungsgrund (§ 17) wegfällt. Davon müssen die Plangläubiger, die möglicherweise einen erneuten Insolvenzantrag stellen wollen, informiert werden, weil sie die Voraussetzungen von § 14 I S 1 bezüglich des Eröffnungsgrundes dann nicht mehr durch eine Vorlage der Anzeige des Insolvenzverwalters erfüllen können. Ob die weiteren Zahlungen gesichert sind, kann dafür nicht entscheidend sein.13 Neben der akuten Verletzung der Leistungspflichten aus dem Insolvenzplan muss der Insolvenzverwalter auch anzeigen, dass die fraglichen Ansprüche künftig „nicht erfüllt werden können“ (§ 262 S 1). Dieser Tatbestand unterscheidet sich wesentlich von der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18), für die bereits genügt, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung.14 Vielmehr muss mit Sicherheit feststehen, dass die Ansprüche nicht erfüllt werden können, um die Durchführung des Insolvenzplans nicht unnötig zu gefährden.15 Wenn der Schuldner nicht selbst erklärt, dass er den Plan in Zukunft nicht wird erfüllen können, sind daher hohe Anforderungen an die Feststellung des künftigen Zahlungsausfalls zu stellen.16 Solange die Erfüllung nicht völlig unrealistisch ist, hat der Insolvenzverwalter mit der Anzeige im Zweifel bis zur Fälligkeit der Forderungen zu warten.17 Hat der Insolvenzverwalter eine Pflichtanzeige nach § 262 erstattet, endet damit nicht die Überwachung der Planerfüllung, solange nicht ein zweites Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (§ 268 Rn 5).18 Vielmehr hat er den Adressaten der Pflichtanzeige auch weiterhin über die (künftige) Nichterfüllung von Planforderungen zu berichten, damit die

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Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 26 Rn 14 meint sogar, der Verwalter solle dem Schuldner vor der Anzeige ein wenig Zeit geben, die Forderung noch zu erfüllen. So aber MünchKomm/Stephan InsO3 § 262 Rn 4; ebenso wohl BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 262 Rn 9. Vgl Begr zu RegE § 22, BT-Drucks S 12/2443 S 115; BGH ZIP 2014, 183 Rn 10; WM 2015, 931 Rn 13. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 262 Rn 10; MünchKomm/Stephan InsO3 § 262 Rn 5; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 262 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 262

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Rn 3; aA BeckOK/Freund InsO10 § 262 Rn 3; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 262 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 262 Rn 3: hinreichende Wahrscheinlichkeit der Nichterfüllung genügt. BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 262 Rn 8. So wegen der drohenden Rufschädigung einer falschen Anzeige auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 262 Rn 2. BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 262 Rn 15; Braun/Braun/Frank InsO7 § 262 Rn 4; MünchKomm/Stephan InsO3 § 262 Rn 10.

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§ 262

Sechster Teil. Insolvenzplan

Gläubiger ihre Handlungsoptionen immer nach dem aktuellen Sachstand überprüfen können.19 2. Adressaten der Pflichtanzeige

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Grundsätzlich besteht die Anzeigepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht und dem Gläubigerausschuss, die ihre jeweiligen Funktionen auch während der Überwachung der Planerfüllung ausüben (§ 261 I 2). Bestand kein Gläubigerausschuss und ist auch zur Überwachung der Planerfüllung kein Gläubigerausschuss eingesetzt worden (§ 261 Rn 5), muss der Insolvenzverwalter alle Gläubiger unterrichten, „denen nach dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans Ansprüche gegen den Schuldner oder die Übernahmegesellschaft zustehen.“ Erfasst sind damit alle Gläubiger, die noch offene Planforderungen gegen den Schuldner haben;20 ob deren Erfüllung konkret gefährdet ist, ist irrelevant.21 Diese Anzeige ist ohne weiteres möglich, soweit die Gläubiger ihre Forderungen im Verfahren angemeldet hatten oder soweit sie im Finanzplan berücksichtigt worden sind bzw hätten berücksichtigt werden müssen (§ 229 S 3). Allerdings stehen auch allen übrigen Insolvenzgläubigern dieselben Rechte aus dem Insolvenzplan zu (§ 254b). Soweit diese nicht bekannt sind, kommt eine Individualanzeige naturgemäß nicht in Betracht. 3. Frist und Form der Pflichtanzeige

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Die Anzeige hat „unverzüglich“ zu erfolgen. Damit wird auf § 121 I S 1 BGB Bezug genommen, so dass der Insolvenzverwalter die Anzeige „ohne schuldhaftes Zögern“ zu erstatten hat.22 Dies gilt jedoch erst ab dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen vorliegen und dem Insolvenzverwalter bekannt sind. Wann die Anzeige zu erstatten ist, hängt damit im Einzelfall vom Umfang der Prüfung der Anzeigevoraussetzungen ab.23 Für die Erfüllung der Anzeige sieht § 262 keine besondere Form vor.24 Zum Nachweis der Erfüllung der Anzeigepflicht ist es jedoch ratsam, jedenfalls die Textform (§ 126b BGB) einzuhalten. Bei Anzeigen an das Gericht und die Mitglieder des Gläubigerausschusses sollte darüber hinaus die Schriftform oder jedenfalls die elektronische From (§§ 126 III, 126a BGB) gewahrt werden. 4. Folgen der Anzeige

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Die Anzeige nach § 262 zeitigt keine unmittelbaren insolvenzrechtlichen Wirkungen.25 Insbesondere steht die Anzeige gegenüber dem Insolvenzgericht keinem Insolvenzantrag gleich, so dass das Gericht kein zweites Insolvenzverfahren eröffnen kann. Die Anzeige hat daher nur den Zweck, den einzelnen Gläubigern die notwendigen Informationen zu verschaffen, um über ihr weiteres Vorgehen zu entscheiden (vgl Rn 2). Für das Insolvenzgericht ergeben sich aus der Anzeige dagegen keine konkreten Handlungsoptionen. 19

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Ebenso BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 262 Rn 16; Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 262 Rn 2. HambK/Thies InsO6 § 262 Rn 4. BeckOK/Freund InsO10 § 262 Rn 5; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 262 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 262 Rn 13. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 262 Rn 3.

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25

BeckOK/Freund InsO10 § 262 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 262 Rn 4. BeckOK/Freund InsO10 § 262 Rn 4; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 262 Rn 3; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 262 Rn 1; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 262 Rn 15; MünchKomm/Stephan InsO3 § 262 Rn 9. MünchKomm/Stephan InsO3 § 262 Rn 10.

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Zustimmungsbedürftige Geschäfte

§ 263

5. Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters Der Insolvenzverwalter kann seine Pflicht sowohl gegenüber dem Schuldner bzw der 13 Übernahmegesellschaft als auch gegenüber den Gläubigern verletzen. Der erste Fall ist gegeben, wenn der Insolvenzverwalter zu Unrecht eine (künftige) Nichterfüllung anzeigt; im zweiten Fall unterlässt er eine gebotene Anzeige. Trifft den Insolvenzverwalter ein Verschulden, ist er dem jeweils Geschädigten nach Maßgabe von § 60 I schadensersatzpflichtig (vgl § 261 Rn 17).26 § 824 II BGB kann ihn nicht entlasten, weil die Vorschrift auf die deliktsrechtliche Haftung nach § 824 I BGB außerhalb eines Pflichtenverhältnisses zwischen dem Täter und dem Geschädigten zugeschnitten ist und dort die Rechtmäßigkeit der Handlung zur Folge hat.27 Soweit es um das Unterlassen einer Pflichtanzeige geht, stellt sich damit die entscheidende Frage, in welchen Abständen der Insolvenzverwalter die Erfüllung der Planforderungen zu überwachen hat. Richtigerweise sollte dies mindestens einmal im Monat geschehen, wenn sich aus dem Insolvenzplan keine entsprechenden Vorgaben ergeben.28 Gegenüber dem Schuldner bzw der Übernahmegesellschaft kann sich der Insolvenzver- 14 walter nach § 60 I auch dadurch schadensersatzpflichtig machen, dass er seine Geheimhaltungspflicht bzgl der im Rahmen der Überwachung erlangten Informationen verletzt.29 Insbesondere darf der Insolvenzverwalter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihm im Rahmen der Überwachungstätigkeit bekannt werden, nicht an Dritte weitergeben.

III. Gewillkürter Sachwalter Ist die Überwachung der Planerfüllung einem „gewillkürten“ Sachwalter übertragen 15 worden (§ 261 Rn 25), kann die Anzeigepflicht im Insolvenzplan frei definiert werden, da Rechte Dritter nicht betroffen sind. § 262 ist hier nicht anwendbar.30 Verletzt der Sachwalter seine Pflicht schuldhaft, ist auch er gegenüber dem Schuldner bzw der Übernahmegesellschaft und den Gläubigern nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zum Schadensersatz verpflichtet (§ 280 I BGB) (vgl § 261 Rn 29).31

§ 263 Zustimmungsbedürftige Geschäfte 1Im

gestaltenden Teil des Insolvenzplans kann vorgesehen werden, daß bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners oder der Übernahmegesellschaft während der Zeit der Überwachung nur wirksam sind, wenn der Insolvenzverwalter ihnen zustimmt. 2§ 81 Abs. 1 und § 82 gelten entsprechend.

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BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 262 Rn 7; A Schmidt/Ellers SanierungsR § 262 Rn 2; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 124. Vgl MünchKomm/Wagner BGB7 § 824 Rn 45. Vgl Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 262 Rn 5; FK/Jaffé InsO9 § 262 Rn 8.

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Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 262 Rn 8. BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 262 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 262 Rn 6. MünchKomm/Stephan InsO3 § 262 Rn 12.

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§ 263

Sechster Teil. Insolvenzplan

Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.3.2 II; DiskE/RefE § 299; RegE § 310; Begr zu RegE § 310, BT-Drucks 12/2443 S 216. Vorgängerregelung: §§ 59, 94 VglO. Literatur S zu §§ 254, 260; Schreiber/Flitsch Geltendmachung von Forderungen nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens, BB 2005, 1173.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelkommentierung . . . . . . . . . . 1. Umfang des Zustimmungsvorbehalts 2. Erteilung der Zustimmung . . . . . . 3. Rechtsfolgen des Fehlens der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1 1 2 3 3 6

a) Grundsätzliche Folgen . . . . . b) Zustimmungsvorbehalt und Registerpublizität . . . . . . . . c) Leistungen an den Schuldner . . 4. Haftung des Insolvenzverwalters . . 5. Zustimmungsvorbehalt gegenüber einer Übernahmegesellschaft . . . . 6. Planüberwachung durch Sachwalter

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.

Rn. 8

. . .

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. .

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

1

Die Möglichkeit, die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners im Außenverhältnis auch in der Phase der Planüberwachung einzuschränken, besteht solange wie die Überwachung selbst. So sahen schon der deutsch-österreichische Entwurf von 1933 und dementsprechend das deutsche Vergleichsrecht vor, dass die im Vergleichsverfahren angeordneten Verfügungsbeschränkungen, zu denen auch allgemeine und spezielle Veräußerungsverbote gehörten, fortwirken oder auf Antrag des Sachwalters neu angeordnet werden konnten.1 Die Kommission für Insolvenzrecht hat sich dafür ausgesprochen, dem Vorbehalt des Einverständnisses des Verwalters keine Außenwirkung zuzusprechen.2 Dagegen hat § 299 DiskE optional die Zustimmungsbedürftigkeit für bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners mit Außenwirkung vorgesehen.3 In § 299 RefE ist neben einer redaktionellen Korrektur4 der Verweis auf die Regelung in § 87 II DiskE/RefE entfallen, der dem heutigen § 81 II entspricht. Dieser Text entspricht bis auf die jeweilige Anpassung der Verweise wörtlich § 310 RegE und § 263, der seit 1.1.1999 unverändert in Kraft ist. 2. Normzweck

2

§ 263 gibt dem Planverfasser die Möglichkeit, die Wirkungen der Überwachung der Planerfüllung durch den Schuldner auf das Außenverhältnis zu erstrecken, indem die Wirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte des Schuldners bzw der Übernahmegesellschaft

1

2

Vgl §§ 59, 94 EVglO III, S 18, 26 bzw §§ 59, 94 VglO 1935. Die österreichische Regelung in §§ 8, 55b öAO 1934 (öBGBl Nr 221/1934) wich dagegen vom gemeinsamen Entwurf ab. Vgl 1. Ber InsRKomm S 208.

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Vgl Bork in Leipold (Hrsg) InsR im Umbruch, S 62. Wie üblich wurde der Ausdruck „des Plans“ durch die Wörter „des Insolvenzplans“ ersetzt.

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Zustimmungsbedürftige Geschäfte

§ 263

von der Zustimmung des Insolvenzverwalters (§§ 182 ff BGB) abhängig gemacht wird. Anders als in Österreich5 bestehen dagegen keine gesetzlichen Beschränkungen der Verwaltungs- und Verfügungsmacht, die mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder auf den Schuldner übergegangen ist (§ 259 I S 2), während der Planüberwachung. Maßgeblich ist allein der gestaltende Teil des Insolvenzplans. Ob ein Zustimmungsvorbehalt sinnvoll ist, wird in der Praxis offenbar unterschiedlich gesehen.6

II. Einzelkommentierung 1. Umfang des Zustimmungsvorbehalts Der Zustimmungsvorbehalt darf sich nur auf „bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuld- 3 ners oder der Überwachungsgesellschaft“ beziehen. Damit weicht § 263 S 1 wesentlich von § 21 II S 1 Nr 2 Alt 2 ab, der alle Verfügungen des Schuldners umfasst. Dagegen deckt sich § 263 S 1 hinsichtlich des Umfangs des Zustimmungsvorbehalts mit den Regelungen zum Sachwalter in der Eigenverwaltung (§ 277 I 1). Diese Beschränkung auf bestimmte Rechtsgeschäfte, die es im Vergleichsrecht noch nicht gab (§§ 94, 59 VglO), entspricht der heutigen Grundstruktur der Überwachung der Planerfüllung.7 Ist dagegen eine vollständige Beseitigung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners gewollt, muss der Insolvenzplan vorsehen, dass das Insolvenzverfahren nicht aufgehoben wird (§ 258 I); ein umfassender Zustimmungsvorbehalt wäre dagegen unzulässig.8 Daher muss das Insolvenzgericht einen Insolvenzplan, in dem ein Zustimmungsvorbehalt für alle Rechtsgeschäfte vorgesehen ist, so dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt wird, oder der die zustimmungsbedürftigen Geschäfte nicht hinreichend bestimmt (Rn 5), von Amts wegen zurückweisen, wenn der Mangel nicht innerhalb der gesetzten Frist behoben wird (§ 231 I 1 Nr 1).9 § 263 S 1 erstreckt sich seinem Wortlaut nach auf alle Rechtsgeschäfte und beschränkt 4 sich damit – im Gegensatz zu § 21 II S 1 Nr 2 Alt 2 – nicht auf Verfügungen. Daraus wird üblicherweise gefolgert, dass sich § 263 S 1 wie § 277 I S 1 auf alle Rechtsgeschäfte iSv §§ 104 ff BGB bezieht und damit namentlich auch auf Gestaltungserklärungen und Ver-

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Vgl früher §§ 8 II, III, 59 II öAO 1982 (öBGBl Nr 370/1982) bzw § 157a III öKO (öBGBl Nr 370/1982). Vgl heute den Verweis in §§ 157b I IO auf das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung. Danach sind ua Rechtshandlungen, die nicht zum gewöhnlichen Unternehmensbetrieb gehören, genehmigungsbedürftig und bösgläubigen Dritten gegenüber ohne Genehmigung des Sanierungsverwalters unwirksam (§ 171 I, III IO). Skeptisch Rendels/Zabel Insolvenzplan Rn 586 f; positiver Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 263 Rn 5. MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 2. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 263 Rn 5; BeckOK/Freund InsO10 § 263 Rn 3; BK/ Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 263 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 263

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Rn 2; Frank Überwachung, Rn 208; FK/Jaffé InsO9 § 263 Rn 2; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 263 Rn 7; HambK/Thies InsO6 § 263 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 263 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 263 Rn 4; Leonhard/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 263 Rn 4; MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 5; A Schmidt/Ellers SanierungsR § 263 Rn 2; Schreiber/Flitsch BB 2005, 1173 in Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 263 Rn 2. So auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 2. AA Häsemeyer InsR4 Rn 28.59 mit Rn 166; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 263 Rn 2: Zustimmungsvorbehalt ist unwirksam.

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pflichtungsgeschäfte.10 Allerdings ist in den Materialien nur die Rede davon, dass der Schuldner „die volle Verfügungsbefugnis über die Gegenstände der Insolvenzmasse“ zurückerlangt.11 Auch passen die in §§ 81 I, 82 erwähnten Rechtsfolgen ersichtlich nicht auf Verpflichtungsgeschäfte. Selbst im eröffneten Insolvenzverfahren verliert der Schuldner nur die Verwaltungsbefugnis über die Masse (§ 80 I) und kann daher keine Masseverbindlichkeiten begründen, aber sich selbstverständlich persönlich verpflichten.12 Daher kann man keinesfalls pauschal annehmen, dass Rechtsgeschäfte ohne die erforderliche Zustimmung des Insolvenzverwalters so zu behandeln sind, „als seien sie während des laufenden Insolvenzverfahrens vorgenommen worden“.13 Allerdings würde der mit § 263 verfolgte Schutzzweck verfehlt, wenn der Schuldner bspw ein Grundstück wirksam verkaufen könnte, dessen wirksame Auflassung die Zustimmung des Insolvenzverwalters erfordert, und dann ggf zum Schadensersatz statt der Leistung verpflichtet wäre (§§ 281, 283 BGB). Daher muss man – wie bei § 1365 I S 1 BGB14 und § 12 I, III WEG – davon ausgehen, dass Verpflichtungsgeschäfte ohne die vorherige Einwilligung des Insolvenzverwalters (§ 183 BGB) zunächst schwebend unwirksam sind. 5 Die Rechtsgeschäfte, auf die sich der Zustimmungsvorbehalt erstrecken soll, müssen im gestaltenden Teil des Insolvenzplans so genau umschrieben werden, dass ein davon betroffener Dritter durch Einsichtnahme in den Plan bzw in die entsprechende Bekanntmachung (§ 267 II Nr 2)15 sicher ermitteln kann, ob ein vom Schuldner vorgenommenes Rechtsgeschäft davon erfasst wird.16 Das ist nicht gewährleistet, wenn sich der Planinhalt an Regelungen orientiert, die nur interne Zuständigkeiten bestimmen und dabei unbestimmte Rechtsbegriffe wie in § 160 II Nr 2 (erhebliche Belastung) oder § 44 II S 1 GemO BW (laufende Verwaltung) verwenden.17 Wenn in den Materialien die Rede davon ist, dass es sich um wirtschaftlich besonders bedeutsame oder riskante Geschäfte handeln wird,18 ist damit nur das Telos der gesetzlichen Regelung umschrieben. Zur Bestimmung der erfassten Rechtsgeschäfte genügt diese Formulierung jedoch nicht.19 Dagegen ist eine Orientierung an § 111 IV S 2 AktG durchaus möglich, seit auch in der Satzung bzw im Aufsichts-

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Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 263 Rn 8; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 263 Rn 4; BeckOK/Freund InsO10 § 263 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 263 Rn 2; Frank Überwachung, Rn 207; FK/Jaffé InsO9 § 263 Rn 2; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 263 Rn 7; HambK/Thies InsO6 § 263 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 263 Rn 3; Hess InsO2 § 263 Rn 1; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 263 Rn 1; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 263 Rn 4; MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 5; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 263 Rn 2. Begr zu RegE § 310, BT-Drucks 12/2443 S 216. Vgl Jaeger/Windel InsO § 80 Rn 261. So aber MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 9. Zur Anwendung auf einzelne Vermögensgegenstände wie Grundstücke nach der sogenannten Einzeltheorie vgl nur MünchKomm/ Koch BGB7 § 1365 Rn 12, 54.

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Darauf verweist K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 2. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 263 Rn 9; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 263 Rn 5; Braun/Braun/Frank InsO7 § 263 Rn 2, 4; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 263 Rn 7; HK/Haas InsO9 § 263 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 263 Rn 2; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 263 Rn 2; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 263 Rn 3; MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 2. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 2; zu § 160 aA Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 263 Rn 7; Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 263 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 263 Rn 2. Begr zu RegE § 310, BT-Drucks 12/2443 S 216. AA wohl Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 263 Rn 5: Zustimmungsvorbehalt erfasst nur bedeutsame Rechtsgeschäfte.

Andreas Piekenbrock

Zustimmungsbedürftige Geschäfte

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ratsbeschluss die eindeutige Bezeichnung der zustimmungsbedürftigen Maßnahmen verlangt wird.20 Bei der Bestimmung der zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäfte muss zudem das Regel-Ausnahme-Verhältnis gewahrt bleiben.21 Das gilt sowohl in systematischer als auch in quantitativer Hinsicht. In systematischer Hinsicht dürfen die zustimmungsbedürftigen Geschäfte nicht dadurch definiert werden, dass die zustimmungsfreien bestimmt werden. In quantitativer Hinsicht müssen die zustimmungsfreien Geschäfte wesentlich zahlreicher sein als die zustimmungsbedürftigen. Ist ein bestimmtes Geschäft im gestaltenden Teil eines – zu Unrecht rechtskräftig bestätigten (Rn 3) – Insolvenzplans nicht genau genug als zustimmungsbedürftig bezeichnet, ist § 263 nicht anwendbar.22 2. Erteilung der Zustimmung Da sich die Zustimmung des Insolvenzverwalters nach §§ 182 ff BGB richtet,23 kann 6 sie sowohl als vorherige Einwilligung (§ 183 BGB) als auch als nachträgliche Genehmigung (§ 184 BGB) erteilt werden.24 Es ist daher irreführender, davon zu sprechen, der Zustimmungsvorbehalt könne als „Einwilligungs- oder Genehmigungsvorbehalt“ ausgestaltet werden.25 Die Erklärung kann gegenüber dem Schuldner oder dem Dritten erfolgen (§ 182 I BGB) und ist nicht formbedürftig (§ 182 II BGB).26 Gleichwohl ist aus Beweisgründen die Einhaltung der Schrift- (§ 126 I BGB) oder jedenfalls der Textform (§ 126b BGB) ratsam. Ob der Insolvenzverwalter die Zustimmung erteilt oder verweigert, muss er selbst nach 7 pflichtgemäßem Ermessen mit Blick auf die Auswirkungen des Rechtsgeschäfts auf die Planerfüllung beurteilen.27 Dabei kommt es nicht nur auf die Vorteile des konkreten Geschäfts an, sondern auf eine Gesamtbetrachtung, die etwa auch lukrative Folgeaufträge berücksichtigt.28 Besteht ein Gläubigerausschuss, hat dieser kein Anhörungs-29 und erst recht kein Weisungsrecht; dasselbe gilt für das Insolvenzgericht.30 Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans kann aber festgeschrieben werden, dass der Insolvenzverwalter dem Gläubi-

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Vgl MünchKomm/Habersack AktG4 § 111 Rn 106 mwN; aA K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 2. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 263 Rn 9; Haarmeyer/Wutzke/Förster/ Wenzel InsO2 § 263 Rn 7; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 4; MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 5; Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 263 Rn 2. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 3; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 263 Rn 1. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 263 Rn 7; BeckOK/Freund InsO10 § 263 Rn 5; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 263 Rn 5; Frank Überwachung, Rn 218; HK/Haas InsO9 § 263 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 263 Rn 3; MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 6. Entgegen einer verbreiteten Ansicht [Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 263 Rn 10; BeckOK/Freund InsO10 § 263 Rn 7; MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 7;

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FK/Jaffé InsO9 § 263 Rn 4; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 263 Rn 3] ergibt sich das (rückwirkende) Wirksamwerden von Verfügungsgeschäften dabei nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 185 II BGB, sondern unmittelbar aus § 184 I BGB. Richtig Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 263 Rn 4. So Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 263 Rn 4. Eine teleologische Reduktion für formbedürftige Rechtsgeschäfte, wie sie bei § 167 II BGB vertreten wird, scheidet bei § 182 II BGB aus, vgl MünchKomm/Bayreuther BGB8 § 182 Rn 22 mwN. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 263 Rn 11; BeckOK/Freund InsO10 § 263 Rn 6; MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 6. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 7. Vgl Frank Überwachung, Rn 220. MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 6.

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gerausschuss vor der Entscheidung über die Zustimmung Gelegenheit zur Stellungnahme geben muss. 3. Rechtsfolgen des Fehlens der Zustimmung

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a) Grundsätzliche Folgen. Nimmt der Schuldner bzw die Übernahmegesellschaft ein zweiseitiges Rechtsgeschäft ohne die erforderliche Einwilligung (§ 183 BGB) des Insolvenzverwalters vor, ist es zunächst nach allgemeinen Grundsätzen schwebend unwirksam, bis die mögliche Genehmigung (§ 184 BGB) verweigert worden ist oder analog §§ 108 II, 177 II BGB als verweigert gilt.31 Hat der Insolvenzverwalter die Genehmigung noch nicht verweigert, wird das Geschäft mit der Aufhebung der Überwachung – ähnlich wie bei der Freigabe32 – analog § 185 II S 1 Var 2 BGB wirksam.33 Bei einseitigen Rechtsgeschäften muss die erforderliche Einwilligung ggf urkundlich nachgewiesen werden, damit der andere Teil die Erklärung nicht analog § 174 BGB zurückweisen kann. Ohne vorherige Einwilligung ist das einseitige Rechtsgeschäft grundsätzlich analog §§ 111, 180 BGB unwirksam.34 9 Für Verfügungen und Leistungen an den Schuldner bzw die Übernahmegesellschaft verweist § 263 S 2 darüber hinaus ergänzend auf §§ 81 I, 82. Diese Verweisung weicht in zwei Punkten von § 24 I ab. Zum einen ist schon in § 299 S 2 RefE der Verweis auf den heutigen § 81 II aus § 299 S 2 DiskE gestrichen worden (Rn 1). Das war konsequent, weil eine Überwachung der Planerfüllung in der seinerzeit in Kleinverfahren geplanten „Eigenverwaltung ohne Sachwalter“ ohnehin ausgeschlossen sein sollte35 und das Insolvenzplanverfahren schließlich in diesen Fällen bis 30. Juni 2014 überhaupt nicht stattfand (§ 312 III InsO 199936). Aber selbst wenn etwa ein Insolvenzplan im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines ehemaligen Selbständigen denkbar war, passte der Verweis auf § 81 II für die Überwachung der Planerfüllung nicht, weil das Insolvenzverfahren nicht eröffnet werden soll, sondern gerade aufgehoben worden ist (§ 258 I). Ein Verweis auf § 81 III wie in § 24 I war dagegen von vornherein nicht sinnvoll, das es sich dabei um ein Spezifikum des Eröffnungsverfahrens handelt. 10 Schließlich weicht § 263 S 2 auch von § 277 I S 2 ab, soweit dort nicht auf § 81 I S 1 verwiesen wird. Dieser Unterschied beruht jedoch lediglich auf einem Redaktionsversehen im Gesetzgebungsverfahren. So bezog sich die Verweisung noch in § 310 I S 2 RegE und § 338 I S 2 RegE einheitlich auf § 92 I RegE (= § 81 I). Im Gesetzgebungsverfahren hat der Bundesrat aber nur bei § 338 I S 2 RegE angemerkt, dass sich die Unwirksamkeit eines ohne Zustimmung des Sachwalters vorgenommenen Rechtsgeschäfts bereits aus § 338 I S 1 RegE ergibt.37 Diesen Hinweis hat der Rechtsausschuss des Bundestages aufgegriffen und die Verweisung auf § 338 I S 2, 3 RegE (= § 81 I 2, 3) eingeschränkt.38 Dass dieselbe Überlegung auch auf § 310 I S 2 RegE gepasst hätte, wurde dagegen übersehen. Sachliche Un-

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Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 6. BGHZ 166, 74 Rn 20. Vgl MünchKomm/Bayreuther BGB7 § 185 Rn 52. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 6; HambK/Thies InsO6 § 263 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 263 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 263 Rn 6. So erstmals ausdrücklich § 357 II RegE, weil zur Planüberwachung die Bestellung

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eines Insolvenzverwalters erforderlich gewesen wäre. Vgl Begr zu RegE § 357, BTDrucks 12/2443 S 229. IdF v 5.10.1994, BGBl I S 2866. Stellungnahme des BRat zu RegE § 338, BTDrucks 12/2443 S 259. BT-RA zu RegE § 338, BT-Drucks 12/7302 S 186.

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Zustimmungsbedürftige Geschäfte

§ 263

terschiede sind mit den unterschiedlichen Fassungen der jeweiligen Verweisungsnorm aber nicht verbunden. b) Zustimmungsvorbehalt und Registerpublizität. Aus der Verweisung auf § 81 I S 2 11 ergibt sich, dass es für den Erwerber bei Verfügungsgeschäften außerhalb der dort genannten Fälle der Registerpublizität für Grundstücke, Schiffe, Schiffsbauwerke und Luftfahrzeuge keinen Verkehrsschutz gibt.39 Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich insbesondere von §§ 892, 893 BGB wesentlich kleiner als bei Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren (§§ 21 II 1 Nr 2, 24 I) oder der Verfahrenseröffnung selbst, weil sich die Verfügungsbeschränkung, die ihrerseits ins Grundbuch einzutragen ist (§§ 267 III 2, 32), außer bei Übernahmegesellschaften in der Regel bereits aufgrund der vorherigen Eintragung des Insolvenzvermerks (§ 32) aus dem Grundbuch ergibt.40 Verfügt der Schuldner über sein Grundeigentum ohne Zustimmung des Insolvenzver- 12 walters, nachdem die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe von § 9 I S 3 wirksam geworden ist (§ 258 Rn 13), aber noch bevor die Aufhebung des Insolvenzverfahrens und die Überwachung der Planerfüllung im Grundbuch eingetragen worden sind (§ 267 I, II Nr 2), ist die Verfügung trotzdem unwirksam, selbst wenn der (potentielle) Erwerber von der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Kenntnis erlangt hat, nicht aber von dem Zustimmungsvorbehalt. Wird der Eintragungsantrag für die Verfügung des Schuldners vor dem Eingang des Ersuchens nach §§ 267 III S 2, 32 I Nr 1 gestellt, darf diese schon nach § 19 GBO nicht eingetragen werden, weil im Grundbuch noch der Insolvenzvermerk steht und es in formeller Hinsicht der Einwilligung des Insolvenzverwalters bedurft hätte. Wird die Verfügung verfahrenswidrig eingetragen, verhindert § 892 I S 2 BGB, der über seinen Wortlaut hinaus auch die insolvenzrechtlichen Verfügungsbeschränkungen erfasst,41 den Rechtserwerb. Zwar war der Zustimmungsvorbehalt dann noch nicht eingetragen und diese Verfügungsbefugnis daher noch nicht „aus dem Grundbuch ersichtlich“. Das kann dem potentiellen Erwerber aber nichts nützen, weil mit dem Insolvenzvermerk eine noch weitergehende Verfügungsbeschränkung, wenn auch inzwischen fehlerhaft, im Grundbuch eingetragen war. Zwar wird zugunsten des (potentiellen) Erwerbers grundsätzlich fingiert, dass eine 13 nichteingetragene Verfügungsbeschränkung nicht existiert.42 Für § 263 ist jedoch davon auszugehen, dass hier lediglich die Verfügungsbeschränkung aus dem eröffneten Insolvenzverfahren fortwirkt. Damit wird mit der Eintragung des Zustimmungsvorbehalts im Grundbuch keine neue Verfügungsbeschränkung eingetragen, sondern lediglich die nunmehr richtige Grundlage der fortwirkenden Verfügungsbeschränkung. Wollte man das anders sehen, ergäbe sich bei jedem Zustimmungsvorbehalt ein Zeitfenster zwischen der Wirksamkeit der Aufhebung und der Eintragung ins Grundbuch, in dem fingiert würde, dass die Verfügungsbeschränkung nicht besteht. Dasselbe würde dann auch bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten, wenn schon eine Verfügungsbeschränkung für ein Grundstück des Schuldners nach § 21 II S 1 Nr 2 ins Grundbuch eingetragen worden war (§§ 23 III, 32 I Nr 1) und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzvermerk eingetragen wird.

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Ähnlich K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 5. So auch BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 263 Rn 9.

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Vgl MünchKomm/Kohler BGB7 § 892 Rn 60; Staudinger/Gursky BGB2013 § 892 Rn 240. So Staudinger/Gursky BGB2013 § 892 Rn 238.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

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c) Leistungen an den Schuldner. Beim Verweis auf § 82 stellen sich bei § 263 S 2 dieselben Probleme wie bei § 24 I, der auch für den Zustimmungsvorbehalt iSv § 21 II S 1 Nr 2 Alt 2 auf § 82 verweist. In beiden Fällen fehlt aber dem Insolvenzverwalter – abweichend vom Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren (§ 80 I) – die Empfangszuständigkeit. Allerdings ist § 82 in den Fällen der Verweisung in § 24 I und § 263 S 2 – anders als bei § 277 I S 1 – nur mit der Maßgabe entsprechend anwendbar, dass es eine Insolvenzmasse, zu der die Verbindlichkeit zu erfüllen war, ohnehin nicht gibt. Wie bei der Leistung an einen Minderjährigen ist der Schuldner damit der richtige Empfänger der Leistung, so dass kein Fall von § 362 II BGB vorliegt. Ohne die Zustimmung des Insolvenzverwalters tritt jedoch die Erfüllungswirkung (§ 362 I BGB) nicht ein.43 Hier setzt der Verweis auf § 82 an und ordnet ggf die Erfüllungswirkung an.44 15 In subjektiver Hinsicht muss es auch bei der entsprechenden Anwendung von § 82 S 1 darauf ankommen, ob dem Leistenden der Zustimmungsvorbehalt bekannt war. Das ist aber nicht nur dann der Fall, wenn er den im Rahmen der Überwachung der Planerfüllung angeordneten Zustimmungsvorbehalt kannte, sondern auch, wenn dies auf die vorherige Eröffnung des Insolvenzverfahrens zutrifft. Hat der Gläubiger von der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Kenntnis, nicht aber vom Zustimmungsvorbehalt, können die subjektiven Voraussetzungen von §§ 263 S 2, 82 S 1 ungeachtet der gleichzeitigen Bekanntmachung der Aufhebung und der Überwachung (§ 267 I, II Nr 2) vorliegen. Für die Beweislastumkehr zugunsten des Leistenden nach § 82 S 2 ist dagegen bei der Überwachung der Planerfüllung mit Blick auf § 267 I, II Nr 2 kein Raum. 4. Haftung des Insolvenzverwalters

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Erteilt der Insolvenzverwalter die Zustimmung pflichtwidrig, kann er sich gegenüber den Gläubigern nach § 60 I schadensersatzpflichtig machen (§ 261 Rn 17). Anders als beim Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters in der Eigenverwaltung (§ 277 I 2) ist § 61 von vornherein nicht anwendbar,45 weil nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens keine Masseverbindlichkeiten mehr begründet werden können. Gegenüber dem Schuldner kommt § 60 I zum Tragen, wenn der Insolvenzverwalter die Zustimmung pflichtwidrig verweigert. Allerdings ist ihm dabei eine erhebliche Einschätzungsprärogative zuzugestehen (vgl auch Rn 7), so dass die Haftung idR nur in Betracht kommt, wenn die Entscheidung auf einer pflichtwidrig unvollständigen Grundlage getroffen worden ist.46 5. Zustimmungsvorbehalt gegenüber einer Übernahmegesellschaft

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§ 263 S 1 geht ohne Weiteres davon aus, dass der Zustimmungsvorbehalt mit Außenwirkung auch gegenüber einer Übernahmegesellschaft vorgesehen werden kann. Dass dies rechtlich möglich ist, ist daher nicht zu bezweifeln, wenn diese Gesellschaft in die Überwachung einwilligt (§ 260 Rn 22). Davon sauber zu trennen ist die Frage, ob sich Dritte, die nicht zum Kreis der Insolvenzgläubiger gehören, bereitfinden, sich an einer Übernahmegesellschaft zu beteiligen, wenn auch ihr gegenüber ein Zustimmungsvorbehalt vorgesehen ist.47

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Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 6; A Schmidt/Ellers SanierungsR § 263 Rn 16. Vgl Kübler/Mönning HRI2 § 47 Rn 145. So iE auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 263 Rn 7.

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Frank Überwachung, Rn 221; MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 8. Maus Kölner Schrift2 Der Insolvenzplan Rn 116; Frank Überwachung, Rn 486.

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Kreditrahmen

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6. Planüberwachung durch Sachwalter Wird die Planerfüllung von einem Sachwalter überwacht, ist sauber zu differenzieren, 18 ob es sich um einen „gesetzlichen“ Sachwalter handelt, der vom Insolvenzgericht im eröffneten Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung anstelle des Insolvenzverwalters bestellt worden ist (§ 270c), oder um einen „gewillkürten“ Sachwalter (vgl § 261 Rn 25). Im ersten Fall ist § 263 anwendbar, weil der „gesetzliche“ Sachwalter auch für die Überwachung der Planerfüllung an die Stelle des Insolvenzverwalters tritt (§ 284 II). Im zweiten Fall ist § 263 dagegen nicht anwendbar, weil die Planbeteiligten nicht die Rechtsmacht haben, die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners gegenüber Dritten wirksam einzuschränken (s auch § 260 Rn 11).48 Für Verfügungen ergibt sich dies unmittelbar aus § 137 S 1 BGB. Für Verpflichtungsgeschäfte kommt dagegen der Grundsatz zum Tragen, dass sich vollgeschäftsfähige Personen stets durch eigene Rechtsgeschäfte verpflichten können, ohne dass die Zustimmung eines Dritten für die Wirksamkeit der Verpflichtung konstitutiv sein kann; eine „verdrängende Bevollmächtigung“ ist dem deutschen Recht grundsätzlich fremd.49 Abweichungen von diesem Grundsatz bedürfen stets einer gesetzlichen Grundlage. Daher kann die Überwachung durch einen „gewillkürten“ Sachwalter keine Außenwirkung haben, soweit es um die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften des Schuldners geht.

§ 264 Kreditrahmen (1) 1Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans kann vorgesehen werden, daß die Insolvenzgläubiger nachrangig sind gegenüber Gläubigern mit Forderungen aus Darlehen und sonstigen Krediten, die der Schuldner oder die Übernahmegesellschaft während der Zeit der Überwachung aufnimmt oder die ein Massegläubiger in die Zeit der Überwachung hinein stehen läßt. 2In diesem Fall ist zugleich ein Gesamtbetrag für derartige Kredite festzulegen (Kreditrahmen). 3Dieser darf den Wert der Vermögensgegenstände nicht übersteigen, die in der Vermögensübersicht des Plans (§ 229 Satz 1) aufgeführt sind. (2) Der Nachrang der Insolvenzgläubiger gemäß Absatz 1 besteht nur gegenüber Gläubigern, mit denen vereinbart wird, daß und in welcher Höhe der von ihnen gewährte Kredit nach Hauptforderung, Zinsen und Kosten innerhalb des Kreditrahmens liegt, und gegenüber denen der Insolvenzverwalter diese Vereinbarung schriftlich bestätigt. (3) § 39 Abs. 1 Nr. 5 bleibt unberührt. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.3.8; DiskE/RefE § 300; RegE § 311; Begr zu RegE § 311, BTDrucks 12/2443 S 216; Ber BT-RA zu RegE § 311, BT-Drucks 12/7302 S 185. Vorgängerregelung: § 106 VglO.

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 263 Rn 8; BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 263 Rn 2; Braun/Braun/Frank InsO7 § 263 Rn 3; HambK/Thies InsO6 § 263 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 263 Rn 5 mit Rn 18; MünchKomm/Stephan InsO3 § 263 Rn 11.

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Vgl dazu aber im tarifrechtlichen Kontext Hartmann Negative Tarifvertragsfreiheit im deutschen und europäischen Arbeitsrecht, S 148 f.

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§ 264

Sechster Teil. Insolvenzplan

Literatur S zu §§ 254, 260; Bieder Zur Behandlung von Sanierungskrediten im Insolvenzplan – Betrachtungen zum Spannungsverhältnis des modifizierten § 32a Abs. 3 GmbHG und § 264 Abs. 1 InsO –, ZInsO 2000, 531; Braun/Frank Der Kreditrahmen gem. § 264 InsO als Finanzierungsinstrument des Sanierungsplans – Papiertiger oder weiterer „Kostenbeitrag“ für absonderungsberechtigte Gläubiger?, Kölner Schrift3, Kapitel 25; Dinstühler Kreditrahmenabreden gem. den §§ 264 ff. InsO – Ein Beitrag des neuen Insolvenzrechts zur Sanierung von Unternehmen?, ZInsO 1998, 243; Fink Maßnahmen des Verwalters zur Finanzierung in der Unternehmensinsolvenz (1998); Heni Funktion und Konzeption insolvenzrechtlicher Planbilanzen, ZInsO 2006, 57; Knof Erfordert die Fortführungsfinanzierung (doch) einen Umverteilungstatbestand im Insolvenzrecht?, ZInsO 2010, 1999; Müller Reorganisation systemrelavanter Banken, KTS 2011, 1; Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw Das Banken-Restrukturierungsgesetz, BB 2011, 66; Obermüller/Kuder Die Entwicklung der Gesetzgebung zu Bankeninsolvenzen, ZInsO 2010, 2016; Wittig Kreditfinanzierung der Unternehmensfortführung im Insolvenzverfahren, DB 1999, 197.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . II. Einzelkommentierung . . . . . . 1. Voraussetzungen des Kreditrahmens . . . . . . . . . . . . 2. Reichweite des Kreditrahmens a) Neues Fremdkapital . . . b) Stehen gelassene Masseforderungen . . . . . . . . c) Gesellschafterdarlehen . .

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Rn. 3. Voraussetzungen des Vorrangs für eine einzelne Forderung . . . . . . . a) Kreditforderung im Rahmen des Kreditrahmens . . . . . . . . . . . b) Vereinbarung mit dem Schuldner . c) Bestätigung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . d) Sonstige Sicherheiten . . . . . . . e) Anfechtbarkeit . . . . . . . . . . 4. Entsprechende Regelung im KredReorG . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

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§ 264, der seit 1.1.1999 unverändert gilt, stellt eine Neuerung der Insolvenzrechtsreform dar. Der dort vorgesehene Kreditrahmen, der nunmehr auch in Sanierungs- und Reorganisationsplänen von Kreditinstituten vorgesehen werden kann (§ 2 II 3–6 bzw § 8 I 3 Hs 2 KredReorgG) (Rn 26), ist zwar von § 106 VglO inspiriert,1 geht aber wesentlich über dieses Vorbild hinaus. So sah § 106 VglO vor, dass Ansprüche aus Darlehen zur Betriebsfortführung oder zur Durchführung des Vergleichs,2 die der Schuldner während desVergleichsverfahrens mit Zustimmung des Vergleichsverwalters aufgenommen hatte, jedenfalls im Falle des Anschlusskonkurses (§ 102 VglO)3 zu den Masseschulden iSv § 59 I Nr 1 KO gehörten. Allerdings konnten solche Darlehen nicht mehr nach der Bestätigung des Vergleichs aufgenommen werden, selbst wenn das Vergleichsverfahren fortgesetzt wurde (§§ 106, 96 VglO). Erst recht konnten sie nicht während der Planüberwachung aufgenommen werden, nachdem das Vergleichsverfahren aufgehoben worden war.

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So 1. Ber InsRKomm S 214; Begr zu RegE § 311, BT-Drucks 12/2443 S 216. Zur Zweckbezogenheit der Mittelverwendung im Einzelnen Fink Maßnahmen, Rn 17 ff.

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Für Beschränkung auf den Anschlusskonkurs BGHZ 59, 356, 358 ff; aA Bley/Mohrbutter VglO4 § 106 Rn 15.

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Kreditrahmen

§ 264

Die Kommission für Insolvenzrecht empfahl dagegen, dass der Schuldner während der 2 Überwachung der Durchführung des Reorganisationsplans in einem bestimmten Rahmen Darlehen aufnehmen kann, die in einem späteren Liquidationsverfahren privilegiert werden, wenn dies im Reorganisationsplan vorgesehen ist und der Verwalter zustimmt.4 Dieser Vorschlag ist im Wesentlichen in § 300 DiskE aufgenommen worden. Allerdings erfasste § 300 I S 1 DiskE auch Kredite, „die ein Massegläubiger in die Zeit der Überwachung hinein stehen läßt“. Darüber hinaus sollte der Kreditrahmen nach den Vorstellungen der Kommission durch das in der „Reorganisationsplan-Bilanz“ ausgewiesene Eigenkapital begrenzt werden, während § 300 I S 3 DiskE viel weitergehend auf alle in der Vermögensübersicht (§ 229 S 1) aufgeführten Vermögenswerte und damit auf alle Aktiva verwiesen hat (Rn 5).5 Dagegen hat der Gesetzgeber die Höhe des Kreditrahmens in § 2 II S 5 KredReorgG auf 10 % der Eigenmittel begrenzt (Rn 30). Schließlich sollten die vom Kreditrahmen erfassten Forderungen nach dem Vorschlag der Kommission für Insolvenzrecht in einem späteren Liquidationsverfahren im Umfang der Hauptforderung letztrangige Masseschulden sein. Dagegen sahen §§ 300 I, 301 DiskE nur einen Vorrang gegenüber bestimmten Insolvenzforderungen vor. Bis auf eine kleine redaktionelle Korrektur6 entspricht diese Fassung der in § 300 RefE 3 und § 311 I, II RegE. Hinzugefügt wurde lediglich der Vorbehalt der seinerzeit geplanten Regelung über den Nachrang von „Forderungen auf Rückgewähr des kapitalersetzenden Darlehens eines Gesellschafters oder gleichgestellte Forderungen“ in § 46 I Nr 5 RegE, weil eine andere Regelung „dem Ziel einer ordnungsgemäßen Kapitalausstattung der sanierten Gesellschaft widersprechen“ würde.7 Dagegen hatte die Kommission für Insolvenzrecht vorgeschlagen, die Vorschriften über kapitalersetzende Darlehen auf den von ihr wesentlich enger begrenzten Kreditrahmen (Rn 2) nicht anzuwenden.8 Der Regierungsentwurf ist dann mit zwei redaktionellen Änderungen im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren9 verabschiedet worden. Seit 1.11.2008 verweist § 264 III auf den durch das MoMiG10 neu gefassten § 39 I Nr 5; die Verweisung selbst ist dagegen unberührt geblieben. Dagegen hat der Gesetzgeber in § 2 II S 5 KredReorgG auf Empfehlung des Finanzausschusses auf den im Regierungsentwurf enthaltenen Verweis auf § 264 III11 verzichtet, um „auch die Gesellschafter dafür gew[i]nnen [zu] können, dem Institut neue Liquidität zur Verfügung zu stellen.“12

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So 1. Ber InsRKomm S 214 f. Vgl MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 264 Rn 3. Wie üblich wurde in § 300 I 1 DiskE der Ausdruck „des Plans“ durch die Wörter „des Insolvenzplans“ ersetzt. So Begr zu RegE § 311, BT-Drucks 12/2443 S 216; zust Fink Maßnahmen, Rn 363; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 266 Rn 21. So LS 2.3.8 III und dazu 1. Ber InsRKomm S 215; zust zum Kommissionsentwurf MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 264 Rn 3, 32; krit zu § 264 III Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Silcher InsO3 § 264 Rn 11.

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Zum einen wurde in § 311 I 3 RegE der Verweis auf „§ 273“ (= § 229) durch den Zusatz „Satz 1“ präzisiert. Zum anderen wurde in § 311 II der Begriff „Kapital“ zur Vereinheitlichung der Terminologie durch den Begriff „Hauptforderung“ ersetzt. Vgl BT-RA zu RegE § 311, BT-Drucks 12/7302 S 185. Gesetz zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl I S 2026. § 2 KredReorgG-RegE, BT-Drucks 17/3024 S 10. So RA-BT zu RegE § 2 KredReorgG, BTDrucks 17/3547 S 6; krit zum RegE Obermüller/Kuder ZInsO 2010, 2016, 2019.

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§ 264

Sechster Teil. Insolvenzplan

2. Normzweck

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§ 264 soll den Beteiligten ein Instrument an die Hand geben, um die Finanzierung der Sanierung sicherzustellen.13 Dadurch soll der „Kreditgeber einigermaßen sicher sein [können], daß er auch im Falle eines Scheiterns der Sanierung und der Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens seinen Rückzahlungsanspruch durchsetzen kann.“14 Da dingliche Sicherheiten in dieser Phase regelmäßig nicht zur Verfügung stehen,15 kann die Sicherung des Rückzahlungsanspruchs des Kreditgebers nur durch ein allgemeines Vorrecht gegenüber den anderen Gläubigern erreicht werden. Damit dient § 264 demselben Zweck wie die punktuelle Ermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Begründung einer Masseverbindlichkeit im Eröffnungsverfahren (§ 55 II).16 Während § 55 II S 1 den Vorrang nach § 53 im anschließend zu eröffnenden Insolvenzverfahren gewährt, kommt der Nachrang der Insolvenzgläubiger gegenüber den Kreditgebern nur in einem zweiten Insolvenzverfahren zum Tragen, das noch vor der Aufhebung der Überwachung (§ 268) eröffnet worden ist (§ 266 I). Dasselbe Anliegen wird schließlich auch mit Art 16 II des Richtlinienvorschlags der Kommission über präventive Restrukturierungsrahmen17 verfolgt. 5 Ob § 264 diesen Regelungszweck erreichen kann, ist jedoch sehr fraglich.18 Zum einen erscheint die Obergrenze des Kreditrahmens als zu hoch.19 Anders als nach dem Vorschlag der Kommission für Insolvenzrecht (Rn 2) knüpft der Höchstbetrag an die im Vermögensverzeichnis aufgeführten Aktiva an, die angesichts der in Aussicht genommenen Fortführung des Unternehmens entsprechend § 252 I Nr 2 HGB zu Fortführungswerten zu bewerten sind.20 Bei Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens dürften diese Aktiva aber weitgehend aufgezehrt sein.21 Darüber hinaus werden die Fortführungswerte dann regelmäßig nicht mehr passen.22 Und schließlich blendet § 229 S 1 die Belastung der Aktiva mit dinglichen Sicherheiten aus.23 Gegenüber Absonderungsrechten besteht aber de lege lata kein „Supervorrang“ der Kreditgeber im Nachverfahren.24

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Braun/Frank Kölner Schrift3 Kap 25 Rn 3 f; Gottwald/Koch/de Bra InsRHdb5 § 71 Rn 2; MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 264 Rn 1. So Begr zu RegE § 311, BT-Drucks 12/2443 S 216. Vgl Braun/Frank Kölner Schrift3 Kap 25 Rn 6. Vgl nur BGHZ 151, 353, 365 f; BGH ZIP 2012, 737 Rn 9. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenzund Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU v 22.11.2016, COM(2016) 723 final. So auch MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 266 Rn 26. So die Kritik von Gottwald/Koch/de Bra InsRHdb5 § 71 Rn 7, 8; ihr grundsätzlich folgend MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 264 Rn 19, 24; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 17; po-

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sitiver dagegen Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 13. MünchKomm/Eilenberger InsO3 § 229 Rn 9; MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 264 Rn 22. Dagegen meint Haarmeyer/Wutzke/ Förster/Wenzel InsO2 § 264 Rn 12, der Wertansatz richte sich nach der Art des Plans. MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 264 Rn 23. BK/Breutigam InsO14 (Stand: XII/2002) § 264 Rn 9 (ähnlich auch noch BK/Wehner InsO66 [Stand: VII/2018] § 264 Rn 10); Braun/Braun/Frank InsO7 § 264 Rn 3; Braun/Uhlenbruck/Braun Unternehmensinsolvenz, S 535 Rn 331; Heni ZInsO 2006, 57, 60. Zu den Voraussetzungen für den Ansatz von Fortführungswerten vgl BGHZ 213, 374 Rn 27. Heni ZInsO 2006, 57, 60. Dazu umfassend Braun/Frank Kölner Schrift3 Kap 25 Rn 33 ff, 42; Braun/Uhlenbruck/Braun Unternehmensinsolvenz, S 647 ff; iE auch MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 264 Rn 27.

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Kreditrahmen

§ 264

Da der einzelne Kreditgeber stets damit rechnen muss, dass der Schuldner den Kredit- 6 rahmen voll ausschöpft, kann diesem gesetzgeberischen Manko nur dadurch begegnet werden, dass im Insolvenzplan eine wesentlich geringere Obergrenze für den Kreditrahmen bestimmt wird als die gesetzlich zulässige. Dabei wird zum Teil der Liquidationswert des schuldnerischen Vermögens vorgeschlagen,25 wobei man zur Bewertung auf § 237 S 1 BGB zurückgreifen kann. Die Anwendung von §§ 264–266 wird durch eine solche Gestaltung nicht tangiert, weil § 264 I S 3 nur einen Höchstbetrag vorgibt und es keinen Mindestbetrag gibt. Ist allerdings kein unbelastetes Vermögen vorhanden, wird § 264 kaum einen Kreditgeber animieren, im Nachverfahren ohne „echte“ Sicherheiten frisches Geld zur Verfügung zu stellen.26 Ist unbelastetes Vermögen vorhanden, bedarf es des Kreditrahmens neben der Bestellung einer „echten“ Sicherheit nicht mehr.27 Zum anderen ist die Rechtsstellung des Kreditgebers im Nachverfahren bei einem zwei- 7 ten Insolvenzverfahren vergleichsweise schwach. Anders als nach § 106 VglO und bei der Finanzierung im Eröffnungsverfahren (Rn 4) bekommt er zwar einen Vorrang gegenüber den Insolvenzforderungen aus dem ersten Insolvenzverfahren (§ 264)28 und den übrigen vertraglichen Insolvenzgläubigern im zweiten Insolvenzverfahren (§ 265).29 Mit diesem Insolvenzprivileg, das an alte Konkursvorrechte erinnert (§ 61 KO),30 steht er aber im Rang hinter allen Masseverbindlichkeiten im zweiten Insolvenzverfahren wie den Arbeitnehmern (§§ 55 I Nr 2 Alt 2, 108 I 1) und auch nur im gleichen Rang wie gesetzliche Neugläubiger (§ 266 Rn 3 ff). Schließlich wird im Schrifttum auch darauf hingewiesen, dass die Kredite nur kurze 8 Laufzeiten haben können, da die Privilegierung nach Ende der Überwachung und damit spätestens drei Jahre nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (vgl § 268 I Nr 2) verloren geht.31 Es kann daher nicht überraschen, dass es bisher überhaupt nur eine veröffentlichte insolvenzgerichtliche Entscheidung gibt, in der der Kreditrahmen nach § 264 überhaupt erwähnt wird.32

II. Einzelkommentierung 1. Voraussetzungen des Kreditrahmens Grundvoraussetzung für den Kreditrahmen iSv § 264 I S 2 ist, dass dieser im gestalten- 9 den Teil des Insolvenzplans (§ 221) vorgesehen ist. Damit wird sichergestellt, dass der Nachrang von den Insolvenzgläubigern, wenn auch nicht notwendigerweise mehrheitlich

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BK/Breutigam InsO14 (Stand: XII/2002) § 264 Rn 9 (nicht übernommen von BK/ Wehner InsO66 [Stand: VII/2018] § 264 Rn 10); Braun/Braun/Frank InsO7 § 264 Rn 3. So auch Braun/Frank Kölner Schrift3 Kap 25 Rn 33 ff, 43. MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 264 Rn 25. Zum Teil wird der Nachrang auch auf andere Planforderungen erstreckt, vgl Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 266 Rn 5; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 26. Allerdings beruht der Nachrang auf dem gestal-

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tenden Teil des Insolvenzplans und damit auf einer Kollektiventscheidung. Daher können von dem Nachrang nach § 264 nur Insolvenzforderungen erfasst sein. Für andere Forderungen kann der jeweilige Gläubiger aber individuell den Nachrang erklären. Vgl die Kritik von Gottwald/Koch/de Bra InsRHdb5 § 71 Rn 5. Braun/Frank Kölner Schrift3 Kap 25 Rn 5. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 264 Rn 5; Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 509; HambK/Thies InsO6 § 264 Rn 3. AG Duisburg NZI 2003, 447.

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(§ 254 Rn 33), gebilligt worden ist.33 Darüber hinaus muss dort die Überwachung der Planerfüllung iSv § 260 I durch den Insolvenz- bzw – bei vorheriger Eigenverwaltung (§ 270) – durch den „gesetzlichen“ Sachwalter (§§ 270c, 284 II) vorgesehen sein; die Überwachung durch den „gewillkürten“ Sachwalter (§ 261 Rn 25) genügt dagegen nicht.34 10 Darüber hinaus muss der Kreditrahmen im gestaltenden Teil des Insolvenzplans der Höhe nach genau beziffert werden. § 264 I S 3 setzt dafür – insbesondere im Interesse der vertraglichen Neugläubiger (§ 265), die auf den Kreditrahmen keinen Einfluss haben,35 – eine absolute Obergrenze und verweist zu diesem Zweck auf § 229 S 1. Damit setzt der Kreditrahmen implizit voraus, dass die Voraussetzungen, unter denen dem Insolvenzplan eine Vermögensübersicht beizufügen ist, vorliegen.36 Das bedeutet, dass ein Kreditrahmen nur vorgesehen werden kann, wenn die Gläubiger aus den Erträgen des vom Schuldner oder von einem Dritten fortgeführten Unternehmens befriedigt werden sollen. Für die Bewertung der Aktiva ist von Fortführungswerten auszugehen (Rn 5). Sind die Aktiva in der Vermögensübersicht zu hoch bewertet, ist für die maximale Höhe des Kreditrahmens der richtige Wert maßgeblich, weil § 264 I S 3 auf den Wert der in der Vermögensübersicht aufgeführten Vermögensgegenstände und nicht auf die Summe der in der Vermögensübersicht aufgeführten Werte verweist. 11 Überschreitet der im Planentwurf vorgesehene Kreditrahmen den Höchstbetrag nach § 264 I S 3 oder fehlt die Angabe ganz, muss das Insolvenzgericht den Insolvenzplan von Amts wegen zurückweisen (§ 231 I Nr 1) bzw die Bestätigung von Amts wegen versagen (§ 250 Nr 1).37 Dies gilt auch, wenn der Höchstbetrag zwar nicht die Summe der in der Vermögensübersicht aufgeführten Werte übersteigt, aber den tatsächlichen Wert der in der Vermögensübersicht aufgeführten Vermögensgegenstände (Rn 10).38 Wird der Insolvenzplan gleichwohl rechtskräftig bestätigt, sind die Rechtsfolgen umstritten. Die strengste Auffassung plädiert dafür, dass kein Kreditrahmen besteht.39 Eine vermittelnde Auffassung nimmt an, dass die Privilegierung bis zur gesetzlich zulässigen Obergrenze eintritt.40

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Darauf hat schon 1. Ber InsRKomm S 214 ausdrücklich hingewiesen. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 266 Rn 8; BK/Breutigam InsO14 (Stand: XII/2002) § 264 Rn 33 (nicht mehr bei BK/Wehner InsO66 [Stand: VII/2018] § 264); Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 4 Rn 7; MünchKomm/ Drukarczyk InsO3 § 264 Rn 4. So Begr zu RegE § 311, BT-Drucks 12/2443 S 216. Dagegen meinen HambK/Thies InsO6 § 264 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 6; A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 10, die Vermögensübersicht könne auch nur für den Kreditrahmen erstellt werden. Anders auch Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 264 Rn 4: Verweis auf § 229 S 1 bezieht sich nur auf die Vermögensübersicht als technischen Begriff. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 264 Rn 6; Andres/Leithaus/Andres InsO3

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§ 266 Rn 4; BK/Wehner InsO66 (Stand: VII/2018) § 264 Rn 12; Brünkmans/Thole/ Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 496; FK/ Jaffé InsO9 § 264 Rn 12; HK/Haas InsO9 § 264 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 2; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 264 Rn 4; A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 35; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 15. Insoweit aA HK/Haas InsO9 § 264 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 14 nach denen es zum Schutz der Gläubiger nur auf die Wertansätze ankommen soll. BeckOK/Freund InsO10 § 264 Rn 15; GrafSchlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 264 Rn 2; HambK/Thies InsO6 § 264 Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 15. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 14; MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 264 Rn 8; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 264 Rn 4, 8.

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Kreditrahmen

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Denkbar ist schließlich, dass der Mangel mit der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans geheilt wird.41 Für diese Lösung spricht, dass mit dem Bestätigungsbeschluss der (privatrechts-)gestal- 12 tende Teil des Insolvenzplans kraft Hoheitsakts wirksam wird (§ 254 Rn 37). Die Insolvenzgläubiger, denen gegenüber der Vorrang eintritt (§ 264 I S 1), hätte den Eintritt der Rechtskraft mit ihrer Beschwerde verhindern können (§ 253 I).42 Die vertraglichen Neugläubiger, denen gegenüber der Vorrang ebenfalls eintritt (§ 265), konnten und mussten sich dagegen ohnehin an dem bekanntgemachten Höchstbetrag orientieren (§ 267 II Nr 3).43 Daher sind die Rechte aller Gläubiger, denen gegenüber die Kreditrahmengläubiger bevorzugt, hinreichend gewahrt. Den Kreditrahmen gar nicht oder nur bis zur gesetzlich zulässigen Obergrenze wirksam werden zu lassen, wäre dagegen insbesondere in den Fällen, in denen der Verstoß gegen § 264 I S 3 auf der fehlerhaften Bewertung der in der Vermögensübersicht aufgeführten Vermögenswerte beruht, gegenüber den (vermeintlichen) Kreditrahmengläubigern, die sich auf die Bekanntmachung nach § 267 II Nr 3 verlassen haben, unangemessen. Allerdings setzt die Heilung des Planfehlers voraus, dass der Höchstbetrag fehlerhaft angegeben worden ist; ein Kreditrahmen ohne Höchstbetrag ist dagegen offensichtlich rechtswidrig und nichtig.44 2. Reichweite des Kreditrahmens Der Kreditrahmen kann sowohl für den Schuldner selbst als auch für eine Übernahme- 13 gesellschaft iSv § 260 III eingeräumt werden (§ 264 I 1). Denkbar ist auch, dass er anteilig für den Schuldner und die Übernahmegesellschaft eingeräumt wird, solange die Obergrenze nach §§ 264 I S 3, 229 S 1 eingehalten wird.45 a) Neues Fremdkapital. § 264 I S 1 erfasst „Forderungen aus Darlehen und sonstigen 14 Krediten“ und damit die Zufuhr von Fremdkapital. Dabei kommt es für den Vorrang selbstverständlich nicht entscheidend darauf an, welches Recht auf den Kreditvertrag anwendbar ist. Daher können auch Forderungen erfasst werden, die nach objektiver Anknüpfung (Art 4 II Rom I-VO) oder aufgrund einer Rechtswahlklausel (Art 3 I Rom I-VO)46 dem Recht eines anderen Staates unterliegen. Aber auch bei Anwendbarkeit deutschen Rechts ist nicht zwingend erforderlich, dass sich der Anspruch etwa aus § 488 I S 2 BGB ergibt. Ist der Darlehensvertrag nichtig oder eine Willenserklärung wirksam angefochten worden, ist vielmehr auch der Anspruch aus § 812 I S 1 BGB von § 264 I S 1 erfasst. Dagegen sind Eigenkapitalzuführungen nicht von 264 I S 1 gedeckt;47 bei stillen Beteiligungen ist auf § 236 HGB abzustellen.48 Kreditrahmentauglich sind damit zunächst 41 42

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HK/Haas InsO9 § 264 Rn 6. Nach MünchKomm/Sinz InsO3 § 250 Rn 63 soll es dabei auf die Schlechterstellung nach § 253 II Nr 3 nicht ankommen, weil sich diese nur auf § 251 I Nr 2 beziehe. Vgl zu diesem Aspekt Begr zu RegE § 312, BT-Drucks 12/2443 S 216 f. Auf diesen Fall bezieht sich die Aussage von K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 2. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 8; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 12. Zur Anknüpfung des Darlehensvertrags vgl MünchKomm/Martiny BGB6 Art 4 Rom I-VO Rn 213.

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Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 477; Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 26 Rn 48; Graf-Schlicker/Kebekus/ Wehler InsO4 § 264 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 264 Rn 3; HK/Haas InsO9 § 264 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 13; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 3, 7. So auch Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 264 Rn 13; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 13.

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Geld- (§ 488 BGB) und Sachdarlehen (§ 607 BGB). Bei den Gelddarlehen ist jede Vertragsform wie etwa ein Tilgungs- oder ein Überziehungsdarlehen kreditrahmentauglich. Bei den Sachdarlehen ist insbesondere an Wertpapierdarlehen zu denken.49 Anders als nach § 106 VglO kommt es auf den Verwendungszweck der Valuta nicht entscheidend an. Einen sonstigen Kredit stellt insbesondere die Stundung von Kaufpreis- oder Werklohnforderungen dar (Lieferantenkredit).50 Daneben werden auch Avalkredite von § 264 I S 1 erfasst.51 Dagegen gehört die Nutzungsüberlassung etwa im Rahmen des Finanzierungsleasings nicht zu den sonstigen Krediten.52 Auch die Vergütungsforderungen des Insolvenzverwalters und ggf der Mitglieder des Gläubigerausschusses für die Überwachung (§ 269 Rn 5 ff), die ohnehin erst nach Beendigung der Überwachung fällig werden,53 gehören nicht zu den sonstigen Krediten iSv § 264 I S 1.

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b) Stehen gelassene Masseforderungen. § 264 I S 1 erfasst neben den neu eingeräumten Krediten auch solche, die ein Massegläubiger in die Zeit der Überwachung und damit nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) stehen gelassen hat. Erfasst sind damit Gläubiger, die nach Maßgabe von § 55 I, II Massegläubiger waren, ohne dass ihre Forderung vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens berichtigt worden wären. Daraus folgt, dass es für die Unterscheidung der beiden Tatbestandsmerkmale auf den Zufluss der Valuta in die Masse ankommt.54 Wird nur eine offene Kreditlinie stehen gelassen und nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens in Anspruch genommen, liegt eine neue Kreditaufnahme vor. Praktisch relevant wird die Tatbestandsvariante der stehen gelassenen Masseforderung in der Regel zum einen bei Darlehensverträgen, die der Insolvenzverwalter selbst geschlossen (§§ 80 I, 55 I Nr 1) oder bei denen er die Auszahlung zur Masse verlangt hat (§§ 103 I, 55 I Nr 2 Alt 1).55 Darüber hinaus ist an Massekredite aus dem Eröffnungsverfahren zu denken (Rn 4). Zum anderen kommen Warenkredite aus gestundeter Kaufpreisbzw Werklohnzahlung in Betracht.56 Schließlich erscheint nicht völlig ausgeschlossen, dass Steuerforderungen gestundet werden (§ 222 AO), die ggf nach § 55 IV Masseverbindlichkeiten darstellen. 16 Für die bereits im Insolvenzverfahren begründeten Masseverbindlichkeiten musste der Insolvenzverwalter vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine vollwertige Sicherheit leisten oder einen Finanzplan vorlegen, aus dem sich ergeben musste, dass die Erfüllung ge-

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Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 4. So Begr zu RegE § 311, BT-Drucks 12/2443 S 216; BeckOK/Freund InsO10 § 264 Rn 6; BK/Wehner InsO66 (Stand: VII/2018) § 264 Rn 17; FK/Jaffé InsO9 § 264 Rn 5; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 264 Rn 10; HambK/Thies InsO6 § 264 Rn 3; HK/ Haas InsO9 § 264 Rn 2, 5; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 10; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 5. Wittig DB 1999, 197, 204; BK/Wehner InsO66 (Stand: VII/2018) § 264 Rn 17; FK/ Jaffé InsO9 § 264 Rn 5; Haarmeyer/Wutzke/ Förster/Wenzel InsO2 § 264 Rn 10; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 264 Rn 5.

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Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 479; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 264 Rn 1; HK/Haas InsO9 § 264 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 5; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 264 Rn 6a; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 264 Rn 9. Unentschlossen A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 13. Vgl allgemein zum Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters BGH ZIP 2007, 1070 Rn 5. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 9. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 9; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 264 Rn 11. Fink Maßnahmen, Rn 360.

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Kreditrahmen

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währleistet war (§ 258 II). Andernfalls hätte das Insolvenzverfahren nicht aufgehoben werden und das Nachverfahren nicht beginnen können. Hat der Insolvenzverwalter nach Maßgabe von § 4 iVm § 108 ZPO (§ 258 Rn 23) eine vollwertige Sicherheit geleistet, wird im Schrifttum angenommen, es könne nicht davon gesprochen werden, dass der Massegläubiger den Kredit hat stehen lassen.57 Das überzeugt so nicht.58 Zwar hatte die Kommission für Insolvenzrecht vorgeschlagen, dass Massegläubiger, die auf eine Erfüllung oder Sicherstellung verzichten, die Aufnahme der Forderung in den Kreditrahmen verlangen können.59 Abgesehen davon, dass dieser Vorschlag im späteren Gesetzgebungsverfahren nicht aufgegriffen worden ist,60 kann man daraus nicht im Umkehrschluss herleiten, dass die Sicherstellung der Qualifikation als Kreditrahmenkredit entgegensteht. Vielmehr kann ein Kredit auch mit einer bereits zuvor begründeten Sicherheit stehen gelassen werden. Dabei genügt ein Hinweis auf die vielen Erscheinungsformen des Eigentumsvorbehalts beim Warenkredit. Ob die Privilegierung der Altforderung angemessen ist und ob der Kreditrahmen durch eine Vereinbarung nach § 264 II teilweise ausgeschöpft werden soll, muss daher der Insolvenzverwalter entscheiden (vgl Rn 21). c) Gesellschafterdarlehen. Vom Vorrang nach § 264 I S 1 ausgeschlossen sind auch alle 17 „Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen“ (§§ 264 III, 39 I Nr 5). Zu beachten ist dabei allerdings das Sanierungsprivileg nach § 39 IV S 2.61 Hat sich ein Gläubiger bspw nach § 225a II als Gesellschafter an der Schuldnergesellschaft beteiligt, kann er im Rahmen einer weiteren Fremdfinanzierung von den Regelungen des Kreditrahmens profitieren.62 3. Voraussetzungen des Vorrangs für eine einzelne Forderung a) Kreditforderung im Rahmen des Kreditrahmens. Damit eine konkrete Forderung 18 nach Maßgabe von § 264 I S 1 privilegiert werden kann, muss es sich zunächst um eine Kreditforderung iSv § 264 I S 1 handeln. Diese Forderung muss während der Überwachung der Planerfüllung begründet werden, für die § 268 I Nr 2 eine äußerte zeitliche Grenze von drei Jahren ab der Aufhebung des Insolvenzverfahrens setzt. Nach § 488 I S 2 ist dabei nicht der Zeitpunkt des (Kredit-)Vertragsschlusses, sondern der Auszahlung des Darlehens maßgeblich, weil der Anspruch erst ab diesem Zeitpunkt entsteht und der Kredit damit „aufgenommen“ wird.63 Darüber hinaus darf der Kreditrahmen nicht zuvor mit anderen Kreditforderungen ausgeschöpft worden sein. Ist dies der Fall, kann die spätere Forderung nur als Neugläubigerforderung iSv § 265 S 1 befriedigt werden. Übersteigt die Kreditforderung den noch freien Kreditrahmen, wird sie nur in der Höhe, in der der Kre-

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 11. Wie hier A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 14. So LS 2.3.7, 1. Ber InsRKomm S 212. Vgl Bork in Leipold (Hrsg) InsR im Umbruch, S 51, 63, der zur Vorbeugung von Missverständnissen eine Ergänzung von § 300 II RefE vorgeschlagen hat. Dagegen will Fink Maßnahmen, Rn 361 ein solches Recht des Massegläubigers der „Systematik der Plafondslösung“ entnehmen.

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Vgl dazu schon Bieder ZInsO 2000, 531, 532. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 13. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 6 kommt es „auf die Leistung der Gläubiger“ an. Dagegen meinen BeckOK/Freund InsO10 § 264 Rn 8; Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 482; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 10.

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ditrahmen noch nicht ausgeschöpft war, privilegiert.64 Maßgeblich ist dabei die Reihenfolge der Bestätigungen des Insolvenzverwalters;65 für eine anteilige Befriedigung der echten und der vermeintlichen Kreditrahmengläubiger ist dagegen kein Raum. Dem vermeintlichen Kreditrahmengläubiger stehen jedoch Schadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter, der die Bestätigung nach § 264 II pflichtwidrig erteilt hat, nach §§ 261 I S 2, 60 I zu, soweit er im zweiten Insolvenzverfahren nicht voll befriedigt wird.66 Für eine analoge Anwendung von § 61 ist dagegen kein Raum, weil die Pflichtwidrigkeit in der Bestätigung nach § 264 II liegt, so dass gar keine privilegierte Forderung entstehen konnte.67

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b) Vereinbarung mit dem Schuldner. Ferner muss eine vom Insolvenzverwalter schriftlich bestätigte Vereinbarung mit dem Schuldner iSv § 264 II vorliegen. Um die Einhaltung des Kreditrahmens prüfen zu können, muss darin auch angegeben werden, in welcher Höhe die Forderung nach Hauptforderung, Zinsen – einschließlich Verzugszinsen (§ 288 BGB)68 – und Kosten innerhalb des Kreditrahmens liegt.69 Soweit Nebenforderungen diesen Betrag später übersteigen, sind sie als Neugläubigerforderungen iSv § 265 S 1 zu befriedigen und werden damit nicht privilegiert, sondern subordiniert. Dabei genügt – ähnlich wie bei einer Höchstbetragshypothek (§ 1190 II BGB) oder einer Höchstbetragsbürgschaft70 – die Angabe eines Gesamtbetrags, so dass bei einer Reduzierung der Hauptforderung weitergehende Nebenforderungen erfasst werden können. Darüber hinaus kann eine Vorrangermächtigung bei revolvierenden Krediten mehrmals benutzt werden.71 20 Die Vereinbarung kann bereits beim Vertragsschluss72 getroffen werden oder nachträglich als isolierte Einbeziehungsvereinbarung, jedoch nicht mehr nach der Valutierung des Kredits.73 Mit Blick auf die konstitutive Bestätigung des Insolvenzverwalters (§ 264 II) ist

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Wie hier BK/Wehner InsO66 (Stand: VII/2018) § 264 Rn 11; Braun/Braun/Frank InsO7 § 264 Rn 8; Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 504; HambK/ Thies InsO6 § 264 Rn 10; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 20; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 14; MünchKomm/Drukarczyk InsO3 § 264 Rn 8; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 264 Rn 8; A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 36; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 23 f. Für vollständige Einbeziehung in den Kreditrahmen Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 266 Rn 11; Schiessler Insolvenzplan, S 216. Gegen eine (auch: anteilige) Einbeziehung der Forderung BeckOK/Freund InsO10 § 264 Rn 13. HambK/Thies InsO6 § 264 Rn 10; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 15; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 264 Rn 24. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 21; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 14; A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 36. Wie hier K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 21; aA BK/Breutigam InsO14 (Stand:

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XII/2002) § 264 Rn 34 unter Verweis auf Bork in Leipold (Hrsg) InsR im Umbruch, S 51, 63, der die Kreditrahmengläubiger – entsprechend LS 2.3.8 I (Rn 2) – wie letztrangige Massegläubiger behandeln wollte; iE ebenso BK/Wehner InsO66 (Stand: VII/2018) § 264 Rn 27. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 20. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 266 Rn 7; BeckOK/Freund InsO10 § 264 Rn 12; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 264 Rn 14; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 7; A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 17; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 20. Vgl dazu nur BGHZ 151, 374, 380 ff. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 4. Gegen eine Einbeziehungsvereinbarung vor Vertragsschluss überzeugend Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 18; aA BeckOK/ Freund InsO10 § 264 Rn 10. Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 18. Nach AA kann die Vereinbarung auch noch nach Valutierung des Kredits getroffen werden: BeckOK/Freund InsO10 § 264 Rn 10; HambK/Thies InsO6 § 264 Rn 6; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand:

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Kreditrahmen

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es ratsam, den Kreditvertrag unter die aufschiebende Bedingung der Bestätigung zu stellen.74 Richtigerweise können der Schuldner und der Gläubiger die Einbeziehungsvereinbarung auch schon vor Beginn der Überwachung treffen;75 eine Einschränkung in zeitlicher Hinsicht ist § 264 II insoweit nicht zu entnehmen. Die Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger kann formfrei geschlossen werden,76 auch wenn zumindest die Einhaltung der Textform (§ 126b BGB) ratsam ist. Soweit ein Massegläubiger seinen Kredit stehen lässt, genügt dagegen eine Vereinbarung 21 mit dem bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch verwaltungsbefugten Insolvenzverwalter.77 Dies erscheint zwingend notwendig, weil der Insolvenzverwalter ggf die Stundungsvereinbarung schließen muss, wenn die Masseverbindlichkeit ansonsten fällig gewesen wäre. Dieser Stundung wird der Massegläubiger aber nur zustimmen, wenn zugleich die Einbeziehungsvereinbarung getroffen wird. Da die Einbeziehungsvereinbarung erst mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens wirksam werden kann, sollte sie entsprechend aufschiebend bedingt werden (§ 158 I BGB).78 Dagegen muss die Stundungsvereinbarung unbedingt abgeschlossen werden, weil die Masseverbindlichkeit ansonsten weiterhin fällig bleibt. Da nach dem Abschluss der Einbeziehungsvereinbarung mit dem Insolvenzverwalter die Bestätigung iSv § 264 II entbehrlich ist, bedarf die auf den Abschluss der Einbeziehungsvereinbarung gerichtete Erklärung des Insolvenzverwalters der Schriftform (§ 126 I BGB), die auch durch die elektronische Form ersetzt werden kann (§§ 126 III, 126a BGB).79 Dagegen muss die gesetzliche Schriftform für Verträge (§ 126 II BGB) nicht eingehalten werden. c) Bestätigung des Insolvenzverwalters. Die Rechtsfolge von § 264 I S 1 setzt schließ- 22 lich die Bestätigung des Insolvenzverwalters voraus (§ 264 II), die der Schriftform für einseitige Rechtsgeschäfte unterliegt (§ 126 I BGB). Diese Bestätigung steht nicht im Ermessen des Insolvenzverwalters, sondern ist zu erteilen, soweit der Kreditrahmen noch nicht ausgeschöpft ist.80 Etwas anderes gilt nur, wenn der Kreditvertrag nach § 263 der Zustimmung des Insolvenzverwalters bedarf,81 wobei richtigerweise die Zustimmung und nicht

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IX/2016) § 264 Rn 7; Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 264 Rn 7. A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 18; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 23. So auch HambK/Thies InsO6 § 264 Rn 6; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 6; ebenso auch Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 142, der jedoch offenlässt, ob eine Vorrangvereinbarung vor Beginn der Planüberwachung überhaupt getroffen werden kann; aA Brünkmans/Thole/ Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 500; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 18; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 7; A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 18. Dagegen scheint Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 264 Rn 8 ausschließlich eine Vereinbarung vor Aufhebung des Verfahrens für möglich zu halten; vgl dazu auch Rn 80. A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 18; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 19.

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BK/Wehner InsO66 (Stand: VII/2018) § 264 Rn 21; aA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 18. Vgl Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 500. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 7. Begr zu RegE § 311, BT-Drucks 12/2443 S 216; FK/Jaffé InsO9 § 264 Rn 14, 16; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 10; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 22. AA Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 264 Rn 8, allerdings aufgrund der falschen Prämisse, die Einbeziehungsvereinbarung müsse stets vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgen, wodurch § 259 I 2 unberücksichtigt bleibt. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 266 Rn 8; Braun/Braun/Frank InsO7 § 264 Rn 9; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 264 Rn 15; HK/Haas InsO9 § 264 Rn 7; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 16.

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die Bestätigung im Ermessen des Insolvenzverwalters liegt. Verweigert der Insolvenzverwalter die Bestätigung pflichtwidrig, muss das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Aufsichtspflicht einschreiten (§§ 261 I S 2, 58)82 und den Insolvenzverwalter als ultima ratio aus dem Amt entlassen (§ 59). 23 Allerdings wird im Schrifttum vielfach dafür plädiert, dass es möglich sein soll, den Vorrang im Insolvenzplan auf bestimmte Kreditgeber oder bestimmte Kreditarten zu begrenzen.83 Da sich diese Einschränkung zugunsten der Altgläubiger und der vertraglichen Neugläubiger (§ 265) auswirkt, bestehen dagegen keine Bedenken. An eine solche Einschränkung ist der Insolvenzverwalter ggf gebunden und muss die Bestätigung verweigern, wenn der vom Schuldner vereinbarte Kredit von diesen Vorgaben abweicht. Bestätigt der Insolvenzverwalter die Vereinbarung pflichtwidrig trotzdem, muss der Vorrang nach § 264 I S 1 gleichwohl eintreten. Den Alt- und den vertraglichen Neugläubigern bleiben dann nur Ansprüche aus § 60 I gegen den Insolvenzverwalter. Dass die Rechtslage damit von der bei Überschreitung des Höchstbetrags abweicht (Rn 18), lässt sich schlüssig erklären, weil der Höchstbetrag gesetzlicher Inhalt des Kreditrahmens ist, der öffentlich bekannt gemacht wird (§ 267 II Nr 3). Das bedeutet, dass ein höherer Forderungsbestand als im Insolvenzplan vorgesehen nicht privilegiert werden kann. Die Angabe bestimmter Kredite oder Kreditgeber hat als privatautonome Gestaltung dagegen keine Außenwirkung und bewirkt daher nur, dass andere als im Insolvenzplan vorgesehene Forderungen nicht privilegiert werden dürfen. 24 Auch über den Zeitpunkt der Bestätigung sagt § 264 II nichts aus. Soweit es nicht um die Prolongation von Masseverbindlichkeiten geht, kann die Bestätigung jedoch erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgen, weil dem Insolvenzverwalter diese Befugnis erst im Rahmen der Überwachung der Planerfüllung zufällt. Dagegen steht das zeitliche Verhältnis zum Abschluss der Einbeziehungsvereinbarung im Belieben der Parteien, auch wenn der Begriff der Bestätigung eine nachträgliche Erklärung des Insolvenzverwalters suggeriert.84 Der Sache nach handelt es sich jedoch um eine – atypisch bezeichnete85 – Zustimmung, auf die die §§ 182 ff BGB anwendbar sind.86 Daher kann die Bestätigung sowohl dem Schuldner als auch dem Kreditrahmengläubiger gegenüber erklärt werden (§ 182 I BGB)87 und sowohl im Voraus (§ 183 BGB) als auch im Nachhinein erfolgen (§ 184 BGB). Da der Schuldner mit der Bestätigung sicher rechnen kann, wenn der Kreditrahmen noch nicht ausgeschöpft ist, kann die Bestätigung auch nach der Valutierung des Kredits erfolgen, ohne dass dies dem Sinn und Zweck von § 264 I S 1 widerspräche.88 25 Hat der Insolvenzverwalter die bereits zuvor geschlossene Einbeziehungsvereinbarung bestätigt, kann er die Erklärung nicht einseitig widerrufen (§ 183 S 1).89 Davon zu unter-

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FK/Jaffé InsO9 § 264 Rn 14. BeckOK/Freund InsO10 § 264 Rn 5; HK/ Haas InsO9 § 264 Rn 4; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 4; Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 264 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 12. FK/Jaffé InsO9 § 264 Rn 14; aA Brünkmans/ Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 504; A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 21; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 23. § 106 VglO sprach dagegen terminologisch richtig von einer „Zustimmung des Vergleichsverwalters“.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 9. AA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 21: Die Bestätigung nach § 264 II ähnelt der gerichtlichen Bestätigung nach § 248. Für Erklärung nur gegenüber dem Gläubiger dagegen Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 23. So auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 9; aA Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 18. Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 504; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 23; FK/Jaffé InsO9 § 264 Rn 16

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Kreditrahmen

§ 264

scheiden ist die Frage, ob er sie insoweit korrigieren kann, wie die fragliche Kreditvereinbarung außerhalb des Kreditrahmens liegt. Da die Bestätigung insoweit ohnehin nicht den erwarteten Vorrang als Kreditrahmenforderung begründen, sondern nur als Grundlage für Schadensersatzansprüche dienen kann (Rn 18), muss eine solche Korrektur jederzeit möglich sein. Ein Widerruf im eigentlichen Sinne liegt darin nicht.90 Auch eine Irrtumsanfechtung (§ 119 BGB) scheidet aus, weil der Irrtum über die verfügbare Höhe des Kreditrahmens keinen relevanten Irrtumstatbestand begründet.91 d) Sonstige Sicherheiten. § 264 I S 1 verlangt nicht, dass der vom Kreditrahmen ge- 26 deckte Kredit nicht zusätzlich dinglich oder auf andere Weise gesichert wird.92 So kann der Warenkreditgeber selbstverständlich auch jede Form des Eigentumsvorbehalts vereinbaren. e) Anfechtbarkeit. Wie jede Rechtshandlung unterliegt auch die Einbeziehungsverein- 27 barung im zweiten Insolvenzverfahren grundsätzlich den Regelungen der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff).93 Zwar sollen Rechtshandlungen eines Insolvenzverwalters in einer Folgeinsolvenz nicht anfechtbar sein.94 Dagegen sind Rechtshandlungen des Schuldners mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters von der Anfechtung nicht kategorisch ausgeschlossen, sondern nur, wenn die Zustimmung einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand gesetzt hat.95 Allerdings liegen die Voraussetzungen für die Anfechtung in der Regel nicht vor. Schon die Gläubigerbenachteiligung ist fraglich, wenn nicht der schuldrechtliche Kreditvertrag, sondern die Einbeziehungsvereinbarung angefochten werden soll, weil sich dadurch weder die Teilungs- noch die Passivmasse und damit auch nicht die Insolvenzquote verändert, sondern die relative Subordination nur die Verteilung zwischen zwei Gläubigergruppen betrifft (vgl § 266 Rn 4). Insoweit wirkt der Vorrang einer Kreditrahmenforderung entweder zulasten der anderen privilegierter Gläubiger, soweit diese nicht ohnehin voll befriedigt werden, oder zulasten der subordinierten Gläubiger, soweit diese überhaupt an der Verteilung teilnehmen (vgl iE § 266 Rn 7 ff). Deshalb ist schon fraglich, ob eine Gläubigerbenachteiligung iSv § 129 I vorliegt, weil nicht „die“, sondern nur einzelne Insolvenzgläubiger zugunsten anderer benachteiligt werden.96 90 91

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Insoweit aA FK/Jaffé InsO9 § 264 Rn 16. Ein relevanter Inhaltsirrtum läge nur vor, wenn sich der Insolvenzverwalter über den Inhalt der bestätigten Einbeziehungsvereinbarung irrt. Vgl Staudinger/Gursky2014 vor §§ 182 ff BGB Rn 45 mwN. AA Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 488. So auch BK/Wehner InsO66 (Stand: VII/2018) § 264 Rn 29; HambK/Thies InsO6 § 264 Rn 12; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 19; aA Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 264 Rn 8; Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 266 Rn 12; BK/Breutigam InsO14 (Stand: XII/2002) § 264 Rn 37; Braun/Braun/Frank InsO7 § 264 Rn 11; Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 507; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 264 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 264 Rn 8; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3

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§ 264 Rn 10; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 264 Rn 7 Rn 9; A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 32; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 264 Rn 32. Vgl Uhlenbruck/Hirte/Ede InsO14 § 129 Rn 137; MünchKomm/Kayser InsO3 § 129 Rn 42; MünchKomm/Kirchhof InsO3 § 147 Rn 9; Thole NZI 2017, 129, 131. So BGHZ 161, 315, 319, dort allerdings zu Erfüllungshandlungen; dazu iE Binder KTS 2006, 1 ff. Dass die Verwalterbestätigung iSd § 264 II einen solchen Vertrauenstatbestand schafft, bejaht A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 32. IE wie hier A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 33 unter Verweis auf BGH ZIP 2013, 637; vgl zum Benachteiligungsvorsatz (§ 133 I 1) skeptisch BK/Wehner InsO66 (Stand: VII/2018) § 264 Rn 29.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

Unabhängig davon liegt regelmäßig ein unanfechtbares Bargeschäft (§ 142 I) vor, wenn der Kredit nach dem Abschluss der Einbeziehungsvereinbarung ausgereicht wird, weil die Stellung gleichwertiger Sicherheiten von § 142 I erfasst ist97 und die Einbeziehungsvereinbarung die vom Schuldner zu stellende Sicherheit darstellt. Dagegen kann die Vereinbarung nach der Valutierung des Kredits ohnehin nicht mehr wirksam geschlossen werden (Rn 20), so dass sich die Insolvenzanfechtung in diesem Fall erübrigt. 4. Entsprechende Regelung im KredReorG

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Eine mit §§ 264, 266 vergleichbare Regelung zum Kreditrahmen gibt es seit dem 1.1.2011 auch für Sanierungspläne von Kreditinstituten (§ 2 II 3–6 KredReorgG). Für die Reorganisationspläne wird dagegen auf diese Vorschriften verwiesen (§ 8 I 3 Hs 2 KredReorgG). Trotz erheblicher Ähnlichkeiten im Detail weicht der Kreditrahmen nach dem KredReorgG wesentlich ab, als er nicht auf die Zeit der Überwachung der Planerfüllung beschränkt ist, die es ohnehin nur für Reorganisationspläne gibt (§ 260 Rn 37), sondern integraler Bestandteil des jeweiligen Plans ist. Dieser Unterschied beruht darauf, dass während des Sanierungs- bzw Reorganisationsverfahrens keine Masseverbindlichkeiten begründet werden können, so dass sich das oben darstellte Finanzierungsproblem (Rn 4) schon während des Verfahrens stellt. 30 § 2 II S 3 KredReorgG enthält im Wesentlichen dieselben Regelungen wie §§ 264 I S 1, 266 I, wobei der gestaltende Teil des Insolvenzplans durch den Sanierungs- bzw den Reorganisationsplan ersetzt wird. Während § 2 II S 4 KredReorG die Regelung in § 264 I S 2 wörtlich wiederholt, weicht § 2 II S 5 KredReorG von § 264 I S 3 auch sachlich ab, weil die Höhe des Kreditrahmens in Sanierungs- und Reorganisationsplänen von Kreditinstituten auf 10 % der Eigenmittel begrenzt ist. Verwiesen wird damit auf den aufsichtsrechtlichen Eigenmittelbegriff,98 der zunächst in § 10 II KWG99 enthalten war und sich heute in Art 72 VO (EU) 575/2013100 findet. Danach gehören zu den Eigenmitteln das Kernkapital101 und das Ergänzungskapital102. § 2 II S 6 KredReorG verweist schließlich auf § 264 II mit der Maßgabe, dass anstelle des Insolvenzverwalters der Sanierungsberater (§ 3 II 2 KredReorgG) die Vereinbarung gegenüber dem Gläubiger schriftlich zu bestätigen hat. Dagegen wird weder auf § 264 III (Rn 3) noch auf § 265 (§ 265 Rn 19) verwiesen.

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Dazu MünchKomm/Kirchhof InsO3 § 142 Rn 13c. Vgl Begr zu RegE KredReorgG § 2, BTDrucks 17/3024 S 45. Beim Inkrafttreten des KredReorgG idF v Art 1 Nr 12 lit g des Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie v 17.12.2006, BGBl I S 2606 und Art 1 Nr 11 lit c des Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie v 19.11.2010, BGBl I S 1592.

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Verordnung (EU) Nr 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr 646/2012, ABl Nr L 176/1, auch als „Capital Requirements Regulation“ oder kurz „CRR“ bezeichnet. Das Kernkapital eines Instituts besteht aus dem harten Kernkapital iSv Art 50 VO (EU) 575/2013 und dem zusätzlichen Kernkapital iSv Art 61 VO (EU) 575/2013. Vgl dazu die Definition in Art 71 VO (EU) 575/2013.

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Nachrang von Neugläubigern

§ 265

§ 265 Nachrang von Neugläubigern 1Gegenüber

den Gläubigern mit Forderungen aus Krediten, die nach Maßgabe des § 264 aufgenommen oder stehen gelassen werden, sind nachrangig auch die Gläubiger mit sonstigen vertraglichen Ansprüchen, die während der Zeit der Überwachung begründet werden. 2Als solche Ansprüche gelten auch die Ansprüche aus einem vor der Überwachung vertraglich begründeten Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Gläubiger nach Beginn der Überwachung kündigen konnte. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.3.8; DiskE/RefE § 301; RegE § 312; Begr zu RegE § 312, BTDrucks 12/2443 S 216. Vorgängerregelung: § 106 VglO. Literatur: S zu §§ 254, 260, 264.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . . . . II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . 1. Zeitlicher Umfang der Forderungen

. . . . .

Rn. 1 1 2 3 3

2. Vertragliche Neugläubiger . . . . . . 3. Gläubiger aus Dauerschuldverhältnissen . . . . . . . . . . . . . 4. Keine entsprechende Anwendung im KredReorG . . . . . . . . . . . .

Rn. 5 14 19

I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte § 265, der seit 1.1.1999 unverändert gilt, entspricht wörtlich § 301 DiskE/RefE und 1 § 312 RegE. Dagegen findet sich im Vorschlag der Kommission für Insolvenzrecht keine vergleichbare ausdrückliche Regelung, weil die Forderungen der Kreditrahmengläubiger im Liquidationsverfahren als letztrangige Masseschulden behandelt werden sollten und damit ohnehin Vorrang vor allen Insolvenzforderungen der Neugläubiger aus der Zeit während der Überwachung gehabt hätten (§ 264 Rn 2). Die in § 265 vorgesehene Differenzierung nach vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen sowie nach dem Zeitpunkt der möglichen Kündigung bei Dauerschuldverhältnissen war damit nicht sinnvoll. Diese Differenzierungen beruhen auf § 301 DiskE. 2. Normzweck § 265 ergänzt § 264 I S 1 und stärkt den Rang der Kreditrahmengläubiger, die nicht nur 2 gegenüber den „alten“ Insolvenzgläubigern, sondern auch gegenüber einem Teil der Neugläubiger privilegiert werden. Gäbe es diesen „erweiterten Nachrang“ nicht, wäre der ohnehin schon zweifelhafte Kreditrahmen (§ 264 Rn 5) von noch geringerem Wert.1 Indem

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aber nur diejenigen Neugläubiger im Rang zurücktreten, die „freiwillig“ und in (möglicher) Kenntnis des Kreditrahmens (§ 267 II Nr 3) Forderungen gegenüber dem Schuldner begründet haben, versucht § 265 – im Gegensatz zum Vorschlag der Kommission für Insolvenzrecht – eine ausgewogene Vorrangregelung für alle Gläubiger zu finden.2 Insbesondere lässt sich nur durch die mögliche Kenntnis vom Kreditrahmen und seiner Höhe vor dem Vertragsschluss der naheliegende Einwand gegen den Nachrang entkräften, der Kreditrahmen stelle einen unzulässigen Vertrag – bzw einen privatrechtsgestaltender Hoheitsakt (§ 254 Rn 37) – zulasten Dritter dar.3 Diese Differenzierung zwischen vertraglichen und gesetzlichen Neugläubigern ist zwar dem Regelungszweck von § 264 I S 1 nicht dienlich, aber im Interesse der „unfreiwilligen“ Neugläubiger geboten.4 Das dadurch geschaffene Vorrangsystem ist allerdings äußerst komplex (§ 266 Rn 7 ff).

II. Einzelerläuterung 1. Zeitlicher Umfang der Forderungen

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§ 265 erfasst nur Forderungen, die während der Zeit der Überwachung begründet worden sind. Diese sind in zeitlicher Hinsicht nach vorne gegen Forderungen aus dem Insolvenzverfahren abzugrenzen. Da sich die Überwachung der Planerfüllung nahtlos an die Aufhebung des Insolvenzverfahrens anschließt (§ 260 II), kommt es für die Zuordnung auf den Zeitpunkt an, an dem die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe von § 9 I S 3 wirksam wird (Rn 258 Rn 13).5 Alle zuvor entstandenen Forderungen sind damit gegenüber den Kreditrahmengläubigern von vornherein nicht subordiniert, ganz gleich, ob sie im aufgehobenen ersten Insolvenzverfahren Masseforderungen waren oder als persönliche Neuforderungen gegen den Schuldner etwa aus einer unerlaubten Handlung (§ 823 I BGB) gar nicht am Insolvenzverfahren teilgenommen haben.6 4 Nach hinten sind die von § 265 erfassten Forderungen leicht abzugrenzen, weil §§ 264, 265 ohnehin nur Rechtswirkungen entfalten, wenn vor der Aufhebung der Überwachung ein zweites Insolvenzverfahren eröffnet wird (§ 266 I). Daraus folgt, dass es sich um Forderungen handeln muss, die während der Überwachung der Planerfüllung begründet worden sind und in diesem zweiten Verfahren Insolvenzforderungen darstellen (§ 38). Da die Überwachung grundsätzlich drei Jahre nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens aufzuheben ist (§ 268 I Nr 2), muss die fragliche Forderung in dieser Zeit entstanden sein. Et-

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Ob dies im Hinblick auf Verbraucher gelungen ist, kann man allerdings mit Häsemeyer InsR4 Rn 28.62 bezweifeln. So im Kontext der Diskussion um den Nachrang der Gesellschafterdarlehensforderungen MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 266 Rn 21. Dieser Einwand richtet sich jedoch nicht spezifisch gegen eine mögliche Bevorrechtigung dieser Forderungen durch den Kreditrahmen (vgl § 264 Rn 3), sondern kann allgemein gegen den Nachrang der vertraglichen Neugläubiger gerichtet werden. Begr zu RegE § 312, BT-Drucks 12/2443 S 216 f.

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Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 265 Rn 2. Dagegen meint BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 26, die während des ersten Insolvenzverfahrens geschädigten Gläubiger seien gegenüber den Kreditgläubigern nachrangig, will dieses Ergebnis dann aber aus verfassungsrechtlichen Gründen korrigieren (Rn 27). Dagegen etwa MünchKomm/ Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 30, die allen Gläubigern aus unerlaubter Handlung während des ersten Insolvenzverfahrens und der Überwachung denselben Rang einräumen wollen wie Kreditrahmengläubigern.

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was anders gilt nur, wenn vor Ablauf der drei Jahre ein (erneuter) Insolvenzantrag gestellt wird; dann wird die Überwachung bis zur Entscheidung des zuständigen Insolvenzgerichts über den Antrag fortgesetzt (§ 268 Rn 8). Wird das (zweite) Insolvenzverfahren auf diesen Antrag hin eröffnet, kann § 265 daher auch Forderungen erfassen, die mehr als drei Jahre nach dem Beginn der Überwachung entstanden sind. 2. Vertragliche Neugläubiger Nach dem nunmehr verwirklichten Regelungskonzept treten zum einen die vertragli- 5 chen Neugläubiger im Rang hinter die Kreditrahmengläubiger zurück. Die damit erforderliche Abgrenzung zwischen vertraglichen und gesetzlichen Gläubigern, die auch in anderen Normkontexten wie bei § 29 ZPO oder im IPR erforderlich ist, muss sich an der Teleologie von § 265 S 1 orientieren. In der Begründung heißt es dazu, der Nachrang sei den erfassten Neugläubigern zuzumuten, „da die Tatsache der Überwachung und der Kreditrahmen öffentlich bekanntgemacht und ins Handelsregister eingetragen werden […] und da es diesen Gläubigern freisteht, von einem Vertragsschluß abzusehen“.7 Als „Gläubiger mit vertraglichen Ansprüchen“ sind daher alle diejenigen anzusehen, denen ein rechtsgeschäftlicher oder geschäftsähnlicher Kontakt zugrunde liegt und bei denen der Gläubiger eine vermögensmäßige Entscheidung8 getroffen hat. Auch hier kommt es auf das anwendbare Recht nicht entscheidend an. Dass im Folgenden nur Ansprüche des deutschen Rechts näher untersucht werden, ist daher nur exemplarisch zu verstehen. Neben den unmittelbar vertraglich begründeten Ansprüchen gilt die Subordination zu- 6 nächst auch für Ansprüche in Rückabwicklungsschuldverhältnissen (§§ 346, 357a ff BGB) und für gesetzliche Folgeansprüche aus Verträgen wie etwa aus §§ 280 ff BGB bei der Verletzung vertraglicher Pflichten oder speziell aus §§ 437 ff BGB etc.9 Konkurriert ein deliktsrechtlicher Anspruch aus § 823 I BGB oder § 831 BGB oder ein Anspruch aus § 1 ProdHaftG mit einem Anspruch wegen Verletzung einer vertraglichen Integrationsschutzpflicht (§§ 280 I, 241 II, 278 BGB), etwa weil das Auto des Kunden in der Werkstatt des Schuldners von einem Mitarbeiter beschädigt worden ist, ist der Anspruch einheitlich zu subordinieren, weil er insgesamt auf einem vermeidbaren rechtsgeschäftlichen Kontakt beruht. Kommt es durch die Lieferung mangelhafter Sachen durch den Schuldner allerdings zu Schäden an sonstigen Rechtsgütern des Gläubigers, beruht dies nicht mehr auf dessen vermögensmäßiger Entscheidung.10 Auf einem geschäftsähnlichen Kontakt beruhen auch Ansprüche aus §§ 280 I, 311 II, 7 241 II BGB (culpa in contrahendo),11 zumal die Grenze zu einem selbständigen Beratungs-

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Begr zu RegE § 312, BT-Drucks 12/2443 S 216 f. Vgl dazu im Kontext von § 818 III BGB schon Flume FS Niedermeyer (1953), S 103, 152. BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 8; Braun/Braun/Frank InsO7 § 265 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 265 Rn 5; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 8; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 265 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 265 Rn 2.

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So im Kontext von § 818 III BGB Flume NJW 1970, 1161, 1163. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 265 Rn 7; BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 8; FK/Jaffé InsO9 § 265 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 265 Rn 2; MünchKomm/ Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 8; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 265 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 265 Rn 2.

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vertrag fließend ist.12 Dies gilt unabhängig davon, ob später ein Vertrag geschlossen worden ist und sich der Anspruch auf Aufhebung dieses Vertrags richtet (§ 249 I BGB) oder ob nach dem Abbruch von Vertragsverhandlungen frustrierte Aufwendungen ersetzt werden sollen. Konsequenterweise muss man auch Ansprüche aus §§ 823 II, 826 BGB beim Eingehungsbetrug durch den Schuldner (§ 263 StGB) subordinieren. 8 Dasselbe gilt für die Leistungskondition (§ 812 I 1 Alt 1 BGB),13 wenn eine Willenserklärung angefochten wird (§§ 119, 123 BGB) oder ein Rechtsgeschäft nichtig war (§§ 134, 138 BGB).14 Etwas anderes gilt hier nur bei Geschäftsunfähigen (§ 105 BGB) und beschränkt Geschäftsfähigen (§ 107 BGB), die eine vermögensmäßige Entscheidung nicht selbstverantwortlich treffen können. Hat sich ein Minderjähriger ohne Zustimmung seiner Eltern für 200 Euro in bar im Unternehmen des Schuldners ein Tablet gekauft, und ist das Geld später bei der Hausbank des Schuldners eingezahlt worden (§ 932 I BGB), ist der Anspruch des Minderjährigen aus § 816 I S 1 BGB trotz des rechtsgeschäftlichen Kontakts mit dem Schuldner nicht nach § 265 S 1 subordiniert. 9 Zu den „vertraglichen“ Ansprüchen müssen weiterhin die Rückgriffsfälle gezählt werden, wenn der Gläubiger eine Verbindlichkeit des Schuldners getilgt hat (§ 267 BGB). War sich der Gläubiger bewusst, dass er eine fremde Verbindlichkeit tilgt, besteht bei berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag ein Anspruch aus § 683 S 1 BGB und bei unberechtigter aus §§ 684 S 1, 812 ff BGB; ein wesentlicher Unterschied ergibt sich aus dieser Differenzierung allerdings nicht.15 Daher kann die im Schrifttum vorgenommene Unterscheidung, nach der nur Ansprüche aus der „nicht erwünschten“ unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag subordiniert werden sollen,16 nicht überzeugen. Insbesondere greift die These, mit dem Anwendungsersatzanspruch solle „die Hilfsbereitschaft in Notlagen erhöht werden“,17 zu kurz, weil sich die §§ 677 ff BGB gerade nicht auf die Förderung der Menschenhilfe reduzieren lassen.18 Hat sich der Gläubiger dagegen selbst für den Schuldner der von ihm getilgten Forderung gehalten, liegt keine Geschäftsführung ohne Auftrag vor (§ 687 I BGB), so dass nur die Rückgriffskondiktion bleibt (§ 812 I 1 Alt 2 BGB). Diese begründet mangels eines bewussten geschäftsähnlichen Kontakts keinen „vertraglichen“ Anspruch. 10 Über die Rückgriffsfälle hinaus stellt grundsätzlich jede bewusste Übernahme einer Geschäftsführung für einen Schuldner in der Planüberwachung eine vermögensmäßige Entscheidung dar, die zur Subordination nach § 265 S 1 führt. Etwas anderes gilt nur in den Fällen, in denen die Geschäftsführung auch im öffentlichen Interesse geboten ist (§ 679 BGB) oder sogar der Gefahrenabwehr dient (§ 680 BGB), weil in diesen Fällen das altruis-

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Vgl etwa BGHZ 74, 103, 106; 100, 117, 118; 140, 111, 115. BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 29; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 13; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 33; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 265 Rn 5; A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 26. Gegen jede Subordination von Bereicherungsansprüchen dagegen Leonhardt/ Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 265 Rn 4. Wäre der vertragliche Anspruch nach § 264 I 1 privilegiert worden, gilt dies aber auch für § 812 I 1 Alt 1 BGB (§ 264 Rn 14).

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Vgl BGHZ 4, 153, 161; 39, 261, 265. BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 32 f; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 36, 37; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 265 Rn 6. So Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 265 Rn 6; ähnlich BK/ Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 32; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 36. Dazu iE Wollschläger Die Geschäftsführung ohne Auftrag (1976), S 24 ff.

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tische Moment die vermögensmäßige Entscheidung überlagert.19 Darüber hinaus werden die Ansprüche auf Ersatz berechtigter Abmahnkosten etwa aus § 12 I S 2 UWG (ggf iVm § 5 UKlaG) oder aus § 97 III S 1 UrhG, die sich aus § 683 BGB entwickelt haben,20 nicht subordiniert, weil sie ohne vermögensmäßige Entscheidung zur Durchsetzung subjektiver Rechte entstehen. Insoweit gilt dasselbe wie für den prozessualen Kostenerstattungsanspruch aus § 91 ZPO, selbst wenn der Gläubiger (freiwillig) Klage gegen den Schuldner erhoben hat. Keine vertraglichen Ansprüche sind darüber hinaus insbesondere solche aus § 823 I 11 BGB oder § 1 ProdHaftG, wenn ihnen kein geschäftlicher Kontakt zugrunde liegt,21 aus §§ 7, 18 StVG,22 § 97 II UrhG, § 14 VI MarkenG oder § 139 II PatG sowie aus Eingriffskondiktion (§ 812 I 1 Alt 2 BGB)23 oder aus §§ 9, 10 UWG. Dasselbe gilt für Ansprüche des Gläubigers gegen den Schuldner aus einer von diesem vorgenommenen Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 681 S 2, 667 BGB)24 oder einer Geschäftsanmaßung (§§ 687 II, 681 S 2, 667 BGB).25 Schließlich beruhen Steuer- und Abgabenforderungen sowie die Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge nicht auf einem Vertrag, sondern entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO, § 22 I 1 SGB IV).26 Für Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen, die einen Verwaltungsakt ersetzen (§ 54 S 2 VwVfG), gilt dasselbe wie für den Verwaltungsakt selbst. Würde mit dem Verwaltungsakt eine gesetzlich begründete Forderung festgesetzt, ist daher auch der Anspruch aus dem Vertrag nicht subordiniert. Von der Subordination ausgenommen sind selbstverständlich auch alle dinglichen An- 12 sprüche, die im zweiten Insolvenzverfahren ein Aussonderungsrecht begründen (§ 47 InsO) und damit mit Insolvenzforderungen egal welchen Ranges gar nicht in Konkurrenz treten können.27 Dasselbe gilt für persönliche Aussonderungsrechte wie aus § 546 BGB. Soweit dem Gläubiger gegen den Schuldner ergänzend bzw statt § 985 BGB Ansprüche aus §§ 987, 989, 990 BGB zustehen, ist entscheidend, ob der Schuldner aufgrund eines geschäftlichen Kontakts in den Besitz der Sache gekommen ist oder nicht.28 Dasselbe gilt, soweit dem gut-

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Daher wäre der Anspruch des barmherzigen Samariters auf Erstattung der zwei Groschen für den Herbergswirt (Luk 10, 35) nicht subordiniert, falls er nicht, was das Gleichnis nahelegt, nach § 685 BGB ausgeschlossen wäre. Vgl etwa Begr zu RegE UWG § 12, BTDrucks 15/1487 S 25. Ebenso die hL, die jedoch nicht danach differenziert, ob ein geschäftlicher Kontakt vorlag: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 265 Rn 8; BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 23; FK/Jaffé InsO9 § 265 Rn 5; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 265 Rn 7; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 266 Rn 13; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 265 Rn 4; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 265 Rn 3; MünchKomm/Tetzlaff/ Kern InsO3 § 265 Rn 22; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 265 Rn 4; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 146.

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Ebenso, jedoch wieder ohne Herausnahme der Fälle geschäftlichen Kontakts: Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 265 Rn 8; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 22. BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 30; Braun/Braun/Frank InsO7 § 265 Rn 3; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 32; Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 265 Rn 5. BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 34. MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 38. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 265 Rn 7. Für Steueransprüche auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 13. BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 36; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 20. Pauschal gegen die Subordination dagegen Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 265 Rn 9; BK/Breutigam InsO66 (Stand:

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gläubigen Gläubiger als unberechtigtem Besitzer Verwendungsersatzansprüche gegen den Schuldner als Eigentümer der Sache zustehen (§§ 994 I, 996 BGB).29 Dagegen liegt dem Anspruch aus § 994 II BGB wie der Geschäftsführung ohne Auftrag eine vermögensmäßige Entscheidung zugrunde, solange die Handlung nicht im öffentlichen Interesse geboten war (Rn 10).30 Letzteres wäre etwa bei der Fütterung von Tieren der Fall. 13 § 265 S 1 gilt schließlich nicht für die Fälle, in denen der Vertragspartner einem Kontrahierungszwang unterliegt. Zu denken ist dabei namentlich an die Grundversorgung durch Energieversorgungsunternehmen (§ 36 EnWG), die Kraftfahrzeughaftpflicht- (§ 5 II PflVG) und die private Krankenversicherung (§ 193 V VVG) und Kontoverträge.31 Da die andere Vertragspartei in diesen Fällen nicht freiwillig mit dem Schuldner kontrahiert, fehlt die für die Subordination erforderliche Legitimation. Dies gilt nicht nur für die bereits zuvor begründeten Vertragsverhältnisse, bei denen es dem Vertragspartner an der für § 265 S 2 erforderlichen Kündigungsmöglichkeit fehlt (Rn 18), sondern auch für Neuabschlüsse während der Überwachung.32 3. Gläubiger aus Dauerschuldverhältnissen

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Bei Dauerschuldverhältnissen aus der Zeit vor der Überwachung ist entscheidend, ob der Gläubiger durch Kündigung die Entstehung der fraglichen Forderung hätte vermeiden können. Erfasst sind ordentliche und außerordentliche Kündigungen.33 Soweit keine Kündigungsmöglichkeit bestand, ist der Gläubiger mit seinen Forderungen nicht subordiniert.34 Andernfalls wird der Gläubiger wie ein vertraglicher Neugläubiger behandelt. Damit steht der Vertragsschluss mit dem Schuldner dem Unterlassen einer möglichen Kündigung gleich. Allerdings wird man bei außerordentlichen Kündigungsrechten, die anders als § 543 II S 1 Nr 3 BGB auf Generalklauseln beruhen und daher nicht immer klar zu erkennen sind, darauf abstellen müssen, ob die Kündigungsvoraussetzungen für den Vertragspartner des Schuldners klar zu erkennen waren,35 weil eine unberechtigte Kündigung nicht nur Kosten verursachen, sondern auch eine Pflichtverletzung darstellen kann (§ 241 II BGB).36

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XII/2002) § 265 Rn 36; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 265 Rn 4; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 40. Auch hier pauschal gegen die Subordination Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 265 Rn 9; BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 37; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 265 Rn 4; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 41. Für Subordination auch BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 38. Ein für § 265 S 1 praktisch relevanter Kontrahierungszwang kann nur für die öffentlichen Sparkassen bestehen (vgl dazu Piekenbrock WM 2013, 1925, 1927 f), weil der Anspruch auf Abschluss eines Basiskontovertrags nur Verbrauchern zusteht (§ 31 ZKG), die auch nach Aufhebung von § 312 II InsO 1999 kaum Schuldner bei der Überwachung der Planerfüllung mit Kreditrahmen sein werden.

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Für Gleichbehandlung von Alt- und Neuverträgen auch BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 21; aA insoweit MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 18, die annehmen, der Kontrahierungszwang lasse den Nachrang nicht entfallen. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 266 Rn 14; BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 12; FK/Jaffé InsO9 § 265 Rn 6; Hess InsO2 § 265 Rn 6; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 265 Rn 5; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 265 Rn 3. Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 265 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 265 Rn 3; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 13; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 265 Rn 3. Vgl BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 12. Vgl nur BGHZ 179, 238 Rn 16 mwN; BGHZ 211, 201 Rn 16 bei Verletzung der vereinbarten Kündigungsfrist.

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Vom Anwendungsbereich von § 265 S 2 scheiden damit von vornherein alle Dauerschuldverhältnisse aus, bei denen dem Gläubiger kein Kündigungsrecht zusteht. Zu denken ist dabei insbesondere an Zeitmietverträge, Dienst- und Arbeitsverträge mit Festlaufzeit oder Finanzierungsleasingverträge. Die Frage, ob diese Forderungen als betagte bereits mit Vertragsschluss entstehen und nur sukzessive fällig werden oder ob sie als befristete Forderungen jeweils mit Zeitablauf entstehen,37 ist dafür irrelevant. Diese Frage spielt nur für § 258 II eine Rolle (§ 258 Rn 22). Auch Darlehensverträge sind zwar Dauerschuldverhältnisse,38 aber vom Anwendungsbereich von § 265 S 2 ausgeschlossen, soweit die Darlehensvaluta vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ausgereicht worden war. Wenn sie danach ausgereicht werden und nicht in den Kreditrahmen fallen, sind sie dagegen nach § 265 S 1 subordiniert. Hauptanwendungsfälle von § 265 S 2 sind damit unbefristete Miet-, Dienst-, Sukzessivlieferungs-, Versicherungs- und Kontoverträge. Bei Mietverträgen, bei denen der Schuldner der Mieter sein muss, ist denkbar, dass es sich bei dem Mietobjekt um die Wohnung des Schuldners handelt. In einem solchen Fall kommt § 265 S 2 nur zum Tragen, wenn der Vermieter ein Recht zur ordentlichen (§§ 573, 573a BGB) oder zur außerordentlichen Kündigung (§§ 543, 569 BGB) hat.39 Hat der Vermieter etwa wegen Zahlungsverzugs außerordentlich gekündigt (§ 543 I 1 Nr 3 BGB), wird der Anspruch aus § 546a BGB nicht subordiniert. Allerdings besteht auch kein Grund, die Forderungen des Vermieters als Kreditrahmenforderungen iSv § 264 I S 1 zu behandeln.40 Auch auf Arbeitsverhältnisse ist § 265 S 2 uneingeschränkt anwendbar.41 Für eine Sonderbehandlung von Entgeltansprüchen von Arbeitnehmern besteht im deutschen Insolvenzrecht – abgesehen von § 142 II S 2, 342 – de lege lata kein Raum. Wollte man das anders sehen, müssten die Ansprüche der Altarbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist besser behandelt werden als die der Neuarbeitnehmer, die den Arbeitsvertrag erst während der Überwachung geschlossen haben und für die § 265 S 1 anwendbar ist. Unionsrechtliche Bedenken bestehen gegen die Subordination von Entgeltansprüchen von Arbeitnehmern nicht, weil der Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ausschließlich über externe Garantieeinrichtungen gewährleistet wird und nicht über einen bestimmten Rang der Forderungen im Insolvenzverfahren.43 Bei Sukzessivlieferungs-, Versicherungs- und Kontoverträgen ist zu berücksichtigen, dass der Lieferant in einigen Fällen einem Kontrahierungszwang unterliegt (Rn 13). Da in diesen Fällen kein Kündigungsrecht besteht, können die Forderungen des kontrahierungs-

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Vgl BGHZ 109, 368, 372 f; 111, 84, 93 f. Vgl nur BGH NJW 1981, 1666, 1667; BGHZ 95, 362, 372; MünchKomm/Berger BGB7 Vor § 488 Rn 12; Staudinger/Freitag BGB2015 § 488 Rn 24. Vgl Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005), § 254 Rn 3; MünchKomm/ Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 17. So aber BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 18 f. Braun/Braun/Frank InsO7 § 265 Rn 4; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 15 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 265 Rn 3; A Schmidt/Ellers SanierungsR §§ 264–266 Rn 26; aA BK/ Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265

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Rn 14, der aus § 613a BGB eine Pflicht des überwachten Unternehmensträgers nach der Kündigung durch den Arbeitnehmer herleiten will. IdF v Art 1 Nr 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v 29.3.2017, BGBl I S 654. Vgl Art 3 ff der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v 22. 10. 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (kodifizierte Fassung), ABl Nr L 283/36. Vgl dazu Piekenbrock ZZP 122 (2009), 63, 79.

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pflichtigen Vertragspartners den Kreditrahmenforderungen von vornherein nicht subordiniert werden.44 Daraus folgt jedoch nicht die Gleichstellung mit Kreditrahmengläubigern.45 4. Keine entsprechende Anwendung im KredReorG

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In den Regelungen über den Sanierungsplan für Kreditinstitute (§ 2 II 3–6 KredReorgG), auf die für den Reorganisationsplan verwiesen wird (§ 8 I 3 Hs 2 KredReorgG), findet sich zwar das Institut des Kreditrahmens, aber keine mit § 265 vergleichbare Bestimmung zum Nachrang vertraglicher Neugläubiger. Auch eine entsprechende Anwendung von § 265 kommt nicht in Betracht, weil das Sanierungsverfahren überhaupt nicht öffentlich bekannt gemacht wird und § 22 II KredReorgG auch für das Sanierungsverfahren keine § 267 II Nr 3 entsprechende Regelung zur Bekanntmachung der Höhe des Kreditrahmens enthält.46

§ 266 Berücksichtigung des Nachrangs (1) Der Nachrang der Insolvenzgläubiger und der in § 265 bezeichneten Gläubiger wird nur in einem Insolvenzverfahren berücksichtigt, das vor der Aufhebung der Überwachung eröffnet wird. (2) In diesem neuen Insolvenzverfahren gehen diese Gläubiger den übrigen nachrangigen Gläubigern im Range vor. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.3.8; DiskE/RefE § 302; RegE § 313; Begr zu RegE § 313, BTDrucks 12/2443 S 217. Vorgängerregelung: §§ 96, 106 VglO. Literatur: S zu §§ 254, 260, 264.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . . 1. Rangklassen und Gläubigergruppen . 2. Konkrete Auswirkungen von § 266 I

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Rn. 1 1 2 3 3 7

So auch MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 18; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005), § 254 Rn 3. So aber BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 20. So iE auch MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 265 Rn 45; wohl auch Schuster/ Westphal DB 2011, 221, 224. Dagegen geht Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Fridgen, KWG, CRR-VO5 § 2 KredReorgG Rn 9 da-

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Rn. 3. Voraussetzungen der relativen Subordination . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unverändert geltende Rangbestimmungen . . . . . . . . . . . . . 5. Entsprechende Regelung im KredReorG . . . . . . . . . . . . . .

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von aus, dass die Kreditrahmengläubiger „bei Scheitern einer Sanierung in einem späteren Insolvenzverfahren Vorrang vor Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO haben, auch wenn es sich dabei um Gläubiger handelt, die ihre Forderung gegen das Institut erst während des laufenden oder nach dem Anschluss des Sanierungsplanverfahrens begründet haben“. Ein normativer Beleg für diese Aussage findet sich aber leider nicht.

Andreas Piekenbrock

Berücksichtigung des Nachrangs

§ 266

I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte § 266, der seit 1.1.1999 unverändert gilt, entspricht bis auf die Verweisung wörtlich 1 § 302 DiskE/RefE und § 313 RegE. Dagegen findet sich im Vorschlag der Kommission für Insolvenzrecht nur die ausdrückliche Regelung, dass der Vorrang der Kreditrahmengläubiger nur in einem vor Aufhebung des Liquidationserfahrens eingeleiteten Liquidationsverfahren gelten sollte. Im Übrigen sollten die Forderungen der Kreditrahmengläubiger im Liquidationsverfahren als letztrangige Masseschulden behandelt werden und damit ohnehin Vorrang vor allen Insolvenzforderungen der Neugläubiger aus der Zeit während der Überwachung haben (vgl § 264 Rn 2). Auch § 106 VglO hatte vorgesehen, dass die während des Vergleichsverfahrens bzw bei Fortsetzung des Verfahrens bis zur Bestätigung des Vergleichs (§ 96 VglO) aufgenommenen Darlehen im Anschlusskonkurs (§ 102 VglO) zu den Masseschulden iSv § 59 I Nr 1 KO gehören sollten. Damit wäre der Rang durch § 57 KO bestimmt worden, so dass eine Sonderregelung wie in § 266 entbehrlich war. 2. Normzweck § 266 regelt, wie der Nachrang der Insolvenzforderungen (§ 264 I 1) und der vertrag- 2 lichen Neugläubiger seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 265) im Einzelnen verwirklicht wird. Damit entscheidet die Auslegung von § 266 maßgeblich über die Befriedigungsaussichten der unterschiedlichen Gläubigergruppen im zweiten Insolvenzverfahren, die dort alle zu den Insolvenzgläubigern iSv § 38 gehören und damit in jedem Fall erst nach den Massegläubigern des zweiten Insolvenzverfahrens befriedigt werden können (§§ 53, 55).

II. Einzelerläuterung 1. Rangklassen und Gläubigergruppen Bei der Durchführung des Nachrangs ist streitig, wie viele Rangklassen zu bilden sind. 3 Im Schrifttum wird dabei für drei1 oder vier Rangklassen2 plädiert. Versteht man den Begriff der Rangklasse entsprechend § 39 I so, dass die höhere Rangklasse die niedrigere bis 1

1. Rang: Privilegierte Forderungen nach §§ 264, 265 (inkl gesetzl Neugläubiger); 2. Rang: sonstige (nicht privilegierte) Insolvenzgläubiger; 3. Rang: nachrangige Insolvenzgläubiger. So bei Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 266 Rn 17; BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 266 Rn 7, § 265 Rn 50 ff; Braun/Braun/Frank InsO7 § 266 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 266 Rn 5; Häsemeyer InsR4 Rn 28.63; Hess InsO2 § 266 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 266 Rn 6; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 266 Rn 12 ff; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 266 Rn 3. Der Sache nach auch Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 266 Rn 3, der da-

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vor noch die Aus- und Absonderungsrechte und die Masseverbindlichkeiten des zweiten Insolvenzverfahrens erwähnt (dazu unten Rn 13). Undeutlich Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 266 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 266 Rn 3: mindestens dreistufige Rangordnung. 1. Rang: Kreditrahmenforderungen nach §§ 264 ff; 2. Rang: gesetzliche Neugläubiger iSv § 265; 3. Rang: sonstige Insolvenzgläubiger; 4. Rang: nachrangige Insolvenzgläubiger. So bei BeckOK/Freund InsO10 § 266 Rn 3; Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 507; HambK/Thies InsO6 § 266 Rn 5; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 16.

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zu ihrer vollen Befriedigung vollständig ausschließt, handelt es sich aber wie üblich nur um zwei Rangklassen (§§ 38, 39),3 aber insgesamt vier Gläubigergruppen,4 wobei zwischen zwei Gläubigergruppen innerhalb der ersten Rangklasse ein Ausgleich zu erfolgen hat. Diese Aussage beruht auf folgenden Erwägungen: 4 Die in §§ 264, 265 bestimmte Gruppe von Forderungen (im Folgenden auch: Gruppe III), bestehend aus den Altinsolvenzforderungen und den vertraglichen Neugläubigerforderungen, wird nur gegenüber einer anderen Gruppe von Forderungen, den Kreditrahmenforderungen (im Folgenden auch: Gruppe I), subordiniert. Eine dritte Gruppe von Forderungen (im Folgenden auch: Gruppe II), bestehend aus den gesetzlichen Neugläubigerforderungen und den bei Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens noch nicht fälligen Altmasseforderungen, für die ein Finanzplan vorgelegt worden ist (§ 258 II 2) (§ 258 Rn 22), wird dagegen von §§ 264, 265 überhaupt nicht erfasst. Es entspricht daher nicht der gesetzlichen Regelung, die gesetzlichen Neugläubigerforderungen mit den Kreditrahmenforderungen gleich zu behandeln.5 Vielmehr würde eine solche Gleichbehandlung zum einen das Privileg der Kreditrahmenforderungen (weiter) entwerten (Rn 11). Zum anderen wäre der Umfang des von den vertraglichen Neugläubigern in Kauf genommene Nachrangs entgegen der gesetzgeberischen Intention nicht mehr aus der Bekanntmachung nach § 267 II Nr 3 erkennbar (Rn 9). Damit lässt sich der in §§ 264, 265 vorgesehene Mechanismus nur als relative Subordination der Forderungen in Gruppe III im Verhältnis zu den Forderungen der Gruppe I rekonstruieren, der die Stellung der Forderungen in Gruppe II nicht berührt.6 5 Gibt es bei Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens keine offenen Kreditrahmenforderungen (Gruppe I), sind die Gläubiger aus Gruppe II und III gleich zu behandeln. Bildeten die gesetzlichen Neugläubigerforderungen aber eine eigene Rangklasse vor den Forderungen der Altgläubiger und der vertraglichen Neugläubiger, müssten sie vollständig befriedigt werden, bevor letztere an der Verteilung der Masse partizipieren könnten. Gibt es bei Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens dagegen keine offenen vertraglichen Neugläubigerforderungen (Gruppe III), weil alle Vertragspartner des Schuldners auf Vorkasse bestanden haben, sind die Gläubiger aus Gruppe I und II gleich zu behandeln. Bildeten die Kreditrahmenforderungen aber eine eigene Rangklasse vor den gesetzlichen Neu3

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Dabei werden der Einfachheit halber alle nachrangigen Insolvenzforderungen wie in § 266 II als gleichrangig behandelt, obwohl es selbstverständlich fünf gesetzliche Unterklassen gibt. Gruppe IV sind die Insolvenzgläubiger iSv §§ 266 II, 39. So zutreffend mit einem anschaulichen Beispiel MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 266 Rn 15 f; entsprechend zuvor schon MünchKomm/Wittig InsO2 § 266 Rn 15 f; dieser Kommentierung folgend Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 266 Rn 7, der dazu aber eine teleologische Reduktion von §§ 264, 265 für erforderlich hält; ähnlich HK/Haas InsO9 § 266 Rn 4: korrigierende Auslegung; aA BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 22; Braun/Braun/Frank, InsO7 § 266 Rn 2; FK/ Jaffé InsO9 § 265 Rn 5; Nerlich/Römer-

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mann/Braun InsO35 (Stand: III/2005), § 266 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 266 Rn 3. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 266 Rn 9. Im Ergebnis ebenso MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 266 Rn 16 ff auf Basis einer dreistufigen Rangordnung mittels eines Ausgleichs zwischen erstrangigen gesetzlichen Neugläubigern und sonstigen nicht privilegierten Gläubigern. Der Sache nach auch K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 14; HambK/Thies InsO6 § 266 Rn 4, die dieses Ergebnis erreichen, indem sie in einer vierstufigen Rangordnung die gesetzlichen Neugläubiger so stellen, wie sie ohne den Kreditrahmen stünden, ihnen also die Insolvenzquote zusprechen, und den überschießenden Betrag zur vorrangigen Befriedigung der Kreditrahmengläubiger vor den subordinierten Gläubigern vorsehen.

Andreas Piekenbrock

Berücksichtigung des Nachrangs

§ 266

gläubigerforderungen, müssten sie vollständig befriedigt werden, bevor letztere an der Verteilung der Masse partizipieren könnten. Daher ist, wie von §§ 38, 39 vorgegeben, nur von zwei Rangklassen auszugehen. Der 6 Vorrang der Kreditrahmenforderungen vor den Forderungen der Altgläubiger und der vertraglichen Neugläubiger ist daher durch einen Ausgleich zwischen den Gruppen I und III zu realisieren, der die Rechtsstellung der Gläubiger in Gruppe II unberührt lässt. Dieser Ausgleich wird dadurch erreicht, dass die rechnerisch auf die Gruppe III entfallene Dividende bis zu ihrer vollen Befriedigung den Gläubigern der Gruppe I zugeschlagen wird. Solche Ausgleichsansprüche sind keine Besonderheit von § 266 I, sondern kommen auch in anderen Regelungskontexten vor, in denen ein relatives Rangverhältnis zwischen Forderungen besteht, die im Übrigen insolvenzrechtlich gleichbehandelt werden. Die Hauptanwendungsfälle entsprechender gesetzlicher Regelungen finden sich in §§ 268 II S 2, 426 II S 2, 774 I S 2 BGB und beruhen auf dem Grundsatz „nemo subrogat contra se.“7 Daneben sind rechtsgeschäftlich relative Rangrücktrittsvereinbarungen denkbar. 2. Konkrete Auswirkungen von § 266 I Die Wirkungsweise dieser recht komplexen Regelung soll im Folgenden an Beispielen erläutert werden: Beispiel 1: Im Insolvenzplan ist ein Kreditrahmen in Höhe von 100.000 Euro vorgesehen. Im zweiten Insolvenzverfahren werden in Gruppe I 100.000 Euro, in Gruppe II 200.000 Euro und in Gruppe III 300.000 Euro an Forderungen angemeldet. Der zu verteilende Erlös beträgt 300.000 Euro, so dass die rechnerische Quote 50 % beträgt. Da alle Forderungen denselben Rang haben, entfallen auf die Forderungen in Gruppe I 50.000 Euro, in Gruppe II 100.000 Euro und in Gruppe III 150.000 Euro. Um den Vorrang von Gruppe I gegenüber Gruppe III zu realisieren, werden 50.000 Euro von der Gruppe III der Gruppe I zugeschlagen,8 so dass auf die Forderungen in Gruppe I 100.000 Euro (= 100 %), in Gruppe II 100.000 Euro (= 50 %) und in Gruppe III 100.000 Euro (= 33,33 %) entfallen. Dieses Beispiel zeigt, dass die Gläubiger in den Gruppen II und III keine eigenen Rangklassen bilden, weil die Gläubiger in Gruppe III an der Verteilung der Masse partizipieren, obwohl die Gläubiger in Gruppe II nicht vollständig befriedigt worden sind. Würde man dagegen die Kreditrahmenforderungen und die gesetzlichen Neugläubigerforderungen in einer Rangklasse zusammenfassen, entfielen auf die Forderungen in Gruppe I 100.000 Euro (= 100 %) und in Gruppe II 200.000 Euro (= 100 %). Dagegen erhielten die Gläubiger in Gruppe III gar keine Dividende, obwohl sie mit einem so weitreichenden Nachrang nicht zu rechnen brauchten. Beispiel 2: In Abwandlung zum Beispiel 1 (Rn 8) beträgt der zu verteilende Erlös nur 60.000 Euro, so dass die rechnerische Quote 10 % beträgt. In diesem Fall entfallen auf die Forderungen in Gruppe I 10.000 Euro, in Gruppe II 20.000 Euro und in Gruppe III 30.000 Euro. Um den Vorrang von Gruppe I gegenüber Gruppe III zu realisieren, werden 30.000 Euro von der Gruppe III der Gruppe I zugeschlagen, so dass auf die Forderungen in Gruppe I 40.000 Euro (= 40 %) und in Gruppe II 20.000 Euro (= 10 %) entfallen. Dagegen erhalten die Gläubiger in Gruppe III gar keine Dividende. Dieses Beispiel zeigt, dass die Gläubiger in den Gruppen I und II keine eigenen 7

Vgl zu § 774 I 2 BGB im Einzelnen Piekenbrock/Ludwig/Piekenbrock Personalsicherheiten: Bürgschaft, Kreditauftrag, Garantie und Schuldbeitritt (2016), Rn 4/1164.

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Im Prinzip genauso mit einem etwas anderen Beispiel MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 266 Rn 17 f.

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§ 266

Sechster Teil. Insolvenzplan

Rangklassen bilden, weil die Gläubiger in Gruppe II an der Verteilung der Masse partizipieren, obwohl die Gläubiger in Gruppe I nicht vollständig befriedigt worden sind. Würde man dagegen die Kreditrahmenforderungen und die gesetzlichen Neugläubigerforderungen in einer Rangklasse zusammenfassen, entfielen auf die Forderungen in Gruppe I 20.000 Euro (= 20 %) und in Gruppe II 40.000 Euro (= 20 %), obwohl die Kreditrahmengläubiger mit einem so hohen Bestand bevorrechtigter Forderungen nicht zu rechnen brauchten. 3. Voraussetzungen der relativen Subordination

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Damit die von §§ 264, 265 angeordnete relative Subordination zum Tragen kommt, müssen die in § 266 I genannten Voraussetzungen vorliegen. Erforderlich ist zum einen, dass überhaupt ein zweites Insolvenzverfahren eröffnet wird, weil sich Rangfragen grundsätzlich nur im Insolvenzverfahren stellen.9 Zum anderen muss dieses Insolvenzverfahren vor der Aufhebung der Überwachung eröffnet worden sein. Verwiesen wird damit auf § 268 I, der der Überwachung grundsätzlich eine äußerste zeitliche Grenze von drei Jahren setzt (Nr 2), es sei denn, dass innerhalb dieser Zeit ein Insolvenzantrag gestellt worden ist (§ 268 Rn 8). Ist die Überwachung (versehentlich) aufgehoben worden, obwohl die Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens bereits beantragt war, bleiben den betroffenen Kreditrahmengläubigern nur Amtshaftungsansprüche (§ 839 I BGB). Schließlich muss das zweite Insolvenzverfahren in Deutschland eröffnet worden sein, weil sich Rangfragen nach der lex fori concursus richten (Art 7 II 2 lit i EuInsVOnF). 4. Unverändert geltende Rangbestimmungen

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Auch im zweiten Insolvenzverfahren gelten selbstverständlich die allgemeinen Regeln zur Behandlung von Aus- und Absonderungsrechten (§§ 47 ff) und zum Vorrang von Masseverbindlichkeiten (§§ 53 ff).10 Daran können §§ 264, 265 schon mit Blick auf die Genese dieser Vorschriften (§ 264 Rn 2) nichts ändern. Darüber hinaus können Absonderungsrechte auch zur Sicherung subordinierter Forderungen der Gruppe III begründet werden.11 Von §§ 264, 265 wird dann nur der Ausfall bzw die Gesamtforderung beim Verzicht auf die Sicherheit erfasst (§ 52 S 2).12 14 Innerhalb der Gruppe der Insolvenzgläubiger kommt darüber hinaus wie üblich § 39 zum Tragen, wie in § 266 II noch einmal klargestellt wird.13 Zu dieser Gruppe IV gehören in der Regel nur die neuen nachrangigen Insolvenzforderungen. Da der vollständige Erlass

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Die Folgen eines qualifizierten Rangrücktritts bei materieller Insolvenz nach Maßgabe von BGHZ 204, 231 Rn 29 ff können hier ausgeblendet werden. Braun/Braun/Frank InsO7 § 266 Rn 2; Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 8 Rn 507; BK/Breutigam InsO66 (Stand: XII/2002) § 265 Rn 50; FK/Jaffé InsO9 § 266 Rn 6; Häsemeyer InsR4 Rn 28.63; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 16; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 266 Rn 9 f; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 266 Rn 3.

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MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 266 Rn 14. K Schmidt/Spliedt InsO19 § 266 Rn 15; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 266 Rn 10; MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 266 Rn 25. Dagegen meinen Braun/Braun/Frank InsO7 § 266 Rn 2, § 266 II beziehe sich auf die nicht privilegierten, „normalen“ Insolvenzgläubiger. Das passt jedoch nicht zur Aussage in der Begr zu RegE § 313, BTDrucks 12/2443 S 217. Wie hier FK/Jaffé InsO9 § 266 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 266 Rn 3.

Andreas Piekenbrock

Bekanntmachung der Überwachung

§ 267

der nachrangigen Forderungen im ersten Insolvenzverfahren (§ 225 I) mit der Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens nicht hinfällig wird (§ 255 Rn 12), können die alten nachrangigen Insolvenzforderungen dort in der Regel nicht teilnehmen (s aber § 255 Rn 12).14 Zu den neuen nachrangigen Insolvenzforderungen gehören insbesondere solche nach § 39 I Nr 5, nachdem der Vorschlag der Kommission für Insolvenzrecht, auch den Gesellschaftern die Fremdfinanzierung im Umfang des Kreditrahmens zu ermöglichen, nicht Gesetz geworden ist (§ 264 Rn 3). 5. Entsprechende Regelung im KredReorG Eine mit § 264 vergleichbare Regelung zum Kreditrahmen gibt es seit dem 1.1.2011 15 auch für Sanierungspläne von Kreditinstituten (§ 2 II 3–6 KredReorgG). Für die Reorganisationspläne wird dagegen auf diese Vorschriften verwiesen (§ 8 I 3 Hs 2 KredReorgG). Die in § 266 I enthaltene Regelung findet sich in § 2 II S 3 KredReorgG. Dass es in § 2 II KredReorgG dagegen keine § 266 II entsprechende Bestimmung gibt, führt zu keiner abweichenden Rechtslage, weil die Regelung ohnehin nur klarstellende Bedeutung hat. Darüber hinaus können auch die an sich nachrangigen Gesellschafterdarlehensforderungen (§ 39 I Nr 5) als Kreditrahmenforderungen privilegiert werden (§ 264 Rn 3, 30), so dass die Bedeutung von § 39 in einem sich an die Sanierung bzw Restrukturierung anschließenden Insolvenzverfahren ohnehin geringer ist.

§ 267 Bekanntmachung der Überwachung (1) Wird die Erfüllung des Insolvenzplans überwacht, so ist dies zusammen mit dem Beschluß über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens öffentlich bekanntzumachen. (2) Ebenso ist bekanntzumachen: 1. im Falle des § 260 Abs. 3 die Erstreckung der Überwachung auf die Übernahmegesellschaft; 2. im Falle des § 263, welche Rechtsgeschäfte an die Zustimmung des Insolvenzverwalters gebunden werden; 3. im Falle des § 264, in welcher Höhe ein Kreditrahmen vorgesehen ist. (3) 1§ 31 gilt entsprechend. 2Soweit im Falle des § 263 das Recht zur Verfügung über ein Grundstück, ein eingetragenes Schiff, Schiffsbauwerk oder Luftfahrzeug, ein Recht an einem solchen Gegenstand oder ein Recht an einem solchen Recht beschränkt wird, gelten die §§ 32 und 33 entsprechend. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.226 II, 2.2.28 I; DiskE/RefE § 303; RegE § 314; Begr zu RegE § 314, BT-Drucks 12/2443 S 217. Vorgängerregelung: § 98 III 2 VglO.

Literatur: S zu §§ 254, 260.

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So auch MünchKomm/Tetzlaff/Kern InsO3 § 266 Rn 19; HK/Haas InsO9 § 266 Rn 3.

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Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . . . . II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . 1. Bekanntmachung der Überwachung als solcher (§ 267 I) . . . . . . . . 2. Bekanntmachung einzelner Regelungen (§ 267 II) . . . . . . . a) Überwachung einer Übernahmegesellschaft (Nr 1) . . . . . . .

. . . .

Rn. 1 1 2 3

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3

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b) Zustimmungsvorbehalt (Nr 2) . . c) Kreditrahmen (Nr 3) . . . . . . . 3. Registereintragungen (§ 267 III) . . . a) Personenregister (§ 267 III S 1, 31) b) Sachenrechtsregister (§ 267 III 2, 32, 33) . . . . . . . . . . . . . . . 4. Amtshaftung bei fehlerhafter Bekanntmachung . . . . . . . . . . . 5. Entsprechende Regelung im KredReorG . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 8 9 10 11 14 16 17

I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

1

§ 267, der seit 1.1.1999 unverändert gilt, entspricht bis auf die Verweisungen und eine redaktionelle Änderung1 wörtlich § 303 DiskE und bis auf die Verweisungen wörtlich § 303 RefE und § 314 RegE. Inhaltlich knüpft § 267 an § 98 III S 2 VglO an. Danach war in der Bekanntmachung der Aufhebung des Vergleichsverfahrens ggf darauf hinzuweisen, dass sich der Schuldner einer Überwachung durch Sachwalter unterworfen hatte. Diese Vorschrift entsprach ihrerseits wörtlich § 97 III S 2 EVglO III und ist in Österreich in § 55b I S 1 öAO 19342 übernommen worden; heute findet sie sich in § 157 II IO. Auch die Kommission für Insolvenzrecht hat an diesen Regelungen festgehalten.3 2. Normzweck

2

§ 267 dient, wie schon von der Kommission für Insolvenzrecht betont, dem Schutz des Rechtsverkehrs4 und ist daher nicht plandispositiv.5 Dieser Schutz ist erforderlich, weil sich die Überwachung nicht auf Innenwirkungen gegenüber dem Schuldner beschränkt, sondern auch Außenwirkung hat, wenn im gestaltenden Teil des Insolvenzplans ein Zustimmungsvorbehalt (§ 263) oder ein Kreditrahmen (§ 264) vorgesehen ist. Gleichwohl setzt die Pflicht zur Bekanntmachung der Überwachung nicht voraus, dass dort eine dieser beiden Maßnahmen vorgesehen ist.

II. Einzelerläuterung 1. Bekanntmachung der Überwachung als solcher (§ 267 I)

3

§ 267 I knüpft an die obligatorische Bekanntmachung des Beschlusses über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens an (§ 258 III 1). Zusammen mit diesem Beschluss ist ggf auch bekannt zu machen, dass der gestaltende Teil des Insolvenzplans, dessen rechtskräftige Bestätigung den Aufhebungsgrund darstellt (§ 258 Rn 14), die Überwachung der Planerfüllung vorsieht. Soweit der gestaltende Teil des Insolvenzplans auch eine Regelung zur 1

2

In § 303 I DiskE war statt vom „Insolvenzplan“ wie üblich schlicht vom „Plan“ die Rede. Ausgleichsordnung idF der Verlautbarung v 10.9.1934, öBGBl Nr 221/1934.

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3 4 5

Vgl LS 2.226 II, 2.2.28 I. 1. Ber InsRKomm zu LS 2.2.26, S 200. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 14, § 267 Rn 11; MünchKomm/Stephan InsO3 § 267 Rn 14.

Andreas Piekenbrock

Bekanntmachung der Überwachung

§ 267

Dauer der Überwachung vorsieht, ist auch dies bekannt zu machen.6 Dagegen sind Hinweise auf die Person des Insolvenzverwalters bzw des „gesetzlichen Sachwalters“ (§ 284 II) nicht erforderlich, da nicht nur die Ämter fortbestehen (§ 261 I 2), sondern auch die Amtsträger regelmäßig im Amt bleiben (§§ 59, 274 I) (§ 261 Rn 5). Insoweit genügt daher weiterhin die Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses (§ 27 II Nr 2, 30 I) bzw des Beschlusses über die Anordnung bzw der Aufhebung der Eigenverwaltung (§ 273). Ist im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehen, dass die Überwachung der 4 Planerfüllung – abweichend von § 261 I S 2 – einem „gewillkürten“ Sachwalter übertragen wird (§ 261 Rn 25 ff), ist (auch) § 267 nicht anwendbar,7 weil die Bekanntmachung den Fortbestand der Ämter des Insolvenzverwalters bzw des „gesetzlichen“ Sachwalters (§ 284 II) und ggf der Mitglieder des Gläubigerausschusses suggeriert (§ 261 I S 2). Dass das Amt des Insolvenzverwalters vollständig endet, ergibt sich schon aus der Bekanntmachung des Aufhebungsbeschlusses. Dagegen stehen dem „gewillkürten Sachwalter“ keine gesetzlichen Befugnisse mit Außenwirkung zu, so dass eine öffentliche Bekanntmachung dieser rein internen Überwachung auch nicht sinnvoll wäre. Zwar kann er bevollmächtigt werden, im Namen des Schuldners zu handeln (§ 164 I BGB), und ermächtigt sein, im eigenen Namen über Schuldnervermögen zu verfügen (§ 185 I BGB) (s § 261 Rn 27). Dies sind jedoch rein privatrechtliche Rechtsgeschäfte, die nicht der öffentlichen Bekanntmachung bedürfen. Wie die Bekanntmachung zu erfolgen hat, richtet sich nach den Regelungen über die 5 Bekanntmachung des Aufhebungsbeschlusses, mit der die Bekanntmachung nach § 267 I, II zusammen zu erfolgen hat (§ 258 Rn 29). Nach den einschlägigen Bestimmungen in § 9 I, II iVm der Insolvenz-Internet-Bekanntmachungs-VO erfolgt die Veröffentlichung ausschließlich auf der Internetseite „www.insolvenzbekanntmachungen.de“ (vgl § 258 Rn 29).8 Anders als der Aufhebungsbeschluss können die Angaben zur Überwachung nicht nur „auszugsweise“ (§ 9 I 1 Hs 2), sondern müssen vollständig bekannt gemacht werden, weil jeweils eine Pflicht zur Information des Rechtsverkehrs besteht.9 2. Bekanntmachung einzelner Regelungen (§ 267 II) 267 II schreibt über die allgemeinen Angaben hinaus drei zwingende Gegenstände der 6 Bekanntmachung vor, soweit die entsprechenden Maßnahmen im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehen sind: a) Überwachung einer Übernahmegesellschaft (Nr 1). Ggf bekannt zu machen ist ers- 7 tens, dass sich die Überwachung auf eine Übernahmegesellschaft iSv § 260 III erstreckt. Diese Information ist erforderlich, weil diese Gesellschaft selbst nicht Schuldnerin eines Insolvenzverfahrens war. Daher gibt es keine andere Bekanntmachung, aus der sich ergeben könnte, dass die Gesellschaft von einem in einem anderen Verfahren bestellten Insolvenzverwalter überwacht wird. Um diesen Informationszweck zu erfüllen, muss selbstverständ-

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MünchKomm/Stephan InsO3 § 267 Rn 2. Insoweit wohl aA Kübler/Prütting/Bork/ Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 14, der § 267 in keinem Fall für dispositiv hält. Wie hier Frank Überwachung, Rn 184; A Schmidt/Ellers SanierungsR § 260 Rn 10. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 267 Rn 2; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 267 Rn 2.

9

Veraltet dagegen der Hinweis auf die Veröffentlichung in amtlichen Druckwerken bei BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 267 Rn 8 f. So auch BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 267 Rn 9.

Andreas Piekenbrock

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§ 267

Sechster Teil. Insolvenzplan

lich nicht nur bekanntgemacht werden, dass sich die Überwachung auf eine Übernahmegesellschaft erstreckt, sondern auch, um welche Gesellschaft es sich konkret handelt. Dazu sind die Firma, der Sitz mit voller postalischer Anschrift und – bei einer nach deutschem Recht gegründeten Handelsgesellschaft (vgl § 260 Rn 27) – die Handelsregisternummer anzugeben.

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b) Zustimmungsvorbehalt (Nr 2). Zweitens ist ggf bekannt zu machen, für welche Rechtsgeschäfte des Schuldners bzw der Übernahmegesellschaft (§ 263 Rn 17) im gestaltenden Teil des Insolvenzplans ein Zustimmungsvorbehalt vorgesehen ist. Diese Information ist erforderlich, weil der Zustimmungsvorbehalt Außenwirkung entfaltet (§§ 263 S 2, 81 I, 82) (§ 263 Rn 8), so dass zum Schutz des Rechtsverkehrs ein Informationsbedürfnis besteht. Da sich der Zustimmungsvorbehalt nur auf „bestimmte“ Rechtsgeschäfte des Schuldners erstrecken kann (§ 263 Rn 3 ff), sind diese in der Bekanntmachung im Einzelnen anzugeben.10 Da § 263 S 1 auch auf den Vorbehalt der Registerpublizität in § 81 I S 2 verweist, wird die Bekanntmachung nach § 267 II Nr 2 durch den Registereintrag nach § 267 III S 2 ergänzt (Rn 14).

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c) Kreditrahmen (Nr 3). Drittens ist ggf bekannt zu machen, in welcher Höhe im gestaltenden Teil des Insolvenzplans ein Kreditrahmen iSv § 264 für den Schuldner bzw die Übernahmegesellschaft (§ 264 Rn 13) vorgesehen ist (§ 264 I 2). Auch diese Information ist zum Schutz des Rechtsverkehrs wichtig, weil vertragliche Neugläubiger in einem zweiten Insolvenzverfahren in derselben Weise hinter Kreditrahmengläubiger zurücktreten wie die Insolvenzgläubiger aus dem ersten Insolvenzverfahren (§ 265, 266 I) (§ 266 Rn 4 ff). Allerdings lässt sich allein aus der Bekanntmachung nicht ersehen, inwieweit der Kreditrahmen tatsächlich ausgeschöpft worden ist. Vielmehr beschränkt sich die Information darauf, in welchem Umfang es in einem zweiten Insolvenzverfahren höchstens zu einem Ausgleich zulasten der vertraglichen Neugläubiger zugunsten der Kreditrahmengläubiger kommen kann (vgl § 266 Rn 6). 3. Registereintragungen (§ 267 III)

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Anders als § 258 III S 3, der pauschal auf § 200 II S 2 und damit auf §§ 31–33 verweist (§ 258 Rn 32 ff), differenziert § 267 III bei der Registerpublizität zwischen dem „Personenregister“, in dem der Schuldner ggf eingetragen ist (§ 31), und den „Sachenrechtsregistern“, in denen ggf dingliche Rechte des Schuldners verzeichnet sind (§§ 32, 33).

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a) Personenregister (§ 267 III 1, 31). Ist der Schuldner bzw die Übernahmegesellschaft eine in Deutschland eingetragene Handelsgesellschaft, Genossenschaft, Partnerschaft oder ein eingetragener Verein, ist neben der Aufhebung des Insolvenzverfahrens auch die Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans im jeweiligen Register einzutragen. Dies ergibt sich unmittelbar aus den jeweils einschlägigen Vorschrift für die einzelnen Register und namentlich aus § 75 I S 2 Nr 5 BGB für das Vereinsregister, aus § 32 I S 2 Nr 5 HGB für das Handelsregister, aus § 102 I S 2 Nr 5 GenG für das Genossenschaftsregister und aus § 2 II Hs 1 PartGG iVm § 32 I S 2 Nr 5 HGB für das Partnerschaftsregister. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu § 98 III S 3 VglO, der vorgesehen hatte, dass die Aufhebung des Vergleichsverfahrens erst nach der Beendigung der Überwachung in die öffentlichen

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Nerlich/Römernann/Braun InsO33 (Stand: III/2005) § 267 Rn 2.

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Andreas Piekenbrock

Bekanntmachung der Überwachung

§ 267

Register einzutragen war. Diese Eintragung hat rein deklaratorische Bedeutung; § 15 HGB ist in diesem Fall nicht anwendbar.11 Für die Berufung auf die negative Publizität des Handelsregisters (§§ 15 I, II 2 HGB) besteht allerdings ohnehin kaum Raum, weil die Eintragung der Überwachung – außer bei der Übernahmegesellschaft – nahtlos an die Eintragung des Insolvenzvermerks anknüpft. Damit die Registergerichte die Eintragung vornehmen können, hat die Geschäftsstelle 12 des Insolvenzgerichts dem jeweiligen Registergericht neben dem Aufhebungsbeschluss auch zu übermitteln, dass im gestaltenden Teil des Insolvenzplans die Planüberwachung vorgesehen ist (§§ 267 III 1, 31). Da es einen Beschluss, in dem die Überwachung angeordnet wird,12 nicht gibt (§ 260 Rn 17), kann die Übermittlung formlos geschehen. Eingetragen werden sollte neben der Überwachung als solcher auch, ob ein Zustimmungsvorbehalt iSv § 263 vorgesehen ist, und ggf die Höhe des Kreditrahmenbetrags.13 Welche Rechtsgeschäfte iE zustimmungsbedürftig sind, ist dann der öffentlichen Bekanntmachung nach § 267 I zu entnehmen. Die Eintragung der Überwachung erfolgt wie die Eintragung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens jeweils gebührenfrei.14 Handelt es sich beim Schuldner um eine ausländische juristische Person oder Gesell- 13 schaft ohne Rechtspersönlichkeit, ist der Hinweis auf die Planüberwachung zusammen mit dem Aufhebungsbeschluss den Registergerichten inländischer Zweigstellen und der ausländischen Stelle, bei der der Schuldner registriert ist, zu übermitteln (§ 258 Rn 34 f). b) Sachenrechtsregister (§ 267 III 2, 32, 33). Anders als die Aufhebung des Insolvenz- 14 verfahrens ist die Überwachung in den einschlägigen Sachenrechtsregistern (Grundbuch, Schiffsregister, Schiffsbauregister, Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen) nur einzutragen, wenn im gestaltenden Teil des Insolvenzplans ein Zustimmungsvorbehalt für die Verfügung über die jeweiligen Rechte des Schuldners vorgesehen ist. Auch diese Eintragungen sind gebührenfrei.15 In diesen Fällen muss der Zustimmungsvorbehalt zusammen mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eingetragen werden, um einen Erwerb vom nicht allein verfügungsberechtigten Schuldner kraft öffentlichen Glaubens des jeweiligen Registers (§§ 263 S 2, 81 I 2 iVm § 892 I 2 BGB, § 16 I 2 SchiffsRG bzw § 16 I 2 LuftfzRG) zu verhindern (§ 263 Rn 11).16 Allein die öffentliche Bekanntmachung begründet dagegen nicht die positive Kenntnis von der Verfügungsbeschränkung iSv § 892 I S 2 BGB, § 16 I S 2 SchiffsRG bzw § 16 I S 2 LuftfzRG. Betrifft der Zustimmungsvorbehalt die Verfügung über eine Briefgrundpfandrecht 15 (§§ 1116 I, 1192 I BGB), ist zusammen mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 Rn 36) auch der Zustimmungsvorbehalt im Grundbuch und auf dem Brief einzutragen.

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Vgl etwa Baumbach/Hopt/Hopt HGB37 § 15 Rn 12; BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 267 Rn 11. Insoweit ungenau MünchKomm/Stephan InsO3 § 267 Rn 10: „Überwachungsbeschluss“. Ähnlich wie hier Staudinger/Habermann BGB2005 § 75 Rn 7; NK/Eckardt BGB3 § 75 Rn 8; aA (bloße Eintragung der Überwachung als solcher, so dass Art und Umfang der Überwachung beim Insolvenzgericht erfragt werden müssen): Braun/Braun/Frank InsO7 § 267 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/

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Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 267 Rn 10; MünchKomm/Stephan InsO3 § 267 Rn 10. Vgl § 58 I 2 GNotKG bzw für den Verein Vorbem 1.3 II Nr 1 KV GNotK. Vgl Vorbem 1.4 II Nr 2, 3 KV GNotK. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 267 Rn 1; BK/Flöther/Wehner InsO66 (Stand: XI/2014) § 267 Rn 13; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 267 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 267 Rn 9; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 267 Rn 6.

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§ 268

Sechster Teil. Insolvenzplan

Dass eine unberechtigte Verfügung des Schuldners wegen § 1154 I kaum vorstellbar ist, solange der Insolvenzverwalter im Besitz des Briefes bleibt, ändert daran nichts.17 4. Amtshaftung bei fehlerhafter Bekanntmachung

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Wird die Überwachung insgesamt nicht bekanntgemacht oder unterlaufen dem Insolvenzgericht oder dem Registergericht Fehler bei der Bekanntmachung einzelner Überwachungsmaßnahmen (§ 267 II) bzw der Eintragung, kommen Amtshaftungsansprüche aus § 839 BGB iVm Art 34 GG gegen den jeweiligen Landesjustizfiskus in Betracht.18 5. Entsprechende Regelung im KredReorG

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§ 22 III KredReorgG enthält für die Überwachung der Erfüllung von Reorganisationsplänen von Kreditinstituten keine ausdrückliche, mit § 267 vergleichbare Regelung, sondern ordnet nur die Bekanntmachung der Beschlüsse an, durch die das Reorganisationsverfahren bzw die Überwachung aufgehoben werden. Aus dem Regelungszusammenhang erschließt sich aber, dass mit dem Aufhebungsbeschluss auch bekannt zu machen ist, dass im gestaltenden Teil die Überwachung der Erfüllung des Reorganisationsplans vorgesehen ist.

§ 268 Aufhebung der Überwachung (1) Das Insolvenzgericht beschließt die Aufhebung der Überwachung, 1. wenn die Ansprüche, deren Erfüllung überwacht wird, erfüllt sind oder die Erfüllung dieser Ansprüche gewährleistet ist oder 2. wenn seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens drei Jahre verstrichen sind und kein Antrag auf Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens vorliegt. (2) 1Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen. 2§ 267 Abs. 3 gilt entsprechend. Materialien: 1. Ber InsRKomm LS 2.3.5, 2.2.28; DiskE/RefE § 304; RegE § 315; Begr zu RegE § 315, BT-Drucks 12/2443 S 217. Vorgängerregelung: §§ 91 I, 95 VglO. Literatur S zu §§ 254, 260; Skrotzki Anmerkung zu: LG Hannover, Beschluss v 5.7.1972 – 23 T 2/72, KTS 1973, 192.

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AA MünchKomm/Stephan InsO3 § 267 Rn 11; FK/Jaffé InsO9 § 267 Rn 6. Vgl Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 263 Rn 8 zur ungenauen Bekannt-

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machung der Reichweite des Zustimmungsvorbehalts.

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Aufhebung der Überwachung

§ 268

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . . II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . 1. Gründe für die Aufhebung der Überwachung . . . . . . . . . . a) Erfüllung bzw Sicherung der Planforderungen . . . . . . b) Zeitablauf . . . . . . . . . .

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Rn. 1 1 3 5

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2. Beschlussfassung . . . . . . . . . 3. Wirkung der Aufhebung . . . . . 4. Öffentliche Bekanntmachung und Registereintragungen . . . . . . . 5. Entsprechende Regelung im KredReorG . . . . . . . . . . . .

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Rn. 10 11

. .

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte § 268, der seit 1.1.1999 unverändert gilt, entspricht bis auf die Verweisung und eine 1 Änderung in § 268 I Nr 2 wörtlich § 304 DiskE und bis auf die Verweisung wörtlich § 304 RefE und § 315 RegE. So war in § 304 I Nr 2 DiskE noch die Rede von einem Antrag, „auf Grund dessen ein neues Insolvenzverfahren zu eröffnen ist“. Da diese Frage beim Eingang des Antrags aber noch gar nicht beantwortet werden kann, stellte schon § 304 I Nr 2 RefE die Aufhebung der Überwachung unter den Vorbehalt, dass „kein Antrag auf Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens vorliegt“. In dieser Fassung ist der Entwurf ohne weitere Änderung unter Anpassung der Verweisung Gesetz geworden. Diese Regelung beruht im Wesentlichen auf dem Vorschlag der Kommission für Insol- 2 venzrecht. So enthielt § 91 I VglO nur eine Vorgabe für die Unterwerfung des Schuldners unter die Überwachung, die „bis zur Erfüllung des Vergleichs oder bis zum Eintritt einer im Vergleich festgesetzten Bedingung“ andauern sollte. Damit lässt sich der materielle Grund für die Beendigung der Überwachung in § 268 I Nr 1 auf § 91 I VglO zurückführen, soweit es um die Erfüllung der fraglichen Forderungen geht. Die zeitliche Begrenzung der Überwachung findet sich dagegen erstmals in LS 2.3.5 I 1, weil die mit der Überwachung verbundenen Beschränkungen für das reorganisierte Unternehmen kein Dauerzustand bleiben dürften.1 Darüber hinaus plädierte die Kommission für eine förmliche Aufhebung der Überwachung.2 Dagegen hatte § 95 S 1, 2 VglO vorgesehen, dass die Beendigung der Überwachung lediglich öffentlich bekannt zu machen war, wenn der Schuldner glaubhaft gemacht hatte, dass der Vergleich erfüllt worden oder die festgesetzte Bedingung eingetreten war. 2. Normzweck § 268 bezweckt im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit eine geordnete 3 und nach außen bekannt gemachte Beendigung der Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans.3 Daher endet die Überwachung der Planerfüllung weder bei Planerfüllung noch durch Zeitablauf ipso iure, sondern immer erst, wenn der Aufhebungsbeschluss iSv § 268 I

1 2

So 1. Ber InsRKomm zu LS 2.3.5, S 211. So 1. Ber InsRKomm zu LS 2.3.5, S 211.

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So 1. Ber InsRKomm zu LS 2.3.5, S 211; Begr zu RegE § 315, BT-Drucks 12/2443 S 217.

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§ 268

Sechster Teil. Insolvenzplan

wirksam geworden ist (Rn 11). Der Beschluss hat damit in allen Fällen konstitutive und nicht bloß deklaratorische Bedeutung.4 4 Zwar lässt sich dieser konstitutive Aufhebungsbeschluss nicht als unmittelbarer actus contrarius begreifen, weil die Überwachung nicht durch einen Beschluss des Insolvenzgerichts angeordnet wird, sondern ab der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) kraft der entsprechenden Bestimmungen im gestaltenden Teil des Insolvenzplans wirkt (§ 260 Rn 17). Darüber hinaus stellt die Aufhebung der Überwachung auch nicht in allen Fällen einen zweiten abschließenden actus contrarius zur Verfahrenseröffnung dar. Zwar entspricht diese Vorstellung der Wirkung der Aufhebung der Überwachung, dass das zunächst fortbestehende Amt des Insolvenzverwalters endet (§ 261 I 2) und fortbestehende Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkungen (§ 263) aufgehoben werden. Dass dies aber ggf auch für die Übernahmegesellschaft gilt (§ 260 III) und dass durch die Aufhebung der Überwachung die Aussicht der Kreditrahmengläubiger auf ihren relativen Vorrang wegfällt (§ 266 I), stellt keine der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenläufige Wirkung dar. Jedoch beruhen die erweiterten Wirkungen der Überwachung auf der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans und damit auf einem privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt (§ 254 Rn 37), zu dem sich die Aufhebung der Überwachung in einem weiteren Sinne doch als actus contrarius erweist.

II. Einzelerläuterung 1. Gründe für die Aufhebung der Überwachung

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§ 268 I unterscheidet zwei Gründe für die Aufhebung der Überwachung: die Zweckerreichung (Nr 1) und den Zeitablauf (Nr 2). Ein dritter Grund ist die Zweckverfehlung, die allerdings nicht zu einer (isolierten) Aufhebung der Überwachung, sondern zur Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens führt. Dieser ist in § 268 I – anders als in §§ 22 II S 2 Nr 3 KredReorgG (Rn 16) – jedoch nicht ausdrücklich erwähnt. Wird ein neuer Insolvenzantrag gestellt, dauert die Überwachung daher grundsätzlich fort (Rn 6, 8), kann aber durch Sicherungsmaßnahmen überlagert werden, wenn ein (neuer) vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt wird (§ 21 II 1 Nr 1) und Verfügungsbeschränkungen angeordnet werden (§ 21 II 1 Nr 2).5

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a) Erfüllung bzw Sicherung der Planforderungen. § 268 I Nr 1 knüpft an die Beschreibung des Zwecks der Überwachung in § 260 II an. Damit ist die Überwachung in jedem Fall aufzuheben, wenn die Ansprüche, auf die sie sich nach dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans erstreckt (§ 260 Rn 19), erfüllt sind (§ 362 I BGB). Erforderlich ist allerdings darüber hinaus, dass der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht den Eintritt dieser Voraussetzung anzeigt; eines separaten Antrags bedarf es gegen nicht.6 Diese Anzeige gehört zu den Amtspflichten iSv § 261 I S 2.7 Sie sollte einem schriftlichen Schlussbericht ent-

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Dagegen heißt es bei MünchKomm/Stephan InsO3 § 268 Rn 4 missverständlich, die Überwachung sei im Interesse des Rechtsverkehrs durch einen Beschluss aufzuheben, wenn „im Insolvenzplan eine kürzere Frist als die […] dreijährige Überwachungsfrist vereinbart worden“ ist.

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Vgl FK/Jaffé InsO9 § 261 Rn 13. So aber Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 268 Rn 2; Braun/Braun/ Frank InsO7 § 268 Rn 2. MünchKomm/Stephan InsO3 § 268 Rn 7.

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Aufhebung der Überwachung

§ 268

sprechen,8 in dem die Erfüllung der Planforderungen bzw die Gewährleistung ihrer Erfüllung schlüssig dargelegt wird.9 Eine eigene Pflicht, die Erfüllung zu prüfen, besteht für das Insolvenzgericht beim Eingang einer solchen Anzeige nicht. Allerdings darf das Gericht die Überwachung trotz der Anzeige der Erfüllung der von § 260 II erfassten Forderungen nicht aufheben, wenn ein Gläubiger anderer Forderungen oder der Schuldner selbst die Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens beantragt hat. In diesem Fall ist – wie bei § 268 I Nr 2 (Rn 8) – die rechtskräftige Entscheidung über diesen Antrag abzuwarten. Alternativ genügt aber auch, wenn die Erfüllung dieser Ansprüche „gewährleistet“ ist. 7 Wie die Erfüllung zu gewährleisten ist, ist der amtlichen Begründung leider nicht zu entnehmen. Vielmehr heißt es dort nur, die Aufhebung könne erfolgen, „sobald feststeht, daß die Ansprüche, die im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen sind, erfüllt werden“.10 Das ist zweifellos der Fall, wenn der Schuldner nach Maßgabe von § 4 iVm § 108 ZPO durch Bankbürgschaft oder dingliche Sicherheiten Sicherheit geleistet hat. Allerdings ergibt sich aus § 258 II S 2, dass die Erfüllung auch durch Vorlage eines Finanzplans „gewährleistet“ sein kann. Bedenkt man, dass die Aufhebung des Insolvenzverfahrens für die betroffenen Massegläubiger mit dem Wegfall des absoluten Vorrangs nach § 53 wesentlich einschneidendere Wirkungen hat als die Aufhebung der Überwachung, sollte die Vorlage eines Finanzplans auch hier genügen.11 Zeigt der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht an, dass die Erfüllung der betroffenen Forderungen auf die eine oder andere Art gewährleistet ist, muss das Gericht vor der Aufhebung der Überwachung prüfen, ob die Sicherheiten hinreichend erscheinen bzw der Finanzplan plausibel ist. b) Zeitablauf. § 268 I Nr 2 setzt der Überwachung der Planerfüllung grundsätzlich 8 eine äußerste zeitliche Grenze von drei Jahren ab der Wirksamkeit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (vgl dazu Rn 258 Rn 13). Allerdings endet die Überwachung auch in diesem Fall nicht ipso iure durch Zeitablauf, sondern erst, wenn das Insolvenzgericht sie aufgehoben hat. Dies hat auch ohne Anzeige des Insolvenzverwalters von Amts wegen zu geschehen.12 Wird allerdings vor der Aufhebung der Überwachung ein (erneuter) Insolvenzantrag gestellt, wird die Überwachung zunächst auch über die Höchstgrenze von drei Jahren fortgesetzt.13 Die Prüfung der Eröffnungsgründe obliegt dabei ausschließlich dem

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Vgl Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 268 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 268 Rn 3. Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 268 Rn 6. So Begr zu RegE § 315, BT-Drucks 12/2443 S 217. Für zwingende Besicherung dagegen Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 268 Rn 1; BeckOK/ Freund InsO10 § 268 Rn 2; BK/Breutigam InsO66 (Stand: Grundwerk 1998) § 268 Rn 5; Frank Überwachung, Rn 173; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 268 Rn 2; Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 268 Rn 4; MünchKomm/Stephan InsO3 § 268 Rn 6. Wohl auch FK/Jaffé InsO9 § 268 Rn 2; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 268 Rn 2.

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BeckOK/Freund InsO10 § 268 Rn 4; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 268 Rn 2; FK/Jaffé InsO9 § 268 Rn 4; HambK/Thies InsO6 § 268 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 268 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 268 Rn 2. Begr zu RegE § 315, BT-Drucks 12/2443 S 217; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 268 Rn 2; BK/Breutigam InsO66 (Stand: Grundwerk 1998) § 268 Rn 7; Braun/Braun/Frank InsO7 § 268 Rn 5; FK/Jaffé InsO9 § 268 Rn 6; HambK/Thies InsO6 § 268 Rn 4; HK/ Haas InsO9 § 268 Rn 1; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 268 Rn 7; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rattunde InsO3 § 268 Rn 2; MünchKomm/Stephan InsO3 § 268 Rn 8; Nerlich/Römermann/ Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 268 Rn 3; Schiessler Insolvenzplan, S 223; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 268 Rn 4.

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§ 268

Sechster Teil. Insolvenzplan

Insolvenzgericht, bei dem der Eröffnungsantrag gestellt worden ist.14 Wird das (zweite) Insolvenzverfahren eröffnet, bedarf es keiner gesonderten Aufhebung der Überwachung mehr. Wird der Antrag dagegen als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen oder mangels Masse abgewiesen (§ 26), muss das Insolvenzgericht die Überwachung nach Eintritt der (formellen) Rechtskraft dieses Beschlusses aufheben.15 9 Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans kann ohne weiteres bestimmt werden, dass die Überwachung früher als drei Jahre ab der Aufhebung des Insolvenzverfahrens aufgehoben werden soll.16 Auch in diesem Fall ist der Beschluss nach § 268 I von Amts wegen zu fassen. Dagegen kommt eine Verlängerung über das gesetzliche Höchstmaß nicht in Betracht.17 Allerdings hat das AG Duisburg einen Insolvenzplan bestätigt, in dem mit Zustimmung des Schuldners ein längerer Überwachungszeitraum vorgesehen war, und nur die Anwendung von §§ 264–266 auf die Höchstdauer von drei Jahren beschränkt.18 Diese Entscheidung ist im Schrifttum jedoch zu Recht überwiegend kritisch aufgenommen worden.19 Soll eine Überwachung des Schuldners länger als drei Jahre dauern, ist dieses Ziel nicht mehr mit den Mitteln der §§ 260–269 zu erreichen. Hier müsste etwa im gestaltenden Teil des Insolvenzplans ein Sanierungsvorstand bestellt (vgl § 259 Rn 12) oder eine privatrechtliche Vereinbarung mit dem Schuldner geschlossen werden. Auch die Überwachung durch einen „gewillkürten Sachwalter“, die sich nicht nach §§ 260–269 richtet (§ 260 Rn 11), unterliegt keiner Höchstfrist.20 Diese Überwachung ist aber auch nicht nach § 268 aufzuheben oder bekannt zu machen. 2. Beschlussfassung

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Der Beschluss, durch den die Überwachung aufgehoben wird, fällt funktional in allen seit 1.1.2013 beantragten Insolvenzverfahren in die Zuständigkeit des Richters (§ 18 I Nr 2 RPflG).21 Dagegen ist in zuvor eröffneten Insolvenzverfahren originär der Rechtspfleger zuständig (§ 3 Nr 2 lit e RPflG);22 der Richter kann sich die Entscheidung jedoch vorbe14 15

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 268 Rn 2. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 268 Rn 2; HK/Haas InsO9 § 268 Rn 1; MünchKomm/ Stephan InsO3 § 268 Rn 8; A Schmidt/Ellers SanierungsR § 268 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 268 Rn 4. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 268 Rn 6; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 268 Rn 4; BeckOK/Freund InsO10 § 260 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 268 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 260 Rn 7 und § 268 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 260 Rn 3 und § 268 Rn 3; MünchKomm/Stephan InsO3 § 260 Rn 13; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 268 Rn 1; Uhlenbruck/ Lüer/Streit InsO14 § 260 Rn 8 und § 268 Rn 4. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 268 Rn 3; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 268 Rn 4; Braun/Braun/Frank InsO7 § 268 Rn 1; Frank Überwachung, Rn 178; FK/Jaffé InsO9 § 268 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 268 Rn 2; Hess InsO2 § 268 Rn 1; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 268 Rn 3; Uhlenbruck/

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Lüer/Streit InsO14 § 268 Rn 4; aA Kübler/ Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 260 Rn 18; Rendels/Zabel Insolvenzplan Rn 580. AG Duisburg NZI 2003, 447, 448. Vgl Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 268 Rn 4 f; FK/Jaffé InsO9 § 268 Rn 4; HK/Haas InsO9 § 268 Rn 2; K Schmidt/Spliedt InsO19 § 268 Rn 3; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 268 Rn 4; zust allerdings Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 268 Rn 8 f; HambK/Thies InsO6 § 268 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 268 Rn 9 f; Silcher/Brandt/Mutschler Hdb InsPlanEV Kap 25 Rn 157. In diese Richtung kann man auch MünchKomm/Stephan InsO3 § 268 Rn 16 verstehen. Zum Inkrafttreten von § 18 I Nr 2 RPflG vgl 10 S 2 ESUG. Zum Übergangsrecht vgl Art 103g S 2 EGInsO. MünchKomm/Stephan InsO3 § 268 Rn 9.

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Aufhebung der Überwachung

§ 268

halten (§ 18 II RPflG). Vor der Beschlussfassung sind der Insolvenzverwalter und der Gläubigerausschuss zu hören.23 Beruht die Aufhebung auf der Anzeige der Umstände iSv § 268 I Nr 1 durch den Insolvenzverwalter, genügt die Anhörung des Gläubigerausschusses. Dass die Kosten der Überwachung (§ 269) beglichen oder gesichert sind, ist keine allgemeine Voraussetzung für die Aufhebung der Überwachung; § 258 II gilt hier auch nicht entsprechend.24 Hat der Insolvenzverwalter aber die Auszahlung der jeweiligen Vorschüsse zu überwachen (§ 260 Rn 19), muss auch insoweit § 268 I Nr 1 erfüllt sein.25 3. Wirkung der Aufhebung Mit der Wirksamkeit des Aufhebungsbeschlusses enden die internen und externen Wir- 11 kungen der Überwachung. Dies gilt namentlich für die Ämter des Insolvenzverwalters bzw des „gesetzlichen Sachwalters“ (§ 284 II) und der Mitglieder des Gläubigerausschusses und die damit verbundenen Rechte und Pflichten gegenüber dem Schuldner, den Gläubigern und ggf der Übernahmegesellschaft. Auch ein Zustimmungsvorbehalt des Insolvenzverwalters (§ 263) erlischt mit der Aufhebung der Überwachung.26 Soweit der Schuldner ohne die erforderliche Zustimmung verfügt hatte, tritt analog § 185 II S 1 Var 1 BGB die Genehmigungsfiktion ein,27 wenn der Insolvenzverwalter die Genehmigung nicht bereits zuvor versagt hatte (§ 263 Rn 8). Darüber hinaus steht mit der Aufhebung der Überwachung fest, dass ein Kreditrahmen ggf ohne rechtliche Wirkungen bleibt, weil der Nachrang nach §§ 264 I S 1, 265 nur in einem Insolvenzverfahren besteht, das vor der Aufhebung der Überwachung eröffnet worden ist (§ 266 I). Hebt das Insolvenzgericht die Überwachung (pflichtwidrig) auf, obwohl bereits ein neuer Insolvenzantrag eingegangen war, bleiben den Gläubigern daher nur Amtshaftungsansprüche (§ 839 I BGB) (§ 266 Rn 12). Soweit sich der Insolvenzverwalter oder die Mitglieder des Gläubigerausschusses während der Überwachung schadensersatzpflichtig gemacht haben (§§ 60, 71), beginnt mit der Aufhebung der Überwachung die dreijährige Verjährungshöchstfrist (§§ 62 S 2, 3, 71 S 2) zu laufen (§ 261 Rn 17). Schließlich hat der Insolvenzverwalter Geschäftsunterlagen, die sich zum Zwecke der 12 Überwachung noch in seinem Besitz befinden, an den Schuldner bzw die Übernahmegesellschaft herauszugeben.28 Dies entspricht materiell-rechtlich §§ 985, 667 BGB. Mit der Herausgabepflicht korrespondiert nach ganz herrschender Auffassung eine entsprechende Übernahmepflicht des Schuldners.29 Eine entsprechende Anspruchsgrundlage wie in § 433

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MünchKomm/Stephan InsO3 § 268 Rn 10. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3 § 268 Rn 7; Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 268 Rn 3; Braun/Braun/Frank InsO7 § 268 Rn 6; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 269 Rn 1; aA Haarmeyer/ Wutzke/Förster HdB InsO3 Kap 9 Rn 133. Vgl MünchKomm/Stephan InsO3 § 269 Rn 11. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 268 Rn 6; BK/Breutigam InsO66 (Stand: Grundwerk 1998) § 268 Rn 12; FK/Jaffé InsO9 § 268 Rn 8. Vgl entsprechend zur Freigabe durch den Insolvenzverwalter BGH ZIP 2013, 1181 Rn 26.

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FK/Jaffé InsO9 § 268 Rn 5; Hess InsO2 § 268 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 268 Rn 13; MünchKomm/Stephan InsO3 § 268 Rn 15; A Schmidt/Ellers SanierungsR § 268 Rn 6; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 268 Rn 5. Aus dem im hiesigen Kontext oft herangezogenen Beschluss des OLG Stuttgart ZIP 1984, 1385 ergibt sich dies allerdings nicht. FK/Jaffé InsO9 § 268 Rn 5; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 268 Rn 13; MünchKomm/Stephan InsO3 § 268 Rn 15; zur Freigabe vgl entsprechend OLG Hamm NJW 1964, 2355 (LS); zu § 200 vgl nur Jaeger/Meller-Hannich § 200 Rn 22.

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§ 268

Sechster Teil. Insolvenzplan

II BGB wird dafür aber nicht benannt. Besteht für diese Unterlagen eine handels- (§ 257 HGB) oder steuerrechtliche (§ 147 AO) Aufbewahrungspflicht,30 ist der Insolvenzverwalter jedenfalls nicht zur Durchsetzung dieser Pflicht befugt.31 Daher kann die tatsächliche Übernahme nur vom Finanzamt erzwungen werden. Der Insolvenzverwalter kann dieses Vorgehen lediglich anregen. Gerät der Schuldner mit der Annahme der Unterlagen in Verzug, kann der Insolvenzverwalter persönlich Ersatz der Aufwendungen für die weitere Aufbewahrung verlangen (§ 304 BGB). Dagegen kann er die Unterlagen weder hinterlegen (§ 372 S 1 BGB)32 noch darf er sie versteigern lassen (§ 383 BGB). Er soll sie aber nach vorheriger Information des Finanzamtes und der Staatsanwaltschaft vernichten dürfen.33 Diese Frage muss hier aber nicht weiter erörtert werden, weil bei der Aufhebung der Überwachung anders als bei der Liquidation der Gesellschaft am Ende eines Regelverfahrens kaum mit praktischen Schwierigkeiten bei der Übergabe der Geschäftsunterlagen zu rechnen ist. 4. Öffentliche Bekanntmachung und Registereintragungen

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Der Beschluss, durch den das Insolvenzgericht die Überwachung aufhebt, ist wie die Überwachung selbst (§ 267 I) öffentlich bekannt zu machen (§ 268 II 1) und wird mit Beginn des dritten Tages ab der Bekanntmachung wirksam (§ 9 I 3). Die Bekanntmachung erfolgt nach den einschlägigen Bestimmungen in § 9 I, II iVm der InsolvenzInternet-Bekanntmachungs-VO ausschließlich auf der Internetseite „www.insolvenzbekanntmachungen.de“ (§ 258 Rn 29). Ebenso ist in den einschlägigen Registern, in denen der Schuldner verzeichnet ist, nicht nur die Überwachung der Planerfüllung einzutragen (§ 267 Rn 11 ff), sondern auch deren Aufhebung nach § 268 I.34 Dazu hat die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts dem zuständigen Registergericht eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift (§ 258 Rn 32) des Aufhebungsbeschlusses zu übermitteln (§ 268 II 2, 267 III 1, 31). Da der Beschluss keine Angabe über den Zeitpunkt der Wirksamkeit enthält, sollte dieser auf der an das Registergericht übermittelten Ausfertigung bzw der beglaubigten Abschrift vermerkt werden. Die Eintragung erfolgt wie die Eintragung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und die Eintragung der Überwachung gebührenfrei.35 14 Hatte der gestaltende Teil des Insolvenzplans vorgesehen, dass die Verfügung über dingliche Rechte, die im Grundbuch (§ 32), im Schiffs- bzw Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen (§ 33) einzutragen sind, nur mit Zustimmung des

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Da die Gesellschaft in Fällen der Überwachung der Planerfüllung regelmäßig fortgesetzt wird, sind die abwicklungsrechtlichen Aufbewahrungspflichten etwa nach § 157 II HGB, § 74 II GmbHG oder § 273 II AktG hier – entgegen Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 268 Rn 13 – nicht einschlägig. So zur verweigerten Übernahme der Unterlagen durch den früheren GmbH-Geschäftsführer (§ 74 II GmbHG) nach Einstellung eines Konkursverfahrens mangels Masse LG Hannover KTS 1973, 191; ähnlich OLG Stuttgart ZIP 1984, 1385. So auch Jaeger/Weber KO8 § 117 Anm. 19 (S 217); Skrotzki KTS 1973, 192.

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So zu § 200 Jaeger/Meller-Hannich InsO § 200 Rn 22; Nerlich/Römermann/Westphal InsO35 (Stand: VIII/2014) § 200 Rn 13; Skrotzki KTS 1973, 192 f; aA MünchKomm/ Stephan InsO3 § 268 Rn 15; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 268 Rn 5. Vgl iE § 75 I 2 Nr 5 BGB für das Vereinsregister, § 32 I 2 Nr 5 HGB für das Handelsregister, § 102 I 2 Nr 5 GenG für das Genossenschaftsregister und § 2 II Hs 1 PartGG iVm 32 I 2 Nr 5 HGB für das Partnerschaftsregister. Vgl § 58 I 2 GNotKG bzw für den Verein Vorbem 1.3 II Nr 1 KV GNotK.

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Kosten der Überwachung

§ 269

Insolvenzverwalters bzw des „gesetzlichen Sachwalters“ (§ 284 II) wirksam sind, und ist diese Verfügungsbeschränkung mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens in dem jeweiligen Register eingetragen worden, bedarf es auch insoweit der Berichtigung. Dazu verweist § 268 II S 2 über § 267 III S 2 auf §§ 32, 33. Auch diese Eintragungen sind gebührenfrei.36 Die in §§ 32, 33 vorgesehenen Eintragungen haben aber nur deklaratorische Bedeu- 15 tung. Hat der Schuldner nach der Aufhebung der Überwachung über ein solches Recht verfügt, bevor die Aufhebung der Überwachung im jeweiligen Register eingetragen worden ist, handelt er materiellrechtlich als Berechtigter. Nur in formeller Hinsicht genügt für die Eintragung die Bewilligung des Schuldners (vgl § 19 GBO) nicht, solange der Überwachungsvermerk noch eingetragen ist. 5. Entsprechende Regelung im KredReorG § 22 II S 2 KredReorgG enthält neben den Aufhebungsgründen der Zweckerreichung 16 (Nr 1) und des Zeitablaufs von maximal drei Jahren (Nr 2) auch die Zweckverfehlung, wenn die BaFin Sicherungsmaßnahmen nach §§ 45c, 46 oder 46b KWG anordnet oder wenn eine Abwicklungsanordnung iSv § 77 SAG ergeht. Auch dieser Aufhebungsbeschluss ist – entsprechend § 268 II S 1 – öffentlich bekannt zu machen; dies geschieht aber – abweichend von § 9 – im Bundesanzeiger und auf der Internetseite des betroffenen Kreditinstituts (§ 22 III KredReorgG).

§ 269 Kosten der Überwachung 1Die

Kosten der Überwachung trägt der Schuldner. 2Im Falle des § 260 Abs. 3 trägt die Übernahmegesellschaft die durch ihre Überwachung entstehenden Kosten. Materialien: DiskE/RefE § 305; RegE § 316; Begr zu RegE § 316, BT-Drucks 12/2443 S 217. Vorgängerregelung: §§ 91 I, 95 S 2 VglO. Literatur S zu §§ 254, 260; Graeber Vergütungsbestimmung durch Vereinbarungen zwischen einem Insolvenzverwalter und den weiteren Beteiligten eines Insolvenzverfahrens – Einvernehmliche Vergütungsbemessung insbesondere durch Insolvenzpläne, ZIP 2013, 916; Hingerl Notwendigkeit einer Vergütungsbestimmung im Insolvenzplan?, ZIP 2015, 159; Mock Gläubigerautonomie und Vergütung des Insolvenzverwalters – zu den Auswirkungen der Liberalisierung der Bestellung und der Anforderungen an den Insolvenzverwalter und das Vergütungsrecht, KTS 2012, 59; Reinhardt Zur Zulässigkeit von Vergütungsvereinbarungen im Insolvenzplan, ZInsO 2015, 943.

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Vgl Vorbem 1.4 II Nr 2, 3 KV GNotK.

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§ 269

Sechster Teil. Insolvenzplan

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . . 1. Kosten der Überwachung . . . . . . a) Gerichtskosten . . . . . . . . . . b) Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses aa) Höhe der Vergütung des Insolvenzverwalters bzw des Sachwalters . . . . . . . . . . bb) Höhe der Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses . . . . . . . . . . . .

Rn.

Rn. 1 1 2 4 4 4

cc) Entstehung, Fälligkeit und Verjährung der Ansprüche . . 2. Durchsetzung des Kostenanspruchs . a) Gerichtskosten . . . . . . . . . . b) Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses . aa) Festsetzung der Vergütung . . bb) Rechtsmittel . . . . . . . . . cc) Vollstreckung . . . . . . . . . dd) Zurückbehaltungsrecht . . . ee) Zweites Insolvenzverfahren . 3. Abweichende Regelungen . . . . . . 4. Entsprechende Regelung im KredReorG . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

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§ 269, der seit 1.1.1999 unverändert gilt, entspricht bis auf die Verweisung wörtlich § 305 DiskE/RefE und § 316 RegE. Dagegen fand sich in § 95 Satz 2 VglO lediglich eine Regelung zur Kostenlast für die öffentliche Bekanntmachung der Beendigung der Überwachung. Eine weitergehende Regelung war nicht erforderlich, weil sich der Schuldner (freiwillig) der Überwachung unterwerfen (§ 91 I VglO) und dazu einen idR entgeltlichen Vertrag mit dem Sachwalter schließen musste.1 Damit ergab sich die Kostenregelung unmittelbar aus dem Vertrag. Die Kommission für Insolvenzrecht hat sich zur Kostenfrage der Überwachung der Planerfüllung dagegen nicht ausdrücklich geäußert. 2. Normzweck

2

§ 269 enthält die Regelung für die materielle Kostenlast des Schuldners für die Überwachung der Planerfüllung und beruht auf demselben Grundsatz wie § 788 ZPO. Darüber hinaus regelt § 23 III GKG, dass der Insolvenzschuldner auch Kostenschuldner für die Gerichtskosten für das eröffnete Insolvenzverfahren2 ist. Die Vergütung des Insolvenzverwalters und ggf der Mitglieder des Gläubigerausschusses ist von dieser Kostenregelung aber nur erfasst, wenn der Justizfiskus sekundärer Schuldner des Vergütungsanspruchs ist (§§ 63 II, 73 II) und die Vergütung verauslagt hat (Nr 9017 KV GKG). Dass sich der materiell-rechtliche Vergütungsanspruch im Übrigen ausschließlich gegen den Schuldner richtet, ist unstreitig;3 die Primärhaftung des Schuldners wird darüber hinaus in § 54 Nr 2 als selbstverständlich vorausgesetzt.4 Für das Eröffnungsverfahren regelt seit 1.1.2011 § 14 III5 die 1 2

3

Vgl dazu Bley/Mohrbutter VglO4 § 92 Rn 4. Vgl Nr 2320 KV GKG bei Schuldneranträgen (2,5) bzw Nr 2330 KV GKG bei Gläubigeranträgen (3,0). Zur Wertberechnung vgl § 58 I GKG. Danach ist der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens maßgeblich. Vgl nur BGHZ 116, 233, 238; 157, 370, 375. Streitig war dagegen lange Zeit eine

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4 5

mögliche Ausfallhaftung für den Vergütungsanspruch des Sequesters bzw des vorläufigen Insolvenzverwalters. Dazu abl BGHZ 157, 370, 372 ff. MünchKomm/Stephan InsO3 § 269 Rn 4. IdF v Art 3 Nr 1 HBeglG 2011 v 9.12.2010, BGBl I S 1885.

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Kosten der Überwachung

§ 269

Kostenlast des Schuldners, wenn er die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt und der Antrag als unbegründet zurückgewiesen wird.6 Schließlich sah § 26a I S 1 InsO 20127 vom 1.3.2012 bis zum 30.6.2014 vor, dass die Kosten des vorläufigen Insolvenzverwalters (stets) gegen den Schuldner festzusetzen sind.8 Allerdings steht dies seit 1.7.2014 unter dem Vorbehalt, dass den Gläubiger kein grobes Verschulden trifft (§ 26a II 19).10 Angesichts dessen wäre auch ohne § 269 davon auszugehen gewesen, dass sich die Ver- 3 gütungsansprüche des Insolvenzverwalters und ggf der Mitglieder des Gläubigerausschusses für die Tätigkeit während der Planüberwachung gegen den Schuldner richten. Dass hier – anders als früher in § 91 VglO – eine ausdrückliche Kostenregelung geschaffen worden ist, ist zu begrüßen, weil die Überwachung nunmehr auf dem rechtskräftig bestätigten gestaltenden Teil des Insolvenzplans beruht. Daher fehlt es an einem vertraglichen Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses, die stattdessen nach der InsVV vergütet werden (Rn 5 ff). Darüber hinaus bestimmt § 269 S 2 ggf die Passivlegitimation der Übernahmegesellschaft (§ 260 III) konstitutiv. Soweit die Überwachung dagegen in Anlehnung an § 91 I VglO auch heute noch einem „gewillkürten Sachwalter“ (§ 261 Rn 25) übertragen wird, handelt es sich bei dessen Vergütung nicht um Kosten iSv § 269.11 Wer diese Kosten zu tragen hat und wie hoch sie sind, richtet sich ausschließlich nach dem Inhalt des jeweiligen Geschäftsbesorgungsvertrags.

II. Einzelerläuterung 1. Kosten der Überwachung a) Gerichtskosten. Die Überwachung der Planerfüllung löst über die Gebühr für die 4 Durchführung des Insolvenzverfahrens hinaus keine weiteren Gerichtsgebühren aus. Es können jedoch Auslagen etwa für die Benachrichtigungen nach §§ 267 III, 268 II S 2 entstehen, die zu den Gerichtskosten iSv § 3 II GKG gehören (Teil 9 KV GKG). Für die ausschließlich elektronischen öffentlichen Bekanntmachungen nach § 9 werden dagegen keine Auslagen erhoben (Nr 9004 I 1 KV GKG). Auch die Eintragungen in die jeweiligen Register sind gebührenfrei.12

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In diesem Fall ist der Antragsteller auch nicht Schuldner der Gerichtskosten (§ 23 I 4 GKG). IdF v Art 1 Nr 1 Nr 7 ESUG v 7.12.2011, BGBl I S 2582. Zum Übergangsrecht vgl BGH NZI 2012, 317 Rn 3. Vgl dazu BT-RA zu RegE ESUG § 26a, BTDrucks 17/7511 S 34. Zur materiell-rechtlichen Herleitung beim starken vorläufigen Insolvenzverwalter aus §§ 1835, 1836, 1915, 1987, 2221 BGB vgl BGHZ 175, 48 Rn 35. IdF v Art 1 Nr 6 des Gesetzes v 15.7.2013, BGBl I S 2379. Nach § 26a I 2 RegE eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-

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Drucks 17/11268 S 5 sollte dagegen der Gläubiger bei unbegründeten Anträgen stets die Kosten tragen. Vgl dagegen BT-RA zu RegE eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte § 26a, BTDrucks 17/13535 S 27 unter Hinweis auf BGH NJW 1961, 2016, 2017 und die unkalkulierbare Höhe der Kosten für einen Gläubiger. MünchKomm/Stephan InsO3 § 269 Rn 4; A Schmidt/Ellers SanierungsR § 269 Rn 7. Zu den „Personenregistern“ vgl § 58 I 2 GNotKG bzw für den Verein Vorbem 1.3 II Nr 1 KV GNotK; zu den „Sachenrechtsregistern“ vgl Vorbem 1.4 II Nr 2, 3 KV GNotK.

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Sechster Teil. Insolvenzplan

b) Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubiger-

5 ausschusses. Die wesentlichen Kosten der Überwachung entfallen auf den Insolvenzverwalter (§ 6 II 1 InsVV) und die Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 17 InsVV).

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aa) Höhe der Vergütung des Insolvenzverwalters bzw des Sachwalters. Für den Insolvenzverwalter ist die Vergütung nach billigem Ermessen festzusetzen (§ 6 II 2 InsVV). Dasselbe muss für den „gesetzlichen Sachwalter“ (§ 284 II) gelten, weil der pauschale Abschlag von 40 % (§ 12 I InsVV) hier nicht passt. Dabei sind die Dauer der Überwachung, der Umfang der Forderungen iSv § 260 II sowie die Tätigkeiten im Rahmen von §§ 263, 264 II zu berücksichtigen.13 Denkbar ist dabei auch eine Vergütung auf Stundenbasis. Der im Schrifttum vorgeschlagene Weg, die Vergütung schon im Insolvenzplan als Bruchteil der im Insolvenzplan angegebenen Verwaltervergütung anzugeben,14 ist jedoch nicht gangbar, weil die Höhe der Verwaltervergütung nach wie vor nicht plandispositiv ist.15 7 Allerdings lässt sich die dort gegebene Begründung nicht in allen Punkten auf die Vergütung für die Überwachung der Planerfüllung übertragen, weil eine Privilegierung als Massekostenforderung (§§ 53, 54 Nr 2)16 bei der Planüberwachung ohnehin nicht in Betracht kommt. Zwar hat der BGH auch darauf hingewiesen, dass die Bestimmungen über Höhe und Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters auch darauf zielen, die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters gegenüber den Verfahrensbeteiligten zu sichern.17 § 6 II S 2 InsVV selbst enthält aber keine materiellen Vorgaben für die Höhe der Vergütung. Daher sollten in den Insolvenzplan Angaben zur Gesamthöhe der Vergütung oder zum maßgeblichen Stundensatz aufgenommen werden können. Diese Angaben hat das Insolvenzgericht dann jedenfalls bei der Festsetzung der Vergütung (§ 64 I iVm § 8 I InsVV) als Leitlinien bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen.18 8 Hat der Schuldner dem Plan ausdrücklich zugestimmt (§ 247), darf das Gericht die im Insolvenzplan vorgesehene Vergütung – in den Grenzen von § 138 I BGB – nicht als unangemessen hoch ansehen. Hält das Gericht die Vergütung für unangemessen niedrig, muss es die aus seiner Sicht angemessene Vergütung festsetzen, wenn der Insolvenzverwalter eine höhere Vergütung beantragt hat. Zwar kann sich der Insolvenzverwalter in einer Erklärung, die dem Insolvenzplan als Anlage beigefügt wird (§ 230 III), verpflichten, keine höhere als die im Insolvenzplan vorgesehene Vergütung zu beanspruchen.19 Eine solche Erklärung bindet jedoch nicht das Insolvenzgericht.20 Insbesondere wäre es mit der Tätigkeit des Rechtspflegers (Rn 12), die nicht die Ausübung rechtsprechender Gewalt iSv Art 92 GG umfassen darf,21 unvereinbar, die Wirksamkeit der Erklärung zu prüfen.

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Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 269 Rn 5; BeckOK/Budnik InsO10 § 6 InsVV Rn 1, 19; Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 26 Rn 20; MünchKomm/Stephan InsO3 § 269 Rn 5; Stephan/Riedel/Stephan InsVV § 6 Rn 15. Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 26 Rn 20; MünchKomm/Stephan InsO3 § 6 InsVV Rn 16; Stephan/Riedel/Stephan InsVV § 6 Rn 16. So BGHZ 214, 78 Rn 20 ff, 38; aA zuvor LG München ZIP 2013, 2273; AG Hannover ZIP 2015, 2385; LG Münster ZIP 2016, 1179, 1180 bei Zustimmung aller Beteiligten; Mock KTS 2012, 59, 92 ff; Graeber ZIP

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2013, 916 ff; Buchalik/Stahlschmidt ZInsO 2014, 1144, 1147; Horstkotte ZInsO 2014, 1297, 1311; Hingerl ZIP 2015, 159 ff; Reinhardt ZInsO 2015, 943, 944 f; Blankenburg ZInsO 2015, 1293, 1300 f; Haarmeyer ZInsO 2016, 1622, 1623 f. Vgl dazu BGHZ 214, 78 Rn 21 ff. BGHZ 214, 78 Rn 31 ff. Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 26 Rn 20; MünchKomm/Stephan InsO3 § 6 InsVV Rn 17; Stephan/Riedel/Stephan InsVV § 6 Rn 17. Vgl BGHZ 214, 78 Rn 40. Vgl BGHZ 214, 78 Rn 41. So BGHZ 185, 353 Rn. 6.

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Kosten der Überwachung

§ 269

bb) Höhe der Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Dagegen werden 9 die Mitglieder des Gläubigerausschusses wie im Insolvenzverfahren stets nach Stunden vergütet; der Regelstundensatz beträgt je nach Umfang der Tätigkeit zwischen 35 und 95 Euro (§ 17 I 1 InsVV) bei umfangreichen Tätigkeiten sind für Rechtsanwälten aber schon 300 Euro festgesetzt worden (§ 17 I 2 InsVV).22 Im Übrigen haben diese Personen ggf einen Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer (§§ 7, 18 II InsVV) und ihrer Auslagen (§§ 4 II, 18 I InsVV). cc) Entstehung, Fälligkeit und Verjährung der Ansprüche. Die Vergütungsansprüche 10 entstehen wie üblich mit der Aufnahme der Tätigkeit, werden aber erst nach deren Beendigung fällig. Da darauf bei § 199 I Nr 1 BGB abzustellen ist,23 beginnt die (Regel-)Verjährung der Ansprüche (§ 195 BGB)24 regelmäßig ab dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem die Überwachung aufgehoben worden ist (§ 268).25 Der Antrag nach § 64 I hemmt die Verjährung, obwohl es dafür weder in § 204 I BGB noch spezialgesetzlich einen ausdrücklichen Hemmungstatbestand gibt.26 2. Durchsetzung des Kostenanspruchs a) Gerichtskosten. Anders als im eröffneten Insolvenzverfahren kann ein möglicher 11 Gerichtskostenanspruch nicht durch vorrangige Befriedigung aus der Insolvenzmasse realisiert werden (§§ 53, 54, 207 III 1, 209 I Nr 1). Vielmehr ist er – wie im Falle der Verfahrenskostenstundung (§ 4a) – im Verwaltungsweg beizutreiben. Maßgeblich ist dafür das jeweilige Landesrecht, das etwa in Baden-Württemberg (§ 2 LJKG) auf das bundesrechtliche JBeitrG, das unmittelbar nur für die von Justizbehörden des Bundes einzuziehenden Gerichtskosten anwendbar ist (§ 1 I Nr 4 JBeitrG), verweist. b) Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses aa) Festsetzung der Vergütung. Für die Festsetzung der Vergütung und der Auslagen 12 des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses für die Überwachung der Planerfüllung gelten auch ohne ausdrückliche Verweisung §§ 64, 73, weil die Ämter fortbestehen.27 Danach setzt das Insolvenzgericht die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen gesondert (§ 8 I 2 InsVV) durch Beschluss fest (§§ 64 I, 73 II). Für die Festsetzung ist nach wie vor der Rechtspfleger zuständig (§ 3 Nr 2 lit e RPflG).28 Dass auch § 269 in § 18 I Nr 2 RPflG ausdrücklich erwähnt wird, steht nicht entgegen, weil auch die Festsetzung der Vergütung für die Überwachung ihre Rechtsgrundlage unmittelbar in § 64 findet.29 Den entsprechenden Festsetzungsantrag soll der Insolvenzverwalter analog § 8 I S 3 13 InsVV aber erst nach Aufhebung der Überwachung stellen. Analog § 9 InsVV kann er jedoch verlangen, dass als Vorschuss halbjährlich Teilvergütungen festgesetzt werden, die

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So AG Bremen ZIP 2016, 633; AG Hamburg ZIP 2018, 1562. Vgl nur BGH ZIP 2010, 2160 Rn 27. Zur Anwendbarkeit der Regelverjährung vgl nur BGH ZIP 2007, 1070 Rn 11; ZIP 2010, 2160 Rn 27. Vgl BeckOGK/Piekenbrock BGB § 195 Rn 92.2 (Stand: 1.8.2018).

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So zutr BGH ZIP 2007, 1070 Rn. 15. Vgl K Schmidt/Spliedt InsO19 § 269 Rn 3; MünchKomm/Stephan InsO3 § 269 Rn 7; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 269 Rn 1; Uhlenbruck/Lüer/ Streit InsO14 § 269 Rn 3. Zur GesO vgl BGH ZIP 1995, 290, 291. So BGHZ 185, 353 Rn 6.

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der im Abrechnungszeitraum geleisteten Tätigkeit entsprechen.30 Auch die Mitglieder des Gläubigerausschusses sollen einen Festsetzungsantrag erst stellen, wenn der Vergütungsanspruch nach Ende der Tätigkeit fällig geworden ist,31 können aber ebenfalls Vorschüsse verlangen,32 obwohl eine entsprechende ausdrückliche Regelung nicht besteht.33 Darüber hinaus können im Insolvenzplan Sicherheiten für diese Ansprüche vorgesehen werden.34 Schließlich kann sich die Überwachung auch auf die Vorschüsse erstrecken (§ 260 Rn 19), so dass die Voraussetzungen von § 268 I Nr 1 nicht vorliegen, bevor die Ansprüche befriedigt oder gesichert sind (§ 268 Rn 10). Dagegen können die Vergütungsansprüche für den Fall eines zweiten Insolvenzverfahrens (Rn 19) nicht als Kreditrahmenforderungen privilegiert werden,35 weil sie einem sonstigen Kredit iSv § 264 I S 1 nicht gleichzusetzen sind (§ 264 Rn 14). 14 Auch wenn Art 103 I GG in Verfahren vor dem Rechtspfleger nicht anwendbar ist,36 ist den Beteiligten nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen nach Möglichkeit vorab rechtliches Gehör zu gewähren, auch um ggf die Einrede der Verjährung (§ 214 I BGB) zu erheben (vgl Rn 10). Wird der Antrag nach § 8 I S 3 InsVV mit der Übersendung der Schlussrechnung an das Gericht (§ 66) gestellt, müssten dafür idealiter neben dem Schuldner auch alle Gläubiger, die durch die Vorwegbefriedigung des Insolvenzverwalters (§§ 53, 54 Nr 2) in ihren Rechten verletzt sein können und daher beschwerdebefugt sind (§ 64 III 1), angehört werden.37 Dasselbe gilt für den Insolvenzverwalter, wenn von seinem Vergütungsantrag abgewichen wird. Praktisch erreicht werden könnte dies aber nur durch eine öffentliche Bekanntmachung des Antrags, die § 64 I nicht vorsieht. Da dies mit höherrangigem Recht (Art 20 III GG) vereinbar ist, muss sich die vorherige Anhörung nur auf den Schuldner, den Insolvenzverwalter und ggf die Mitglieder des Gläubigerausschusses erstrecken, denen der Beschluss später auch zuzustellen ist (§ 64 II 1). 15 Bei der Anwendung von § 64 bei der Planüberwachung ist dagegen zu bedenken, dass die Insolvenzgläubiger durch die Kostenfestsetzung nur im Insolvenzverfahren nach §§ 53, 54 Nr 2 in ihren subjektiven Rechten verletzt sein können. Da das Insolvenzverfahren jedoch schon vor der Planüberwachung aufgehoben worden sein muss, gibt es keine Insolvenzmasse im Rechtssinne mehr, wenn der Insolvenzverwalter bzw die Mitglieder des Gläubigerausschusses ihren Vergütungsantrag stellen. Da mit der Aufhebung der Überwachung auch die Ämter des Insolvenzverwalters bzw der Mitglieder des Gläubigerausschus-

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 269 Rn 4; MünchKomm/Stephan InsO3 § 9 InsVV Rn 7. BeckOK/Budnik InsO10 § 6 InsVV Rn 23 hält auch die Festsetzung monatlicher Teilvergütungen für zulässig. MünchKomm/Stephan InsO3 § 17 InsVV Rn 15, 35. Vgl allgemein zur Fälligkeit des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters BGH ZIP 2007, 1070 Rn 5 Jaeger/Gerhardt § 73 Rn 17; MünchKomm/ Stephan InsO3 § 17 InsVV Rn 29. Vgl § 18 des Entwurfs der InsVV in ZIP 1998, 1460, 1468. Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 269 Rn 6; HambK/Thies InsO6 § 269 Rn 4; K Schmidt/ Spliedt InsO19 § 269 Rn 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 269 Rn 2; aA MünchKomm/Stephan InsO3 § 269 Rn 11.

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K Schmidt/Spliedt InsO19 § 269 Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 269 Rn 3; MünchKomm/Stephan InsO3 § 269 Rn 11; aA Andres/Leithaus/ Andres InsO3 § 269 Rn 6. So BVerfGE 101, 397, 404 f; aA insoweit Jaeger/Schilken InsO § 64 Rn 9. Dafür insbesondere Jaeger/Schilken InsO § 64 Rn 11; MünchKomm/Nowak InsO2 § 64 Rn 5 f; aA für die Gläubiger LG Gießen NZI 2009, 728 f; MünchKomm/Stephan InsO3 § 64 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Stoffler InsO74 (Stand: V/2013) § 64 Rn 5 f; Uhlenbruck/Mock InsO14 § 64 Rn 8; gegen jedes rechtliche Gehör auch des Schuldners LG Potsdam ZIP 2005, 914.

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Kosten der Überwachung

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ses enden (§ 268 Rn 11), kann und muss nur noch der Schuldner bzw vor möglichen Abweichung vom Antrag der Antragsteller angehört werden. bb) Rechtsmittel. Gegen den Beschluss stehen dem Insolvenzverwalter bzw dem Mit- 16 glied des Gläubigerausschusses, das den Vergütungsantrag gestellt hat, und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu (§§ 64 III, 73 iVm § 11 I RPflG). Die in § 64 III vorgesehene Beschwerdebefugnis der Insolvenzgläubiger passt dagegen, wie gesehen, nicht für die im Rahmen von § 269 festzusetzenden Überwachungskosten. Die sofortige Beschwerde setzt einen Mindestbeschwerdewert von mehr als 200 Euro voraus (§ 64 III 2 iVm § 567 II ZPO). Ist die Beschwerde wegen des zu geringen Beschwerdewertes unzulässig, muss aber schon mit Blick auf Art 19 IV GG38 die befristete Rechtspflegererinnerung statthaft sein (§ 11 II RPflG).39 cc) Vollstreckung. Anders als den Anspruch auf Vorschuss im laufenden Insolvenzver- 17 fahren (§ 9 InsVV) kann der Insolvenzverwalter seinen Vergütungsanspruch nach § 6 II InsVV nicht selbst durch Entnahme aus der Masse realisieren. Da es eine Masse im Rechtssinne nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 I) nicht mehr gibt, nützen ihm auch die Vorrangregeln in §§ 53, 54 Nr 2, 209 I Nr 1 nichts. Vielmehr muss der Insolvenzverwalter den Anspruch gegen den Schuldner notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung realisieren. Dies kann aufgrund der Festsetzungsbeschlusses nach § 64 I geschehen, wenn es sich dabei um einen Vollstreckungstitel iSv § 794 I Nr 3 ZPO handelt.40 Allerdings muss sich dazu im Rahmen von § 269 nach dem Formalisierungsgrundsatz aus dem Beschluss auch ergeben, ob die Kosten gegen den Schuldner (§ 269 S 1) oder die Übernahmegesellschaft (§ 269 S 2) festgesetzt werden.41 Da dabei nur zu prüfen ist, ob die Tätigkeiten, für die die Vergütung festgesetzt wird, die Überwachung der Planerfüllung durch den Schuldners oder die Übernahmegesellschaft betrafen, ist dafür keine „Kostengrundentscheidung“ erforderlich, die nach Art 92 GG nicht dem Rechtspfleger hätte überlassen werden dürfen (vgl auch Rn 8). Insoweit unterscheidet sich die Situation wesentlich von § 26a II, der einen rechtsprechenden Erkenntnisakt voraussetzt und schon deshalb dem Richter vorbehalten ist.42 Könnte

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Vgl dazu beim Rechtspfleger BVerfGE 101, 397, 407. Vgl Jaeger/Schilken InsO § 64 Rn 23. So schon zur KO BGH WM 1964, 1125; zu § 64 vgl BT-RA zu RegE ESUG § 26a, BTDrucks 17/7511 S 34; BGHZ 159, 122, 126; Jaeger/Schilken § 64 Rn 27; für analoge Anwendung von § 794 I Nr 2 dagegen § 26a II 5 mit BT-RA zu RegE eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte § 26a, BT-Drucks 17/13535 S 27. Die Vollstreckungstauglichkeit im Zusammenhang mit § 269 bejahend: LG Memmingen ZInsO 2011, 1567, 1568; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Silcher InsO3§ 269 Rn 4; Andres/ Leithaus/Andres InsO3 § 269 Rn 1; BeckOK/ Budnik InsO10 § 6 InsVV Rn 24; Braun/ Braun/Frank InsO7 § 269 Rn 3; FK/Jaffé InsO9 § 269 Rn 2, 5; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 269 Rn 1; Haarmeyer/ Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 269 Rn 7;

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HK/Haas InsO9 § 269 Rn 1; Kübler/Prütting/Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 269 Rn 2; Nerlich/Römermann/Braun InsO35 (Stand: III/2005) § 269 Rn 1; abl BeckOK/Freund InsO10 § 269 Rn 7; Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 26 Rn 24; Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO14 § 269 Rn 3. So auch MünchKomm/Stephan InsO3 § 269 Rn 12; zust HambK/Thies InsO6 § 269 Rn 3; A Schmidt/Ellers SanierungsR § 269 Rn 6. AA anscheinend Haarmeyer/Wutzke/Förster/Wenzel InsO2 § 269 Rn 7. IE unter Verweis auf § 18 I Nr 1 RPflG ebenso Uhlenbruck/Vallender InsO14 § 26a Rn 14. Aus BGH ZIP 2010, 2160 Rn 24 ergibt sich dies allerdings nicht unmittelbar. Danach geht die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit der Eröffnungsentscheidung auf den Rechtspfleger über. Die Frage, wer zu entscheiden hat, wenn das Verfahren nicht eröffnet wird, ergibt sich daraus

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der Beschluss nach §§ 64 I, 73 II kein Vollstreckungstitel sein, müsste der Vergütungsanspruch im Klagewege43 oder im Mahnverfahren tituliert werden.

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dd) Zurückbehaltungsrecht. Dem Insolvenzverwalter steht wegen des nach Aufhebung der Überwachung fälligen Vergütungsanspruchs gegen den Anspruch des Schuldners auf Herausgabe der Geschäftsunterlagen (§ 268 Rn 12) kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB zu, soweit der Schuldner die Unterlagen aufbewahren muss.44

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ee) Zweites Insolvenzverfahren. In einem zweiten Insolvenzverfahren muss die Vergütungsforderung als Insolvenzforderung angemeldet werden (§ 38).45 Dies gilt unabhängig davon, ob dieses Insolvenzverfahren vor oder nach der Aufhebung der Überwachung eröffnet worden ist (Rn 13). 3. Abweichende Regelungen

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§ 269 gehört zu den planfesten Bestimmungen, für die im gestaltenden Teil des Insolvenzplans keine abweichenden Regelungen getroffen werden können. Die Gegenauffassung46 meint dagegen, wenn die Überwachung abweichend von § 261 I S 1 einer anderen Person als dem (bisherigen) Insolvenzverwalter übertragen werden könne, müsse auch die Kostenlast anders geregelt werden können.47 Dieser Schluss überzeugt jedoch nicht, weil die Überwachung durch einen „gewillkürten Sachwalter“ ohnehin außerhalb des Ordnungsrahmens der §§ 260–269 erfolgt (§ 261 Rn 25 ff).48 Da in diesem Fall auch § 269 nicht gilt (Rn 3), kann jede Person sich verpflichten, die Vergütung des Sachwalters zu bezahlen. Der Verweis auf die Gläubigerautonomie ist zirkulär, weil diese nur in dem Rahmen besteht, den das Gesetz ihr zugesteht.49 21 Soll die Kostenlast abweichend von § 269 ausgestaltet werden, weil bspw eine andere Konzerngesellschaft die Kosten übernehmen soll, ist dies im Zweifel als Verpflichtung zur Befreiung von den Kostenansprüchen gegen den Schuldner auszulegen (vgl § 329 BGB). Denkbar wäre auch eine Bürgschaft, die dem Insolvenzverwalter und ggf den Mitgliedern des Gläubigerausschusses einen direkten Zahlungsanspruch verleiht und auch durch einen Vertrag mit dem Schuldner zustande kommen kann (§ 328 BGB).50 Schließlich könnte mit dem Insolvenzverwalter und ggf mit den Mitgliedern des Gläubigerausschusses auch eine befreiende Kostenschuldübernahme vereinbart werden (§ 414 BGB).

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jedoch nicht, zumal es § 26a im Zeitpunkt der Entscheidung noch gar nicht gab. Zum Klageweg für den Sequester nach der GesO vgl BGHZ 175, 48 Rn 8 ff; für den vorläufigen Insolvenzverwalter in Eröffnungsverfahren, die vor dem 1.3.2012 beantragt waren, vgl BGH NZI 2012, 317 Rn 2. So generell auch LG Augsburg KTS 1978, 54, 55; für Zurückbehaltungsrecht an Massegegenständen aA Jaeger/Schilken § 64 Rn 27. Brünkmans/Thole/Dellit Hdb InsPlan § 26 Rn 23. Frank Überwachung, Rn 181; Graf-Schlicker/Kebekus/Wehler InsO4 § 269 Rn 1; HambK/Thies InsO6 § 269 Rn 5; Uhlen-

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bruck/Lüer/Streit InsO14 § 269 Rn 1. Für Anwendbarkeit des § 6 InsVV auf den gewillkürten Sachwalter Haarmeyer/Mock/ Haarmeyer/Mock InsVV5 § 6 Rn 19. So MünchKomm/Stephan InsO3 § 269 Rn 10. Im Zusammenhang mit § 269 richtig gesehen bei Andres/Leithaus/Andres InsO3 § 269 Rn 2; BeckOK/Freund InsO10 § 269 Rn 1, 4; Braun/Braun/Frank InsO7 § 269 Rn 1; FK/ Jaffé InsO9 § 269 Rn 1, 4; Kübler/Prütting/ Bork/Pleister InsO74 (Stand: IX/2016) § 269 Rn 2; Stephan/Riedel/Stephan InsVV § 6 Rn 14. So BGHZ 214, 78 Rn 36. Vgl nur BGHZ 115, 177, 183; 163, 59, 66.

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Kosten der Überwachung

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Eine solche Vereinbarung hätte aber lediglich materiell-rechtliche Wirkungen und kann 22 nicht dazu führen, dass das Insolvenzgericht die Kosten nach §§ 64 II, 73 II gegen einen Dritten festsetzt. Der Einwand einer privativen Schuldübernahme wäre darüber hinaus nicht im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Schuldner bzw die Übernahmegesellschaft zu berücksichtigen, sondern nur im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrlage (§§ 795, 767 II ZPO). Dies hat der BGH trotz der materiellen Rechtskraft der Festsetzung der Verwaltervergütung im Insolvenzverfahren51 bisher allerdings ausdrücklich nur für den Einwand der Aufrechnung entschieden, weil der Rechtspfleger nicht befugt sei, über eine nach Bestand und Höhe streitige Gegenforderung zu entscheiden.52 Dementsprechend ist es auch nicht seine Aufgabe, über die Wirksamkeit einer Schuldübernahme zu entscheiden. 4. Entsprechende Regelung im KredReorG Für Sanierungs- und Reorganisationsberater von Kreditinstituten ist ausdrücklich be- 23 stimmt, dass sich ihr Anspruch auf Vergütung und angemessener Auslagen „gegen das Kreditinstitut“ richtet (§§ 4 III 1, 7 V 1 KredReorgG). Dieser Vergütungsanspruch umfasst ggf auch die Tätigkeit des Reorganisationsberaters bei der Überwachung der Erfüllung des Reorganisationsplans (§ 22 II KredReorgG). Darüber hinaus schuldet nur das antragstellende Kreditinstitut die Gerichtskosten für das Verfahren;53 für die Überwachung fallen jedoch auch hier keine gesonderten Gerichtskosten an. Damit ist eine gesonderte Regelung wie in § 269 im Sanierungs- und Reorganisationsrecht der Kreditinstitute nicht erforderlich.

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Vgl dazu iE BGHZ 185, 353 Rn 7 ff. BGH ZIP 1995, 290, 291. Vgl Nr 1650 KV GKG bei durchgeführten Sanierungsverfahren (0,5) bzw Nr 1652 KV GKG bei durchgeführten Reorganisations-

verfahren (1,0). Zur Wertberechnung vgl § 53a GKG. Danach ist die Bilanzsumme des letzten Jahres vor dem Antrag maßgeblich.

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Siebter Teil. Koordinierung der Verfahren

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Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter

§ 269a

SIEBTER TEIL Koordinierung der Verfahren von Schuldnern, die derselben Unternehmensgruppe angehören

ERSTER ABSCHNITT Allgemeine Bestimmungen § 269a Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter 1Die Insolvenzverwalter gruppenangehöriger Schuldner sind untereinander zur Unterrichtung und Zusammenarbeit verpflichtet, soweit hierdurch nicht die Interessen der Beteiligten des Verfahrens beeinträchtigt werden, für das sie bestellt sind. 2Insbesondere haben sie auf Anforderung unverzüglich alle Informationen mitzuteilen, die für das andere Verfahren von Bedeutung sein können.

Materialien: DiskE KIG § 269a; RegE KIG § 269a; Begr zu RegE § 269a, BT-Drucks 18/407 S 32. EuInsVO nF: Art 56. Literatur Andres/Möhlenkamp Konzerne in der Insolvenz – Chance auf Sanierung? Zum Diskussionsentwurf des BMJ für ein Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BB 2013, 579; Asimacopoulos The Future of the European Insolvency Regulation, IILR 2011, 248; Beck Das Konzernverständnis im Gesetzesentwurf zum Konzerninsolvenzrecht, DSTR 2013, 2468; ders Perspektiven eines Konzerninsolvenzrechts, DZWIR 2014, 381; Becker Kooperationspflichten in der Konzerninsolvenz (2012); Berner/Bartelheimer/Schiebe Stellungnahme der Neuen Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e.V. (NIVD e.V.) zum Diskussionsentwurf des BMJ für ein Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen (DiskE Stand 3.1.2013), ZInsO 2013, 434; Berner/Zenker Bemerkungen zum neuen Konzerninsolvenzrecht, FS Graf-Schlicker (2018), S 171; Brünkmans Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen nach deutschem und europäischem Insolvenzrecht (2009); ders Auf dem Weg zu einem europäischen Konzerninsolvenzrecht – Zum Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der EuInsVO, ZInsO 2013, 797; ders Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen: Kritische Analyse und Anregungen aus der Praxis, ZIP 2013, 193; ders Die koordinierte Verfahrensbewältigung in Insolvenzverfahren gruppenangehöriger Schuldner nach dem Diskussionsentwurf zur Konzerninsolvenz, Der Konzern 2013, 169; Dellit Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen: Der Konzerninsolvenzplan, Der Konzern 2013, 190; Ehricke Die Zusammenfassung von Insolvenzverfahren mehrerer Unternehmen desselben Konzerns, DZWIR 1999, 353; ders Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter bei grenzüberschreitenden Insolvenzen nach der EuInsVO, WM 2005, 397; Eidenmüller Der nationale und der internationale Insolvenzverwaltungsvertrag, ZZP 114 (2001), 3; ders Verfahrenskoordination bei Konzerninsolvenzen, ZHR 169 (2005) 528; Eidenmüller/Frobenius Ein Regulierungskonzept zur Bewältigung von Grup-

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Siebter Teil. Koordinierung der Verfahren

peninsolvenzen: Verfahrenskonsolidierung im Kontext nationaler und internationaler Reformvorhaben, ZIP 2013, Beilage zu Heft 22; Ehricke Zur gemeinschaftlichen Sanierung insolventer Unternehmen eines Konzerns, ZInsO 2002, 393; Flöther Die Kommune als Konzern im zukünftigen Konzerninsolvenzrecht, NVwZ 2014, 1497; ders (Hrsg.) Handbuch zum Konzerninsolvenzrecht, 2015; Fölsing Konzerninsolvenz: Gruppen-Gerichtsstand, Kooperation und Koordination, ZInsO 2013, 413; Frind Die Überregulierung der „Konzern“insolvenz, ZInsO 2013, 429; ders Gefahren und Probleme bei der insolvenzgesetzlichen Regelung der Insolvenz der „Unternehmensgruppe“, ZInsO 2014, 927; Graeber Das Konzerninsolvenzverfahren des Diskussionsentwurfs 2013, ZInsO 2013, 409; Grell/Splittgerber Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich des Gerichtsstands bei der nationalen Konzerninsolvenz, DB 2017, 1497; Harder/Lojowsky Der Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen – Verfahrensoptimierung zur Sanierung von Unternehmensverbänden?, NZI 2013, 327; Hirte Vorschläge für die Kodifikation eines Konzerninsolvenzrechts, ZIP 2008, 444; ders Towards a Framework for the Regulation of Corporate Groups’ Insolvencies, ECFR 2008, 213; ders Die Tochtergesellschaft in der Insolvenz der Muttergesellschaft als Verpfändung von „Konzern“-Aktiva an Dritte – Überlegungen zur Entwicklung eines Konzerninsolvenzrechts, FS K Schmidt (2009), S 641; Humbeck Plädoyer für ein materielles Konzerninsolvenzrecht, NZI 2013, 957; Kübler Inhalt und Grenzen der Kooperationspflichten der Insolvenzverwalter in der Konzerninsolvenz, FS Vallender (2015), S 291; Leutheusser-Schnarrenberger Dritte Stufe der Insolvenzrechtsreform – Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, ZIP 2013, 97; Lienau Der Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, Der Konzern 2013, 157; Mock Das neue Konzerninsolvenzrecht nach dem Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, DB 2017, 951; Mückl/Götte Arbeitsrechtliche Aspekte des neuen Konzerninsolvenzrechts, ZInsO 2017, 623; Paulus Überlegungen zu einem modernen Konzerninsolvenzrecht, ZIP 2005, 1948; ders Wege zu einem Konzerninsolvenzrecht, ZGR 2010, 270; Pleister/Sturm Die Herausforderungen des neuen Konzerninsolvenzrechts, ZIP 2017, 2329; J Schmidt Das Prinzip „eine Person, ein Vermögen, eine Insolvenz“ und seine Durchbrechungen vor dem Hintergrund der aktuellen Reformen im europäischen und deutschen Recht, KTS 2015, 19; dies Die Konzerninsolvenz im Rahmen der EuInsVO 2015 – kritische Würdigung und Vergleich mit dem neuen deutschen Konzerninsolvenzrecht – KTS 2018, 1; K Schmidt Konzern-Insolvenzrecht – Entwicklungen und Perspektiven, KTS 2010, 1; Siemon Konzerninsolvenzverfahren – wird jetzt alles besser?, NZI 2014, 55; Smid Gerichtsverfassungsrechtliche Fragen zum zukünftigen Konzerninsolvenzrecht, ZInsO 2016, 1277; Stahlschmidt/Bartelheimer Änderungen bei der Konzerninsolvenz in Eigenverwaltung durch das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen – Frischzellenkur auch für DAX-Unternehmen?, ZInsO 2017, 1010; Thole Die Haftung des Koordinationsverwalters und der Einzelverwalter bei der koordinierten Konzerninsolvenz – zu den haftungsrechtlichen Auswirkungen des DiskE zur Konzerninsolvenz vom 3.1.2013, Der Konzern 2013, 182; ders Das neue Konzerninsolvenzrecht in Deutschland und Europa, KTS 2014, 351; ders Die Reform der Europäischen Insolvenzverordnung, ZEuP 2014, 39; Vallender Einführung eines Gruppen-Gerichsstandes – ein sachgerechter Ansatz zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen, Der Konzern 2013, 162; Verhoeven Konzerne in der Insolvenz nach dem Regierungsentwurf zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen (RegE) – Ende gut, alles gut … und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende!, ZInsO 2014, 217; Wimmer Vom Diskussionsentwurf zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, jurisPRInsR 20/2013 Anm 1; ders Das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, jurisPR-InsR 8/2017 Anm 1; Wolf Der europäische Gerichtsstand bei Konzerninsolvenzen (2012).

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . 3. Räumlicher Anwendungsbereich . 4. Regelungszusammenhang . . . . . 5. Normzweck 12 6. Wegfall der Gruppenzugehörigkeit im laufenden Verfahren . . . . . .

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Rn. 1 1 3 5 9

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II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . . 1. Unterrichtung und Zusammenarbeit . 2. Informationsaustausch . . . . . . . . 3. Grenzen der Kooperations- und Kommunikationspflichten . . . . . . 4. Durchsetzung der Kooperation- und Informationspflichten . . . . . . . . . 5. Schuldner in Eigenverwaltung . . . .

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Rn. 15 15 20 22 25 29

Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter

§ 269a

I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte § 269a ist durch das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen 1 (KIG)1 geschaffen worden. Die Regelung entspricht wörtlich § 269a DiskE KIG und § 269a RegE KIG; im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren hat sich an dem Text der Entwürfe nichts geändert. Das KIG, das die dritte Stufe der Insolvenzrechtsreform nach Ausbruch der Finanzmarkt- und Euro-Staatsschuldenkrise darstellt, stellt ein „verfassungsrechtliches Unikat“ dar.2 Nachdem die Unternehmensinsolvenzreform3 sowie die Reform der Verbraucherinsolvenz und der Restschuldbefreiung4 „beschlossen und verkündet“ waren, konnte die („schwarz-gelbe“) Bundesregierung am Ende der 17. Wahlperiode nur noch den RegE KIG beschließen und dem Bundesrat zuleiten (Art 76 II 1 GG).5 Dieser Entwurf wurde am Anfang der 18. Wahlperiode mit der Stellungnahme des Bundesrates (Art 76 II 2 GG) und der Gegenäußerung der („schwarz-roten“) Bundesregierung dem Bundestag zur Beschlussfassung zugeleitet.6 Auf diese Weise konnte der Eintritt der Diskontinuität durch das Ende der 17. Wahlperiode verhindert werden. Allerdings merkt man der Begr RegE KIG an, dass sie unter erheblichem Zeitdruck ent- 2 standen ist, weil sie zum Teil auch insoweit wörtlich der Begr DiskE KIG entspricht, wie die fraglichen Passagen des Entwurfs grundlegend geändert worden waren (vgl § 269e Rn 1, § 269g Rn 1). Aber auch der RegE selbst weist zahlreiche handwerkliche Mängel auf (vgl § 269d Rn 12, § 269f Rn 15, § 269g Rn 3, 23, § 269i Rn 9), die ebenfalls auf dem Zeitdruck durch den bevorstehenden Ablauf der Legislaturperiode beruhen dürften. Im Bundestag ist der Entwurf dagegen dilatorisch behandelt worden. So wurde er nach der Überweisung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur federführenden Beratung7 und einer Sachverständigenanhörung8 fast drei Jahre nicht behandelt. Erst am 8.3.2017 sind die Beschlussempfehlung und der Bericht verabschiedet worden.9 Der Gesetzesbeschluss des Bundestages datiert vom 9.3.2017;10 der Bundesrat hat am 31.3.2017 beschlossen, einen Antrag nach Art 77 II GG nicht zu stellen.11 Diese lange Beratungszeit hat leider nicht dazu geführt, die handwerklichen Mängel des RegE zu beseitigen. Sie hat aber zum einen dazu geführt, dass bei den Verweisungen zwischenzeitliche Änderungen nicht mehr berücksichtigt worden sind (vgl § 269e Rn 16 in Fn 43). Zum anderen ist das deutsche Konzerninsolvenzrecht nunmehr erst fast zehn Monate nach dem europäischen in Kraft getreten, obwohl es eigentlich das Vorbild für die europäische Regelung war (vgl § 269d Rn 3). Schließlich hat die Parallelgesetzgebung zum deutschen Konzerninsolvenzrecht und zur Durchführung des europäischen die Gesetzgebung noch komplexer gemacht (vgl § 269d Rn 3, § 269g Rn 21). 6 1 2 3

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Gesetz v 13.4.2017, BGBl I 866. So die Fraktion der CDU/CSU, Ber BT-RA zu RegE KIG sub III., BT-Drucks 18/11436 S 20. Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v 7.12.2011, BGBl I 2582. Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v 15.7.2013, BGBl I 2379. Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BRDrucks 663/13 v 30.8.2013.

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Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BTDrucks 18/407 v 30.1.2014. Vgl BT-PlPr 18/15 v 14.2.2014 S 1148(C). Vgl Ausschussprotokoll Nr 18/12 v 2.4.2014. Vgl Ber BT-RA zu RegE KIG, BT-Drucks 18/ 11436 v 8.3.2017. Vgl BT-PlPr 18/221 v 9.3.2017 S 22262(C). BR-Drucks 204/17 (Beschluss) v 31.3.2017.

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§ 269a

Siebter Teil. Koordinierung der Verfahren

2. Zeitlicher Anwendungsbereich

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§ 269a ist wie die gesamte Konzerninsolvenzrechtsnovelle am 21.4.2018 in Kraft getreten.12 Anders als beim Inkrafttreten der InsO selbst (Art 103 EGInsO) und bei allen InsO-Änderungen (vgl Art 103a–103j EGInsO) sind für das Konzerninsolvenzrecht keine Überleitungsvorschriften geschaffen worden. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber damit begnügt, das Inkrafttreten um ein Jahr nach der Verkündung hinauszuschieben, damit die Praxis genügend Zeit habe, um sich auf die neuen Regelungen einzustellen.13 Wie die noch wesentlich längere Zeitspanne zwischen der Verkündung und dem Inkrafttreten der InsO selbst zeigt, ersetzt eine solche Frist jedoch nicht die Regelung der intertemporalen Rechtskollision. Die Regelungen in Art 103–103j EGInsO bestimmen, dass die jeweiligen Neuregelungen nur auf Neuverfahren anwendbar sind, die nach einem bestimmten Stichtag beantragt bzw eröffnet worden waren. 4 Aus dem Fehlen einer solchen Regelung folgt, dass die Kooperations- und Informationspflichten nach § 269a ab dem 21.4.2018 auch in bereits eröffneten Insolvenzverfahren bestehen, wenn die entsprechenden weiteren Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind. Damit ist der zeitliche Anwendungsbereich weiter als der von Art 56 EuInsVO nF14, der nur auf Verfahren anwendbar ist, die ab dem 26.6.2017 eröffnet worden sind (Art 84 I EuInsVO nF). Dass § 269a auch auf bereits eröffnete Insolvenzverfahren anwendbar ist, ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil in den Altfällen, in denen der jeweilige Insolvenzverwalter im Eröffnungsbeschluss bereits bestellt worden ist (§ 27 II Nr 2), die Regelungen zur Bestellung nur einer Person zum Insolvenzverwalter in den unterschiedlichen Verfahren (§ 56b) nicht mehr greifen können. 3. Räumlicher Anwendungsbereich

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Die Anwendung von § 269a ist seinem Wortlaut nach auf „gruppenangehörige Schuldner“ iSd § 3a I beschränkt. Im Zusammenspiel mit § 3e I ergibt sich, dass darunter Angehörige einer Unternehmensgruppe verstanden werden, die den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen iSv Art 3 I UAbs. 1 S 2 EuInsVO nF (COMI15) in Deutschland haben.16 Im Kontext der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung und der Regelung eines Gruppen-Gerichtsstands ist die Anknüpfung an die internationale Eröffnungszuständigkeit nach Art 3 I EuInsVO nF durchaus richtig. Für § 269a kann es dagegen nicht darauf ankommen, in welchem Mitgliedsstaat ein Insolvenzverfahren hätte eröffnet werden müssen, sondern nur darauf, ob das Verfahren tatsächlich in Deutschland eröffnet worden ist. Wurde das Insolvenzverfahren in einem anderen Mitgliedstaat eröffnet, ergibt sich die Unanwendbarkeit des § 269a schon aus Art 7 I, II 2 lit c EuInsVO nF, der auch dann auf das Insolvenzrecht des Staates der Verfahrenseröffnung verweist, wenn eine internationale Eröffnungszuständigkeit nach Art 3 I EuInsVO nF in diesem Staat überhaupt nicht vorlag.17 12 13 14

Vgl Art 10 KIG. So Begr RegE KIG Art 9, BT-Drucks 18/407 S 44. Verordnung (EU) Nr 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates v 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung), ABl Nr L 141 S 19 mit Berichtigung, ABl 2016 Nr L 349 S 6 und Neufassung der Anhänge A und B durch Verordnung (EU) Nr 2017/353 v 15.2.2017, ABl Nr L 57 S 19.

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Dieses Akronym der englischen Bezeichnung „Centre of Main Interests“ hat sich inzwischen zu einem Standardterminus verselbständigt. Vgl Begr RegE KIG § 3e, BT-Drucks 18/407 S 28. Vgl Mankowski/Müller/J Schmidt/Müller EuInsVO 2015 Art 7 Rn 99, 101.

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Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter

§ 269a

Wurde hingegen ein Insolvenzverfahren in Deutschland eröffnet, obwohl der COMI 6 des gruppenangehörigen Schuldners nicht in Deutschland lag, wäre § 269a bei wörtlichem Verständnis von § 3e I nicht anwendbar. Das würde jedoch zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass im Rahmen des § 269a erneut über die Richtigkeit der Eröffnungsentscheidung gestritten werden könnte, obwohl hierfür ein gesondertes Rechtsmittel (§ 34 InsO; Art 102c § 4 EGInsO) zur Verfügung steht und unionsrechtlich stehen muss (Art 5 I EuInsVO nF).18 § 269a bedient sich des Verweises auf §§ 3a I, 3e I nur, um für alle Regelungen des Konzerninsolvenzrechts einheitliche sachlich-räumliche Anwendungsvoraussetzungen zu schaffen. Da auch die anderen Mitgliedstaaten eine in Deutschland ergangene Eröffnungsentscheidung ggf auch bei Unrichtigkeit anerkennen müssen (Art 19 I EuInsVO nF),19 gibt es keinen Grund, in einem solchen Fall nicht auch die Pflichten nach § 269a eingreifen zu lassen, zumal diese überwiegend ohnehin auch aus § 1 S 1 abgeleitet werden könnten (Rn 13). Dass § 269a den Begriff des „gruppenangehörigen Schuldners“ verwendet, bedeutet daher nicht, dass die räumlichen Anwendungsvoraussetzungen der §§ 3a I, 3e I erneut zu prüfen wären; wurden diese Voraussetzungen in der Eröffnungsentscheidung bejaht, stehen sie für das weitere Verfahren unwiderlegbar fest. Eine spätere Änderung des COMI im Laufe des Verfahrens ist dagegen für § 269a schon deshalb irrelevant, weil hierdurch auch die internationale Eröffnungszuständigkeit nicht berührt würde.20 Aber selbst für die Insolvenzverwalter gruppenangehöriger Schuldner, die ihren COMI 7 in Deutschland haben, ist § 269a nur anwendbar, wenn die Vorschrift nicht von Art 56 EuInsVO nF überlagert wird (Art 102c § 22 I Nr 1 EGInsO).21 Dies ist immer dann der Fall, wenn ab dem 26.6.2017 (Rn 4) über mindestens zwei Mitglieder derselben Unternehmensgruppe iSv Art 2 Nr 13 EuInsVO nF in verschiedenen Mitgliedstaaten22 ein Insolvenzverfahren iSv Art 1 I EuInsVO nF iVm Anhang A eröffnet worden ist,23 weil nur dann ein konzernspezifischer grenzüberschreitender Bezug vorliegt.24 Allerdings deckt sich die Definition der Unternehmensgruppe in Art 2 Nr 13 EuInsVO nF nicht mit der in § 3e. Zwar knüpfen beide Regelungen für Subordinationskonzerne explizit (Art 2 Nr 14 EuInsVO nF)25 oder implizit (§ 3e I Nr 1) an das EU-Bilanzrecht an.26 Die Definition in § 3e I Nr 2 erfasst dagegen – im Gegensatz zu Art 2 Nr 13 EuInsVO nF – auch Gleichordnungskonzerne,27 bei de-

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Vgl ergänzend Art 102c § 4 EGInsO. Vgl etwa Mankowski/Müller/J Schmidt/Müller EuInsVO 2015 Art 19 Rn 12; Vallender/ Sutschet EuInsVO Art 19 Rn 9; MünchKomm/Thole InsO3 Art 16 EuInsVO 2000 Rn 17. Vgl nur EuGH Slg 2006 I-701 Rn 24 ff – „Staubitz-Schreiber“. Vgl Ber BT-RA zu RegE EuInsVO-AusfG, BT-Drucks 18/12154 S 34. Zum Binnenmarktbezug als Anwendungsvoraussetzung der EuInsVO, der sich schon aus dem Kompetenztitel in Art 81 AEUV ergibt, vgl K Schmidt/Brinkmann InsO19 Art 4 EuInsVO Rn 3; zum Standpunkt des Rates vgl R Wagner EuZW 2006, 424, dort im Kontext der EuMahnVO. So Erwägungsgrund 62 zur EuInsVO nF. So auch Brünkmans ZInsO 2013, 797, 806; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 7; Mock DB 2017, 951,

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956 f; Wimmer/Bornemann/Lienau/Bornemann Die Neufassung der EuInsVO Rn 548; Vallender/Hermann EuInsVO Art 56 Rn 21. Zur Genese dieser Anknüpfung vgl Mankowski/Müller/J Schmidt/J Schmidt EuInsVO 2015 Art 2 Rn 79 f. Vgl Begr RegE KIG § 3e, BT-Drucks 18/407 S 28 f, der für die Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses auf § 290 HGB und damit indirekt auf Art 22 der Richtlinie 2013/34/EU verweist. Vgl einerseits MünchKomm/Thole InsO3 Art 2 EuInsVO 2015 Rn 20; einschränkend Vallender/Sutschet EuInsVO Art 2 Rn 63, wenn ein konsolidierter Abschluss nach Art 22 VII der Richtlinie 2013/34/EU erstellt wird; vgl andererseits Begr RegE KIG § 3e, BT-Drucks 18/407 S 29; Grell/Splittgerber DB 2017, 1497, 1499; Pleister/Sturm ZIP 2017, 2329, 2332; Wimmer/Bornemann/Lienau/Lienau Die Neufassung der EuInsVO

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nen nur eine einheitliche Leitung besteht (§ 18 II AktG).28 Schließlich ist auf Empfehlung des Rechtsausschusses in § 3e II für die GmbH & Co KG und vergleichbare Fälle eine unwiderlegbare Vermutung eines Konzernsachverhalts statuiert worden.29 8 Daraus folgt, dass § 269a in allen in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahren über gruppenangehörige Schuldner immer anwendbar ist, wenn es sich um einen multinationalen Gleichordnungskonzern handelt. Bei multinationalen Subordinationskonzernen ist § 269a dagegen nur anwendbar, solange nur in Deutschland Insolvenzverfahren eröffnet worden sind. Sobald ein Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat eröffnet worden ist, gilt für die wechselseitigen Kooperations- und Informationspflichten auch zwischen den deutschen Insolvenzverwaltern – bzw den Schuldnern in Eigenverwaltung (§ 270d) (Rn 29) – vorrangig Art 56 EuInsVO nF.30 4. Regelungszusammenhang

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§ 269a stellt eines von mehreren Elementen zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen dar und muss daher in diesem Regelungskontext gelesen werden. Konzerninsolvenzen lassen sich auf fünf Ebenen bewältigen. Am weitreichendsten ist die sogenannte substantielle Konsolidierung, bei der alle Vermögenswerte der Konzerngesellschaften zu einer Masse vereinigt werden, aus der alle Konzerngläubiger zu befriedigen sind.31 Diesem Ansatz, den Oberhammer treffend als „Voodoo-Gesellschaftsrecht“ beschrieben hat,32 ist zu Recht weder der deutsche noch der europäische Gesetzgeber näher getreten.33 Der tragende Grund liegt darin, dass sedes materiae für die Haftung im Konzern – auch kollisionsrechtlich34 – das Gesellschaftsrecht sein muss, das Fälle wie die Vermögensvermischung,35 die

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Rn 204; insoweit für einen weiten Konzernbegriff Braun/Baumert InsO7 § 3e RegE Rn 5. IE ebenso J Schmidt KTS 2018, 1, 16 f, die jedoch Gleichordnungskonzerne auch durch Art 2 Nr 13 EuInsVO nF als erfasst ansieht. Zu den Voraussetzungen von § 18 II AktG vgl etwa MünchKomm/Bayer AktG4 § 18 Rn 50 ff, der ebenfalls für einen weiten Konzernbegriff eintritt. Vgl Ber BT-RA zu RegE KIG § 3e, BTDrucks 18/11436 S 21 f. So auch Brünkmans ZInsO 2013, 797, 806 f; Flöther/Thole Hdb KonzernInsR § 2 Rn 55; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 9; Pleister/Sturm ZIP 2017, 2329, 2331; Thole ZEuP 2014, 39, 73 f; ders KTS 2014, 351, 372; Wimmer/ Bornemann/Lienau/Bornemann Die Neufassung der EuInsVO Rn 550 ff. Allerdings meint Thole (ZEuP 2014, 39, 73 f und in Kübler/Prütting/Bork § 269a Rn 10), Art 56 EuInsVO erkenne implizit die Schranken der Kooperationspflichten in § 269a S 1 an. Vgl dazu schon UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law, 2005, Teil 2 „Core provisions for an effective and efficient insol-

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vency Law“, Kapitel V „Management of proceedings“, Abschnitt C „Treatment of corporate groups in insolvency“, Nr 86 ff, S 278 sowie nunmehr UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law, Part III: Treatment of enterprise groups in insolvency, 2012, Nr 129 ff, S 68 ff und Empfehlungen Nr 219 ff, S 71 ff; vgl dazu schon Paulus ZGR 2010, 270, 277. Oberhammer KTS 2009, 27, 64. Vgl Begr RegE KIG, BT-Drucks 18/407 S 17 unter Verweis auf den 1. Ber InsRKomm S 291 f; Lange BT-PlPr 18/15 v 14.2.2014 S 1141(C); krit Humbeck NZI 2013, 957; offener gegenüber der substantiellen Konsolidierung zuvor auch Paulus ZIP 2005, 1948, 1953 ff; Hirte ECFR 2008, 213, 221 ff; ders FS K Schmidt S 641, 644 ff. Vgl dazu etwa MünchKomm/Kindler BGB6 IntGesR Rn 681, 716. Vgl dazu etwa BGHZ 125, 366, 368; 165, 85, 91 f; in Frankreich erlaubt Art 621–2 II die Erweiterung des eröffneten Insolvenzverfahrens auf andere Personen im Falle der Vermögensvermischung („en cas de confusion de leur patrimoine avec celui du débiteur“).

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Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter

§ 269a

materielle Unterkapitalisierung36 oder die Existenzvernichtungshaftung37 regeln und dabei auch entscheiden muss, ob eine unmittelbare Außenhaftung besteht oder nur ein Anspruch einer Gesellschaft gegen eine andere. Dem Insolvenzrecht bleibt dann nur die Aufgabe, die Prozessführungsbefugnis zu regeln, soweit eine Außenhaftung besteht.38 Daher gilt im Insolvenzrecht nach wie vor stets ein rechtsträgerorientierter Ansatz (§ 1 S 1). Eine Ebene tiefer angesiedelt ist eine verfahrensrechtliche Konsolidierung, bei der nur 10 ein Konzerninsolvenzverfahren mit getrennten Massen durchgeführt wird. Auch dieser Ansatz ist zu Recht nicht weiterverfolgt worden.39 Noch eine Ebene tiefer ist die verfahrensrechtliche Konzentration angesiedelt, bei der für alle Konzerngesellschaften eigene Insolvenzverfahren eröffnet werden, die jedoch in die Hände derselben Institutionen (Gericht, Verwalter) gelegt werden.40 Derartige Regelungen hat das deutsche Konzerninsolvenzrecht in §§ 3a–3e und § 56b verwirklicht. Dagegen finden sich in der EuInsVO nF keine mit §§ 3a–3e vergleichbaren Regelungen,41 weil mit der internationalen Eröffnungszuständigkeit (Art 3 EuInsVO nF) auch über das anwendbare Recht entschieden wird (Art 7 EuInsVO nF).42 Darüber hinaus lässt sich Art 3 I EuInsVO nF nicht ohne Weiteres so interpretieren, dass der COMI aller Konzerngesellschaften an einem Ort und insbesondere am Sitz der Muttergesellschaft belegen ist.43 Noch weniger einschneidend ist die verfahrensrechtliche Koordination, bei der zwei 11 Modelle zu unterscheiden sind: Zum einen kann die Koordination durch externe Akteure wie einen Gruppeninsolvenzverwalter erfolgen. Zum anderen kann sich die Koordination – weniger aufwendig – auf die Kooperation der in den einzelnen Insolvenzverfahren ohnehin handelnde Akteure beschränken. Beide Modelle sind sowohl vom deutschen als auch vom europäischen Gesetzgeber verwirklicht worden: Das (Gruppen-)Koordinationsverfahren findet sich in Art 61–77 EuInsVO nF bzw §§ 269d–269i und die Zusammenarbeit der Akteure in Art 56–60 EuInsVO nF bzw §§ 269a–269c, 270d. Den Anwendungsbereich der europäischen Regelungen hat der österreichische Gesetzgeber auf reine Inlandsfälle erstreckt (§ 180b IO44) und so ebenfalls beide Modelle verwirklicht. Im deutschen Recht ist § 269a daher im engen Zusammenhang mit §§ 269b, 269c zu lesen.

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Vgl dazu abl BGHZ 176, 204 Rn 17 ff – „GAMMA“. Vgl dazu etwa BGHZ 173, 246 Rn 18 ff – „TRIHOTEL“; 179, 344 Rn 15 ff – „Sanitary“. Zur analogen Anwendung von § 93 auf Ansprüche wegen Vermögensvermischung vgl BGHZ 165, 85, 89 ff. Vgl Begr RegE KIG, BT-Drucks 18/407 S 17. Eidenmüller/Frobenius ZIP 2013, Beilage zu Heft 22, S 2. Gegen einen europäischen Konzerngerichtsstand de lege ferenda noch Eidenmüller ZHR 169 (2005), 528, 562; dafür aber Eidenmüller/Frobenius ZIP 2013, Beilage zu Heft 22, S 16; Asimacopoulos IILR 2011, 248, 251; Wolf Der europäische Gerichtsstand bei Konzerninsolvenzen S 99 ff.

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Vgl zu diesem Aspekt etwa K Schmidt KTS 2010, 1, 25. Da Art 3 EuInsVO die Regelung der örtlichen Zuständigkeit den Mitgliedstaaten überlässt, bestehen keine Bedenken, auch in grenzüberschreitenden Konzernsachverhalten mit Bezug zu anderen Mitgliedstaaten für die Schuldner, für die Deutschland die internationale Eröffnungszuständigkeit hat, §§ 3a ff anzuwenden. Vgl entsprechend Brünkmans ZInsO 2013, 797, 807. Zur Absage an die sog Mind of managementDoktrin vgl EuGH Slg 2006, I-3813 Rn 27 ff – „Euro Food“; J Schmidt KTS 2015, 19, 34. IdF v Art 1 Z 21 IRÄG 2017, öBGBl I Nr 122/2017.

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5. Normzweck

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§ 269a begründet erstmals ausdrücklich eine wechselseitige Kooperations- und Informationspflicht der Insolvenzverwalter gruppenangehöriger Schuldner iSv §§ 3a I S 1, 3e, wenn kein einheitlicher Insolvenzverwalter für die gruppenangehörigen Schuldner bestellt worden ist (vgl § 56b).45 Dagegen betrifft § 357, der ggf von Art 41 EuInsVO nF überlagert wird, nur die Kooperation des deutschen Sekundärinsolvenzverwalters mit dem ausländischen Hauptinsolvenzverwalter und damit zwei Verfahren über Vermögen desselben Schuldners. § 269f II, der ggf von Art 74 EuInsVO nF überlagert wird, regelt schließlich die Kooperations- und Informationspflicht gegenüber einem Verfahrenskoordinator. Für die Kooperationspflichten zwischen Insolvenzverwaltern und den Insolvenzgerichten anderer Verfahren siehe § 269b Rn 14. 13 Da der Informationsaustausch und die sonstige Kooperation zwischen den Insolvenzverwaltern gruppenangehöriger Schuldner dazu dient, im Sinne des sog Pareto-Prinzips einen möglichen konzernübergreifenden Mehrwert zugunsten der Gläubiger aller gruppenangehörigen Schuldner zu realisieren,46 folgten die entsprechenden Pflichten schon vor Inkrafttreten des neuen Konzerninsolvenzrechts aus § 1 S 1.47 Da § 269a die Kooperations- und Informationspflichten nicht näher spezifiziert, hat die Vorschrift mehr klarstellende als innovative Bedeutung.48 Allerdings geht § 269a in den Fällen, in denen für das Verfahren eines gruppenangehörigen Schuldners kein Vorteil entsteht, über § 1 S 1 hinaus,49 weil die allgemeine Grenze für die Kooperations- und Informationspflichten nicht schon beim Fehlen eines eigenen Vorteils, sondern erst bei möglichen Nachteilen für das eigene Verfahren liegt (Rn 22 f). 6. Wegfall der Gruppenzugehörigkeit im laufenden Verfahren

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Ändern sich während des Verfahrens die Rechtsbeziehungen im Konzern, etwa, weil ein Schuldner durch einen Share Deal aus der Gruppe ausscheidet, muss dies auch im Rahmen des § 269a berücksichtigt werden, weil dann das Merkmal der Gruppenzugehörigkeit iSd §§ 269a, 3a I nicht mehr vorliegt. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines nicht mehr gruppenangehörigen Schuldners ist dann nicht mehr kooperationsverpflichtet, kann aber auch seinerseits keine Kooperation mehr einfordern.50 Anders als bei einer Änderung des COMI im laufenden Verfahren (Rn 6) kann das Ausscheiden aus der Gruppe nicht unberücksichtigt bleiben, weil beim Wegfall der Gruppenzugehörigkeit auch der durch § 269a verfolgte Zweck (Rn 13) nicht mehr realisiert werden kann.

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Vgl Harder/Lojowsky NZI 2013, 327, 328 f; Nerlich/Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 1. Eidenmüller ZHR 169 (2005), 528, 550 spricht wörtlich von „Pareto-superioren Abwicklungsergebnissen“. So auch Begr RegE KIG, BT-Drucks 18/407 S 21; BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 4; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 1; Becker Kooperationspflichten, Rn 462 ff; Braun/Fendel InsO7 § 269a RegE Rn. 3; Brünkmans/Thole/Brünkmans Hdb InsPlan § 38 Rn 60; Brünkmans ZIP 2013, 193, 199; ders Koor-

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dinierung von Insolvenzverfahren, S 108 ff; Gottwald/Specovius/Kuske InsRHdb5 § 95 Rn 53; zuvor schon Eidenmüller ZHR 169 (2005), 528, 550. Zweifelnd noch Ehricke DZWIR 1999, 353, 362. So Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/Bornemann InsO4 § 269a RegE Rn 2; Kübler FS Vallender S 291, 294. So zutreffend FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 1; HK/Specovius InsO9 § 269a Rn 1, 4. So auch Flöther/Thole Hb KonzernInsR § 2 Rn 52.

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Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter

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II. Einzelerläuterung 1. Unterrichtung und Zusammenarbeit § 269a S 1 statuiert den Grundsatz der Kooperation zwischen den Insolvenzverwaltern 15 gruppenangehöriger Schuldner; für den vorläufigen Insolvenzverwalter gilt dies qua Verweisung (§ 21 II 1 Nr 1) entsprechend.51 Dagegen kann sich für die Gruppenmitglieder, für die die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch nicht einmal beantragt ist, jedenfalls aus § 269a selbstverständlich keine Kooperationspflicht ergeben.52 § 269a statuiert keinen bloßen Programmsatz, sondern insolvenzspezifische und damit nach § 60 schadensersatzbewehrte Amtspflichten des Insolvenzverwalters (Rn 26).53 Diese Pflichten bestehen unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter ihnen „freiwillig“ nachkommt oder nicht.54 Für die Kooperationspflichten gilt der Grundsatz der Gleichberechtigung,55 selbst 16 wenn es sich bei der Unternehmensgruppe um einen Subordinationskonzern iSv § 3e I Nr 1 handelt. Da zwischen den Insolvenzverfahren und damit auch zwischen den Insolvenzverwaltern kein hierarchisches Gefälle besteht,56 trifft die Kooperationspflicht auch den Insolvenzverwalter der Konzernmutter. Allerdings ist § 269a nicht auf die Kooperation von Hauptinsolvenzverwaltern beschränkt, sondern kann, soweit anwendbar (Rn 8), auch Sekundärinsolvenzverwalter erfassen. Dies wäre der Fall, wenn bspw das Hauptinsolvenzverfahren für die Konzernmutter in einem Drittstaat wie der Schweiz, den USA oder demnächst dem Vereinigten Königreich eröffnet wird und in Deutschland ein Sekundärinsolvenzverfahren (§§ 354, 356) sowie ein Hauptinsolvenzverfahren für einen gruppenangehörigen Schuldner. Dann tritt § 269a im Verhältnis der deutschen Insolvenzverwalter zueinander neben § 357 im Verhältnis zum ausländischen Hauptinsolvenzverwalter. Wie die Kooperation im Einzelnen zu erfolgen hat, lässt § 269a S 1 weitgehend unge- 17 regelt. Das bedeutet aber nicht, dass die Pflichten „tatbestandlich eng begrenzt sind“.57 Vielmehr ist die generalklauselartige Ausgestaltung der Pflichten vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich die möglichen Pflichten angesichts der unzähligen denkbaren Fallgestaltungen im Voraus nicht genauer festlegen lassen58 und dass aus der Nennung einzelner Pflichten fehlerhafte Rückschlüsse auf das Fehlen anderer Pflichten gezogen werden könnten. Damit ist die Bestimmung des Pflichtenkanons im Einzelfall an Wissenschaft und Rechtsprechung delegiert,59 wobei insbesondere § 269h II wertvolle Hinweise entnommen

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Vgl Braun/Fendel InsO7 § 269a RegE Rn 6; FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 21; Kübler FS Vallender S 291, 295 f; Kübler/Prütting/ Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 13; HK/Specovius InsO9 § 269a Rn 3. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 12; Nerlich/Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 8. So zutr Braun/Fendel InsO7 § 269a RegE Rn 12; FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 25; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 4; Kübler FS Vallender S 291, 305, 307; MünchKomm/Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 80; Nerlich/ Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 9; Thole KTS

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2014, 351, 360; vgl auch Begr RegE KIG AT, BT-Drucks 18/407 S 22. Insoweit jedenfalls missverständlich Eidenmüller ZHR 169 (2005), 528, 551, der meint, Koordinationspflichten seien nicht erforderlich, wenn die Beteiligten ihr Verhalten freiwillig koordinieren. So auch Begr RegE KIG § 269a, BTDrucks 18/407 S 32. Vgl MünchKomm/Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 83 mit Hinweis auf § 276a. So aber Thole KTS 2014, 351, 360. So auch Kübler FS Vallender S 291, 294. So auch Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 17.

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werden können.60 IE lassen sich die Pflichten den Verfahrensstadien zuordnen, wobei am Anfang die bloße Kontaktaufnahme mit den bereits bestellten (vorläufigen) Insolvenzverwaltern bzw den anderen gruppenangehörigen Schuldnern in Eigenverwaltung (§ 270d S 1) steht.61 Sobald wie möglich sind Fragen der Betriebsfortführung und der entsprechenden Finanzierung zu koordinieren.62 Darüber hinaus gehört es zu den Pflichten, ggf an der Klärung unklarer Vermögensverhältnisse mitzuwirken, sich an Maßnahmen zur Beilegung gruppeninterner Streitigkeiten zu beteiligen oder gemeinsam über die Erfüllung schwebender Verträge bzw die Übernahme neuer Aufträge zu entscheiden, soweit die Erfüllung nur durch die gruppenangehörigen Schuldner gemeinsam erfolgen kann.63 18 Dagegen ist Art 56 I S 2 EuInsVO nF etwas konkreter und nennt ausdrücklich den Abschluss von Vereinbarungen und Verständigungen, mit denen die international üblichen „Protokolle“ gemeint sind.64 Solche Protokolle sollten etwa die Abstimmung erforderlicher Anträge auf gerichtliche Genehmigung von miteinander verbundenen Entscheidungen und Maßnahmen sowie die Kommunikation mit Gläubigern und anderen Verfahrensbeteiligten regeln.65 Im deutschen Recht werden sie nur als möglicher Gegenstand von Koordinationsplänen erwähnt (§ 269h II Nr 3), können aber selbstverständlich auch außerhalb des Koordinationsverfahrens geschlossen werden.66 Verpflichtend ist die Eingehung solcher Vereinbarungen aber nicht.67 19 Wie die Kommunikation erfolgt, ist weder in § 269a noch in Art 56 EuInsVO nF näher geregelt. Sie kann daher formlos erfolgen.68 Für grenzüberschreitende Verfahren erwähnt der UNCITRAL Practice Guide alle gängigen Kommunikationsmittel einschließlich E-Mail und Videokonferenzen.69 Ratsam ist jedoch, die Kommunikation schon aus Haftungsgründen zu dokumentieren. Daher sollten bei (fern)mündlicher Übermittlung stets entsprechende Vermerke angefertigt werden.

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Flöther/Frege/Nicht Hdb KonzernInsR § 4 Rn 322. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 20. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 20; BeckOK/ Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 10 f, 12; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 10, 12. Vgl iE BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 10 f; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 10; Braun/Fendel InsO7 § 269a RegE Rn 8; Flöther/Frege/ Nicht Hdb KonzernInsR § 4 Rn 324, 332; Kübler FS Vallender S 291, 298; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 19 ff. Vgl Grundsatz Nr 26.1 S 2 der von Fletcher und Wessels im Auftrag des ALI und des III verfassten Allgemeinen Grundsätze für die Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden

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Insolvenzen, RIW 2014, 196, 204. Zu den Protokollen vgl auch Flöther/Frege/Nicht Hdb KonzernInsR § 4 Rn 336 ff; Ehricke WM 2005, 397, 403 f. So Grundsatz Nr 26.2 S 1, RIW 2014, 196, 205. Vgl Braun/Fendel InsO7 § 269a RegE Rn 8; Kübler FS Vallender S 291, 298. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 26; FK/Wimmer InsO9 § 269h Rn 69; aA Eidenmüller ZZP 114 (2001), 3, 23 f; ders ZHR 169 (2005), 528, 553. Vgl BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 11; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 11; FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 6. Vgl UNCITRAL, Practice Guide on CrossBorder Insolvency Cooperation, 2010, Nr II.6, S 19.

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Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter

§ 269a

2. Informationsaustausch Die Pflicht zum Informationsaustausch wird in § 269a S 2 besonders hervorgehoben, 20 ergibt sich aber letztlich schon aus § 269a S 1. Dabei hat der Insolvenzverwalter auch zu gewährleisten, dass die von ihm weitergegebenen Informationen belastbar sind, oder ggf auf mögliche Unsicherheiten hinzuweisen.70 Bei den Kommunikationspflichten kann die Pflicht zur Unterrichtung der übrigen Insolvenzverwalter auf Eigeninitiative von der in § 269 S 2 verorteten Pflicht zur Information auf Anforderung eines anderen Insolvenzverwalters unterschieden werden.71 Daher setzt die Kommunikationspflicht nicht generell eine Anfrage eines anderen Insolvenzverwalters voraus. Thole will die Pflicht zur unaufgeforderten Unterrichtung allerdings davon abhängig machen, ob sie dem eigenen Verfahren nützt. Nützt sie nur dem anderen Verfahren, soll lediglich die Pflicht zur Information auf Anfrage bestehen.72 Das greift zu kurz, weil die Kommunikationspflicht gerade in solchen Fällen sinnvoll sein kann, in denen der andere Insolvenzverwalter gar nicht gezielt fragen kann, weil ihm jede Information über einen für sein Verfahren relevanten Sachverhalt fehlt. Andererseits kann man von dem Verwalter nicht verlangen, stets die Verfahren über die anderen gruppenangehörigen Schuldner darauf hin zu beobachten, ob in diesen möglicherweise ein unerkannt gebliebenes Informationsbedürfnis entsteht. In die richtige Richtung geht deshalb der Ansatz, die Pflicht zur unaufgeforderten Information auf solche Umstände zu beschränken, die für das andere Verfahren erkennbar von ausschlaggebender Bedeutung sind, etwa die Entscheidung für bzw gegen eine Unternehmensfortführung im eigenen Verfahren.73 Die allgemeine Grenze für die Pflicht zur unaufgeforderten Unterrichtung ist aber auch in diesem Fall der mögliche Nachteil für das eigene Verfahren (Rn 22). Soweit es um die Pflicht zur Information auf Anfrage als Teil der Kommunikationspflicht 21 geht, enthält § 269a S 2 im Wesentlichen die Bestimmung des Zeitmoments, dass Informationen auf Anforderung „unverzüglich“ und damit ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 I 1 BGB)74 mitzuteilen sind. Die Anforderung muss aber hinreichend konkret sein und darf sich nicht in der bloßen Bitte um laufende Informationen erschöpfen.75 Gegenständlich ist die Kommunikationspflicht in beiden Ausprägungen denkbar weit formuliert und soll alle Informationen umfassen, „die für das andere Verfahren von Bedeutung sein können.“ Maßgeblich ist also stets die mögliche Bedeutung der Information aus der Sicht ex ante. Zu diesen Informationen gehört insbesondere, dass sich die Insolvenzverwalter über die strategische Ausrichtung des Insolvenzverfahrens informieren, ob sie etwa ein Insolvenzplanverfahren anstreben, die Veräußerung des Betriebs planen oder das Unternehmen stilllegen wollen.76 Sind die Schuldner Teil einer konzerninternen Wertschöpfungskette, müsste auch auf die für andere Konzernmitglieder relevante Änderung der Produktpalette oder des Geschäftsmo70 71

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Vgl FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 13. Vgl Braun/Fendel InsO7 § 269a RegE Rn 4; Brünkmans ZIP 2013, 193, 199; Kübler FS Vallender S 291, 297; Leutheusser-Schnarrenberger ZIP 2013, 97, 101. So Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 24. FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 8 f; etwas restriktiver BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 7; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 7. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 49; FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 15.

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Vgl Kübler FS Vallender S 291, 297; Kübler/ Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 44; Thole KTS 2014, 351, 361. So auch Begr RegE KIG § 269a, BTDrucks 18/407 S 32; Brünkmans ZIP 2013, 193, 199; Fölsing ZInsO 2013, 413, 418; Kübler FS Vallender S 291, 296; HK/Specovius InsO9 § 269a Rn 5. Ist die Entscheidung endgültig getroffen, ist diese Information hingegen regelmäßig unaufgefordert zu übermitteln, vgl Rn 20.

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Siebter Teil. Koordinierung der Verfahren

dells hingewiesen werden. Weiterhin haben die Insolvenzverwalter darüber zu informieren, welche wechselseitigen Forderungen aus ihrer Sicht bestehen. Schließlich kann § 269 S 2 Fälle erfassen, in denen ein Insolvenzverwalter Kenntnis von Umständen erlangt, die für den Insolvenzverwalter in einem anderen Verfahren ein Anfechtungsrecht begründen.77 3. Grenzen der Kooperations- und Kommunikationspflichten

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Die Kommunikationspflichten, die sich per se nur auf Informationen erstrecken, die die Insolvenzverwalter im Rahmen ihrer Amtsführung erlangen,78 stehen zum einen unter dem Vorbehalt, dass die Weitergabe der Informationen gesetzlich zulässig ist und keine kapitalmarkt- oder datenschutzrechtlichen Bestimmungen verletzt.79 Dass § 269a die Weitergabe von Informationen gestatten soll, die ansonsten datenschutzrechtlich verboten wäre,80 leuchtet nicht ein. Zum anderen müssen die Kooperations- und Informationspflichten auf dieser untersten Ebene konzerninsolvenzrechtlicher Regelungen dort enden, wo die Interessen der Beteiligten des eigenen Insolvenzverfahrens beeinträchtigt werden (§ 269a S 1). Dabei ist ex ante eine konkrete Möglichkeit der Beeinträchtigung erforderlich; eine abstrakte Gefährdung, die nur selten ganz auszuschließen ist, reicht dagegen nicht.81 Wer in diesem Sinne Beteiligter ist, ist nach denselben Maßstäben zu beurteilen wie in § 60 I, der grundsätzlich die Pflichtenbindung des Insolvenzverwalters in „seinem“ Verfahren beschreibt (vgl aber auch Rn 27).82 In der Regel wird es sich dabei um die Gläubiger handeln, deren gemeinsames Interesse an der bestmöglichen Befriedigung nicht berührt werden darf. Daher liegt es nahe, sich bei § 269a S 1 an dem Begriff der „gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger“ iSv § 78 zu orientieren.83 Folglich kann ein Insolvenzverwalter nicht verpflichtet sein, auf Umstände hinzuweisen, die für den Insolvenzverwalter in einem anderen Verfahren ein Anfechtungsrecht etwa aus § 135 I Nr 2 in Fällen des Cash Pooling gegen ihn selbst begründen würden.84 Dagegen sind Informationen weiterzugeben, die geeignet sind, einen Anfechtungssachverhalt im Verhältnis zu einem Gläubiger des „eigenen“ Verfahrens zu begründen.85

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Krit dazu Andres/Möhlenkamp BB 2013, 579, 587. Vgl FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 14. Vgl Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 19; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 39; Nerlich/Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 7. So Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 54, der § 269a einen datenschutzrelevanten Gehalt im Sinne eines Erlaubnistatbestandes entnehmen will und für eine Einzelfallentscheidung plädiert. So auch Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 31; Nerlich/Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 7. So auch Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 29. Braun/Fendel InsO7 § 269a RegE Rn 11; Kübler FS Vallender S 291, 303.

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Vgl Begr RegE KIG § 269a, BT-Drucks 18/ 407 S 32; BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 13; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 13; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/Bornemann InsO4 § 269a RegE Rn 5; Gottwald/Specovius/ Kuske InsRHdb5 § 95 Rn 54; Mock DB 2017, 951, 954; FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 19; Wimmer jurisPR-InsR 20/2013 Anm 1, der dies explizit auch bei konkreten Nachfragen eines anderen Insolvenzverwalters annimmt. Braun/Fendel InsO7 § 269a RegE Rn 11 verweist hier auf Maßnahmen nach § 269h. Dagegen will Kübler/Prütting/ Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 52 die Informationspflicht erst begrenzen, wenn ein Rechtsstreit schon anhängig ist. Zur Vorbereitung oder Durchsetzung sollen die Informationen dagegen verlangt werden können. Das überzeugt nicht. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 38.

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Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter

§ 269a

Entgegen einer im Schrifttum geäußerten Ansicht setzt die Kooperationspflicht nicht 23 voraus, dass für die Masse des potentiell kooperationspflichtigen Insolvenzverwalters offensichtlich ein Kooperationsvorteil entsteht.86 Da solche Vorteile nur schwer prognostizierbar sind,87 ist nicht die Aussicht auf einen Kooperationsgewinn Voraussetzung der Kooperationspflicht, sondern, wie von der Formulierung des Gesetzestextes indiziert, umgekehrt der Nachteil für die eigene Masse die Grenze der Kooperationspflicht.88 Ansonsten liefen Pflichten zum Informationsaustausch weitgehend leer. Die Kooperationspflicht kann daher erst ausgeschlossen sein, wenn offenkundig für kein Verfahren ein Kooperationsvorteil zu realisieren ist.89 Soweit sich mögliche Nachteile daraus ergeben, dass die Erfüllung etwa einer Informa- 24 tionspflicht mit besonderen Kosten, die über die bloßen Kommunikationskosten hinausgehen,90 verbunden ist, ist die Erteilung der Auskunft nur gegen Erstattung der notwendigen Auslagen geschuldet.91 Damit bleibt der Vorgang für die eigene Masse des informationspflichtigen Insolvenzverwalters masseneutral und beeinträchtigt die Interessen der Beteiligten nicht. Darüber hinaus darf die Arbeitskraft des Insolvenzverwalters nicht übermäßig mit der Erledigung fremder Informationsanfragen gebunden werden.92 Geht es dagegen um die gemeinsame Veräußerung von Gegenständen verschiedener Massen, setzt die Kooperationspflicht voraus, dass alle Massen angemessen an dem Mehrwert beteiligt werden. Insoweit kann hier die Wertung aus § 245 I Nr 2 fruchtbar gemacht werden.93 4. Durchsetzung der Kooperation- und Informationspflichten Die von § 269a begründeten Pflichten sind nicht nur schadensersatzbewehrt (Rn 15), 25 sondern grundsätzlich auch auf der Primärebene durchsetzbar; das gilt namentlich für die Informationspflichten.94 Eine Amtspflicht des einen Insolvenzverwalters, einen anderen zur Kooperation zu zwingen, besteht jedoch nicht.95 Allerdings ist praktisch kaum vorstellbar, dass ein Insolvenzverwalter einen anderen auf Auskunft verklagt.96 Dagegen steht einer einstweiligen Handlungsverfügung regelmäßig das Verbot der Vorwegnahme

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So aber Kübler FS Vallender S 291, 303, der daraus allerdings – durch einen nur vermeintlich richtigen Umkehrschluss – folgert, die Kooperationspflicht bestehe nicht, „wenn nach den vorhandenen Informationen ein Kooperationsvorteil offensichtlich ausgeschlossen ist.“ Vgl Andres/Möhlenkamp BB 2013, 579, 586. So auch BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 14; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 14; Braun/Fendel InsO7 § 269a RegE Rn 11; FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 18; Mock DB 2017, 591, 594; Nerlich/Römermann/Römermann/ Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 7. Braun/Fendel InsO7 § 269a RegE Rn 11. Vgl FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 26; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 35.

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Begr RegE KIG § 269a, BT-Drucks 18/407 S 32 spricht von einer marktgerechten Vergütung. Ebenso Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 35; FK/ Wimmer InsO9 § 269a Rn 17. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 50. Wie hier Brünkmans ZIP 2013, 193, 199. So auch Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 57; BeckOK/ Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 23; BK/ Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 20; Mock DB 2017, 591, 594. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 27. Vgl auch FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 24; BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 23.1; zuversichtlicher offenbar Nerlich/ Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 9.

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der Hauptsache entgegen.97 In Betracht kommt daher nur eine Unterlassungsverfügung (§§ 935, 938 II ZPO), wenn ein Insolvenzverwalter selbständig Massegegenstände veräußern will, obwohl bei einem konzernübergreifenden Asset Deal voraussichtlich ein erheblicher Kooperationsmehrwert zu erzielen wäre. Daneben ist an die Maßnahmen der insolvenzgerichtlichen Aufsicht nach § 58 II zu denken, die auch ein Verwalter eines anderen Verfahrens anregen kann.98 Auch der Gläubigerausschuss kann darauf drängen, dass der Insolvenzverwalter seinen Pflichten nachkommt (§ 69 S 1);99 ein Weisungsrecht steht dem Gläubigerausschuss freilich nicht zu, so dass er sich ggf an das Insolvenzgericht halten muss.100 Schließlich kann die Verletzung der Kooperationspflicht einen wichtigen Grund für die Entlassung des Insolvenzverwalters darstellen (§ 59 I). 26 Auf der Sekundärebene des Schadensersatzes (§ 60 I) muss der Insolvenzverwalter seine Pflichten schuldhaft verletzt haben. Da er keinen Weisungen der Gläubigerversammlung bzw des Gläubigerausschusses untersteht, kann er sich nicht generell dadurch exkulpieren, dass diese Gremien sein Verhalten gebilligt hätten.101 Entlastend wirkt das Votum des Gläubigerausschusses bzw der Gläubigerversammlung vielmehr nur, wenn die Kooperationsmaßnahme zustimmungsbedürftig war (§ 160). Das kommt insbesondere in Betracht, wenn sich der Insolvenzverwalter einem konzernübergreifenden Asset Deal verweigert (§ 160 II Nr 1). Im Übrigen ist im Einzelfall zu prüfen, ob durch das Votum der Gläubiger das Verschulden entfällt. 27 Auch wenn der Tatbestand von § 60 I verwirklicht ist, ist allerdings zu bedenken, dass § 60 die Pflichtenbindung des Insolvenzverwalters auf die „Beteiligten“ beschränkt. Damit stellt sich die Frage, ob auch die Gläubiger anderer gruppenangehöriger Schuldner, die etwa durch die Totalobstruktion eines Verwalters einen Schaden erleiden, Ansprüche aus § 60 haben können. Thole hat dies mit der Begründung verneint, andernfalls „würde das Pflichtengefüge in systemwidriger Weise hinsichtlich des Schutzbereichs über die Beteiligten des eigenen Verfahrens hinaus erstreckt“; eine solche Konsolidierung sei aber nicht angestrebt.102 Gegen diese Beschränkung auf die Beteiligten des eigenen Verfahrens spricht jedoch, dass § 269a (und § 269f II) gerade insolvenzspezifische Pflichten gegenüber Personen begründen, die keine Beteiligten am „eigenen“ Insolvenzverfahren sind. Daher ist das Argument von Thole zirkulär. Wenn der Insolvenzverwalter durch Verletzung seiner Kooperationspflichten einen konzernübergreifenden Asset Deal scheitern lässt, der den Gläubigern aller gruppenangehörigen Schuldner einen Vorteil gebracht hätte, ist er daher auch allen Gläubigern und nicht nur den „eigenen“ zum Schadensersatz verpflichtet. 28 Wimmer meint dagegen, anspruchsberechtigt seien nur die anderen Insolvenzverwalter für ihre jeweilige Masse und nicht die Gläubiger in den jeweiligen anderen Insolvenzverfahren, da die verletzte Pflicht nur gegenüber den anderen Insolvenzverwaltern bestanden

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Vgl Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 57; aA offenbar BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 23.1; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 20. BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 21; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 18; FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 25. Vgl Kübler FS Vallender S 291, 305; Braun/ Fendel InsO7 § 269a RegE Rn 12. Vgl Kübler FS Vallender S 291, 306.

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Vgl Kübler FS Vallender S 291, 308; Braun/ Fendel InsO7 § 269a RegE Rn 13; vgl zu § 82 KO entsprechend schon BGH ZIP 1985, 423, 425 f; aA Nerlich/Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 9. So Thole Der Konzern 2013, 182, 189. Ebenso bei Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 62; iE auch BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 22; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269a Rn 19.

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Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter

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habe.103 Damit lässt sich aber eine Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber den „eigenen“ Gläubigern nicht begründen. Vielmehr kann die Kooperations- und Kommunikationspflicht nur im Verhältnis zu den anderen Insolvenzverwaltern bestehen, aber alle Gläubiger schützen. Richtig ist allerdings, dass der Schadensersatzanspruch ggf unter § 92 fällt, so dass die einzelnen Gläubiger ihn zunächst nicht selbst geltend machen können. 5. Schuldner in Eigenverwaltung Die Kooperationspflicht nach § 269a trifft in der Eigenverwaltung den Schuldner 29 (§ 270d S 1) und damit – kraft ihrer Legalitätsbindung zur Schuldnergesellschaft – ggf die Vertretungsorganwalter (Vorstände, Geschäftsführer).104 Diese ausdrückliche Regelung hatte im DiskE KIG noch gefehlt und ist auf entsprechende Kritik aus dem Schrifttum105 im RegE KIG aufgenommen worden.106 Da sich auch die Kooperationspflichten aus Art 56 EuInsVO nF ggf auf den Schuldner in Eigenverwaltung beziehen (Art 76 EuInsVO nF), besteht auch insoweit ein Gleichlauf zwischen dem deutschen und dem Unionsrecht. Für den (vorläufigen) Sachwalter, der zu den Verwaltern iSv Art 2 Nr 5 EuInsVO nF iVm Anhang B gehört, ist die Kooperationspflicht dagegen nicht ausdrücklich angeordnet, weil er grundsätzlich nicht nach außen auftritt. Allerdings macht nur der Sachwalter die Ansprüche nach §§ 92, 93 geltend und ist allein zur Insolvenzanfechtung berechtigt (§ 280). Darüber hinaus kann der Sachwalter von der Gläubigerversammlung mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans beauftragt werden (§ 284 I 1). Insoweit muss auch der Sachwalter Adressat der Pflichten in § 269a sein.107 Im Übrigen hat der Sachwalter im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit (§§ 274 II, 30 270a I 2) darauf hinzuwirken, dass der Schuldner seinen Kooperationspflichten nachkommt.108 Tut der Schuldner dies nicht, kann dies durch Mehrheitsbeschluss bzw wegen der drohenden Nachteile zur Aufhebung der Eigenverwaltung auf Antrag eines Gläubigers führen (§ 272 I Nr 1, 2); dagegen sind der Sachwalter und der Gläubigerausschuss nicht antragsbefugt.109 Auch von Amts wegen kann das Insolvenzgericht grundsätzlich nicht einschreiten.110 Auch § 58 II ist gegenüber dem Schuldner nicht anwendbar. Zu denken ist aber an die persönliche Haftung der Vorstände bzw der Geschäftsführer der Schuldnergesellschaft analog § 60.111

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So FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 25. So zutr Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 14. Vgl etwa Berner/Bartelheimer/Schiebe ZInsO 2013, 434, 437; Brünkmans ZIP 2013, 193, 199; Harder/Lojowsky NZI 2013, 327, 331. Vgl Begr RegE KIG § 270d, BT-Drucks 18/ 407 S 42. So auch Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 16; für eine umfassende Koordinationspflicht de lege lata Pleister/Sturm ZIP 2017, 2329, 2335; HK/ Specovius InsO9 § 269a Rn 3; BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269a Rn 19; BK/ Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018)

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§ 269a Rn 19; ebenso zum RegE schon MünchKomm/Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 83; insgesamt aA Braun/Fendel InsO7 § 269a RegE Rn 14; unentschlossen Stahlschmidt/Bartelheimer ZInsO 2017, 1010, 1015. Vgl auch FK/Wimmer InsO9 § 269a Rn 22. Vgl MünchKomm/Tetzlaff InsO3 § 272 Rn 44; zum Gläubigerausschuss aA Kübler/ Kübler HRI2 § 19 Rn 62; Kübler FS Vallender S 291, 306. Vgl dazu MünchKomm/Tetzlaff InsO3 § 272 Rn 45 ff. Vgl dazu grundlegend BGH NJW 2018, 2125 Rn 47 ff (für BGHZ bestimmt).

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§ 269b

Siebter Teil. Koordinierung der Verfahren

§ 269b Zusammenarbeit der Gerichte 1Werden

die Insolvenzverfahren über das Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern bei verschiedenen Insolvenzgerichten geführt, sind die Gerichte zur Zusammenarbeit und insbesondere zum Austausch der Informationen verpflichtet, die für das andere Verfahren von Bedeutung sein können. 2Dies gilt insbesondere für: 1. die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, 2. die Eröffnung des Verfahrens, 3. die Bestellung eines Insolvenzverwalters, 4. wesentliche verfahrensleitende Entscheidungen, 5. den Umfang der Insolvenzmasse und 6. die Vorlage von Insolvenzplänen sowie sonstige Maßnahmen zur Beendigung des Insolvenzverfahrens. Materialien: DiskE KIG § 269b; Begr RegE KIG § 269b; Begr zu Begr RegE KIG § 269b, BTDrucks 18/407 S 33. EuInsVO nF: Art 57. Literatur: S zu § 269a.

Übersicht Rn. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . 1 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . 2 3. Räumlicher Anwendungsbereich und Wegfall der Gruppenzugehörigkeit . 3 4. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . 4

II. Einzelerläuterung . . . . . . . . . . . . 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . 2. Inhalt und Grenzen der Kooperationsund Informationspflicht . . . . . . . 3. Durchsetzung der Kooperationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 7 7 9 15

I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

1

§ 269b ist durch das KIG (§ 269a Rn 1) geschaffen worden. Die Regelung entspricht wörtlich § 269b DiskE KIG und § 269b RegE KIG; im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren hat sich an dem Text der Entwürfe nichts geändert. 2. Zeitlicher Anwendungsbereich

2

Der zeitliche Anwendungsbereich von § 269b deckt sich mit dem von § 269a (§ 269a Rn 3 f). Nach diesen Maßstäben sind die Insolvenzgerichte ab dem 21.4.2018 auch in bereits eröffneten Insolvenzverfahren zur Zusammenarbeit verpflichtet, wenn die entsprechenden weiteren Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind. Damit ist der zeitliche Anwendungsbereich weiter als der von Art 57 EuInsVO nF, der nur auf Verfahren anwendbar ist, die ab dem 26.6.2017 eröffnet worden sind (Art 84 I EuInsVO nF). Dass § 269b auch auf bereits eröffnete Insolvenzverfahren anwendbar ist, ist vor allem deshalb von Bedeu-

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Zusammenarbeit der Gerichte

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tung, weil in den Altfällen, in denen das Insolvenzverfahren von verschiedenen, jeweils nach Maßgabe von § 3 örtlich zuständigen Insolvenzgerichten bereits eröffnet worden ist, die Regelungen über die Zuständigkeitskonzentration am Gruppengerichtsstand (§§ 3a– 3d) nicht mehr greifen können (vgl § 269c Rn 2). 3. Räumlicher Anwendungsbereich und Wegfall der Gruppenzugehörigkeit Auch der räumliche Anwendungsbereich von § 269b und sein Verhältnis zu Art 57 3 EuInsVO nF bestimmen sich nach denselben Grundsätzen wie bei § 269a (Art 102c § 22 I Nr 2 EGInsO; § 269a Rn 5 ff).1 Dasselbe gilt für den Fall der Wegfall der Gruppenzugehörigkeit (§ 269a Rn 14). 4. Normzweck § 269b begründet erstmals eine wechselseitige Kooperations- und Informationspflicht 4 der Insolvenzgerichte für Verfahren über gruppenangehöriger Schuldner iSv §§ 3a I S 1, 3e. Dies gilt selbstverständlich auch, wenn eines davon als Koordinationsgericht iSv § 269d I tätig ist.2 Für die wechselseitige Kooperations- und Information der Insolvenzgerichte besteht ein Bedürfnis, wenn es zur Zuständigkeitskonzentration nach § 3c I bei einem Insolvenzrichter nicht gekommen ist, weil entweder schon kein Antrag auf Begründung eines Gruppen-Gerichtsstandes (§ 3a I 1) gestellt worden ist oder weil Eröffnungsverfahren in Gruppen-Folgeverfahren, die bei der Entscheidung nach § 3a I S 1 entweder schon anhängig waren oder im „ordentlichen“ Gerichtsstand (§ 3) eingeleitet worden sind (§ 3c II), nicht an das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands verwiesen (§ 3d I), sondern die Insolvenzverfahren andernorts eröffnet worden sind.3 Dagegen gab und gibt es im deutschen Recht – im Gegensatz zu Art 42 EuInsVO nF – keine entsprechende Regelung für das Insolvenzgericht, bei dem ein (deutsches) Sekundärinsolvenzverfahren (§§ 354, 356) geführt wird. Die allgemeine Kooperationspflicht nach § 269b ergänzt die besonders bedeutsame 5 und daher eigenständig geregelte Abstimmungspflicht über die Verwalterbestellung nach § 56b,4 auf den für den vorläufigen Insolvenzverwalter in § 21 II S 1 Nr 1 und für den (vorläufigen) Sachwalter in § 274 I (ggf iVm § 270a I 2) verwiesen wird. Anders als § 269a hat § 269b aber nicht nur klarstellende Funktion, sondern enthält etwas Neues,5 das sogar als etwas fast „Ungeheuerliches“ beschrieben worden ist.6 Nichtsdestotrotz hat auch die richterliche Zusammenarbeit informell schon vor der gesetzlichen Neuregelung stattgefun-

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Ebenso Pleister/Sturm ZIP 2017, 2329, 2330; vgl auch Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269b Rn 9 ff. Dass § 269b ausländischen Insolvenzgerichten keine Pflichten auferlegen kann, ist selbstverständlich. Vgl FK/Wimmer InsO9 § 269b Rn 8. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269b Rn 7. Vgl Harder/Lojowsky NZI 2013, 327, 328 f. Vgl Begr RegE KIG § 269b, BT-Drucks 18/ 407 S 33.

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Auch Eidenmüller ZHR 169 (2005), 528, 553 wollte aus § 1 nur eine Pflicht zur Bestellung desselben Insolvenzverwalters ableiten. Dagegen hat Brünkmans Koordinierung von Insolvenzverfahren, S 124 f aus § 1 verschiedene Absprachepflichten gefolgert. Gegen eine allgemeine Koordinationspflicht des Insolvenzgerichts aus § 1 hat sich Becker Kooperationspflichten, Rn 400 ff ausgesprochen. Für lediglich klarstellende Wirkung des § 269b Flöther/v Wilcken Hdb KonzernInsR § 4 Rn 72. So Zipperer ZIP 2013, 1007, 1009.

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den,7 wenn auch ohne klare rechtliche Grundlage. Insoweit räumt § 269b mögliche rechtliche Bedenken gegen den Informationsaustausch insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes aus.8 6 Allerdings ist bei § 269b zu beachten, dass auch für Insolvenzrichter die verfassungsrechtliche Garantie der persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit gilt (Art 97 I GG). Dass sie idR nicht als Organe der Rechtsprechung iSv Art 92 GG handeln, sondern in Ausübung vollziehender Gewalt,9 steht der Anwendung von Art 97 I GG nicht entgegen.10 Ihnen Kooperationspflichten aufzuerlegen, ist verfassungsrechtlich unproblematisch, solange sie die ihnen anvertrauten Entscheidungen nicht nach Einzelweisung, sondern in voller persönlicher und sachlicher Unabhängigkeit nur nach Recht und Gesetz zu treffen haben. Insbesondere muss die richterliche Entscheidung kein Ermessen beinhalten. Daher ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Insolvenzrichter inzwischen bei der Verwalterbestellung weitgehend an Vorschläge Dritter gebunden ist und nur die Geeignetheit überprüfen darf (§§ 56a II 1, 270b II 2).11

II. Einzelerläuterung 1. Persönlicher Anwendungsbereich

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Die Kooperations- und Informationspflicht gilt unabhängig von der funktionalen Zuständigkeit.12 Das bedeutet zum einen, dass sie im jeweiligen Zuständigkeitsbereich (§§ 3 Nr 2 lit e, 18 RPflG) sowohl für Richter als auch für Rechtspfleger gilt.13 Soweit es bspw um Informationen über den Umfang der Insolvenzmasse geht (§ 269b S 2 Nr 5), liegt die Zuständigkeit außerhalb eines Insolvenzplanverfahrens (§ 18 I Nr 2 RPflG) beim Rechtspfleger. Da die Zuständigkeit des Richters mit dem Erlass der Eröffnungsentscheidung endet (§ 18 I Nr 1 RPflG), gilt dasselbe für die Information über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 269b S 2 Nr 2) und die Bestellung eines Insolvenzverwalters (§ 269b S 2 Nr 3). Über die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren (§ 269b S 2 Nr 1) hat dagegen der Richter zu informieren. 8 Daneben gilt § 269b auch innerhalb eines Gerichts, wenn ein Gruppen-Gerichtsstand nach § 3a nicht begründet worden ist und daher die Zuständigkeitskonzentration nach § 3c I nicht einschlägig ist.14 Damit sind die Insolvenzrichter und -rechtspfleger ein und dessel-

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So etwa Frind ZInsO 2014, 927, 930. Vgl Begr RegE KIG § 269b, BT-Drucks 18/ 407 S 33; Thole KTS 2014, 351, 364; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269b Rn 21; unklar FK/Wimmer InsO9 § 269b Rn 14: Informationsübermittlung nur „[i]m Rahmen des datenschutzrechtlich Zulässigen“. So speziell zur Verwalterbestellung BVerfGE 116, 1, 10 f. Vgl Maunz/Dürig/Hillgruber GG82 (Stand: V/2008), Art 97 Rn 20. Danach besteht die sachliche Unabhängigkeit lediglich im Bereich der Justizverwaltung nicht.

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Dagegen kann man Zipperer ZIP 2013, 1007, 1009 mit Rn 14 so verstehen, als halte er das Auswahlermessen des Insolvenzrichters für verfassungsfest. So Begr RegE KIG § 269b, BT-Drucks 18/407 S 33. In diesem Sinne auch Wimmer jurisPRInsR 20/2013 Anm 1. Vgl Braun/Fendel InsO7 § 269b RegE Rn 2; FK/Wimmer InsO9 § 269b Rn 6; Kübler/ Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269b Rn 7; MünchKomm/ Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 84; HK/Specovius InsO9 § 269b Rn 3.

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Zusammenarbeit der Gerichte

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ben Insolvenzgerichts zur Zusammenarbeit verpflichtet, wenn die Verfahren nach dem Geschäftsverteilungsplan unterschiedlichen Richtern zugewiesen worden sind.15 Mit Gerichten sind jedoch nur die Insolvenzgerichte gemeint; die Prozessgerichte und damit auch die Richter der Prozessabteilung des Amtsgerichts, bei dem das Insolvenzverfahren geführt wird, sind dagegen nicht Adressaten von § 269b.16 2. Inhalt und Grenzen der Kooperations- und Informationspflicht Der Inhalt der Kooperations- und Informationspflicht wird auch in § 269b sehr offen 9 beschrieben, weil es gar nicht möglich wäre, alle Pflichten iE zu nennen.17 Entscheidend ist daher auch bei den Kooperations- und Informationspflichten der Gerichte, ob Effizienzsteigerungen jedenfalls denkbar erscheinen. Obwohl in § 269b nicht ausdrücklich erwähnt, enden diese Pflichten wie bei § 269a S 118 schon mit Blick auf § 1 S 1, wenn offenkundig Nachteile für die Beteiligten im eigenen Verfahren zu erwarten sind.19 Dies kann der Fall sein, wenn in einem Verfahren eine besonders zügige Abwicklung geboten ist, etwa weil für den Betrieb, den eine Konzerngesellschaft betreibt, ein lukratives Übernahmeangebot vorliegt, während in anderen Verfahren ein gleichzeitiger Verfahrensverlauf und eine Veräußerung aller Konzernbetriebe an einen anderen Investor angestrebt wird. Aus der analogen Anwendung der Regelung zu den Grenzen der Kooperationspflichten in § 269a S 1 folgt auch, dass es nicht möglich sein kann, über das Insolvenzgericht Informationen zu erlangen, die vom Insolvenzverwalter nicht zu bekommen wären.20 Auch die dem Insolvenzgericht entstehenden Auslagen können die Kooperationspflicht begrenzen.21 Schließlich kann sich aus § 269b keine Pflicht zu konkreten Maßnahmen im jeweiligen Insolvenzverfahren ergeben; namentlich die Bindung eines Insolvenzgerichts an eine Mehrheitsmeinung ist mit Blick auf die Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit ausgeschlossen. Auch sind die Gerichte außerhalb gesetzlich iE genannter Fälle nicht zur Vornahme oder Vorbereitung von Amtshandlungen für ein anderes Gericht verpflichtet.22 Diese Aussage steht nicht in Widerspruch dazu, dass § 269a den Inhalt der Pflichten nicht abschließend nennt,23 weil § 269b gerade keine Generalverpflichtung zur wechselseitigen Amtshilfe enthält, sondern nur Kooperations- und Informationspflichten statuiert. Anders als in § 269a finden sich in § 269b S 2 – wie in Art 57 III S 2 EuInsVO nF – Re- 10 gelbeispiele für die Pflichten der Insolvenzgerichte, in denen die Bedeutung für das andere Verfahren unwiderleglich angenommen wird und daher im Einzelfall nicht mehr geprüft

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In diesem Sinne auch Begr DiskE KIG § 269b, Beil 1 zu ZIP 2/2013, S 12. In Begr RegE KIG § 269b, BT-Drucks 18/407 S 33 fehlt der entsprechende Satz. Vgl FK/Wimmer InsO9 § 269b Rn 9. So Begr RegE KIG § 269b, BT-Drucks 18/407 S 33. Eine detaillierte Aufzählung einzelner denkbarer Kooperationsfragen findet sich etwa bei FK/Wimmer InsO9 § 269b Rn 11 ff. Zur Parallelität der Grenzen der Kooperationspflichten Thole KTS 2014, 351, 364; für einen wesentlich strengeren Maßstab bei den Grenzen der Kooperationspflichten der Ge-

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richte dagegen Braun/Fendel InsO7 § 269b RegE Rn 9. So Begr RegE KIG § 269b, BT-Drucks 18/407 S 33. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269b Rn 23 unter Verweis auf § 78. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269b Rn 25. So zutr Begr RegE KIG § 269b, BTDrucks 18/407 S 33 f. So aber Braun/Fendel InsO7 § 269b RegE Rn 10.

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werden darf.24 Diese Beispiele betreffen nicht nur den Informationsaustausch, sondern – über § 56b hinaus – auch die Kooperation und damit die Koordination wesentlicher verfahrensleitender Maßnahmen. So wäre der bloße Informationsaustausch über die Sicherungsmaßnahmen nach § 21 II S 1 Nr 1, 2, über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Bestellung eines Insolvenzverwalters und die Termine für den Berichts- und den Prüfungstermin kein nennenswerter Fortschritt, weil diese Informationen ohnehin öffentlich bekanntgemacht werden (§§ 23 I 1, 27, 29 I, 30 I). Entscheidend ist vielmehr, dass bspw auch Sicherungsmaßnahmen mit Blick auf das Gesamtkonzerninteresse koordiniert werden (§ 269b S 2 Nr 1). So ist bei § 21 II S 1 Nr 5 daran zu denken, dass die auszusondernden Sachen zur Fortführung des Unternehmens eines anderen gruppenangehörigen Schuldners von erheblicher Bedeutung sind. Sind Anträge auf Eigenverwaltung gestellt, haben die Gerichte sich wechselseitig darüber zu informieren, ob sie die Voraussetzungen von § 270a I S 1 für gegeben halten.25 Bei mehreren Schutzschirmverfahren können die erforderlichen Maßnahmen nach § 270b II S 3 abgestimmt werden. 11 Eine Koordinationspflicht, die schon im Eröffnungsverfahren einsetzt,26 besteht auch für den Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidungen (§ 269b S 2 Nr 2) sowie für die Terminierung des Berichts- und des Prüfungstermins (§ 269b S 2 Nr 4), damit die Gläubiger in den verschiedenen Verfahren an den Terminen teilnehmen können. In Insolvenzplanverfahren sind die Termine für den Erörterungs- und den Abstimmungstermin (§§ 235 I, 236), die ebenfalls öffentlich bekanntzumachen sind (§ 235 II 1), im Voraus zu koordinieren.27 Dagegen kann § 269b S 2 Nr 3 nur die Information über die Bestellung eines Insolvenzverwalters bzw ggf eines Sachwalters (§ 270c) erfassen,28 weil die Kooperationspflicht insoweit schon in §§ 56b, 274 I speziell geregelt ist. Auch über den Umfang der Insolvenzmasse, den der Insolvenzverwalter festzustellen hat (§§ 151, 153), und über die Vorlage von Insolvenzplänen, die nur dem Schuldner und dem Insolvenzverwalter gestattet ist (§ 218 I 1), können sich die Gerichte lediglich informieren (§ 269b S 2 Nr 5, 6). Eine echte Koordination ist dagegen bei Maßnahmen zur Beendigung der jeweiligen Insolvenzverfahren denkbar (§ 269b S 2 Nr 6), etwa wenn die Verfahren nach Bestätigung der Insolvenzpläne aufgehoben werden sollen (§ 258 I). 12 Bei der Frage, ob Informationen nur auf Anfrage oder von Amts wegen auszutauschen sind, ist nach dem Gegenstand der Information zu differenzieren. Entscheidungen oder verfahrensleitende Maßnahmen sind von Amts wegen mitzuteilen, weil die anderen Gerichte sie nicht kennen können und sonst turnusgemäß anfragen müssten. Dagegen sind sonstige Informationen wie insbesondere über den Umfang der Insolvenzmasse (§ 269b S 2 Nr 5) nur auf Anfrage weiterzugeben, weil nur der jeweilige Adressat der Information weiß, ob er ihrer bedarf.29 Dass ein Insolvenzgericht Auskunft über die Masse in den bei ihm geführten Verfahren geben kann, ist für die anderen Gerichte dagegen offenkundig.

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Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269b Rn 19. Vgl Flöther/Frege/Nicht Hdb KonzernInsR § 4 Rn 289. Vgl FK/Wimmer InsO9 § 269b Rn 10; BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269b Rn 7; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269b Rn 5; Nerlich/Römermann/ Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269b Rn 1.

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MünchKomm/Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 84; Braun/Fendel InsO7 § 269b RegE Rn 4. Vgl Flöther/Frege/Nicht Hdb KonzernInsR § 4 Rn 289. Abw Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269b Rn 19; BeckOK/ Gelbrich/Flöther InsO10 § 269b Rn 9; BK/ Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269b Rn 7.

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Zusammenarbeit der Gerichte

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Sinnvoll ist aber auch hier, die Modalitäten des Informationsaustauschs am Anfang informell abzustimmen. Die Form der Zusammenarbeit regelt § 269b nicht. Daher sind alle Kommunikations- 13 wege einschließlich Telefon- oder Videokonferenzen eröffnet.30 Allerdings sollten die wesentlichen Kooperationsschritte aktenkundig gemacht werden. Daneben können wesentliche Entscheidungen formlos mitgeteilt werden. § 269b beschränkt sich auf die intrajustizielle Zusammenarbeit der deutschen Richter 14 und Rechtspfleger am selben Gericht oder an verschiedenen Gerichten. Dagegen findet sich keine mit Art 58 lit b EuInsVO nF vergleichbare Regelung, die den Verwaltern gegenüber allen Gerichten Informationsrechte zuspricht und dementsprechend die Gerichte zur Erteilung dieser Informationen verpflichtet.31 Das führt zu dem seltsamen Ergebnis, dass sich eine solche Pflicht aus Art 58 lit b EuInsVO nF auch zwischen einem deutschen Insolvenzverwalter und einem deutschen Gericht ergeben kann, wenn auch in einem anderen Mitgliedstaat ein gruppenbezogenes Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und der Fall im Anwendungsbereich der Art 56 ff EuInsVO nF liegt (§ 269a Rn 8). Außerhalb des Anwendungsbereichs der Art 56 ff EuInsVO nF scheint eine solche Amtspflicht dagegen nicht zu bestehen. Daher spricht viel für eine analoge Anwendung von Art 58 lit b EuInsVO nF in dieser zweiten Fallgruppe.32 Ansonsten müsste der Insolvenzverwalter „sein“ Insolvenzgericht um Amtshilfe bitten, die Informationen nach § 269b zu beschaffen. 3. Durchsetzung der Kooperationspflichten Die Durchsetzung der Kooperationspflichten gestaltet sich schwierig, weil der Gesetz- 15 geber auf eine Regelung zur Sicherstellung einer effizienten gerichtlichen Zusammenarbeit bewusst verzichtet hat; vielmehr soll genügen, dass die Insolvenzgerichte und damit die Insolvenzrichter bzw -rechtspfleger „zur Zusammenarbeit von Amts wegen verpflichtet“ sind.33 Soweit die Pflicht nach der Eröffnungsentscheidung den Rechtspfleger trifft (vgl § 18 I Nr 1, 3 RPflG), kann der Richter das Verfahren jederzeit an sich ziehen (§ 18 II RPflG). Trifft die Pflicht dagegen den Richter (vgl § 18 I Nr 2, 3 RPflG), bleibt zur Durchsetzung nur die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde, die aber weder in eine konkrete Weisung münden noch zur Ablösung des Richters führen kann. Damit bleibt nur der Amtshaftungstatbestand nach § 839 I BGB iVm Art 34 GG.34 Dabei ist jedoch stets die Subsidiarität nach § 839 I S 2 BGB zu beachten.35 Dagegen steht § 839 II BGB nicht ent-

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Vgl Thole KTS 2014, 351, 363; Braun/Fendel InsO7 § 269b RegE Rn 5; FK/Wimmer InsO9 § 269b Rn 36. Auf das Fehlen einer solchen Regelung hat auch Fölsing ZInsO 2013, 413, 418 hingewiesen. Vgl zur Informationspflicht der Gerichte Mankowski/Müller/J Schmidt/J Schmidt EuInsVO 2015 Art 58 Rn 8. Wie hier Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269a Rn 42. Für eine entsprechende Regelung auch Fölsing ZInsO 2013, 413, 418, der aber in seiner Besprechung des DiskE KIG freilich noch keine Analogie heranziehen

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musste, sondern de lege ferenda referieren konnte. Vgl Begr RegE KIG § 269b, BT-Drucks 18/ 407 S 33. Vgl Thole KTS 2014, 351, 363; BeckOK/ Gelbrich/Flöther InsO10 § 269b Rn 13; BK/ Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269b Rn 11; Braun/Fendel InsO7 § 269b RegE Rn 7; FK/Wimmer InsO9 § 269b Rn 39; Nerlich/Römermann/Römermann/ Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269b Rn 6. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269b Rn 27.

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gegen, weil es sich bei der insolvenzrichterlichen Tätigkeit nicht um eine spruchrichterliche Tätigkeit handelt.36 Zweifelhaft ist allerdings, ob die Kooperationspflicht eine Amtspflicht gegenüber allen Gläubigern in den anderen gruppenbezogenen Insolvenzverfahren darstellt oder nur gegenüber den Beteiligten des eigenen Verfahrens. Darüber hinaus wird sich ein kausaler Schaden kaum feststellen lassen, so dass die Amtshaftung hier ein stumpfes Schwert darstellt.37

§ 269c Zusammenarbeit der Gläubigerausschüsse (1) 1Auf Antrag eines Gläubigerausschusses, der in einem Verfahren über das Vermögen eines gruppenangehörigen Schuldners bestellt ist, kann das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands nach Anhörung der anderen Gläubigerausschüsse einen Gruppen-Gläubigerausschuss einsetzen. 2Jeder Gläubigerausschuss oder vorläufige Gläubigerausschuss eines gruppenangehörigen Schuldners, der nicht von offensichtlich untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe ist, stellt ein Mitglied des Gruppen-Gläubigerausschusses. 3Ein weiteres Mitglied dieses Ausschusses wird aus dem Kreis der Vertreter der Arbeitnehmer bestimmt. (2) 1Der Gruppen-Gläubigerausschuss unterstützt die Insolvenzverwalter und die Gläubigerausschüsse in den einzelnen Verfahren, um eine abgestimmte Abwicklung dieser Verfahren zu erleichtern. 2Die §§ 70 bis 73 gelten entsprechend. 3Hinsichtlich der Vergütung gilt die Tätigkeit als Mitglied im Gruppen-Gläubigerausschuss als Tätigkeit in dem Gläubigerausschuss, den das Mitglied im Gruppen-Gläubigerausschuss vertritt. (3) Dem Gläubigerausschuss steht in den Fällen der Absätze 1 und 2 ein vorläufiger Gläubigerausschuss gleich. Materialien: DiskE KIG § 269c; RegE KIG § 269c; Begr zu RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/407 S 34; Ber BT-RA zu RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/11436 S 22. EuInsVO nF: keine Entsprechung. Literatur: S zu § 269a.

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Im Ergebnis ebenso Kübler/Prütting/Bork/ Thole InsO72 (Stand: VI/2017) § 269b Rn 27; vgl ferner MünchKomm/Papier/Shivani BGB7 § 839 Rn 326; zur Verwalterbestellung vgl BVerfGE 116, 1, 22.

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So auch Nerlich/Römermann/Römermann/ Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269b Rn 6; Thole KTS 2014, 351, 363.

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Zusammenarbeit der Gläubigerausschüsse

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Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . 3. Räumlicher Anwendungsbereich . . 4. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelkommentierung . . . . . . . . . . 1. Einsetzung eines GruppenGläubigerausschusses . . . . . . . . . a) Antrag . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . c) Anhörung . . . . . . . . . . . . . d) Entscheidung . . . . . . . . . . . e) Besetzung des GruppenGläubigerausschusses . . . . . . . aa) Ausschussgröße . . . . . . . bb) Auswahl der Mitglieder . . . f) Rechtsmittel und erneuter Antrag

Rn. 1 1 2 4 6 7 7 8 10 15 17 21 22 24 30

Rn. 2. Änderung der Besetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses . . . a) Ausscheiden von Ausschussmitgliedern . . . . . . . . . . . . b) Ernennung neuer Ausschussmitglieder . . . . . . . . . . . . . 3. Auflösung des Gruppen-Gläubigerausschusses . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufgaben des Gruppen-Gläubigerausschusses . . . . . . . . . . . . . . a) Unterstützung der Insolvenzverwalter und der Gläubigerausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . b) Besondere Aufgaben in Koordinationsverfahren . . . . . 5. Entsprechend anwendbare Regelungen über den Gläubigerausschuss . . . . . 6. Kooperationspflichten der Gläubiger

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte § 269c ist durch das KIG (§ 269a Rn 1) geschaffen worden. Die Regelung geht zurück 1 auf § 269c DiskE KIG, ist aber schon in § 269c RegE KIG und auch im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren erheblich geändert worden. So findet sich erstmals in § 269c I RegE KIG eine ausdrückliche Regelung des Ermessens des Gerichts („kann“). Darüber hinaus geht der Ausschluss der Gläubiger von Schuldnern, die von offensichtlich untergeordneter Bedeutung sind, auf § 269c I RegE KIG zurück und ist in § 269c I S 2 nur redaktionell überarbeitet worden. Dagegen beruht die Regelung zu den Arbeitnehmervertretern in § 269c I S 3 auf der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages. § 269c II S 1 entspricht wörtlich § 269c II DiskE KIG. Die Regelungen in §§ 269c II S 2, 3 beruhen auf §§ 269c II S 2, 3 RegE KIG und sind unverändert Gesetz geworden. Schließlich entspricht § 269c III wörtlich bereits § 269c III DiskE KIG. 2. Zeitlicher Anwendungsbereich Der zeitliche Anwendungsbereich von § 269c deckt sich mit dem von § 269a (§ 269a 2 Rn 3 f). Nach diesen Maßstäben kann das Insolvenzgericht des Gruppen-Gerichtsstandes ab dem 21.4.2018 auch in bereits eröffneten Insolvenzverfahren einen Gruppen-Gläubigerausschuss einsetzen. Allerdings setzt dies voraus, dass ein Gruppen-Gerichtsstand auf Antrag eines gruppenangehörigen Schuldners, der erst seit dem 21.4.2018 gestellt werden kann, begründet worden ist (§ 3a I 1). Sind vor diesem Stichtag bereits Insolvenzverfahren über das Vermögen aller gruppenangehörigen Schuldner eröffnet, ist es an und für sich nicht mehr sinnvoll, wenn sich ein Insolvenzgericht für Gruppen-Folgeverfahren für zuständig erklärt (§ 3a I 1), weil § 3d I eine Verweisung an dieses Gericht nur vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermöglicht. Insoweit stellen sich ganz ähnliche Fragen wie beim Koordinationsverfahren (§ 269d Rn 2). § 269c kann in solchen Altfällen gleichwohl zum Tragen kommen, wenn man einen 3 Antrag nach § 3a I S 1 mit dem isolierten Ziel der Begründung eines Gruppen-Gerichtsstandes für die Entscheidung nach § 269c I S 1 zulässt. Im Ergebnis sprechen keine durchAndreas Piekenbrock

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greifenden Bedenken gegen eine nachträgliche Bestimmung eines Gruppen-Gerichtsstandes. Dass der Antrag nach Eröffnung des „Ursprungsverfahrens“ gestellt werden kann, ergibt sich schon aus § 3a III. Dass in dem Gruppen-Gerichtsstand Gruppen-Folgeverfahren eröffnet werden sollen, gehört nicht zu den Voraussetzungen von § 3a I S 1, sondern es gehört zu den Rechtsfolgen, dass sie dort (alternativ) eröffnet werden können, aber nicht müssen (§ 3d I). Daher lässt sich die These begründen, dass dem Antrag nach § 3a I S 1 das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn alle Insolvenzverfahren über das Vermögen der gruppenangehörigen Schuldner bereits eröffnet worden sind. Dient der Antrag nach § 3a I S 1 aber zur Vorbereitung eines Antrags nach § 269c I S 1, kann das Rechtsschutzinteresse nicht verneint werden. 3. Räumlicher Anwendungsbereich

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Der räumliche Anwendungsbereich von § 269c ist deutlich schwerer zu bestimmen als der von §§ 269a, 269b (vgl dazu § 269a Rn 5 ff), weil die EuInsVO nF keine mit § 269c vergleichbare Regelung enthält. Daher gibt es keinen Grund, in einem Konzernfall im Anwendungsbereich der Art 56 ff EuInsVO nF keinen Gruppen-Gläubigerausschuss einzusetzen, wenn ein Gruppengerichtsstand iSv § 3a besteht. Davon zu trennen ist die Frage, ob die Regelungen in § 269c I S 1, 2 über die Anhörung der anderen Gläubigerausschüsse und die Mitgliedschaft im Gruppen-Gläubigerausschuss auch für Gläubigerausschüsse in Verfahren in anderen Mitgliedstaaten wie Österreich (§ 88 IO) bzw in Drittstaaten wie der Schweiz (Art 237 III SchKG) gelten. Dagegen spricht entscheidend, dass § 3e I für die Mitgliedschaft in einer Unternehmensgruppe auf den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen iSv Art 3 I UAbs 1 S 2 EuInsVO nF (COMI) in Deutschland abstellt. Auch wenn es nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr auf den COMI, sondern den Ort der Verfahrenseröffnung ankommt (§ 269a Rn 5), ergibt sich aus §§ 269c I S 2, 3e I, dass nur Mitglieder eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses in deutschen Insolvenzverfahren (§§ 21 II 1 Nr 1a, 22a, 67, 68 I 1) Mitglieder des Gruppen-Gläubigerausschusses werden sollen. Es handelt sich demnach um eine Norm mit territorial beschränktem Anwendungsbereich. Diese Beschränkung überzeugt allerdings nicht. Zum einen führt sie dazu, dass das Ge5 richt im Rahmen seines Entschließungsermessens (Rn 20) auch zu prüfen hat, ob ein Gruppen-Gläubigerausschuss, in dem wesentliche Schuldner nicht vertreten sind, überhaupt sinnvoll ist. Zum anderen stellt sich in EU-Fällen die Frage, ob es nicht mit der EuInsVO nF und möglicherweise mit dem Primärrecht unvereinbar ist, einen Gruppen-Gläubigerausschuss nur für die Schuldner in Deutschland einzusetzen, der sich jedenfalls dem Verdacht ausgesetzt sieht, nur deren Interessen zu vertreten.1 Schon deshalb dürfte sich die Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses in grenzüberschreitenden Konzerninsolvenzen auf Drittstaatenfälle (Schweiz, Dänemark, wohl ab 29.3.2019 Vereinigtes Königreich) oder auf solche Fälle beschränken, in denen die Schuldner in anderen Mitgliedstaaten nur von untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe sind. Denn in diesem Fall wirkt sich die territoriale Beschränkung des Anwendungsbereichs in § 3e I auf die Besetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses nicht aus.

1

Für Vereinbarkeit mit dem Primärrecht Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 5.

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§ 269c

4. Normzweck § 269c bezweckt die Koordination der Gläubigerinteressen in Konzerninsolvenzen und 6 ergänzt damit die Regelungen zur Kooperation der Verwalter (§ 269a) und Gerichte (§ 269b). Dieses Regelungsanliegen besteht unabhängig davon, ob ein Koordinationsverfahren eingeleitet wird (§ 269d I) oder nicht.2 Da die Gläubigerinteressen institutionell durch die Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses koordiniert werden sollen, betritt § 269c Neuland3 und kann sich nicht auf allgemeine Normen wie § 1 S 1 stützen. Die Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses tritt damit als weitere Option neben die schon bisher mögliche personenidentische Besetzung mehrerer (vorläufiger) Gläubigerausschüsse,4 die durch § 269c selbstverständlich nicht berührt wird.5 Ob sich über § 269c hinaus aus allgemeinen Normen eine Pflicht zur Kooperation der (vorläufigen) Gläubigerausschüsse untereinander ableiten lässt, hat der Gesetzgeber dagegen bewusst offengelassen.6 Daher wäre ein Umkehrschluss aus § 269c methodisch verfehlt (vgl Rn 48).

II. Einzelkommentierung 1. Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses § 269c I S 1 ermöglicht die Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses. Da dieser 7 auch auf Antrag eines vorläufigen Gläubigerausschusses eingesetzt werden kann (§ 269c III), muss keines der Insolvenzverfahren über das Vermögen eines gruppenangehörigen Schuldners im Zeitpunkt der Einsetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses bereits eröffnet worden sein. Da es aber kein „Gruppen-Insolvenzverfahren“ gibt, dessen Eröffnung eine zeitliche Zäsur darstellen könnte, wird der Gruppen-Gläubigerausschuss in keiner Phase als vorläufiger Gruppen-Gläubigerausschuss bezeichnet.7 a) Antrag. Die Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses setzt stets einen Antrag 8 eines Gläubigerausschusses oder eines vorläufigen Gläubigerausschusses voraus (§ 269c I 1, III).8 Die Einsetzung von Amts wegen ist daher – wie bei § 22a II – unzulässig, selbst wenn bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die den Gruppen-Gerichtsstand begründet hat, ein Pflichtausschuss iSv § 22a I eingesetzt worden ist.9 Anders als bei der paritätischen Besetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses (§ 269c I 2) hängt die Antragsbefugnis nicht von der Bedeutung des Schuldners für die gesamte Unternehmensgruppe ab.10 Weil auch

2 3 4 5

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Vgl Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 3, 4. Vgl Thole KTS 2014, 351, 365; Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 1. Bisher nicht beanstandet von BGH ZIP 2008, 655 Rn 10. Vgl MünchKomm/Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 87; Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 10. So Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/ 407 S 35. Begr DiskE KIG § 269c weist in diesem Zusammenhang noch auf § 242 BGB oder „gesellschaftsähnliche Verbindungen“ hin, womit offensichtlich auf Eidenmüller ZHR 2005, 528, 556 verwiesen wird.

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Vgl Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/ 407 S 34; Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 80 in Rn 116; anders Berner/ Bartelheimer/Schiebe ZInsO 2013, 434, 437; MünchKomm/Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 85. Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/407 S 34. Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/407 S 34. Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 4; FK/ Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 4; Flöther/ Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 79; HK/ Specovius InsO9 § 269c Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 7.

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die Gläubiger eines nicht repräsentierten Schuldners von der Koordination profitieren können, fehlt dem Antrag eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses ggf trotz § 269c I S 2 auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.11 Darüber hinaus muss es sich nicht um den (vorläufigen) Gläubigerausschuss im „Ursprungsverfahren“ handeln, in dem der Gruppen-Gerichtstand begründet worden ist. Vielmehr ist auch jeder (vorläufige) Gläubigerausschuss in einem Gruppen-Folgeverfahren antragsberechtigt. 9 Da das Antragsrecht dem Organ zusteht und nicht seinen einzelnen Mitgliedern,12 muss dem Antrag ein Beschluss des antragstellenden (vorläufigen) Gläubigerausschusses vorausgehen, der den Anforderungen von § 72 (ggf iVm § 21 II 1 Nr 1a) an die Beschlussfähigkeit und die Stimmenmehrheit genügt (vgl § 72 Rn 7 ff).13 Dieser Beschluss ist dem Gericht gegenüber nachzuweisen. Der Antrag ist als Verfahrenshandlung – wie bei § 22a II – bedingungsfeindlich und kann daher nicht von der Bestellung bestimmter Personen zu Mitgliedern des Gruppen-Gläubigerausschusses abhängig gemacht werden.14 Der Antrag ist weder frist- noch formgebunden;15 ob über § 4 auch § 129a ZPO anwendbar ist, so dass der Antrag vor jedem Amtsgericht zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden könnte, ist streitig.16

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b) Zuständigkeit. Örtlich zuständig für die Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses ist stets das Gericht des Gruppen-Gerichtsstandes (§§ 269c I 1, 3a). Freilich besteht ein solcher Gerichtsstand nicht kraft Gesetzes etwa am Sitz der Konzernmutter,17 sondern wird – nach dem Prinzip der „robusten Priorität“18 – nur auf Antrag begründet (§ 3a I 1, 3, 4). Ein solcher Antrag kann aber jederzeit gestellt werden, um einen Antrag nach § 269c I S 1 vorzubereiten (Rn 3). Allerdings muss der Antrag nach § 3a I S 1 vom Schuldner (ggf in Eigenverwaltung) bzw vom (vorläufigen starken) Insolvenzverwalter gestellt werden (§§ 3a III, 22 I 1), so dass ein (vorläufiger) Gläubigerausschuss die Voraussetzungen für die Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses nicht selbst schaffen kann. 11 Misslich ist, dass das Gericht des potentiellen Gruppen-Gerichtsstandes den Antrag nach § 3a I S 1 ablehnen kann, wenn es Zweifel hat, ob die Verfahrenskonzentration im gemeinsamen Interesse der Gläubiger liegt (§ 3a II). Damit präjudiziert die Einschätzung der Nützlichkeit der Verfahrenskonzentration zugleich die der Verfahrenskoordination durch die Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses, weil ohne Begründung eines Gruppen-Gerichtsstandes prima facie auch kein Gruppen-Gläubigerausschuss eingesetzt werden kann. Dasselbe Problem stellt sich im Hinblick auf die Einleitung eines (deutschen)

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Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 7. Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 4; FK/ Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 5; HK/ Specovius InsO9 § 269c Rn 4. FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 5; Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 81; BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 8; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269c Rn 3; HK/Specovius InsO9 § 269c Rn 4; Nerlich/Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269b Rn 4. Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 82; Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE

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Rn 4; zu § 22a vgl entsprechend MünchKomm/Haarmeyer InsO3 § 22a Rn 104. BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 9; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269c Rn 4; FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 6. Dafür FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 6; dagegen MünchKomm/Ganter/Lohmann InsO3 § 4 Rn 25. Dafür etwa Ehricke ZInsO 2002, 393, 397 f; Hirte ZIP 2008, 444, 445; dagegen Vallender Der Konzern 2013, 162, 164. Vgl Thole KTS 2014, 351, 358: „Prioritätsprinzip mit einer Robustheitsprüfung“.

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Koordinationsverfahrens (§§ 269d–296i), weil für die Einleitung dieses Verfahrens das für die Eröffnung von Gruppen-Folgeverfahren zuständige Gericht als „Koordinationsgericht“ zuständig ist (§ 269d I), was wiederum die Begründung eines Gruppen-Gerichtsstandes nach § 3a I S 1 voraussetzt (§ 269d Rn 12). Gerade in den Fällen, in denen sich eine Verfahrenskonzentration am Gruppen-Ge- 12 richtsstand nicht empfiehlt, kann es jedoch ein Bedürfnis für eine Verfahrenskoordination geben.19 Dagegen gibt es keinen plausiblen Grund, die weniger einschneidenden Handlungsmöglichkeiten nach § 269c und §§ 269d–269i vom Vorliegen der höheren Anforderungen an die Begründung eines Gruppen-Gerichtsstandes abhängig zu machen. Sinnvoll wäre es deshalb gewesen, nicht daran anzuknüpfen, dass tatsächlich ein Gericht durch einen entsprechenden Beschluss einen Gruppen-Gerichtsstand begründet („aktiviert“20) hat, sondern das Gericht für zuständig zu erklären, das nach § 3a I einen Gruppen-Gerichtsstand begründen könnte. Dass es auch de lege lata einen Ausweg aus diesem Dilemma geben kann, zeigen die 13 Überlegungen zum zeitlichen Anwendungsbereich (Rn 3). Danach ist ein Antrag nach § 3a I S 1 in Altfällen auch nach der Eröffnung aller Insolvenzverfahren über gruppenangehörige Schuldner zulässig, obwohl der Beschluss dann zuständigkeitsrechtlich irrelevant ist. In diesem Fall darf der Antrag daher auch nicht mehr nach § 3a II abgelehnt werden. Überträgt man diese Überlegung auf Neufälle, folgt daraus, dass die Schuldner bzw Insolvenzverwalter mit dem Antrag aus § 3a I S 1 so lange warten müssten, bis alle Insolvenzverfahren eröffnet sind. Dann sollte es aber auch möglich sein, bereits vorher einen Antrag nach § 3a I S 1 zu stellen, dem aber keine zuständigkeitsbegründende Wirkung für Gruppen-Folgeverfahren zukommt, sondern nur Wirkungen im Rahmen von §§ 269c I S 1, 269d I.21 Diesen Antrag kann man als „isolierten Koordinationsantrag“ bezeichnen. Einem solchen Antrag kann aber gegenüber Anträgen nach § 3a I S 1, die die Zuständigkeitskonzentration anstreben, keine Priorität zukommen.22 Auch ein isolierter Koordinationsantrag muss grundsätzlich den Anforderungen von 14 § 13a genügen; allerdings können die Angaben zum Nutzen der Verfahrenskonzentration (§ 13a I Nr 2) entfallen, wenn stattdessen darauf hingewiesen wird, dass der Antrag nur der Begründung eines Gerichtsstandes für die Koordination dient. Darüber hinaus muss das Gericht die Möglichkeit haben, auch auf einen vollständigen Antrag nach §§ 3a I S 1, 13a hin nur einen eingeschränkten Beschluss ohne zuständigkeitsbegründende Wirkung für Gruppen-Folgeverfahren zu erlassen, wenn die Voraussetzungen von § 3a II gegeben sind. c) Anhörung. Vor der Entscheidung über den Antrag sind die bis dahin in den Verfah- 15 ren über die anderen gruppenangehörigen Schuldner eingesetzten (vorläufigen) Gläubigerausschüsse anzuhören (§ 269c I 1, III).23 Dies gilt für alle (vorläufigen) Gläubigerausschüsse und damit – wie bei der Antragsbefugnis (Rn 8) – unabhängig von der Bedeutung

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AA BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 7.1; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269c Rn 5. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 8. Ganz ähnlich HK/Specovius InsO9 § 269c Rn 7: Das Gericht, bei dem ein Antrag nach § 269c I gestellt wird, hat nur seine poten-

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tielle Zuständigkeit nach § 3a zu prüfen, muss sich aber nicht für Gruppen-Folgeverfahren für zuständig erklären. Insoweit aA Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 8. Zur Maßgeblichkeit des Entscheidungszeitpunkts vgl Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 9.

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des Schuldners für die gesamte Unternehmensgruppe.24 Die Anhörungspflicht folgt hier aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 III) und nicht aus Art 103 I GG, weil sich dieses grundrechtsgleiche Recht – entsprechend seiner Stellung im IX. Abschnitt über die „Rechtsprechung“ – auf Parteien in einem richterlichen Verfahren bei Ausübung rechtsprechender Gewalt beschränkt25 und die funktionale Zuständigkeit für Entscheidungen nach § 269c primär beim Rechtspfleger liegt (Rn 18). 16 Die Anhörung aller (vorläufigen) Gläubigerausschüsse dient dazu, dass das Gericht die Ermessensentscheidung über den Einsetzungsantrag auf möglichst breiter Informationsbasis treffen und sich insbesondere ein Bild von der Notwendigkeit und Nützlichkeit eines Gruppen-Gläubigerausschusses machen kann.26 Hinsichtlich der Schuldner, die „nicht von offensichtlich untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe“ sind (§ 269c I 2), dient die Anhörung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses ggf der Vorbereitung der Auswahlentscheidung durch Benennung von Kandidaten für den Gruppen-Gläubigerausschuss.27

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d) Entscheidung. Über den Antrag entscheidet das zuständige Insolvenzgericht durch Beschluss. Auch wenn eine Begründung nur bei rechtsmittelfähigen Entscheidungen zwingend erforderlich ist28 und gegen eine richterliche Entscheidung kein Rechtsmittel stattfindet (Rn 30), sollte der Beschluss kurz begründet werden, wenn das Gericht dem Antrag nicht stattgibt. 18 Auf den ersten Blick ist für die Entscheidung nach § 269c I S 1 der Rechtspfleger zuständig, wenn das Ursprungsverfahren bereits eröffnet worden ist; insbesondere wird die Entscheidung nach § 269c I S 1 in § 18 I Nr 3 RPflG nicht erwähnt. Diese funktionale Zuständigkeit wäre für eine gebundene Entscheidung noch hinnehmbar; für die Ermessensentscheidung ist sie dagegen verfehlt. Da methodisch zweifelhaft erscheint, ob sich § 18 I Nr 3 RPflG de lege lata korrigierend auslegen ließe, ist unbedingt anzuraten, dass sich der Richter, der für das Ursprungsverfahren und die Gruppen-Folgeverfahren zuständig ist, die Entscheidung vorbehält (§ 18 II 1 RPflG). 19 Die Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses als Kollektivorgan setzt zwingend voraus, dass dieser mindestens zwei Mitglieder hätte. Diese Voraussetzung ist zwar prima facie schon dann gegeben, wenn nur in einem Insolvenz(eröffnungs)verfahren über einen gruppenangehörigen Schuldner, der „nicht von offensichtlich untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe“ ist (§ 269c I 2), ein (vorläufiger) Gläubigerausschuss eingesetzt worden ist, weil nunmehr stets ein weiteres Mitglied aus dem Kreis der Arbeitnehmervertreter zu bestimmen ist (§ 269c I 3). Diese Erweiterung des GruppenGläubigerausschusses um einen Arbeitnehmervertreter (Rn 23) war aber nicht dazu bestimmt, die Einsetzung des Ausschusses auf solche Verfahren zu erweitern, in denen dort nur ein (vorläufiger) Gläubigerausschuss repräsentiert würde. Daher setzt die Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses immer voraus, dass mindestens zwei (vorläufige) Gläubigerausschüsse ein Mitglied des Gruppen-Gläubigerausschusses stellen.29 24 25

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So auch FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 11. Vgl BVerfGE 101, 397, 404 f, dort zu Verfahren vor dem Rechtspfleger; aA Jaeger/ Schilken InsO § 64 Rn 9. Vgl Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/ 407 S 34; FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 12; Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 85.

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Vgl Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 9. Vgl MünchKomm/Musielak ZPO5 § 329 Rn 4. So auf der Grundlage von § 269c I RegE auch Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 90; Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 8.

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§ 269c

Bei der Frage, ob ein Gruppen-Gläubigerausschuss eingesetzt werden soll, steht dem 20 Insolvenzgericht ein Entschließungsermessen zu („kann … einsetzen“). Insoweit unterscheidet sich § 269c I S 1 von § 269c I DiskE KIG, der jedenfalls nach seiner Formulierung („setzt … ein“) eine gebundene Entscheidung suggeriert hat.30 Die Ausübung des Ermessens muss sich am übergeordneten Zweck des Konzerninsolvenzrechts orientieren, einen möglichen konzernübergreifenden Mehrwert zugunsten der Gläubiger aller gruppenangehörigen Schuldner zu realisieren (§ 269a Rn 13).31 Überwiegen dabei die von dem Gruppen-Gläubigerausschuss zu erwartenden Vorteile die Kosten und mögliche sonstige Nachteile, ist der Ausschuss einzusetzen. Da das Gericht keinen Einfluss auf die Größe des Ausschusses hat (s Rn 22), spielt bei der Entscheidung, ob ein Gruppen-Gläubigerausschuss eingesetzt wird, die Frage seiner Handlungsfähigkeit eine wesentliche Rolle.32 Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob die ggf zu beteiligenden (vorläufigen) Gläubigerausschüsse ohnehin weitgehend personenidentisch besetzt sind. Ist dies der Fall, wird kaum Bedarf für die Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses bestehen. Schließlich kann die Entscheidung davon abhängen, ob ein Koordinationsverfahren eingeleitet werden soll, weil dem Gruppen-Gläubigerausschuss insoweit wesentliche Befugnisse bei der Auswahl des Verfahrenskoordinators (§§ 269e II, 269f III, 56a II) (§ 269e Rn 14 f) und bei der Annahme eines Koordinationsplans zustehen (§ 269h I 2) (§ 269h Rn 25 ff). Dagegen sind die Aufgaben außerhalb eines Koordinationsverfahren recht bescheiden (§ 269c II 1), so dass sich der Aufwand vielfach nicht lohnen wird (Rn 38). e) Besetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses. Mit der Entscheidung über die Ein- 21 setzung des Gruppen-Gläubigerausschusses hat das Insolvenzgericht ggf auch über dessen Größe und personelle Besetzung zu entscheiden.33 aa) Ausschussgröße. Die Größe des Gruppen-Gläubigerausschusses ist durch § 269c I 22 S 2, 3 gesetzlich bindend vorgegeben. Danach stellt zum einen jeder (vorläufige) Gläubigerausschuss eines gruppenangehörigen Schuldners, der nicht von offensichtlich untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe ist, ein Mitglied des GruppenGläubigerausschusses (§ 269c I 2). Dass hier der vorläufige Gläubigerausschuss explizit genannt wird, ist angesichts der allgemeinen Gleichstellung nach § 269c III überflüssig. Im Übrigen kann auf die Frage, wann ein Gruppenmitglied nicht von offensichtlich untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe ist, auf § 3a I S 2 verwiesen werden, der – nach der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses34 – im Regelfall neben dem prozentualen Anteil der Arbeitnehmer alternativ auf die Beteiligung an der Konzernbilanzsumme oder am Konzernumsatz abstellt. Dass die Zahl der Vertreter im GruppenGläubigerausschuss nicht von der Bedeutung des jeweiligen Schuldners für die gesamte Unternehmensgruppe abhängt, wird mit der rein unterstützenden Aufgabe des Ausschusses erklärt.35 Allerdings reichen die Befugnisse des Gruppen-Gläubigerausschusses im Koordinationsverfahren wesentlich darüber hinaus (Rn 40).

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31 32

In diesem Sinne FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 9 f; Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 85. Vgl Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/ 407 S 34. Vgl BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 16; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269c Rn 11; Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 91; Braun/Fendel

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InsO7 § 269c RegE Rn 6; aA FK/WimmerAmend InsO9 § 269c Rn 17. Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/407 S 34. Ber BT-RA zu RegE KIG § 3a, BT-Drucks 18/ 11436 S 21. So Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/407 S 34.

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Zum anderen ist als weiteres Mitglied des Gruppen-Gläubigerausschusses ein Vertreter der Arbeitnehmer zu bestimmen. Das gilt auch dann, wenn ein (vorläufiger) Gläubigerausschuss bereits von einem Arbeitnehmervertreter repräsentiert wird.36 Diese ebenfalls auf Empfehlung des Rechtsausschusses37 getroffene Regelung, die an § 67 II S 2 anknüpft, dürfte vor dem Hintergrund von § 21 II S 1 Nr 1a zu sehen sein, der bekanntlich nicht auf § 67 III verweist.38 Würde der Gruppen-Gläubigerausschuss nur mit Mitgliedern vorläufiger Gläubigerausschüsse besetzt, könnte ein Gewerkschaftsvertreter nicht bestellt werden.

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bb) Auswahl der Mitglieder. § 269c I S 1 gibt dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands nicht ausdrücklich die Befugnis, die Mitglieder des Gruppen-Gläubigerausschusses zu bestimmen, sondern spricht nur davon, dass das Gericht den Ausschuss „einsetzt“. Nach § 269c I S 2 „stellt“ hingegen jeder (vorläufige) Gläubigerausschuss eines gruppenangehörigen Schuldners, der nicht von offensichtlich untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe ist, ein Mitglied, was man auch dahin verstehen könnte, die Bestimmung „ihres“ Mitglieds stünde den einzelnen (vorläufigen) Gläubigerausschüssen zu. Allerdings zeigt ein Vergleich mit §§ 67 I, 68, dass die „Einsetzung“ des Ausschusses auch die Bestimmung der Ausschussmitglieder beinhaltet. Dementsprechend ging der Gesetzgeber auch bei § 269c I S 1 erkennbar von einer Bestimmung der Mitglieder des Gruppen-Gläubigerausschusses durch das Gericht aus;39 ein Gegenvorschlag zum DiskE, der die Bestimmung den einzelnen (vorläufigen) Gläubigerausschüssen überlassen wollte, ist nicht aufgegriffen worden.40 Dass die einzelnen (vorläufigen) Gläubigerausschüsse die Mitglieder „stellen“, beschreibt damit nur die Ausschussgröße.41 25 Für die Auswahl der Mitglieder des Gruppen-Gläubigerausschusses macht § 269c I S 2, 3 bewusst keine Vorgaben, weil die (vorläufigen) Gläubigerausschüsse, „über deren Zusammensetzung jeweils auf der Ebene der einzelnen Verfahren entschieden worden ist, über ihren Vertreter als Gremium im Gruppen-Gläubigerausschuss repräsentiert“ seien.42 Das Gericht hat deshalb grundsätzlich ein weitgehendes Auswahlermessen, wen es als Vertreter für die jeweiligen (vorläufigen) Gläubigerausschüsse bestimmt.43 26 Leitlinie für die Ausübung dieses Ermessens ist einerseits das gemeinsame Interesse aller Konzerngläubiger, weil die Bestellung des Gruppen-Gläubigerausschusses gerade einen Mehrwert für den Konzern als Ganzes bewirken soll. Das hat zur Folge, dass das Gericht die Mitglieder der zu beteiligenden (vorläufigen) Gläubigerausschüsse so auszuwählen hat, dass möglichst alle Gläubigergruppen aller gruppenangehörigen Schuldner vertreten sind, um die Akzeptanz der Beschlüsse des Gruppen-Gläubigerausschusses zu sichern.44 Das gilt

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So Ber BT-RA zu RegE KIG § 269e, BTDrucks 18/11436 S 22; unentschieden Nerlich/Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269b Rn 7. Ber BT-RA zu RegE KIG § 269e, BTDrucks 18/11436 S 22. Zur Kritik vgl etwa MünchKomm/Haarmeyer InsO3 § 22a Rn 51; aus Gewerkschaftssicht vgl Wroblewski AuR 2012, 188, 190 f. Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/407 S 34: „Das Insolvenzgericht entscheidet bei der Beschlussfassung über die Bestellung eines Gruppen-Gläubigerausschusses zugleich über dessen Besetzung.“

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Nach Berner/Bartelheimer/Schiebe ZInsO 2013, 434, 437 sollten die Vertreter der Gläubigerausschüsse von diesen mit 2/3 Mehrheit gewählt werden. AA offenbar BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 13 aE; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269c Rn 8 aE. So Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/407 S 34. FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 25. Vgl zum Akzeptanzaspekt Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/407 S 34.

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Zusammenarbeit der Gläubigerausschüsse

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insbesondere auch im Hinblick auf diejenigen gruppenangehörigen Schuldner, die wegen ihrer geringen Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe kein Mitglied im GruppenGläubigerausschuss stellen. Andererseits muss das Gericht bei der Auswahl besonders auf die Interessen der Gläubi- 27 ger des jeweiligen Insolvenzverfahrens Rücksicht nehmen, für dessen Gläubigerausschuss es den konkreten Vertreter bestimmt.45 Dies folgt schon aus dem Erfordernis der Anhörung (§ 269c I 1), die anderenfalls zur bloßen Formalie würde.46 Insbesondere können die Gläubigerausschüsse im Rahmen ihrer Anhörung Besetzungsvorschläge machen,47 die das Gericht bei seiner Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat. Bei einem einstimmigen Vorschlag eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses48 ist sogar eine Reduktion des Auswahlermessens auf Null zu erwägen, weil dann eine Benachteiligung der Gläubiger im jeweiligen Insolvenzverfahren ausgeschlossen erscheint.49 Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Interessen der anderen gruppenangehörigen Schuldner der Bestellung der jeweiligen Person nicht entgegenstehen. Andererseits kann das Gericht an den Vorschlag nicht gebunden sein, wenn die Besetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses nicht den gesetzlichen Vorgaben in § 269c I S 2 entsprechen würde, weil zwei (vorläufige) Gläubigerausschüsse, die (teilweise) personenidentisch sind, dieselbe Person vorgeschlagen haben.50 Darüber hinaus muss es sich um Personen handeln, die grundsätzlich auch Mitglied in einem (vorläufigen) Gläubigerausschuss sein könnten. Das ist etwa bei juristischen Personen nicht der Fall.51 Das Gesetz gibt keine Antwort auf die Frage, ob die (vorläufigen) Gläubigerausschüsse 28 nur von einem ihrer Mitglieder vertreten werden können oder auch von Dritten. Aus dem Gesamtzusammenhang wird jedoch deutlich, dass der Gesetzgeber von der Mitgliedschaft der Vertreter der (vorläufigen) Gläubigerausschüsse in dem entsprechenden Ausschuss ausgeht.52 Allerdings sind keine Gründe ersichtlich, weshalb sich ein (vorläufiger) Gläubigerausschuss im Gruppen-Gläubigerausschuss nicht auch von einem Dritten vertreten lassen kann.53 Jedenfalls wenn ein einstimmiger Beschluss eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses vorliegt, dass er sich von einem Dritten vertreten lassen möchte, kommt auch hier eine

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Dieser Interessenkonflikt entspricht letztlich demjenigen, in dem sich auch die einzelnen Mitglieder des Gruppen-Gläubigerausschusses befinden. Vgl dazu Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 129. In diesem Sinne auch Wimmer jurisPRInsR 20/2013 Anm 1. So Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/407 S 34; ebenso FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 14. Eine einfache Mehrheit ist nach § 72 schon für einen Besetzungsvorschlag im Rahmen der Anhörung erforderlich. Für Bindung auch an Mehrheitsbeschlüsse wohl BeckOK/ Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 13; BK/ Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269c Rn 8. Für eine solche Bindung FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 39; Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 111; aA Harder/Lojowski NZI 2013, 327, 330. BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 17 bzw BK/Flöther/Gelbrich InsO66

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(Stand: IV/2018) § 269c Rn 12 halten hingegen ein solches Vorgehen bei größeren Konzernen für wünschenswert und zulässig; entsprechend wäre dann auch eine Bindung des Gerichts denkbar. Das führt allerdings zu Problemen beim Stimmrecht (vgl aaO Rn 24.1 und unten Rn 44) und bei der Vergütung (vgl aaO Rn 29 f und unten Rn 43). Vgl dazu iE Jaeger/Gerhardt InsO § 67 Rn 26 ff. Vgl in diesem Sinne auch Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 94 f; FK/WimmerAmend InsO9 § 269c Rn 23. Vgl in diesem Sinne Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 6; wie hier auch Kübler/ Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 12, der noch auf § 67 III hinweist; aA BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 17 f; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269c Rn 10; Mückl/Götte ZInsO 2017, 623, 627.

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Reduktion des Auswahlermessens auf Null in Betracht.54 Da niemand zur Übernahme des Amtes verpflichtet ist,55 kann die Bestellung eines Dritten sogar der einzige Weg sein, den Vorgaben von § 269c I S 2 zu genügen. 29 Zur Auswahl des Arbeitnehmervertreters macht das Gesetz selbst keine Vorgaben. Insbesondere muss der Vertreter nicht selbst Gläubiger sein oder einen Gläubiger repräsentieren.56 Bei der Auswahl eines Gewerkschaftsvertreters muss das Gericht möglicherweise unter mehreren, in den Betrieben der gruppenangehörigen Schuldner vertretenen Gewerkschaften wählen. Leitlinie sollte dann sein, welche Gewerkschaft gruppenübergreifend die meisten Arbeitnehmer repräsentiert.57

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f) Rechtsmittel und erneuter Antrag. Gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts findet die sofortige Beschwerde nur statt, wenn dies im Einzelfall vorgesehen ist (§ 6 I). Dies ist in § 269c I S 1 nicht der Fall, so dass weder gegen eine stattgebende noch eine ablehnende Entscheidung ein Rechtsmittel eröffnet ist.58 Ist die Entscheidung allerdings vom Rechtspfleger erlassen worden, findet die Rechtspflegererinnerung statt (§ 11 II RPflG). Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung, keinen Gruppen-Gläubigerausschuss einzusetzen, steht einem erneuten Antrag nicht entgegen. Insbesondere wenn sich die Einschätzung der Nützlichkeit eines solchen Ausschusses durch neue Entwicklungen geändert hat, kann das Gericht ihn auf einen erneuten Antrag hin einsetzen.59 2. Änderung der Besetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses

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Auch nach der Einsetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses kann sich dessen Besetzung ändern.

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a) Ausscheiden von Ausschussmitgliedern. Zum einen kann es – neben dem natürlichen Fall des Todes – rechtlich zwingende Gründe für das Ausscheiden von Ausschussmitgliedern geben. Zu denken ist dabei an folgende Szenarien: Bei einem gruppenangehörigen Schuldner, der nicht von offensichtlich untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe ist, beschließt die Gläubigerversammlung, einen vom Gericht eingesetzten Gläubigerausschuss nicht beizubehalten (§ 68 I 2);60 die Gläubigerversammlung wählt ein vom Gericht ernanntes Mitglied des Gläubigerausschusses ab (§ 68 II);61 die Gruppenzugehörigkeit eines Schuldners endet insbesondere durch einen Share deal (vgl § 269a Rn 14); das Insolvenzverfahren über einen gruppenangehörigen Schuldner wird mangels Eröffnungsgrund (§ 16) oder mangels Masse nicht eröffnet (§ 26), etwa nach Bestätigung eines Insolvenzplans aufgehoben (§§ 258 I, 259 I 1) oder nach Anzeige der Masseunzulänglich54

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Auch Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 96 betont in diesem Zusammenhang, dass das Gericht gegen den Willen eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses keinen Vertreter im Gruppen-Gläubigerausschuss bestellen repräsentieren darf. Vgl FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 25; zu § 67 entsprechend Jaeger/Gerhardt InsO § 67 Rn 10. AA BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 21; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269c Rn 15. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 13 plädiert dafür, § 269c

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I 2 analog anzuwenden, so dass der Arbeitnehmervertreter nicht die Arbeitnehmer eines Schuldners von offensichtlich untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe repräsentieren darf. So auch FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 31. Vgl Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 100; Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 14. Diesen Fall erwähnt auch FK/WimmerAmend InsO9 § 269c Rn 33. Ebenso FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 34.

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keit eingestellt (§ 211); ein gruppenangehöriger Schuldner hat etwa in Folge einer Betriebsstilllegung nur noch untergeordnete Bedeutung für die Unternehmensgruppe. In allen diesen Fällen entspricht die Zusammensetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses nicht mehr den gesetzlichen Vorgaben in § 269c I S 2, es sei denn, im zweiten Fall beschließt der Gläubigerausschuss einstimmig, sich auch weiterhin von der nunmehr ausschussfremden Person im Gruppen-Gläubigerausschuss vertreten zu lassen (s Rn 28). Allerdings kann dies – außer im Falle des Todes – nicht dazu führen, dass die Mitglied- 33 schaft im Gruppen-Gläubigerausschuss ipso iure endet.62 Da sie durch den Beschluss nach § 269c I S 1 begründet worden ist, muss sie vielmehr durch einen actus contrarius beendet werden.63 Daher stellen die hier genannten Ereignisse einen wichtigen Grund iSv §§ 269c II S 2, 70 S 1 dar, der das Insolvenzgericht berechtigt und verpflichtet, das betroffene Mitglied des Gruppen-Gläubigerausschusses von Amts wegen nach Anhörung zu entlassen (§§ 269c II 2, 70 S 2, 3 Hs 1). Der Beschluss unterliegt zwar der sofortigen Beschwerde (§§ 269c II 2, 70 S 3 Hs 2); diese hat aber keine aufschiebende Wirkung (§ 4 iVm § 570 I ZPO),64 so dass die Entlassung mit der Zustellung des Beschlusses an das betroffene Mitglied des Gruppen-Gläubigerausschusses wirksam wird (§ 4 iVm § 329 III ZPO).65 Schließlich scheiden Mitglieder aus dem Gruppen-Gläubigerausschuss aus, wenn sie 34 aus einem anderen wichtigen Grund entlassen werden (§§ 269c II 2, 70 S 1).66 Zu denken ist dabei insbesondere an Pflichtverletzungen wie die wiederholte Nichtteilnahme an Sitzungen, die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder die einseitige Verfolgung eigener Interessen.67 Die Entlassung kann stets von Amts wegen durch das Gericht des GruppenGerichtsstandes erfolgen, das den Ausschuss eingesetzt hat (§§ 269c II 2, 70 S 2). Daneben führt die Verweisung auf § 70 S 2 zu einem Antragsrecht der Gläubigerversammlung, bei der es sich nur um die Versammlung der Gläubiger des Schuldners handeln kann, den das Mitglied repräsentiert.68 Allerdings passt die Verweisung nicht richtig, weil das Antragsrecht in § 70 S 2 das Bestimmungsrecht in § 68 II ergänzt. Ein solches Bestimmungsrecht der jeweiligen Gläubigerversammlung besteht für den Gruppen-Gläubigerausschuss jedoch nicht. Sinnvoller, aber de lege lata kaum begründbar, wäre daher ein Antragsrecht des jeweiligen (vorläufigen) Gläubigerausschusses. Beim Arbeitnehmervertreter iSv § 269c I S 3 kommt ein Antrag einer Gläubigerversammlung bzw eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses dagegen nicht in Betracht, weil dieser keinen konkreten Schuldner repräsentiert. Dagegen haben auch die Mitglieder des Gruppen-Gläubigerausschusses nicht die Mög- 35 lichkeit, ihr Amt einseitig niederzulegen.69 Ihnen bleibt damit nur, die Entlassung aus wichtigem Grund selbst zu beantragen (§§ 269c II 2, 70 S 1, 2). Da der Gruppen-Gläubigerausschuss seine Aufgaben aber kaum wird wahrnehmen können, wenn ein Mitglied nicht mehr 62

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So aber Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 101 bei § 70; Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 11 zu § 68. So auch FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 33. Vgl nur MünchKomm/Ganter/Lohmann InsO3 § 6 Rn 51. Vgl nur Jaeger/Gerhardt InsO § 70 Rn 14. Ebenso BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 33; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269c Rn 25. Vgl FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 46; Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 132; Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE

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Rn 36; zu den Mitgliedern der Gläubigerausschüsse vgl entsprechend Jaeger/Gerhardt InsO § 70 Rn 7. FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 48; BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 33; HK/Specovius InsO9 § 269c Rn 15; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 17. Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 35; FK/ Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 47; Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 133; HK/Specovius InsO9 § 269c Rn 15; zu den Mitgliedern der Gläubigerausschüsse vgl entsprechend Jaeger/Gerhardt InsO § 70 Rn 19.

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zur ersthaften Mitarbeit bereit ist, sollten an die Darlegung der Gründe, aus denen ein Mitglied ausscheiden möchte, keine strengen Anforderungen gestellt werden. Wird ein Mitglied des Gruppen-Gläubigerausschuss aus dem Amt entlassen, hat dies nicht zwangsläufig auch die Entlassung aus dem einzelnen (vorläufigen) Gläubigerausschuss zur Folge.70

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b) Ernennung neuer Ausschussmitglieder. Zum anderen kann es Gründe für die Ernennung neuer Ausschussmitglieder geben. So ist bei einer bloßen Abwahl nach § 68 II gleichzeitig von Amts wegen ein Ersatzmitglied zu bestellen.71 Dasselbe gilt, wenn das Insolvenzgericht ein Mitglied des Gruppen-Gläubigerausschusses aus wichtigem Grund entlässt und der (vorläufige) Gläubigerausschuss aber weiterhin im Gruppen-Gläubigerausschuss vertreten sein muss. Zu denken ist auch an den Fall, dass bei einem gruppenangehörigen Schuldner, der nicht von offensichtlich untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe ist, später ein (vorläufiger) Gläubigerausschuss eingesetzt wird (§§ 21 II 1 Nr 1a, 67 I, 68 I 1).72 Schließlich können bei einem gruppenangehörigen Schuldner etwa durch die Betriebsstilllegung bei anderen Schuldnern die Voraussetzungen von § 3a I S 2 wegfallen. Auch in diesen Fällen entspricht die Zusammensetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses nicht mehr den gesetzlichen Vorgaben in § 269c I S 2. Allerdings obliegt es in diesem Fall dem neu eingesetzten bzw dem nunmehr bedeutsamen (vorläufigen) Gläubigerausschuss, beim Insolvenzgericht die Nachbenennung eines Mitglieds zu beantragen.73 3. Auflösung des Gruppen-Gläubigerausschusses

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Die Szenarien, die zur Änderung der Besetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses führen, können ggf auch in dessen Auflösung münden.74 Dies gilt zum einen, wenn in einem Fall von § 68 I S 2 nur zwei (vorläufige) Gläubigerausschüsse im Gruppen-Gläubigerausschuss vertreten waren. Da in einem solchen Fall die Voraussetzungen für die Einsetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses (Rn 19) weggefallen sind, ist er von Amts wegen aufzulösen.75 Müsste der Gruppen-Gläubigerausschuss dagegen vergrößert werden, weil neue (vorläufige) Gläubigerausschusse zu repräsentieren wären, kann das Gericht zum Ergebnis kommen, dass der Gruppen-Gläubigerausschusses aufgrund einer oder mehrerer Nachbesetzungen zu groß würde, um seine Aufgaben wahrzunehmen. Auch in diesem Fall muss es die Möglichkeit haben, den Ausschuss aufzulösen, da eine Begrenzung der Größe als (vermeintlich?) milderes Mittel gesetzlich nicht vorgesehen ist. 4. Aufgaben des Gruppen-Gläubigerausschusses

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a) Unterstützung der Insolvenzverwalter und der Gläubigerausschüsse. Die primäre Aufgabe des Gruppen-Gläubigerausschusses besteht in der Unterstützung der (vorläufi70 71

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FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 50. Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 98 hält dagegen einen Antrag des Gläubigerausschusses für erforderlich. Diesen Fall erwähnten auch BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 32 bzw BK/ Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269c Rn 26 und FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 32. So auch Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 102; Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 15.

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Unentschlossen noch Kübler/Prütting/Bork/ Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 14; einschränkend BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 34; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269c Rn 28 mit Fn 26. Vgl auch Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 101; Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 16.

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Zusammenarbeit der Gläubigerausschüsse

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gen) Insolvenzverwalter bzw der Schuldner in Eigenverwaltung und der (vorläufigen) Gläubigerausschüsse in den einzelnen Verfahren, um eine abgestimmte Abwicklung dieser Verfahren zu erleichtern (§ 269c II 1). Wird ein Koordinationsverfahren eröffnet, besteht diese allgemeine Aufgabe auch gegenüber dem Verfahrenskoordinator.76 Bei ihrer Tätigkeit haben die Mitglieder des Gruppen-Gläubigerausschusses das Interesse aller gruppenangehörigen Gläubiger zu wahren und nicht einseitig die Interessen der Gläubiger in „ihrem“ Verfahren zu vertreten; aus diesem Grund sind sie von Weisungen des von ihnen repräsentierten (vorläufigen) Gläubigerausschusses unabhängig.77 Da die gesamten Regelungen in §§ 269a ff darauf abzielen, einen möglichen konzernübergreifenden Mehrwert zugunsten der Gläubiger aller gruppenangehörigen Schuldner zu realisieren (§ 269a Rn 13) und nicht zulasten der Gläubiger einzelner Verfahren zu agieren, dürfte der mögliche Interessenkonflikt letztlich gering sein. Wie der Gruppen-Gläubigerausschuss diese Aufgabe wahrnimmt, bleibt ihm überlas- 39 sen. Jedoch folgt aus der rein unterstützenden Tätigkeit, dass der Gruppen-Gläubigerausschuss keinerlei Weisungsrecht gegenüber den genannten anderen Akteuren hat.78 Schon deshalb können Beschlüsse des Gruppen-Gläubigerausschusses die Insolvenzverwalter und ggf den Verfahrenskoordinator haftungsrechtlich nicht entlasten.79 Auch Kontroll- und Prüfpflichten wie nach § 69 oder Zustimmungsvorbehalte wie nach § 160 bestehen für den Gruppen-Gläubigerausschuss nicht. Ihm steht daher nur die „Macht des Wortes“ zu, indem er inhaltlich überzeugende Entscheidungen vorschlägt. Für das Zustandekommen derartiger Vorschläge gilt das Mehrheitsprinzip nach §§ 269c II S 2, 72 (Rn 44 ff). b) Besondere Aufgaben in Koordinationsverfahren. Besondere Aufgaben hat der 40 Gruppen-Gläubigerausschuss im Koordinationsverfahren sowohl bei der Auswahl des Verfahrenskoordinators (§§ 269e II, 269f III, 56a II) (§ 269e Rn 13 f) als auch bei der Annahme eines Koordinationsplans (§ 269h I 2) (§ 269h Rn 26 ff). Das Recht, ein Koordinationsverfahren zu beantragen, steht dem Gruppen-Gläubigerausschuss de lege lata nicht zu (§ 269d II) (§ 269d Rn 16). 5. Entsprechend anwendbare Regelungen über den Gläubigerausschuss § 269c II S 2 erklärt mit den Regelungen zur Entlassung (§ 70) (Rn 34 f), zur Haftung 41 für schuldhafte Pflichtverletzungen (§ 71) und zur Vergütung (§ 73) wesentliche Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Mitglieder der Gläubigerausschüsse auf die Mitglieder des Gruppen-Gläubigerausschusses für entsprechend anwendbar. Bei der Haftung ist zu bedenken, dass die besonders haftungsträchtigen Kontroll- und 42 Prüfpflichten (§ 69)80 nicht bestehen. Dass die Mitglieder des Gruppen-Gläubigerausschusses durch schuldhafte Verletzung ihrer allgemeinen Unterstützungspflicht den in § 71 genannten absonderungsberechtigten Gläubigern oder den Insolvenzgläubigern in einem Verfahren über das Vermögen eines gruppenangehörigen Schuldners nachweisbar einen Schaden zufügen, ist kaum vorstellbar. Am ehesten ist an die schuldhaft pflichtwidrige Verweigerung der Zustimmung zu einem Koordinationsplan zu denken (§ 269h I 2). An-

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So Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/407 S 34. Vgl Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 129; HK/Specovius InsO9 § 269c Rn 11. Vgl FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 35; Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4

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Rn 116; Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 22. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 15. Vgl dazu insbesondere BGHZ 202, 324 Rn 15 ff.

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spruchsberechtigt sind dann ggf – wie beim Verfahrenskoordinator (§ 269f Rn 28) alle Beteiligten der Insolvenzverfahren über das Vermögen gruppenangehöriger Schuldner.81 43 Bei der Vergütung (§§ 269 II 2, 73), die sich bei Mitgliedern eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses grundsätzlich nach Stunden richtet (§ 17 I 1 InsVV),82 wird die Tätigkeit des Vertreters eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses wie eine Tätigkeit in dem von ihm repräsentierten Ausschuss behandelt (§ 269c II 3). Daraus folgt, dass nur ein einheitlicher Vergütungsanspruch besteht83 und der Rechtspfleger bei der Festsetzung der Vergütung im jeweiligen Insolvenzverfahren (§§ 269c II 2, 73 II, 64 I) auf schriftlichen Antrag des Ausschussmitglieds die im Gruppen-Gläubigerausschuss geleistete Tätigkeit mit zu berücksichtigen hat. Der auf die im Gruppen-Gläubigerausschuss geleistete Tätigkeit entfallene Teil der Vergütung der Mitglieder der (vorläufigen) Gläubigerausschüsse ist damit Teil der Massekosten iSv § 54 Nr 2. Lässt man ausnahmsweise zu, dass sich ein (vorläufiger) Gläubigerausschuss von einem Dritten repräsentieren lässt (Rn 28), muss dieser die Festsetzung seiner Vergütung in dem Insolvenzverfahren beantragen, dessen (vorläufigen) Gläubigerausschuss er vertreten hat; insoweit ist § 54 Nr 2 entsprechend anzuwenden. 44 Auch für den Grundsatz der Mehrheitsentscheidungen verweist § 269c II S 2 auf den Gläubigerausschuss (§ 72).84 Danach genügt die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn die Mehrheit der Mitglieder an der Beschlussfassung teilgenommen hat. Bei Stimmengleichheit kommt kein Beschluss zustande.85 Da jedes Mitglied nur einen (vorläufigen) Gläubigerausschuss repräsentieren kann und alle Schuldner unabhängig von der Bedeutung für die Unternehmensgruppe gleichbehandelt werden, hat jedes Mitglied eine Stimme.86 45 Stimmenthaltungen sind möglich.87 Das bedeutet, dass Mitglieder, die sich der Stimme enthalten, bei der Feststellung des Quorums mitgezählt werden, weil sie an der Beschlussfassung teilgenommen haben; dagegen werden sie bei der Feststellung der Mehrheit nicht mitgezählt, weil sie ihre Stimme nicht abgegeben haben.88 Dasselbe gilt für Mitglieder, die eine ungültige Stimme abgeben oder die an der Sitzung des Gruppen-Gläubigerausschusses zwar (physisch) teilnehmen, aber ihre Stimme nicht abgeben. Bei einer offenen Abstimmung durch Handzeichen ist dies der Fall, wenn sich das Mitglied auch bei der Frage nach den Enthaltungen nicht meldet. Wenn Mitglieder vor der Abstimmung den Raum verlassen, haben sie dagegen an der Beschlussfassung nicht teilgenommen und werden auch beim Quorum nicht mitgezählt. Daher sollte im Protokoll ausdrücklich vermerkt werden, wie viele Mitglieder anwesend waren, ohne ihre Stimme abzugeben. In Anlehnung an ein bekanntes Beispiel89 bedeutet das konkret: Hat der Gruppen-Gläubigerausschuss neun Mitglieder, von denen fünf an der Sitzung teilnehmen, einer seine Stimme nicht abgibt, sich ei-

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Vgl FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 54; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 18. Zum Anspruch auf Vorschuss analog § 9 InsVV vgl nur MünchKomm/Stephan InsO3 § 17 InsVV Rn 29 (§ 269 Rn 11). Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 137; Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 38; HK/Specovius InsO9 § 269c Rn 19; aA FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 65. Krit hierzu Andres/Möhlenkamp BB 2013, 579, 586.

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HK/Specovius InsO9 § 269c Rn 14; MünchKomm/Schmidt-Burgk InsO3 § 72 Rn 17. Wie hier FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 61; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 20; aA BeckOK/ Gelbrich/Flöther InsO10 § 269c Rn 24.1. Vgl Jaeger/Gerhardt InsO § 72 Rn 11; Uhlenbruck/Knof InsO14 § 72 Rn 8. So auch HK/Specovius InsO9 § 269c Rn 14. Vgl Jaeger/Weber KO8 § 90 Anm 2; Jaeger/ Gerhardt InsO § 72 Rn 7.

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ner seiner Stimme ausdrücklich enthält, einer mit „nein“ stimmt und zwei mit „ja“, ist der Beschluss gefasst. Hat das Mitglied, das seine Stimme nicht abgegeben hat, vor der Abstimmung den Sitzungsraum verlassen, ist dagegen das erforderliche Quorum verfehlt, so dass ein gleichwohl gefasster Beschluss ungültig wäre. Am Umlaufverfahren sind dagegen stets alle Mitglieder des Gruppen-Gläubigeraus- 46 schusses zu beteiligen, so dass das Gremium stets beschlussfähig ist. Äußert sich ein Mitglied im Umlaufverfahren nicht, ist dies als Enthaltung zu werten. Für die Beschlussfassung ist daher nur erforderlich, dass mehr Mitglieder mit „ja“ stimmen als mit „nein“. Hält man auch Telefon- oder Videokonferenzen für zulässig,90 sind diese dagegen nicht wie Umlaufverfahren zu behandeln. Vielmehr muss dabei wie bei Präsenzsitzungen die Hälfte der Mitglieder teilnehmen. Im Übrigen hat sich der Gruppen-Gläubigerausschuss wie jeder (vorläufige) Gläubiger- 47 ausschuss selbst zu organisieren und sich dazu insbesondere eine Geschäftsordnung zu geben.91 Darin sind Fragen der Leitung des Ausschusses, des Protokolls, der Gründe für die Einberufung der Sitzungen, der Ladungsfrist92 sowie der Abstimmung im Umlaufverfahren und durch schriftliche Stimmabgabe bei Verhinderung (vgl § 108 III AktG) zu regeln. Wird ein Koordinationsverfahren eröffnet, sollte dem Koordinationsgericht (§ 269d I) und dem Verfahrenskoordinator das Recht zustehen, den Gruppen-Gläubigerausschuss einzuberufen.93 6. Kooperationspflichten der Gläubiger Ob sich aus allgemeinen Normen eine Pflicht zur Kooperation der (vorläufigen) Gläu- 48 bigerausschüsse untereinander ergibt, hat der Gesetzgeber bewusst offengelassen.94 Auch wenn er Kooperationspflichten und Mehrheitsbeschlussbefugnissen im Bereich der außergerichtlichen Sanierung skeptisch gegenüber steht (vgl dazu § 254 Rn 23), stellt sich die Rechtslage im Konzern insoweit anders dar, als bereits die Zugehörigkeit zur Unternehmensgruppe eine rechtliche Verbindung zwischen den Schuldnern schafft und Kooperationspflichten zwischen den Insolvenzverwaltern bestehen (§ 269a). Soweit sich daraus etwa die Pflicht zur gemeinsamen Veräußerung von Gegenständen verschiedener Massen ergibt (§ 269a Rn 27), wäre es daher ungereimt, wenn der Gläubigerausschuss bei der Entscheidung über die Zustimmung zu dieser Transaktion (§ 160 II Nr 1) nicht derselben Pflichtenbindung unterstehen würde.

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Vgl Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 125; FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 62. FK/Wimmer-Amend InsO9 § 269c Rn 59; Flöther/Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 117; zum Gläubigerausschuss vgl nur Jaeger/Gerhardt InsO § 72 Rn 3. In Anlehnung an § 51 I 2 GmbHG hat die Frist mindestens eine Woche zu betragen; diese Frist wird auch für die Einberufung von Aufsichtsräten für hinreichend gehalten. Vgl dazu etwa MünchKomm/Habersack AktG4 § 110 Rn 16. Vgl Braun/Fendel InsO7 § 269c RegE Rn 29. So Begr RegE KIG § 269c, BT-Drucks 18/407 S 35. Begr DiskE KIG § 269c weist in diesem

Zusammenhang noch auf § 242 BGB oder „gesellschaftsähnliche Verbindungen“ hin, womit offensichtlich auf Eidenmüller ZHR 2005, 528, 556 verwiesen wird. Gegen bürgerlich-rechtliche Kooperationspflichten aus einer solchen gesellschaftsähnlichen Verbindung ua Brünkmans Koordinierung von Insolvenzverfahren, S 114 ff. Für derartige Kooperationspflichten dagegen Becker Kooperationspflichten, Rn 528 ff. Für eine solche Kooperationspflicht de lege ferenda Fölsing ZInsO 2013, 413, 419. Abl auf dem Boden des KIG jetzt Kübler/Prütting/Bork/ Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269c Rn 21 ff.

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Siebter Teil. Koordinierung der Verfahren

ZWEITER ABSCHNITT Koordinationsverfahren

§ 269d Koordinationsgericht (1) Wird über die Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern die Eröffnung von Insolvenzverfahren beantragt oder wurden solche Verfahren eröffnet, kann das für die Eröffnung von Gruppen-Folgeverfahren zuständige Gericht (Koordinationsgericht) auf Antrag ein Koordinationsverfahren einleiten. (2) 1Antragsberechtigt ist jeder gruppenangehörige Schuldner. 2§ 3a Absatz 3 findet entsprechende Anwendung. 3Antragsberechtigt ist auch jeder Gläubigerausschuss oder vorläufige Gläubigerausschuss eines gruppenangehörigen Schuldners auf der Grundlage eines einstimmigen Beschlusses. Materialien: DiskE KIG § 269d; RegE KIG § 269d; Begr zu RegE KIG § 269d, BT-Drucks 18/407 S 35. EuInsVO nF: Art 61, 62, 66 Literatur: S zu § 269a; ferner K Schmidt Das „Gruppenbild“ im Konzerninsolvenzrecht – Ein Ausblick auf den geplanten § 3e InsO –, FS Kübler (2015), S 633.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . 3. Räumlicher Anwendungsbereich 4. Normzweck . . . . . . . . . . . . 5. Kein nationales semikollektives Verfahren . . . . . . . . . . . . . II. Einzelkommentierung . . . . . . . . 1. Koordinationsgericht . . . . . . . 2. Antragsbefugnis . . . . . . . . . a) Schuldner und (vorläufiger) Insolvenzverwalter . . . . . .

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Rn. b) (Vorläufiger) Gläubigerausschuss und Gruppen-Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . c) Verbindung der Anträge nach § 269d I und § 3a I S 1 . . . . . . d) Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw der Gläubigerversammlung . . . . . . . . . . . 3. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsmittel und erneuter Antrag . .

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Koordinationsgericht

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte § 269d I ist durch das KIG (§ 269a Rn 1) geschaffen worden. Die Regelung entspricht 1 wörtlich § 269d I DiskE KIG und § 269d I RegE KIG; im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren hat sich an dem Text der Entwürfe nichts geändert. § 269d II geht dagegen unmittelbar auf § 269d II RegE KIG zurück. Der Sache nach findet sich dieselbe Regelung zum Antragsrecht allerdings schon in § 269d II DiskE KIG, auch wenn die Verteilung des Antragsrechts zwischen dem Schuldner und einem (vorläufigen) Insolvenzverwalter dort noch unmittelbar und nicht, wie in § 269d II S 2, durch Verweisung auf § 3a III geregelt werden sollte. 2. Zeitlicher Anwendungsbereich Der zeitliche Anwendungsbereich von §§ 269d–269i deckt sich mit dem von § 269a 2 (§ 269a Rn 3 f). Nach diesen Maßstäben kann das Koordinationsgericht seit 21.4.2018 auch in bereits eröffneten Insolvenzverfahren ein Koordinationsverfahren einleiten. Da das Koordinationsgericht das nach § 3a I S 1 für die Eröffnung von Gruppen-Folgeverfahren zuständige Gericht ist (§ 269d I), setzt die Einleitung eines Koordinationsverfahrens in Altfällen jedoch voraus, dass ein Gruppen-Gerichtsstand auf Antrag eines gruppenangehörigen Schuldners, der erst seit dem 21.4.2018 gestellt werden kann, begründet worden ist (Rn 12). Wie bei der Einsetzung eines Gruppen-Gläubigerausschusses in Altfällen (vgl § 269c Rn 2 f) spricht aber auch für die Einleitung eines Koordinationsverfahrens nichts dagegen, dass der Antrag nach § 3a I S 1 nur zu dem Zweck gestellt wird, die Zuständigkeit nach § 269d I zu begründen. 3. Räumlicher Anwendungsbereich Auch der räumliche Anwendungsbereich von §§ 269d–269i und das Verhältnis des 3 (deutschen) Koordinationsverfahrens zum (europäischen) Gruppen-Koordinationsverfahren (Art 61–77 EuInsVO nF), das auf Initiative des Europäischen Parlaments1 dem damaligen deutschen RegE KIG nachgebildet worden ist,2 bestimmen sich nach denselben Grundsätzen wie bei § 269a (§ 269a Rn 5 ff). Allerdings wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, in EU-Konzernfällen könnten die Schuldner, für die das Insolvenzverfahren in Deutschland beantragt bzw eröffnet worden ist,3 zugleich in beide Verfahren einbezogen werden.4 Da es dann aber bspw konkurrierende (Gruppen-)Koordinationspläne nach

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Vgl Art 42da–42df idF der Legislativen Entschließung P7_TA(2014)0093 v 5.2.2014 zu dem Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren (COM(2012)0744 – C7–0413/2012 – 2012/0360(COD)). Vgl anschließend Art 42d1–42d17 idF des RatsDokuments 10284/14 ADD 1 v 3.6.2014. Vgl Wimmer/Bornemann/Lienau/Bornemann Die Neufassung der EuInsVO Rn 591.

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Dabei ist zu bedenken, dass der europäische Begriff der „Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ nach Art 2 Nr 6 ii) iVm Art 2 Nr 5 v) EuInsVO nF und dem Anhang B auch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters bzw eines vorläufigen Sachwalters umfasst und damit wesentlich weiter ist als § 27. So Braun/Esser InsO7 § 269d RegE Rn 6, 8; Brünkmans ZInsO 2013, 797, 807 hat dagegen de lege ferenda gefordert, in die EuInsVO einen Vorbehalt für eine noch

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Art 72 I lit a EuInsVO nF bzw § 269h geben könnte und der deutsche Insolvenzverwalter sowohl mit dem (europäischen) Koordinator als auch mit dem (deutschen) Verfahrenskoordinator kooperieren müsste (Art 74 EuInsVO nF, § 269f), ist diese Auffassung abzulehnen.5 Vielmehr sieht Art 102c § 22 II EGInsO – im Anschluss an ErwGr 61 EuInsVO nF und wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nur deklaratorisch – ausdrücklich vor, dass die Einleitung eines (deutschen) Koordinationsverfahrens ausgeschlossen ist, wenn dadurch die Wirksamkeit eines (europäischen) Gruppen-Koordinationsverfahrens beeinträchtigen würde. 4 Allerdings gehen Art 64 I lit a, 65 EuInsVO nF selbst davon aus, dass die Teilnahme an einem (europäischen) Gruppen-Koordinationsverfahren freiwillig ist. Daher erfordert der effektive Vorrang des Unionsrechts nicht, dass §§ 269d–269i nicht mehr anwendbar sind, sobald und soweit Schuldner in Deutschland von einem (europäischen) Gruppen-Koordinationsverfahren erfasst werden können.6 Vielmehr spricht aus Sicht des Unionsrechts nichts dagegen, dass etwa in einem EU-Konzernfall, in dem noch in keinem Mitgliedstaat ein (europäisches) Gruppen-Koordinationsverfahren beantragt oder gar eröffnet worden ist, ein Schuldner in Deutschland, der zu dieser Unternehmensgruppe iSv Art 2 Nr 13 EuInsVO nF gehört, sowohl die Eröffnung eines solchen Verfahrens (Art 61 I EuInsVO nF) als auch die Einleitung eines (deutschen) Koordinationsverfahrens (§ 269d I) beantragen kann. Schuldner, die nur Teil einer Unternehmensgruppe iSv § 3e sind (vgl § 269a Rn 7), könnten wenigstens einen Antrag nach § 269d I stellen. Allerdings hat jeder Schuldner die Möglichkeit, später für die Teilnahme am (europäischen) Gruppen-Koordinationsverfahren zu optieren (Art 69 EuInsVO nF). Diese Möglichkeit darf durch die Teilnahme an einem (deutschen) Koordinationsverfahren nicht in Frage gestellt werden. Da ein Schuldner aber nicht zugleich in beide Verfahren einbezogen werden kann, müsste die Teilnahme am deutschen Verfahren mit dem Beitritt zum europäischen enden. So wäre bspw § 269i für diesen Schuldner nicht mehr anwendbar. 5 Davon zu trennen ist die Frage, ob §§ 269d–269i für „semikollektive Koordinationsverfahren“ zugeschnitten sind und damit angewendet werden können, wenn sie nicht alle gruppenangehörigen Schuldner in Deutschland erfassen können. Das Hauptproblem stellt dabei die Mitwirkung des Gruppen-Gläubigerausschusses bei der Auswahl des Verfahrenskoordinators (§§ 269e II, 269f III, 56a II) und beim Koordinationsplan (§ 269h I 2) dar. Geht man davon aus, dass im Gruppen-Gläubigerausschuss stets alle (vorläufigen) Gläubigerausschüsse repräsentiert sind, wenn das Insolvenzverfahren in Deutschland beantragt bzw eröffnet worden ist (§ 269c Rn 4) und der Schuldner nicht von offensichtlich untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe ist (§ 269c I 2), würden auch Personen an den besagten Entscheidungen mitwirken, die Gläubiger repräsentieren, für die diese Entscheidungen gar nicht relevant sind. Optieren in einem EU-Konzernfall bspw zwei deutsche Gesellschaften für die Teilnahme an dem am Sitz der Muttergesellschaft eröffneten (europäischen) Gruppen-Koordinationsverfahren und wird für die drei übrigen ein (deutsches) Koordinationsverfahren eingeleitet, würde etwa ein einstimmiger Vorschlag nach §§ 269f III, 56a II S 1 (auch) die Zustimmung der beiden Vertreter der (vorläufigen) Gläubigerausschüsse voraussetzen, die am (europäischen) Gruppen-Koordinationsverfahren teilnehmen. Die Zustimmung zum Koordinationsplan (§ 269h I 2) könnte mehrheitlich (§§ 269c II 2, 72) von diesen beiden Mitgliedern und nur einem aus dem Kreis der anderen

engere Kooperation zwischen den Schuldnern in einem Mitgliedstaat aufzunehmen. Das ist jedoch nicht geschehen.

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So auch Thole KTS 2014, 351, 372. AA Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269d Rn 4.

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Koordinationsgericht

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drei Mitglieder getragen werden, obwohl die Mehrheit der Mitglieder, die die Gläubiger in den nach deutschem Recht koordinierten Insolvenzverfahren repräsentieren, dagegen gestimmt hat. Beides kann nicht richtig sein. Aus diesem Befund folgt aber nicht, dass ein „semikollektives Koordinationsverfah- 6 ren“ nicht stattfinden kann. Vielmehr genügt es, dass an den Entscheidungen des GruppenGläubigerausschusses nur die Mitglieder mitwirken, die Gläubiger repräsentieren, für die diese Entscheidungen relevant sind. Geht es um allgemeine Unterstützungsmaßnahmen iSv § 269c II S 1, gilt dies für alle Mitglieder. Geht es dagegen um die Mitwirkung an einem (deutschen) Koordinationsverfahren, wirken nur die Mitglieder an der Beschlussfassung mit, die die Gläubiger in den nach deutschem Recht koordinierten Insolvenzverfahren repräsentieren. 4. Normzweck §§ 269d–269i führen als weiteres institutionalisiertes Koordinationsinstrument – 7 neben dem Gruppen-Gläubigerausschuss (§ 269c) – ein „Koordinationsverfahren“ ein. Dieses Verfahren, das man als Gegenmodell zur Einsetzung einer einzigen Person als Insolvenzverwalter in allen Insolvenzverfahren über das Vermögen gruppenangehöriger Schuldner (vgl § 56b) begreifen kann,7 stellt jedoch kein eigenes Gruppen-Insolvenzverfahren dar. Daher wird dieses Verfahren auch nicht „eröffnet“, sondern nur „eingeleitet“ (§ 269d I); statt von einem „Koordinationsverwalter“ ist von einem „Verfahrenskoordinator“ die Rede (§ 269e I 1) (§ 269e Rn 1). Ziel dieses Koordinationsverfahrens ist die abgestimmte Abwicklung der Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner im Interesse aller Gruppen-Gläubiger (§ 269f I 1), die insbesondere durch einen Koordinationsplan erfolgen kann (§ 269h I 1). Die Entscheidungsbefugnisse verbleiben jedoch letztlich bei den Organen der Einzelverfahren, so dass auch dem Verfahrenskoordinator nur die „Macht des Wortes“ bleibt,8 indem er einen inhaltlich überzeugenden Koordinationsplan vorlegt. Dieses Koordinationsverfahren erfasst grundsätzlich alle gruppenangehörigen Schuldner (Rn 9 ff).9 Auf die Bedeutung für die Gruppe kommt es – anders als bei § 3a I und § 269c I S 2 – ebenso wenig an wie darauf, dass das Insolvenzverfahren am Gruppen-Gerichtsstand geführt wird.10 Ob sich dieses Koordinationsverfahren, über dessen Nutzen – auch im Verhältnis zu den Kosten11 – sich trefflich streiten lässt,12 in der Praxis bewähren wird, muss die Zukunft zeigen. Innerhalb dieses eigenständigen Koordinationsverfahrens regelt § 269d I die gericht- 8 liche Zuständigkeit für die Einleitung des Koordinationsverfahrens und ggf der Prüfung des Koordinationsplans (§ 269h I 3). Die dabei gewählte Anknüpfung an den GruppenGerichtsstand findet in der EuInsVO nF selbstverständlich keine Entsprechung, weil es dort keinen Gruppen-Gerichtsstand gibt. Stattdessen gilt dort – vorbehaltlich einer mehrheitlichen Entscheidung für ein bestimmtes Insolvenzgericht (Art 66 EuInsVO nF) – der

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So MünchKomm/Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 89; Braun/Esser InsO7 § 269d RegE Rn 4. Braun/Esser InsO7 § 269d RegE Rn 3 spricht hier von einem „soft law-Ansatz“. Zum abweichenden Standpunkt von Wimmer vgl Rn 9 f. Zum zweiten Kriterium aA offenbar FK/ Wimmer InsO9 § 269d Rn 17.

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Zu den Gerichtskosten vgl § 269g Rn 24; zur angestrebten Kostenneutralität bei der Vergütung des Verfahrenskoordinators vgl § 269g Rn 25 ff. Vgl dazu auch Begr RegE KIG AT, BTDrucks 18/407 S 22; grundsätzlich positiv Brünkmans ZIP 2013, 193, 202; krit Verhoeven ZInsO 2014, 197, 221.

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„reine“ Prioritätsgrundsatz (Art 61 I, 62 EuInsVO nF). § 269d II regelt dagegen das Antragsrecht etwas weitergehend als Art 61 I, 76 EuInsVO nF (Rn 14). 5. Kein nationales semikollektives Verfahren

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Nach Auffassung von Wimmer soll für die Antragsteller iSv § 269d II die Möglichkeit bestehen, in dem Antrag auf Einleitung des Koordinationsverfahrens diejenigen GruppenFolgeverfahren zu benennen, die in die Koordinierung einbezogen werden sollen.13 Damit könnte der Antragsteller entscheiden, welche gruppenangehörigen Schuldner am Koordinationsverfahren beteiligt werden sollen. Die Konsequenz wäre letztlich die Möglichkeit nationaler semikollektiver Verfahren. Dies wird durch Wimmers These bestätigt, der Koordinationsplan müsse nach § 269h I S 1 nicht von allen Insolvenzverwaltern vorgelegt werden, sondern nur von denen, deren Schuldner am Koordinationsverfahren beteiligt sind. Im Plan nicht genannten Verwaltern soll dagegen kein „Vetorecht“ zukommen.14 Das Grundanliegen dieses Konzepts dürfte darin bestehen, absehbares Blockadepotential vom Koordinationsverfahren von vornherein fernzuhalten. 10 Wimmer stützt die These vom „Auswahlrecht“ des Antragstellers nach § 269d II auf die seiner Ansicht nach gleich liegende Interessenlage wie bei § 3a I. Auch dort soll sich die Verfahrenskonzentration auf die (insolventen) gruppenangehörigen Schuldner beschränken, die das antragstellende Unternehmen benennt.15 Diese Ausgangsprämisse findet jedoch in § 3a I keine Stütze, weil der Gruppen-Gerichtsstand für alle gruppenangehörigen Schuldner iSv § 3e begründet wird; nur das Antragsrecht steht Schuldnern, die für die gesamte Unternehmensgruppe offensichtlich von untergeordneter Bedeutung sind, nicht zu. Der Begriff der „Unternehmensgruppe“ zielt nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers auf den Gesamtkonzern ab und kann nicht so verstanden werden, dass auch einzelne Konzernteile eine „Unternehmensgruppe“ bilden könnten.16 Entsprechendes muss im Hinblick auf § 269d II gelten. Auch dort findet sich für die These, dass sich der Antrag auf ein semikollektives Koordinationsverfahren richten kann, keine Stütze. Dasselbe gilt schließlich für das Planinitiativrecht nach § 269h I S 1. 11 Davon zu trennen ist die Frage, ob ein semikollektives, auf einzelne gruppenangehörige Schuldner beschränktes Koordinationsverfahren sinnvoll sein kann. Zu denken ist dabei etwa an einen Mischkonzern, bei dem einzelne gruppenangehörige Schuldner ihr branchenfremdes Unternehmen schon stillgelegt haben. Hier kann es sinnvoll sein, sich auf die Koordination der anderen Verfahren zu beschränken, um die Sanierung der anderen Unternehmen zu erleichtern. Sind die branchenfremden Unternehmen für die gesamte Gruppe ohnehin nur von untergeordneter Bedeutung, würde sich der Kreis der in das Koordinationsverfahren einbezogenen Schuldner zugleich mit der Repräsentation im Gruppen-Gläubigerausschuss decken (§ 269c I 2), der einem möglichen Koordinationsplan zustimmen muss (§ 269h I 2).

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FK/Wimmer InsO9 § 269d Rn 13 f. FK/Wimmer InsO9 § 269h Rn 15. FK/Wimmer InsO9 § 269d Rn 13 unter Verweis auf FK/Wimmer-Amend InsO9 § 3a Rn 14; beide insoweit im Anschluss an K Schmidt FS Kübler, S 633, 642. Vgl etwa Begr RegE KIG § 3e, BT-Drucks 18/ 407 S 28 f: „Zur Unternehmensgruppe gehö-

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ren dabei sowohl das Mutterunternehmen, das über die Möglichkeit zur Beherrschung verfügt, als auch sämtliche Unternehmen, gegenüber denen diese Beherrschungsmöglichkeiten unmittelbar oder mittelbar bestehen (Tochterunternehmen)“; aA dennoch K Schmidt FS Kübler, S 633, 640 u 642.

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II. Einzelkommentierung 1. Koordinationsgericht § 269d I erklärt das für die Eröffnung von Gruppen-Folgeverfahren zuständige Gericht 12 zum Koordinationsgericht, das für die Einleitung eines Koordinationsverfahrens zuständig ist; funktional zuständig ist dabei stets der Richter (§ 18 I Nr 3 RPflG). Angeknüpft wird damit nicht an das Gericht, das sich nach Maßgabe von § 3a I für die Eröffnung von Gruppen-Folgeverfahren für zuständig erklären kann, sondern das sich tatsächlich durch einen entsprechenden Beschluss für zuständig erklärt hat.17 Das ist – wie bei § 269c – misslich, weil das Gericht den Antrag auf Begründung des Gruppen-Gerichtsstandes ablehnen kann, wenn es Zweifel hat, ob die Verfahrenskonzentration im gemeinsamen Interesse der Gläubiger liegt (§ 3a II). Damit präjudiziert die Einschätzung der Nützlichkeit der Verfahrenskonzentration zugleich die der Verfahrenskoordination durch die Einleitung eines Koordinationsverfahrens (§§ 269d–269i).18 Um dieses kontraproduktive Ergebnis zu vermeiden, kann der Beschluss nach § 3a I S 1 auch ohne zuständigkeitsbegründende Wirkung für Gruppen-Folgeverfahren getroffen werden (isolierter Koordinationsantrag, vgl iE § 269c Rn 13).19 Die spätere Veränderung von Umständen lässt dann analog § 3b auch die Zuständigkeit des Gerichts als Koordinationsgericht unberührt.20 2. Antragsbefugnis a) Schuldner und (vorläufiger) Insolvenzverwalter. Antragsbefugt ist zum einen jeder 13 gruppenangehörige Schuldner selbst, der einen Insolvenzantrag in Deutschland gestellt hat (§ 269d II 1), auch wenn er offensichtlich von untergeordneter Bedeutung iSd § 3a I ist.21 17

So auch BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269d Rn 3; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269d Rn 3; Braun/Esser InsO7 § 269d RegE Rn 10; Kübler/Prütting/ Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269d Rn 9. Entsprechend meinen Graf-Schlicker/ Graf-Schlicker/Bornemann InsO4 § 269d Rn 4; Stahlschmidt/Bartelheimer ZInsO 2017, 1010, 1016, der Antrag auf Einleitung des Koordinationsverfahrens müsse ggf mit einem Antrag auf Begründung des GruppenGerichtsstands verbunden werden. Dagegen scheinen Gottwald/Specovius/Kuske InsRHdb5 § 95 Rn 60, ähnlich wie es hier vertreten wird (§ 269c Rn 12), eine Anknüpfung an den potentiellen Gruppen-Gerichtsstand für sinnvoll zu halten, wenn sie schreiben, es sei nicht erforderlich vor Einleitung des Koordinationsverfahrens „den GruppenGerichtsstand nach § 3a InsO-E zu begründen bzw. dessen Begründung zu beantragen.“ Vgl entsprechend HK/Specovius InsO9 § 269d Rn 5. Nach der hier vertretenen Auffassung besteht für eine solche Lösung de lege lata allerdings kein Raum, weshalb die bei § 269c Rn 13 beschriebene Lösung gewählt werden muss.

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Aus diesem Grund hilft auch der Lösungsvorschlag von BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269d Rn 3 bzw BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269d Rn 3 und Nerlich/Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269d Rn 2 nicht weiter, in den Antrag auf Einleitung eines Koordinationsverfahrens zugleich einen Antrag auf Bestimmung des Gruppen-Gerichtsstands hineinzulesen. Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Regelung auch bei Fölsing ZInsO 2013, 413, 419 f. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269d Rn 9 sieht zwar richtig, dass der Wortlaut von § 269d I, der auf ein bestimmtes „zuständiges“ Gericht abstellt, entgegensteht. Auf dem Boden der hiesigen Auffassung ist das jedoch unerheblich, weil die Möglichkeit eines „isolierten Koordinationsantrags“ ohnehin eine Rechtsfortbildung und damit eine Rechtsfindung jenseits des möglichen Wortsinns voraussetzt. Vgl dazu Braun/Esser InsO7 § 269d RegE Rn 11, 16. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269d Rn 16.

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Dagegen sind gruppenangehörige Unternehmen, für die die Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht einmal beantragt worden ist und die daher keine „Schuldner“ iSv § 269d II S 1 sind, nicht antragsbefugt.22 Andererseits steht die Solvenz einzelner gruppenangehöriger Schuldner einem Antrag eines insolventen Schuldners selbstverständlich nicht entgegen. Die Antragsbefugnis geht nur mit der Einsetzung eines vorläufigen (starken) Insolvenzverwalters, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist (§§ 21 II 1 Nr 1, 2 Alt 1, 22 I), oder mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Einsetzung eines Insolvenzverwalters (§ 27 I, II Nr 2) verloren (§§ 269d II 2, 3a III). Bei der Einsetzung eines vorläufigen (schwachen) Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 II 1 Nr 1, 2 Alt 2), eines vorläufigen Sachwalters (§ 270a I 2) oder bei Anordnung der Eigenverwaltung (§ 270 I 1) bleibt der Schuldner dagegen antragsbefugt (vgl § 270d S 2) und wird ggf von seinem ordentlichen Vertretungsorgan vertreten. Soweit der Schuldner die Antragsbefugnis dagegen verloren hat, steht sie im Eröffnungsverfahren dem vorläufigen (starken) Insolvenzverwalter und im eröffneten Insolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter zu (§§ 269d II 2, 3a III).

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b) (Vorläufiger) Gläubigerausschuss und Gruppen-Gläubigerausschuss. Antragsbefugt sind weiterhin die einzelnen (vorläufigen) Gläubigerausschüsse in den Insolvenz(eröffnungs)verfahren über gruppenangehörigen Schuldner; allerdings setzt die Antragsbefugnis einen einstimmigen Beschluss des Ausschusses voraus (§ 269d II 3).23 Dieses Antragsrecht stärkt wie § 56a die Stellung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses, der kein reines Kontrollorgan mehr ist. Ob es allerdings sinnvoll ist, ein Koordinationsverfahren ohne Zustimmung des (vorläufigen starken) Insolvenzverwalters bzw des Schuldners oder gar gegen dessen erklärten Willen einzuleiten, erscheint zweifelhaft. So sehen Art 61 I, 76 EuInsVO nF nur ein Antragsrecht des Verwalters bzw des eigenverwaltenden Schuldners vor. Näher begründet worden ist das Antragsrecht des (vorläufigen) Gläubigerausschusses in den Gesetzesmaterialien nicht. 15 Dass der (vorläufige) Gläubigerausschuss den Antrag einstimmig beschließen muss, bedeutet wie in §§ 56a II S 1, 56b II S 1 nicht, dass alle Mitglieder der Beschlussvorlage zugestimmt haben müssen, sondern nur, dass der Beschluss wirksam und ohne Gegenstimme gefasst worden sein muss. Voraussetzung ist daher zum einen, dass die Mehrheit der Mitglieder an der Beschlussfassung teilgenommen hat; insoweit bleibt § 72 (bei einem vorläufigen Gläubigerausschuss iVm § 21 II 1 Nr 1a) unberührt. Im Umlaufverfahren nehmen allerdings stets alle Mitglieder an der Beschlussfassung teil.24 Von den teilnehmenden Mitgliedern darf keines gegen die Beschlussvorlage gestimmt haben; Enthaltungen sind dagegen möglich.25 Äußert sich ein Mitglied im Umlaufverfahren nicht, ist dies als Enthaltung zu werten (§ 260c Rn 46). Damit kann der Beschluss letztlich auf nur einer positiven Stimme beruhen.

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Vgl BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269d Rn 6; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269d Rn 6; Braun/Esser InsO7 § 269d RegE Rn 13. AA Kübler/Prütting/ Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269d Rn 14. Fölsing ZInsO 2013, 413, 419 hatte sich de lege ferenda dafür ausgesprochen, bereits einen schlichten Mehrheitsbeschluss des Gläubigerausschusses genügen zu lassen. FK/

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Wimmer InsO9 § 269d Rn 21 will das Einstimmigkeitserfordernis schon de lege lata aufgeben; das missachtet den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Vgl MünchKomm/Schmid-Burgk InsO3 § 72 Rn 20. Vgl nur Jaeger/Gerhardt InsO § 72 Rn 11; MünchKomm/Schmid-Burgk InsO3 § 72 Rn 20.

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Im Schrifttum wird darüber hinaus gefordert, auch der Gruppen-Gläubigerausschuss 16 müsse ein Koordinationsverfahren beantragen können.26 Da diese Forderung auch anlässlich der parlamentarischen Beratungen nicht aufgegriffen worden ist, besteht dieses Antragsrecht de lege lata nicht. c) Verbindung der Anträge nach § 269d I und § 3a I S 1. Wird die Einleitung des Ko- 17 ordinationsverfahrens vom Schuldner bzw einem (vorläufigen starken) Insolvenzverwalter beantragt, die sowohl nach § 3a I S 1, III als auch nach §§ 269d II S 1, 2, 3a III antragsbefugt sind, können die Anträge auf Begründung des Gruppengerichtsstandes und auf Einleitung des Koordinationsverfahrens miteinander verbunden werden.27 Dagegen ist ein (vorläufiger) Gläubigerausschuss, der einen Antrag nach § 269d II S 3 stellen will, ähnlich wie bei § 269c (§ 269c Rn 10) darauf angewiesen, dass eine der soeben genannten Personen den Antrag nach § 3a I S 1 stellt. Gruppenangehörige Schuldner von untergeordneter Bedeutung iSv 3a I sind ebenfalls auf die Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands durch einen anderen Gruppenangehörigen angewiesen, können danach aber uneingeschränkt einen Antrag nach § 269d I stellen (Rn 13).28 d) Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw der Gläubigerversammlung. Für An- 18 träge nach Art 61 I EuInsVO nF sieht Art 103c § 23 I S 1 EGInsO – in Ausführung von Art 61 II EuInsVO nF29 – vor, dass der Insolvenzverwalter die Zustimmung nach §§ 160, 161 einzuholen hat, „wenn die Durchführung eines solchen Verfahrens von besonderer Bedeutung für das Insolvenzverfahren“ ist. Obwohl damit nur die allgemeinen Voraussetzungen des Zustimmungsvorbehalts in § 160 I S 1 wiedergegeben werden, geht die Entwurfsbegründung zutreffend davon aus, dass diese Voraussetzung in der Regel gegeben sein wird.30 Nichts anderes kann dann für Anträge nach § 269d II gelten.31 Auch der Schuldner in der Eigenverwaltung bedarf für die Antragstellung (§ 270d S 2) der Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw der Gläubigerversammlung. Will ein vorläufiger (starker) Insolvenzverwalter den Antrag stellen (§§ 269d II 2, 3a III), bedarf er ggf der Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses.32 Ist die Zustimmung nicht eingeholt worden, ist der Antrag gleichwohl zulässig, aber pflichtwidrig iSv § 60.33

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So BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269d Rn 7; Berner/Bartelheimer/Schiebe ZInsO 2013, 434, 438; Fölsing ZInsO 2013, 413, 419; Gottwald/Specovius/Kuske InsRHdb5 § 95 Rn 59; HK/Specovius InsO9 § 269d Rn 2; ebenso MünchKomm/Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 93, der anders als bei den (vorläufigen) Gläubigerausschüssen sogar die einfache Mehrheit genügen lassen will; insoweit unentschieden Flöther/ Hoffmann Hb KonzernInsR § 4 Rn 107. Tendenziell ablehnend dagegen FK/Wimmer InsO9 § 269d Rn 19. Vgl Braun/Esser InsO7 § 269d RegE Rn 12; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269d Rn 9.

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Gottwald/Specovius/Kuske InsRHdb5 § 95 Rn 59. Vgl Mankowski/Müller/J Schmidt/J Schmidt EuInsVO 2015 Art 61 Rn 27. So Begr RegE EuInsVO-AusfG Art 103c § 23 EGInsO, BT-Drucks 18/10823, S 38. So auch Braun/Esser InsO7 § 269d RegE Rn 15 (Aktualisierung vom 30.5.2017). Vgl HambK/Decker InsO6 § 160 Rn 12; HK/ Ries InsO9 § 160 Rn 18; K Schmidt/Jungmann InsO19 § 160 Rn 1, 6. Vgl MünchKomm/Görg/Janssen InsO3 § 160 Rn 36, 38.

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3. Entscheidung

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Die Entscheidung über den Antrag nach § 269d I ergeht wie üblich durch Beschluss. Dabei sind – nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen und daher auch ohne ausdrückliche einfachrechtliche Anordnung – die anderen Schuldner bzw deren (vorläufige) Insolvenzverwalter nach Möglichkeit anzuhören.34 Auch wenn eine Begründung nur bei rechtsmittelfähigen Entscheidungen zwingend erforderlich ist35 und gegen eine richterliche Entscheidung kein Rechtsmittel stattfindet (Rn 22), sollte der Beschluss kurz begründet werden, wenn das Gericht dem Antrag nicht stattgibt. Leitet das Gericht das Verfahren ein, weicht aber hinsichtlich der Person des Verfahrenskoordinators von einem einstimmigen Vorschlag des Gruppen-Gläubigerausschusses ab, ist eine Begründung gesetzlich vorgegeben (§ 269e Rn 16). 20 Damit der Richter das Koordinationsverfahren einleiten kann, müssen mindestens zwei gruppenangehörige Schuldner davon betroffen sein.36 Darüber hinaus müssen mindestens zwei verschiedene (vorläufige) Insolvenzverwalter bestellt worden sein, weil das Koordinierungsverfahren gerade das Gegenmodell zur Bestellung einer einzigen Person zum Insolvenzverwalter in allen Insolvenzverfahren über das Vermögen gruppenangehöriger Schuldner darstellt (Rn 7) und es ansonsten keinen Koordinierungsbedarf gibt. Bei Schuldnern in Eigenverwaltung kann dagegen auch bei Bestellung einer einzigen Person zum Sachwalter in allen Insolvenzverfahren Koordinierungsbedarf bestehen, um insbesondere einen Koordinationsplan vorzulegen. Entfallen kann ein Koordinierungsbedarf in solchen Fällen aber ggf, wenn die Mitglieder der verschiedenen geschäftsführenden Organe der gruppenangehörigen Schuldner (Geschäftsführer, Vorstände) weitgehend personenidentisch sind. Schließlich kommt die Einleitung eines Koordinationsverfahrens nach dem Rechtsgedanken von § 26 I S 1 nicht in Betracht, wenn die Masse in dem Verfahren, von dem aus der Antrag gestellt wird, nicht einmal die als Massekosten (§ 54 Nr 1) zu berichtigenden und von ihr zu tragenden Gerichtskosten (§ 23 VI GKG) von 500 Euro (Nr 2370 KV GKG) deckt. Im Übrigen handelt es sich – wie bei der Einsetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses 21 (§ 269c Rn 20) – um eine Ermessensentscheidung.37 Dabei geht die Entwurfsbegründung zutreffend davon aus, dass die Einleitung unterbleiben kann, „wenn ein Koordinierungsverfahren nach den Umständen des Falls keine Vorteile erwarten lässt, die in angemessenem Verhältnis zu den zusätzlichen Kosten stehen.“38 Dabei ist auch zu prüfen, ob eine Koordination nach den bisherigen „ungeschriebenen Regeln“ billiger und gleich effektiv ist.39 Bei der Kosten-Nutzen-Analyse ist schließlich zu bedenken, dass ein Koordinations-

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So auch Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269d Rn 15. Vgl MünchKomm/Musielak ZPO5 § 329 Rn 4. FK/Wimmer InsO9 § 269d Rn 3; Kübler/ Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269d Rn 19. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269d Rn 21 hält ausnahmsweise eine Ermessensreduzierung auf Null für möglich, benennt dafür aber keine Kriterien. Für eine Ermessensreduzierung auf Null auch BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269d Rn 10 bzw BK/Flöther/Gelbrich

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InsO66 (Stand: IV/2018) § 269d Rn 11, wenn das Koordinationsverfahren für keinen der beteiligten Schuldner Nachteile und für mindestens einen der beteiligten Schuldner einen Vorteil mit sich bringt. Für ein solches intendiertes Ermessen (vgl zum Begriff etwa Detterbeck AllgVerwR, 16. Aufl 2018, Rn 322 f) fehlt aber ein Anhalt in den Gesetzesmaterialien; § 269d I ist als Kann-Vorschrift und gerade nicht – wie etwa § 269e I 2 – als SollVorschrift ausgestaltet. Begr RegE KIG § 269d, BT-Drucks 18/407 S 35. Fölsing ZInsO 2013, 413, 419.

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Verfahrenskoordinator

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plan nicht zwingend die Einleitung eines Koordinierungsverfahrens voraussetzt (§ 269h Rn 3, 18). Haben die Insolvenzverwalter gemeinsam einen Koordinationsplan vorgelegt (§ 269 I 1), sollte ggf zunächst das Votum des Gruppen-Gläubigerausschusses abgewartet werden (§ 269h I 2). Ist dieses Votum positiv und der vorgelegte Koordinationsplan bestätigungsreif (§ 269h I 3), wird die Abwägung idR dazu führen, dass die Einleitung eines Koordinationsverfahrens nicht erforderlich ist. Damit die Einleitung eines Koordinierungsverfahren nicht regelmäßig an den Kosten scheitert, ist im Gesetzgebungsverfahren § 3 II lit f InsVV eingeführt worden, der jedenfalls auf der Ebene der Verwaltervergütung Kostenneutralität anstrebt (§ 269g Rn 25 ff). 4. Rechtsmittel und erneuter Antrag Gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts findet die sofortige Beschwerde nur statt, 22 wenn dies im Einzelfall vorgesehen ist (§ 6 I). Dies ist in § 269d I nicht der Fall, so dass weder gegen eine stattgebende noch eine ablehnende Entscheidung des Richters (§ 18 I Nr 3 RPflG) ein Rechtsmittel eröffnet ist. Dies ist aufgrund des letztlich unverbindlichen Ergebnisses des Koordinationsverfahrens und insbesondere des Koordinationsplans unbedenklich. Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung, kein Koordinationsverfahren einzuleiten, steht einem erneuten Antrag – wie bei § 269c (vgl § 269c Rn 30) – nicht entgegen. Insbesondere wenn sich die Einschätzung der Nützlichkeit dieses Verfahrens durch neue Entwicklungen geändert hat, kann das Gericht es auf einen erneuten Antrag hin einleiten.

§ 269e Verfahrenskoordinator (1) 1Das Koordinationsgericht bestellt eine von den gruppenangehörigen Schuldnern und deren Gläubigern unabhängige Person zum Verfahrenskoordinator. 2Die zu bestellende Person soll von den Insolvenzverwaltern und Sachwaltern der gruppenangehörigen Schuldner unabhängig sein. 3Die Bestellung eines gruppenangehörigen Schuldners ist ausgeschlossen. (2) Vor der Bestellung des Verfahrenskoordinators gibt das Koordinationsgericht einem bestellten Gruppen-Gläubigerausschuss Gelegenheit, sich zu der Person des Verfahrenskoordinators und den an ihn zu stellenden Anforderungen zu äußern. Materialien: DiskE KIG § 269e; RegE KIG § 269e; Begr zu RegE KIG § 269e, BT-Drucks 18/407 S 35; Ber BT-RA zu RegE KIG § 269e, BT-Drucks 18/11436 S 22. EuInsVO nF: Art 68 I S 2 lit a, 71. Literatur S zu § 269a; Bluhm Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters (2014); Blankenburg Rettung der Insolvenzverwalter-Vorauswahlliste – oder Tod auf Raten?, ZIP 2016, 749; Frind BGH: Maßnahmen für die richtige Organisation von Insolvenzverwaltung durch Absage an die Institutsverwaltung – Zugleich Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 19.9.2013 – IX AR (VZ) 1/12, ZInsO 2013, 2103, ZInsO 2013, 2151; Frind „Hasta la vista babe“ – zur Verwalterlistung ausländischer juristischer Personen im Lichte der Entscheidung des BVerfG v. 12.1.2016 – Diaspora beim AG Mannheim? – Zugleich Besprechung von AG Mannheim, Beschl. v. 20.1.2016 – 804 AR 163/15, ZInsO 2016, 238 und v. 14.12.2015 – 804 AR

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163/15, ZInsO 2016, 240, ZInsO 2016, 672; Kleine-Cosack Grundrechtsleerlauf bei juristischen Personen – Insolvenzverwalterbeschluss des BVerfG im Kreuzfeuer der Kritik – Zugleich Besprechung BVerfG v. 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, ZIP 2016, 321, ZIP 2016, 741; Pape Insolvenzverwalter mit beschränkter Haftung Ade – Anmerkung zu BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, ZInsO 2016, 383, ZInsO 2016, 428; Pape Anmerkung zu: BVerfG, Beschluss vom 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, WuB 2016, 626; Piekenbrock Anmerkung zu: BGH, Beschl. v. 19.9.2013 – IX AR (VZ) 1/12, LMK 2013, 353032; Piekenbrock/Bluhm Anmerkung zu: BVerfG, Beschluss vom 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, NJW 2016, 935.

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . 3. Normzweck . . . . . . . . . . . . . II. Einzelkommentierung . . . . . . . . . 1. Bestellung eines Verfahrenskoordinators . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an die Person des Verfahrenskoordinators . . . . . . a) Unabhängigkeit . . . . . . . . . aa) Unabhängigkeit von Schuldnern und Gläubigern (§ 269e I S 1) . . . . . . . . bb) Unabhängigkeit von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern (§ 269e I S 2) .

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Rn. cc) Ausschluss der Schuldner (§ 269e I S 3) . . . . . . . . . b) Beschränkung auf natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige Voraussetzungen . . . . . 3. Mitwirkung des Gruppen-Gläubigerausschusses . . . . . . . . . . . . . . a) Äußerungsrecht . . . . . . . . . . b) Vorschlags- und Profilbestimmungsrecht . . . . . . . . . 4. Entscheidung des Gerichts . . . . . . 5. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

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§ 269e ist durch das KIG (§ 269a Rn 1) geschaffen worden. Die Regelung geht weitestgehend auf § 269e RegE KIG zurück. Im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren ist nur noch der Begriff „Koordinationsverwalter“ durch den Begriff „Verfahrenskoordinator“ ersetzt worden, um zu verdeutlichen, „dass sich die Aufgaben […] von den Aufgaben eines Insolvenzverwalters grundlegend unterscheiden.“1 Dagegen unterscheidet sich § 269e I ganz wesentlich von § 269e I DiskE KIG, der vorgesehen hatte, dass der „Koordinationsverwalter“ „aus dem Kreise der Insolvenzverwalter oder vorläufigen Insolvenzverwalter der gruppenangehörigen Schuldner“ bestellt werden sollte. Dass nunmehr – im Hinblick auf die an § 269e I DiskE KIG geübte Kritik2 – eine Person zu bestellen ist, die von den (vorläufigen) Insolvenzverwaltern und Sachwaltern der gruppenangehörigen Schuldner unabhängig sein soll (§ 269e I 2), stellt damit einen echten Paradigmenwechsel dar, der in der Begründung des RegE KIG leider nicht vollständig nachvollzogen worden ist.3 Auch ist

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So Ber BT-RA zu RegE KIG § 269e, BTDrucks 18/11436 S 22. Andres/Möhlenkamp BB 2013, 579, 586; Fölsing ZInsO 2013, 413, 419; Pleister ZIP 2013, 1013, 1015. Für Beibehaltung der Regelung des DiskE dagegen Berner/Bartelheimer/Schiebe ZInsO 2013, 434, 438. Insgesamt krit zur Einführung eines Koordina-

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3

tionsverwalters bzw Verfahrenskoordinators Verhoeven ZInsO 2014, 217, 221. Vgl Begr RegE KIG § 269f, BT-Drucks 18/ 407 S 37: „Da der Koordinationsverwalter zugleich auch Insolvenzverwalter eines gruppenangehörigen Schuldners ist, wird die Verpflichtung der einzelnen Verwalter zu Unterstützungsleistungen über § 269a InsO-E dahingehend limitiert, dass sie im Rahmen

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Verfahrenskoordinator

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die Regelungstechnik zur Auswahl des Verfahrenskoordinators durch diese Änderung nicht optimal, weil die Regelung zu den persönlichen Anforderungen in § 269e I S 1 durch § 56 zu ergänzen ist, auf den aber erst in § 269f III verwiesen wird. 2. Anwendungsbereich Zum zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich kann hier auf die entsprechende 2 Kommentierung von § 269d verwiesen werden (§ 269d Rn 2 ff). 3. Normzweck § 269e I regelt die Bestellung des Verfahrenskoordinators, der als „Seele des gesamten 3 Koordinationsverfahrens“ bezeichnet worden ist,4 und die persönlichen Anforderungen an die zu bestellende Person. Sie entspricht insoweit einerseits Art 68 I S 2 lit a EuInsVO nF und andererseits Art 71 EuInsVO nF. Allerdings regelt § 269e I die persönlichen Anforderungen an die zu bestellende Person nicht vollständig, sondern wird durch § 56 ergänzt, auf den in § 269f III verwiesen wird. Art 71 I EuInsVO nF setzt dagegen nur voraus, dass die zum (europäischen) Koordinator bestellte Person „nach dem Recht eines Mitgliedstaates geeignet ist, als Verwalter tätig zu werden.“ Darauf wird zurückzukommen sein (Rn 10 f). Die Regelungen zur Unabhängigkeit des Verfahrenskoordinators sind in §§ 269e I, 269f III, 56 I S 1, 3 wesentlich detaillierter als in Art 71 II EuInsVO nF, der nur darauf abstellt, dass kein Interessenkonflikt hinsichtlich der Mitglieder der Unternehmensgruppe, ihrer Gläubiger und der Verwalter vorliegt. § 269e II regelt dagegen das Äußerungsrecht des Gruppen-Gläubigerausschusses, so- 4 weit ein solcher nach Maßgabe von § 269c bereits bestellt worden ist. Bis auf den hier fehlenden Vorbehalt offensichtlicher Nachteile für die Vermögenslage des Schuldners ist § 269e I weitgehend § 56a I nachgebildet. Da die unmittelbar anwendbare Norm (§ 269e I) der durch Verweisung zur entsprechenden Anwendung berufenen (§ 56a I) vorgeht, besteht der besagte Vorbehalt hier nicht (Rn 13). Allerdings wird § 269e I durch § 56a II ergänzt, auf den ebenfalls in § 269f III verwiesen wird. Damit kann auch der Gruppen-Gläubigerausschuss einstimmig bindende Vorgaben zur Person des Verfahrenskoordinators (§§ 269f III, 56a II 1) oder zu den an die Person zu stellenden Anforderungen machen (§§ 269f III, 56a II 2). Eine mit §§ 269e II, 269f III. 56a II vergleichbare Regelung enthält die EuInsVO nF nicht, weil es dort auch keinen (transnationalen) Gruppen-Gläubigerausschuss gibt.

II. Einzelkommentierung 1. Bestellung eines Verfahrenskoordinators Aus § 269e I S 1 folgt zunächst, dass der Insolvenzrichter in dem Beschluss, mit dem er 5 das Koordinationsverfahren einleitet (vgl § 269d Rn 12, 19), zugleich einen Verfahrenskoordinator zu bestellen hat, der die wichtigste Rolle bei der Koordination der einzelnen Insolvenzverfahren auszufüllen hat.5 Insoweit entspricht § 269e I S 1 funktional § 27 II Nr 2. der Zusammenarbeit mit dem Koordinationsverwalter nicht verpflichtet sind, die Interessen der Beteiligten ihres Verfahrens zu vernachlässigen.“

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So Begr RegE KIG § 269f, BT-Drucks 18/407 S 36. Vgl Begr RegE KIG § 269e, BT-Drucks 18/ 407 S 35.

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2. Anforderungen an die Person des Verfahrenskoordinators a) Unabhängigkeit

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aa) Unabhängigkeit von Schuldnern und Gläubigern (§ 269e I 1). Nachdem sich der Vorschlag, einen der Insolvenzverwalter mit der Verfahrenskoordination zu betrauen, nicht durchgesetzt hat (Rn 1), ist nunmehr die Unabhängigkeit des Verfahrenskoordinators eine zentrale Anforderung an dessen Person. So muss die zu bestellende Person von allen gruppenangehörigen Schuldnern und deren Gläubigern unabhängig sein (§ 269e I 1).6 Dieser Aussage hätte es hier allerdings nicht unbedingt bedurft, weil sie sich schon aus der entsprechenden Anwendung von § 56 I S 1 auf den Verfahrenskoordinator (§ 269f III) ergeben hätte.7 Die dazu ergangene Rechtsprechung, die die Bestellung ausschließt, „wenn objektive Umstände feststehen, die aus der Sicht eines vernünftigen Gläubigers oder Schuldners berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit der in Aussicht genommenen Person begründen“,8 ist daher auf den Verfahrenskoordinator zu übertragen. Wird allerdings neben einem (europäischen) Gruppen-Koordinationsverfahren ein „semikollektives Koordinationsverfahren“ eingeleitet (vgl § 269d Rn 5), bezieht sich das Kriterium der Unabhängigkeit nur auf die gruppenangehörigen Schuldner und ihre Gläubiger, die in dieses Verfahren einbezogen werden. 7 Entsprechend anzuwenden ist hier auch § 56 I S 3.9 Hat bspw ein eigenverwaltender Schuldner oder ein (vorläufiger) Gläubigerausschuss die Einleitung des Koordinationsverfahrens beantragt (§ 269d II) und in dem Antrag eine bestimmte Person als Verfahrenskoordinator vorgeschlagen, folgt daraus nicht, dass die erforderliche Unabhängigkeit ausgeschlossen ist (§ 269f III, 56 I 3 Nr 1).10 Auch § 56 I S 3 Nr 2 gilt für den Verfahrenskoordinator entsprechend. Ob man aber wirklich den Grundsatz aufstellen kann, dass eine vorherige Beratungstätigkeit für ein Gruppenmitglied ohne unmittelbaren Bezug zur gegenwärtigen Krisensituation unschädlich ist,11 erscheint zweifelhaft. Jedenfalls steht die Beratung in der Krisensituation etwa als Sanierungsberater der Bestellung zum Verfahrenskoordinator grundsätzlich entgegen. Das gilt nach dem in § 45 III BRAO niedergelegten Rechtsgedanken auch für die Sozien des Sanierungsberaters.12

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bb) Unabhängigkeit von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern (§ 269e I 2). Darüber hinaus soll die zum Verfahrenskoordinator zu bestellende Person von den Insolvenzverwaltern und Sachwaltern der gruppenangehörigen Schuldner unabhängig sein (§ 269e I 2). Damit soll erreicht werden, dass diese Person als neutraler Mittler, als Mediator zwischen den Interessen der einzelnen Schuldner agieren kann und nicht selbst möglichen Interessenkonflikten ausgesetzt ist.13 Darüber könnten die Kooperations- und Informationspflichten der (vorläufigen) Insolvenzverwalter mit dem Verfahrenskoordinator (§ 269f II) durch § 269a S 2 eingeschränkt werden und damit ins Leere laufen, wenn der Verfahrenskoordinator zugleich Insolvenzverwalter in einem gruppenbezogenen Insolvenzverfahren wäre.14

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Vgl Braun/Esser InsO7 § 269e RegE Rn 4. So auch Begr RegE KIG § 269e, BTDrucks 18/407 S 35; FK/Wimmer InsO9 § 269e Rn 8 will dagegen auf das MediationsG zurückgreifen. So BGH ZIP 2017, 1312 Rn 11. So auch Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269e Rn 4. So Braun/Esser InsO7 § 269e RegE Rn 10. So Braun/Esser InsO7 § 269e RegE Rn 10.

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Vgl BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269e Rn 8; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269e Rn 7; Braun/Esser InsO7 § 269e RegE Rn 10. Vgl Begr RegE KIG § 269e, BT-Drucks 18/ 407 S 35. Vgl Begr RegE KIG § 269e, BT-Drucks 18/ 407 S 35; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/ Bornemann InsO4 § 269e RegE Rn 1.

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Verfahrenskoordinator

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Allerdings hat der Gesetzgeber die Unabhängigkeit von den Insolvenzverwaltern und Sachwaltern der gruppenangehörigen Schuldner nur als „Soll-Anforderung ausgestaltet“, weil es Fälle geben kann, in denen die genannten Nachteile nicht zu befürchten sind oder in denen sie durch die besondere Expertise eines Insolvenzverwalters oder Sachwalters mehr als ausgeglichen werden.15 Anders als bei § 269e I S 1 ist hier vor unrealistischen Anforderungen zu warnen.16 cc) Ausschluss der Schuldner (§ 269e I 3). Zwingend und nicht nur im Rahmen einer 9 Soll-Vorschrift ausgeschlossen ist dagegen die Bestellung eines gruppenangehörigen Schuldners zum Verfahrenskoordinator (§ 269e I 3), weil dann zu dessen Überwachung ein „Koordinationssachwalter“ bestellt werden müsste17 und die erforderliche Unabhängigkeit (§ 269e I 1) nicht gegeben wäre.18 Dies gilt sowohl für Schuldner im Eröffnungsverfahren bei Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung (§ 270a I 2) als auch bei Anordnung der Eigenverwaltung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 270 I 1). b) Beschränkung auf natürliche Personen. Aus der Verweisung auf § 56 I S 1 in § 269f 10 III folgt auch, dass nach deutschem Recht nur eine natürliche Person zum Verfahrenskoordinator bestellt werden kann.19 In einem (europäischen) Gruppen-Koordinationsverfahren kann dagegen jede Person, die „nach dem Recht eines Mitgliedstaates geeignet ist, als Verwalter tätig zu werden“, zum Koordinator bestellt werden (Art 71 I EuInsVO nF). Nach dem Recht zahlreicher Mitgliedstaaten können aber auch juristische Personen zu Verwaltern iSv Art 2 Nr 5 iVm Anhang B bestellt werden. Dies gilt namentlich für Österreich,20 Frankreich,21 Spanien22 und Italien.23 Wird bei einem deutschen Insolvenzgericht, bei dem ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Mitglieds einer europäischen Unternehmensgruppe iSv Art 2 Nr 13 EuInsVO nF beantragt bzw eröffnet worden ist,24 ein Antrag auf Eröffnung eines (europäischen) Gruppen-Koordinationsverfahrens gestellt (Art 61 I EuInsVO nF) und ist dieses Gericht für die Eröffnung des Verfahrens zuständig (Art 62, 66 EuInsVO nF), kann das Gericht den im Antrag vorgeschlagenen Koordinator (Art 61 III lit a EuInsVO nF) nicht ablehnen, nur weil es sich um eine juristische Person handelt.25 Vielmehr genügt es, dass die Person in irgendeinem Mitgliedstaat als Verwalter tätig werden kann, selbst wenn in diesem Mitgliedstaat kein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gruppenmitglieds eröffnet worden ist.26

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Vgl Begr RegE KIG § 269e, BT-Drucks 18/ 407 S 35; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/ Bornemann InsO4 § 269e RegE Rn 2; MünchKomm/Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 98. FK/Wimmer InsO9 § 269e Rn 13 will daraus schon de lege lata eine „Muss-Anforderung“ machen. So auch Braun/Esser InsO7 § 269e RegE Rn 8. So auch Begr RegE KIG § 269e, BTDrucks 18/407 S 35; Graf-Schlicker/GrafSchlicker/Bornemann InsO4 § 269e RegE Rn 3. So auch FK/Wimmer InsO9 § 269e Rn 12. BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269e Rn 6.1, § 269f Rn 22; HK/Specovius InsO9 § 269f Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269e Rn 7.

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Vgl § 80 V IO. Vgl Art L 811–7 Ccom. Vgl Art 27 II Ley Concursal idF des Gesetzes Nr 17/2014 v 30.9.2014, BOE Teil I Nr 238, S 77261. Vgl Art 28 I lit b legge fallimentare. Dabei ist zu bedenken, dass der europäische Begriff der „Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ nach Art 2 Nr 6 ii iVm Art 2 Nr 5 v EuInsVO nF und dem Anhang B auch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters bzw eines vorläufigen Sachwalters umfasst und damit wesentlich weiter ist als § 27. So auch Mankowski/Müller/J Schmidt/J Schmidt EuInsVO 2015 Art 71 Rn 5. So MünchKomm/Reinhart InsO3 Art 71 EuInsVO 2015 Rn 2.

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Damit könnte eine deutsche GmbH, die in Spanien in Abteilung 4 des „Registro Público Concursal“ eingetragen ist,27 von einem deutschen Insolvenzgericht zum Koordinator in einem deutsch-französischen Gruppen-Koordinationsverfahrens bestellt werden; § 56 I S 1 kann hier schon deshalb nicht entgegenstehen, weil diese Vorschrift auf das (europäische) Gruppen-Koordinationsverfahren schon aus deutscher Perspektive nicht anwendbar ist (vgl § 269d Rn 3 iVm § 269a Rn 7). Auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor § 5628 kommt es daher nicht an. Vor diesem Hintergrund verliert die Beschränkung auf natürliche Personen in §§ 269f III, 56 I S 1, die trotz der verfassungsgerichtlichen Billigung29 unionsrechtlich schon immer zweifelhaft war,30 noch weiter an Berechtigung.

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c) Sonstige Voraussetzungen Aus der Verweisung auf § 56 I S 1 in § 269f III folgt im Übrigen, dass auch zum Verfahrenskoordinator eine für den Einzelfall geeignete, geschäftskundige Person zu bestellen ist, die aus dem Kreis der zur Übernahme eines solchen Amtes bereiten Personen auszuwählen ist. Wie bei § 56 I S 1 lässt sich daraus nicht ableiten, dass die Person in der Vorauswahlliste des jeweiligen Gerichts bzw Richters31 aufgenommen worden sein muss.32 Daher darf die Bestellung einer einstimmig vom Gruppen-Gläubigerausschuss vorgeschlagene Person (Rn 14) nicht allein unter Hinweis auf die Vorauswahlliste abgelehnt werden. 3. Mitwirkung des Gruppen-Gläubigerausschusses

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a) Äußerungsrecht. § 269e II regelt zunächst nur das Äußerungsrecht eines ggf bereits bestellten Gruppen-Gläubigerausschusses zum Anforderungsprofil an die zu bestellende Person oder zur Person selbst und damit – wie bei § 56a I – die Pflicht des Insolvenzgerichts

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Vgl Art 27 II, III Ley Concursal idF des Gesetzes Nr 17/2014 v 30.9.2014, BOE Teil I Nr 238, S 77261. Die primärrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art 56 AEUV) genießt in jedem Fall Anwendungsvorrang vor § 56 I 1. Vgl dazu nur EuGH Slg 1978, 629 Rn 21 – „Simmenthal“; Slg 2005, I-9981 Rn 77 – „Mangold“; Slg 2010, I-365 Rn 51 – „Kücükdeveci“. Dasselbe gilt für die Einschränkungen der Wahl der Rechtsform in Art 15 II lit b, III lit b, c der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl Nr L 376 S 36, wenn es inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist. Vgl dazu nur EuGH Slg 1974, 1337 Rn 12 – „van Duyn“; Slg 1977, 113 Rn 20/29 – „Nederlandse Ondernemingen“; Slg. 1979, 1629 Rn 24 – „Ratti“; NJW 2012, 509 Rn 38 f – „Dominguez“; EuZW 2014, 189 Rn 18 – „Portgás“; HFR 2017, 366 Rn 13 – „British Film Institute“; abl aber Pape WuB 2016, 626, 628 f; Blankenburg ZIP 2016, 749, 755. Nur für deutsche Gesellschaften, für die das Unionsrecht bloß

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mittelbar im Rahmen von Art 3 I GG (Inländerdiskriminierung) oder – vorzugswürdig – über Art 12 I GG von Bedeutung sein kann, wäre im Anwendungsbereich von § 56 eine Vorlage nach Art 100 I GG zwingend. Vgl BVerfGE 141, 121 Rn 39 ff im Nachgang zu BGHZ 198, 225 Rn 5 ff, jeweils zu Art 3 I, 12 I GG. Vgl iE AG Mannheim ZIP 2016, 132, 133; Piekenbrock LMK 2013, 353032; Bluhm Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters S 251 ff; Piekenbrock/Bluhm NJW 2016, 935; Kleine-Cosack ZIP 2016, 741, 747; aA AG Mannheim ZIP 2016, 431; Frind ZInsO 2013, 2151, 2152; ders ZInsO 2016, 672 ff; Pape WuB 2016, 626, 628; ders ZInsO 2016, 428 ff; Blankenburg ZIP 2016, 749, 752 ff; Ulrici KTS 2017, 77, 80. Ausdrücklich erwähnt wird die Vorauswahlliste bekanntlich nur in Art 102a S 1 EGInsO für Verwalter aus anderen EU-Mitgliedstaaten. So auch Braun/Esser InsO7 § 269e RegE Rn 11.

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Verfahrenskoordinator

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zur Anhörung. Werden die Anträge nach § 269c I S 1 und nach § 269d I miteinander verbunden, wird man § 269eII aber auch entnehmen können, dass das Gericht, wenn möglich, zunächst den Gruppen-Gläubigerausschuss bestellt und anschließend anhört, anstatt über die Auswahl des Verfahrenskoordinators allein zu entscheiden.33 Dies gilt hier – im Vergleich zu §§ 21 II S 1 Nr 1, 56a I – umso mehr, als mit der Bestellung des Verfahrenskoordinators – anders als beim vorläufigen Insolvenzverwalter – keine Sicherungsmaßnahmen verbunden sind und die Einleitung des Koordinationsverfahrens nicht so eilbedürftig ist, als dass die Bestellung und das Votum des Gruppen-Gläubigerausschusses nicht abgewartet werden könnten.34 Dies wird auch daran deutlich, dass das Äußerungsrecht in § 269e II – anders als in § 56a I – nicht unter dem Vorbehalt nachteiliger Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners steht. Ein bereits im Raum stehender, zukünftig zu erwartender Antrag auf Bestellung eines Gruppen-Gläubigerausschusses muss dagegen nicht abgewartet werden.35 b) Vorschlags- und Profilbestimmungsrecht. Neben dem Äußerungsrecht steht dem 14 Gruppen-Gläubigerausschuss – wie dem vorläufigen Gläubigerausschuss – ein Vorschlagsund Profilbestimmungsrecht zu (§§ 269f III, 56a II).36 Das bedeutet, dass der GruppenGläubigerausschuss durch einfachen Beschluss (§§ 269c II 2, 72) entweder eine bestimmte Person vorschlagen oder die Anforderungen an die Person bestimmen kann. Der Vorschlag einer bestimmten Person ist allerdings nur bei einem einstimmigen Beschluss bindend,37 es sei denn, dass der Kandidat die persönlichen Voraussetzungen für die Bestellung zum Verfahrenskoordinator (§§ 269e I, 269f III, 56 I) nicht erfüllt (§§ 269f III, 56a II 1).38 Dass das Gericht eine andere Person für besser geeignet hält, genügt dagegen nicht.39 Darüber hinaus müssen für weitere amtswegige Ermittlungen (§ 5 I) konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der einstimmig vorgeschlagene Kandidat ungeeignet ist.40 Einstimmigkeit bedeutet dabei – wie bei § 269d II – jedoch nicht, dass alle Mitglieder der Beschlussvorlage zugestimmt haben müssen, sondern nur, dass der Beschluss wirksam und ohne Gegenstimme gefasst worden sein muss (vgl iE § 269d Rn 15). Aus §§ 269f III, 56a II S 1 folgt jedoch nicht, dass der Gruppen-Gläubigerausschuss 15 nur einstimmig eine konkrete Person vorschlagen kann. Vielmehr kann er auch mit einfacher Mehrheit einen konkreten Personalvorschlag unterbreiten, den das Gericht bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat.41 Da die Bestimmung der Anforderungen an die Person des Verfahrenskoordinators schon mit einfacher Mehrheit für das Gericht bindend ist

33 34 35 36

37 38

So auch FK/Wimmer InsO9 § 269e Rn 16. Zur geringeren Eilbedürftigkeit vgl auch Braun/Esser InsO7 § 269e RegE Rn 12. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269e Rn 9. AA Harder/Lojowsky NZI 2013, 327, 330, die meinen, § 56a sei nicht entsprechend anwendbar, weil die Verweisung in § 269f III unter dem Vorbehalt abweichender Bestimmungen steht und § 269e II eine solche abschließende Spezialregelung darstelle. Krit MünchKomm/Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 100. So auch BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269e Rn 13; BK/Flöther/Gelbrich InsO66

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41

(Stand: IV/2018) § 269e Rn 10; FK/Wimmer InsO9 § 269e Rn 26; Graeber ZInsO 2013, 409, 412; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/ Bornemann InsO4 § 269e RegE Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269e Rn 10; Nerlich/Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269e Rn 4; Pleister/Sturm ZIP 2017, 2329, 2336. Braun/Esser InsO7 § 269e RegE Rn 14; zu § 56a K Schmidt/Ries InsO19 § 56a Rn 20; Uhlenbruck/Zipperer InsO14 § 56a Rn 9. Braun/Esser InsO7 § 269e RegE Rn 14; zu § 56a Uhlenbruck/Zipperer InsO14 § 56a Rn 9. Vgl Braun/Esser InsO7 § 269e RegE Rn 13.

Andreas Piekenbrock

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§ 269e

Siebter Teil. Koordinierung der Verfahren

(§ 269f III, 56a II 2), kann der Gruppen-Gläubigerausschuss mit einfacher Mehrheit etwa primär einen konkreten Personalvorschlag unterbreiten und hilfsweise die Anforderungen an die Person bestimmen. 4. Entscheidung des Gerichts

16

Der Insolvenzrichter (§ 18 I Nr 3 RPflG) hat – wie nach Art 68 I EuInsVO nF – über die Bestellung des Verfahrenskoordinators zusammen mit der Einleitung des Koordinationsverfahrens zu entscheiden. Dazu muss er die persönlichen Voraussetzungen für die Bestellung der fraglichen Person zum Verfahrenskoordinator von Amts wegen prüfen (§ 5 I) und dazu die Kandidaten befragen.42 Weicht das Gericht von einem einstimmigen Vorschlag des Gruppen-Gläubigerausschusses zur Person des Verfahrenskoordinators (Rn 14) ab, sind die Gründe dafür ohne Nennung des Namens des nicht berücksichtigten Kandidaten im Einleitungsbeschluss darzulegen (§§ 269f III, 27 II Nr 443). 5. Rechtsmittel

17

Gegen den Einleitungsbeschluss und damit auch gegen die Bestellung des Verfahrenskoordinators findet kein Rechtsmittel statt (§ 269d Rn 22). Das ist auch mit Blick auf die erfolglosen Bewerber unbedenklich. Zwar lassen sich die Ausführungen des BVerfG zum Rechtsschutz der erfolglosen Insolvenzverwalterprätendenten44 wegen der geringeren Eilbedürftigkeit (Rn 13) nicht in jeder Hinsicht auf die erfolglosen Verfahrenskoordinatorprätendenten übertragen. Gleichwohl tragen sie auch hier den Ausschluss des Primärrechtsschutzes, weil auch das Koordinationsverfahren durch einen Konkurrentenstreit unzumutbar beeinträchtigt würde. 18 Statt eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Richters verweist § 269f III auf § 57, der den Gläubigern in ihrer ersten Versammlung das Recht zur Wahl eines anderen Insolvenzverwalters mit Kopf- und Summenmehrheit zuweist. Allerdings erscheint diese Verweisung, die offenbar unreflektiert aus § 274 I übernommen worden ist,45 fraglich. Insbesondere bleibt unklar, wie § 57 auf den Verfahrenskoordinator entsprechend angewendet werden soll, obwohl es keine Gruppen-Gläubigerversammlung gibt.46 Denkbar ist nur, dass alle Gläubigerversammlungen im ersten Termin nach der Bestellung des Verfahrenskoordinators mit Kopf- und Summenmehrheit (§§ 57 S 2, 76 II) eine andere Person wählen.47

42 43

Vgl Braun/Esser InsO7 § 269e RegE Rn 6. Der Verweis auf „§ 27 Absatz 2 Nummer 5“ beruht auf einem Redaktionsversehen, weil diese Regelung nach der Veröffentlichung des gleichlautenden § 269f III DiskE KIG durch Art 1 Nr 7 lit b des Gesetzes v 15.6.2013, BGBl I S 2379 zu § 27 II Nr 4 geworden ist. Dabei ist der entsprechende Verweis in § 274 I durch Art 1 Nr 19 des Gesetzes v 15.6.2013 angepasst worden. Auf den erst nach Verkündung des KIG durch Art 2 Nr 3 des Gesetzes v 5.6.2017, BGBl I S 1476 neu geschaffenen § 27 II Nr 5 soll dagegen ersichtlich nicht verwiesen werden. Wie hier Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269f Rn 19; wohl übersehen von

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44 45 46

47

BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269f Rn 21 bzw ; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269f Rn 20 Vgl BVerfGE 116, 1, 20. Vgl Begr RegE KIG § 269f, BT-Drucks 18/ 407 S 37. Nach Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269f Rn 20 geht die Verweisung ins Leere. In diesem Sinne auch Nerlich/Römermann/ Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269e Rn 5. Dagegen meint FK/ Wimmer InsO9 § 269e Rn 18, die Verweisung sei „im Wege einer Gesamtanalogie“ so zu verstehen, dass der Gruppen-Gläubigerausschuss in seiner ersten Sitzung (vgl an-

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Aufgaben und Rechtsstellung des Verfahrenskoordinators

§ 269f

Eine Wahl durch die (vorläufigen) Insolvenzverwalter bzw die eigenverwaltenden Schuldner findet im Gesetz dagegen keine Stütze.48

§ 269f Aufgaben und Rechtsstellung des Verfahrenskoordinators (1) 1Der Verfahrenskoordinator hat für eine abgestimmte Abwicklung der Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner zu sorgen, soweit dies im Interesse der Gläubiger liegt. 2Zu diesem Zweck kann er insbesondere einen Koordinationsplan vorlegen. 3Er kann diesen in den jeweiligen Gläubigerversammlungen erläutern oder durch eine von ihm bevollmächtigte Person erläutern lassen. (2) 1Die Insolvenzverwalter und vorläufigen Insolvenzverwalter der gruppenangehörigen Schuldner sind zur Zusammenarbeit mit dem Verfahrenskoordinator verpflichtet. 2Sie haben ihm auf Aufforderung insbesondere die Informationen mitzuteilen, die er für eine zweckentsprechende Ausübung seiner Tätigkeit benötigt. (3) Soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Bestellung des Verfahrenskoordinators, für die Aufsicht durch das Insolvenzgericht sowie für die Haftung und Vergütung § 27 Absatz 2 Nummer 5 und die §§ 56 bis 60, 62 bis 65 entsprechend. Materialien: DiskE KIG § 269f; RegE KIG § 269f; Begr zu RegE KIG § 269f, BT-Drucks 18/407 S 36; Ber BT-RA zu RegE KIG § 269f, BT-Drucks 18/11436 S 22. EuInsVO nF: Art 72, 74, 75. Literatur S zu § 269a; Eble Der Gruppenkoordinator in der reformierten EuInsVO – Bestellung, Abberufung und Haftung, ZIP 2016, 1619; Madaus Insolvency proceedings for corporate groups under the new Insolvency Regulation, IILR 2015, 235

Übersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . 3. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelkommentierung . . . . . . . . . . 1. Aufgaben des Verfahrenskoordinators a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Koordinationsplan . . . . . . . . c) Teilnahme an Gläubigerversammlungen und Sitzungen von Gläubigerausschüssen . . . . . . d) Beilegung gruppeninterner Streitigkeiten . . . . . . . . . . .

Rn.

Rn. 1 1 2 3 4 4 4 6

e) Wahrung der Interessen der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . 2. Kooperations- und Informationspflichten der (vorläufigen) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . a) Persönlicher Anwendungsbereich b) Inhalt der Kooperations- und Informationspflichten . . . . . . . c) Grenzen der Kooperations- und Informationspflichten . . . . . . . d) Durchsetzung der Kooperationsund Informationspflichten . . . .

9

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14 15 16 17 18

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sonsten Rn 20) einstimmig (vgl § 56a II 1) eine entsprechende Wahl treffen könne. BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269e Rn 16 bzw BK/Flöther/Gelbrich InsO66

48

(Stand: IV/2018) § 269e Rn 13 gehen davon aus, dass die Verweisung „ins Leere geht“. So auch Braun/Esser InsO7 § 269e RegE Rn 15.

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§ 269f

Siebter Teil. Koordinierung der Verfahren Rn.

Rn. 3. Verweisung auf das Recht des Insolvenzverwalters . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . b) Aufsicht des Insolvenzgerichts c) Entlassung des Verfahrenskoordinators . . . . . . . . .

. . . . . .

19 19 20

. .

23

d) Haftung des Verfahrenskoordinators . . . . . . . . . . . . 4. Beendigung des Amtes des Verfahrenskoordinators . . . . . . .

28 33

I. Einleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte

1

§ 269f ist durch das KIG (§ 269a Rn 1) geschaffen worden. Die Regelung geht weitgehend auf § 269f DiskE KIG zurück und weist demgegenüber nur zwei Änderungen auf. Zum einen ist im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren auch hier der Begriff „Koordinationsverwalter“ durch den „Verfahrenskoordinator“ ersetzt worden (vgl § 269e Rn 1). Zum anderen war in § 269f I S 2 DiskE KIG nur die Möglichkeit vorgesehen, dass der Koordinator den Koordinationsplan (selbst) in den jeweiligen Gläubigerversammlungen erläutern kann. Erst in § 269f I S 3 RegE KIG wurde für die Erläuterung ein eigener Satz geschaffen und ausdrücklich die Option eingefügt, den Koordinationsplan durch einen Bevollmächtigten erläutern zu lassen. 2. Anwendungsbereich

2

Zum zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich kann hier im Wesentlichen auf die entsprechende Kommentierung von § 269d verwiesen werden (§ 269d Rn 2 ff). Soweit § 269f III auf §§ 60, 62 verweist, sind diese Regelungen zur Haftung des Verfahrenskoordinators allerdings auf den von einem deutschen Insolvenzgericht bestellten (europäischen) Koordinator (Art 68 lit a EuInsVO nF) entsprechend anzuwenden (Rn 32). 3. Normzweck

3

§ 269f regelt die Aufgaben (§ 269f I) sowie die Rechte und Pflichten des Verfahrenskoordinators (§ 269f II), wobei in erheblichem Umfang auf die Regelungen für den Insolvenzverwalter verwiesen wird (§ 269f III). Dabei decken sich die Kooperations- und Informationspflichten der Insolvenzverwalter gruppenangehöriger Schuldner gegenüber dem Verfahrenskoordinator weitgehend mit denen zwischen den Insolvenzverwaltern untereinander (§ 269a).

II. Einzelkommentierung 1. Aufgaben des Verfahrenskoordinators

4

a) Allgemeines. § 269f I S 1 enthält eine Art Generalklausel für die Aufgaben des Verfahrenskoordinators, die sich am Zweck des Koordinationsverfahrens orientiert. Danach muss er für eine abgestimmte Abwicklung der Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner sorgen, um einen möglichen konzernübergreifenden Mehrwert zugunsten der Gläubiger aller gruppenangehörigen Schuldner zu realisieren (§ 269a Rn 13). Auch wenn der Verfahrenskoordinator, als „Seele des gesamten Koordinationsverfahrens“ bezeichnet

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Aufgaben und Rechtsstellung des Verfahrenskoordinators

§ 269f

worden ist (§ 269e Rn 3), beschränken sich seine Befugnisse auf die eines Vermittlers, einer Moderators oder eines Mediators zwischen den beteiligten (vorläufigen) Insolvenzverwaltern bzw den eigenverwaltenden Schuldnern.1 Irgendwelche Weisungsrechte hat der Verfahrenskoordinator nicht. Im Gegensatz zum (europäischen) Koordinator (vgl Art 72 II lit e EuInsVO nF) kann der (deutsche) Verfahrenskoordinator auch nicht die Aussetzung von Verwertungsmaßnahmen in Einzelinsolvenzverfahren beantragen, um seinen Koordinationsplan realisieren zu können. Für den Verfahrenskoordinator gilt daher: Er kann nicht gebieten, sondern muss überzeugen. Die abgestimmte Abwicklung kann sowohl die Sanierung einzelner oder aller Rechts- 5 träger als auch die koordinierte Veräußerung der Betriebe mehrerer gruppenangehöriger Schuldner durch einen Asset Deal beinhalten; insoweit enthält § 269f I keine Vorgaben, sondern beschränkt sich auf die bloße Koordinationsaufgabe des Verfahrenskoordinators.2 Anders als Art 72 II EuInsVO nF nennt § 269f II S 2, 3 als einzige Maßnahme zur Erfüllung dieser Aufgabe die Vorlage und Erläuterung eines Koordinationsplans (Rn 6 ff). Aus der Formulierung „insbesondere“ in § 269f I S 2 wird aber deutlich, dass sich die Aufgabe des Verfahrenskoordinators nicht auf diese Maßnahme beschränkt. b) Koordinationsplan. Ist ein Verfahrenskoordinator bestellt worden, hat dieser allein 6 die Befugnis, einen Koordinationsplan vorzulegen (§§ 269f I 2, 269h I 1) (vgl iE § 269h Rn 16). Daraus folgt aber keine generelle Pflicht, einen solchen Plan auszuarbeiten und vorzulegen,3 der ohnehin nur aus einem beschreibenden Teil besteht (§ 269h II 1) und selbst bei Zustimmung des Gruppen-Gläubigerausschusses (§ 269h I 2) und Bestätigung durch das Insolvenzgericht in den Einzelverfahren nicht verbindlich ist (§ 269i I 2). Vielmehr kann der Verfahrenskoordinator seine Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen auch auf informellem, weniger aufwendigem Weg zu erfüllen suchen. Zu denken ist etwa an regelmäßige Telefonkonferenzen mit den beteiligten (vorläufigen) Insolvenzverwaltern bzw den eigenverwaltenden Schuldnern.4 Im Sinne der Kooperationsmaxime sollte der Verfahrenskoordinator diese Grundsatzfrage, ob die Abstimmung der Verfahrensabwicklung durch einen Koordinationsplan oder informell erfolgen soll, mit den beteiligten (vorläufigen) Insolvenzverwaltern bzw den eigenverwaltenden Schuldnern abstimmen.5 Anders als in §§ 157 S 2, 218 II für den Insolvenzplan vorgesehen, gibt es auch keinen 7 „derivativen Verwalterkoordinationsplan“.6 Das bedeutet, dass insbesondere der Gruppen-Gläubigerausschuss, der als einziges Gremium der Gläubiger dafür in Betracht kommt, kein Recht hat, den Verfahrenskoordinator zur Vorlage eines Koordinationsplans zu verpflichten. Damit zeigt sich auch hier das hohe Maß an Flexibilität des rechtlichen Koordinationsrahmens. Neben einem Koordinationsplan ohne Koordinationsverfahren und damit ohne Verfahrenskoordinator (vgl § 269h Rn 18 ff) kann es auch umgekehrt ein Koordinationsverfahren ohne Koordinationsplan geben. Ist die abgestimmte Abwicklung der Verfahren über die gruppenangehörigen Schuld- 8 ner nur durch einen Koordinationsplan möglich, kann aus § 269f II S 1 eine Pflicht zur

1

2 3

Vgl Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 8; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/Bornemann InsO4 § 269e Rn 2. Besonders positiv gegenüber der Regelung Berner/Bartelheimer/ Schiebe ZInsO 2013, 434, 438. Vgl Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 5. So auch Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 6.

4 5 6

Vgl Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 8. So auch Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 7. Begriff des „derivativen Verwalterplans“ nach MünchKomm/Eidenmüller InsO3 § 218 Rn 15.

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§ 269f

Siebter Teil. Koordinierung der Verfahren

Ausarbeitung und Vorlage eines Koordinationsplans abgeleitet werden. Kommt der Verfahrenskoordinator dieser Pflicht nicht nach, kommen Maßnahmen der insolvenzgerichtlichen Aufsicht (§§ 269f III, 58 II) und als ultima ratio die Entlassung aus dem Amt (§§ 269f III, 59) in Betracht.

9

c) Teilnahme an Gläubigerversammlungen und Sitzungen von Gläubigerausschüssen. § 269f II S 3 sieht nur das Recht des Verfahrenskoordinators vor, den Koordinationsplan in den jeweiligen Gläubigerversammlungen zu erläutern oder durch eine von ihm bevollmächtigte Person erläutern zu lassen. Diese Regelung wird durch § 269i I S 1, 3 ergänzt, der dafür grundsätzlich den Berichtstermin (§ 29 I Nr 1) und hilfsweise eine separat einzuberufende Gläubigerversammlung bestimmt (vgl § 269i Rn 7). Diese Regelung erfasst unmittelbar nur den vom Gericht bestätigten Koordinationsplan. Die Möglichkeit, die Erläuterung auf den einzelnen Gläubigerversammlungen zu delegieren, eröffnet insbesondere bei größeren Unternehmensgruppen wegen der Gefahr zeitlicher Überschneidungen oder bei größerer räumlicher Distanz die erforderliche Flexibilität. Grundsätzlich sollte der Verfahrenskoordinator an den Gläubigerversammlungen aber persönlich teilnehmen. Obwohl dies in § 74 I nicht ausdrücklich verankert worden ist, kann der Verfahrenskoordinator auch sonst an den jeweiligen Gläubigerversammlungen teilnehmen, um die für die Ausarbeitung des Koordinationsplans erforderlichen Informationen zu bekommen und um die Chancen zur Realisierung möglicher Koordinationsmaßnahmen auszuloten.7 Insoweit gilt im (deutschen) Koordinationsverfahren nichts anderes als im (europäischen) Gruppen-Koordinationsverfahren (Art 72 II lit a EuInsVO nF). Umgekehrt ist auch der Verfahrenskoordinator – entsprechend § 79 – zur Auskunft über seine Koordinierungstätigkeiten verpflichtet.8 10 Anders als für die Gläubigerversammlung ist das Recht zur Teilnahme an Sitzungen eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses (§§ 21 II 1 Nr 1a, 67, 68) bzw des Gruppen-Gläubigerausschusses (§ 269c) gesetzlich nicht geregelt. Vielmehr gilt für diese Gremien der Grundsatz der Selbstorganisation insbesondere durch Beschluss einer Geschäftsordnung (§ 269c Rn 47). Diese jeweilige Geschäftsordnung sollte vorsehen, dass der Verfahrenskoordinator Sitzungen sowohl der einzelnen Gläubigerausschüsse als auch des GruppenGläubigerausschusses einberufen und daran informell teilnehmen kann. Insbesondere sollte er dabei die Möglichkeit haben, einen von ihm ausgearbeiteten Koordinationsplan vor der Beschlussfassung über die Zustimmung (§ 269h Rn 26 ff) zu erläutern. Soweit der (vorläufige) Insolvenzverwalter die Sitzung eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses einberuft,9 kann sich darüber hinaus aus § 269f II S 1 die Pflicht ergeben, den Verfahrenskoordinator auf Wunsch dazu einzuladen (Rn 16).10 Da Gläubigerversammlungen wesentlich seltener stattfinden und nur vom Insolvenzgericht einberufen werden können (§ 74 I 1), lassen sich die Kommunikationswege auf diese Weise verkürzen.11

11

d) Beilegung gruppeninterner Streitigkeiten. Die Beilegung gruppeninterner Streitigkeiten gehört zu den wesentlichen Aufgaben des Verfahrenskoordinators, die namentlich 7

8

So Begr RegE KIG § 269f, BT-Drucks 18/407 S 36, 37; BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269f Rn 7; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269f Rn 7; Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 9; Graf-Schlicker/ Graf-Schlicker/Bornemann InsO4 § 269e Rn 6; MünchKomm/Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 101. Vgl iE Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269f Rn 6.

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9 10

11

Vgl dazu Jaeger/Gerhardt InsO § 72 Rn 3. So Begr RegE KIG § 269 f, BT-Drucks 18/407 S 37; Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 14; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/Bornemann InsO4 § 269e Rn 6. So auch Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 10.

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Aufgaben und Rechtsstellung des Verfahrenskoordinators

§ 269f

Gegenstand eines Koordinationsplans sein kann (§ 269h II 2 Nr 2), aber nicht sein muss. Diese Aufgabe entspricht der des (europäischen) Koordinators, der das Recht hat, „bei allen Streitigkeiten zwischen zwei oder mehr Verwaltern von Gruppenmitgliedern zu vermitteln“ (Art 72 II lit b EuInsVO nF). Die Befugnisse des Verfahrenskoordinators sind allerdings auch hier grundsätzlich nur informeller Natur. So kann er etwa die beteiligten (vorläufigen) Insolvenzverwalter bzw eigenverwaltenden Schuldner zu gesonderten, von ihm moderierten Vergleichsverhandlungen einladen.12 Allerdings können diese den Verfahrenskoordinator mit der Vorlage eines (unverbindlichen) Vergleichsvorschlags beauftragen oder ihm sogar die Befugnis erteilen, eine Streitigkeit verbindlich zu lösen. Grundlage dieser Streitbeilegung wäre dann aber keine Schiedsvereinbarung iSv § 1029 ZPO, sondern ein Schiedsgutachtervertrag. e) Wahrung der Interessen der Gläubiger. Die Abstimmung der Abwicklung der Insol- 12 venzverfahren über gruppenangehörige Schuldner steht – entsprechend dem Zweck des Koordinationsverfahrens – unter dem Vorbehalt, dass sie „im Interesse der Gläubiger liegt“. Damit ist der Gesetzgeber bewusst von der in § 78 I verwendeten Formulierung abgerückt, die vom „gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger“ spricht.13 Wie oben (Rn 4) erläutert, bedeutet dies zunächst, dass es darum geht, einen möglichen konzernübergreifenden Mehrwert zugunsten der Gläubiger aller gruppenangehörigen Schuldner zu realisieren. Allerdings soll sich aus dem Vorbehalt des Gläubigerinteresses nicht ergeben, dass die Gläubiger aller gruppenangehörigen Schuldner an diesem Mehrwert – entsprechend § 245 I Nr 2 – angemessen beteiligt werden müssen.14 Vielmehr soll die abgestimmte Abwicklung der Verfahren schon dann im Interesse „der Gläubiger“ sein, wenn sie den Gläubigern eines gruppenangehörigen Schuldners nützt, den anderen aber nicht schadet.15 Damit orientiert sich die Verfahrenskoordination bewusst nicht am Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gruppengläubiger.16 Vielmehr darf durch die abgestimmte Abwicklung der Verfahren lediglich kein Gläubiger schlechter stehen als ohne sie. Anders als im Insolvenzplanverfahren (§§ 245 I Nr 1, 251 I Nr 2) ist dieser „Best In- 13 terest Test“ (vgl § 254 Rn 34) im Koordinationsverfahren aber nicht Gegenstand gesetzlicher Regelungen, weil der Koordinationsplan ohnehin für niemanden verbindlich ist (Rn 6) und es daher des Obstruktionsverbots und des Minderheitenschutzes nicht bedarf. Vielmehr fungiert dieser Test als Maxime des Verfahrenskoordinators bei der Ausübung seines Amtes und insbesondere bei der Ausarbeitung des Koordinationsplans, um die Chancen auf Durchführung der dort beschriebenen Maßnahmen in den einzelnen Insolvenzverfahren zu erhöhen. Soweit Maßnahmen, die sich für die Gesamtheit der Gläubiger aller gruppenangehörigen Schuldner positiv auswirken, für die Gläubiger in einem einzelnen Verfahren nachteilig sind, sollten – ähnlich wie in § 251 III im Rahmen des Minderheitenschutzes geregelt – Ausgleichszahlungen vorgesehen werden.17

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Vgl Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 8. Vgl Begr RegE KIG § 269f, BT-Drucks 18/ 407 S 36. Dafür aber FK/Wimmer InsO9 § 269f Rn 14. So Begr RegE KIG § 269f, BT-Drucks 18/407 S 36 f. Nach BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269f Rn 10 bzw BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269f Rn 10 sind dabei zwischenzeitliche Masseverkürzungen hinzunehmen, wenn sichergestellt ist,

16 17

dass der Vermögenswert der Masse später wieder zufließt. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269f Rn 7. Vgl Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 13; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/Bornemann InsO4 § 269e Rn 3; Nerlich/Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269f Rn 3.

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§ 269f

Siebter Teil. Koordinierung der Verfahren

2. Kooperations- und Informationspflichten der (vorläufigen) Insolvenzverwalter

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Die (vorläufigen) Insolvenzverwalter, die ohnehin zur Kooperation und insbesondere zur Weitergabe von Informationen untereinander verpflichtet sind (§ 269a), haben diese Pflicht auch gegenüber dem Verfahrenskoordinator (§ 269f II 1). Mit dieser Pflicht geht das Recht des Verfahrenskoordinators einher, auf eine verstärkte Zusammenarbeit der (vorläufigen) Insolvenzverwalter untereinander hinzuwirken.18 Ein Weisungsrecht steht im allerdings nicht zu;19 vielmehr stehen die (vorläufigen) Insolvenzverwalter nur unter der Aufsicht des jeweiligen Insolvenzgerichts (§ 58 I), das über Zwangsmittel verfügt (§ 58 II) (vgl § 269a Rn 25).

15

a) Persönlicher Anwendungsbereich. Dass § 269f II S 1 die vorläufigen Insolvenzverwalter ausdrücklich erwähnt, stellt keine inhaltliche, sondern nur eine regelungstechnische Abweichung von § 269a dar, der auf den vorläufigen Insolvenzverwalter iSv § 21 II S 1 Nr 1 entsprechend anzuwenden ist (§ 269a Rn 15). Im Ergebnis ist die Kooperationspflicht auch für den eigenverwaltenden Schuldner identisch. Während § 270d S 1 die Kooperations- und Informationspflichten der Insolvenzverwalter untereinander auf den eigenverwaltenden Schuldner erstreckt, findet sich für die entsprechende Pflicht gegenüber dem Verfahrenskoordinator allerdings keine ausdrückliche Regelung. Gleichwohl muss diesen dieselbe Kooperationspflicht treffen,20 weil kein Sachgrund für eine abweichende Regelung ersichtlich ist. Vielmehr liegt ein Redaktionsversehen nahe, weil der ursprünglich so genannte Koordinationsverwalter nach § 269e I DiskE KIG einer der (vorläufigen) Insolvenzverwalter sein sollte (§ 269e Rn 1),21 so dass sich die Kooperationspflicht des eigenverwaltenden Schuldners aus §§ 270d S 1, 269a DiskE KIG hätte ableiten lassen. Insgesamt ist die Regelungstechnik daher wenig geglückt. Dagegen ist der (vorläufige) Sachwalter – wie bei §§ 269a, 270d S 1 (§ 269a Rn 29) – nicht unmittelbarer Adressat von § 269f II, soweit sich seine Tätigkeit auf das Innenverhältnis gegenüber dem selbstverwaltenden Schuldner beschränkt (§§ 274 II 1, 270a I 2).22

16

b) Inhalt der Kooperations- und Informationspflichten. Aus der Gesetzesgenese ergibt sich, dass die Kooperations- und Informationspflichten nach § 269f II nicht dieselben sein können wie die in § 269a, weil der ursprünglich so genannte Koordinationsverwalter nach § 269e I DiskE KIG einer der (vorläufigen) Insolvenzverwalter sein sollte (§ 269e Rn 1).

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So Begr RegE KIG § 269f, BT-Drucks 18/407 S 36; für eine entsprechende Pflicht des Verfahrenskoordinators BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269f Rn 11. So auch Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269f Rn 10; MünchKomm/Brünkmans InsO3 KonzerninsolvenzR Rn 101. Im Ergebnis wie hier Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 15; FK/Wimmer InsO9 § 269f Rn 15: FK/Wimmer-Amend InsO9 § 270d Rn 4; Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269f Rn 16; Pleister/Sturm ZIP 2017, 2329, 2336. Entsprechende Kritik am DiskE schon bei Berner/ Bartelheimer/Schiebe ZInsO 2013, 434, 438; Pleister ZIP 2013, 1013, 1015.

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Dieses Regelungskonzept liegt versehentlich noch der Begr RegE KIG § 269f, BT-Drucks 18/407 S 37 am Beginn des dritten Absatzes zugrunde, die wörtlich aus Begr DiskE KIG § 269f, Beil 1 zu ZIP 2/2013, S 15 übernommen worden ist. AA Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 16; HK/Specovius InsO9 § 269f Rn 5. Für Aufnahme einer Informations- und Kooperationspflicht des Sachwalters Berner/Bartelheimer/Schiebe ZInsO 2013, 434, 438; Pleister ZIP 2013, 1013, 1015 (jeweils zum DiskE). Für eine vermittelnde Lösung auch hier Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269f Rn 17 iVm § 269a Rn 16.

Andreas Piekenbrock

Aufgaben und Rechtsstellung des Verfahrenskoordinators

§ 269f

Die Begr § 269f II DiskE KIG sah dazu neben der Weitergabe der für die Erstellung des Koordinationsplans erforderlichen Informationen die Eröffnung des Zugangs zu den Gläubigerversammlungen und den Sitzungen der (vorläufigen) Gläubigerausschüsse sowie die Zulassung der Besichtigung von Betrieben der gruppenangehörigen Schuldner und des Einblicks in Geschäftsunterlagen etwa zur Anbahnung eines konzernübergreifenden Asset Deals vor.23 Diese Pflichten werden nach dem Paradigmenwechsel bei der Auswahl des Verfahrenskoordinators auch in der Begr § 269f II RegE KIG erwähnt.24 Da § 269a für den Verfahrenskoordinator nicht mehr greift, müssen die dort enthaltenen Kooperationspflichten und insbesondere die Informationspflichten aus § 269a S 2 (vgl § 269a Rn 17 ff) in § 269f II S 2 hineingelesen werden.25 c) Grenzen der Kooperations- und Informationspflichten. Auch wenn dies in § 269f II 17 nicht ausdrücklich erwähnt wird, stehen die Kooperations- und Informationspflichten der (vorläufigen) Insolvenzverwalter und der eigenverwaltenden Schuldner gegenüber dem Verfahrenskoordinator wie nach § 269a S 1 zum einen unter dem Vorbehalt, dass hierdurch nicht die Interessen der Beteiligten „ihres“ Verfahrens beeinträchtigt werden.26 Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der jeweilige (vorläufige) Insolvenzverwalter bzw der eigenverwaltende Schuldner die Informationen mit den ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen bereitstellen kann.27 Zum anderen müssen die Informationen – aus vernünftiger Sicht des Verfahrenskoordinators ex ante – zur zweckentsprechenden Ausübung der Tätigkeit des Koordinators benötigt werden.28 Für die Prüfung von Auskunftsersuchen und deren Bearbeitung ist dem Auskunftsverpflichteten eine nach den Umständen des Einzelfalls angemessene Frist zu gewähren;29 die Auskunft muss dementsprechend „unverzüglich“ iSv § 121 I S 1 BGB erteilt werden.30 Bei der Bemessung der konkreten Frist sind die Komplexität, die Sensibilität und die erkennbare Dringlichkeit der gewünschten Information zu berücksichtigen. d) Durchsetzung der Kooperations- und Informationspflichten. Zur Durchsetzung der 18 Kooperations- und Informationspflichten steht dem Verfahrenskoordinator dasselbe Instrumentarium zur Verfügung wie einem (vorläufigen) Insolvenzverwalter bei § 269a (vgl § 269a Rn 25 ff). Dabei dürfte sich die drohende eigene Haftung eines (vorläufigen) Insol-

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Begr DiskE KIG § 269f, Beil 1 zu ZIP 2/2013, S 15. Vgl wortgleich Begr RegE KIG § 269f, BTDrucks 18/407 S 37. Für ein Recht des Verfahrenskoordinators zur Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen auch Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/Bornemann InsO4 § 269e Rn 6; Kübler/Prütting/ Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269 f Rn 10. Für ein Recht zur Besichtigung von Betrieben BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269f Rn 14 bzw BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269f Rn 13. Der Sache nach ähnlich wie hier FK/Wimmer InsO9 § 269f Rn 16 ff. So ausdrücklich Begr DiskE KIG § 269f, Beil 1 zu ZIP 2/2013, S 15. Dass § 269f II nicht an die Änderung der Auswahl des Verfahrenskoordinators angepasst worden ist,

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ist ein Redaktionsversehen. So auch Braun/ Esser InsO7 § 269f RegE Rn 16. Wie hier auch Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269f Rn 14. Für einen „deutlich strengere[n] Maßstab“ als bei § 269a S 1 dagegen FK/Wimmer InsO9 § 269f Rn 23. AA auch Graf-Schlicker/GrafSchlicker/Bornemann InsO4 § 269e Rn 5. Vgl Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 19. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269f Rn 12. Vgl BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269f Rn 13; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269f Rn 12; Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 20. Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269f Rn 11; Nerlich/Römermann/Römermann/Montag InsO35 (Stand: IV/2018) § 269f Rn 9.

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§ 269f

Siebter Teil. Koordinierung der Verfahren

venzverwalters (§§ 60 I, 21 II 1 Nr 1) als wirksamstes Instrument zur Verhaltenssteuerung erweisen.31 3. Verweisung auf das Recht des Insolvenzverwalters

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a) Allgemeines. Schließlich verweist § 269f III sehr weitreichend auf die für den Insolvenzverwalter maßgeblichen Vorschriften. Diese Regelungstechnik ist aus § 21 II S 1 Nr 1 für den vorläufigen Insolvenzverwalter und aus § 274 I für den Sachwalter gut bekannt. Für § 269f III hat sich der Gesetzgeber an § 274 I orientiert und nur – zu Unrecht – auf die Verweisung auf § 54 Nr 2 verzichtet (§ 269g Rn 23).32 Allerdings ist insbesondere die Verweisung auf § 57 missglückt, weil es keine Gruppen-Gläubigerversammlung gibt (§ 269e Rn 18). Die Verweisungen auf § 27 II Nr 5 (richtig: Nr 433) und auf §§ 56, 56a betreffen die Bestellung des Verfahrenskoordinators und gehören daher im Wesentlichen in den Regelungskontext von § 269e (vgl § 269e Rn 6 f, 10 ff, 13 ff, 18). Die Verweisung auf §§ 63 bis 65 betrifft die Vergütung des Verfahrenskoordinators und gehört daher in den Regelungskontext von § 269g. Hier genügt daher die Feststellung, dass diese Verweisung insgesamt missglückt ist, weil § 63 I durch § 269g I S 1–3 verdrängt wird (vgl § 269g Rn 4 ff), eine entsprechende Anwendung von § 63 II, III ausscheidet (vgl § 269g Rn 3) und auf §§ 64, 65 ohnehin noch einmal in § 269g I S 4 verwiesen wird (vgl § 269g Rn 14 ff). An dieser Stelle ist nur ergänzend anzumerken, dass auch der Verfahrenskoordinator eine Urkunde über seine Bestellung erhält, die er dem Insolvenzgericht bei Beendigung des Amtes zurückzugeben hat (§§ 269f III, 56 II). Darüber hinaus verweist § 269f III auf die Regelungen zur Aufsicht des Insolvenzgerichts (§ 58) (Rn 20 ff), zur Entlassung (§ 59) (Rn 23 ff) sowie zur Haftung für Pflichtverletzungen (§ 60) und zur Verjährung möglicher Schadensersatzansprüche (§ 62) (Rn 28 ff).

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b) Aufsicht des Insolvenzgerichts. § 58 kann im Wesentlichen auf den Verfahrenskoordinator entsprechend angewendet werden. Danach steht auch der Verfahrenskoordinator unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts (§§ 269f III, 58 I 1). Daher sollte auch der Verfahrenskoordinator nach Absprache mit dem zuständigen Richter (vgl § 18 I Nr 3 RPflG), dem gegenüber die Berichtspflicht besteht (§§ 269f III, 58 I 2), von sich aus regelmäßig Bericht erstatten.34 Auch die Regelungen zum Zwangsgeld sind auf den Verfahrenskoordinator entsprechend anwendbar (§§ 269f III, 58 II).35 Die Mindesthöhe des Zwangsgeldes beträgt auch hier fünf Euro (Art 6 Nr 1 S 1 EGStGB). 21 Der Verweis auf § 58 III kann sich dagegen nicht auf die Herausgabe von Massegegenständen beziehen, da der Verfahrenskoordinator – im Gegensatz zum (entlassenen) Insolvenzverwalter (§ 148 I) – die Masse gar nicht in Besitz hat. Denkbar ist daher nur eine Pflicht zur Herausgabe verfahrensbezogener Unterlagen.36 Allerdings kann der (entlassene) Verfahrenskoordinator nicht gezwungen werden, die von ihm selbst gefertigten Unterlagen endgültig herauszugeben. Abgesehen davon, dass er, soweit es sich um körperliche 31 32 33 34

So auch Flöther/Pleister Hdb KonzernInsR § 4 Rn 379. Vgl Begr RegE KIG § 269f, BT-Drucks 18/ 407 S 37. Vgl § 269e Rn 16 in Fn 43. So auch Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 22.

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BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269f Rn 24; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269f Rn 23. So zu § 58 III Jaeger/Gerhardt InsO § 58 Rn 34; Uhlenbruck/Vallender InsO14 § 58 Rn 42; MünchKomm/Graeber InsO3 § 58 Rn 57; Kübler/Prütting/Bork/Lüke InsO74 (Stand: IX/2017) § 58 Rn 18; Rechel ZInsO 2012, 1641, 1648.

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Aufgaben und Rechtsstellung des Verfahrenskoordinators

§ 269f

Urkunden handelt, deren Eigentümer ist, bedarf er der Unterlagen, um sich möglicher Haftungsansprüche aus § 60 I zu erwehren. Daher kann sich die Pflicht des (entlassenen) Verfahrenskoordinators nur darauf richten, ggf den neuen Verfahrenskoordinator durch Einsichtnahme in diese Unterlagen in die Lage zu versetzen, das Koordinationsverfahren fortzuführen. Da die Pflicht zur Rückgabe der Bestellungsurkunde schon mit deren Aushändigung (aufschiebend befristet) entsteht (§§ 269f III, 56 II), findet § 58 III auch insoweit keine (entsprechende) Anwendung.37 Vielmehr kann das Gericht hier schon auf der Grundlage von §§ 269f III, 58 II ein Zwangsgeld androhen und ggf festsetzen. Auf den (europäischen) Koordinator iSv Art 72 EuInsVO nF ist § 58 I nicht entspre- 22 chend anzuwenden. Zwar enthält das Unionsrecht insoweit keine einschlägigen Vorgaben und kann auch nicht – im Sinne einer negativen Aussage zur Aufsicht des Insolvenzgerichts – als abschließend angesehen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein deutsches Insolvenzgericht, das einen (europäischen) Koordinator auf unionsrechtlicher Grundlage bestellen (Art 68 I lit a EuInsVO nF) und bei Pflichtverletzungen abberufen kann (Art 75 EuInsVO nF), auch während der Amtszeit die Aufsicht ausübt. Allerdings braucht für diese Aussage nicht (subsidiär) auf § 58 I S 1 als Teil der lex fori concursus (Art 7 II 1 EuInsVO nF) zurückgegriffen zu werden, weil sich das Aufsichtsrecht implizit aus der EuInsVO nF selbst ergibt.38 Dagegen ist der subsidiäre Rückgriff auf § 58 II nicht möglich, weil Art 75 EuInsVO nF für Sanktionsmaßnahmen des Gerichts als abschließende Regelung zu verstehen ist und weil Zwangs- und Ordnungsgelder strafähnlichen Charakter haben39 und daher einer klaren gesetzlichen Grundlage bedürfen. c) Entlassung des Verfahrenskoordinators. Die Regelungen zur Entlassung des Verfah- 23 renskoordinators (§§ 269f III, 59) entsprechen funktional denen über die Abberufung eines (europäischen) Koordinators (Art 75 EuInsVO nF),40 die insoweit abschließend sind und einen Rückgriff auf nationales Recht nicht zulassen. § 59 I S 1 setzt stets einen wichtigen Grund für die Entlassung voraus, weil mit der Entscheidung in das Grundrecht (hier: des Verfahrenskoordinators) aus Art 12 GG41 und richtigerweise auch in die Rechte der Gläubiger eingegriffen wird, wenn der Gruppen-Gläubigerausschuss den Kandidaten einstimmig vorgeschlagen hatte (§§ 269f, 56a II 1) (§ 269e Rn 14). Daher muss der Verfahrenskoordinator seine Pflichten so gravierend verletzt haben, dass es in Anbetracht der Auswirkungen auf den Verfahrensablauf und die berechtigten Belange der Beteiligten sachlich nicht mehr vertretbar erscheint, ihn in seinem Amt zu belassen.42 Dafür kann auch eine Vielzahl von Pflichtverletzungen genügen, die den Amtsinhaber in der Summe als nicht mehr tragbar erscheinen lassen.43 Ein wichtiger Grund, der zwingend zur Entlassung des Insolvenzverwalters (bzw hier: 24 des Verfahrenskoordinators) führt, liegt auch vor, wenn nachträglich Umstände bekannt werden, die die Eignung nach § 56 I S 1 ausschließen. Dies gilt zum einen, wenn nachträglich bekannt wird, dass der Kandidat im Zuge seiner Bestellung vorsätzlich Umstände verschwiegen hat, die geeignet waren, ernsthafte Zweifel an seiner Unabhängigkeit zu begrün-

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So zu § 58 auch Jaeger/Gerhardt InsO § 58 Rn 22, 34; aA Kübler/Prütting/Bork/Lüke InsO74 (Stand: IX/2017) § 58 Rn 18. So auch Madaus IILR 2015, 235, 246; Eble ZIP 2016, 1619, 1623. Vgl BVerfGE 20, 323, 332 ff; EuGH Slg, 2011, I-9773 Rn 41 ff – „Realchemie Nederland“.

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Vgl dazu etwa Eble ZIP 2016, 1619, 1622 f; Mankowski/Müller/J Schmidt/J Schmidt EuInsVO 2015 Art 75 Rn 5 ff. So BGH ZIP 2017, 1312 Rn 8. So zu § 59 BGH ZIP 2017, 1312 Rn 8. So zu § 59 BGH ZIP 2014, 2399 Rn 10.

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den, und eine Bestellung zum Verwalter nicht zuließen.44 Zum anderen gilt dasselbe, wenn er Umstände verschwiegen hat, die erhebliche Zweifel an seiner sonstigen Eignung und namentlich an seiner persönlichen Integrität begründen. 25 Ein wichtiger Grund ist schließlich in der Regel anzunehmen, wenn der Verfahrenskoordinator von sich aus um die Entlassung aus dem Amt bittet. Da es ein einseitiges Recht zur Niederlegung des Amtes nicht gibt,45 muss der Amtsinhaber aber jedenfalls nachvollziehbare Gründe für seine Entlassung nennen. Neben persönlichen Gründen wie einer dauerhaften Erkrankung ist dies insbesondere zu bejahen, wenn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den (vorläufigen) Insolvenzverwaltern aus seiner Sicht nicht mehr möglich erscheint, ohne dass dies auf Pflichtverletzungen der einen oder anderen Seite beruhen müsste. 26 Wie auch andernorts zu beobachten (vgl § 269e Rn 18), passt die Verweisung für das Antragsrecht in § 59 I S 2 auf die Entlassung des Verfahrenskoordinators nicht richtig. Unzweifelhaft kann der Verfahrenskoordinator von Amts wegen oder auf seinen eigenen Antrag hin entlassen werden. Darüber hinaus spricht die Verweisung auf § 59 I S 2 dafür, dass jeder (vorläufige) Insolvenzverwalter und jede Gläubigerversammlung antragsberechtigt ist. Ist ein Gruppen-Gläubigerausschuss bestellt, sollte dieser dagegen an die Stelle der einzelnen (vorläufigen) Gläubigerausschüsse treten.46 Funktional zuständig für die Entlassung ist in jedem Fall der Richter (§ 18 I Nr 3 RPflG); ob auch die Entlassung des Insolvenzverwalters dem Richtervorbehalt unterfällt (§ 18 I Nr 1 RPflG),47 ist hier irrelevant, weil § 269f in § 18 I Nr 3 RPflG erwähnt wird. 27 Auch wenn dies weder in §§ 269f III, 59 noch in Art 75 EuInsVO nF ausdrücklich geregelt ist, muss mit der Entlassung des alten zugleich ein neuer Verfahrenskoordinator bestellt werden.48 Etwas anderes kann nur gelten, wenn das Gericht zu der Überzeugung kommt, dass von einem neuen Verfahrenskoordinator kein Nutzen mehr zu erwarten ist, der den entsprechenden Aufwand rechtfertigt, und daher das Koordinationsverfahren beendet (Rn 35).

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d) Haftung des Verfahrenskoordinators. Entsprechend für den Verfahrenskoordinator gelten auch die Regelungen über die Haftung für schuldhafte Pflichtverletzungen (§ 60) und zur Verjährung möglicher Schadensersatzansprüche (§ 62). Zu den Beteiligten iSv § 60 I gehören dabei alle Beteiligten der Insolvenzverfahren über das Vermögen gruppenangehöriger Schuldner.49 Da der Verfahrenskoordinator aber keinerlei Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über dieses Vermögen hat, dürfte die Haftung nach § 60 I kaum virulent werden.50 Darüber hinaus ist die entsprechende Anwendung von § 60 II nicht sinnvoll, da sich der Verfahrenskoordinator zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht der Mitarbeiter des Schuldners bedienen kann.

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So zu § 59 BGH ZIP 2017, 1312 Rn 12. Vgl nur Jaeger/Gerhardt InsO § 59 Rn 12. Für ein ausschließliches Antragsrecht des Gruppen-Gläubigerausschusses FK/Wimmer InsO9 § 269f Rn 27. Für ein Antragsrecht der einzelnen (vorläufigen) Gläubigerausschüsse und des Gruppen-Gläubigerausschusses Kübler/Prütting/Bork/Thole InsO74 (Stand: VI/2017) § 269f Rn 20. Dagegen LG Dresden ZIP 2017, 2273, 2274. Zu § 59 vgl Jaeger/Gerhardt InsO § 59 Rn 14; zu Art 75 EuInsVO nF vgl Man-

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kowski/Müller/J Schmidt/J Schmidt EuInsVO 2015 Art 75 Rn 21; Vallender/Fritz EuInsVO Art 75 Rn 20. So auch Thole Der Konzern 2013, 182, 183; BeckOK/Gelbrich/Flöther InsO10 § 269f Rn 26; BK/Flöther/Gelbrich InsO66 (Stand: IV/2018) § 269f Rn 25; ähnlich FK/Wimmer InsO9 § 269f Rn 29: Alle, gegenüber denen Koordinationspflichten bestehen. So zum (europäischen) Koordinator auch Madaus IILR 2015, 235, 246.

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Aufgaben und Rechtsstellung des Verfahrenskoordinators

§ 269f

Bei § 60 I ist zum einen daran zu denken, dass der Verfahrenskoordinator entgegen 29 § 269f I S 1 die Interessen bestimmter Gläubigergruppen oder der Gläubiger eines gruppenangehörigen Schuldners missachtet. Da dessen Handlungen nur beratender Natur sind, obliegt es aber grundsätzlich den Gläubigern in jedem Insolvenzverfahren, einen für sie nachteiligen Insolvenzplan abzulehnen bzw die Minderheitenschutzrechte (§ 251) wahrzunehmen.51 An eine Haftung nach §§ 269f III, 60 I ist hier nur zu denken, wenn der Verfahrenskoordinator den benachteiligten Gläubigern wesentliche Informationen vorenthält.52 Auch wenn der Verfahrenskoordinator einen für eine Partei nachteilhaften Vorschlag zur Beilegung einer gruppeninternen Streitigkeit unterbreitet, ohne dass dieser Nachteil angemessen kompensiert wird, kommt grundsätzlich keine Haftung des Verfahrenskoordinators, sondern nur des Insolvenzverwalters (§ 60 I) und ggf – bei § 160 II Nr 3 – der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 71) in Betracht.53 Zum anderen ist es denkbar, dass ein möglicher konzernübergreifender Mehrwert zu- 30 gunsten der Gläubiger aller gruppenangehörigen Schuldner durch pflichtwidriges Verhalten des Verfahrenskoordinators nicht realisiert worden ist. Allerdings ist dabei schon auf der Ebene der Pflichtverletzung zu bedenken, dass sich die Sorgfaltspflicht – wenn auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Insolvenzverfahrens – an die handels- und gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen anlehnt54 und dem Insolvenzverwalter – unabhängig von der Frage der Anwendung der „Business Judgment Rule“ (§ 93 I 2 AktG)55 – ein weiter Ermessensspielraum zusteht.56 Dann kann für den Verfahrenskoordinator nichts anderes gelten. Darüber hinaus obliegt dem Verfahrenskoordinator nicht die strategische Planung der Konzerninsolvenz, sondern nur die Vermittlung zwischen den einzelnen (vorläufigen) Insolvenzverwaltern bzw den selbstverwaltenden Schuldnern.57 Schließlich wird in diesen Fällen den Gläubigern aus der möglichen Pflichtverletzung kaum ein nachweisbarer Schaden entstehen. Dabei tragen die potentiellen Geschädigten die Darlegungs- und Beweislast (auch) für den Schaden und die Ursächlichkeit einer möglichen Pflichtverletzung. Selbst wenn später festgestellt wird, dass der Verfahrenskoordinator Tatsachen verschwiegen hat, die seiner Bestellung entgegengestanden hätten (Rn 24), kommt eine Umkehr der Beweislast grundsätzlich nicht in Betracht. Für die Verjährung der Haftungsansprüche gegen den Verfahrenskoordinator aus 31 §§ 269f III, 60 I verweist § 269f III auf § 62 und dieser wiederum grundsätzlich auf §§ 195, 199 I BGB (§ 62 S 1). Danach verjähren die Ansprüche in drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Allerdings sieht § 62 S 2 – abweichend von § 199 III BGB, auf den § 62 S 1 nicht verweist58 – eine eigenständige Höchstfrist von drei Jahren vor, die mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§§ 200, 258 I) bzw der rechtskräftigen Einstellung (§§ 207, 211,

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Insoweit auch Thole Der Konzern 2013, 182, 183. Dagegen hält Thole Der Konzern 2013, 182, 184 die Haftung nach allgemeinen Zurechnungsregeln weitergehend für denkbar. Vgl Thole Der Konzern 2013, 182, 188. So zuletzt BGH ZIP 2017, 779 Rn 12. Dafür allgemein Oldiges Die Haftung des Insolvenzverwalters unter der Business Judgment Rule (2011), S 137 ff; speziell für

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den Verfahrenskoordinator vgl Thole Der Konzern 2013, 182, 187; FK/Wimmer InsO9 § 269f Rn 32. So insbesondere BGHZ 150, 353, 360. Vgl Braun/Esser InsO7 § 269f RegE Rn 26. BGH ZIP 2019, 1402 Rn 4: BeckOGK/Piekenbrock BGB § 195 Rn 88 (Stand: 1.8.2018); MünchKomm/Brandes/Schoppmeyer InsO3 § 62 Rn 5, dort allerdings mit Bezug zu § 199 IV BGB.

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212, 213) zu laufen beginnt.59 Bei der entsprechenden Anwendung von § 62 S 2 auf Ansprüche gegen den Verfahrenskoordinator muss dafür – ähnlich wie in § 62 S 3 – ein Funktionsäquivalent gefunden werden, das nur in der Beendigung des Koordinationsverfahrens liegen kann (Rn 33 ff). 32 Fraglich ist, ob §§ 60, 62 auch auf die Haftung eines von einem deutschen Insolvenzgericht bestellten (europäischen) Koordinators entsprechend anwendbar sind. Art 72 V EuInsVO nF beschränkt sich auf die Aussage, dass der Koordinator seine Pflichten unparteiisch und mit der gebotenen Sorgfalt ausübt, enthält aber – anders als die legislative Entschließung des Europäischen Parlaments60 – keine einschlägigen Haftungsregelungen. Auch wenn dafür nur selten Bedarf besteht, kann aber nicht angenommen werden, dass das Unionsrecht hier eine bewusste Lücke enthält, die den Rückgriff auf die auch vom Europäischen Parlament (Art 42de S 3) favorisierte lex fori concursus (Art 7 II 1 EuInsVO nF) ausschließt.61 Richtigerweise gelten vielmehr §§ 60, 62 entsprechend, wenn der Koordinator von einem deutschen Insolvenzgericht bestellt worden ist.62 Für die Anwendung von § 62 spricht im Übrigen auch, dass der EuGH auch die Verjährung des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs dem mitgliedstaatlichen Recht zuweist.63 4. Beendigung des Amtes des Verfahrenskoordinators

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Zu den ungeregelten Fragen des Koordinationsverfahrens gehört die nach seiner Beendigung und damit auch die nach dem Ende des Amtes des Verfahrenskoordinators. Da das Koordinationsverfahren durch einen förmlichen Beschluss des Insolvenzgerichts eingeleitet wird (§ 269d Rn 19), ist es auch durch einen entsprechenden actus contrarius zu beenden.64 Damit endet notwendigerweise auch das Amt des Verfahrenskoordinators. Allerdings ergibt sich aus §§ 269f III, 59, dass der Verfahrenskoordinator entlassen werden kann, ohne dass damit das Koordinationsverfahren endet. In diesem Fall ist vielmehr ein neuer Verfahrenskoordinator zu bestellen (Rn 27). Das gleiche gilt im Falle des Todes des Verfahrenskoordinators. 34 Die Beendigung des Koordinationsverfahrens kann zunächst darauf beruhen, dass die zwingenden Voraussetzungen für die Einleitung des Verfahrens weggefallen sind. Das ist immer der Fall, wenn nicht mehr bei mindestens zwei gruppenangehörigen Schuldnern In-

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Zur Unanwendbarkeit der Jahresultimoregelung in § 199 I vgl nur Jaeger/Gerhardt InsO § 62 Rn 9. Zum Fristbeginn vgl iE BeckOGK/Piekenbrock BGB § 195 Rn 89.1 ff (Stand: 1.8.2018). Art 42de idF der Legislativen Entschließung P7_TA(2014)0093 v 5.2.2014 zu dem Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren (COM(2012)0744 – C7–0413/2012 – 2012/0360(COD)) lautete: „Der Koordinationsverwalter übt seine Pflichten mit der gebotenen Sorgfalt aus. Er haftet gegenüber den Insolvenzmassen der am Gruppen-Koordinationsverfahren beteiligten Insolvenzver-

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fahren für Schäden, die in zurechenbarer Weise auf die Verletzung dieser Pflichten zurückzuführen sind. Seine Haftung richtet sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Gruppen-Koordinationsverfahren eröffnet wurde.“ So aber Eble ZIP 2016, 1619, 1623 ff. So auch MünchKomm/Reinhart InsO3 Art 72 EuInsVO 2015 Rn 25. Vgl etwa EuGH Slg. 2009, I-2119 Rn 32 – „Danske Slagterier“; Slg. 2011, I-4043 Rn 17 – „Iaia“; insoweit für eine Anlehnung an die Verjährung der Eigenhaftung der EU dagegen Piekenbrock GPR 2012, 7, 9. So auch Braun/Esser InsO7 § 269d RegE Rn 21.

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Vergütung des Verfahrenskoordinators

§ 269g

solvenz(eröffnungs)verfahren anhängig sind, in denen mindestens zwei verschiedene (vorläufige) Insolvenzverwalter bestellt worden sind (§ 269d Rn 20).65 Selbst wenn die zwingenden rechtlichen Voraussetzungen fortbestehen, kann das Ko- 35 ordinationsverfahren wegen Zweckerreichung oder Zweckverfehlung beendet werden. So ist der Zweck spätestens erreicht, wenn der Koordinationsplan und die darauf aufbauenden Insolvenzpläne in den einzelnen Insolvenzverfahren bestätigt worden sind. Bis zur Aufhebung der Insolvenzverfahren (§ 258 I) oder gar bis zur Aufhebung der Überwachung (§ 268) zu warten, wäre nicht sinnvoll. Allerdings kann der Zweck auch schon erreicht sein, wenn in allen vom Koordinationsverfahren betroffenen Insolvenzverfahren Beschlüsse nach § 269i II gefasst worden sind. Dagegen wäre der Zweck des Koordinationsverfahrens verfehlt, wenn die Insolvenzverwalter etwa durch Einzelverwertungsmaßnahmen einen Zustand geschaffen haben, in dem es ausgeschlossen erscheint, dass ein konzernübergreifender Mehrwert realisiert werden kann. In diesen Fällen sind die Gründe, die das Gericht bei der Ermessensentscheidung zugunsten der Einleitung des Koordinationsverfahrens geleitet haben (§ 269d I), weggefallen. Die Beendigung des Koordinationsverfahrens sollte in dem Beschluss als „Aufhebung“ 36 bezeichnet werden, weil dieser Begriff nicht nur für die ordentliche Beendigung eines Insolvenzverfahrens (§§ 200, 258 I), sondern auch bei der Beendigung der Überwachung verwendet wird (§ 268). Da von diesem Beschluss keinerlei Drittwirkungen ausgehen, braucht er wie der Beschluss nach § 269d I nicht öffentlich bekanntgemacht zu werden, sondern wird dem Verfahrenskoordinator und den beteiligten (vorläufigen) Insolvenzverwaltern bzw den eigenverwaltenden Schuldnern formlos mitgeteilt. Wie der Beschluss über die Einleitung oder die Ablehnung eines Antrags auf Einleitung (vgl § 269d Rn 22) ist auch der Beschluss über die Aufhebung des Koordinationsverfahrens unanfechtbar. Eine analoge Anwendung von §§ 269f III, 59 II S 1 kommt nicht in Betracht.

§ 269g Vergütung des Verfahrenskoordinators (1) 1Der Verfahrenskoordinator hat Anspruch auf Vergütung für seine Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen. 2Der Regelsatz der Vergütung wird nach dem Wert der zusammengefassten Insolvenzmassen der in das Koordinationsverfahren einbezogenen Verfahren über gruppenangehörige Schuldner berechnet. 3Dem Umfang und der Schwierigkeit der Koordinationsaufgabe wird durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen. 4Die §§ 64 und 65 gelten entsprechend. (2) Die Vergütung des Verfahrenskoordinators ist anteilig aus den Insolvenzmassen der gruppenangehörigen Schuldner zu beri