Inflation und Wirtschaftswachstum: Zum Einfluß von Inflation auf die Akkumulationsrate [1 ed.] 9783428453191, 9783428053193

139 5 23MB

German Pages 239 Year 1983

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Inflation und Wirtschaftswachstum: Zum Einfluß von Inflation auf die Akkumulationsrate [1 ed.]
 9783428453191, 9783428053193

Citation preview

HELMUT WAGNER

Inflation und Wirtschaftswachstum

Volkswirtschaftliche Schriften Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h. c. J. B r o er man n, Berlin

Heft 329

Inflation und Wirtschaftswachstum Zum Einfluß von Inflation auf die Akkumulationsrate

Von

Prof. Dr. Helmut Wagner

DUNCKER

&

HUMBLOT I

BERLIN

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Wagner, Helmut: Inflation und Wirtschaftswachstum : zum Einfluss von Inflation auf d. Akkumulationsrate I von Helmut Wagner. - Berlin : Duncker und Humblot, 1983. (Volkswirtschaftliche Schriften ; H. 329) ISBN 3-428-05319-2 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1983 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany

© 1983 Duncker

ISBN 3 428 05319 2

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung

5

Einleitung ........ .. . .. . . .. . . . . .. .. . . ........... . ...... .. .. .

9

1. Begrenzung ....... . .

9

2. Differenzierungsmerkmale

10

3. Allgemeine Akkumulationskriterien ..... .. .............. .. ... . .

18

1. Kapitel: Der Einfluß von Inflation auf das Preisverhältnis PIP'k,

23

2. Kapitel: Der Einfluß von Inflation auf die "funktioneUe" EinkommensverteUung 26 Die Untersuchungen zur "Lohn-lag-Hypothese" . . . .. .. .

26

1. Vergleich zwischen Preis- und Lohnzeitreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

2. Versuche der Überprüfung der Lohn-lag-Hypothese auf der Grundlage von Lohnquotenbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

a) Untersuchungen auf der Grundlage "nicht-bereinigter" Lohnquoten..... . . . ... . ... . ... . .......... .. . . . .. . .... . ... . . . . .. . .

34

b) Untersuchungen auf der Grundlage "bereinigter" Lohnquoten . .

37

3. Die Untersuchung von Kessel und Alchian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

II. Neustellung der Frage nach dem Verteilungseffekt von Inflation . . . . .

46

1. Der Einfluß von Inflation auf die Entwicklung der Lohn-Preis-Relation (des Reallohns) . . . . . ... .......... ............... .

47

a) Zur eigentlichen Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

b) Der Einfluß von Preissteigerungen auf die Lohnentwicklung . . . .

49

ba) Zur Begründung von Sensibilitätsschwellen . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inflationshöhe und Inflationsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bc) Zur Rolle der Inflationsdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bd) Arbeitslosenrate und Inflationsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . .

49 51 53 54

I.

2

Inhaltsverzeichnis be) Konzentrationsgrad und Inflationsausgleich . . . . . . . . . . . . . . .

56

2. Der Einfluß von Inflation auf die Entwicklung der Arbeitsproduktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

3. Kapitel: Der Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

60

Das Konzept der Transaktionskosten . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

II. Kosten im Zusammenhang mit der Geldhaltung und der Einfluß von Inflation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .

66

I.

1. Zur "handlungsökonomischen" Begründung der (Kosten der) Geld-

haltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

2. Die Kosten der Geldhaltung und der Einfluß von Inflation . . . . . . . .

73

a) Die (Opportunitäts-)Kosten der Geldhaltung bei Preisstabilität . .

73

b) Die bei Inflation anfallenden (unmittelbaren) Kosten der Geldhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

3. Kosten der Ökonomisierung der Geldhaltung und der Einfluß von Inflation . ... ..... . . . .. ... ............. . . . . ... .. ... . ........ . ..

76

a) Kosten der Ökonomisierung der Geldhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

b) Die Auswirkungen von Inflation auf die (Entwicklung der) Kosten der Ökonomisierung der Geldhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

4. Resümee (Auswirkungen auf die Kapitalproduktivität) und Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

III. Weitere inflationsbedingte Transaktionskosten und ihr Einfluß auf die Kapitalproduktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

I. Absatzkosten und Inflation , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

a) Absatzkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

b) Die Auswirkungen von Inflation auf die Entwicklung der Absatzkosten . . ... . .. . ............ ... . .. ..... . . . . .... . ..... .....

84

c) Resümee (Auswirkungen auf die Kapitalproduktivität) und Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

2. Kosten der Lohnverhandlung und -zahlungund der Einfluß der Inflation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

a) Kosten der Lohnverhandlung und -zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

Inhaltsverzeichnis

3

b) Die Auswirkungen von Inflation auf die Entwicklung der Kosten der Lohnverhandlung und -zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

c) Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

d) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

IV. Zusammenfassung und Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

Zusatz : Der Einfluß von Inflation auf die Arbeitsproduktivität (mit Rekurs auf die Fragestellung des vorhergehenden Kapitels) . . . . . . . . . . . .

103

4 . Kapitel: Der Einfluß von Inflation auf den Wertpapierzins

105

Zur Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105

II. Bedingungen eines vollkommenen Inflationserwartungsausgleichs . . . .

108

III. Inflationsausgleich und Konstanz des Realzinses (- Zur theoretischen Diskussion in der Nationalökonomie-) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

114

IV. Ergebnisse und Einschätzung der empirischen Untersuchungen . . . . . .

124

V. Zusammenfassung und Erweiterungen (Differenzierungen) . . . . . . . . . .

133

I.

5. Kapitel: Inflation und Erwartungsunsicherheit

142

Begriffliche Abklärung . . . . . . . . . .. . .. . . .. . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

143

II. Inflation und die Unsicherheit bezüglich der Ertragserwartungen einer Investition in Sachanlagen , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

146

1. Inflation und Unsicherheit bezüglich der Absatzerwartungen . . . . . .

146

2.' Inflation und Unsicherheit bezüglich der Kostenerwartungen . . . . . .

154

a) Unsicherheit über die zu erwartende Faktorpreisentwicklung . ...

155

b) Unsicherheit der Transaktionskostenentwicklung . . . . . . . . . . . . . .

155

c) Unsicherheit über Folgekosten von "notwendigem falschen Rechnen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

156

d) Unsicherheit der Folgekosten veränderter Kreditbedingungen . . .

158

3. ,.Exkurs": Inflation und Unsicherheit bezüglich Art und Zeitpunkt (wirtschafts)politischer (Re-)Aktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160

I.

4

Inhaltsverzeichnis

III. Inflation und die Unsicherheit bezüglich der Ertragserwartungen einer Wertpapieranlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

162

IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168

Ausgangspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168

li. Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . .

171

III. Abschlußbemerkungen-WirtschaftspolitischeKonsequenzen . . . . . . .

181

Anhang A: Zum Inflationserwartungsbildungsprozeß.. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186

Anhang B: Zum Konzept der ,Wohlfahrtskosten' der Inflation in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209

Literaturverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

216

I.

Vorbemerkung "Stabilität ist nicht alles, aber ohne Stabilität ist alles nichts." Diese Worte des früheren Wirtschafts- und Finanzministers Kar! Schiller bezeichnen in charakteristischer Weise die gegenwärtige wirtschaftspolitische Grundposition eines großen Teils der westlichen lndustrienationen, besonders auch der Bundesrepublik Deutschland. In der Bundesrepublik fand diese Position programmatisch ihren Niederschlag im sogenannten "Stabilitätsgesetz" von 19671 und praktisch in der stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik bestehender und vergangener Regierungen vor allem der 60er und 70er Jahre. Dieses Grundziel der Preisstabilität beherrscht und begrenzt gleichsam als "derivativ" verstandenes Ziei2 die Verfolgung "primärer" oder "originärer", in entwickelten parlamentarisch-demokratischen Gesellschaften unverzichtbarer, Ziele wie Vollbeschäftigung und Verteilungsgerechtigkeit Wirtschaftspolitik wird dabei- wie Hajo Riese (1979; S. 23 ff.) schrieb- immer mehr zur staatlichen Bemühung um die Vermeidung des Ansteigens bzw. um die Zurückschraubung von Inflationsraten. Die Dominanz der Angst vor (galoppierender) Inflation ist scheinbar das Zeichen unserer, und nicht ·nur der bundesrepublikanischen, Gegenwart. Die restriktive Geld- und Finanzpolitik in Großbritannien unter der Regierung Thatcher wie auch neuerdings der wirtschaftspolitische Kurs der amerikanischen Regierung Reagan sind dafür prägnante Beispiele. Hier soll nun nicht untersucht werden, ob diese Angst berechtigt ist, d. h. in erster Linie, ob durch eine "hemmungslosere" Wachstumspolitik eine galoppierende Inflation in Gang gesetzt wird bzw. würde, sondern die Frage des "so what" gestellt werden, d. h . die Frage nach der Bedeutung bzw. den FolI "Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft", in: Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1967, Teil I, S. 582. 2 "Derivativ" bedeutet hier, daß Preisniveaustabilität funktional ist für das Erreichen der originären Ziele. Letzteres beinhaltet die Ansicht, daß bei Inflation (längeranhaltende allgemeine Preissteigerungen) und Deflation (längeranhaltende allgemeine Preissenkungen) andere Ziele, wie das für die Aufrechterhaltung des marktwirtschaftliehen Systems erforderliche Wirtschaftswachstum und die legitimatorisch notwendige Vollbeschäftigung, nicht erreichbar sind. Vgl. dazu das Gutachten der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel (1978), S. 153 und das Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 1974, S. 146.

6

Vorbemerkung

gen einer zunehmenden lnflation3· 4 . Und zwar soll in dieser Arbeit die Rückwirkung von Inflation bzw. einer sich beschleunigenden Inflationsdynamik auf das Wirtschaftswachstum untersucht werden. Die Implikation der oben geschilderten wirtschaftspolitischen Grundposition, daß Inflation ein "angemessenes Wirtschaftswachstum" verhindern würde, ist nicht selbstverständlich und auch empirisch noch nicht "bewiesen". Zumindest sind die in derwirtschaftswissenschaftlichen Fachliteraturvorfindbaren Untersuchungsergebnisse alles andere als übereinstimmend oder einheitlich. Schilcher bezeichnete (1964) das Ergebnis seiner damaligen Beschäftigung mit der einschlägigen Literatur als "enttäuschend"5 und führte dies vor allem aufmethodische und/bzw. "prinzipielle" Probleme zurück. Er bemerkt (1964; S. 85): "Kritisch ist zunächst zu sagen, daß in ihr (der Literatur zur obigen Frage, H. W.) im ganzen wenig methodenbewußt gearbeitet wird. Im einzelnen unterbleibt häufig eine Präzisierung der benutzten Begriffe, einzelund gesamtwirtschaftliche Argumentationen werden unzulässig vermischt, recht subjektive Wertungen und Spekulationen unterlaufen, empirische Beweise werden für Beweise, Modellkonstruktionen für Beschreibungen der Wirklichkeit ausgegeben, an einer Synthese der Methoden mangelt es weiterhin." Diese Vorwürfe scheinen zum großen Teil auch noch an die Untersuchungen nach 1964 gerichtet werden zu können. Wenn auch inzwischen in einschlägigen thematischen Arbeiten gewisse "Präzisierungen" gemacht worden sind 6 , so erscheint doch das Ergebnis vieler Beiträge zu diesem Thema (Einfluß von Inflation auf das Wirtschaftswachstum) noch immer ziemlich diffus und weitgehend normativ geprägt. Zu deutlich vermischten sich 3 Tobin beispielsweise schrieb (1972) dazu: "Seldom has a society madesuch !arge immediate and tangible sacrifices to avert an ill defined, uncertain, eventual evil."

(S. 15).

4 Daß letztere Frageangesichts des in den vergangenen Jahren in vielen Ländern "hautnah(er)" gewordenen Problems "Inflation" an Aktualität gewonnen hat, zeigt die gestiegene Repräsentanz dieser Fragestellung in den öffentlichen Medien und auf Fachkonferenzen. Nichtsdestoweniger muß man feststellen, daß die Unsicherheit und Zerstrittenheil der Ökonomen bezüglich der Frage der wirtschaftlichen und sozialen Kosten der Inflation wie auch der Kosten einer Antiinflationspolitik dadurch nicht abgenommen haben. (Vgl. auch A. H. Meltzer: "After more than a decade of relative high inflation, economists remain uncert!lin and divided about the social cost of non-indexed inflation, the costs of lowering inflation, and the benefits of price stability." (in: Journal of Economic Literature, Sept. 1979, S. 1038). Siehe dazu beispielsweise den Brookings-Konferenzbericht von Okun und Perry (Hg., 1978) und die Studie vonMillerund Lonie (1978); siehe auch den Konferenzband vonBrunnerund Mettzer (Hg., 1976). s Er schreibt: "Das Ergebnis auch einer umfassenderen Beschäftigung mit dieser Materie ist durchaus enttäuschend. Eindeutig nachgewiesen ist weder ein positiver, noch ein negativer Effekt der Inflation auf das Wachstum." (Schilcher (1964 ); S. 94)). 6 Vgl. neuerdings insbesondere Fischer/Modigliani (1978).

Vorbemerkung

7

noch allzu oft normativ-ideologische Grundpositionen mit pauschalen Äußerungen zu dem hier behandelten thematischen Zusammenhang 7. Dies spiegelt auch die Tatsache wider, daß viele Beiträge zu diesem Thema journalistischer Art sind 8 (-auch aus der Feder renommierter Nationalökonomen9-). In der Fachliteratur gibt es bislang fast nur Untersuchungen zu spezifischen Teilaspekten, d. h. hier: zum Einfluß von Inflation auf ganz spezifische Einzeldeterminanten wie Zins und Einkommensverteilung - dies allerdings in einer inzwischen fast unübersichtlichen Fülle. Dagegen findet man so gut wie keine Analysen der umfassenderen Fragestellung bzw. des Zusammenwirkens einzelner abgeleiteter Teileffekte. 10 Die genannten methodischen Mängel dürften allerdings nur einen Teil der Uneinheitlichkeit der Untersuchungsergebnisse erklären können. Nicht minder wichtig dürfte die Tatsache zu bewerten sein, daß Inflationseffekte nicht situationsunspezifisch sind, die bisherigen Untersuchungen in ihren Analysemethoden und in ihren Bewertungen bzw. Schlußfolgerungen aber durchgehendundifferenziert angelegt waren. Man kann und muß jedoch davon ausgehen, daß die Auswirkungen von Inflation entscheidend variieren (können) - und zwar mit der Höhe und der Entwicklungstendenz der Inflation, mit den Vergangenheitserfahrungen der Wirtschaftssubjekte hinsichtlich von Inflation(seffekten), mit deren Einschätzung der Ursache(n) der Inflation und last not least mit der marktmäßigen Stellung der Akkumulationsträger. Diese Differenzierungen sollen hier in dieser Arbeit mit berücksichtigt werden, da erst dadurch zuverlässigere und auch prägnantere Aussagen (als bisher) gemacht werden können. Als Betrachtungs- oder Analyseobjekt sollen dabei die Entscheidungssituationen der Unternehmen bei Anlage- bzw. Akkumulationsentscheidungen in verschiedenen Inflationssituationen herangezogen werden. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine leicht überarbeitete Version einer an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Vgl. z. B. in Lutz (1957), Eisermann (1967) und auch in Hayek (1971 und 1975). In der ,journalistischen" Literatur erfreut sich dieses Thema großen Interesses. Allerdings kommt die Behandlung dabei in der Regel über pauschalierte Allgemeinplätze nicht hinaus. Dies zeigt aber auch deutlich, daß dieses Thema bisher vorrangig ein Feld für ideologische Macht- (oft auch nur -Schein-)kämpfe gewesen ist. Vgl. exemplarisch Ostwald (1931), Bethmann (1962), Beutter (1965), Slotosch (1971), Grünewald (1975). 9 Vgl. z. B. Hicks (1970), Solow (1975) und viele andere. 10 Eine der ganz wenigen Analysen ist die von Barth (1969), die jedoch nur das Phänomen "schleichender" Inflation untersuchte und von ihrer Grundstruktur her rein neoklassisch gehalten ist. 7

8

8

Vorbemerkung

Aachen angenommenen Habilitationsschrift. Stil und Konzeption der Arbeit sind noch sichtlich davon geprägt. Das ursprüngliche Manuskript wurde im März 1980 abgeschlossen. In der Überarbeitung wurde wohl noch später erschienene Literatur berücksichtigt, jedoch konnte dies nur unvollständig und partiell geschehen.

Dank

Die Diskussionen mit meinen Regensburger und Aachener Fachkollegen haben sicherlich das Gesicht der vorliegenden Arbeit entscheidend mit beeinflußt. Ihnen allen gilt mein Dank. Insbesondere möchte ich aber den Profes~oren Winfried Vogt (Regensburg), Karl Georg Zinn (Aachen) und Horst Friedrich (Köln) danken, die mir auch wertvolle schriftliche Hinweise zukommen ließen.

Einleitung Bei der folgenden Untersuchung soll so vorgegangen werden, daß zum einen nicht-inflationsabhängige Einflußfaktoren auf das Wirtschaftswachstum 1 so weit wie möglich aus der Betrachtung ausgeschaltet werden, und zum anderen bezüglich Inflationseffekten2 situationsspezifisch unterschieden wird. 1. Begrenzung

Zum ersten werden Ko,Yunkturphänomene aus der Analyse-Betrachtung ausgegrenzt. Sich selbst verstärkende Akkumulationseffekte in Boom- oder Depressions- (Rezessions-)perioden dürfen nicht mit Inflationseffekten vermischt werden. Es ist ja bekannt, daß in solchen spezifischen KonjunkturSituationen Inflation als (möglicher) wachstumsbestimmender Aspekt in den Hintergrund tritt zugunsten der Eigendynamik des Akkumulationsprozesses in Form des Akzeleratorprinzips.3 Boom- bzw. Rezessionsperioden sind durch mehr oder weniger große Markt-Ungleichgewichte gekennzeichnet, die sich mikroökonomisch (den einzelnen über Investitionen entscheidenden Unternehmern) als Über- bzw. Unterauslastung der (ihrer) Kapazitäten zeigen. Eine solche Über- oder Unterauslastung der Kapazitäten bewirkt in der Regel, daß die Unternehmer ihre Investitionsnachfrage steigern bzw. vermindern, um sich dem (kostengünstigsten) Normalauslastungsgrad ihrer Kapazitäten anzupassen - unabhängig davon, ob Inflation herrscht oder nicht !4, 5 Wirtschaftswachstum wird hier definiert als Zuwachsrate des Kapitalstocks. bif/ation wird hier als länger anhaltender Anstieg des allgemeinen Preisniveaus definiert. Vgl. näher beispielsweise Flemming (1976), S. 5 f. oder Steinmann (1979), S. 13 ff. . 3 Dieser Dominanzthese wird hier kein Ausschließlichkeitsanspruch zugesprochen. Sie gilt in erster Linie bei niedrigen InflatioQsraten. Es ist möglich und sogar wahrscheinlich, daß sich die Dominanz mit der Höhe der Inflationsrate verschiebt. Genaueres dazu im Laufe der Arbeit! 4 So können in einer Boomsituation hervorgerufene Preissteigerungen - wenn überhaupt - nur zum Teil als Ursache weiterer Akkumulation(ssteigerungen) angesehen werden. 5 Dies ist nichts anderes als die Beschreibung des auf eine wachsende Wirtschaft angepaßten "Kapazitätsanpassungsprinzips", das in der Literatur auch häufig in der I

2

10

Einleitung

Ich werde deshalb, so weit es geht, versuchen, diese konjunkturbedingte Eigendynamik von den mich hier interessierenden "eigentlichen" Inflationseffekten abzugrenzen, um nicht verschiedene Wirkungszusammenhänge durcheinanderzuwerfen6, 7. Zum zweiten muß aus den gleichen Gründen bei der Betrachtung empirischer Ausprägungen in Inflationsperioden darauf geachtet werden, inflationsunabhängige Struktureffekte auszugrenzen. Dies ist, wie wir sehen werden, der zentrale Schwachpunkt vieler empirischer Untersuchungen von Inflationseffekten. Aus den nämlichen Gründen wird in der theoretischen Analyse dieser Arbeit von außenwirtschaftliehen Einflüssen abstrahiert; d. h. es wird von einem geschlossenen System ausgegangen. Dadurch wird es leichter, die relevanten Zusammenhänge in einem noch übersichtlichen Rahmen kenntlich zu machen. Ebenso werden- weitgehendst- politische Faktoren (Umbrüche) im engeren Sinne innerhalb des theoretischen Kontextes nicht miteinbezogen bzw. bei der Betrachtung empirischer Untersuchungen herauszufiltern versucht.

2. Differenzierungsmerkmale Die meisten der in der Literatur aufgestellten Thesen zum Einfluß von Inflation auf das Wirtschaftswachstum werden pauschal, als allgemeine, formuliert. Es ist jedoch sehr zu bezweifeln, ob dies sinnvoll bzw. überhaupt möglich ist. Hier in dieser Arbeit wird davon ausgegangen, daß in verschiedenen Situationsumständen Inflation jeweils unterschiedlich wirkt (bzw. Form des Akzeleratorprinzips verwendet wird. (Vgl. zum BeispielMülleru. a. (1978), Kap. III.2.). Zur empirischen Evidenz vgl. auch Müller u. a. (1978), S. 140 ff.; vgl. außerdem ifo (1976), S. 1 und Braunsperger u. a. (1963). 6 Der mich in dieser Arbeit interessierende Wirkungszusammenhang ist- um es explizit zu formulieren - der spezifische Einfluß von Inflation auf die Kapitalakkumulation und nicht die statistisch sich niederschlagende, von allen möglichen situationsabhängigen Einflußgrößen mitbestimmte, Entwicklung der Kapitalakkumulation(srate) in Inflationen. (Bei Interesse an letzterem Zusammenhang bräuchte man sich ja im Prinzip nur die einschlägigen statistischen Zeitreihen zu betrachten.) 7 Ein Problem bei dem Versuch der analytischen Isolierung der Inflationseffekte wird es jedoch sein, daß insbesondere die Fragestellung, was passiert wenn man die Inflation "laufen ließe", schwerlich komparativ-statisch angegangen werden kann, und im dynamischen Analysegang notwendigerweise eine durch Inflation (möglicherweise) eingeleitete Eigendynamik von Mengenbewegungen mitberücksichtigt werden muß. Diese Eigendynamik ist zumindest im empirischen Kontext nur schwer quantifizierbar und isolierbar von konjunkturellen Einflußeffekten.

2. Differenzierungsmerkmale

11

wirken kann). Einmallassen sich solche Situationen danach unterscheiden, daß sie verschiedene einschlägige Vergangenheitserfahrungen "beinhalten". Eine weitere Differenzierung hinsichtlich der Auswirkungen von Inflation kann nach der unterschiedlichen Einschätzung der Inflationsursachen durch die Entscheidungsträger erfolgen. Schließlich lassen sich die Wirkungen von Inflation auf das Wirtschaftswachstum unterscheiden je nach der Marktstellung, in der sich die Entscheidungsträger befinden. a) Zum ersten: Je nachdem, welche Erfahrungen die Wirtschaftssubjekte mit Inflation gemacht haben, werden sie anders auf Preissteigerungen reagieren. Haben sie schon (längeranhaltende) starke Inflationen erlebt, bei denen sie selbst negative Auswirkungen verspürten (Vermögensverluste, Arbeitslosigkeit etc.), so werden sie sich anders verhalten als wenn sie bisher noch keine oder nur positive Erfahrungen gemacht haben. Das Gewicht solcher Erfahrungen im Entscheidungsprozeß ist dabei um so größer, je frischer die Erfahrungen und je häufiger sie gemacht worden sinds. Die Rolle von Inflation als Entscheidungsdeterminante im individuellen Handeln wird vor allem abhängen vom vorangegangenen und augenblicklichen "inflationären status qua" (definiert hier als Höhe und Wachstumspfadder Inflationsrate9), von den persönlichen positiven oder negativen Erfahrungen (Betroffenheit) der Entscheidungsträger (-wobei das Gewicht fl.ir den Entscheidungsprozeß mit der Zeitdauer zwischen Erfahrung und Handlungsentscheidung abnimmt-), und nicht zuletzt vom "inflationären Klima", i. e. hier: von den Erwartungen über die zukünftige (Weiter)Entwicklung auf dem Preissektor. Die Erwartungsbildung ist dabei nicht unabhängig von der jeweiligen, durch die ersten beiden Faktoren beschriebenen "historischen" Situation, d. h. von den Vergangenheitserfahrungen der Entscheidungssubjekte. Sie wird im Gegenteil entscheidend davon bestimmt, obwohl eine reine Begrenzung darauf, wie es in der jahrzehntelangen Annahme der adaptiven Erwartungsbildung innerhalb der empirischen Ökonomie geschah, zu eng gefaßt ist. (Zum Prozeß der Erwartungsbildung vgl. den

Anhang A!)

Von daher kann man vereinfacht annehmen, daß weiterhin mit einem Inflationsanstieg gerechnet wird, wenn bisherein solcherüber Jahre hinweg zu beobachtender Trend aufgetreten ist. Bei einem umgekehrten Trend gilt das Gegenteil. Sicherlich kann dieser Automatismus im Erwartungsbildungsprozeß jederzeit unterbrochen werden durch öffentliche Ankündigungen Vgl. Katona (1975), S. 47 ff. Je höher die Inflationsrate und je steiler ihr Wachstumspfad in den vergangeneo Jahren, um so mehr Gewicht wird dem Faktor "Inflation" zugeschrieben werden. 8

9

12

Einleitung

wirtschaftspolitischer Instanzen, den Inflationsprozeß zu stoppen, oder durch andere eindeutige Indizien, die auf einen Zusammenbruch der Inflationsdynamik hindeuten 10• Letzerer Aspekt soll jedoch hier vorerst nicht weiter berücksichtigt werden, da unser Interesse eher dem Fall (bzw. den Folgen) nicht-staatlich-entgegengesteuerter Inflation gilt, und der Einfluß unerwarteter politischer oder außenwirtschaftlicher Entwicklungen aus der Analyse ausgegrenzt worden ist. Daß die Akkumulationsentscheidungen unterschiedlich stark von Inflation je nach deren (augenblicklicher) Höhe tangiert werden, ist augenscheinlich. Geringe Abweichungen von der Geldwertstabilität werden die Wirtschaftssubjekte noch nicht dazu bringen, eingespielte und institutionalisierte Verhaltensweisen zu ändern. Dies ist auch nicht nötig, da die persönlichen Folgen noch relativ (man kann auch sagen: vernachlässigbar) gering sind. Erst bei höheren Inflationsraten werden die Folgen sieht- und fühlbar(er). Je höher die Inflationsrate ist, um so größer sind die Einwirkungen auf die Ergebnisse von ökonomischen Entscheidungsprozessen, so daß Verhaltensänderungen bzw. (oder auch nur) der Einbezug der Inflation ins Handlungskalkül ab einer bestimmten Stufe unumgänglich werden. Was die jeweils persönlich erlebten Folgen von Inflation in der Vergangenheit anbelangt, so soll von einer Differenzierung nach diesem Kriterium vorerst in der Analyse abgesehen werden; d. h. es wird der Einfachheit halber (vorerst) angenommen, daß sich alle handlungsrelevanten Entscheidungssubjekte in dieser Hinsicht gleichstehen. Diese Annahme wird dadurch erleichtert, daß es ja (nur) eine bestimmte mehr oder weniger homogene Gruppe II ist, die die (private) Akkumulationstätigkeit entscheidend bestimmt, nämlich die Gruppe der (privaten) Untemehmerl2. Somit kann man eine Systematik aufstellen, die als Entscheidungsdeterminanten sechs unterschiedliche Ausgangspositionen unterscheidet, bei deIO Dies ist jedoch nur als Möglichkeit zu verstehen, die selbst wieder abhängig ist u. a. von der Höhe der Inflation. II Beim dritten Differenzierungskriterium bezüglich der "Marktstellung" der Entscheidungsträger wird diese Aussage etwas "spezifiziert". 12 Die Dominanz dieser Gruppe ergibt sich aus ihrer Stellung innerhalb des marktwirtschaftlich-kapitalistischen Systems. Das Privatunternehmertum ist sozusagen der Legitimations- und zugleich Funktions-Pol des marktwirtschaftliehen Systems. Auch die zunehmende Staatstätigkeit der letzten Jahrzehnte kann nicht über dessen Systempriorität hinwegtäuschen. Gelingt es nicht, die private Investitionstätigkeit in Gang zu bringen, so scheitert letztlich jede Wachstumspolitik. Deshalb muß auch, solange über die Funktionsweise von Marktwirtschaft bzw. von marktwirtschaftlichkapitalistischen Systemen geredet wird, die Analyse der Handlungsdynamik der Privat-Unternehmer immer im Mittelpunkt stehen.

2. Differenzierungsmerkmale

13

nen, je nachdem welche gegeben ist, Inflation jeweils unterschiedliche Einflüsse auf das Wirtschaftswachstum bzw. den Akkumulationsprozeß hat (haben kann). Die verschiedenen Ausgangspositionen werden mit den Symbolen H I bis H VI bezeichnet HI H li H III : H IV : HV : H VI :

geringe Inflationsrate, gleichbleibende oder abnehmende Entwicklungstendenz geringe Inflationsrate, steigende Entwicklungstendenz hohe Inflationsrate, fallende Entwicklungstendenz hohe Inflationsrate, gleichbleibende ("stabile") Entwicklungstendenz hohe Inflationsrate, steigende Entwicklungstendenz Hyperinflation.'J

b) Ob die Akkumulation durch Inflation zunimmt oder nicht, hängt nicht nur von den Vergangenheits- und Gegenwartserfahrungen und den Inflationserwartungen der Entscheidungsträger über Kapitalakkumulation - und das sind im wesentlichen die privaten und öffentlichen Unternehmer - ab, sondern auch von deren Einschätzung der lnjlationsursachen. Akkumulation beinhaltet ja im eigentlichen Sinne eine Ausweitung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten. Eine solche Ausweitung istjedoch nur dann ökonomisch sinnvoll und wird in der Regel auch nur dann durchgeführt, wenn damit gerechnet werden kann, daß die Kapazitäten auch ausgelastet werden können. Unausgelastete Kapazitäten verursachen den Unternehmen nur Kosten(- abgesehen von einer gewissen größeren "Reaktionselastizität" auf unerwartete Nachfrageschübe, die jedoch auf Dauer nur eine relativ geringe "Überkapazität" rechtfertigen dürfte-). Dies bedeutet jedoch, daß mit einer zunehmenden Nachfrage (zunehmenden Absatzmöglichkeiten) gerechnet werden muß, wenn Kapazitäten auf Dauer ausgeweitet werden (sollen). Auf 13 UnterHyperinflation wird allgemein eine außergewöhnlich oderextrem hohe Inflation verstanden. Als "pragmatische" Definition wird zumeist die Definition von Cagan (1956) übernommen, der Hyperinflation bezeichnete als in dem Monat beginnend, in dem der Preisanstieg 50 96 übersteigt, und als in dem Monat endend, bevor der monatliche Preisanstieg unter dieses Niveau fällt und mindestens ein Jahr darunter bleibt. Diese von Cagan selbst als "pragmatisch" bezeichnete Definition offenbart die Abgrenzungsschwierigkeiten einer so, d. h. nur zahlenmäßig definierten Hyperinflation von einer sozusagen "normalen", hohen Inflation. Im Prinzip sind die gleichen Abgrenzungsschwierigkeiten jedoch auch schon zwischen den oben genannten Stadien einer "hohen" und einer "niedrigen" Inflation vorhanden. So leicht es ist, zusätzliche Kriterien als Bedingung einer sinnvollen Abgrenzung zu fordern, so schwer ist es, geeignete zu finden. Auch eine mögliche Abgrenzung über die Folgen der Inflationen selbst ist letztlich zum Scheitern verurteilt, da auch die Folgen (beispielsweise der Verlust der Geldfunktionen) nicht klar systematisierbar bzw. empirisch festmachbar sind. Deshalb wird auch hier Cagans Definition als "Hilfskonstruktion" akzeptiert. 2 Wagner

14

Einleitung

unsere Fragestellung bezogen heißt dies, daß inflationsbedingt - i. e. als Folge von Inflation - die Kapitalakkumulation nur dann stetig steigt, wenn die Nachfrage ebenfalls- inflationsbedingt-als steigend antizipiert wird. Dies ist tendenziell eher dann der Fall, wenn schon die Preissteigerungen selbst im klassischen Sinne als Signal von Übernachfrage (am Gütermarkt) interpretiert werden1 4 . Davon kannjedoch im Zuge der zunehmenden Oligopolisierung bzw. Monopolisierung der Wirtschaftsstrukturen nicht mehr a priori ausgegangen werden. Mit dieser Oligopolisierung hat sich auch ein neuer Typ des Preissetzungsverhaltens dominierend durchgesetzt, der den Unternehmern mehr oder weniger umfassend ermöglicht, auf sie zukommende Kostenerhöhungen einfach auf die Preise zu überwälzen und somit eine neue Art von Inflationsentwicklung einzuleiten 15. Dies berücksichtigend stellt sich ftir die Unternehmer ("Kapitalakkumulierer'') in Inflationen die grundlegende Frage, als was die Preissteigerungen jeweils interpretiert werden sollen, als Signal für vorhandene Überschußnachfrage oder als Indiz für überwälzte Kostensteigerungen (beispielsweise für Rohstoffe wie Erdöl, um ein aktuelles Beispiel zu nennen). Bei ersterer Interpretation 16 werden sie grundsätzlich (von vornherein) eher bereit sein, ihre Kapazitäten auszudehnen als bei letzterer Interpretation. Insofern wird im weiteren Verlauf der Arbeit systematisch unterschieden zwischen vermeintlicher Kosteninflation und vermeintlicher Nachfrageinflation I?, 18. c) Ein drittes und letztes Differenzierungsmerkmal bezüglich der Wirkungen von Inflation auf das Wirtschaftswachstum wird hier auf der Grundlage der Unterscheidung nach Marktformen eingeführt. Die zugrundeliegende These ist die, daß die Wachstumseffekte von Inflation in Wettbewerbs- oder

14 -wenn dies auch weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für die Annahme steigender Nachfrage ist. 15 Vgl. Oberhauser (1979b; S. 357 f.). 16 Es gibt genügend Stimmen, die behaupten, eine solche Interpretation sei in Inflationen prinzipiell nicht mehr möglich, da man dann nicht mehr zwischen Nachfrage- und Kosteninflation unterscheiden könne. (Vgl. z. B. Henninger (1975) oder Leijonhujvud (1977)). Da man jedoch die Interpretationsgrundlage nicht nur auf die sicherlich schwankende Preisstruktur beziehen kann, sondern auch andere Indikatoren (Informationen) bei einer solchen Interpretation berücksichtigt werden, scheint eine solche Auffassung doch als zu restriktiv(-pessimistisch). 17 Das Adjektiv "vermeintlich" besagt schon, daß es hier nicht um die "wirklichen" oder " wahren" Ursachen geht, sondern um subjektive Einschätzungen. 18 Die beiden Begriffe sollen hier keine " reinen" oder "alleinigen" (monokausalen) Abhängigkeiten ausdrücken, sondern die Tatsache, daß eine Inflation durch einen Faktor jeweils "überwiegend" verursacht ist bzw. genauer: als verursacht eingeschätzt wird.

2. Differenzierungsmerkmale

15

"polypolistischen" 19 Sektoren anders sind (sein können) als die in monopolistischen oder Oligopolistischen Sektoren. Der Grund liegt einmal in dem unterschiedlichen Preissetzungsverhalten, zum anderen in den verschiedenen Zugangsmöglichkeiten zu den einzelnen Märkten und in den verschiedenen Informationsmöglichkeiten - was zu unterschiedlicher Erwartungsbildung führt20. Zum ersten: Der grundlegende Unterschied zwischen dem Preissetzungsverhalten eines Polypolisten und dem eines Oligopolisten bzw. eines Monopolisten besteht bekanntlich darin, daß der Polypolist keine Preise "setzt", sondern sich mit seiner Produktionsmenge dem sich auf dem Markt ergebenden Preis so anpaßt, daß seine (vermuteten) Grenzkosten gleich dem von ihm eigenständig (aufgrund seiner größenmäßigen Unbedeutendheit) nicht beeinflußbaren Preis gleich sind. Der Oligopolist und der Monopolist sind dagegen prinzipiell in der Lage, den Marktpreis durch ihre eigene Preissetzung zu beeinflussen bzw. zu bestimmen. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Preissetzungsverhalten des Oligopolisten und dem der im privaten Sektor bisher im Prinzip nur theoretischen Figur des reinen Monopolisten21 besteht darin, daß der Oligopolist noch an eine bestimmte Form der Konkurrenz gebunden ist 22, die jedoch in praxi durch stillschweigende oder offene Vereinbarungen in der Regel "auf Eis" gelegt ist und sozusagen nur mehr eine potentielle Drohung oder Gefahr für den Fall eigenmächtiger bzw. unabgesprochener Aktionen darstellt. Diese letztere Gefahr zwingt allerdings den Oligopolisten dazu, preiskämpferische Maßnahmen zu unterlassen23 und stattdessen den noch existierenden Wettbewerb um Marktanteile 19 Der Begriff "polypolistisch" (oder "Polypol") wird hier und im Verlauf der Arbeit mehr heuristisch gebraucht im Sinne von "nicht-konzentriert". Als Hauptspezifikum polypolistischer Unternehmen (oder Märkte) wird die geringe Einwirkungsmöglichkeit des einzelnen Unternehmers- verglichen mit den konzentrierten Unternehmen (Märkten)- auf die Herausbildung der Preis-Mengen-Struktur auf den einzelnen Märkten betrachtet. 20 Der "Polypolist" oder Konkurrenz-Unternehmer wird hier nicht - wie in der neoklassischen Gleichgewichtstheorie-alsWesen ohne Gedächtnis und ohne "Zukunftszweifel" betrachtet. Der Polypolist bildet hier genauso wie der Oligopolist oder der Monopolist seine Investitionsentscheidungen auf der Grundlage von unsicheren Zukunftserwartungen, die selbst auf gegenwärtigen Informationen und vergangenen Erfahrungen beruhen. Der wesentliche Unterschied liegt, wie gesagt, nur in der Beeinflußbarkeit des auf dem Markt sich durchsetzenden Preises und in den unterschiedlichen Informationsmöglichkeiten der E~artungsbildung. 21 Zumindest stellen (rein) monopolistische Verhaltensweisen im privaten Sektor nur Randerscheinungen dar. 22 - d. h. mögliche Reaktionen seiner Konkurrenten bei seinen Handlungsentscheidungen berücksichtigen muß 23 Vgl. Blair (1959). Dies schließt nicht aus, daß einzelne Oligopolisten mit geringen Preisänderungen taktieren, um herauszufinden, ob die Konkurrenten "mitzie2*

16

Einleitung

auf den Bereich absatzpolitischer Maßnahmen wie Produktgestaltung und Werbung zu verlagern24 . Daraus kann man jedoch nicht ableiten, daß Oligopolisten auf(allgemeine, auch die Konkurrenten betreffende) Kostenerhöhungen nicht mit Preiserhöhungen reagieren würden. Im Gegenteil: Der Oligopolist wird genauso wie der Monopolist Kostenerhöhungen in der Regel soweit möglich "einfach" auf die Preise überwälzen2s. Die berühmte Preisrigidität, die den Oligopolisten gegenüber dem Monopolisten - als auch dem Polypolisten- auszeichnet, bezieht sich nicht auf die (Nicht-)Überwälzbarkeit von allgemeinen Kostenerhöhungen26, sondern auf die Gewinnaufschläge und auf die Häufigkeit von Preisanpassungen. Dies zeigen auch neuere Untersuchungen über das Preissetzungsverhalten oligopolistischer Unternehmen27. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen stellt sich die Form der Preissetzung in den Oligopolistischen Sektoren als spezifische Form des Gewinnaufschlags auf die durchschnittlichen Stückkosten dar2s. Steigen die Stückkosten, so steigen als Folge davon auch die Preise der Oligopolisten 29. Zum zweiten: Neben den unterschiedlichen Preissetzungsverhalten kennzeichnen die Oligopolistischen (und die monopolistischen) Unternehmer auch noch andere Merkmale aus, die sie bei Inflation akkumulationspolitisch anders reagieren lassen (können) als polypolistische Unternehmen. Zum einen besitzen Oligopole und Monopole aufgrund ihrer Größe und Marktmacht einen wesentlich besseren Zugang sowohl zum Kapitalmarkt als auch zum "lnformationsmarkt". Das heißt, sie können auf zusätzliche Absatzmöglichkeiten, die ihnen vermeintlich durch Preissteigerungen signalisiert werden, eher durch Produktionsausweitungen antworten, da sie auf dem Kapitalmarkt vielleichter und i. d. R. auch günstiger zu Fremdkapital gelangen. Zudem sind die Oligopolistischen und monopolistischen Unternehmen im Prinzip auch in der Lage, aufgrund des größeren Informationsapparates Fehlkalkulationen eher zu vermeiden, was zu Handlungsunterschieden zwischen polypolistischen und oligopolistischen (und monopolistihen". Das wird dadurch möglich, daß Oligopolisten einen gewissen monopolistischen Bereich in ihrer (doppelt geknickten) Preis-Absatzfunktion vorfinden. Vgl. dazu Sweezy (1939), Stigler (194 7), Rothschild (194 7), Nowotny I Walter (1978). 24 Dies vor allem bedingt auch die auf Oligopolistischen Märkten bekannte Inflexibilität der Preise nach unten. (Vgl. Jackson/Turner/Wilkinson (1972), S. 22 f.) 25 Vgl. dazu auch Oberhauser (1979a; S. 27fT.). 26 Dagegen können "unternehmensspezifische" Kostenerhöhungen nicht so "einfach" weitergegeben werden. Vgl. ebda. 27 Vgl. Wied-Nebbeling (1975) und Müller u. a. (1978). 28 Vgl. auch D. Schneider (1975b), S. 254 f. und S. 257. 29 Vgl. dazu auch die ergänzenden Ausflihrungen im nächsten Kapitel!

17

2. Differenzierungsmerkmale

sehen) Unternehmen in Inflationen führen kann. (Dies betrifft auch die Einschätzung der ftir das Akkumulationsverhalten der Unternehmer mitentscheidenden Inflationsursache.30 Zum anderen kann die Akkumulationspolitik der Oligopole und Monopole insofern "offensiver" oder anders geführt werden, als sie im Gegensatz zu polypolistischen Unternehmen bei "lebens"-bedrohenden Fehlinvestitionen viel eher mit staatlichen Rettungsbzw. Unterstützungsmaßnahmen rechnen können.3 1 d) Die in den letzten Abschnitten aufgeführten Differenzierungen legen eine detaillierte Aufgliederung der Argumentation in der vorliegenden Arbeit nahe. Dies könnte, wenn man die oben genannten Differenzierungskriterien mit all ihren Merkmalsausprägungen zugrundegelegt, so aussehen, daß man die Untersuchung, wie im folgenden Schema gezeigt (oder ähnlich), gliedert: 32

Polypol; ve=eintl. NachfrageInflation

Lx)

Polypol; vermeint·l. KostenInflation

Lx)

Oligopol; verme i ntl. NachfrageInflation

Lx)

Oligopol ; vermeint!. KostenInflation

Lx)

Monopol; vermeintl. NachfrageInflation

Lx)

Monopol; verme i ntl. KostenInflation

1-{x)

Hier wird allerdings dieses Schema - gezwungen durch die Fülle der Einzelfälle und geleitet durch das schon angesprochene spezifische Erkenntnisinteresse - ftir die folgende Untersuchung reduziert. Und zwar wird zum einen auf eine gesonderte Untersuchung der Beeinflussung der Entscheidungssituation der Monopole durch Inflation verzichtet, was insofern leicht fällt, da das Monopol im Prinzip in den heutigen entwickelten marktwirtschaftlich-kapitalistischen Gesellschaften - zumindest wenn man nur den privaten Sektor. betrachtet-, wie schon gesagt, (noch) eine rein theoretische Figur darstellt. 30 Allerdings wird die Bedeutung dieses Arguments in praxi dadurch abgeschwächt, daß viele· der Kleinunternehmen heutzutage durch Lieferverträge an Groß-Unternehmen gekoppelt sind, so daß ihre Investitions- oder Akkumulationsentscheidungen mehr oder minder direkt von denen der Groß-Unternehmen abhängen. 31 Dies kann über die Legitimationsverluste des Staates durch den plötzlichen örtlich geballten Verlust vieler Arbeitsplätze erklärt werden. 32 Der Vektor (x) steht für das Bündel an "allgemeinen" Akkumulationskriterien. Siehe dazu den nächsten Abschnitt!

18

Einleitung

Zum anderen wurde schon oben erwähnt, daß das vordergründige Interesse (an) dieser Arbeit nicht die Untersuchung gleichbleibender, "schleichender" oder zurückgehender Inflation ist33, sondern die Untersuchung der Frage, welche Auswirkungen es auf den Akkumulations- und Wachstumsprozeß hätte, wenn man die Inflation "laufen ließe". Das heißt, das Interesse bezieht sich mehr auf die Folgen einer Inflation mit steigender Tendenz. Von daher erweisen sich die Situationsfälle H I, H III und letztlich auch H IV als nicht so interessant für die Ausgangsfragestellung. Dementsprechend reduziert sich das obige Schema zu folgendem:

Polypol; vermeintl. NachfrageInflation

lx)

Polypol; vemeintl. KostenInflation

l(x)

Olip:opol; vermeintl. NachfrageInflation

Lx)

Olip:opol; verrne i ntl. KostenInflation

Lx)

3. Allgemeine Akkumulationskriterien

Die oben eingeführten Differenzierungen besagen jedoch nicht, daß es nicht allgemeine, für alle (privaten) Unternehmer - auch bei beliebiger Inflation - gültige Investitions- oder Akkumulationskriterien gibt. So wird jeder Privat-Unternehmer seine Produktions- oder Akkumulationstätigkeit darauf abstellen (müssen34), Gewinn zu erzielen. Er wird also sein Kapital nur dann in einen Produktionsprozeß einsetzen, wenn er dadurch Gewinn erzielen kann. Und zwar müssen die Gewinnerwartungen aus einer solchen Kapitalanlage im Produktionsprozeß (G~) höher sein als der höchstmögliche Ertrag auf dem Kapitalmarkt für eine entsprechende Kapitalanlage (Gwp)35. 33 Das Stadium "schleichender" Inflation war der Gegenstand der Inflationsuntersuchungen vor allem in den sechzigerund Anfang der siebziger Jahre(n). Vgl. fl.ir die Bundesrepublik Barth (1969), Klaus (1969), Wicke (1975). 34 - "müssen", um auf dem Markt überleben zu können. 35 Dabei müssen die (Gesamt-)Laufzeiten der zu vergleichenden Anlagen prinzipiell gleich lang sein. Das obige Entscheidungskriterium entspricht auch dem Kcynesschen Kriterium des Vergleichs zwischen der "marginal efficiency of capital" und dem Kapitalzins von der Struktur her.

3. Allgemeine Akkumulationskriterien

19

Da die Ertragserwartungen nicht "sicher" sind, muß auch die Erwartungsunsicherheit bzw. die (subjektiv eingeschätzte) Gefahr eines Nichteintreffens der Ertragserwartungen berücksichtigt werden. Die mit der Erwartungsunsicherheit verbundenen Gefahren bestehen bezüglich einer Investition in Sachanlagen (i. e. hier: einer Kapitalanlage in einem Produktionsprozeß) in erster Linie in der Möglichkeit der Nicht-Absetzbarkeit der produzierten Güter (zu dem geplanten Preis) und im eventuellen Eintreten unerwarteter Kostenerhöhungen. Dagegen liegen die entsprechenden Gefahren bezüglich einer Wertpapieranlage oder Finanzinvestition in der Möglichkeit von Real- und/oder Kapitalwertverlusten des Wertpapiervermögens. Die Gewinnerwartungen aus einer Sachinvestition müssen also nicht nur höher liegen als der entsprechende (zu erwartende) Wertpapierertrag, um eine positive Akkumulationstätigkeit in Gang zu setzen, sondern sie müssen auch noch eine eventuelle höhere Erwartungsunsicherheit des Investors bezüglich der Realisierung des erwarteten Ertrags einer Sachinvestition (Produktion oder Akkumulation) gegenüber einer Finanzinvestition kompensieren.36 Dies kann man auch folgendermaßen formulieren: I= /(G*)

(I)

mit I' > 0 für G* > 0 und I' = 0 für G* ~ 0,

wobei G* = G~ - G'fvp - U. 37 (/ : Investitionssumme U: ein "Erwartungsunsicherheitsabschlagsbetrag", der die Differenz der Erwartungsunsicherheiten bzw. der (damit verbundenen) Gefahren einer Nichtrealisierbarkeit der erwarteten Erträge zwischen einer Sach- und einer Finanzinvestition wiedergibt. Bei einer höheren Erwartungsunsicherheit bezüglich einer Sachinvestition ist U > 0, bei einer höheren Erwartungsunsicherheit bezüglich einer Finanzinvestition ist U < 0.)

Es gilt weiter38: 36 - bzw. sie dürfen den Wertpapierertrag nicht um mehr als einen die eventuelle größere Erwartungsunsicherheit bei einer Finanzinvestition entsprechenden "Unsicherheitsabschlagsbetrag" unterschreiten. 37 In der Unternehmerischen Praxis werden als Berechnungsmethode dieser Unsicherheits-Ertrags-Differenz vor allem die interne Zinsfußmethode und/oder die Kapitalwertmethode verwendet. Vgl. D. Schneider (1974). 38 Zur Bedeutung der im folgenden verwendeten Symbolik: P : der Preis, den der Produzent (Investor) für sein Produkt zu verlangen plant, bzw. der ihm durch den Markt vorgegeben wird (Im letzteren - polypolistischen Fall wird P eine Erwartungsgröße sein.)

20

Einleitung

(2) (3)

G~p= i · I

(4)

V= P ·I

Aus (1)- (4) folgt: I= I(PY- weN- (I+ i + p)l).

(5)

Bei Unterstellung einer linearen Abhängigkeit in (5) gilt (nach Umformulierung):

(6)

I=

a ·(PY- weN)

I+ a(l + i + p)

Da I= g · Pk ·K,

(7)

g: Wachstumsrate des Kapitalstocks

folgt aus (6) unter Berücksichtigung von (7): 1

(8)

g =--- ·

Pk ·K

a (PY- w eN)

1 + a(l + i +

p)

bzw. (umformuliert) mit

(8')

{'! ;:::

we . !!.._ 39 p y

Y : die geplante Produktionsmenge (Output) w e: der erwartete Lohnsatz pro Arbeitsstunde N : die eingesetzte Arbeitsmenge (gemessen in Arbeitsstunden) : = i, + pe = Wertpapierzins (i,: Realzins, pe: erwartete Inflationsrate) p

: ein Unsicherheitsabschlagsfaktor (p;:::

g

:

Akkumulationsrate

+)

PJ.:: der (von dem Investor) erwartete Kosten-Preis für "eine Einheit" der einzuset-

zenden Kapitalgüter K : Kapitalstock

= h P: Inflationsrate (P =

dP) dt pe : Inflationserwartung (der Index "e" wird in dieser Arbeit als "Erwartungsopera-

p

:

39

tor" benutzt.) Y IK: Kapitalproduktivität;

/e: (erwartete) Lohnquote.

21

3. Allgemeine Akkumulationskriterien

Entsprechend ist die reale Investitionstätigkeit bzw. die Kapitalakkumulation 1,. = - 1- . I =

PK

g .K

= M< =

folgendermaßen bestimmt:

akkumulierter (zusätzlicher) Kapitalstock

~YO-n

I,= _ __:..;__ _ __

(9)

J..+l+i+p a

Wie man sieht, ist die Wachstumsrate (laut Gleichung (8')) abhängig von folgenden sechs Größen:

(1) dem Preisverhältnis PI Pk, (2) der Kapitalproduktivität, (3), der (erwarte-

ten) Lohnquote, (4) dem Wertpapierzins, (5) dem Unsicherheits(abschlags)faktor p, (6) der Konstanten a4o.

Die Frage des Einflusses von Inflation auf die Wachsturnsrate läßt sich daher- im analytischen Untersuchungsgang-auf die Frage nach den Auswirkungen von Inflation auf die einzelnen in (8') angegebenen Einflußgrößen zurückführen. Das bedeutet- formal gesprochen: Es geht um den Wert (und vor allem das Vorzeichen) des Differentialquotienten dg/ dp, der sich folgendermaßen zusammensetzt :41 (10)

dg dp

=

ag a(PIPk)

d(P!Pf0

a ist der Linearisierungsfaktor gemäß Gleichung (5) bzw. (6). Gleichung (10) ist das aus Gleichung (8~ abgeleitete totale Differential.

22

Einleitung

p

ag ai ag ap

=-

y

-·-o-n PiK

0 (tJ.p: =Anstieg der Inflationsrate). Siehe zur näheren Analyse dieses Zusammenhangs Wagner (1982)!

82

3. Kap.: Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

(auch) bei Preisstabilität ausgefeiltere und rationellere Organisationsverfahren anwenden, so daß der durchschnittliche Aufwand an Ressourcen pro zusätzlicher Transaktionshandlung geringer ausfallen dürfte. Bei hoher und erst recht bei Hyperinflation verschwindet die Geldillusion weitgehend sowohl bei den Oligopolistischen als auch bei den polypolistischen Unternehmern. Die Ökonomisierungshandlungen der Polypole werden dann nicht mehr geringer sein als die der Oligopole, sondern in der Regel sogar höher - aufgrund der angesprochenen (durchschnittlich) rationelleren Informations- und Transaktions"technik" der Oligopole. (c) Differenzierung nach Inflationsursachen

Eine unterschiedliche Wirkung verschiedener vermeintlicher Inflationsursachen auf die Transaktionsdichte (zur Vermeidung von Realwertverlusten der Geldhaltung) und damit auf die Faktor-Produktivitäten läßt sich unter Umständen begründen über Unterschiede in der Planung(sgenauigkeit) der Unternehmer- je nachdem ob sie von einer Nachfrage- oder von einer Kosteninflation ausgehen. (Näher vgl. dazu in Punkt IV.b) dieses Kapitels!) Danach ist zu erwarten, daß die Ökonomisierungshandlungen (der Tendenz nach) in vermeintlichen Nachfrageinflationen weniger umfangreich sein werden als in vermeintlichen Kosteninflationen.

III. Weitere inflationsbedingte Transaktionskosten und ihr Einfluß auf die Kapitalproduktivität Die eben über die Kosten der (Ökonomisierung der) Geldhaltung abgeleitete Tendenz zur Senkung der Faktorproduktivitäten läßt sich auch begründen über bzw. wird noch verstärkt durch die bei Inflation im Absatzbereich und durch häufigere Lohnverhandlungen anfallende ressourcenverbrauchende Transaktionszunahme. In der Literatur wird wohl hier und da einmal ein Aspekt davon angesprochen,jedoch fehlt meines Wissens bisher jegliche empirische als auch theoretische Untersuchung des genannten Zusammenhangs. Insofern können die beiden folgenden Abschnitte durchaus als Betreten von forschungstheoretischem Neuland betrachtet werden, was allerdings fast notwendigerweise eine starke Hypothesenbehaftetheil der Aussagen mit sich bringt.

III. Weitere inflationsbedingte Transaktionskosten

83

1. Absatzkosten und Inflation a) Absatzkosten Unter Abs'!tzkosten werden hier spezifische Tauschkosten verstanden, die als Realisierungskosten des Tausches von (für den Tausch produzierten) Gütern anfallen. Absatz ist daher gleichbedeutend mit "Verkauf'. Absatzkosten entstehen im Prinzip nur in warenproduzierenden Gesellschaften als Folge der diesen eigenen Ungewißheit der Absetzbarkeit, d. h. der Tauschfähigkeit der produzierten Güter. Die Handlungssubjekte (Produzenten) in Marktgesellschaften kennen in der. Regel im vorhinein nur ihre eigenen geplanten Angebots- und Nachfragemengen, nicht jedoch die entsprechenden geplanten, geschweige denn letztlich effektiven Angebots- und Nachfragemengen der anderen Individuen (Marktteilnehmer)66. Nun haben aber die erzeugten Produkte den Charakter von Waren, sie besitzen also für ihren Produzenten in der Regel keinen Gebrauchswert. Wenn sich die erstellten Produkte als nicht tauschfähig erweisen, hat der Produzent "umsonst" gearbeitet und (seine) knappe(n) Ressourcen verschwendet. Um diese Verschwendung von Ressourcen, i. e. aber einen Kapitalverlust, so gering wie möglich zu halten, sind die Produzenten gezwungen, die Tauschbarkeit zu steuern. Die Kosten, die diese Tätigkeit verursacht, nennt man gemeinhin "Absatzkosten" 67 . Diese anfallenden Transaktionskosten des Absatzes lassen sich untergliedern in (i) Kosten der Absatzvorbereitung (- diese lassen sich selbst wieder einteilen in Kosten der Marktforschung und Kosten der Absatzplanung -), (ii) Kosten der Werbung, (iii) Kosten der Auftragsgewinnung (Vertreterdienste); ferner (iv) Kosten der Vertriebsleitung und (v) der Offertkalkulation, (vi) der Auftragsbearbeitung, (vii) der Auftragsabwicklung (darunter auch Transport); schließlich (viii) Kosten der Lagerunterhaltung und (ix) Kosten des Kundendienstes6B. Die Kostenarten (iv) bis (vii) lassen sich eventuell unter den Sammelbegriff "Verwaltungskosten des Absatzes im engeren" fassen. Einen zentralen Stellenwert kann man dabei unter dem Gesichtspunkt der Ungewißheit der Absatzmöglichkeit den ersten drei bzw. eingeschränkter noch den ersten zwei Kostenarten zuschreiben. Die Absatzvorbereitung 66 Dies gilt aufgrund der Marktstruktur für die polypolistischen Marktteilnehmer in stärkerem Maße als für die oligopolistischen. 67 Zur Schwierigkeit der (konkreten) Abgrenzung von Produktions- und Verkaufskosten vgl. Chamberlin (1964). 68 Vgl. Gutenberg, Der Absatz, 11. Auflage, 1968, S. 40.

84

3. Kap.: Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

beinhaltet die laufende Erkundung von und gedankliche Anpassung an Absatz(Tausch-)möglichkeiten69, während mit Hilfe der Werbung versucht wird, potentielle Tauschpartner zu gewinnen(- in doppeltem Sinne: einerseits "von-sich-aus-Kaufwillige" bzgl. eines bestimmten Gutes für das eigene (Firmen-)Produkt zu gewinnen und andererseits Menschen, die eigentlich gar keine Kaufabsicht hegen, durch verschiedenste Mittel dazu zu bringen). Die Auftragsgewinnung (Vertreterdienste) fallt eigentlich streng genommen auch unter die Werbung. Man kann diese Kostenarten (i), (ii) auch als Informationskosten, Planungskosten und Werbekosten kennzeichnen 70. b) Die Auswirkungen von Inflation auf die Entwicklung der Absatzkosten

Auch in diesem Abschnitt beschränken wir uns angesichts des Zusammenhangs, in den diese Untersuchung gestellt ist, auf den "mengenmäßigen" Aspekt der Absatzkosten, d. h. auf die Transaktionshandlungen im Absatzbereich. Die hier interessierende Frage lautet dementsprechend: "Wie ändert sich die Anzahl der (ressourcenabsorbierenden) Handlungen im Absatzbereich als Folge von Inflation?" Die Argumentation wird im folgenden am Beispiel der oben als zentral bezeichneten Kosten der Absatzvorbereitung geführt. Bei den übrigen Kosten sind keine Indizien ftir eine bestimmte (gegenteilige) Wirkung erkennbar, so daß die Gültigkeit der Ergebnisse nicht durch die Einschränkung tangiert wird. _(1) Wie oben betont, sind die Unternehmen in privatkapitalistischen Gesellschaften gehalten, die Absatzmöglichkeiten ftir jeweils bestimmte Produkte zu erforschen und gegebenenfalls durch Werbung zu beeinflussen, um die Kosten einer Fehlentscheidung zu minimieren. Als entscheidend ftir die Absatzmöglichkeiten können vor allem die relativen Preise und die Realeinkommen der potentiellen Abnehmer (Käufer) angesehen werden. Je un-

69 Darunter fallt im Prinzip auch die Suche nach der gewinnoptimalen Absatzmenge wie auch - bei den Oligopolunternehmen - nach dem "richtigen" Preis. 70 Absatzkosten in der Form von Informations-, Planungs- und Werbekosten kann man streng genommen auch als charakteristische Kosten "nicht-gemeinsamdezentral" planender Gesellschaften bezeichnen. In diesen Gesellschaften zwingen die Informationsdefizite bezüglich der ,;wirklichen" Bedürfnisse der Gesellschaftsmitglieder, die mit einer über deren Köpfe hinweg (- entweder auf dem Weg privatdezentraler Mechanismen wie in Marktwirtschaften oder auf zentralistischem Wege -)stattfindenden Planung verbunden sind, die Entscheidungsagenten über Produktion (bzw. Investition) dazu, durch Aufwendung von Informations-, Planungs- und Werbekosten (die eigentlich eine Verschwendung knapper gesellschaftlicher Ressourcen darstellen) die sich aus diesen Informationsdefiziten der Tendenz nach systematisch ergebenden Fehlproduktionen so gering wie möglich zu halten.

III. Weitere inflationsbedingte Transaktionskosten

85

sicherer die Entwicklung dieser Größen fllr die nähere Zukunft (konkret gesagt: für die Periode nach der Fertigstellung der Investition) erscheint, um so schwieriger wird die lnvestitionsentscheidung, da die Gefahr einer Fehlinvestition (i. e. einer Nichtabsetzbarkeit der Produkte) aufgrundfalscher Erwartungen zunimmt. Diese Gefahr legt den Unternehmern gleichsam den Zwang auf, in einer Situation zunehmender Verunsicherung ihre Absatzvorbereitung, d. h. ihre Informations- und Planungsaktivitäten, zu intensivieren. Man kann nun als ein Moment einer solchen (steigenden) Verunsicherung Inflation angeben. Es lassen sich nämlich eindeutige Indizien dafür anführen, daß mit der Zunahme von Inflation auch die Unsicherheit bezüglich der Entwicklung der obigen Größen zunimmt. Dies gilt insbesondere für die relativen Preise. Empirische Untersuchungen erbrachten mehr oder minder eindeutige Belege dafür, daß in inflationären Perioden die Struktur relativer Preise stärker in Bewegung gerät als in preisstabilen Perioden, und zwar um so stärker, je höher die Inflationsrate. (Vgl. dazu die Untersuchungen von Vining/ E/wertowski (1976), JajJeelKleiman (1977), Parks (1978).) Auch schon frühere Untersuchungen von Mills (1927), Graham (1930) und G/ejser (1965) stützten diese These.7 1 Implizit wird diese These auch untermauert durch Untersuchungsergebnisse, die darauf hinweisen, daß die Inflation in ihrem zeitlichen Entwicklungstrend um so variabler verläuft je höher ihr Ausgangsniveau. (Vgl. Okun (1971),Logue/ Wi/let(1976) undFoster(l978).) Es ist nämlich nicht anzunehmen, daß zunehmende Inflationsratenschwankungen keinen Einfluß auf die Variabilität der relativen Preise haben. Theoretisch läßt sich die These der stärkeren Variabilität der relativen Preise bei Inflation auch gut begründen: Wie schon oben geschildert, ist der Kostenüberwälzungsspielraum von oligopolistischen und polypolistischen Unternehmen unterschiedlich groß. Genau genommen besteht nur im oligopolistischen Bereich ein relativ großer Spielraum zur - schematischen (und nachfrageunabhängigen) - Überwälzung der Kosten, die alle Anbieter in einer Branche gleichsam betreffen. Unterstellt man, daß die oligopolistischen Unternehmen- auch bzw. gerade wegen der Unsicherheit über den exakten Verlauf der Nachfragekurven -von der Konstanz der Nachfrageelastizität ausgehen 72 , so gelangt man zu der bekannten These starrer Aufschlagssätze bei oligopolistischer Preissetzung. 73 Das Zusammenspiel zwi71 Entsprechend folgern auch Fischer und Modigliani (1978; S. 828): "It is reasonably weil established that relative price variability increases with the inflation rate." 72 Vgl. z. B. Müller u. a. (1978), S. 59. 73 Vgl. Eckstein/Fromm (1968), S. 1166.

86

3. Kap.: Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

sehen Oligopolistischen und polypolistischen Sektoren erzeugt nun selbst die Tendenz zu stärkeren Schwankungen der relativen Preisstruktur in der Wirtschaft. Die Preisanpassungen im oligopolistischen Sektor an inflationsbedingt gestiegene Kosten schlagen in den polypolistischen Sektor durch und wirken auf den dortigen Preisbildungsprozeß verunstetigend. Der Grund ist, daß diese (zahlreicheren) Preiserhöhungen des oligopolistischen Sektors zum Teil als Kostensteigerungen bei den polypolistischen Unternehmen ankommen und dort auf davon unabhängige inflationsbedingte (relative) Nachfrageänderungen stoßen, die aufvon der Inflation verursachten Einkommenseffekten wie auch Spekulationseffekten beruhen. Besonders letztere treffen aber verschiedene Güter bzw. Güterproduzenten unterschiedlich.74 Die Auswirkungen sind in der Regel relativ starke (stärkere) Schwankungen der (relativen) Preise im polypolistischen Sektor bei Vorliegen von Inflation.75 Der zuletzt beschriebene Zusammenhang wird aber auch zwischen oligopolistischen Branchen bzw. (Branchen-)Güterpreisen wirksam. So erzeugen von Inflation abhängige Einkommens- und Spekulationseffekte Veränderungen in den Präferenzstrukturen der Nachfrager gegenüber auch dem in oligopolistischen Sektoren produzierten Güterangebot, was die Preiselastizitäten der Nachfrage bzw. des Absatzes zwischen den oligopolistisch produzierten Gütern und damit deren Preise ändert.76 Fluktuieren jedoch die relativen Preise stärker, so sind die Unternehmer gezwungen, sich diesen neuen Situationen jeweils wieder anzupassen. Anpassen bedeutet hier nicht unbedingt neue Absatzkonzeptionen realisieren, aber es bedeutet auf jeden Fall, die Informationssammlung intensivieren. Eine Zunahme der Fluktuation der relativen Preise bringt für die Unternehmer eine Steigerung der Komplexität und damit der Unsicherheit ihrer Handlungsbedingungen (konkreter gesagt: ihrer Investitionsbedingungen) mit sich. Daraus resultierende größere Gefahren einer Fehlinvestition lassen sich jedoch nur mit gesteigerter Informationssammlung verringern. Das 74 Besonders die relative Nachfrage nach langlebigen Gebrauchsgütern wird stei-

gen.

75 Vgl. dazu auch Sherman (1976), S. 164 f.

Vgl. daneben auch die Argumentation von Sheshinski/Weiß (1977). Sheshinski/ Weiß gehen von einem Modell einer monopolistischen Firma aus. Kosten im Zusammenhang mit Güterpreisänderungen produzieren nach ihrer Analyse allgemeine unregelmäßige Preisanpassungen, deren Umfang mit der Inflationsrate steigt. Siebehaupten dabei, daß höhere Inflationsraten auch größere Streuungen individueller Preisänderungen implizieren, wenn der Zeitpunkt der Preisanpassungen unabhängig bestimmt wird von den einzelnen Firmen. Ihre Schlußfolgerung ist jedoch nicht ganz zwingend, wie Hercowitz (1981; S. 354) zeigt. · 76

III. Weitere inflationsbedingte Transaktionskosten

87

heißt, die Unternehmer sind gezwungen, die jeweiligen, mit steigender Inflation immer rascher ablaufenden Veränderungen der relativen Preisstruktur so vollständig wie möglich zu registrieren und zu verarbeiten -was nicht ohne steigenden Aufwand von Ressourcen möglich ist. Diese Folgerung ziehen auch Fischer und Modigliani aus ihrer oben zitierten Feststellung der zunehmenden Variabilität der relativen Preise: "such increased variability Ieads ... to the absorption of resources in search and information gathering activities." (1978; S. 828) Die Bedeutung relativer Preisänderungen ftir das Unternehmerhandeln liegt vor allem darin, daß diese unter den Bedingungen reeller Budgetbeschränkungen (der potentiellen Käufer) und/oder vorhandener Substitutionsmöglichkeiten bezüglich der Absatzprodukte die Absatzmöglichkeiten direkt tangieren. Die beschriebenen unsicherheitsverstärkenden Auswirkungen von Inflation werden nun auch noch dadurch gesteigert, daß die angesprochenen Budgetrestriktionen selbst mit steigender Inflation immer undurchsichtiger und unvorhersehbarer werden. Die mit der Höhe auch zunehmende Variabilität der Preissteigerungen betrifft normalerweise auch die Preissteigerungen für Arbeitskraft und damit die Einkommen der Arbeitnehmer. Insofern wird es in dieser Situation für einen Unternehmer (immer) schwieriger, das Kaufpotential der ftir ihn in Betracht kommenden Käuferschicht vorherzusehen.77 Auch hier gibt es ftir den Unternehmer nur die eine Möglichkeit, um die gestiegene Unsicherheit zu reduzieren, nämlich mehr Ressourcen ftir die Informationssammlung aufzuwenden. 78 Während sich ftir den Polypolisten die Informationssammlung hauptsächlich (in der Theorie vollkommen) auf die Suche nach der gewinnoptimalen Produktions- oder Absatzmenge beschränkt, stellt sich ftir den Oligopolisten auch noch die Suche nach dem "richtigen" Preis- bzw. nach dem "akzeptablen" und/oder langfristig gewinnoptimalen ,Aufschlagsatz'. Gerade die Häufigkeit der (gemeinsamen) Änderung des ,Aufschlagsatzes' dürfte 77 Die reellen Kaufentscheidungen hängen zudem auch von der schwer einschätzbaren Geldillusion bzw. von den Geldentwertungsantizipationen der Käufer ab. 78 In betrieblichen oder betriebswirtschaftliehen "Leitfaden" wird in diesem Zusammenhang, wenn er schon einmal angesprochen wird, was anscheinend relativ selten geschieht, auf die Notwendigkeit der stärkeren Informierung und/oder Schulung des Mitarbeiterstabes im Absatzbereich hingewiesen. So schreibt zum Beispiel Sievert (1975; S. 225): "Inflationszeiten bringen Unruhe, ja Hektik, Unsicherheit und Furcht in die Mitarbeit im Verkauf.(.. .) Unsicherheit und Unruhe können am besten mit gründlicher Information begegnet werden ... Die Verkäufer müssen die Unternehmensziele in ihrem Teilmarkt verstehen, und sie müssen praktikable und effektive Hilfen an die Hand bekommen, um diese Ziele zu erreichen. Dazu gehört noch mehr als in normalen Zeiten, wirksame Ausbildung und Training. Nichts ist so verkehrt, als wenn man hier sparen wollte."

88

3. Kap.: Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

mit steigender Inflation zunehmen. 79 Grund dafür sind die oben beschriebenen häufigeren Änderungen der Preiselastizitäten der Nachfrage bzw. des Absatzes aufgrund von inflationsbedingten Einkommens- und Spekulationseffektenso. Solche bei Inflation sich verstärkenden Suchanstrengungen verursachen, wie Hicks schreibt, natürlich auch (Transaktions-)Kosten :81 "In imperfect markets" -bemerkt Hicks (1970; S. 19)- "prices have tobe ,made'; they are not just ,determined' by demand and supply. It is much easier to make them in a way which seams satisfactory (because it seems fair) to the parties concerned, if substantial use can be made of precedent; if one can start with the supposition that what was acceptable before will be acceptable again. (...)Tabe obliged to make them (the prices, H. W.) anew, as one is obliged to do in continuous inflation, involves lass - direct economic lass, and (very often) lass of temper as weil."

c) Resümee (Auswirkungen auf die Kapita/produktivität) und Differenzierungen

Aufgrund der obigen Ausführungen kommt man zu dem Ergebnis, daß mit der Inflation die Absatzkosten bzw. -aktivitäten der Unternehmer steigen müssen, wollen diese nicht "ins Blaue hinein" produzieren und damit 79 Da wir in diesem Kapitel zum Ergebnis einer inflationsbedingten Erhöhung des Kapitalkoeffizienten kommen, müßte sich auch- zumindest nach dem ,Target-Return-Ansatz' (Eckstein/ Fromm (1968; S. 1166)) - eine inflationsbedingte Steigerung des Aufschlagssatzes ergeben. Der Target-Return-Ansatz geht ja davon aus, daß ein Preis gesetzt wird, der sich folgendermaßen ergibt : Summe der Lohn- und Materialkosten pro Stück bei Normalauslastung plus einen Aufschlag in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Kapitaleinsatzes pro Stück bei Normalauslastung. Der Aufschlag ist also gleich der gewünschten Profitrate multipliziert mit dem Kapitalkoeffizienten bei Normalauslastung. Steigt somit der Kapitalkoeffizient bei Normalauslastung (langfristig), so muß auch der Aufschlagsatz steigen, damit die gewünschte Profitrate erzielt werden kann. 80 -daneben aber unter Umständen aut:11 die Ausnutzung von noch vorhandener Geldillusion der Käufer. Allerdings ist davon auszugehen, daß sich die Häufigkeit von Preisänderungen in den oligopolistischen Sektoren - zumindest in den Nicht-Hyperinflationsphasen verglichen mit den polypolistischen Sektoren in Grenzen hält. Vgl. auch Sherman (1976), S. 169: "lt follows from this cost-plus behavior that such oligopoly firms do not change their prices as frequently as competitive firms. Even if there is rapid inflation of prices and costs, those firms usually keep one price for quite a while, then raise it to the new Ievel dictated by their usual margin above costs. Thus, there is considerable evidence that in periods ofbusiness expansion and rapid inflation, it is the prices ofmore competitive firmsthat rise more rapidly and change from day to day." 81 Vgl. dazu auch Parkin/Swoboda (1977), S. 21 f.

Ill. Weitere inflationsbedingte Transaktionskosten

89

Fehlinvestitionen geradezu provozieren. 82 Es ist nun schwer vorstellbar, daß die gestiegenen Absatz-, insbesondere Informationsaktivitäten ohne Ausbau der vorhandenen Kapazitäten im Absatzbereich bewältigbar sind. Was Hussey in bezugauf die Auswirkungen von Inflation für den Einkauf anführt, kann man ebensogut bezüglich der Wirkungen auf den Absatzbereich formulieren. Hussey schreibt (1976; S. 92, 93): "A less revolutionary comP,romise (als eine völlige Umorganisierung des Einkaufskonzeptes, H. W.) might be to add a research and planning capability to the existing purchasing organisation and at the same time to ensure that corporate planning system allows the purchasing department to influence strategic decisions. In most companies there is a clear need for additional manpower and financial resources to be allocated to purchasing, for without this few purchasing departments have either the capacity or the skills to undertake the necessary research and analytical work. The basic requirements from such a reshaped department lay considerable stress on forecasting and information." Ob nun diese mit der Inflation steigenden Informationssammlungs- und -auswertungsaktivitäten wirklich selbst organisiert werden - was zu einer Ausdehnung der Kapazitäten fUhren würde- oder "auch nur" beispielsweise von Marktforschungsinstituten "gekauft" werden, ist letztlich von den ökonomischen Auswirkungen für die Unternehmer her gesehen völlig egal. Was in unserem Zusammenhang interessiert, ist die Tatsache, daß in jedem Fall die Kapital- (bei selbständiger Organisation auch die Arbeitskraft-)Aufwendungen steigen, ohne daß der Output dadurch zunimmt. Das bedeutet aber nichts anderes, als daß die Kapitalproduktivität (und bei selbständiger Organisation der Aktivitäten auch die Arbeitsproduktivität) sinkt (sinken). (ca) Zu berücksichtigen ist hinblicklieh des oben eingeführten Differenzierungskatalogs zum ersten, daß die Kostenzunahme bzw. die Zunahme der im Absatzbereich anfallenden Transaktionen bei den Oligopolunternehmen wahrscheinlich geringer ausfallt als bei den Unternehmen im Wettbewerbssektor. Der Grund dafür ist der, daß im Oligopolistischen Sektor die Absatzforschung in der Regel von vornherein schon wesentlich besser organisiert ist, so daß sich die Oligopolistischen Unternehmen im Grunde an Entwicklungen wie die einer zunehmenden Inflation leichter müßten anpassen können. Zumindest dürfte die Umstellung auf die geänderten Bedingungen mit weniger Aufwand erreichbar sein - obwohl man natürlich auch im oligopo82 Eine- zumindest theoretische- Möglichkeit, auf die gestiegene Unsicherheit anders als mit verstärkten Informationssammlungsaktivitäten zu reagieren, wäre eine Ausdehnung der Werbeaktivitäten. Im Endergebnis würde dies jedoch auf das Gleiche, nämlich auf insgesamt steigende Absatzkosten, hinauslaufen.

90

3. Kap.: Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

Iistischen Sektor nicht um (gewisse) Aufwandssteigerungen herumkommen wird, um so weniger je höher (und variabler) die Inflation. Ob jedoch die Unternehmen im Wettbewerbssektor wirklich in der Praxis ihre Anstrengungen auf diesem Gebiet so stark steigern wie die Oligopole, ist sehr fraglich. Zum einen kann man das Verhalten der Klein-Unternehmen nicht immer mit dem wissenschaftlichen Rationalitätskalkül vollständig beschreiben, zum anderen ist eine solche Transaktionszunahme auch eine Sache der relativen Effizienz (oder mit anderen Worten: der Opportunitätskosten). Wenn ein Unternehmen bislang, i. e. hier: bei Preisstabilität oder geringer(er) Inflation, nur einen sehr dürftigen Absatzforschungsapparat besitzt, wird eine Umstellung bzw. ein auf die durch Inflation entstandenen komplexeren Handlungsbedingungen angepaßter Neuaufbau oder Ausbau eines solchen Apparates unter Umständen sehr kostspielig, so daß das Unternehmen einen solchen Ausbau nicht verkraften kann bzw. meint, eine solche Aufwendung würde sich nicht "lohnen". Wahrscheinlich ist die Nicht-Institutionalisierung eines solchen adäquaten Apparates mit ein Grund für die vielen Zusammenbrüche von Kleinunternehmen in stärkeren Inflationen bzw. in den nachfolgenden sogenannten "Reinigungs-" oder "Stabilisierungskrisen"83 (cb) Ein Unterschied in den Auswirkungen wird sich sicherlich auch im Hinblick darauf feststellen lassen, ob ein Unternehmer eine laufende Inflation als Nachfrage- oder als Kosteninflation einschätzt. Wie schon Preiser (1933; S. 82) feststellte, gehen die Unternehmer bei einer vermeintlichen N Iiehfrageinflation nicht so sorgfältig bei der Absatzplanung vor wie bei einer vermeintlichen Kosteninflation. Die Einschätzung einer Inflation als Nachfrageinflation impliziert ja schon die Erwartung einer günstigen Absatzlage, so daß der Umfang der Informationssammlung über die Absatzlage geringer ausfallen wird als in einer vermeintlichen Kosteninflation, in der solche Informationen oder Mutmaßungen über die Absatzlage nicht mit impliziert sind. (cc) Letztlich wird man auch je nach dem inflationären Ausgangsstadium verschiedene Wirkungen von Inflation auf den Umfang der Transaktionshandlungen und damit auf die Kapital- (und Arbeits-)produktivität annehmen können. Bei relativ geringen Inflationsraten wird sich -gegenüber dem (fiktiven) Ausgangsstadium der Preisstabilität - nicht viel ändern. Erst bei höherer Inflation wird der Zwang zur verstärkten Informationssammlung und zur Errichtung eines der veränderten Situation besser angepaßten Ab83 Andere, sicherlich noch wichtigere Gründe werden im übernächsten Kapitel behandelt.

III. Weitere inflationsbedingte Transaktionskosten

91

Satzplanungsapparates bei den Unternehmen so stark werden, daß sie sich ihm nicht mehr entziehen können. Die Faktorproduktivitäten werden demnach in diesem Stadium erstmals durch zunehmende Transaktionshandlungen im Absatzbereich nennenswert sinken. Interessant ist, daß sich dieser Prozeß mit dem Fortlauf der Inflationsdynamik allmählich wieder abschwächen dürfte. Da nämlich mit dem Fortschreiten der Inflation eine Stufe erreicht wird, bei der die Wirtschaftssubjekte ihre Portefeuilles so umschichten, daß makroökonomisch die Güternachfrage der Tendenz nach stärker zunimmt84, stellt sich ftir den Durchschnitt der Unternehmer die Situation so dar wie bei einer vermeintlichen Nachfrageinflation: Der Absatz scheint gesichert, und die Bemühungen um genaue(re) Informationsgewinnung läßt gegenüber vorher relativ nach. Dadurch schwächt sich der Prozeß inflationsbedingter Produktivitätssenkung aufgrund zunehmender Transaktionshandlungen im Absatzbereich ab bzw. kehrt sich eventuell sogar um. 2. Kosten der Lohnverhandlung und -zahlung und der Einfluß von Inflation

a) Kosten der Lohnverhandlung und -zahlung Neben den Kosten im Umgang mit der Geldhaltung und den Absatzkosten treten weitere Transaktionskosten auf, die als Aufwendungen beim Tausch bzw . bei den Tauschverhandlungen zwischen den Käufern und Verkäufern von Arbeitskraft anfallen. Während auf einem vollkommenen (Arbeits-)Markt die Transaktionskosten des Kaufes (Tausches) minimal (streng genommen angesichts des Vollkommensheitsbegriffs der neoklassischen Wirtschaftstheorie Null) sind, wachsen diese mit der Unvollkommenheit des Arbeitsmarktes und (bzw. : insbesondere mit) der Organisiertheit der Arbeitnehmer. Je unvollkommener der Arbeitsmarkt, desto relevanter wird die Informationssammlung von Anbietern und Nachfragern, die ihrerseits nicht kostenlos geschieht. Und je organisierter die Arbeitnehmer sind, desto größeren Widerstand können und werden sie den Lohnkostenminimierungsbestrebungen der Käufer der Ware Arbeitskraft entgegensetzen. Mit der Unvollkommenheit des Arbeitsmarktes und der Organisiertheit der Arbeitnehmer wachsen so der "Reibungswiderstand" des Tausches auf dem Arbeitsmarkt und damit auch die dabei anfallenden Transaktionsko84 Siehe zur analytischen Begründung Wagner (1982). Zur empirischen Stützung vgl. beispielsweise Bresciani-Turroni (1931) oder Griffiths (1976).

92

3. Kap.: Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

sten bzw. -aktivitäten der Unternehmer. Konkret erscheinen diese Kosten bzw. (ressourcenverzehrenden) Aktivitäten bei den Lohnzahlungen und bei den Lohn- und Tarifverhandlungen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern bzw. deren Organisationen. Bei den Lohnverhandlungen treten fl.ir die Unternehmer Kosten in Form vor allem von Zeitaufwand der Unternehmensführung (Opportunitätskosten), von Reisekosten, von Verwaltungsaufwand, Informationskosten, Kommunikationskosten (zwischen den einzelnen Arbeitgebern, mit der Presse (publicrelations-Aufwand), mit den Gewerkschaften und gegebenenfalls mit Regierungsstellen) auf, bei den Lohnzahlungen dagegen vor allem Bearbeitungs- und Überweisungskosten.

b) Die Auswirkungen von Inflation auf die Entwicklung der Kosten der Lohnverhandlung und -zahlung

Die hier vertretene These ist die, daß mit der Inflation die eben geschilderten Kosten bzw. die damit verbundenen Aktivitäten zunehmen. (Genauere) Untersuchungen, mit Hilfe derer man diese These als (vorläufig) bestätigt oder falsifiziert bezeichnen könnte, gibt es meines Wissens keine- mit Ausnahme von Untersuchungen im Zusammenhang mit Hyperinflationen. Aus diesen, in ihren Aussagen begrenzten, Untersuchungen folgt- was die Häufigkeit von Lohnzahlungen anbelangt-, daß die Unternehmen im Verlaufe von Hyperinflationen dazu übergingen bzw. übergehen mußten, ihre Beschäftigten in immer kürzerem Abstand "auszuzahlen": Zuerst wöchentlich, dann täglich und manchmal auch zwei und mehrere Male am Tag 85 . Dies war insofern auch im Interesse der Unternehmer, da sie dadurch die Kosten ihrer Geldhaltung verringern konnten. Empfangene Einnahmen wurden zuletzt sofort anteilsmäßig fl.ir die Lohnzahlungen der Arbeitnehmer verwandt und der Rest in Sachgüter angelegt. 86 Nun kann man diese Erscheinungen jedoch nicht als Referenzmuster für nicht so hohe oder gar "schleichende" Inflationen verwenden. Insofern stellt Vgl. z. B. Graham (1930), S. 111-116 und Bresciani-Turroni (1931), S. 302 f. Doch auch die Arbeitnehmer drängten in Hyperinflationen auf den Modus häufigerer Lohnauszahlungen: Ihre Lohneinkommen wurden real (kaufkraftmäßig) durch den rapiden Anstieg des Preisniveaus allmählich "aufgefressen", so daß sie oft eine monatliche Spanne gar nicht mehr überbrücken konnten, falls unerwartete Ausgaben eintraten. Die Praxis in extremen Hyperinflationen verlief dementsprechend auch so, daß Arbeitnehmer nach Erhalt ihres Lohnes diesen sofort in Sachgüter umsetzten und dann während der Zeitspanne bis zur nächsten Auszahlung wenn nötig Naturaltausch betrieben. 85

86

III. Weitere inflationsbedingte Transaktionskosten

93

sich die Frage: Gibt es auch in Nicht-Hyperinflationen eine Tendenz zu häufigeren Lohnverhandlungen und/oder Lohnauszahlungen? Eine Bejahung dieser Frage kann sich auf Beobachtungen von Lohnverhandlungen in den vergangeneo Jahren stützen. So ist nicht zu übersehen, daß bei höheren, nicht voll antizipierten Preissteigerungsraten innerhalb der Arbeitnehmerschaft und (bzw.) ihren Organisationen der Ruf nach vorzeitiger Kündigung der jeweils fl.ir eine längere Zeit festgelegten Tarifverträge laut wird bzw. geworden ist.87 Der Grund dürfte ein zweifacher sein: zum einen wird ab einer gewissen Stufe der Kaufkraftverlust für die Einkommensbezieher unmittelbar spürbar, und zum anderen ist die Forderung nach Inflationsausgleich in den letzten Jahren, sozusagen stillschweigend, allgemein als gerechtfertigt anerkannt worden. 88 Letzteres drückt sich auch in den sogenannten "Lohnleitlinien" oder "Lohnformeln" aus, die sich nach dem 2. Weltkrieg- im Zuge einer ver.meintlich "wertfreien" Politikberatung - immer mehr ausbreiteten. Besonders in Konzepten der "produktivitätsorientierten" oder "kostenniveauneutralen" Lohnpolitik89 wurde versucht, den Tarifpartnern die gesamtwirtschaftlichen Rationalitätskriterien einer (inflationsfreien) wachstums- und beschäftigungsoptimalen Lohnpolitik in der Form möglichst verbindlicher (von Wissenschaftlern abgesegneten) "Lohnformeln" nahezulegen, man kann auch sagen: aufzudrängen.90 In diese Konzepte fand auch die (erwartete) Inflationsrate- mit dem Aufkommen inflationärer Schübe - Eingang. So hat beispielsweise der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik schon in seinem Jahresgutachten von 1966 der Inflation (und den Forderungen der Gewerkschaften nach einem Ausgleich der Infla87

Vgl. Jacobi (1979; S. 351 ff.).

88 Das Plädoyer von Unternehmerschaft, "Sachverständigenrat" und Regierung

für einen vorübergehenden freiwilligen Verzicht der Arbeitnehmer auf diese Forderung - begründet mit konjunkturpolitischen Argumenten - beweist gerade die schon vollzogene Sanktion dieser Forderung als rechtmäßiges Element in Tarifverhandlungen. 89 Die produktivitätsorientierte Lohnformel wurde vor allem durch den postkeynesianischen Ökonomen Alvin Hansen bekannt (Hansen (1947)) und- mit der einen oder anderen Änderung - von den Regierungen der westlichen Industrienationen in deren einkommenspolitische Konzepte aufgenommen. 90 Die hauptsächliche Kritik an diesem Konzept der produktivitätsorientierten Lohnpolitik richtet sich gegen deren "Verteilungsneutralität". Die produktivitätsorientierte Lohnpolitik geht vom verteilungspolitischen status quo als Norm aus. Sie ist sozusagen auf eine Festschreibung historisch entstandener Verteilungsquoten ausgerichtet. Vgl. z. B. Külp (1972). 7 Wagner

94

3. Kap.: Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

tionsverluste) Rechnung getragen9 1 in einer Modifikation seiner 1964 erstmals vorgeschlagenen Lohnleitlinie (die auch auf dem Konzept der produktivitätsorientierten Lohnpolitik basierte92). Danach sollten die Lohnzuwächse neben der Produktivitätssteigerung auch die flir unvermeidlich gehaltene Teuerungsrate einbeziehen. Eine (Neben-)Funktion solcher politisch vorgegebener Lohnleitlinien besteht sicherlich darin, die Informations(sammlungs)kosten der Tarifpartner zu verringern, die Tarifverhandlungen zu verkürzen und damit die volkswirtschaftlichen Kosten solcher Verhandlungen93 zu minimieren. Ob und inwieweit dies, insbesondere bei steigender Inflation, möglich ist, ist jedoch fraglich. Bleiben die in den (politisch anempfohlenen - und nehmen wir einmal an: von den Tarifpartnern akzeptierten -) Lohnleitlinien berücksichtigten Inflationserwartungen hinter den sich wirklich realisierenden Preissteigerungen zurück, so verstärken sich auf Arbeitnehmerseite die Anstrengungen zur Durchsetzung von Inflationsausgleichszuschlägen. Und tendenziell ist damit zu rechnen, daß der in den Lohnleitlinien berücksichtigte Teuerungsausgleich-aus Angst vor der sogenannten "Lohn-Preis-Spirale" -zumindest in Zeiten ansteigender Inflation eher zu niedrig ausfällt. Hinzu kommt ein zweiter Punkt: Lohnformeln fungieren wohl als politische "lnformationshilfe" flir die Tarifpartner, können aber die Tarifverhandlungen in der Regel nicht ersetzen. Selbst wenn die Lohnleitlinien die Inflationsrate richtig antizipieren und berücksichtigen, und die Gewerkschaften s!e als ihre Lohnforderungen übernehmen, heißt dies ja bekanntlich noch lange nicht, daß sie diese Lohnforderungen in den Tarifverhandlungen letztlich auch ganz durchsetzen können. Letzteres ist abhängig vor allem von der Arbeitsmarktsituation und der(davon auch zu einem guten Teil abhängigen) "Stärke" der Gewerkschaften. Der wahrscheinlichere und allgemeinere Fall wird jedoch - zumindest in steigenden Inflationen- der sein, daß die Inflationsverluste der Arbeitnehmer in den Lohnleitlinien "unterschätzt" werden 94·95. Zudem ist selbst daVgl. dort Ziffer 303. Vgl. das Jahresgutachten von 1964, Ziffer 248. Diese (ursprüngliche) Lohnleitlinie begrenzte die erlaubbaren Lohnerhöhungen im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt auf den durch die Produktivitätssteigerungen gegebenen Prozentsatz. 93 - die ja oft auch Streiks, Aussperrungen etc. beinhalten. 94 - falls nicht gleich ab einer bestimmten Stufe Anpassungs- oder Indexierungsklauseln vertraglich festgelegt werden, so wie es beispielsweise in Italien längere Zeit der Fall gewesen und in Belgien noch der Fall ist. In der Bundesrepublik sind bislang allerdings solche Regelungen gesetzlich verboten. 95 Zu berücksichtigen wären dabei im Prinzip auch die Steuerprogressionseffekte von Inflation. 91 92

III. Weitere inflationsbedingte Transaktionskosten

95

von auszugehen- wie im vorigen Kapitel schon beschrieben wurde-, daß in dieser Situation auch die Gewerkschaften ihre Inflationserwartungen eher zu niedrig ansetzen96. Nehmen dann die Kaufkraftverluste während der Tarifvertragsdauer überhand, so kann der Druck der "Basis" so stark werden, daß die Gewerkschaften sich zu neuen Verhandlungen gedrängt sehen. 97

c) Differenzierungen98 (ca) Wie schon angesprochen, wird der Druck zu außerordentlichen, häufigeren Lohnverhandlungen mit der Höhe und Dynamik der Inflationsrate steigen, da dann die potentiellen Kaufkraftverluste aufgrund nicht-vollständig-antizipierter (oder in den Lohnverhandlungen nicht-durchsetzbarer Ausgleichsforderungen fl.ir (richtig) antizipierte) Teuerungen quantitativ und qualitativ zunehmen. Während also in den Inflationsstadien H I und auch H IV99 ein Anstieg der Transaktionshandlungen auf dem Arbeitsmarkt (in Form häufigerer Lohnverhandlungen) nicht oder nur in geringfügigem Umfange auftreten dürfte, werden in den Stadien H 111 und vor allem H V und H VI die Lohnverhandlungen in stärkerem Maße zunehmen. 100

96 Bei rein adaptiver Erwartungsbildung kann man - wie oben schon erwähnt zeigen, daß die Inflationserwartungen, mit denen die Gewerkschaften in Lohnverhandlungen rechnen, immer hinter den sich realisierenden Veränderungsraten hinterherhinken. Vgl. Flemming(1976), S. 70; siehe auch den AnhangAder vorliegenden Arbeit. Doch auch bei nicht-rein-adaptiver Erwartungsbildung ist ein solches Hinterherhinken nicht unwahrscheinlich, berücksichtigt man, daß mit zunehmender Höhe auch die Variabilität der Inflation zunimmt. Vgl. auch die entsprechenden Ausfl.ihrungen im vorigen Kapitel in Punkt Il.l .b). 97 Ein Beispiel dafl.ir sind die spontanen Streiks im Jahre 1973, an denen sich über das Jahr verteilt ungefähr 275 000 Arbeiter innerhalb der Bundesrepublik beteiligten. Daß der "Aufstand" von Teilen der "Basis" dabei weniger erfolgreich war als z. B. in den "Septemberstreiks" 1969, ist ein anderes Thema. Vgl. Müller-Jentsch (1974), Jacobi (1975), Bergmann u. a. (1975; S. 201 ff.). 98 Im argumentativen Zusammenhang damit sind auch die Analysen des Punktes ll.l.b) im vorigen Kapitel zu sehen. 99 Besonders im Stadium H IV ist zu erwarten, daß politische Versuche, die Gewerkschaften in ihre "gesellschaftliche Verantwortung" (zur Inflationsbekämpfung) zu nehmen, -so wie es in den letzten Jahren in den westlichen Industrienationen deutlich sichtbar war- zu gewissen "Erfolgen" führen, die sich in von den Gewerkschaften akzeptierten Kaufkraftverlusten fl.ir die Arbeitnehmer niederschlagen. 100 Ob allerdings die These Leijonhufouds, daß sich die Arbeitnehmer mit der Höhe der Inflation immer mehr auf die Stärke kollektiven Handeins besinnen, so allgemein stimmt, ist fraglich. Leijonhufoud schreibt (1977; S. 281): "They (, too,) are put in a situation where individual effort and performance at work have become a less effective way of augmenting or just maintaining family real income. The increases in wages that an individual could hope to gain in any given year through bonuses or upgrading of his job classification, etc., are of little consequence in a double-digit 7*

96

3. Kap.: Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

(cb) Auch wird man annehmen können, daß der Anstieg der Lohnverhandlungen im oligopolistischen Sektor stärker als im polypolistischen Sektor ausfallen wird. Der Grund daftir ist, daß im Oligopolistischen Sektor- worauf im vorigen Kapitel schon hingewiesen wurde10 1 - der Organisationsgrad der Gewerkschaften im Durchschnitt bedeutend höher liegt als im Wettbewerbssektor, was den Gewerkschaften im Oligopolistischen Sektor eine größere Verhandlungsmacht gibt, d. h. die Erfolgschancen ftir die Durchsetzung von Forderungen nach Inflationsausgleich (auch zwischen den ,ordentlichen' Tarifrunden) erhöht. Letzteres wird natürlich auch dadurch begünstigt, daß die Oligopolistischen Unternehmen einen relativ großen Überwälzungsspielraum von solchen Kosten für Inflationsausgleichszahlungen besitzen 1o2. (cc) Auch die Einschätzung der Unternehmer bezüglich der Inflationsursachen hat unterUmständen Einfluß auf die Häufigkeit von Lohnverhandlungen (mit dem Ziel eines Inflationsausgleichs)- sofern sie den Gewerkschaften bekannt ist. Können nämlich die Gewerkschaften davon ausgehen, daß die Unternehmer die Inflation als Nachfrageinflation einschätzen, so können sie auch annehmen, daß die Unternehmer eher zu Lohn- oder Inflationsausgleichszugeständnissen bereit sind, da dann ihr Kostenüberwälzungsspielraum höher ist (als bei einer vermeintlichen Kosteninflation). Zumindest sind dann auch die Aussichten für den Erfolg von Inflationsausgleichsverhandlungen für die Gewerkschaften günstiger, ihre erwartbaren Opportunitätskosten also geringer, was ihre Bereitschaft zur Durchführung von solchen (unter Umständen kostspieligen) Verhandlungen erhöhen dürfte.I03, 104 inflation. Collective action becomes correspondingly more important. He will have to put increasing reliance on his union." Entsprechend: "Unions will not only bargain harder and more frequently, they will also Iobby more energetically and continously." Als eine allgemeine These formuliert Leüonhufvud (ebda): "People will rely - in Perioden stärkerer Inflation - relatively less on private contracts and relatively more on political compacts in trying to ensure for themselves a reliable frame for their economic Jives." Denn: "In a regime ofunstable money, it is not rational for people to rely on private contracts and agreements to the same extent as in a stable money regime." (ebda, S. 282). 101 Vgl. Punkt II.l.be) im 2. Kapitel. 102 - was seinerseits dazu führt, daß die Inflation dadurch noch mehr angeheizt wird, was die Häufigkeit von Lohnverhandlungen über Inflationsausgleichszahlungen (noch mehr) steigert. 103 Hierbei ist anzumerken: Wenn die Zugeständnisbereitschaft der Unternehmer in dieser Situation wirklich größer ist, sinken dadurch natürlich auch die absoluten Kostenzuwächse (der Transaktions-, sprich Lohnverhandlungen- dies für beide, die Unternehmer und die Gewerkschaften). Nur wird dies dann die Gewerkschaften

lll. Weitere inflationsbedingte Transaktionskosten

97

(cd) Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch die arbeitsmarktstrukturel/e Abhängigkeit des Einflusses von Inflation auf diese speziel-

len Transaktionshandlungen. Der (erwartbare) Erfolg solcher Verhandlungen und damit auch die Anstrengungen (einschließlich der Kampf-(Streik-)bereitschaft) von Arbeitnehmern, durch häufigere Inflationsausgleichsverhandlungen (nicht-antizipierte) Inflationsverluste zu kompensieren, hängt in starkem Maße von deren Arbeitsmarktposition ab. So werden aufgrund ihrer Knappheitssituation (beispielsweise) "privilegierte" Facharbeiter wesentlich bessere Chancen haben, durch Verhandlungen (unterstützt eventuell durch Streikdrohungen oder -handlungen etc.) Inflationsausgleichszahlungen durchsetzen zu können, als ungelernte Arbeitskräfte, die (wenn sie) weniger knapp und damit "begehrt" sind. Dies wirkt auch differenzierend auf den Zusammenhang zwischen Inflation und diesen speziellen Transaktionshandlungen. Diese strukturell bedingten Differenzierungen sind weitgehend unabhängig von der allgemeinen (globalen) Arbeitsmarktlage, d. h. hier: vom Umfang der globalen Arbeitslosigkeit- die (der) ihrerseits (seinerseits) auch differenzierend auf den Umfang von Verhandlungen über Inflationsausgleichszahlungen wirkt. lOS Die angesprochenen strukturell begründeten Lohnverhandlungen (zwecks Inflationsausgleich) müssen dabei gar nicht so sehr über offizielle, gewerkschaftliche Tarifverhandlungen laufen, sondern können sich mehr noch mehr zu häufigeren Zusatz-Lohnverhandlungen (zur Erreichung weiterer Inflationsausgleiche) ermuntern. 104 In der ökonomischen Literatur sind solche Transaktionskosten im Zusammenhang mit Lohnverhandlungen bisher vor allem (nur) im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktsituation behandelt worden. Vgl. dazu beispielsweise die Untersuchungen von Ashenfelter/Johnson (1969) und Godfrey (1971), die zu begründen suchten, daß die Gewerkschaften gerade bei geringer Arbeitslosigkeit ihre Streikwaffe am ehesten benutzen und (da) dies dann auch effektiv(er) ist hinsichtlich einer Erhöhung des Lohnabstandes zwischen gewerkschaftlich- und nicht-gewerkschaftlich-organisierten Sektoren. Vgl. dagegen Holt (1970). Zur Problembehaftetheit der bisherigen einschlägigen empirischen Untersuchungen hierzu vgl. TrevithicklMulvey (1975), S. 99 f. 105 Der Einfluß (bzw. auch die Richtung des Einflusses) von Arbeitslosigkeit auf Anstrengungen der Arbeitnehmer, Inflationsausgleichszahlungen zu erhalten, ist noch nicht recht geklärt. Wir hatten diesen Zusammenhang ja schon im vorigen Kapitel (in Punkt Il.l.bd)) angesprochen. Während einige empirische Untersuchungen - wie dort geschildert - dafür zu sprechen scheinen, daß sich die Arbeitnehmer mit Ansteigen von Arbeitslosigkeit um so mehr um einen Inflationsausgleich bemühen (d. h. auch darum "kämpfen"), ist es mindestens genauso plausibel anzunehmen, daß die Position der Arbeitnehmer in Zeiten von (hoher) Arbeitslosigkeit so stark geschwächt ist, daß sie auch finanzielle Rückschläge eher schweigend (oder resignierend) einstecken (müssen)- aus Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes. Genaueres oder Eindeutigeres wird nur in Bezug auf konkrete Fälle - unter gleichzeitiger Berücksichtigung auch anderer Differenzierungskriterien - zu ermitteln sein.

98

3. Kap.: Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

im innerbetrieblichen Bereich abspielen; sie schlagen sich daher auch oft gar nicht in Tariflohnbewegungen nieder, sondern in der strukturell verschiedenen Bewegung der sogenannten - unternehmensinternen - "Lohndrift" 106, 101. d)Resümee

Man kann, wie wir gesehen haben, zumindest in hohen und Hyperinflationen von einer inflationsbedingten Zunahme der Lohnverhandlungen (zum Ausgleich von Kaufkraftverlusten) ausgehen. Wie groß diese Zunahme ist, hängt von verschiedenen (in c) geschilderten) Bedingungen ab. Dagegen dürfte eine nennenswerte Änderung des Lohnzahlungsmodus rein auf das hyperinflationäre Stadium (H VI) beschränkt sein. Doch auch schon eine Zunahme der Lohnverhandlungen bedeutet für die Unternehmer zusätzliche Transaktionshandlungen, die mit (zusätzlichen) Kapitalaufwendungen verbunden sind. Dies bedeutet aber, daß dadurch der oben schon beschriebene Prozeß der tendenziellen Kapitalproduktivitätssenkung in Inflationen verstärkt wird.

IV. Zusammenfassung und Differenzierungen Transaktionskosten und ihr Einfluß auf die ökonomischen Entscheidungssituationen sind in der Literatur zu den Inflationseffekten bisher doch ziemlich stark vernachlässigt worden 108 - was ja nur eine Widerspiegelung 106 Ob die eine oder andere Verfahrensweise überwiegt, hängt hauptsächlich von der Struktur des Gewerkschaftssystems in einem Land (Sektor) ab. Steht ein Unternehmer gleichzeitig mehreren voneinander relativ unabhängigen Berufsgewerkschaften in einem Betrieb gegenüber - wie beispielsweise (in der Regel) in Großbritannien -,läuft dieser gruppenspezifisch unterschiedlich intensiv verlaufende Verhandlungsprozeß (über Inflationsausgleiche) eher über einzelne Berufsgewerkschaften ab, währenddessen nach dem Industrieverbandsprinzip organisierte Gewerkschaften wie in der Bundesrepublik eher (in diesem speziellen Fall) betriebsinterne Verhandlungsmechanismen begünstigen. 107 Die allgemeine Begründung dafür liegt vor allem in der sich historisch herausgebildeten Existenz von beruflichen Teilarbeitsmärkten. Vgl. Beckl Brater/Daheim (1980), Kap. IV, und Sengenberger (1975). 108 In der Diskussion der "Wohlfahrtskosten" der Inflation, die im Zusammenhang mit der Frage des Für und Wider staatlicher Vollbeschäftigungspolitik geführt wird (vgl. Bailey (1956), Phe/ps (1965), Marty (1967; 1976), Tower (1971), Barro (1972), Frenke/ (1976), Feldstein (1979)), werden die durch Inflation bedingten Transaktionskosten wohl auf das programmatische Schild der Untersuchungen gehoben (vgl. Bai/ey (1956; S. 100 f.), Phelps (1965; S. 8), Frenkel (1976; S. 47 f.)),- eine nähere inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Transaktionskostenkonzept fehlt jedoch. Die ur-

IV. Zusammenfassung und Differenzierungen

99

der Tatsache ist, daß Transaktionskosten überhaupt in der nationalökonomischen Theorie bisher nur am Rande berücksichtigt worden sind. In diesem Kapitel wurden der Bedeutung der Transaktionskosten bzw. der Transaktionshandlungen im Wirkungszusammenhang von Inflation und Faktorproduktivitäten die zentrale Bedeutung zugemessen. In den vorangegangenen Abschnitten dieses Kapitels wurde gezeigt, daß bei bzw. mit Inflation die Transaktionshandlungen innerhalb gewisser notwendiger unternehmeciseher Aktionsbereiche zunehmen. Da diese (Zunahme von) Transaktionshandlungen Ressourcen verschlingen, ohne daß sie den Output steigern, kann man daraus schließen, daß (dadurch) die Kapitalproduktivität tendenziell mit der Inflationsrate sinkt. Als die relevanten Aktionsbereiche wurden genannt: der Umgang mit bzw. die Haltung von Geld, der Absatzbereich und die Tauschverhandlungen auf dem Arbeitsmarkt. Der von den Wirkungen her umfassendste Bereich ist der der (Ökonomisierung der) Geldhaltung. Bei Inflation erleiden die Unternehmeraufgrund der in gewissem Umfang unvermeidlichen Geldhaltung Realwertverluste, die sie mit Hilfe von speziellen Transaktionen zu minimieren versuchen. Der Umfang letzterer Transaktionen ist als von einem (Opportunitäts-)Kostenvergleich bestimmt anzusehen: Sowohl die Unterlassung als auch die Durchführung der Transaktionen zieht Kosten nach bzw. mit sich, die letztlich durch Inflation bedingt sind. Diese Kosten äußern sich beide Male (auch) als Kapitalverbrauch - einmal als Kapital(wert)verlust, das andere Mal als Aufwand von Kapital. Im Absatzbereich treten Transaktionskosten vor allem im Zusammenhang mit gesteigerter Informationssammlung (und u. U. auch verstärkter Werbung) in Erscheinung, die selbst als Reaktion auf die mit Inflation verbundene zunehmende Unsicherheit im Absatzbereich betrachtet werden kann. Daneben treten noch andere inflationsbedingte Transaktionskosten im Zusammenhang mit vermehrten Lohnverhandlungen 109 auf, die von sprünglich angesprochenen Transaktionskosten bzw. die darüber erst abgeleiteten "Wohlfahrtskosten" reduzieren sich in der dortigen, weitgehend formalistischen Darstellungsweise auf letztlich nichts anderes als auf die Kosten "verlorengegangener" Liquiditätsdienste, die aufgrund einer bei Inflation sinkenden Geldhaltung anfallen. (Entsprechend werden diese "Wohlfahrts-" oder Transaktions-Kosten auch üblicherweise gemessen durch die Fläche unter dem Abschnitt der Nachfragekurve nach real balances, die der Nachfragereduktion entspricht.) Die Auswirkungen einer solchen Reduzierung der Geldhaltung auf die Akkumulation(sentscheidung) werden nicht untersucht. Nichtsdestoweniger werden freiweg die unterschiedlichsten Thesen über Wachstumseffekte von Inflation damit begründet. Zu einer genaueren Schilderung der in der Literatur nicht irrelevanten Diskussion vgl. den Anhang B in dieser Arbeit! 109 - in Hyperinflationen auch mit vermehrten Lohn(aus)zahlungen -.

100

3. Kap.: Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

den Arbeitnehmer(organisatione)n mit dem Ziel der Gewährung von Inflationsausgleichszahlungen erzwungen werden. Allgemein kann man davon ausgehen, daß diese inflationsbedingten Transaktionshandlungen und der damit anfallende Kapitalverbrauch tendenziell mit der Inflationsrate steigen. Wie stark sie jedoch zunehmen, ist nicht allgemein zu bestimmen. Wenn man die in der Einleitung entwickelten Differenzierungspunkte anwendet, läßt sich folgendes feststellen: a) Polypole werden in der Regel stärker von (notwendigen) Transaktionszunahmen und dem damit verbundenen Kapitalverbrauch betroffen als Oligopole. Der Grund ist der, daß die Informationssammlung in den Oligopolistischen (Groß-)Betrieben wesentlich umfangreicher (organisiert) und von daher der Informationsstand dieser Betriebe weit größer ist als bzw. im Vergleich zu den polypolistischen (Kiein-)Betrieben. Deshalb ist die Anpassung an die mit der Inflation verbundenen stärkeren Komplexität der Handlungsbedingungen für die Oligopole i. d. R. mit weniger Aufwand verbunden als flir die Polypolunternehmen. Anders kann man auch sagen, daß bei gleichem (relativen) Aufwand die (Wahrscheinlichkeit von) Fehlinvestitionen und damit die Ressourcenverschwendung (i. e. unproduktiver Kapitalaufwand) in Inflationen bei den Polypolunternehmen wesentlich höher sein dürfte als bei den Oligopolbetrieben-eben wegen der besseren Anfangsausstattung der Oligopole mit Information(ssammlungsmöglichkeiten). Der größere Informationsstand zeigt sich zum einen in der weniger ausgeprägten Geldillusion IIO, zum anderen in der schon bei Preisstabilität wesentlich diffizileren Absatzvorbereitung der Oligopolistischen Großunternehmen. Allein die aufgrund zunehmender Lohnverhandlungen anfallenden Transaktionskosten fallen bei den Polypolen eventuell (relativ) geringer aus, da der Organisationsgrad der Arbeitnehmer in den polypolistischen Unternehmen im Durchschnitt niedriger liegt als in den Oligopolistischen Unternehmenlll. b) Bei vermeintlicher Kosteninflation fallen höhere Transaktionsanstrengungen und damit -kosten an als bei vermeintlicher Nachfrageinflation. Dies gilt vor allem für die Transaktionskosten im Absatzbereich. Diese in der Konjunkturtheorie häufiger entwickelte oder auch nur angenommene These beruht auf der Beobachtung (oder Ansicht), daß die Unternehmer in typi110 Bei (sehr) hoher Inflation dürfte allerdings die Geldillusion bei beiden Gruppen gleichermaßen abgebaut sein. 111 -was die Durchsetzungsfahigkeit der Forderungen der Beschäftigten in den polypolistischen Unternehmen und damit auch deren Kampfbereitschaft schwächt.

IV. Zusammenfassung und Differenzierungen

101

sehen Übernachfragesituationen weniger sorgfältig mit der Rentabilitätsüberprüfung von Investitionen, insbesondere mit der Informationssammlung über die Absatzentwicklung und mit der Kalkulation umgehen als in Überangebotssituationen. Durch die (gedankliche) Koppelung von (angenommener) Übernachfragesituation und (vermeintlicher) Nachfrageinflation gelangt man leicht zur obigen Behauptung. Am diffizilsten hat dies Preiser herausgearbeitet, der seine Konjunkturtheorie - insbesondere die Erklärung des Booms und des oberen Wendepunktes - zum Großteil auf dem oberen Zusammenhang aufgebaut hat. (Vgl. Preiser (1933)). Preisergeht in seiner Theorie davon aus, daß (allgemeine) Übernachfragesituationen korreliert sind mit Gewinn(quoten)steigerungen, die auf inflationsbedingten Lohn-tags basieren, von den Unternehmern allerdings fälschlicherweise entsprechend dem Muster des herrschenden ökonomischen Paradigmas (an sich schon) als Indikator für weiterhin herrschende günstige Absatzmöglichkeiten interpretiert werden.112 Angesichts dieser Interpretation gehen die Unternehmer bei ihren Investitionsentscheidungen nicht (mehr) so sorgfältig vor wie beispielsweise in vermeintlichen Überangebotssituationen.ll3 Bezüglich der Transaktionskosten auf dem Arbeitsmarkt ist allerdings, wie wir oben geschildert haben, vorstellbar, daß dort die Transaktionskosten bei Nachfrageinflation höher ausfallen als bei Kosteninflation. Und zwar gilt dies, wenn die Gewerkschaften - auf den (vermeintlich) größeren Kostenüberwälzungsspielraum (und die dadurch höhere Zugeständnisbereitschaft) der Unternehmer bei von denen interpretierter Nachfrageinflation vertrauend - häufiger versuchen, in Zusatz-Lohnverhandlungen Inflationsausgleiche zu erzielen.II4 c) Was die unterschiedlichen Wirkungen in verschiedenen Inflationsstadien anbelangt, so kann man davon ausgehen, daß die Transaktionen so lange nicht nennenswert zunehmen werden, wie die Inflationsraten noch relativ niedrig sind. So wird in den Stadien H I und II der Kapitalaufwand für zusätzliche Ökonomisierungs-Transaktionen gering ausfallen, da zum einen die Geldillusion vielleicht noch nicht ganz abgebaut ist(- in erster Linie bei den Polypolen-), zum anderen viele Unternehmer auch der Meinung sein werden, daß es sich nicht "lohnt", i. e. die Kosten der Transaktionsdurch-

112 Vgl. Preiser (1933; S. 96, 82). 113 Vgl. Preiser (1933), S. 82.

114 Dabei ist auch davon auszugehen, daß Nachfrageinflationen oft auch mit einer stärkeren Arbeitsmarktposition der Beschäftigten- d. h. hier: einem geringeren globalen Arbeitsmarktüberangebot - einherlaufen.

102

3. Kap.: Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

führung höher liegen als die dadurch erzielbaren Mehr-Gewinnell5. Doch auch bei höherer Inflation können die Unternehmerll6 der Auffassung sein, daß es sich nicht "lohnt", und zwar dann, wenn die hohe Inflation als nur kurzfristig betrachtet wird. Insofern sind neben den Inflationsstadien mit niedrigen Preissteigerungsraten auch die mit abnehmender Entwicklungstendenz der Inflationsraten (hier: H III) dadurch gekennzeichnet, daß die Unternehmer wenig(er) Ressourcen aufwenden, um die oben genannten Organisations- oder Aktionsbereiche den Inflationsbedingungen adäquat anzupassen. Dagegen werden die Unternehmer in den Inflationsstadien mit hoher und nicht-fallender Entwicklungstendenz der Inflationsrate (hier: H IV, V und VI) verstärkte Anstrengungen zur Ökonomisierung ihrer Handlungen durchfUhren - und zwar im allgemeinen um so stärker, je höher die Inflationsrate ausfällt. 117 Eine Einschränkung muß hinsichtlich der letzten Aussage allerdings gemacht werden. Es ist damit zu rechnen, daß die Zunahme der Transaktionshandlungen sich ab einer gewissen Inflationshöhe verlangsamen kann, da die Transaktionshandlungen im Absatzbereich dann abnehmen werden. Grund dafür ist das, was man gemeinhin "Flucht in die Sachwerte" nennt, und was sich fl.ir den Durchschnitt der Unternehmer als günstige Absatzsituation widerspiegelt. Die Unternehmer werden in dieser Situation weniger Mühe (und Kosten) zur Informationssammlung und/bzw. Absatzplanung aufwenden (müssen). Es ist allerdings zu bezweifeln, ob dieser Rückgang der Transaktionshandlungen im Absatzbereich die Zunahme der übrigen Transaktionshandlungen, die insbesondere im Hyperinflationsstadium immense Dimensionen annimmt, in einem bemerkbaren Umfang wird kompensieren können. Die aus der Zunahme der Transaktionshandlungen gezogene, fl.ir uns interessante Schlußfolgerung ist die, daß die Kapitalproduktivität mit der Inflationsrate tendenziell sinkt. Die Durchfl.ihrung dieser (unproduktiven) Transaktionshandlungen ist mit einem mehr oder minder großen Aufwand von Kapital verbunden, der keinen zusätzlichen Output erbringt. Diese Tendenz zur Minderung der Kapitalproduktivität kann wohl (über)kompensiert werden durch kapitalsparenden technischen Fortschritt. 115 Letzteres gilt auch flir die Gewerkschaften bei der Entscheidung der Durchfl.ihrung von Arbeitskämpfen zur Erzielung eines Ausgleichs fl.ir Kaufkraftverluste. 116 - und entsprechend die Gewerkschaften - (vgl. vorhergehende Fußnote). 117 Entsprechend wird der Zwang durch die Gewerkschaften zur häufigeren Durchführung von Lohnverhandlungen (über lntlationsausgleichszahlungen) steigen.

Zusatz: Der Einfluß von Inflation auf die Arbeitsproduktivität

103

Nur ändert dies an unserer allgemeinen Aussage : "Die Kapitalproduktivität sinkt tendenziell mit der Inflationsrate" nichts, solange nicht nachgewiesen werden kann, daß der entsprechende kompensierende technische Fortschritt selbst nur als Reaktion auf die Inflation, i. e. itiflationsbedingt, entstanden ist. Nur in diesem Fall gilt die obige Aussage nicht. Ansonsten könnte man die kompensierende Wirkung nicht der Inflation anrechnen. Dieser Effekt dürfte im letzteren Fall auch nicht mit Inflationseffekten durcheinandergeworfen werden. Da der Autor kein plausibles Argument für einen bestimmten inflationsbedingten technischen Fortschritt angeben kann und in der Literatur auch keine brauchbaren einschlägigen Untersuchungen zu finden sind, wird die obige Behauptung aufrechterhalten.

Zusatz: Der Einfluß von Inflation auf die Arbeitsproduktivität (mit Rekurs auf die Fragestellung des vorhergehenden Kapitels) Der geschilderte Anstieg der Transaktionshandlungen tangiert nun nicht nur die Kapitalproduktivität (YI K), sondern auch die Arbeitsproduktivität (Y IN). Dies geht eindeutig aus der obigen Analyse hervor. Die beschriebenen, notwendig werdenden Transaktionen sind nicht ohne zusätzlichen Personal- oder Arbeitsaufwand durchführbar. Dies gilt für alle aufgeführten Transaktionsarten. Da durch diese Transaktionen der Output nicht gesteigert wird, sinkt dementsprechend die Arbeitsproduktivität.ll8 Damit wird 118 Die Arbeitsproduktivität würde - anders formuliert - nur dann nicht sinken, wenn das Verhältnis des Einsatzes von Kapital zu Arbeitskraft (KIN) inflationsbedingt mindestens im gleichen Umfang abnehmen würde wie die Kapitalproduktivität, da

YIN

= YIK ·KIN.

Da sich dafür aber keine stichhaltigen Argumente anfUhren lassen* - fl.ir eine solche Wirkung von Inflation etwa auf die technische Fortschrittsentwicklung gibt es auch keine Belege-, muß davon ausgegangen werden, daß die Arbeitsproduktivität mit der Kapitalproduktivität sinkt. * Man könnte höchstens argumentieren, daß die Arbeitsintensität als Folge der Geldentwertung in starkem Umfang abnimmt, was manchmal für die Perioden der Hyperinflation behauptet wird (vgl. Bresciani-Turroni (1931; S. 215 ff.)), jedoch ansonsten (letztlich aber auch für die Hyperinflationsperioden) wenig plausibel erscheint angesichts der spezifischen Organisations- und Produktionsstruktur kapitalistischer Unternehmen.

104

3. Kap.: Einfluß von Inflation auf die Kapitalproduktivität

auch das im vorhergehenden Kapitel gezogene Resümee hinsichtlich der zu erwartenden funktionellen Einkommensverteilungsänderung bestätigt, daß die parallele Veränderungstendenz von Reallohn und Arbeitsproduktivität eine allgemeine Tendenz- oder Monotonieaussage über den Einfluß von Inflation auf die funktionelle Einkommensverteilung nicht erlaubt. Es spricht allerdings einiges dafür, daß es einheitliche Tendenzen der inflationsbedingten Verteilungsänderung in einzelnen Inflationsstadien gibt, die jedoch von der Richtung her unterschiedlich sind. So ist der Inflationsausgleich in den Löhnen, wie im vorigen Kapitel beschrieben, bei geringen Inflationsraten noch relativ niedrig, während in diesem Stadium von einem (nennenswerten) Einfluß von Inflation auf die Arbeitsproduktivität noch nicht gesprochen werden kann. Dementsprechend wird Inflation in diesem Stadium lohnquotensenkend wirken. Bei höherer Inflation dagegen werden die Kaufkraftverluste zum größten Teil (i. e. fast vollkommen) von den Lohnsteigerungen aufgefangen, wogegen die Arbeitsproduktivität spürbar als unmittelbare Folge von Inflation sinkt(- bei Polypolunternehmen und/oder bei vermeintlicher Kosteninflation stärker als bei Oligopolunternehmen und/oder vermeintlicher Nachfrageinflation -),so daß in diesem Stadium eher von einer lohnquotensteigernden Wirkung von Inflation ausgegangen werden kann. Schließlich dürften angesichts der starken Inflationsdynamik in Hyperinflationen sowohl die Reallöhne als auch die Arbeitsproduktivität in stärkerem Umfange sinken, wobei über die relativen Änderungen und damit über die Auswirkungen von Hyper-Inflation auf die Lohnquote nichts Bestimmtes (mehr) ausgesagt werden kann.

Viertes Kapitel

Der Einfluß von Inflation auf den Wertpapierzins

I. Zur Fragestellung Wie aus der in der Einleitung entwickelten Akkumulationsfunktion ersichtlich ist, spielt der Zins bei der Akkumulationsentscheidung der Unternehmer insbesondere die Rolle des Indikators eines Alternativertrags einer Anlage auf dem Wertpapiermarkt. Daneben stellt der Zins aber auch einen Kostenfaktor dar, der die Kosten einer- eventuellen - Fremdkapitalaufnahme widerspiegelt. Da eine Inflation(sdynamik) gleichermaßen auf beide Funktionselemente wirkt, ist es zulässig, in der Argumentation von einem einheitlichen Zinsniveau auszugehen. Die Fragestellung lautet: .Wie entwickelt sich das Zinsniveau durch (tendenziell ansteigende) Inflation? Das heißt: Das Interesse hier zentriert sich auf die Entwicklung oder Änderung der durch den Zinssatz gekennzeichneten (partiellen) Akkumulationsentscheidungsgrundlage aufgrund von (sich verändernder) Inflation. Da die (statistisch erfaßten) Marktzinsen in der Regel sehr stark auch von - inflationsunabhängiger - (wirtschafts)politischer Einflußnahme bzw. Steuerung abhängen I, läßt sich der Einfluß von Inflation nicht direkt aus einer empirischen Zeitreihenanalyse des Zusammenhangs von Inflation und Marktzins ableiten. Stattdessen muß die angegebene Fragestellung theoretisch(er) angegangen werden. Den nominellen oder Marktzins fassen wir hier- wie in der Literatur üblich - als die Summe von Realzins und erwarteter Inflationsrate:

Der Realzins, i,, kennzeichnet dabei eine theoretische (Erwartungs-)Größe, die das jeweilige Niveau des Marktzinses (i) und der InflationserwartunI

V gl. näher im Abschnitt IV.

106

4. Kap.: Der Einfluß von Inflation auf den Wertpapierzins

gen (pe) wiedergibt. Die (erwartete) Entwicklung des Realzinses bei Inflation spiegelt die (erwarteten) Entwicklungspfade des Marktzinses und der Inflationserwartungen wider. 2 pe hängt unmittelbar von der (subjektiven) Erwartungsbildung des jeweiligen Unternehmers ab. Dabei kann man von folgendem allgemeinen Zusammenhang ausgehen: pe orientiert sich immer (mit) an der im Entscheidungszeitpunkt vorherrschenden Inflationsdynamik. Bei einer (schon über einige Zeit hinweg) positiven oder steigenden Inflationsdynamik gilt: pe > p. (Qabei ist: pe = p~ 1 + 1 ; d. h.: Die Erwartung über die Inflationsrate wird in der Periode (oder im Zeitpunkt) t gebildet und bezieht sich auf die Periode (oder den Zeitpunkt) t + 1. p dagegen ist die sich in t realisierende Inflationsrate. Genauer könnte man daher schreiben: p~ t+l >Pr.) Bei einer gleichbleibenden Inflationsentwicklung oder -höhe wird dagegen tendenziell pe = p sein. Schließlich wirkt eine (wahrgenommene) negative oder abnehmende Inflationsdynamik so auf die Erwartungsbildung, daß pe < p. i drückt den den Unternehmern im Entscheidungszeitpunkt als bekannt unterstellten Marktzins aus. Man kann den Marktzins wie üblich als monoton steigende Funktion der Übernachfrage am Kapitalmarkt beschreiben:3 i = i (KN - KA); KN: Kapitalnachfrage

KA: Kapitalangebot

Die Kapitalnaclifrage läßt sich zum größten Teil dem Unternehmenssektor zuordnen, zu einem geringeren Teil auch den Haushalten. 4 Die Höhe der Kapitalnachfrage wird daher im wesentlichen durch die erwartete (reale) Rendite der Fremdkapitalaufnahme bzw. des Gesamtkapitaleinsatzes im Akkumulationsprozeß, r, bestimmt:

Demgegenüber ergibt sich das Kapitalangebot in erster Linie aus den Sparleistungen der Haushalte, den nicht real-investierten Gewinnen bzw. cash2 Insofern stellt der Realzins eine zentrale Untersuchungsgröße in unserem Zusammenhang dar. Es gilt: ·

1J.i(p) = 1J.pe(p) + 1J.i,(p), mit d.x: = x(p + 1J.p)- x(p), llp > 0. wenn man von dirigistischen (staatlichen) Eingriffen auf die Zinsentwicklung absieht. 4 Den Staatssektor hatte ich ja genau wie den "Auslandssektor" aus der Betrachtung herausgelassen. 3 -

I. Zur Fragestellung

107

flow-Beträgen der Unternehmen und der darauf basierenden Kreditschöpfung der Banken. Die Höhe des Kapitalangebots ist dabei insbesondere abhängig von der erwarteten realen Rendite auf dem Kapital- oder Wertpapiermarkt, d. h. dem Realzins5, dem (realen) Volkseinkommen und der Vermögensanlage- oder allgemeiner: der Bedürfnisstruktur (sowohl in zeitlicher als auch in materieller Hinsicht):6

Y: (reales) Volkseinkommen

.Q: "Matrix" der Bedürfnisstruktur

mit atKAiai,, afKAiaY > o. Ad hoc ist davon auszugehen, daß der Realzins als Folge einer (erwarteten) Preiserhöhung zurückgeht. Sinkt jedoch die Realverzinsung, so geht tendenziell das (Spar-)Kapital zurück.s Gleichzeitig steigt in diesem Fall (ceteris paribus) die Kredit- oder Kapitalnachfrage wegen der gesunkenen realen Zinskosten.9 Das heißt, es kommt zu einer Übernachfrage nach Kapital, 5 Der Realzins in dieser Funktion ist insofern nicht völlig identisch mit dem in der obigen Gleichung verwendeten Realzins, als die Inflationserwartungen unterschiedlich sein können. Im einen Fall sind nur die Unternehmer die Erwartungsbildner, im anderen auch die Haushalte. Nur wenn beide Erwartungsgrößen übereinstimmen - was hier einfachheitshalber unterstellt wird, und angesichtsdes "Öffentlichkeitsscharakters" der Diskussion um die erwartete Inflationsrate auch plausibel erscheint -, sind die Realzinsfaktoren identisch (unter der allerdings etwas unrealistischen Annahme eines einheitlichen Marktzinses). 6 Von den Restriktionen, die der Kreditschöpfung der Banken auferlegt sind, wird hier vorerst abstrahiert. Vgl. dazu weiter unten! 7 Genauer könnte man vielleicht formulieren :

KAHH KAu KAB

=ft(i,, Y, .Q) =hV - i,, (1 -I)Y) ; 1 =IJ(i,, ,e_ i,, Y, I. !2, A.);

1:

= Profitquote

A.: Restriktionen der Kreditschöpfung

(HH: Haushalte; U: Unternehmen; B: Banken). 8 Vgl. obige Kapitalangebotsgleichung! Gleiches gilt, wenn das reale Volkseinkommen sinkt, oder sich die Bedürfnisstruktur aufgrundvon Inflation(serwartungen) entsprechend verschiebt. Genaueres dazu weiter unten! 9 ,e = re(i, , .) mit areI ai, < 0. (Vgl. zusätzlich die obige Kapitalnachfragegleichung!) Eine umfangreichere Kapitalnachfrageausdehnung, die vor allem von den Unternehmern kommen müßte, ist jedoch nur dann als Folge einer (Real-)Zinskostensenkung zu erwarten, wenn auch die Nachfragebedingungen auf dem Gütermarkt günstig sind. Bei einer vermeintlichen Nachfrageinflation ist daher auf einen entsprechenden inflationsinduzierten Effekt eher zu schließen als bei einer vermeintlichen Kosteninflation.

108

4. Kap.: Der Einfluß von Inflation auf den Wertpapierzins

was den Marktzins steigen läßt. Die Frage ist nur, wann und in welchem Ausmaß der Marktzins steigen wird. Die in diesem Kapitel interessierende, übergreifende Frage ist die: Steigt der Marktzins - inflationsbedingt - in gleichem Maß wie die erwartete Inflationsrate? Diese Frage läßt sich analytisch (entsprechend der obigen Definitionsgleichung des Marktzinses) aufgliedern in die 2 Fragen: (1) Findet ein vollkommener Inflationserwartungsausgleich (im Marktzins)

statt?

(2) Bleibt der Realzins bei (steigender) Inflationserwartung gleich? Nur wenn beides gleichzeitig zutrifft, steigt das Zinsniveau mit der Inflationserwartung stetig und im gleichen Ausmaß an.IO

II. Bedingungen eines vollkommenen Inflationserwartungsausgleichs Ein vollkommener lnflations(erwartungs)ausgleich wird nur dann möglich sein, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: II 10 Wenn man den Staatssektor mit berücksichtigt, muß der Marktzins- wie Michael R. Darby (1975) gezeigt hat- tendenziell sogar stärker steigen als die (erwartete) Inflationsrate, um den Realzins konstant zu halten. (Vgl. auch Feldstein (1976)) Es gilt dann nämlich - bei Berücksichtigung eines (einheitlichen) positiven Grenzsteuersatzes von '1'(%) -:

(**)

(1 - '1') · i = (1 - '1') · i, + pe

bzw. (durch 1 - '1' dividiert)

. . + -Pe- .

l=t,

1-'1'

Darby faßt dabei i, als Grenzproduktivität des Kapitals, wogegen i, hier aus dem obigen Akkumulationsansatz heraus "nur" als reale Rendite einer Alternativanlage

zum Kapitaleinsatz im Produktionssektor (oder als Realkostenfaktor) interpretierbar ist. Von daher gilt in unserem Fall :

(**J

(1-?')·i=i,+pe.

An der Aussage von Darby ändert sich dadurch aber im Prinzip nichts. (Die unterschiedliche Interpretation des Faktors i, drückt den unterschiedlichen Charakter der Gleichungen(**) und (**J aus. Während Gleichung(**) eine mikroökonomische Gleichgewichtsbedingung darstellt, ist (**') eine reine Definitionsgleichung.) II Zur Vereinfachung sei hier (wieder) von gleichen Inflationserwartun&c;:n der Kapitalnachfrager und -anbieter ausgegangen. Der schon angesprochene "Öffentlichkeitscharakter" der Preissteigerungsdiskussion in den Medien rechtfertigt dies auch.

Il. Bedingungen eines vollkommenen Inflationserwartungsausgleichs

109

a) Es dürfen keine- zumindest nicht einseitig unterschiedliche- Transaktionskosten bei den Kapitalnachfragern und/bzw. den Kapitalanbietern auftreten. b) Die Marktmacht der Kapitalanbieterund -nachfrager muß relativ ausgeglichen und im einzelnen gering sein. Vor allem darf die Marktmacht der Kapitalnachfrager nicht flihlbar größer sein als die der -anbieter. c) Die Marktkräfte müssen schnell - im Prinzip unendlich schnell - wirken. d) Politische oder gesetzliche Restriktionen dürfen nicht hindernd auf eine Zinsanpassung wirken. e) Das Verhalten der Marktteilnehmer- insbesondere der Kapitalanbietermuß den Verhaltensnormen der "ökonomischen Rationalität" genügen.

zu a): Sobald Transaktionskosten auftreten, ist die (volle oder sofortige) Rea-

lisierung eines Inflations(erwartungs)ausgleichs im Zinsniveau nicht mehr gewährleistet. Wenn die Realisierung bzw. die Verhandlung über die Realisierung eines Inflationsausgleichs Kosten verursacht, bedeutet dies, daß unter Umständen ein voller bzw. sofortiger Inflationsausgleich flir beide Seiten gar nicht mehr erstrebenswert (ökonomisch sinnvoll) ist. Da ein Inflationsausgleich ja von den Kapitalanbietern gefordert wird, tritt diese Situation vor allem dann ein, wenn die Transaktionskosten der Verhandlung über (bzw. der Realisierung) einen(s) Inflationsausgleich(s) für die Kapitalanbieter höher sind als für die Kapitalnachfrager. Im Falle ausgeglichener oder für die Kapitalnachfrager höherer Transaktionskosten ist dagegen unter Umständen (bei Erfüllung der Bedingung d)) ein voller Inflationsausgleich zu erwarten. Denn dann würde es für beide Seiten ökonomisch rational sein, gar nicht in (kostspielige) Verhandlungen einzutreten, sondern einen indexierten Anpassungs"automatismus" einzuflihren.12, 13 Grundlage wäre "natürlich", daß die Transaktionskosten des Zustandebringens (und Überwachens) eines solchen Indexverfahrens nicht allzu hoch sind. Diese Annahme kann allerdings realistischerweise nur bei einer insgesamt geringen Anzahl von Unternehmen oder bei einer Übernahme dieser Tätigkeiten durch den Staat gemacht werden. Zudem dürften auch die Kosten der Erwartungsbildung nicht zu hoch ausfallen. Treten nämlich höhere Kosten der Erwartungsbildung auf, so ist sogar vorstellbar, daß eine Forderung nach Inflationsausgleich von seiten der Kapitalanbieter gar nicht erhoben wird. 12 - immer unter der Annahme gleicher Inflationserwartungen. Sonst müßte noch näher differenziert werden. 13 Auch für die Kapitalnachfrager, die ja nicht an einem Inflationsausgleich interessiert sind, wäre dies ökonomisch sinnvoll, wenn sie erwarten können, daß die Kapitalanbieter in Verhandlungen eintreten. 8 Wagner

110

4. Kap.: Der Einfluß von Inflation auf den Wertpapierzins

zu b): Eine wichtige Voraussetzung ftir einen vollkommenen Ausgleich der

Inflationserwartungen im Marktzins ist eine gewisse Gleichgewichtigkeit der Marktmachtverhältnisse auf dem Kapitalmarkt. Bestehen nämlich hinsichtlich der Marktmachtverhältnisse zwischen Kapitalnachfragern und -anbie- · tern erhebliche Unterschiede, so gehen die Verhandlungen um einen Inflationsausgleich in der Regel zugunsten des stärkeren Verhandlungspartners aus. Größere Marktmacht bedeutet ja meist auch größere Durchschlagkraft von Forderungen bei Verhandlungen, gestützt auf bessere Informationen und auf oftmals wirksamere Druckmittel, bzw. -und wenn auch nur- Möglichkeiten der Verhandlungsverschleppung. 14 Sind die Kapitalanbieter die markt(macht)stärkeren Verhandlungspartner, so ist ein voller Inflationsausgleich wohl tendenziell gewährleistet. Im umgekehrten Falle eines Übergewichts der Kapitalnachfrager dagegen ist zu erwarten, daß der Marktzins hinter den (gemeinsamen) Inflationserwartungen - in den Steigerungsraten "herhinkt" . zu c): Falls die beschriebenen Marktkräfte nicht sehr (unendlich) schnell wirken, treten Anpassungsverzögerungen auf, so daß erst - wenn überhaupt der Zinssatz der nächsten Periode die Kompensationsrate ftir die erwartete Inflation in der laufenden Periode enthält. zu d): Wenn Regierungen oder Notenbanken die Zinsbewegung durch direk-

te (marktexogene) und/oder indirekte (marktmäßige) Mittel beeinflussen, kann ein vollkommener Inflationserwartungsausgleich schon dadurch verhindert werden. Auch ein vollkommener Inflationserwartungsausgleich über GruppenBargaining-Prozesse kann aufgrundgesetzlicher Restriktionen (z. B. Verbot von Indexklauseln in Verträgen) ausgeschlqssen sein.

zu e): Verhalten sich die Marktteilnehmer nicht so, wie es das ökonomische

Rationalitätsprinzip vorschreibt, so braucht auch bei einer objektiven Möglichkeit eines vollkommenen Ausgleichs der Inflationserwartungen letzterer nicht einzutreten. Man kann dabei an so etwas wie individuelle Gleichgültigkeit eines Teils der Marktteilnehmer gegenüber ökonomischen Rentabilitätsverschiebungen einer Geldanlage denken.Is Wenn diese Einstellung (auch) die oder einen Teil der Kapitalanbieter kennzeichnet, werden sich die Marktzinsen tendenziell nicht voll den Inflationserwartungen anpassen. 14 Letzteres ist aber auch bei gleichgewichtiger oligopolistischer Marktstruktur die Regel, so daß streng genommen ein voller Inflationsausgleich nur bei polypolistischer Organisation auf beiden Seiten gewährleistet ist. 15 - ein Faktor, den auch Irving Fisher mit zur Erklärung des Abweichens der Ergebnisse seinerempirischen gegenüber den Ergebnissen seiner (gleichgewichts-)theoretischen Untersuchungen anftihrte. (Vgl. Fisher (1930), S. 38 Fußn. 2).

II. Bedingungen eines vollkommenen Inflationserwartungsausgleichs

111

Nun läßt sich nicht immer eindeutig abschätzen, ob diese Bedingungen im einzelnen erfüllbar oder in der gegenwärtigen "Realität" erfüllt sind. Zum einen (a) treten wohl allgemein als Nebeneffekte von Markt- oder Tauschhandlungen laufend Transaktionskosten auf. Dies wurde im vorhergehenden Kapitel ja ausführlich behandelt. Daß die einschlägigen Transaktionskosten der Kapitalanbieter als Gruppe dagegen höher sind als die der Kapitalnachfrager kann so einfach nicht behauptet werden.16 Ebenso ist (b) nicht eindeutig ausmachbar, wie die relative Marktmachtsituation der aggregierten Gruppen der Kapitalanbieterund -nachfrager beschaffen ist. Wenn man nur die Gruppen der Unternehmer (ohne Banken) und der Haushalte betrachtet, ist die Sache relativ einfach(er), da die Unternehmer als die hauptsächlichen Kapitalnachfrager (von der Menge der Kapitalnachfrage her gesehen) zu einem größeren Teil oligopolistisch strukturiert, die Haushalte als hauptsächliche Kapitalanbieter dagegen in großer Zahl weitgehend isoliert tätig sind. Als Imponderabilie tritt jedoch der oligopolistisch strukturierte Bankensektor auf dem Kapitalmarkt au( Und zwar sind die Banken sowohl auf der Kapitalanbieter- als auch auf der Kapitalnachfragerseite in einem Preis und Menge beeinflussenden, wenn nicht gar beherrschenden, Umfange aktiv, wobei das Aktivitätsverhältnis von Situation zu Situation unterschiedlich sein kann. Das Auftreten der Banken auf beiden "Verhandlungs-" oder Marktseiten spricht aber dafür, daß von diesem Teilaspekt (b) her keine Hindernisse für einen vollen Inflationsausgleich gegeben sind.l7 Dagegen kann man eindeutige Hindernisse für einen vollen Inflationsausgleich in (angesichts) der Nichterfüllung von Bedingung c) erkennen. Auch innerhalb der herrschenden Gleichgewichtstheorie werden in der Nationalökonomie immer mehr Abstriche von der (neo-)klassischen Annahme der sofortigen Wirksamkeit des Preis- (Zins-)mechanismus gemacht. (Vgl. die sogenannten Non-tätonnement-Modelle in der modernen Gleichgewichtstheorie.18) Die vor allem durch Keynes in den Vordergrund gerückte Annahme der Wirkungsverzögerung des Preis- oder Zinsmechanismus scheint auch für die Beschreibung und Erklärung der Wirtschaftsprozesse in marktwirtschaftlich-kapitalistischen Gesellschaften besser geeignet bzw. bestätigt 16 Auch können hier nennenswerte Kosten der Informationsbeschaffung angesichts des schon angesprochenen "Öffentlichkeitscharakters" der Diskussion über die zu erwartende Inflationsrate nicht angenommen werden. 17 Dies gilt für eine Anpassung des W ertpapierzinses. Die Zinsen auf Spareinlagen sind dagegen weitgehend "gesetzt" vom oligopolistischen Bankensektor (und variieren von daher weniger stark). Die Banken sind in diesem Fall die Nachfrager und die große Masse der Haushalte die Anbieter von Spareinlagen. Das Marktmachtverhältnis ist also hier eindeutig aufseitender Nachfrager, sprich: der Banken. 18 Literaturangaben siehe oben s. 62 (Fußnote 5). 8*

112

4. Kap.: Der Einfluß von Inflation auf den Wertpapierzins

zu sein.19 Eine solche Wirkungsverzögerung bedeutet jedoch ein bei einer steigenden Inflationsdynamik ständiges Hinterherhinken des Marktzinses hinter den laufenden lnflationserwartungen. Politische Restriktionen (d) gibt es sicherlich in den entwickelten marktwirtschaftlich-kapitalistischen Gesellschaften mehr oder weniger laufend. Wie stark und in welcher Form solche politischen Behinderungen einer vollkommenen Zinsanpassung auftreten, ist von der jeweiligen wirtschaftspolitischen Zielrichtung abhängig, die vor allem auch von der jeweiligen konjunkturellen Lage beeinflußt sein wird. Formen politischer Restriktionen sind einerseits die marktexogenen Mittel der Notenbanken, d. h. (der Einsatz) geldpolitische(r) Instrumentarien wie die Mindestreservefestsetzung, und andererseits marktkonforme Eingriffe wie die Offenmarktpolitik der Bundesbank bzw. der Umfang der zinsmitbestimmenden Staatsverschuldung (der zum großen Teil als relativ unabhängig von der erwarteten Inflationsrate betrachtet werden muß, d. h. nicht in direkten Zusammenhang damit gebracht werden kann). Daneben sind die gesetzlichen Möglichkeiten der staatlichen Regulierung von Bankzinsen zu erwähnen, die zum Beispiel in der Bundesrepublik im "Gesetz über das Kreditwesen" (§ 23) festgelegt sind.2o Ein zusätzliches restriktives Mittel gesetzlicher Art, das gesondert hervorgehoben werden muß, ist das Verbot der Einbeziehung von Indexklauseln in (Geldschuld-)Verträge. Ein solches Verbot (in Bezug auf Indexanleihen) besteht beispielsweise in der Bundesrepublik. 21 Durch Inanspruchnahme solcher Indexklauseln ·könnte eventuell die durch das Nicht-(sofortige-) Funktionieren des Marktmechanismus bedingte Anpassungs- oder Wirkungsverzögerung behoben werden.22 Laufend neue Verhandlungen führen , würde dagegen beträchtliche Transaktionskosten verursachen, so daß sich gewisse Anpassungsverzögerungen bei Abwesenheit von Indexklauseln schon wegen der Transaktionskosten nicht würden vermeiden lassen. In bezugauf die letzte Bedingung (e) ist bekannt, daß bei geringer Inflation in erster Linie die Haushalte in dem Sinne nicht "ökonomisch-rational" handeln, als sie ihre Vermögenshaltung nicht hinreichend (so gut wie es möglich 19 Vgl. dazu auch weiter unten in diesem Kapitel!

Vgl. dazu auch das Gutachten des "Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium ftir Wirtschaft" vom 18. Juni 1966 (Thema: "Staatliche Zinsregulierungen"). 21 Zur Rechtslage und Genehmigungspraxis in der Bundesrepublik siehe Pjleiderer (1974). 22 Zu den (negativen) Nebenwirkungen einer Indexbindung vergleiche beispielsweise Niehans (1978), S. 131-139. 20

II. Bedingungen eines vollkommenen Inflationserwartungsausgleichs

113

wäre) "ökonomisieren". d. h. den Realwertverlusten nicht genug Beachtung schenken. Dies liegt sicherlich zum einen an der in diesem Inflationsstadium noch tendenziell vorherrschenden Geldillusion, daneben aber auch an einer nicht-nur-ökonomisch gelagerten Bedürfnisstruktur, was manchmal auch als "Bequemlichkeit" oder "Uninteressiertheit" (Fisher) ausgelegt wird. Letzteres bedeutet: Die rein ökonomischen Kriterien stehen nicht immer im Vordergrund der individuellen Handlungen.2J Jedoch wird man annehmen können, daß dieser Aspekt bzw. diese Verhaltensweise mit zunehmender Höhe der Inflation abnimmt. Die Wirtschaftssubjekte verlieren allmählich ihre Geldillusion24 und "ökonomisieren" dann auch eher ihre Vermögenshaltung. Der Hauptgrund ftir letzteres ist sicherlich der, daß die Opportunitätskosten einer Nicht-Orientierung an (vorwiegend) ökonomischen (oder) Rentabilitätskriterien mit zunehmender Inflation immer größer werden. Wie wir gesehen haben, kann man wohl mehrere Aspekte nennen, die einen vollständigen Inflationserwartungsausgleich verhindern werden. Bei geringer Inflation werden dies vor allem das Vorhandensein von Transaktionskosten, von Geldillusion und von ~u langsamen Marktanpassungen an (Kapitalmarkt-)Ungleichgewichte sein. Bei höherer Inflation dürften die ersteren beiden Aspekte an relativer Relevanz abnehmen25 bzw. verschwinden, während die letztere Tendenz auf jeden Fall bestehen bleibt. Die Wirkungsverzögerung der Marktkräfte wird - wenn sie nicht gleich dazu fUhrt, daß die Anpassung an das Gleichgewicht durch vorher zur Wirkung kommende andere(Mengen-)Effekte selbst verhindert wird26- zum Ergebnis haben, daß der Marktzins erst verspätet die Höhe erreicht, die er schon "heute" bräuchte, um die laufenden Inflationserwartungen kompensieren zu können. Der Marktzins kann bei einer solchen Wirkungsverzögerung keinen vollen Inflationserwartungsausgleich beinhalten.

23

Vgl. dazu jedoch auch die Fußnote 73 aufS. 135!

24 Vgl. die entsprechenden Ausführungen im 2. Kapitel über den Einfluß von In-

flation auf die Lohn-Preis-Relation! Vgl. auch Trevithick!Mulvey (1975), S. 115. 25 - weil die Realwertverluste immer höher werden, und die Transaktionskosten im Vergleich dazu nur unterproportional zunehmen. 26 Dies ist der spezifisch Keynessche Fall. Vgl. Leijonhtifvud (1966). Vgl. auch die Ausführungen weiter unten!

114

4. Kap.: Der Einfluß von Inflation auf den Wertpapierzins

III. Inflationsausgleich und Konstanz des Realzinses (-Zur theoretischen Diskussion in der Nationalökonomie-) Nun könnte man ja argumentieren, daß diese Anpassungsverzögerung nicht eintreten würde, wenn eine Indexbindung der Zinsentwicklung an die (erwartete) Preissteigerungsrate bestünde. Die Zinsen würden gleichzeitig mit den (erwarteten) Preisen und mit gleicher Rate steigen. Dies führt zu einem entscheidenden und innerhalb der Nationalökonomie zentralen Punkt. Die Frage ist die: Kann man die Auswirkungen von Inflation auf den Zins auf den in der Realität unvollständigen Inflationsausgleich reduzieren, oder gibt es noch andere, endogen-ökonomische (Kreislauf-)Prozesse, die durch Inflation ausgelöst werden und den Zinssatz verändern ?27 Letztere (Teil-)Frage ist die, die die theoretische Diskussion in der Nationalökonomie hinsichtlich des Einflusses von Inflation auf den Realzins seit den Zeiten lrving Fishers beherrscht hat. 28 (1) In Anknüpfung an lrving Fisher, der in seiner Arbeit "Appreciation and lnterest" (1896) die These aufgestellt hatte, daß -bei einem vollen Ausgleich der erwarteten Inflationsrate - der Realzins konstant bleibt, der Marktzins also insgesamt immer genau um den Betrag der erwarteten Inflationsrate steigt29, entzündete sich in der Nationalökonomie vor allem seit den sech27 Diese Frage ist auch aus wirtschaftspolitischer Sicht relevant, wenn man an die Vorschläge und Begründungen der Anwendung von Indexklauseln denkt. Vgl. dazu beispielsweise Giersch (1973). 28 Dagegen steht die Frage bezüglich eines vollen Inflationserwartungsausgleichs verständlicherweise nicht so sehr im Zentrum der theoretischen Analysen, da für das in der Nationalökonomie immer noch vorherrschende gleichgewichtstheoretische neoklassische Paradigma diese Frage nicht die entsprechende Relevanz besitzt. 29 Vgl. Fisher (1896), S. 8-11, 66 und 67. Die These Fishers läßt sich folgendermaßen formalisieren:

mit wobei

i,

= a + u,

a eine Konstante und u einen stochastischen, mit pe unkorrelierten, Störterm

darstellen. In seinen ursprünglichen theoretischen Analysen berücksichtigte Fisher noch den Faktor i . pe, der die inflationsbedingte Entwertung der Zinszahlungen ausdrückt. Seither wird jedoch dieser Faktor in der Regel sowohl in den empirischen als auch in den theoretischen Untersuchungen mit der Begründung der "quantitativen Unerheblichkeit" dieses Faktors vernachlässigt. Dies gilt auch für Fishers spätere Untersuchungen.

III. Inflationsausgleich und Konstanz des Realzinses

115

ziger Jahren30 die Diskussion über den Einfluß von Inflation(serwartungen) auf die Entwicklung des Realzinses. lrving Fisher hatte ja seine These eines langfristig konstanten Realzinses in späteren empirischen Untersuchungen nicht bestätigt gefunden. Er führte dies allerdings allein auf die ungenügende Anpassung des Marktzinses an die erwartete Inflationsrate zurück, die er mit der Behauptung der Nichterfl.illung wesentlicher Voraussetzungen (entsprechend den oben genannten notwendigen Voraussetzungen a) bis e)!) begründete. An der These des ansonsten - bei vollkommenem Inflationserwartungsausgleich -gleich bleibenden Realzinses hielt er jedoch (bzw. damit) fest31.

Fishers alleinige (monokausale) Erklärung eines bei Inflation sinkenden Realzinses durch das Argument einer nicht-vollkommenen Zinsanpassung an die Inflationserwartung war Gegenstand der Kritik von Mundeil in einem inzwischen schon als "klassisch" bezeichenbaren Aufsatz im "Journal ofPolitical Economy" (1963). Mundeil versuchte dort zu zeigen, daß bei (aufgrund von) Inflation(serwartungen) der Realzins im Prinzip immer sinkt - unabhängig davon, ob der Inflationserwartungsausgleich im Marktzins voll zum Tragen kommt oder nicht (d. h. auch wenn dies der Fall ist). Mundeil führte den Beweis dieser seiner Behauptung innerhalb bzw. mit Hilfe eines Allgemeinen Gleichgewichtsmodells (ohne Arbeitsmarkt32) unter Einbeziehung von real-balance-Effekten. Seine zentralen Annahmen lauteten: Löhne und Preise sind vollkommen flexibel; es herrscht permanent Vollbeschäftigung; der Gewinnanteil am Vollbeschäftigungseinkommen ist konstant; das Vermögen wird in Geld und Wertpapieren (Aktien) gehalten, wobei der reale Wert der letzteren den realen Gewinnen entspricht, die zum herrschenden Realzins kapitalisiert werden. Die realen Investitionen hängen vom Realzins und die reale Ersparnis von der realen Kassenhaltung ab. Schließlich wird die Aufteilung des Vermögens auf Geld und Wertpapiere vom nominalen Zinssatz bestimmt. Diese in Fishers These enthaltene Aussage muß als eine theoretische Gleichgewichtsaussage verstanden werden. Sie suggeriert -wie Lutz (1973; S. 8) schreibt - "die Idee eines inflationären Gleichgewichts, in dem es eine konstante, von den Wirtschaftssubjekten richtig vorausgesehene Inflationsrate gibt, der Zinssatz die richtige Inflationskomponente enthält und die Wirtschaft real so abläuft wie bei Preisstabilität." Vgl. zur Einschätzung von Fishers Realzinstheorie auch Gebauer (1981). 30 Jedoch auch vorher wurden schon kritisierende Stimmen zu Fishers These laut. Vgl. vor allem Keynes in seiner "General Theory" (1936; S. 143). 31 In "Theory oflnterest" (1930; S. 416) schrieb Fisher: "lfthere were no ,money illusion' and if adjustments of interest were perfect, unhindered by any failure to foresee future changes in the purchasing power of money or by custom or law or any other impediment, we should have found a very different set of facts." 32 - bei ihm "ersetzt" durch die Annahme permanenter Vollbeschäftigung.

116

4. Kap.: Der Einfluß von Inflation auf den Wertpapierzins

Man kann dementsprechend Mundells Modell wie folgt darstellen: l,(i- p~= S( M );

(l)

(2)

L(i)=

p M

p,

L' < 0.

Die erste Gleichung spiegelt das Gütermarktgleichgewicht wider; die zweite Gleichung beschreibt das Gleichgewicht auf dem "Geldmarkt"33; i und P sind die endogenen, pe und M die exogenen Variablen. Sobald Preissteigerungen erwartet werden, wird aufgrund der erwarteten realen Ertragsverschiebung von Geldhaltung einerseits und Aktienhaltung andererseits die reale Kassenhaltung reduziert, was seinerseits die Ersparnistätigkeit anregt. Das Gleichgewicht auf dem Gütermarkt kann nur dadurch erhalten bleiben, daß der Realzins sinkt. Die erwarteten Preissteigerungen werden wohl im (Geld-)Zins berücksichtigt, d. h. ein voller Inflationsausgleich findet statt, jedoch führt die der Inflationserwartung folgende Umschichtung von Kassenhaltung zu Aktienhaltung zu einem Kursanstieg der Aktien, was gleichbedeutend ist mit einem Rückgang der (realen) Verzinsung. So könnte man die Realzinssenkung bei gleichzeitig vollem Inflationserwartungsausgleich ökonomisch begründen.34,35 33 I, S L

: reale Investition : reale Ersparnis : reale Geldnachfrage

A-J,

: reale Kassenhaltung.

34 Mundeil selbst argumentiert in seinem Beitrag etwas umständlich(er)- und zwar anhand eines Hicksschen IS-LM-Diagramms.

!.Ho

(p:•o)

~----------~----~---------+F

1

o

111. Inflationsausgleich und Konstanz des Realzinses

11 7

Nun lassen sich- selbst wenn man in der von Mundeil gewählten Allgemeinen Gleichgewichtswelt bleibt - vor allem zwei wichtige Einwände gegen Mundells Ableitung eines sinkenden Realzinses einbringen (bzw. wurden eingebracht), die im folgenden näher betrachtet werden sollen. Der erste Einwand richtet sich gegen den restriktiven VermögensbegriffvonMunde/1, der zweite gegen den statischen Charakter seines Modells. a) Zum ersten Einwand: Wie wir oben gesehen hatten, geht Mundelf in seinem Modell von der Annahme aus, daß Vermögen nur in Form von Geld und Wertpapieren (Aktien) gehalten wird. Dementsprechend findet eine mögliche inflationsbedingte Umschichtung allein zwischen Geld- und Wertpapiernachfrage statt. Eine Verminderung des Anteils der Geldnachfrage bzw. der realen Kassenhaltung am Vermögen ftihrt dadurch automatisch zu einer tendenziellen Übernachfrage auf dem Wertpapiermarkt mit der Folge eines sinkenden Zinsniveaus. Geht man dagegen davon aus- was auch "realitätsnäher" ist -,daß neben Geld und Wertpapieren (Aktien) auch Güterkäufe eine Möglichkeit der Vermögens- (und/oder Einkommens-)anlage bilden, so kann man (auch) innerhalb des Modells von Mundelf zeigen, daß je nach der alternativen Verwendung des nicht mehr in Geld gehaltenen Vermögens der Realzins entweder sinken oder steigen oder konstant bleiben kann. Dieser Aspekt ist insbesondere von Steindl (1973) in den Vordergrund gerückt worden.36 Die Beweisführung läuft wie folgt: Es wird davon ausgegangen, daß die durch den Rückgang der Geldnachfrage "frei" werdenden (realen) Vermögensteile in einem beliebigen Verhältnis ftir Dabei ist die Prozeßwirkung durch den Verlauf der IS- bzw. LM-Kurven schon vorgegeben. Die LM-Kurve verschiebt sich, betrachtet man sie als Funktion des realeil Zinssatzes, ftir alle gegebenen Niveaus der realen Kassenhaltung nach unten (während die Lage der IS-Kurve als Funktion des Realzinses unverändert bleibt). Betrachtet man beide Kurven als Funktionen des nominalen Zinssatzes, so bleibt die Lage der LM-Kurve unverändert, während sich die IS-Kurve um den der erwarteten Inflationsrate entsprechenden Betrag nach oben verschiebt. Dies spiegelt gerade die durch die Inflationserwartung entstandene Diskrepanz oder Differenz zwischen den Real- bzw. Nominalerträgen auf dem Aktien- und Geldmarkt wider. 35 Eine Erweiterung der Mundeilsehen Analyse um das von Darby (1975) in seiner Hypothese betonte (Steuer-)Argument liefern Levi und M akin (1978). An der obigen Aussage bzw. Analyse ändert eine solche "Erweiterung" nichts. 36 Steindl hatte dort im Rahmen eines eigenen Patinkinsehen Allgemeinen Gleichgewichtsansatzesargumentiert - und zwar mit einer graphischen Methode. Hier wird dagegen versucht, Steindis Argumentation in Mundells Ansatz einzubauen und von daher - in einem algebraischen Analysegang - zu beurteilen.

118

4. Kap.: Der Einfluß von Inflation auf den Wertpapierzins

eine Wertpapier- und/ oder ftir eine Güternachfrage verwendet werden können. Dieses Verhältnis wird im folgenden durch den Faktor c ausgedrückt. c = 1 kennzeichnet eine Situation, in der die umzuschichtenden Vermögensteile nur in die Güternachfrage gehen; c = 0 dagegen gibt eine Situation wieder, in der dieses Vermögen allein in Wertpapiernachfrage umgesetzt wird. Dieses Umschichtungsverhältnis muß nun auch in die Sparfunktion miteingehen. Eine Umschichtung in Güternachfrage bedeutet ja bei konstantem Vollbeschäftigungseinkommen eine Abnahme der realen Ersparnis. Insofern lautet das Mundeilsehe Modell unter Berücksichtigung dieser Wahlmöglichkeit: (I)

(2)

l,(i - pi) = S( M

Mp

, c)

L(i)=-.

p

Die Situation, bei der c = 0, ist die von Mundeil betrachtete, die oben ja analysiert worden ist. Für c > 0 gilt: Je höher c, um so geringer sind die Ersparnisse. Im Fall c = 1, bei dem der gesamte Betrag, um den die reale Kassenhaltung gemindert wird, ftir eine Güternachfrage verwendet wird, sinken die Ersparnisse um eben diesen Betrag. Steindl folgert f\ir den letzteren Fall (deswegen) ein eindeutiges Steigen des Realzinses. Im Mundeilsehen Modell wäre diese Minderung der Ersparnisse durch die Umschichtung in Güternachfrage allerdings nur eine partielle, da seine Sparfunktion noch einen real-balance-Effekt enthält, d. h. die Funktionsbestimmung, daß eine Verminderung der realen Kassenbestände selbst schon wieder die Spartätigkeit anheizt. Wie die Ersparnis nun insgesamt auf die inflationsbedingte Realkassenverminderung reagiert, hängt von den relativen Größen der entgegenwirkenden Effekte ab. Kann der real-balance-Effekt den sparmindernden Effekt einer Umschichtung in Güternachfrage nicht kompensieren, so entsteht eine Übernachfrage auf dem Gütermarkt und der Realzins steigt. Im umgekehrten Fall einer Überkompensation muß der Realzins sinken, um das Gleichgewicht auf dem Gütermarkt aufrechtzuerhalten. Gleichen sich beide Effekte aus, bleibt der Realzins konstant. 37 37 Die Nichteinbeziehung eines real-balance-Effektes fUhrt bei Steindl dazu, daß er in seiner Analyse für alle Verteilungsverhältnisse (i. e. ftir alle 0 ~ c ~ l) zu einem höheren Zinsniveau gelangt als bei der (obigen) Anwendung seines Analysegedankens auf das Mundeilsehe Modell. Dies zeigt ganz deutlich, daß die Annahme eines real-balance-Effektes den "Nachweis" einer Realzinssenkung begünstigt. Eine inflationsbedingte Senkung der realen Kassenhaltung wird dann selbst immer Ersparnis-steigernd wirken und damit eine Realzinssenkung induzieren, um das Gütermarktgleichgewicht zu erhalten.

III. Inflationsausgleich und Konstanz des Realzinses

119

Man sieht daran, daß Mundells Ergebnis einer Realzinssenkung bei einer "Erweiterung" seines Vermögens-Begriffes nicht mehr zwingend ist. b) Der zweite Einwand gegen Mundefis Ableitung einer Realzinssenkung bezieht sich auf die komparativ-statische Betrachtungsweise in seiner Analyse. Sieht man sich den dynamischen Anpassungsprozeß innerhalb des Mundeilsehen oder eines ihm ähnlichen Modells an, so ist das von Mundeil erhaltene Ergebnis einer Realzinssenkung wiederum nicht zwingend. 38 Dies hat am deutlichsten Karni in einem Aufsatz (1972) gezeigt.

Mundells komparativ-statische Betrachtung endet mit dem Erreichen eines neuen Gleichgewichts bei höheren Investitionen und höheren Ersparnissen, geringerer Geldnachfrage und geringerer realer Kassenhaltung. Nun wird man bei einer Betrachtung des dynamischen Prozesses unterstellen können, daß die Zunahme der Investitionen selbst wieder Effekte auf den Wirtschaftskreislauf hat, die sich letztlich auch auf das (Reai-)Zinsniveau niederschlagen. Innerhalb der von Munde// aufgestellten Modellstruktur läßt sich das folgendermaßen anschaulich machen: Geht man davon aus, daß eine Steigerung der Investitionstätigkeit das reale Vermögen in der Wirtschaft erhöht, so wird, je nach Anlage dieses zusätzlichen Vermögens, dies bestimmte Effekte sowohl auf den realen als auch auf den monetären Sektor haben. Betrachtet man die Struktureinflüsse einer Vermögenssteigerung ähnlich wie Karni (1972), d. h. als Geldnachfrage-steigernd und Ersparnis-senkend, so lassen sich in einem dem Mundeilsehen angepaßten Modell - man kann auch sagen: in einer Dynamisierung seines Modells - Effekte ableiten, die auf eine "letztendliche" Rückkehr des Realzinses auf sein ursprüngliches Niveau hindeuten. Die Begünstigung des Nachweises einer Realzinssenkung durch die Annahme eines real-balance-Effektes zeigt auch die Kontroverse zwischen Sargent und Visco. Sargent hatte in einem Aufsatz (1972) mit Hilfe eines eigenen, dynamischen makroökonomischen Modells versucht zu zeigen, daß Mundefis Widerlegung der Fishersehen Gleichgewichtsaussage im dynamischen Kontext nicht zutrifft. Und er kam auch zu dem Ergebnis eines - langfristig - konstanten Realzinses. Ein entscheidender Unterschied zu Mundefis Ansatz war jedoch, daß Sargents Modell keinen real-balanceEffekt mitein bezog. Als nun Visco (1975)- in Entsprechung zu Munde//- in Sargents Modell einen real-balance-Effekt in die Sparfunktion einbaute, das Modelljedoch ansonsten völlig gleichhielt, zeigte sich, daß der Realzins nun wieder sank. Dies weist daraufhin, daß die Annahme eines real-balance-Effektes oft entscheidend ist ftir den (theoretischen) "Nachweis" einer Realzinssenkung - zumindest in einem Gleichgewichtsansatz. 38 - zumindest nicht innerhalb des Gedankengangs der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie, dessen Instrumentarium Mundeil ja bei seiner Modellanalyse verwendet.

120

4. Kap.: Der Einfluß von Inflation auf den Wertpapierzins

In Übereinstimmung mit Mundeil (1963) kann man das reale Vermögen als Summe der realen Kassenhaltung und der Aktienhaltung betrachten, wobei der reale Wert der Aktien(haltung) den realen, zum herrschenden Realzins kapitalisierten Gewinnen entspricht. D. h. V= M P

+

G, exp i,

mit

V: reales Vermögen G,: reale Gewinne

Bei den eben in Anlehnung an Karni (1972) angenommenen Struktureinflüssen einer durch die Investitionssteigerung (= L1l) hervorgerufenen Vermögenszunahme (= Ll Jl) gilt: (I)

I,(i - pe) = S( M ' L1 V) p

(2)

L(i, L1V)= M

p

(3)

V=a·L11

(a > 0).

Geht man von einer exogenen Geldversorgung aus, so beschränkt sich Ll V auf Ll ~ ("nichtmonetäre Vermögenszunahme"). Die Frage lautet also: exp1,

Welche Prozeßwirkungen löst eine Zunahme des (nichtmonetären) Vermögens im obigen Modell aus? Wie man aus Gleichung (2) sieht, steigt die Geldnachfrage, was jedoch bei dem von Munde// angenommenen nichtelastischen (exogenen) Geldangebot zu einer Übernachfrage auf dem Geldmarkt und damit zu einem Anstieg des Geldzinses fUhrt. Auf dem Gütermarkt führt gleichzeitig - wie aus Gleichung (1) ersichtlich ist -ein Anstieg des nichtmonetären Vermögens zu einer Übernachfrage, da die vorher gestiegene Spartätigkeit mit der Zunahme des (gesamten) Vermögens wieder sinkt, so daß der Realzins steigen muß, um die Investitionen den Ersparnissen anzupassen. Solange eine positive Nettoinvestition stattfindet, hält dieser Prozeß an bzw. wiederholt er sich (mit abnehmender Intensität). Letztendlich erreicht die Wirtschaft so wieder ihr langfristiges, stationäres Gleichgewicht mit i =S = 0, wo der Realzins auch wieder sein ursprüngliches Niveau einnimmt. Aufgrund dieser komparativ-dynamischen Gleichgewichtsanalyse kann man - wie Karni (1972)- behaupten, daß Mundeil mit seiner Analyse (unter Umständen! 39) zu kurz greift - bewegt man sich auf der von ihm gewählten Ebene einer Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse. 40 39

Die besonderen "Umstände" werden im folgenden herausgearbeitet.

III. Inflationsausgleich und Konstanz des Realzinses

121

Nun ist jedoch die aufgrundder eben geschilderten komparativ-dynamischen Analyse von Karni aufgestellte Behauptung, daß der Realzins im dynamischen Konnex wieder zu einer ursprünglichen Höhe zurückkehrt, mit großer Vorsicht zu betrachten. Denn sie ist ganz klar (lediglich) eine allgemeine Gleichgewichtsaussage unter der Voraussetzung im Prinzip unendlich schneller (Wieder-)Anpassung an den G/eichgewichtspfad. Und zwar impliziert sie, daß bei einer (exogen inganggesetzten) Abweichung vom Gleichgewichtspfad die Reaktions- oder Anpassungsprozesse über den Zinssatz zuerst und so rasch ablaufen, daß evenmelle andere, insbesondere Mengen-Effekte nicht zum Zug kommen. Nun ist dies ja eine bekannte, notwendige Voraussetzung für die in der neoklassischen Allgemeinen Gleichgewichtstheorie behaupteten Stabilitätsprozesse. Wirken die oben genannten über den Zins(mechanismus) laufenden Anpassungsprozesse nicht schnell genug, d. h. nicht so schnell wie andere (Mengen-)Effekte, so kann das Allgemeine Gleichgewicht von selbst (endogen) nicht mehr erreicht und damit auch die Fishersehe Behauptung eines langfristig konstanten Realzinses nicht mehr aufrechterhalten werden. Daftir, daß der Zinsmechanismus nicht schnell genug wirkt, sprechen aber sowohl empirische als auch theoretische Erfahrungen bzw. Erkenntnisse. Insbesondere Keynes ist es _zu verdanken, daß die Idee eines jeweils sofort wirkenden Stabilitätsmechanismus zumindest "angekratzt" wurde. Keynes betonte in seiner "General Theory" (1936), daß es sehr wohl möglich,ja sogar die Regel ist, daß Mengeneffekte auftreten, bevor der Stabilitäts- (hier: der Zins-)Mechanismus (vollständig) wirkt, und so verhindert wird, daß der allgemeine Gleichgewichtspfad von selbst wieder erreicht wird. 41 Doch selbst wenn -was wie gesagt sehr unrealistisch sein dürfte- die (Wieder-)Anpassungskräfte so wirken, daß sich der Realzins wieder ungestört seinem ursprünglichen Niveau anpassen kann, könnte man nicht davon ausgehen, daß dies sofort geschieht (ohne Wirkungsverzögerung). Dauert der Anpassungsprozeß allerdings einige Zeit, so reicht dies schon aus, um nachzuweisen, daß der Realzins im Durchschnitt - über einen Betrachtungszeitraum hinweg - sinkt. 40 Das Gleiche gilt auch in bezugauf die Analyse von Steindl bzw. auf das oben dementsprechend modifizierte Mundeilsehe Modell. Im dynamischen (langfristigen) Kontext läßt sich nämlich dort - unter den gleichen Annahmen - erneut zeigen, daß die Wirtschaft wieder zu einem stationären Gleichgewicht zurückkehrt, bei dem der Realzins das ursprüngliche Niveau wieder erreicht. Dies braucht hier nicht erneut im Detail gezeigt zu werden, da die Argumentation genauso verläuft wie oben bei der Analyse des komparativ-dynamischen Prozesses im (erweiterten) Mundeilsehen Modell. Die Auffacherung des nichtmonetären Vermögens in Aktien- und Güterhaltung tangiert den beschriebenen Stabilitätsprozeß nicht. 41 Vgl. auch die Interpretation von Leijonhufoud (1966).

122

4. Kap.: Der Einfluß von Inflation auf den Wertpapierzins

Wenn man dies berücksichtigt, kann man dem obigen zweiten Einwand keine relevante, insbesondere keine allgemeine Gültigkeit zusprechen. Das heißt aber, er tangiert Mundells Ergebnis nicht (sehr). Somit bleibt nur mehr der obige erste Einwand, mit dem es sich gilt auseinanderzusetzen. Hier zeigt sich aber sofort, daß nur im Falle einer ausschließlichen Umschichtung in Güternachfrage der Realzins nicht (notwendig) sinken wird.42 Ansonsten führt (- bei Aufgabe der obigen Gleichgewichtsbedingung am Gütermarkt -)ein Umschichten (auch nur eines Teils des nicht mehr in Geld gehaltenen Vermögens) zugunsten von Wertpapieren zu einer tendenziellen Übemachfrage auf dem Wertpapiermarkt mit der Folge eines sinkenden (Real-)Zinses. Es läßt sich also sehr wohl begründen, daß der Realzins auch bei einem vollkommenen lnflationserwartungsausgleich, man kann auch sagen: bei einer vollkommenen Indexbindung des Zinssatzes an die erwartete Inflationsrate, sinkt, wenn sich die erwartete Inflationsrate erhöht. Steigt die erwartete Inflationsrate stetig, wie im Fall einer zunehmenden lnflationsdynamik, so ist davon auszugehen, daß auch der Realzins- immer noch unter der Annahme eines vollkommenen Inflationserwartungsausgleichs - der Tendenz nach stetig sinkt. 43 (2) Läßt man nun die Annahme eines andauernd vollkorneneo Inflationserwartungsausgleichs fallen und berücksichtigt stattdessen die oben begründete Tendenz zur Unvollkommenheit eines solchen Ausgleichs, so könnte erwartet werden, daß die eben als Folge einer Inflation(serwartung) abgeleitete Realzinssenkung dadurch noch verstärkt wird. Es läßt sich jedoch zeigen~ daß dies nicht zwingend ist, und daß schon gar nicht ein "additiver" Effekt eintritt. a) Die Argumentation im obigen Fall einer indexierten Zinsanpassung lief ja so: Ausgangspunkt: Ein Inflationsschub bzw. die Erwartung eines solchen im Ausmaß von p Prozent erhöht das bisherige Zinsniveau i0 auf i 0 + p = i 1 . Die Nachfrage nach Wertpapieren steigt als Folge davon, da bei Haltung von Wertpapieren- im Fall einer Indexbindung- ein Inflationsverlust ver42 Er kann innerhalb des (erweiterten) Mundeilsehen Modellzusammenhangs auch steigen oder konstant bleiben. Gibt man allerdings die bei Munde// implizierte Gütermarkt-Gleichgewichtsbedingung auf, so kann man realistischerweise annehmen, daß auch in diesem besonderen Falle der Realzins der Tendenz nach gleichbleiben (oder auch fallen) wird. Ein oben abgeleitetes mögliches Steigen des Realzinses ist ja dort nur auf eine solche Gleichgewichtsbedingung zurückftihrbar. 43 - wobei die Rate des Realzinsrückgangs immer kleiner werden dürfte, da ein Realzinsrückgang das Verhältnis der Rentabilität (des "Nutzens") zwischen einer Wertpapier- und einer Güterhaltung verringert, was dazu führt, daß die Zunahme der Wertpapiernachfrage relativ sinkt, d. h. sich das Umschichtungsverhältnis c erhöht.

III. Inflationsausgleich und Konstanz des Realzinses

123

mieden werden kann. Die Wertpapierhaltung ist in gewissem Sinne der Güterhaltung äquivalent, ja in gewisser Hinsicht sogar überlegen, da Wertpapiere i. d. R. einen höheren Liquiditätsgrad besitzen und auch haltbarer sind. 44 Andererseits besteht kein Anreiz zu verstärkter Kreditnachfrage bzw. zu verstärktem Wertpapierangebot- was analog ist-, da eben keine Inflationsgewinne zu machen sind. Somit kann man als Folge der Inflation(serwartung) eine Erhöhung der Nachfrage/ Angebots-Relation auf dem Weftpapiermarkt ableiten mit der Auswirkung eines tendenziell sinkenden Zinsniveaus. Wenn das Zinsniveau vorher i 1 = i 0 + p war, so wird es jetzt i 2 < i1 betragen. b) Die Frage ist nun: Wenn auf den erwarteten Inflationsschub keine sofortige und/oder vollständige Zinsanpassung von i0 auf i 1 erfolgt, sondern vielleicht nur von i0 auf i 2 < i 1 =i0 + p, -ist dann die oben (in a)) abgeleitete Zinssenkungstendenz auch wirksam? Sinkt dann der Zins von i 2 auf i3 = i 2 - (i1 - i 2), d. h. um den gleichen Betrag wie oben? Letzteres gilt sicherlich nicht. Unter Umständen sinkt der Zins überhaupt nicht. Denn: Im Gegensatz zum Fall'a) erleiden die Wertpapierhalter nun auch einen Inflationsoder Wertverlust, der wohl nicht so groß ist wie der der Geldhalter, aber die Wertpapierhaltung doch gegenüber der (bzw. gewisser) Güterhaltung rentabilitätsmäßig diskriminiert. Dies bedeutet konkret, daß die Nachfrage nach Wertpapieren als Folge der Inflationserwartung nicht in dem Umfang steigt wie bei indexierter Zinsentwicklung, sondern relativ mehr Vermögensbestände in Güterhaltung umgeschichtet werden. Andererseits besteht jetzt für die Unternehmer sehr wohl ein Anreiz zu verstärkter Kreditnachfrage, sprich: zu vermehrter Ausgabe von (festverzinslichen) Wertpapieren (Schuldverschreibungen}, da sie dadurch Inflationsgewinne erzielen können. Einer - relativ schwächeren 45 - Steigerung der Wertpapiernachfrage steht nun somit ein Ansteigen des Wertpapierangebots gegenüber, wobei nicht von vornherein gesagt werden kann, welcher Anstieg überwiegt. Es gilt jedoch: Mit steigender (erwarteter) Inflationsrate und abnehmendem (sofortigen) Zinsanpassungsgrad wird sich die Relation Nachfragezunahme : Angebotszunahme verringern, so daß ab einem gewissen Punkt der Zinssatz gar nicht mehr sinkt, sondern sich sogar wieder erhöht von i 2 auf i4 > i 2 . Es ist damit jedoch nicht gesagt, daß er das Niveau i 1 = i0 + p erreicht.

44 Andererseits unterliegen sie i. d. R. einem gewissen Kursrisiko, was die oben genannten Vorteile wieder aufwiegen dürfte. 45 im Vergleich zur Situation bei einer Indexbindung (Fall a)).

124

4. Kap.: Der Einfluß von Inflation auf den Wertpapierzins

IV. Ergebnisse und Einschätzung der empirischen Untersuchungen Nach den ausft.ihrlicheren theoretischen Erläuterungen sollen im folgenden noch die empirischen Untersuchungen betrachtet werden. Es geht dabei um die Frage, ob die empirischen Untersuchungen als Bestätigung der theoretisch abgeleiteten Realzinssenkung dienen können. (1) Die berühmteste und gleichzeitig erste systematisch-methodische empirische Untersuchung der Wirkung von Inflation(serwartung) auf den Realzins ist die von lrving Fisher tn seinem Hauptwerk "Theory of Interest" (1930). Fisher ging dort aufbauend auf der (obigen) Definitionsgleichung: von folgenden Annahmen aus :

- der Realzins ist langfristig konstant, d. h. i, = ao + u, wobei a0 eine Konstante und u ein stochastischer Störterm; - die (nicht direkt beobachtbare) Inflationsrate läßt sich durch einen arithmetisch verteilten Lag vergangener Inflationsraten annähernd darstellen.46 Dementsprechend lautete seine Schätzfunktion wie folgt: (1)

mit (2)

• • pf =j~l V} · Pt-} und j~l V}= 1.

Fisher wählte alternative Veränderungszeiten (i. e. alternative Gesamtlängen von n) für die Inflationserwartungsvariable und konstruierte auf der Grundlage von Gleichung (2) alternative Zeitreihen der erwarteten Inflationsrate. Danach schätzte er - darl)llf basierend - verschiedene Versionen der Funktion (1) und wählte jene als beste aus, die den höchsten Korrelationskoeffizienten aufwies. Auf der Grundlage dieser Untersuchung gelangte Fisher zu dem Schluß, daß der Marktzins erst nach sehr langen Verzögerungen und auch nur teilweise auf Veränderungen des Preisniveaus reagie46 Vgl. aber auch Gebauer (1976; S. 3fT.), der- in Abweichung von der üblichen Interpretation - die verteilten Lags vergangener Inflationsraten bei Fisher nicht als Näherungs- oder Schätzwerte flir die Preis- oder Inflationserwartungen faßt, sondern einfach als statistische Relation, die das von Keynes als "Gibson-Paradox" bezeichnete Phänomen gleichgerichteter Bewegungen der langfristigen Zinssätze und der Preise widerspiegelt.

IV. Ergebnisse und Einschätzung der empirischen Untersuchungen

125

re. 47 Schon die "mean tags", die die Zeiträume messen, bis zu denen die Hälfte der von der Inflation(serwartung) verursachten Nominalzinssteigerung wirksam wird48, umfaßten bei ihm teilweise 10 Jahre und mehr. (2) Es wurden seitdem sehr viele Untersuchungen des Zusammenhangs zwischen Inflationserwartungen und nominalem oder Marktzins durchgeführt, die so gut wie alle zu dem gleichen Ergebnis kamen wie Fisher, daß die Nominalzinsanpassung erst mit Verzögerung erfolgt- bei wohl unterschiedlichen (i. d. R. küneren) tags und Anpassungskoeffizienten. Die meisten Untersuchungen arbeiteten weiterhin mit dem Ansatz vonFisher(Gleichung (1)). Methodisch wichen sie jedoch in den letzten beiden Jahnehnten insofern von Fishers Vorgehensweise ab, als sie zunehmend die Lagverteilungen so konstruierten, daß die Gewichte entweder nicht beschränkt waren oder aber im geometrischen Ausmaß abnahmen. Die Schätzfunktion lautete meist folgendermaßen: (1')

wobei l: a1 hier dem Ausdruck a 1 . ~ v1 bei Fisher entspricht. J

J

Fast sämtliche Regressionen in den neueren Untersuchungen basieren auf der sog. ,,Almon-lag-Technik", die die Erwartungen als eine kontinuierliche Funktion vergangener Preisniveau-Bewegungen faßt. In der Tabelle aufS. 126 werden die Schätzergebnisse der wichtigsten neueren Untersuchungen des Zusammenhangs zwischen erwarteter Inflationsrate und Nominalzins für die Bundesrepublik zusammengestellt. Ein Vergleich der Ergebnisse in der Tabelle zeigt, daß teilweise große Unterschiede zwischen den Ergebnissen der einzelnen Autoren bestehen- Unterschiede, die sich nicht so einfach "heraus"-interpretieren lassen.49 Allgemein passen sie jedoch alle in das von Fisher vorgezeichnete Bild einer "nur" zeitverzögerten Zinsanpassung.50 Eine entsprechend differenzierte Ergebnisstruktur erhält man, wenn man die Ergebnisse entsprechender Untersuchungen für die USA zusammenstellt. Während beispielsweise Yohe und Karnovsky (1969) ebenso wie Cargill 47 -allerdings ohne auf die Schätzwerte des Parameters at.tn der Gleichung (1) einzugehen. Siehe dazu Laffer und Zecher (1975), die in einer Uberprüfung der empirischen Untersuchungen von Fisher zu einem Parameterwert von nahe eins (0,855) kamen - wohlgemerkt bei einem Gesamtlag von 30 Jahren. 48 Vgl. zum Konzept des "mean lag" z. B. Griliches (1967; S. 31). 49 Vgl. dazu auch Neumann (1977), S. 221 f. 50 Zur methodischen Kritik vgl. unten in (3)! 9 Wagner

Lag in Quartaten

Polynom Grad

Nullfixierungen n l.a.p,-J.

j=O 'J

Konst.

i?l DW

Effektive Schätzperiode

Autor

1.1

7

3

Siebke-Willms Quartalsdaten: ? 0,80 5,00 0,86 t-n-1=0 1961 ,IV-1971 ,II (17,94) 1972 (8,20) t+1=t=O Siebke-Willms ? 0,75 4,77 Monatsdaten: 0,92 t-n-1=0 7 1.2 3 1961,12-1971,6 (27,42) 1972 (13,37) t+1=t=O Jüttner 1,81 0,21 Monatsdaten: 4,40 0,23 8 t-n-1=0 3 1.3 1973/74 1959,5-1972,9 (0,50) (3,26) t+1=? Gebauer 0,05 Monatsdaten: 0,56 0,43 5,32 8 1.4 t-n-1=t=O 3 1959,1-1972,6 1973 (7 ,95) (28,25) t+1=t=O Hübl ? 0,78 2,64 Monatsdaten: 1,58 t-n-1=? 16 5 1.5 (?) 1973 1963,1-1969,12 (>2,0) t + 1 =? Gebauer Monatsdaten : 0,06 1,42 0,88 3,39 4 20 1.6 t-n-1=t=O 1973 (14,98) 1962,1-1972,6 (13,66) t+1=t=O Badura 0,92 4,68 Quartalsdaten: 0,60 0,85 21 t-n-1=0 4 1.7 (?) (6,21) 1977 1966,IV-1973,11 t + 1= 0 die Umdagegen (1.7) und (1.5) Regressionen Hand, *Regressionen (1.1), (1 .2), (1.4) und (1.6) erklären die Umlaufsrendite von Anleihen der öffentlichen Iaufsrendite sämtlicher Anleihen. Regression (1 .3) erklärt Veränderungen der Umlaufsrendite von Industrieobligationen durch Veränderungen der Inflationsrate. p ist in allen Fällen durch einen Lebenshaltungskostenindex gemessen. Übernommen aus: Neumann (1977), S. 220.

Regr. Nr.

Almon-Lag-Schätzungen verschiedener Autoren des Zusammenhanges zvischen Inflationsraten und Niveau des Zinses* (t-Werte in Klammern)

"'



r:3

ö'

"0

I>'

"0

;::1.

(1)

~

0. (1) ::I

I>'

c:: _,

es::I

::::!) I>'

-

5'

0 ::I

0. p : der Abschlagsfaktor z : der erwartete bzw. einkalkulierte (größt-)mögliche Verlust 7 U* : Unsicherheit über die Erwartungsbildung (in bezug auf z).

Wie in diesem Kapitel gezeigt werden wird, steigert (erwartete) Inflation sowohl z als auch U*. 8 wäre auch eine betriebswirtschaftlich nicht verantwortbare Vorgehensweise. Die Erzielung eines Extraprofits von X DM wird nicht nutzenäquivalent gesetzt werden (können) der Vermeidung eines Verlusts von X DM, sobald bzw. umso weniger je mehr die Höhe des Verlusts ein subsistenzgefahrdendes Niveau erreicht. Auch die in praxi vorherrschende Risiko-/Unsicherheitsbewertung bzw. -neigung geht davon aus: Der Durchschnitt nicht nur der Konsumenten, sondern auch der Unternehmer zeigt ein risiko-/unsicherheitsaversives Verhalten. (V gl. dazu Arrow (1970), S. 96 und Borch (1969), S. 119 ff. ). 6 Und dies ist auch das zentrale Moment bei unserer folgenden Betrachtung des Einflusses von Inflation auf den Unsicherheitsabschlagsfaktor. 7 Als Maß für dieses "Verlustrisiko" wird in der (national)ökonomischen Literatur oft die Standardabweichung (oder die Varianz) der Wahrscheinlichkeitsverteilung bzgl. der Ertragsrate einer Investition verwendet. Vgl. Tobin (1965), S. 17 oder Sharpe (1970), s. 23 f. 8 Dies bedeutet aber, daß prinzipiell auch (schon) bei einer (theoretisch) "nur" durch "Risiko" gekennzeichneten Ausgangssituation der Unternehmerischen Investitionsentscheidung der Abschlagsfaktor durch Inflation erhöht werden würde(durch eine inflationsbedingte Erhöhung des mit einer gewissen (objektiven) Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Verlustes z -). U* dagegen ist bei "Risiko" gleich 0.

146

5. Kap.: Inflation und Erwartungsunsicherheit

II. Inflation und die Unsicherheit bezüglich der Ertragserwartungen einer Investition in Sachanlagen Im weiteren Verlauf dieses Kapitels soll nun untersucht werden, wo und inwieweit denn diese Erwartungsunsicherheit wirkt, um die obige These einer Akkumulationsbehinderung näher fassen und beurteilen zu können. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist es, daß- obwohl einige Differenzierungen zu berücksichtigen sind - zumindest und insbesondere für die Oligopolistischen Unternehmer Inflation keine entsprechende Steigerung der Erwartungsunsicherheit hervorruft, die als entscheidendes Investitionsoder Akkumulationshindernis oder -hemmnis angesehen werden könnte. Zumindest sind die Indizien dafür nicht stark bzw. überzeugend genug. Im folgenden sollen nun die zentralen Grundlagen oder Möglichkeitsfelder einer solchen Verunsicherung der Akkumulationsträger hervorgehoben und auf ihre Sensibilität gegenüber Inflation untersucht werden. Dabei müssen sowohl die Gefahren oder Möglichkeitsfelder im Falle einer Investition in Sachanlagen (Produktion) als auch die im Falle einer Anlage in Wertpapiere berücksichtigt werden. Auf die zentralen Möglichkeitsfelder im Falle einer Investition in Sachanlagen wurde im vorhergehenden Abschnitt schon hingewiesen. Diese bestehen im wesentlichen a) in einer Fehleinschätzung der Nachfrage, so daß die produzierten Güter nicht bzw. nur unter dem geplanten Preis absetzbar sind, und b) in einer unerwarteten Kostenerhöhung. l. Inflation und Unsicherheit bezüglich der Absatzerwartungen (1) Der erste Unsicherheits- oder Gefahrenpunkt, den wir untersuchen, ist der der Erforschung der effektiven Nachfrage bzw. der Absatzmöglichkeiten für das physische Produkt einer Akkumulationstätigkeit, sprich: die produzierten Güter oder Dienstleistungen. Das Gelingen der Erforschung der effektiven Nachfrage ist ja, wie wir oben schon näher geschildert hatten, das zentrale Erfolgskriterium einer auf privat-dezentraler und nicht auf gesamtwirtschaftlicher Planung beruhenden Investitionstätigkeit Das zentrale Legitimationsargument der marktwirtschaftliehen Theorie ist ja das, daß über die Preise die Akkumulationstätigkeit bzw. die Produktion endogen so gesteuert wird, daß die Bedürfnisse der Gesellschaftsmitglieder optimal und kostenminimal befriedigt werden. Eine direkte Erforschungsaktivität bzw.

II. Inflation und die Unsicherheit bezüglich Ertragserwartungen

147

selbst Absatzerwartungen treten dabei (explizit) nicht ins Rampenlicht der Betrachtung innerhalb der marktwirtschaftliehen Theorie (i. e. des im nationalökonomischen Fachgebiet vorherrschenden neoklassischen Gleichgewichtsparadigmas). Das Angebot schafft sich nach dieser Theorie über seinen relativen Preis seine Nachfrage. Genauer gesagt: Die Elastizität der relativen Preisstruktur (in bezug auf Marktungleichgewichte) garantiert den Absatz der produzierten Güter. Der Absatz bzw. Absatzerwartungen wird (werden) von daher gar nicht thematisiert. Absatzerwartungen werden ja nur dann relevant, wenn die reale Möglichkeit von Marktungleichgewichten (einer Inkompatibilität von Angebot und Nachfrage) nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch, d. h. als Ausgangspunkt konkreten ökonomischen Handelns, Bedeutung hat. Dies ist jedoch innerhalb der neoklassischen (Gleichgewichts-)Theorie nicht der Fall: Die dort unterstellte unendlich schnelle Anpassungsfähigkeit der Preise (Zinsen, Löhne und Güterpreise) sorgt dafür, daß ein eventuelles Auftreten von Übernachfrage und Überangebot, i. e. von Ungleichgewichten auf den Märkten, beseitigt wird, bevor es handlungsrelevant9 (i. e. hier: tauschrelevant) werden könnte. Das Angebot sucht sich - und findet auch - bei Funktionieren dieses sog. "Preismechanismus"IO gleichsam zielsicher immer seine Nachfrage. Es gibt nun (auch) in der neoklassischen Theorie eine Diskussion über den Einfluß von Inflation auf das Gelingen dieses Suchprozesses. Dabei muß jedoch gesehen werden, daß Inflation für die Neoklassik nur ein "empirischer", jedoch kein paradigmatisch-theoretischer Begriff ist. Inflation als Ausdruck ftir permanente Preisniveauerhöhungen wird innerhalb des neoklassischen Paradigmas nicht als ein Problem angesehen. Für die neoklas9 Handlungsrelevant werden solche Ungleichgewichte innerhalb der neoklassischen Allgemeinen Gleichgewichtstheorie allerdings in gewissem Sinne schon, nämlich dadurch, daß die Wirtschaftssubjekte - bevor getauscht wird - ihre geplanten Angebots- und Nachfragemengen jeweils ändern, bis Gleichgewicht hergestellt ist. (Vgl. zur Veranschaulichung das Bild des Auktionators bei Walras.) 10 Die Preisbewegungen bilden nach diesem theoretischen Konzept eindeutig Konstellationen im Mengensektor ab. Bei Übernachfrage nach einem Gut steigt der Preis dieses Gutes, bei Überangebot sinkt er (jeweils mit im Prinzip unendlich schneller Geschwindigkeit). Die Preise wirken damit als Knappheitsindikatoren. (Relevant sind dabei bekanntlich nur die relativen Preise, da eben die Angebots- und Nachfragerelationen, die die einzelnen Überschußnachfragen auf den Märkten determinieren, annahmegemäß innerhalb des Ansatzes der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie null-homogen in den Preisen sind, d. h. frei von Geldillusion.) Eine zusammenfassende Darstellung der Stabilitätsdiskussion der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie siehe in Arrow/Hahn (1971), Kap. 11-14. Vgl. auch Wenig (o. Jg.).

148

5. Kap.: Inflation und Erwartungsunsicherheit

sische Theorie sind nur relative Preisänderungen relevant (gemäß dem Walras'schen Gesetz), die selbst Änderungen der relativen Angebots- und Nachfragestrukturen zugerechnet werden (müssen). Dementsprechend fUhrt zum Beispiel Eucken eine Funktionsunfähigkeit des Preismechanismus wohl pauschal auf das Inflationsphänomen zurück "Durch ,offene Inflation' ... wird die Lenkungsmechanik des Preissystems der Fähigkeit beraubt, den Wirtschaftsprozeß zureichend zu dirigieren." II (Eucken (1952); S. 256) -,begründet dies aber durch die "normalerweise" mit Inflation einherlaufenden Verschiebungen der PreiSstruktur: "Denn die Preise steigen ungleichmäßig. Zum Beispiel bleiben Mieten oder gewisse Rohstoffe zurück, während andere Preise rascher steigen." (ebda) Die Inflation entsteht hier also nicht aus marktendogenen Gründen, sondern wirkt sich "nur" auf die Marktprozesse destabilisierend aus: Neben der genannten Preisstrukturverzerrung fUhrt Eucken auch ein anderenorts häufig gebrauchtes Argument an, das auch im Zusammenhang mit der sog. "Gläubiger-Schuldner-Hypothese" häufig geäußert wird: Die Bilanzverhältnisse veränderten sich aufgrundvon Inflation so, daß "Scheingewinne" entstünden 12, die die Unternehmer an sich schon zu weiterer Investition in den Produktionszweigen animierten, in denen diese Inflationsgewinne aufgetreten sind.13 Da den (Inflations-)Gewinnen jedoch in Wirklichkeit gar keine II Bei "gestauter Inflation" treten im Prinzip die gleichen Effekte in bezug auf die Funktionsfahigkeit des Preismechanismus auf, worauf auch Eucken hinweist (1952; S. 256): "Die ,gestaute Inflation' aber, die darin besteht, daß bei Ausdehnung der Geldmenge die Preise festgehalten werden -wie es in Deutschland zwischen 1936 und- IV48 geschah -,legt das Preissystem sofort still. Die Verschiebung der Daten wird nicht mehr in den Preisen sichtbar, und weil auf den Märkten die Nachfrage das Angebot übersteigt, werden Rationierung und zentrale Lenkung eingeftihrt- wenigstens bei den wichtigen Produkten, wie z. B. Kohle, Eisen, Leder usw. Insofern wird also das Preissystem sehr rasch als Lenkungsinstrument beseitigt. - Daneben bilden sich schwarze Märkte mit anderen Preisen und Preisrelationen; und daneben Naturaltausch. Die Einheit der Wirtschaftsrechnung hört auf." 12 "(Denn) die langfristigen Schulden der Betriebe bleiben bei steigenden Preisen der Produkte und Produktionsmittel gleich. Die Vermögensseite der Bilanz wächst, während die Schuldenseite unverändert bleibt. Somit entstehen Gewinne, die sich nicht aus der zutreffenden Lenkung des Wirtschaftsprozesses, sondern aus der Inflation ergeben." (ebda). 13 Dieser direkte Rückbezug von Investitionen auf Gegenwartsgewinne läßt sich, wie im Abschnitt b) ausgeführt wird, wenn, dann nur bei vermeintlichen Nachfrageinflationen und in bezugauf polypolistische Unternehmen sinnvoll begründen. Bei vermeintlicher Kosteninflation ist die Erwartungsunsicherheit bezüglich der Entwicklung der Absatzmöglichkeiten vergleichsmäßig wesentlich höher. Und flir Oligopolisten stehen in der Regel von vomherein die Erkenntnisse aus unternommenen Marktforschungen im Zentrum der (Absatz-)Betrachtungen. In bezug auf Eucken mußjedoch vermerkt werden, daß im Rahmen seiner Modellaussagen zumindest die letztere Einschränkung implizit berücksichtigt ist.

II. Inflation und die Unsicherheit bezüglich Ertragserwartungen

149

Nachfrageausweitung gegenüberstünden, produzierten sie dadurch nur Überkapazitäten, die sich makroökonomisch in einem Ungleichgewicht auf dem Gütermarkt auswirkten.l4, 15 Das hier interessierende Argument der angesprochenen Neoklassiker (für die stellvertretend Eucken zitiert wurde) ist nun dies, daß der Preismechanismus, der unter "normalen" Bedingungen funktioniere, bei Inflation nicht mehr imstande sei, diese Ungleichgewichte zu beseitigen, sondern (und) daß sich diese unter inflationären Bedingungen eher noch verstärkten. Der Hauptgrund sei der, daß die Preise durch Inflation "verzerrt" würden und keine Knappheitsindikatoren mehr bildeten.l 6 Nun istjedoch diese neoklassische Betrachtung von Inflationseffekten zumindest insofern problematisch, als sie zwischen einem vollkommenen Funktionieren des Preismechanismus bei Preisstabilität und einem Nichtfunktionieren bei Inflation unterscheidet. 17 Diese Sichtweise läßt sich je14 - mit der unmittelbaren Folge von Arbeitslosigkeit. Der Preismechanismus wirkt nach Ansicht der Ordo- und Neoliberalen bei Inflation ("natürlich") auch am Arbeitsmarkt nicht mehr. Hayek, auch ein bedeutender "Liberaler", sprach in seiner Nobelpreisrede 1974 diesen Zusammenhang an: " . . . what seems to me the most harmful effects of inflation, the misdirection of resources it causes and the unemployment which ultimately results from it." (Hayek(I976; S. 46)). Vgl. auchHayek(I931;

S. X).

15 Die Begründung makroökonomischer Ungleichgewichte (wirtschaftlicher Krisen) durch das Argument fehlerhafter Kalkulation von Unternehmern ist nicht neu. So hat Lujo Brentano schon 1878 behauptet: "Daß die Unternehmer unter den Absatzstockungen zu leiden haben, ist ja ganz in Ordnung. Für die Unternehmer sind die Absatzstockungen und ihre Folgen nichts anderes als die verdiente wirtschaftliche Strafe für ihre wirtschaftliche Schuld, für die wirtschaftlichen Rechenfehler, die sie begangen haben." (Brentano (1878; S. 576)). Daß "falsches Rechnen" auch heute noch zur Begründung gesamtwirtschaftlicher Krisen herangezogen wird, zeigt die neuere wirtschaftspolitische Diskussion in den USA. So wurde beispielsweise als auslösender Faktor für die Wiederauflebung der 1974/75er Rezession in den USA von Gannon (1975) die Auswirkung von Inflation auf die Unternehmungsrechnung angeführt. 16 Eine frühe Arbeit, die diesen Zusammenhang schon entwickelte, ist die von Haber/er (1931). Haber/er führte in dieser interessanten Arbeit die Fehlleitung der Ressourcen auf eine bei Inflation eintretende "Verfalschung" des Marktzinses zurück. Demgegenüber erschien ihm der in der Gläubiger-Schuldner-Hypothese ausgedrückte Zusammenhang, den Eucken hervorhebt, und den auch andere Autoren vor ihm, wie z. B. lrving Fisher, stark betont haben, eher zweitrangig. 17 Damit wird Inflation- die als exogen erzeugtes Übel angesehen wird (durch die Geldmengenpolitik des Staates bzw. der Bundesbank und/oder die Lohnpolitik der Gewerkschaften) - erst für die Krisenhaftigkeit des ökonomischen Entwicklungsoder Akkumulationsprozesses in marktwirtschaftlich-kapitalistischen Gesellschaften verantwortlich gemacht. Das Marktsystem als solches würde ja harmonisch ablaufen. Nur die Störfaktoren von außen, die mit dem Markt-System nichts zu tun haben, brächten Instabilitätsmomente wie Inflation in das System herein, was dann den endogen gleichgewichtigen ökonomischen Prozeß erst vom Gleichgewichtspfad abbringt.

150

5. Kap.: Inflation und Erwartungsunsicherheit

doch, spätestens seit Keynes, nur mehr schwer aufrechterhalten.' 8 Es geht dabei nicht darum, die Existenz des Preismechanismus zu leugnen, sondern "nur", wie Keynes ausführte 19, darum, auf die Inadäquatheit der Annahme hinzuweisen, daß Preiseffekte immer vor möglichen Mengeneffekten eintreten. Wie Keynes und seine Nachfolger schilderten, trifft eher das Gegenteil zu: Aufgrund von auf falschen Erwartungen beruhendem "false trading" treten Mengeneffekte auf, noch bevor sich die Preise angepaßt haben, die auch auf die anderen Märkte übergreifen und so tendenziell zu einem allgemeinen Ungleichgewicht ftihren.2o Das Marktsystem ist aufgrund dessen eher von Grund auf (endogen) instabil. 21 Das bedeutet, daß Inflation nicht als notwendige Bedingung für ein Nicht-Funktionieren des Preismechanismus betrachtet werden kann. Die relative Funktionsunfähigkeit des Preismechanismus entsteht demnach nicht erst durch Inflation, sondern ist im Prinzip schon in den Fundamenten des marktwirtschaftliehen Handlungssystems angelegt.22 Von daher geht es hier eher um die Frage, ob mit zunehmender Inflation die Funktionsunfähigkeit des Preismechanismus zunimmt, oder besser gesagt: die Unsicherheit bezüglich des Findens der "richtigen" effektiven Nachfrage steigt. Argumentationen in diese Richtung gibt es - nicht nur aus neoklassischer Sichtweise. So betont zum Beispiel Leijonhufvud, daß den Unternehmern bei den permanent einströmenden Preis(erhöhungs)impulsen bei Inflation immer weniger ein Differenzierungsmechanismus an die Hand gegeben ist, um die nachfragebedingten von den rein inflationsbedingten Preisimpulsen trennen (unterscheiden) zu können:

18 Vor Keynes hatte insbesondere Marx schon die grundlegenden·Pfeiler einer fundamentalen Kritik an dieser Sichtweise (Theorie) herausgearbeitet. 19 Vgl. insbesondere dieKeynes-Interpretationen von Clower(1965)und Leüonhufvud (1966), daneben auch die "neueren" von "Unsicherheit" her argumentierenden Interpretationen der "fundamentalist Keynesians" (Coddington (1976)), vor allem von Davidson (1972), Minsky (1975), Shack/e (1972; 1974) und Loasby (1976). 20 Keynes spricht wohl selbst noch von einem "Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung". Berücksichtigt man jedoch die Abhängigkeit der Investitionen von der Kapazitätsauslastung (das von Harrod (1939) formulierte "Kapazitätsauslastungsprinzip")- einen Punkt, den Keynes selbst noch nicht berücksichtigt hatte -,so kann man auch nicht mehr von einem "Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung" ausgehen. Vgl. dazu beispielsweise Müller u. a. (1978), S. 125 ff. 21 Vgl. zu einer fundierten Kritik der These der prinzipiellen Funktionsfahigkeit des Preismechanismus Vogt (1976). 22 Das (relative) Nichtfunktionieren des Preismechanismus begründet auch (schon) die Existenz von Unsicherheit im ökonomischen, insbesondere im Unternehmerischen Handeln. "Sicherheit" (bezüglich des Absatzes) wird ja üblicherweise in der neoklassischen Wirtschaftstheorie wenn nicht einfach als Annahme eingeführt, so (dann) durch das Funktionieren des Preismechanismus "begründet".

II. Inflation und die Unsicherheit bezüglich Ertragserwartungen

151

"Transactors will not be able to sort out the relevant ,real' price signals from the relative price changes due to these inflationary Ieads and lags. How could they? Messages of changes in ,real scarcities' come in through a cacaphony of noises signifying nothing ... and ,sound' no different. To assume that agents generally possess the independent information required to filter the significant messages from the noise would, I think, amount to assuming knowledge so comprehensive that reliance on market prices for information should have been unnecessary in the first place. Same adjustments in ressource allocation that are needed will not be made. Same will be made that should not have been. Between the omissions and commissions, the vector of effective excess demands is distorted and the 'bunt' for the G. E. solution vector goes ofT on false trails. Transactors will gradually lose all firm conception of where the equilibrium neighbourhood of relative prices lies. Setting prices and determining reservation wages becomes a more difficult problern that no Ionger 'makes sense' in the way it used to." (Leüonhu.fvud (1977; S. 289)). Trifft dies zu, so steigt damit für die Unternehmer auch die Gefahr von Fehlproduktionen, was sie sicherlich in ihrem Unsicherheitsabschlagsfaktor berücksichtigen werden. (2) Differenzierungen bezüglich des Verunsicherungsgrades

a) Differenzierung nach vermeintlichen Inflationsursachen Es ist davon auszugehen, daß die von Leüonhu.fvud angeführte Gefahr der Fehlproduktion aufgrund der Nicht-(mehr-)lnterpretierbarkeii von (relativen) Preisänderungen von den Unternehmern grundsätzlich unterschiedlich stark eingeschätzt wird, je nachdem ob sie die Inflation als Nachfrage- oder als Kosteninflation ansehen.23 Bei einer vermeintlichen Nachfrageinflation zählen die genannten Verunsicherungsmomente nicht so stark, da der Unternehmer bei einer solchen ja davon ausgeht, daß die Nachfragesituation günstig ist. Eine angenommene Nachfrageinflation zeigt dem Unternehmer - vermeintlicherweise - an, daß eine Übernachfragesituation gegeben ist, auf die er ohne größere Gefahr mit Kapazitätsausweitungen reagieren kann. Eventuelle verstärkte Preisschwankungen treten in dieser Situation bei seiner Investitionsentscheidung in den Hintergrund. Dagegen gibt die Einschätzung einer Inflation als Kosteninflation dem Unternehmer kein Indiz an die Hand, wie die Nachfragesituation bzw. das Angebot/Nachfrage-Verhält23 Die Aussage von Leüonhufoud kann natürlich auch so interpretiert werden, daß eine solche Unterscheidung (zwischen Nachfrage- und Kosteninflation) überhaupt nicht (mehr) möglich ist. Jedoch dürfte dies zu eng gefaßt sein, da die Unternehmer eine solche Unterscheidung ja nicht nur auf der Grundlage von Preisbewegungen treffen, sondern dabei auch andere Indikatoren mit in Betracht ziehen (wie z. B. Umfragen von Wirtschaftsforschungsinstituten wie des IFO-Instituts).

152

5. Kap.: Inflation und Erwartungsunsicherheit

nis beschaffen ist.24 Die auf ihn "herniederprasselnden" Preiserhöhungen verunsichern dann eher den Unternehmer in der von Leijonhufvud beschriebenen Weise und führen damit auch eher zu einer Berücksichtigung in der Investitionsentscheidung (in der Form des Unsicherheitsabschlags). Dementsprechend sind die oben beschriebenen Verunsicherungswirkungen von Inflation eher für vermeintliche Kosteninflationen zutreffend als für vermeintliche Nachfrageinflationen. b) Differenzierung nach Marktstrukturen Ein andererwesentlicher Unterschied besteht,je nachdem ob sich ein Unternehmer in einer Polypol- oder in einer Oligopolsituation befindet. Während die Preise im polypolisfischen Sektor wie beschrieben Marktpreise sind und die Unternehmer sich als MengenanpasseT verhalten, werden die Preise im Oligopolsektorvon den Unternehmern relativ autonom als Monopol- oder Oligopolpreise nach einem weitgehend rigiden Aufschlagsverfahren auf die Stückkosten gesetzt. Die Polypofisten passen sich mit ihrer Produktionsmenge an die vom Markt vorgegebenen Preise so an, daß sie einen maximalen Gewinn erzielen. Damit sind sie jedoch einem Abbau der Funktionsfähigkeit des Preismechanismus sozusagen "schutzlos" ausgesetzt: Sie werden auf veränderte Marktsignale in Form von Preisänderungen so reagieren (müssen), als ob (bzw. im Glauben, daß) der Preismechanismus funktionieren würde. Dadurch entsprechen sie am ehesten dem in der Literatur gezeichneten Bild des bei Inflation automatisch Fehlinvestitionen durchführenden (ignoranten) Unternehmers. Jedoch bedeutet der Tatbestand, daß die polypolistischen Unternehmer zu diesem Anpassungsverhalten gezwungen sind, nicht, daß sie nicht in der Lage wären, (die Folgen von) Fehlinvestitionen zu "erfahren", und aus diesen Erfahrungen auch zu "lernen". Auf jeden Fall dürfte ein Ergebnis solcher Erfahrungen sein, daß die Unternehmer in ihrer weiteren Produktions(mengen)planung oder -"anpassung" verunsichert sein werden. Das heißt,je häufiger und "schmerzvoller" die Erfahrungen mit vorangegangenen Fehlinvestitionen ausfallen, um so größer wird die Verunsicherung der polypolistischen Unternehmer sein- was sich (auch bei ihnen) in einem mit der Höhe der Inflation tendenziell steigenden Unsicherheitsabschlagsfaktor niederschlagen dürfte.25 24 Dementsprechend kann auch nur in Verbindung mit der Annahme, daß die Unternehmer eine Inflation - fälschlicherweise - als Nachfrageinflation interpretieren, von inflationsbedingten "Scheingewinnen" auf eine gesteigerte Investitionstätigkeit geschlossen werden. In vermeintlichen Kosteninflationen ist an sich kein Indiz fUr einen Nachfrageüberhang bzw. eine Nachfragesteigerung gegeben, das auf eine direkte Gewinnverwendung in Kapitalakkumulationen schließen läßt. 25 Der hier gebrauchte Begriff des "polypolistischen Unternehmers" weicht - wie oben schon gesagt- insofern von der Verwendung oder Interpretation der neoklas-

II. Inflation und die Unsicherheit bezüglich Ertragserwartungen

153

Bei den 0/igopo/isten verhält sich die Situation dagegen anders. Die Oligopolistischen Unternehmer bestimmen ihre Produktion(smenge) nicht reaktiv-anpassend wie die polypolistischen Unternehmer, sondern planen sowohl den Verkaufspreis als auch ihre Produktionsmenge von Anfang an. Das bedeutet, daß Absatzerwartungen und ihre Bildung bei ihnen eine zentrale Rolle spielen. Die Markt(er)forschung im Sinne der Erkundung der Absatzmöglichkeiten bildet die prinzipielle Grundlage für die Produktionsplanung im oligopolistischen Sektor. Dies gilt für preisstabile Perioden genauso wie fl.ir Inflationsperioden. Insofern ändert sich im Planungsverhalten fl.ir den Oligopolisten grundsätzlich nichts durch Inflation. Die durch Inflation hervorgerufene komplexere Situation auf dem Preissektor erfordert von dem Oligopolisten normalerweise nur - wie geschildert - verstärkte Transaktions-, insbesondere lnformationsanstrengungen, die einen höheren Ressourcenaufwand mit sich bringen. Sicherlich würde eine verstärkte Variabilität von relativen Preisen und/oder Inflationsraten ein Unsicherheitsmoment in die Zukunftsplanung der Oligopolisten bringen26,jedoch dürfte dies (für sich) - wenn überhaupt dann - erst bei starken Schwankungen eine wirkliche investitionshemmende Verunsicherung auslösen (- wobei eine solche investitionshemmende Verunsicherung immer nur im Zusammenhang mit der relativen Unsicherheit von alternativen Anlageerträgen gesehen werden darf; vgl. weiter unten!). c) Differenzierung nach verschiedenen Inflationsstadien Die Aussage, daß mit der Inflation die Unsicherheit der Unternehmer bezüglich ihrer Absatzerwartungen zunimmt, stimmt - wie eben (unter a) schon betont wurde - im Grunde nur dann, wenn die Preissteigerungen nicht (eindeutig) als Indiz fl.ir eine Übernachfrage interpretiert werden (können); ansonsten gilt sie nicht. Sie stimmt aber auch fl.ir den Fall nicht, daß die Unternehmer der Inflationaufgrund von (Vergangenheits-)Erfahrungen bestimmte Strukturänderungen der Einkommensverwendung zuordnen können, die auf eine sich verstärkende (Über-)Nachfrage hinauslaufen. Letzteres kann man wohl nicht fl.ir eine geringe oder "normale" Inflation besischen Theorie ab, als der polypolistische Unternehmer hier nicht als ein "Wesen ohne Gedächtnis" betrachtet wird, das keine Vergangenheit kennt und über die Zukunft seiner - individuellen - Produktionsbedingungen voll informiert ist, sondern imstande ist, Erwartungen aus seinen Vergangenheitserfahrungen heraus zu bilden, mit Hilfe derer er überhaupt erst in Hinblick auf eine prinzipiell unsichere Zukunft handlungsfähig wird. 26 - und zwar, wie oben (im vorvorletzten Kapitel) beschrieben, vor allem über die Unsicherheit bezüglich der Entwicklung der Realeinkommen ihrer (potentiellen) Käufer und bezüglich der Entwicklung der Preise von Substitutionsgütern.

154

5. Kap.: Inflation und Erwartungsunsicherheit

haupten, läßt sich aber für sehr hohe Inflationen (in unserem Differenzierungskatalog für das Stadium H VI und in schwächerem Ausmaß auch für das Stadium H V) begründen. Theoretische Überlegungen und empirische Studien27 zeigen, daß ab einer gewissen- nicht a priori bestimmbaren, von individuell-subjektiven Erwartungen und Bewertungen abhängigen- Inflationsstufe die Wirtschaftssubjekte im allgemeinen wie die Unternehmer im besonderen ihr Portefeuille systematisch so umschichten, daß sie anteilsmäßig immer mehr (realwertkonstante) Sachgüter und immer weniger (realwertverlierende) Wertpapiere halten. (Dies ist in einem anderen Beitrag (Wagner (1982)) unter plausiblen Modellbedingungen systematisch abgeleitet.) Der Hauptgrund liegt in den mit steigender Inflation immer größer werdenden Realwertverlusten (neben den ebenfalls steigenden Kapitalwertverlusten) einer geldfixierten Anlage wie der festverzinslicher Wertpapiere. Das bedeutet aber, daß die Nachfrage nach Sachgütern allgemein zunimmt. Die Konsumenten fragen relativ mehr (vor allem langlebige und wertbeständige) Konsumgüter nach und die Unternehmer relativ mehr Investitionsgüter (zur eigenen Produktion oder zur Auffüllung ihrer Läger). Dadurch erhöht sich für den "durchschnittlichen" Unternehmer der Sicherheitsgrad seiner Absatzerwartungen. In ihren Auswirkungen auf das Verhalten der Unternehmer ähnelt die beschriebene Situation stark der (bei) einer (vermeintlichen) eindeutigen Nachfrageinflation. Die Zunahme der mengenmäßigen (effektiven) Nachfrage wird frühestens erst dann gestoppt, wenn die Realwertminderungen der Einkommen und Vermögen so stark steigen, daß sie die Nachfrage- (Mengen-)Effekte der Portefeuilleumschichtungen mehr als ausgleichen.28 2. Inflation und Unsicherheit bezüglich der Kostenerwartungen

Als zweites zu behandelndes Möglichkeitsfeld einer Verunsicherung der Akkumulationsträger durch Inflation wird neben der Nachfrageerkundung die Veranschlagung zu erwartender, mit der Akkumulation verbundener Kosten untersucht. 27 Vgl. insbesondere die Hyperinflationsliteratur: Eulenburg (1924), Graham (1930), Bresciani-Turroni (1931), Bailey (1956), LaursenlPedersen (1964), Cagan (1976), Griffiths (1976), Pjleiderer (1979). 28 Eine (Realwert-)Verminderung der Konsumenteneinkommen allein würde noch nicht notwendigerweise diesen Effekt haben, da sich ein Nachfrageboom durch die steigende Investitionsgüternachfrage der Unternehmer- zumindest für eine gewisse Zeit - selbst "am Leben" erhalten kann.

li. Inflation und die Unsicherheit bezüglich Ertragserwartungen

155

a) Unsicherheit über die zu erwartende Faktorpreisentwicklung

Die oben beschriebene, mit der Inflation tendenziell zunehmende Variabilität der Inflationsraten und der Preise allgemein betrifft "natürlich" auch die Faktorpreise. Damit steigt die Unsicherheit der Unternehmer (auch) bezüglich der Entwicklung der Faktorpreise im Planungszeitraum. Dies gilt einmal für die Lohnentwicklung und damit für die Lohnkosten, zum anderen für die Kapitalkosten, insbesondere für den Kapitalgüterpreis und den Kapitalzins. Die Gefahr unerwarteter Kostensteigerungen29 wird dabei für einen Unternehmer in Inflationen in der Regel als um so größer einzuschätzen sein, je länger dieser sich vertraglich zur Abnahme von Produktionsfaktoren bzw. Faktorleistungen verpflichtet hat. 30 Als Belege für diese These werden häufig sowohl die "übliche" Verteuerung kommunaler Bauprojekte in Inflationen als auch spektakuläre Zusammenbrüche von Einzelunternehmen angeführt.31 b) Unsicherheit der Transaktionskostenentwicklung

Daß mit der Inflation der Umfang der Transaktionshandlungen tendenziell steigt, wurde im vorletzten Kapitel schon geschildert. Mit der konkreten Erfahrung von Inflation wird dieser Zusammenhang auch in die Erwar29 Eine "Gefahr" besteht dabei nicht nur für den Polypolisten, sondern auch für den Oligopolisten. Denn auch wenn dieser solche Kostensteigerungen auf den Preis überwälzen kann, muß er doch unter Umständen mit einer Verschlechterung seiner erwarteten Absatzmöglichkeiten (i. e. eines Rückgangs der geplanten Absatzmenge) rechnen, falls er den Preis entsprechend erhöht. 30 Dies giltjedoch nicht für den Fall, daß Unternehmer längerfristige Verträge abgeschlossen haben, in denen Fixpreise vereinbart sind, d. h. in denen die Verkäufer das Risiko von unerwarteten Kostensteigerungen und nicht-vorhergesehener Geldentwertung übernehmen. Für den Verkäufer kann allerdings eine solche Vereinbarung von Fixpreisen sogar zu einer Gefahr für den Bestand eines Unternehmens führen. Vgl. im folgenden! 31 So schreiben z. B. Rapp und Schieber(l977; S. 90 f.): In Inflationen werden langfristige Verträge "unvermeidlich zu einem Lotteriespiel für einen der beiden Partner. Ein markantes und weltweit bekannt gewordenes Beispiel dafür, wie ein einzelner solcher Vertrag selbst ein großes und international renommiertes Unternehmen in den Ruin treiben kann, ist die Pleite der englischen Rolls Royce-Werke, die durch einen einzigen, von der amerikanischen Flugzeugfirma Lockheed erteilten Entwicklungs- und Lieferauftrag für Flugzeugturbinen Verluste erlitten, die dreisteilige Millionenbeträge ausmachten. Beispiele dieser Art - auch im Bereich der Bundesrepublik- könnten beliebig aufgezählt werden. Zahlreiche kommunale Bauvorhaben sind in wenigen Jahren zwischen Planung und Ausführung so teuer geworden, daß entweder die städtischen Finanzen oder aber das ausführende Bauunternehmen dadurch in eine Krise gerieten."

156

5. Kap.: Inflation und Erwartungsunsicherheit

tungsbildung der Unternehmer mit eingehen. Da aber die Inflation wie beschrieben je höher um so variabler ausfällt, steigt damit der Tendenz nach auch die Erwartungsunsicherheit der Unternehmer bezüglich des Umfangs der (nötig werdenden) Transaktionskosten. Dies ist vor allem deswegen der Fall, weil die den Transaktionskosten zugrundeliegenden Transaktionshandlungen zum Teil "ad-hoc durchgeführte Aktionen" sind (neben den routinemäßig zur Information über Absatzmöglichkeiten oder zur Ökonomisierung der Geldhaltung vollzogenen Handlungen), die als Reaktion auf die nicht-vorhersehbaren konkreten Ausprägungen der Variabilität der Inflationsrate betrachtet werden können. Allerdings muß diese Aussage, was die Entwicklung der Absatzkosten anbelangt, für das Stadium sehr hoher Inflation relativiert werden: Denn sobald -wie oben beschrieben -eine allgemeine Umschichtung des Portefeuilles zugunsten von Sachgütern eintritt, werden die Absatzmöglichkeiten (wieder) "sicherer" und damit die Informationssammlung wie auch die Unsicherheit bezüglich des erwarteten Umfangs von Absatzkosten eventuell sogar (wieder) geringer. c) Unsicherheit über Folgekosten von "notwendigem falschen Rechnen"

Wie oben kurz angesprochen, gehen die Unternehmer in inflationären Perioden in der Regel von falschen Berechnungs- oder Bewertungsgrundlagen aus. Die These, daß die Unternehmer in Inflationen - notwendigerweise falsch rechnen, ist insbesondere innerhalb der Betriebswirtschaftslehre scho_n früh entwickelt und ausgiebig diskutiert worden.3 2 Fritz Schmidt war einer der ersten, der diesen Gedankengang detailliert ausarbeitete. In seiner Schrift "Die Industriekonjunktur - ein Rechenfehler!" schrieb er 1927 (S. 63), daß das "Rechnungswesen der Unternehmer ... ganz auf der Fiktion von der Unveränderlichkeit des Wertes der Geldeinheit aufgebaut" sei, so daß es bei Inflation notwendigerweise zu fehlerhaften Resultaten kommen müsse. Als die wichtigsten Möglichkeiten solcher Fehlkalkulationen bei Inflation führt z. B. Jöhr (1952; S. 443 ff.) in Fortführung der Gedanken Schmidts an: (i) eine unrichtige Verrechnung der verbrauchten Güter und Leistungen (z. B. Ausgehen von den Einstandspreisen in der Kostenrechnung); und (ii)eine unrichtige Bemessung der Abschreibungen (z. B. Ausgehen vom Anschaffungswert). 33 Wagner (1978). 33 Besonders dieser Punkt wird in der Literatur häufig betont. Die Differenz zwi32 Vgl. F.

schen den Abschreibungen auf den Anschaffungs- oder Herstellungswert bestehen-

II. Inflation und die Unsicherheit bezüglich Ertragserwartungen

157

Dazu kommt die Möglichkeit einer Fehlbilanzierung (z. B. die Nichtausweisung einer inflationsbedingten Änderung am "ruhenden Vermögen").34 Als Ergebnis dieser Fehlkalkulationen erscheinen dem Unternehmer die Kosten in der Regel niedriger (und die Gewinne dadurch höher) als sie in Wirklichkeit sind. Die Auswirkungen des Arbeitens mit solch falschen Daten treffen den Unternehmer spätestens dann, wenn er Ersatzinvestitionen durchzuführen hat, deren Kosten die dafür gebildeten Rücklagen in mehr oder minder großem Maß übertreffen. Die Fehlbeträge können dabei so groß sein, daß das Unternehmen in Liquiditäts- oder Zahlungsschwierigkeiten kommt. Letzteres trifft jedoch- wenn dann -mit wesentlich größerer Wahrscheinlichkeit auf polypolistische Unternehmen zu als auf oligopolistische, da diese aufgrundihrer Größe und ihres i. d. R. größeren Eigenkapitalanteiles größere Reserven besitzen oder aber mobilisieren können. Überhaupt wird eine aus den Erfahrungen der eben geschilderten Fehlkalkulationen abzuleitende Zunahme der Erwartungsunsicherheit bezüglich der "wirklichen" Kostenentwicklung für die Oligopolisten geringer ausfallen als für die Polypolisten, da sie aufgrundihres größeren Informations- und Planungsstabes im Durchschnitt auch genauere Informationen besitzen.35 der Anlagen und den Kosten ihrer Wiederbeschaffung nach Abnutzung der alten Anlagen erscheinen als monetärer Gewinn, der besteuert wird (werden muß). Diese "Besteuerung von Scheingewinnen" kann selbst schon als Auslöse- oder als Verstärkungsfaktor einer Inflationsdynamik betrachtet werden. (Vgl. z. B. Bechte (1971)). Diese Steuerbelastung wird von den Unternehmern tendenziell auf die Preise überwälzt, so daß die Preise stärker erhöht werden als es bei richtiger Kalkulation geschehen würde. Letzteres Argument ist jedoch nicht unbestritten: vgl. D. Schneider (1975b). 34 Vgl. zu diesen Möglichkeiten der Fehlkalkulationen auch Peterson (1975), S. 402 ff. 35 Damit istjedoch nicht ausgeschlossen, daß es auch für Oligopolistische (Groß-)Unternehmen nicht möglich sein wird, "falsches Rechnen" völlig zu vermeiden. Ob allerdings nicht einmal eine Annäherung erreicht werden kann, wie Haller zu begründen versucht, ist angesichts der Möglichkeiten der modernen Computer-Technik schwer zu glauben. Nach der Ansicht von Haller ist eine "flexiblere", der inflationären Entwicklung angepaßte Rechenführung mit einem zu hohen Komplexheitsgrad verwaltungstechnischen Handeins verbunden, um überhaupt realisierbar zu sein. Eine zuverlässige Vermögensrechnung setze unbedingt das "nominalistische Prinzip" (i. e. das Festhalten am Grundsatz: "Mark gleich Mark") voraus. "Wären alle Verpflichtungen variabel, so gäbe es keine geordnete Vermögensrechnung mehr. Auch die laufende Rechnung würde bis zur Unerträglichkeit erschwert, wenn Schulden und Forderungen immer wieder berichtigt werden müßten.( ...) Die allergrößten Schwierigkeiten würden sich ergeben bei der Ermittlung der Unternehmereinkommen für die Zwecke der Besteuerung. Hier müßten alle Veränderungen der Schuldund Forderungsbeträge als Posten berücksichtigt werden, die das Periodeneinkommen modifizieren. Die Ermittlung des steuerlich relevanten Einkommens, die sowieso schon mit sehr viel Problematik behaftet ist, würde schlechterdings unmöglich." (Haller(l971; S. 64)) Diese "überaus großen rechnerischen und damit auch KontrollII

Wagner

158

5. Kap.: Inflation und Erwartungsunsicherheit

d) Unsicherheit der Folgekosten veränderter Kreditbedingungen Eine weitere Verunsicherung der Unternehmerentsteht aufgrundder Änderung der Kreditbedingungen in Inflationen. Kreditnehmer werden in Inflationen immer weniger längerfristige Kredite (zu festen Konditionen) bekommen. Ist jedoch die benötigte Kreditsumme (zur Durchführung von Investitionen) sehr hoch bei nur langsam sich amortisierender Investition, so müssen auch die Kredite längerfristig gesichert sein- will man sich nicht der Gefahr der Illiquidität aussetzen. Gerade dies aber wird in Inflationen immer schwerer erfüllbar. Die Gründe dafür sind folgende: Erstens muß der Kreditgeber(hier: insbesondere die Banken36) bei Einbezug von (im Grunde immer) unsicheren Inflationserwartungen mit einer Gefahr rechnen, nämlich der Gefahr unerwarteter Geldentwertung (i. e. der Gefahr, daß p- pe > 0). Von daher ist damit zu rechnen, daß die Banken mit steigender Inflationsrate immer weniger längerfristige Kredite (zu festen Konditionen) geben. Letzteres wird dadurch verstärkt, daß zweitens die durchschnittliche Anlage- und Verweildauer von Geldmitteln der Haushalte (Sparer) bei Banken in Inflationen drastisch sinkt3 7, was die Möglichkeit längerfristiger Kreditgebung der Banken beschränkt. 38 Rapp und Schieber schreiben: "Da die BanSchwierigkeiten, die sich ergeben würden, dürften auch der entscheidende Grund daflir sein, daß man auf die in einer Wirtschaft mit immer weitergehender Preissteigerung an sich notwendigen Bewertungskorrekturen bei der Ermittlung des Realvermögens verzichtet." (ebda) Hierbei müßte jedoch berücksichtigt werden, daß die "Möglichkeiten" der Technik sich oft mit den Opportunitätskosten ihrer Nicht-Anwendung ändern. Zudem darf nicht vergessen werden, daß in praxi den Unternehmern der Übergang zu einer adäquateren Rechenführung durch die Gesetzgebung in verschiedenen Ländern erschwert wird. (Zu den Einschränkungen in der BRD vgl. PreuskerlSch/ossorek (1975).) 36 -obwohl sich ein immer größer werdender Teil des Kreditgeschäftes außerhalb des Bankensystems abwickelt (das sogenannte "lndustrieclearing"). Vgl. Wissenschaftlicher Beirat (1966), S. 490. - Doch auch flir diese Kreditgeschäfte gelten "natürlich" die obigen Ausführungen gleichermaßen. 37 So flihrte beispielsweise die steigende Geldentwertungsrate in den Jahren ab 1972 in der BRD dazu, daß die langfristige Geldvermögensbildung zugunsten der kurz- und mittelfristigen fast völlig versiegte. Wie die Bundesbank in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 1974 im einzelnen darlegte (S. 30 f.), sank die durchschnittliche Laufzeit neu emittierter Wertpapiere von 1972 bis 1974 drastisch: 1972 lag das Schwergewicht der Emissionen bei einer Laufzeit von 10 Jahren, 1974 bei einer Laufzeit von 4 bis 7 Jahren. Selbst ungewöhnlich hohe Zinsen konnten die Sparer kaum zu langfristigen Geldanlagen bewegen. Am meisten wurden Emissionen mit sehr kurzen Laufzeiten von unter 2 Jahren nachgefragt. Erst als die Inflationserwartungen spürbar sanken, wurden auch wieder längerfristige Wertpapiere stärker nachgefragt. 38 Vgl. auch Bundesbank (1979), S. 25.

II. Inflation und die Unsicherheit bezüglich Ertragserwartungen

159

ken als Kreditvermittler kaum mehr mit langfristigen, zu einem gleichbleibenden Zinssatz zur Verfügung stehenden Finanzierungsmitteln rechnen können, ist es ihnen auch nicht mehr in ausreichendem Maße möglich, langfristige Gelder zu festen Konditionen auszuleihen. Während demnach die Investoren früher mit langfristig gleichbleibenden Zinssätzen rechnen konnten, sehen sich die Banken heute gezwungen, entweder die Laufzeit ihrer Kredite entsprechend der Fristigkeit der ihnen zur Verfugung stehenden Finanzierungsmittel zu verkürzen oder aber Zinsanpassungsklauseln in ihre Kreditverträge aufzunehmen." (Rapp/Schieber (1977; S. 100 f.)) Beides jedoch steigert die Erwartungsunsicherheit des auf Fremdkapital angewiesenen Unternehmers bezüglich seiner Kostenentwicklung. Bei letzterer Möglichkeit steigen die Zinskosten bei jeder (nicht voraussehbaren) Preiserhöhung39; und bei ersterem Fall sind für den Unternehmer nach Ablauf der verkürzten Kreditlaufzeit neue Kreditabschlüsse notwendig, deren Konditionen er vorher noch nicht kennt. Der Investor läuft dadurch eher Gefahr, daß er nach Ablauf40 eines (zu) kurzfristigen Kredits (genauer gesagt: eines Kredits, dessen Laufzeit geringer ist als die veranschlagte Amortisationszeit der Investition) keine(n) Nachfolgekredit(e) mehr bekommt und zahlungsunfähig wird. Letzteres trifft aus den in den vorigen Abschnitten schon genannten Gründen mit geringerer Wahrscheinlichkeit die Oligopolunternehmen4I als vielmehr die Polypolunternehmer. Jedoch bedeutet die beschriebene Änderung der Kreditbedingungen im Prinzip für alle Unternehmer eine mehr oder minder42 große Investitionserschwernis. 43 39 Rapp I Schieber (1977; S. 10 I) in Fortführung der obigen Aussage: "Demzufolge können die Unternehmer bei ihren Investitionen nicht mehr mit gleichbleibenden vorhersehbaren Zinskosten rechnen." 40 Die Gefahr kann sich auch als vorzeitige Kündigung von Krediten oder als Konkurs der kreditgebenden Bank(en) zeigen. 41 Insbesondere ist hier der (bessere) Zugang zu internationalen Finanzmärkten zu nennen. Vgl. zum Beispiel Junne (1974). 42 Vgl. dazu auch die Ausflihrungen im vorhergehenden Kapitel! 43 Eine der möglichen Ausweich-Reaktionen insbesondere der Klein- und Mittelbetriebe auf die Unsicherheit der Finanzierbarkeit längerfristiger Projekte dürfte die sein, daß sie ihre Investitionspalette so umstellen, daß sie im wesentlichen nur mehr kürzerfristige bzw. kürzerfristig amortisierbare Investitionen durchführen, für die sie auch entsprechend fristige Kredite erhalten. Dies würde- für diese Gruppe- sicherlich zu einem beträchtlichen Ausfall an Investitionspotential führen, da viele Güter nur in begrenztem Maße innerhalb kurzer Zeit produzierbar und verkaufbar sind. (Besonders die Investitionen in die Entwicklung neuer Produkte dÜrften dann stark zurückgehen, da sie sich in der Regel verhältnismäßig langsam amortisieren.) Zudem würde eine Umstellung der Investitionspalette mit nicht vernachlässigbaren Kosten verbunden sein. ll*

160

5. Kap.: Inflation und Erwartungsunsicherheit

3. "Exkurs": Inflation und Unsicherheit bezüglich Art und Zeitpunkt (wirtschafts)politischer (Re-)Aktionen Ein weiteres, über die bisherigen hinausgehendes Möglichkeitsfeld der Verunsicherung von (potentiellen) Investoren bei Inflation ist wirtschaftspolitisch begründet. Obwohl im Einleitungsteil betont wurde, daß aus Gründen der eindeutigen Identifizierung bzw. Abgrenzung von Inflationseffekten politische und außenwirtschaftliche Einflußfaktoren aus der Betrachtung so weit wie möglich ausgeschlossen bleiben (werden), soll im folgenden - im Rahmen eines "Exkurses" - ein die Unsicherheit steigernder Einflußfaktor erwähnt werden, der die in den heutigen entwickelten kapitalistischen Gesellschaften verankerte wirtschaftspolitische Funktionstätigkeit widerspiegelt. 44 Staatliche Wirtschaftspolitik hat in diesen Gesellschaften vor allem die Funktion, eine über den Preismechanismus entgegen verbreiteter Ideologien nicht in stabilem Gleichgewicht gehaltene Wirtschaftsstruktur vor allzu großen Abweichungen von einem Preisstabilität und Vollbeschäftigung beinhaltenden Ideal-(Gleichgewichts-)Zustand zu bewahren. 45 Vor allem gehört dazu innerhalb ihres Selbstverständnisses 46 mehr oder weniger zwingend die Reversion einer sich selbst verstärkenden Inflationsdynamik.47 Dies kann angesichtsdes Öffentlichkeitscharakters dieses Selbstverständnisses als allen Unternehmern bekannt vorausgesetzt werden. Das bedeutet, daß die Unter44

den.

An diesen "Exkurs" wird im "Resümee" dieser Arbeit wieder angeknüpft wer-

45 Der Staat bzw. die jeweilige Regierung betreibt dies nicht aus purem Sachinteresse, sondern gemäß der parlamentarisch-demokratischen Strukturierung des politischen Sektors vor allem aus Eigen- bzw. Selbsterhaltungsinteresse. Je mehr nämlich die Wirkung von Instabilitätsfaktoren zum Tragen kommt, um so mehr wird tendenziell die Legitimation(sfähigkeit) der jeweiligen Regierung und letztlich des Staates (Staatswesens) selbst tangiert (bedroht). Vgl. dazu auch Wagner (1976). 46 Vgl. ftir die Bundesrepublik vor allem das "Stabilitätsgesetz" von 1967. 47 Als die wesentlichsten ökonomischen Wirkungen oder Ausprägungen von Instabilitätsfaktoren der entwickelten kapitalistischen Gesellschaften kann man Arbeitslosigkeit und Inflation bezeichnen. Was die Inflation anbelangt, so steigert sie sowohl die Erwartungsunsicherheit der Unternehmer bezüglich der Investitionsergebnisse (-wie in den vorangegangenen Abschnitten gezeigt wurde-) als auch die Handlungs- und Erwartungsunsicherheit der Haushalte (insbesondere) bezüglich der Vermögensentwertung. Dies wird letztlich jedoch auch nicht ohne Folgen für das politische und das moralisch-normative System bleiben (können): Legitimationseinbußen der politischen Instanzen dürften dabei gleichzeitig mit einer allmählichen Auflösung (der normativen Kraft) systemstabilisierender Werte einhergehen. (Vgl. dazu Heinemann (1969; S. 138 ff.) und Zijlstra (1975). Letzteres giltjedoch nur ftir sehr hohe bzw. Hyper-Inflationen.)

II. Inflation und die Unsicherheit bezüglich Ertragserwartungen

161

nehmer während einer Inflationsperiode damit rechnen (müssen), daß staatliche Gegenmaßnahmen getroffen werden, die in der Durchführung sich befindende Investitionsprozesse stark behindern können. Bei nicht rechtzeitig oder in ihren Auswirkungen nicht richtig antizipierten staatlichen Maßnahmen können Unternehmer, die noch laufende Investitionsprojekte durchführen, insofern starke Verluste erleiden, als unter Umständen erwartete Gewinne nicht realisiert werden können (aufgrund in Zahlungsschwierigkeiten gekommener Abnehmer (Untemehmer)48 oder aufgrundeiner Realeinkommens- oder Kaufkraftminderung)49 oder - noch schlimmer - sie selbst in Finanzierungsschwierigkeiten mit eventueller Illiquidität geraten. Letzteres kann insbesondere als Folge stark restriktiver Geldpolitik geschehen falls Unternehmer keinen Zugang zu den internationalen Finanzmärkten besitzen, was in erster Linie die kleineren und mittleren Unternehmen, dagegen weniger die (konzentrierten) Groß- oder/bzw. multinationalen Unternehmen betrifft. 50 Dieser Gefahr können investitionswillige Unternehmen nicht entgehen, da sie nicht (rechtzeitig und genau) wissen können, wann und mit welchen konkreten Mitteln (bzw. in welcher Dosierung) die Regierung in den Inflationsprozeß retardierend eingreifen wird. Über letzteres herrscht keine Systematik: Zeitpunkt und Art des Eingriffs hängen selbst von "schwankenden" Faktoren ab wie den relativen Machtverhältnissen innerhalb der Regierung, der relativen Stärke von Lobbies, der Sensibilität der Bevölkerung gegenüber Geldentwertung51, internationalen Verpflichtungen und nicht zuletzt den jeweils individuellen (Fehl-)Einschätzungen der Inflationsursachen und (bzw.) der wirtschaftlichen Entwicklung durch die politischen Entscheidungsträger. Diese Unsicherheitssituation hinsichtlich des Zeitpunkts und der Mittel staatlicher Eingriffe erschwert (behindert) jedoch den Investitionsprozeß bzw. die Investitionsentscheidung für die Unternehmer in inflationären Perioden, da diese die oben beschriebene Gefahr vor 48 - als Folge eventueller geldpolitischer Restriktionen. 49 - als Folge eventueller finanzpolitischer Einschränkungen.

50 Vgl. auch Oberhauser (1979), S. 359: "Konzentrierte Unternehmungen verfugen im allgemeinen über bessere Finanzierungsmöglichkeiten fl.ir ihre Investitionen. Das gilt auch fl.ir Perioden restriktiver Politik. Der Grund ist nicht nur in meist relativ höheren Gewinnspannen, sondern auch im leichteren und küstengünstigeren Zugang zu den Kreditmärkten zu suchen. Außerdem können sie eher auf eine Auslandsfinanzierung zurückgreifen. Insofern brauchen sie weniger auf kreditpolitische Maßnahmen zu reagieren, insofern wenn ihre Absatzlage noch gut ist." Vgl. auch Junne (1974). 51 Je sensibilisierter eine Bevölkerung-aufgrund früherer negativer Erfahrungen - ist, desto früher muß der Staat eingreifen, um stärkere Legitimationseinbußen zu verhindern.

162

5. Kap.: Inflation und Erwartungsunsicherheit

Augen haben. 52 Diese Gefahr wird ftir die Unternehmer tendenziell immer größer,je höher die Inflation, da mit der Höhe der Inflation die Wahrscheinlichkeit eines Eingreifens des Staates zunimmt. Obwohl gerade die Oligopolunternehmen über ihre einflußreichen Lobbies immer und aufjeden Fall in weit größerem Ausmaß als die polypolistischen Unternehmen über die Absichten der Regierung und der Notenbank informiert sein dürften, nützt ihnen dieses Wissen in diesem Fall in der Regel auch nichts, da die Investitionsprojekte normalerweise mittel- oder langfristig angelegt (bzw. geplant und entschieden) sind (werden), dagegen die wirtschaftspolitischen Abwehrmaßnahmen gegen Inflation(seffekte)ja gerade von der Sache her kurzfristig beschlossen werden (müssen). Allerdings sind die möglichen Gefahren ftir die Oligopolistischen Unternehmen - wie oben schon angedeutet - im Durchschnitt nicht so groß wie für die polypolistischen Unternehmen, da in der Regel (nur) die ersteren direkten Zugang zu den internationalen Finanzmärkten besitzen53, und so die Hauptwaffe der staatlichen Wirtschaftspolitik gegen eine sich verschärfende lnflationsdynamik, nämlich die Einschränkung der Geldmenge, leicht(er) unterlaufen können.

III. Inflation und die Unsicherheit bezüglich der Ertragserwartungen einer Wertpapieranlage Wenn wie oben behauptet die Akkumulationsentscheidungen der Unternehmer auf einem Vergleich zwischen den erwarteten Gewinn(rat)en verschiedener Kapitalanlagemöglichkeiten beruhen, und die Erwartungen selbst jeweils mit Unsicherheit behaftet sind, ist es für die Ausgangsfragestellung hier von Bedeutung, wie sich die relativen Unsicherheiten bzw. hier: die "Unsicherheitsdifferenz" der beiden betrachteten Ertrags(raten)erwartungen- konkret: einer Produktionstätigkeit und einer Wertpapieranlagemit der Inflation entwickelt. Im vorhergehenden Abschnitt sind einige Aspekte der Erwartungsunsicherheit b~züglich der Erträge aus einer Produk52 Ähnliche Überlegungen brachten den "Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" zur Ablehnung expansiver staatlicher Finanzierungspolitik als Mittel der Überwindung von Rezessionen. (Vgl. , ,Sachverständigenrat" (1978), S. 145 (Ziffer 308)). Als eine Kritik dieser wirtschaftspolitischen Schlußfolgerung siehe Memorandum (1978); vgl. auch Baisch u. a. (1977). 53 - und sie auch - wie schon bemerkt - einen höheren Eigenkapitalanteil und/bzw. einen höheren Selbstfinanzierungsanteil (im Vergleich zu den polypolistischen Unternehmen) haben. Vgl. dazu auch Kaufer (1977; S. 65 ff.) und Saß (1978; S. 127 ff.). Vgl. auch Sherman (1976), S. 163 ff.

III. Inflation und die Unsicherheit bezüglich Wertpapieranlage

163

tionstätigkeit (Investition in Sachanlagen) analysiert worden in Hinblick auf die Entwicklung bei (während) einer Inflation(sdynamik). In diesem Abschnitt soll die Unsicherheit der Ertragserwartu1:1gen einer Wertpapierhaltung (Finanzinvestition) analysiert werden. Vor allem zwei Ertragskomponenten verdienen dabei in Hinblick auf die Veränderung bei Inflation besondere Beachtung: erstens der Realwert der Wertpapiere und der Zinszahlungen, und zweitens die Kapitalwertänderungen aufgrundvon Kursschwankungen.54 Der Realwert der Wertpapiere und der Zinszahlungen sinkt bei festvenins/ichen Wertpapieren mit der Inflationsrate.55 Entsprechend nimmt die Unsicherheit über die Ertragserwartungen von festverzinslichen Wertpapieren mit der oben schon beschriebenen Unsicherheit der Entwicklung der Inflationsrate zu. Das heißt aber, sie steigt im Prinzip stetig mit der Höhe der Inflation, da wie geschildert mit der Höhe die Variabilität der Inflationsrate als Unsicherheitsmoment tendenziell zunimmt. Zudem wird die Unsicherheit der Ertragserwartung von Wertpapieren durch die Unsicherheit der Kursentwicklung(en) der Wertpapiere erhöht. Der Ertrag aus einer Wertpapierhaltung wird sehr stark durch die Kursentwicklung der Wertpapiere mitbestimmt, die die Angebot/Nachfrage-Verschiebungen auf dem Wertpapiermarkt widerspiegelt. Dies gilt für alle Wertpapieranlagen ,falls die Papiere später (nach dem Ausgabetermin) gekauft und/oder früher (vor dem Rückgabeterminbei Papieren mit festliegender Laufzeit) verkauft werden. Während einer Inflationsperiode sinken die Kurse von (schon ausgegebenen) Wertpapieren tendenziell mit der (Lauf-)Zeit, wenn die neuemittierten Wertpapiere eine höhere Nominal- und damit auch Realverzinsung aufweisen.56 Genauere Vorstellungen (Erwartungen) über die Kursentwicklung in Inflationszeiten lassen sich (von den Unternehmern) nur dadurch gewinnen, daß die Entwicklung der Determinanten der Kursbewegung von Wertpapieren bei Inflation näher betrachtet wird. Die Unsicherheit der Unternehmer über die Kursentwicklung von Wertpapieren entspricht dadurch im wesentlichen ihrer Unsicherheit über die Entwicklung dieser Determinanten. Als wichtigste wären dabei zu nennen: zum einen die weitere Zinsentwicklung auf dem Wertpapiermarkt, zum anderen (damit verbunden bzw. die erstere 54 Vgl. auch in Wagner (1982). 55 Bei indexierten Wertpapieren bleibt er dagegen konstant.

56 In diesen Fällen sind die Unternehmer (Wertpapierhalter) gezwungen, die Verluste aus den Kurssenkungen bei vorzeitigem Verkauf der Wertpapiere mit den relativen Verlusten (Opportunitätskosten) eines Nichtverkaufs in Form von Zinsmindereinnahmen abzuwägen, um entscheiden zu können, ob sie die "alten" Wertpapiere vorzeitig gegen neue eintauschen sollen.

164

5. Kap.: Inflation und Erwartungsunsicherheit

mitbestimmend) die mit Inflation fast immer einhergehende Spekulationstätigkeit57, die wirtschaftspolitischen Maßnahmen von Regierung(en) und Notenbank(en)- insbesondere deren Änderungen-, sich anbahnende oder vollziehende Regierungswechsel, Konjunkturumschwünge etc. Gerade diese Unsicherheit der Kursentwicklung wird die Erwartungsunsicherheit derUnternehmerbezüglich des Ertrags einer Wertpapieranlage in Inflationen in der Regel höher ausfallen lassen als bei einer Investition in Sachanlagen. Eine entsprechend höhere Erwartungsunsicherheit bei einer Wertpapieranlage ist vor allem bei Vorliegen der folgenden drei Situationsspezifika zu erwarten: (1) bei einer sehr hohen Inflation

- Insbesondere bei (sehr) hoher Inflation (lnflationsstadien H VI und bedingt - H V) wird dies der Fall sein, da dann zum einen die Spekulationstätigkeit auf den Wertpapiermärkten in der Regel extreme Ausmaße annimmt, was die Kursentwicklung so gut wie unvorhersehbar werden läßt58,59, und zum anderen die Erwartungsunsicherheit bei einer Investition in Sachanlagen - zumindest was die Absatzerwartungen anbelangt- tendenziell (wieder) sinkt wegen der in diesem Stadium (bzw. in diesen Stadien) allgemeinen Umschichtung der Portefeuilles zugunsten von Sachanlagen. -

(2) und/oder bei vermeintlicher Nachfrageinflation (3) und in bezug auf Oligopolistische Unternehmen

da in den beiden letzteren Fällen dann die allgemeine Erwartungsunsicherheit bei einer Investition in Sachanlagen - wie beschrieben 57 Gerade die bei Inflation bekannterweise rapide zunehmende Spekulationstätigkeit ist die größte Unsicherheitsquelle der Kursentwicklung von Wertpapieren. 58 Gerade letzteres - zusammen mit der Erwartung steigender Realwertverluste läßt die Unternehmer weitgehend aus der Wertpapierhaltung als Möglichkeit der mittel- oder längerfristigen Kapitalanlage aussteigen. Dies schließt jedoch nicht aus, daß sie Wertpapiere aus Spekulationsgründen jeweils kurzfristig halten. Im Prinzip jedoch stehen die Unternehmer, wie auch aus den Erfahrungen mit den vergangenen Hyperinflationen hervorgeht (vgl. die oben zitierte einschlägige Hyperinflationsliteratur!), im Hyperinflationsstadium nur mehr vor der Alternative: Produktion und daher Kaufvon Produktionsmitteln, Unternehmens(auOkäufe oder "einfache" Warenhortung (Aufftillung der Läger mit wertbeständigen und von daher tauschbaren Waren). 59 "Dämpfend" dagegen würde auf die steigende Ertragserwartungsunsicherheit von Finanzinvestitionen eine eventuelle (weitgehende) Indexierung der Wertpapiere wirken - eine Maßnahme, die - wie oben schon gesagt - bei sehr hoher Inflation gar nicht unwahrscheinlich ist. Entsprechend "dämpfend" aufdie Ertragserwartungsunsicherheit einer Sachinvestition würde aber auch eine allgemeine Indexierung, d . h. auch eine Indexierung der Löhne und der Kontraktpreisvereinbarungen wirken.

IV. Zusammenfassung

165

nicht so hoch ist (wie bei angenommener Kosteninflation bzw. bei polypolistischen Unternehmen)-.

IV. Zusammenfassung Die Berücksichtigung eines Unsicherheitsabschlags im Akkumulations(entscheidungs)kalkül eines Unternehmers beruht im wesentlichen auf dessen Erwartungsunsicherheit bezüglich seiner Ertragserwartungen. Der Unsicherheitsabschlag steigt dabei tendenziell mit der Erwartungsunsicherheit Wird die Akkumulationsentscheidung auf der Grundlage eines Vergleichs der erwarteten Erträge (bzw. Ertragsraten) verschiedener Investitions- oder Anlagemöglichkeiten durchgeführt, so spielen die jeweiligen Erwartungsunsicherheiten bzw. deren Differentiale eine mitentscheidende Rolle. Bei der Betrachtung in der vorliegenden Arbeit sind dies die Unsicherheiten bezüglich der Ertragserwartungen einer Produktionstätigkeit (Investition in Sachanlagen) und alternativ dazu einer Wertpapieranlage. Bei der Untersuchung der Frage, wie sich erstere bei Inflation verändert, wurde die Entwicklung der Unsicherheit bezüglich der Absatzerwartungen und die bezüglich der Kostenerwartungen getrennt (betrachtet). Die Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, daß sich die Unsicherheit der Kostenerwartungen für die U nternehmer mit der Inflation tendenziell immer stärker erhöht, während sich dies hinsichtlich der Absatzerwartungen nicht so allgemein behaupten läßt. Was die Unsicherheit der Kostenerwartungen anbelangt, wurden vier Determinanten herausgestellt: die mit der Inflation im Prinzip ftir alle stetig steigende Unsicherheit der Faktorpreisentwicklung und der Transaktionskostenentwicklung60, dann die Unsicherheit über die Folgekosten der inflationsbedingten Verwendung "falscher" Rechen- und Bewertungsmaßstäbe, und schließlich die Unsicherheit über die Folgekosten, die aus der Tatsache entstehen, daß die Fristigkeit der bei Inflation noch erhaltbaren Kredite mit der Inflationshöhe immer mehr abnimmt, was die auf längerfristige Gelder angewiesenen Unternehmer von (hinsichtlich der Gewährung und/oder der Bedingungen) unsicheren Nachfolgekrediten abhängig macht. Die Zunahme der letzten beiden Unsicherheitsfaktoren differiert allerdings stark zwischen den polypolistischen und den Oligopolistischen Unternehmen, d. h. sie fällt ftir die ersteren höher aus als ftir die let~teren. 60 Die Transaktionskosten des Absatzes und die Erwartungsunsicherheit über deren Entwicklung sinken allerdings der Tendenz nach bei sehr hoher Inflation wieder, nämlich dann, wenn eine allgemeine Umschichtung der Portefeuilles zugunsten von Sachgütern zu beobachten ist, die die Unternehmer zu nicht so sorgfältiger Bildung und Reflexion über ihre(r) Absatzerwartungen verleitet.

166

5. Kap.: Inflation und Erwartungsunsicherheit

Ähnliches gilt in bezugauf die (Entwicklung der) Unsicherheit der Absatzerwartungen in Inflationen. Der Unsicherheitsgrad wird dabei unterschiedlich hoch sein, je nachdem ob die Unternehmen Absatzmenge und Absatzpreis systematisch planen, d. h. schon immer und laufend unterschiedlichste Informationen zur Erwartungsbildung sammeln und wissenschaftlich auswerten, oder ob sie sich weitgehend als Mengenanpasser (an einen vom Markt vorgegebenen Preis) verhalten und -wenn überhaupt -nur eine "bescheidene" Marktforschung betreiben. Bei ersteren (hier: den 0/igopolisten) wird die durch Inflation verursachte Gefahr von Fehlinvestitionen in der Regel -objektiv und subjektiv - nicht so groß sein, da sie über ihren Informations- und Planungs-/ Allswertungsapparat mögliche Fehlinterpretationen der Faktenlage zum Teil sozusagen "abfangen" bzw. vermeiden können, während letztere (hier: die Polypolisten) nicht oder nur selten bzw. begrenzt in der Lage sein werden, einen entsprechenden Forschungsapparat - der ja auf ihre ureigensten Bedürfnisse bzw. Verhältnisse zugeschnitten sein müßte- aufzubauen. Dementsprechend werden größere Fehlproduktionen bei letzteren, den Polypolisten, häufiger als Folge von Inflation auftreten, und aus der Erfahrung solcher Fehlproduktionen dürfte die Verunsicherung bezüglich der Absetzbarkeit der Produkte in Inflationen bei ihnen größer ausfallen als bei ersteren (den Oligopolisten). Bei sehr hoher Inflation heben sich die beschriebenen Unterschiede im Verunsicherungsgrad - allerdings nur im Hinblick auf die Absatzerwartungen - wieder tendenziell auf bzw. werden, besser gesagt, überlagert von der Wirkung der dann allgemein beobachtbaren Umschichtung der Portefeuilles zugunsten von Sachanlagen. In diesem (Hyper-)Inflationsstadium bewirkt diese Portefeuilleumschichtung eine allgemeine Erwartungshaltung, die davon ausgeht, daß alle einigermaßen wertbeständigen Güter absetzbar (tauschbar) sind. Im Hinblick auf die Kostenerwartungen werden die (marktformenbedingten) Unterschiede im Verunsicherungsgrad allerdings in der Regel noch größer werden. Schließlich wird das Ausmaß der Erwartungsunsicherheit bezüglich der Absatzerwartungen auch noch - unterschiedlich - von den subjektiv angenommenen Inflationsursachen mitbestimmt. Aus den schon öfters beschriebenen, darin beinhalteten zusätzlichen (vermeintlichen) Informationselementen wird bei einer angenommenen Nachfrageinflation die Erwartungsunsicherheit nicht so groß ausfallen wie bei einer angenommenen Kosteninflation. Im Vergleich zur Unsicherheit der Ertragserwartungen von Produktionsvorhaben stellt sich die von Wertpapieranlagen weniger differenziert und im

IV. Zusammenfassung

167

Grund auch weniger diffizil dar. Kapitalbesitzer, die ihr Kapital in Wertpapieren anlegen, wissen- bei grober Kenntnis derökonomischen Zusammenhänge-, daß der Realertrag aus einer Wertpapieranlage mit der Höhe der Inflationsrate immer unsicherer antizipiert werden kann. Der hauptsächliche Grund liegt in den immer stärkeren- unvorhersehbaren- Kursschwankungen, die vor allem durch die mit der Inflation einhergehenden Spekulationsgeschäfte ausgelöst werden. Die dadurch hervorgerufene Unsicherheit bezüglich des zu erwartenden Realertrags wird im Falle einer Anlage in festverzinslichen Wertpapieren noch durch die Unsicherheit über die Höhe der künftig zu erwartenden Inflationsrate und der damit verbundenen Realwertverluste erhöht. Diese Zunahme der Erwartungsunsicherheit ist insofern "allgemein", als sie nicht von Differenzierungen wie den oben geschilderten abhängig ist, sondern sozusagen flir alle "stetig" verläuft. 61 Demnach kann man davon ausgehen, daß eine eventuell positive Differenz zwischen den Erwartungsunsicherheiten einer Gewinnrate (einer Produktionstätigkeit) und einer W ertpapier(anlage)rendite in Inflationen bald abnimmt und verschwindet und/bzw. eine negative Differenz immer mehr zunimmt, je höher die Inflationsrate ist. Bei sehr hoher (Hyper-)Inflation wird diese - dann negative - Differenz in der Regel so groß werden, daß die Unternehmer- wenn überhaupt- Wertpapiere nur mehr aus reinen Spekulationsgründen kaufen, jedoch nicht mehr unter mittel- oder längerfristigen (Vermögens-)Anlagegesichtspunkten, und ansonsten Gewinne entweder in "unmittelbare" Produktionsmittel (Investitionsgüter- und/oder Unternehmenskäufe) oder in wert- bzw. lagerbeständige Hort-Warenbestände6 2 umsetzen.

61 Selbst Unterschiede in den Erwartungsunsicherheiten von "Profis" und "Laien" des Wertpapiergeschäfts dürften nur gradueller Art sein. 62 -daneben aber auch- unter Umständen- in Devisen oder ausländische Wertpapiere. (Diese Anlagealternative spielt jedoch erst dann eine Rolle, wenn die Inflationsentwicklungen in einzelnen Ländern sehr unterschiedlich verlaufen.)

Resümee

I. Ausgangspunkte Das Forschungsinteresse des Autors an der behandelten Thematik, die man gemeinhin auch mit "Wachstumseffekte von Inflation" kennzeichnet, wurde geweckt a) durch die Widersprüchlichkeit der Aussagen in der nationalökonomischen Literatur zur Frage des Einflusses von Inflation auf das Wirtschaftswachstum- eine Widersprüchlichkeit, die so frappierend ist, daß man ohne weiteres sagen kann, daß kaum eine Thematik in der Nationalökonomie so ungeklärt ist wie die genannte. Jedoch ist Widersprüchlichkeit gar kein notwendiges Indiz fl.ir die Ungeklärtheil einer Frage, was ins Auge sticht, wenn man den ,Ad-hoc'-Charakter einzelner Aussage(linie)n innerhalb der angesprochenen Diskussion für sich betrachtet- und b) angesichts der Diskrepanz zwischen dieser Widersprüchlichkeil bzw. Aussagevielfalt in der Theorie und der relativen Einheitlichkeit des Legitimationskanons staatlicher Antiinflationspolitik in den westlichen lndustrienationen. Während in der durch die Dokumentation der Notenbanken, der Regierungen und ihrer Beratungsstäbe öffentlich gemachten Meinung Inflation nicht zuletzt (auch) deswegen bekämpft werden muß, weil sie das Wirtschaftswachstum behindere!, sprechen nicht wenige Ökonomen der Inflation eine solche - wachstumshemmende - Wirkung ab. So reduziert sich beispielsweise fl.ir So/ow (1975; S. 44, 45, 65) die negative Wirkung von Inflation allein auf Umverteilungseffekte, und Stre(ßler u. a. schreiben in ihrem Gutachten fl.ir die Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel (1976; S. 88): "Uns erscheint der Rang des Zieles der Geldwertstabilität in der politischen Diskussion .. . maßlos übertrieben." Entsprechend äußerte sich auch Johnson (1975; S. 23): "Die gegenwärtige populäre Betonung auf Preisstabilität als einem Ziel der Wirtschaftspolitik ist eine politische Vereinfachung ohne vergleichbare theoretische Begründung." Daneben gab es auch immer schon Ökonomen, die Inflation explizit als wachstumsfördernd I In der Heftigkeit der Vertretung dieser Meinung nehmen die offiziellen Organe in der Bundesrepublik zweifelsohne mit eine Führungsposition ein. Dies zeigt sich sehr leicht bei einem Vergleich der jeweiligen Berichte und Gutachten.

I. Ausgangspunkte

169

bzw. -notwendig bef\irworteten2 , wie zum Beispiel Vickrey (1954) und S/ichter (1961 ).3 Jedoch sind diese Analysen - genauso wie die Analysen, die zu einem wachstumshemmenden Effekt von Inflation gelangten-, wenn man sie näher betrachtet, meist pauschal und spiegeln doch einen starken ,Ad-hoc'Charakter wider. Um so wichtiger erscheint es - angesichtsdessen -,zu versuchen, ein wenig (mehr) Licht in das bisher noch weitgehend vorherrschende "Dickicht" zu bekommen. Die Ebene der bisherigen sich widersprechenden und pauschalen Aussagen kann jedoch nur dann verlassen werden, wenn die Fragestellung stärker strukturiert und gleichzeitig differenziert wird. Durch die Betrachtung und Integration der bisher gründlicher nur durchgeführten "Einzelfaktoruntersuchungen", die den Einfluß von Inflation auf nur jeweils einzelne wachstums(mit)bestimmende Größen untersuchten, innerhalb eines geschlossene(re)n Ansatzes wird es erst möglich, schlüssigere Ergebnisse als bisher abzuleiten. Dies wurde in dieser Arbeit versucht. Die Darstellungsweise war deswegen bewußt theoretisch gehalten, da es ja (erst einmal) darum ging (geht), eine allgemeinere Analysestruktur zu entwickeln und durchzuhalten, die die einzelnen, bisher gemachten Beobachtungen integrativ verarbeiten kann. Darüberhinaus war dies aber auch dadurch bedingt, daß die dem Wirtschaftswachstum zugrundeliegenden Akkumulationsentscheidungen auf empirisch oft nur schwer faßbaren Erwartungs(bildungs)prozessen beruhen. Gerade dieses Erwartungsbildungsproblem wurde bisher in den empirischen Untersuchungen entweder gar nicht oder zumindest ziemlich unbefriedigend berücksichtigt.4 Es bleibt weiteren, eigenständigen Arbeiten vorbehal2 Man muß jedoch betonen, daß dies in der Regel nur für relativ niedrige Inflationsraten zutraf. 3 Implizit wird Inflation auch von vielen Autoren als wachstumsfördernd hingestellt, die "Einzelfaktoruntersuchungen", i. e. hier: Untersuchungen über die Wirkung von Inflation auf eine einzelne W achstumsdeterminante, durchführen und die gefundene Wirkung auf "das Wachstum an sich" übertragen. (Vgl. beispielsweise Mundeil (1963), der aus einem auf seine Fragestellung zugeschnittenen Modell eine Realzinssenkung als Folge von Inflation ableitet und aufgrund dieser Ableitung am Schluß sofort auch (allgemein) auf eine wachstumsfördernde Wirkung von Inflation schließt. Oder vergleiche Griffiths, der schreibt (1976 ; S. 121): " .. . This means that the real rate of interest falls, and may even become negative. As a result, investment and therefore growth, is stimulated." ) 4 Die "Naivität", mit der die Zeitreihenvergleiche von statistischen (ex post-) Wachstumsraten des Preisniveaus und des Bruttosozialprodukts als Belege für "Wachstumseffekte von Inflation" interpretiert wurden, spricht dafür Bände. Vgl. zu solchen Interpretationen Eckstein (1958), Marget (1960), Klein/ Bodkin (1964), Conard (1964), Odeh (1964), Dorrance (1966), Vosgerau (1967), Barth (1969; S. 13-16) und Lucas (1973).

170

Resümee

ten, hier mehr Licht auf diese (Erwartungsbildungs-)Prozesse zu werfen, und dadurch eine geeignetere Datenbasis zu schaffen, die als Grundlage einer Bestätigung oder Nicht-Bestätigung der hier gefundenen (mehr theoretischen) Ergebnisse dienen kann. Um die Darstellung nicht zu "überfrachten", wurde in dieser Arbeit ein sehr einfaches, jedoch grundlegendes Akkumulationskonzept zugrundegelegt, das dem Keynesschen in der Struktur entspricht und von der Akkumulationsentscheidung(ssituation) eines "repräsentativen" Unternehmers ausgeht. Grundlage dieser Entscheidung ist ein Vergleich der alternativen Ertragserwartungen einer Investition in Sachanlagen (Produktion) und einer Finanzinvestition (Wertpapieranlage) unter Berücksichtigung der jeweiligen Ertragserwartungsunsicherheiten. Da es nun sehr problematisch ist (wäre), anzunehmen, daß die Wirkung von andauernden Preissteigerungen (= "Inflation") auf eine solche Akkumulationsentscheidung(ssituation) immer gleich ist, wurden oben neben allgemeinen Akkumulationskriterien auch differenzierte (Test-)Wirkungsbedingungskriterien eingeführt, d. h. Kriterien, von denen zu vermuten ist, daß sie je nach Vorherrschen verschiedener Ausprägungen (in alternativen Kombinationsformen)jeweils unterschiedliche Wirkungsergebnisse der Akkumulationsentscheidung mit sich bringen (könnten). Als entscheidende Kriterien wurden a) die von den Akkumulatoren angenommene(n) Inflationsursache(n), b) die Marktform, in der die Akkumulatoren eingebettet sind, und c) die Höhe und Dynamik der Preissteigerungen zugrundegelegt Die betrachteten unterschiedlichen Ausprägungen waren: (zu a) vermeintliche Nachfrage- und Kosteninflation, (zu b) Oligopol und Polypol, (zu c) niedrige, hohe und "Hyper"-Preissteigerungen mit jeweils steigender Entwicklungsdynamik. Die Leitfragen dieser Arbeit waren dementsprechend folgende: - Was für Auswirkungen würde es auf die Kapitalakkumulation bzw. deren Rate haben, wenn man die Inflation "laufen ließe"? - Ist "Inflation" gleich "Inflation" für den Akkumulator, oder spielt nicht (und inwiefern) die jeweils von den Entscheidungsträgem vollzogene Einschätzung der Preissteigerungen als (eher) nachfrage- oder als (eher) kostenbedingt eine Rolle bei der Akkumulationsentscheidung? - Ist die Wirkung von Inflation auf eine Entscheidungssituation nicht abhängig davon, welche Freiheits- oder Aktionsspielräume der zu Entscheidende besitzt? Oder auf die Fragestellung hier umgemünzt: Reagiert der Oligopolist, der andere Entscheidungs- (und/bzw. lnformations)spielräu-

II. Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse

171

me besitzt als der Polypolist, bei der Akkumulationsentscheidung nicht anders auf Preissteigerungen als dieser? Und schließlich: - Besteht nicht ein essentieller Unterschied zwischen geringen Preissteigerungen und einer hohen oder gar Hyper-Inflation in bezug auf die Auswirkungen auf die Akkumulationsentscheidung eines Unternehmers?

II. Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse In den einzelnen Kapiteln dieser Arbeit wurde der Einfluß von Inflation auf die einzelnen (in Gleichung (10) des Einleitungskapitels abgeleiteten) Determinanten der Akkumulationsrate unter Berücksichtigung der eben formulierten Leitfragen untersucht. Daraus ergab sich, daß man nicht davon ausgehen kann, daß Inflation in jeder Situation, d. h. hier konkret : bei jeder Ausprägungskombination der oben eingeführten Differenzierungsmerkmale, gleich stark oder überhaupt in gleicher Richtung auf diese Determinanten und damit letztlich auf die Wachstumsrate wirkt. Dies soll im folgenden noch einmal veranschaulicht werden, wobei - sicherlich verkürzt und auch nur im Zusammenhang mit den obigen Ausführungen voll nachvollziehbar - die jeweiligen Einzeleffekte möglichst vollständig aufgeführt werden sollen, - auch auf die Gefahr hin, daß dadurch der falsche Eindruck einer immer eindeutig angehbaren Wirkung(srichtung) erweckt wird. Im Prinzip sind alle angegebenen Einzelwirkungen nur Tendenzaussagen, die auf der Grundlage der obigen Argumentationslinien in Verbindung mit den überprüften einschlägigen empirischen Untersuchungen zustandegekommen und je nach dem gegebenen Einzelfall mehr oder weniger stark bestätigt worden sind. Die Darstellung des Einflusses von Inflation auf das Wirtschaftswachstum wird in Rückbezug auf den in der Gleichung (10) des Einleitungskapitels abgeleiteten Wirkungszusammenhang (nochmals) analytisch aufbereitet und unter Anwendung der obigen Differenzierungsmerkmale vergleichend durchgeführt: 5

5 Als "Haupt-"differenzierungskriterium wird bei der folgenden Darstellung die Inflationshöhe, d. h. das Inflationsstadium, genommen. Diese Verfahrensweise ist jedoch letztlich willkürlich. Es kann genauso gut eines der beiden anderen Kriterien dazu verwendet werden.

dg = dp

I

- i

Nachfrageinflation

HyperInflation• (H VI)

>0

=0

) 0 I

I

I

>0

=0

I

I I

=0

Kosteninflation

>0

~

:

I

I

0

I I

I I

) 0

0

~I

l

I

>0

>0

0

I

I

I

(~)

0

0

§]

I

Fol

I I

(~)0

I

0

I

(~)

:

I I

r 0.

Der zweite additive Faktor auf der rechten Seite der Gleichung entspricht dem üblichen adaptiven Element. Der erste Faktor dagegen stellt das in der Literatur sonst nicht übliche regressive Element dar. Es besagt einfach folgendes: Übersteigt die sich tatsächlich realisierende Inflationsrate die erwartete durchschnittliche ("normale"), so werden sich die Individuen dem langfristig erwarteten Trend anpassen und ihre Inflationserwartungen ftir die nächste Periode senken. Liegt die tatsächliche Inflationsrate unter der erwarteten langfristigen, so werden sie ihre Inflationserwartungen erhöhen. Die Inflationsentwicklung läuft nach diesem regressiven Erwartungsschema um einen langfristig erwarteten Trend herum, so daß einer Abweichung nach oben zumindest irgendwann einmal- bei Frenkel restriktiver: in der jeweils folgenden Periode - eine Abweichung nach unten folgen muß. Diese Erwartungsbildung nach dem regressiven Schema entspricht der oben angeführten "Möglichkeit (3)". Das Neue, Spezifische dieses Modells besteht, wie gesagt, in der Einftihrung einer erwarteten "normalen" Inflationsrate. Die Frage ist jedoch, wie sich eine solche erwartete "normale" Änderungsrate begründen läßt. Frenkel selbst schweigt sich darüber aus. Man kann sich eigentlich nur eine realistische Möglichkeit vorstellen, daß der Staat eine ganz bestimmte Änderungsrate als wünschbar vorgibt und sich verpflichtet bzw. verkündet, für die Aufrechterhaltung dieser Rate zu sorgen. Dies wäre ein Ausgangspunkt für den Einbezug einer solchen erwarteten "normalen" Rate in das Inflationserwartungsbildungsschema der Individuen. Wenn sich aber zeigt, daß der Staat nicht in der Lage ist, diese Orientierungsmarke langfristig - mit mehr oder minder großen Schwankungen- konstant zu halten, und/oder die Individuen die Systematik der Trendentwicklung wegen der permanenten (vor allem) konjunkturell bedingten Abweichungen nicht perzipieren, so werden sie mehr oder minder schnell wieder das regressive Element aus ihrem Erwartungsbildungsschema "streichen".

III. Die "rationale" Erwartungsbildungshypothese

195

3. Die Kritik an der adaptiven Erwartungsbildungshypothese Bis heute dominiert in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur eindeutig (bis vor kurzem fast vollkommen) die Vorgehensweise oder Praxis, Inflationserwartungen Ga überhaupt Erwartungen über die Entwicklung von Entscheidungsvariablen) innerhalb von theoretischen Modellen, vor allem als Grundlage ihrer empirischen Überprüfung, nach dem eben beschriebenen autoregressiven Schema anzusetzen, d. h. als gewichteten Durchschnitt der beobachteten Vergangenheitswerte von Inflation (bzw, der jeweiligen, eben selben Variablen) darzustellen. Erst Anfang der sechziger Jahre setzte mit einem Aufsatz von John F. Muth (1961) in der Zeitschrift "Econometrica" explizit eine Kritik an dieser Vorgehensweise ein. Diese Kritik blieb wohl für fast ein Jahrzehnt unbeachtet bzw. auch unverstanden, was zum Teil auch an dem von Muth zur Illustration seiner Argumentation verwandten vereinfachten Modell gelegen haben dürfte 12 , doch wurde sie Anfang der siebziger Jahre von verschiedenen Autoren wieder- bzw. neuentdeckt (im Sinne von neu verstanden) und gewann seitdem zunehmends an Popularität. Hintergrund dieser Kritik war und ist die Auffassung, daß sich die Handlungssubjekte in der Ökonomie bei ihrer Erwartungsbildung nicht nur auf die beobachteten Vergangenheitswerte der zu prognostizierenden Variablen stützten, sondern auch andere Informationen mit in ihr Kalkül aufnähmen. Da nicht a priori auszuschließen sei, daß die Wirtschaftssubjekte andere prinzipiell zur Verfügung stehende Informationen bei ihrer Erwartungsbildung berücksichtigen, bedeutete - so lautet die Kritik - die extrapolative bzw. autoregressive Darstellung des Erwartungsbildungsprozesses in der Wirtschaftstheorie eine durch nichts begründbare eingeengte Sichtweise dieses Prozesses in der Realität. Sie lasse sich nur folgendel"Qlaßen interpretieren, daß die Wirtschaftssubjekte entweder a)außer den Vergangenheitswerten der betreffenden Variablen keine Informationsmöglichkeiten haben, oder b) falls sie doch zusätzliche Informationen haben, diese nicht berücksichtigen in ihrer Prognose, oder c) vorhandene Informationen aus Kostengründen nicht ausschöpfen können. Welche Interpretation von den jeweiligen Autoren auch immer gewählt wird, in ihrer Kritik greifen sie meistens 12 Unglücklicherweise benutzte Muth zur Illustration seiner Alternativhypothese ein Modell mit nur einer exogenen Variablen, das selbst wieder auf eine einfache autoregressive Form zurückfUhrbar ist und so die Empfanger seiner Kritik eher bestätigt als verunsichert haben dürfte. Erst ein entsprechendes Modell mit mehreren exogenen Variablen (~ 2) ist nicht mehr autoregressiv darstellbar und von daher ftir die Illustration seiner Alternativhypothese geeignet.

196

Anhang A

auf die Empirie zurück, wie beispielsweise Wa/ters (1971; S. 273): "If expected prices are determined by history, there is no separate role to be played by current economic events. Yet it is weil known that such events do indeed affect current expectations." Zudem steckt hinter der Kritik am Ansatz autoregressiv formulierter Erwartungen die prinzipielle, "anthropologische" Annahme, daß sich die Wirtschaftssubjekte auf Dauer nicht täuschen lassen. Enttäuschungen nach Fehlprognosen mit ihrem übervereinfachten Ansatz werden die Wirtschaftssubjekte dazu bringen, ihren Ansatz zu überdenken und zu ändern, in unserem Falle konkret gesprochen: zusätzliche Informationen mit in ihr Kalkül zu nehmen. Tay/or (1975; S. 1009) formuliert dies folgendermaßen, "that economic agents have leamed from their mistaken predictions of the past." 13 Doch nicht nur eine eingeengte Sichtweise realer Prozesse sehen die Kritiker des Ansatzes autoregressiver Erwartungsbildung als Gefahr, sondern und nach meiner Einschätzung in erster Linie die Einschränkung der Prognosefähigkeit und des Prognoseerfolges eines solchen Ansatzes. Würden nämlich die Wirtschaftssubjekte ihre Erwartungen auf der Grundlage sorgfältigerer Informationen formen als es die Theorie extrapolativer Erwartungsbildung annimmt, so würde - so die These - die empirische Überprüfung von auf dieser Theorie basierenden Hypothesen bezüglich der Effekte von Inflationserwartungen auf bestimmte ökonomische Größen zu irreleitenden Ergebnissen fl.ihren.l4

111. Die "rationale" Erwartungsbildungshypothese 1. Darstellung

Der Inhalt der eben geschilderten Kritik an der Theorie autoregressiver Erwartungsbildung bildet sozusagen auch das theoretische Grundpolster der sich als Alternative verstehenden Theorie der rationalen Erwartungsbi/dung, die im wesentlichen der obigen Möglichkeitsvariante (5) entspricht. 13 Wenn man Hicks' Einteilung von Informationstypen, die dem Preiserwartungsbildungsprozeß zugrundeliegen, folgt (Hicks (1946; S. 204)), so bedeutet die geschilderte Kritik am Ansatz autoregressiver Erwartungsbildung, daß die Inflationserwartungen nicht nur anband der Inflationserfahrung - "actual experience of prices, experience in the past and experience in the present" - geformt werden, sondern auch auf der Grundlage von Informationen über ökonomische Strukturverschiebungen wie Änderungen der Geld- und/oder Fiskalpolitik und auch von allgemeinen Kenntnissen bzw. Informationen über politische und andere Entwicklungen. 14 Vgl. Rutledge (1974; S. 93 und 99) und Nelson (1972; S. 12).

III. Die "rationale" Erwartungsbildungshypothese

197

Nach dieser Theorie finden es die Wirtschaftssubjekte vorteilhaft - es ist ftir sie aus Nutzen- bzw. Gewinnmaximierungsgründen "rational" -,sich Informationen zu verschaffen über den Entstehungsprozeß und Bedingungskomplex inflationärer Entwicklung. Das heißt aber nichts anderes, als daß die Individuen auf den Spuren der Wirtschaftswissenschaftler wandern und ähnliche Gedankengänge nach- bzw. auch vollziehen. Auf diese Weise hoffen sie, genauere Vorhersagen (Erwartungen) über die Wirtschaftsentwicklung bzw. über die Entwicklung einer relevanten Variablen treffen zu können.

Muth, der als erster die Theorie rationaler Erwartungsbildung mehr oder weniger (un-)genau ausformuliert hat, und auf den sich fast alle Vertreter der rationalen Erwartungsbildungshypothesen explizit beziehen, geht davon aus, daß die Entscheidungssubjekte durch Informationsgewinnung einen Informationsstand erlangen, der ihnen erlaubt, Erwartungen zu bilden, die "im wesentlichen" mit denen der fUhrenden Wirtschaftswissenschaftler bzw. der herrschenden Wirtschaftswissenschaft (Muth spricht von "the relevant economic theory") übereinstimmen. Durch solche Konsistenz ausgezeichnete Erwartungen nennt Muth "rational". Der von den Individuen rational antizipierte Wert einer Variablen entspricht nach Muth dem mathematischen Erwartungswert des tatsächlichen, sich innerhalb des in der "relevant economic theory" unterstellten Modells realisierenden Gleichgewichtswertes. Der Erwartungsbildungsprozeß erfolgt aufgrund der Kenntnis der sich nach Muth in "der relevanten Theorie" widerspiegelnden logischen Struktur des ökonomischen Wirkungszusammenhangs - einer Kenntnis allerdings, die in dem Sinne "unsicher" ist, als sie sich nur auf einem stochastischen Hintergrund abbildet. Das heißt, das theoretische Modell, auf das sich die Kenntnis, allgemein der Informationsstand, bezieht, ist (nach Muth) kein Modell vollkommener, sondern nur unvollkommener Voraussicht, berücksichtigt also die Tatsache der Ungewißheit zukünftiger Entwicklungen. Der antizipierte Wert der ökonomischen Variablen, der sich aus demjedem bekannten (- so die Annahme der rationalen Erwartungshypothese -)theoretischen Modell, das die logische Struktur des ökonomischen Wirkungszusammenhangs abbildet, schließen läßt, sozusagen (formal gesprochen) als Ergebnis der reduzierten Form des Modells bezüglich der betreffenden Variablen, folgt somit aufgrunddes angenommenen stochastischen Charakters des theoretischen Modells Zufallsgesetzen. Formal kann man dies wie folgt formulieren:

x 1 = x1(u), wobei u eine stochastische Störgröße ist, und zwar die Störgröße der reduzierten Gleichung des theoretischen Modells bezüglich der betref-

198

Anhang A

fenden Variablen in t, die selbst als abgeleitete Größe aus den Störgrößen der Modellgleichungen entsteht. Die Verteilung von u wird von Muthals allen Wirtschaftssubjekten bekannt und der wahren Verteilung identisch angenommen.15 Aufgrund der Annahmen, daß alle Wirtschaftssubjekte alle relevanten Informationen kennen, darunter auch das theoretische Modell (d. h. auch die reduzierten Formen) und die wahre Verteilung von u, und diese auch verwerten (d. h. in ihrem Erwartungsbildungsprozeß "adäquat" berücksichtigen), kommt die Theorie rationaler Erwartungen zu dem Ergebnis, daß sich die erwartete Inflationsrate nur 1,zujä/lig'' von der sich tatsächlich realisierenden unterscheidet. An einem einfachen Modell, das dem von Vertretern. der rationalen Erwartungshypothese verwendeten 16 entspricht 17, soll dies anschaulich gemacht werden: (I) (li)

(III)

m= mp, a) + u3

(IV)

pe

= E(p/Modeii).IS

(I)

beschreibt eine Phillips-Relation; stellt die Gleichung für das Gütermarkt-Gleichgewicht und (III) die Gleichung für das Gleichgewicht auf dem Geld"markt" dar; (IV) _ schließlich gibt den speziellen lnflations-Erwartungsbildungsprozeß an. (li)

Die reduzierte Form des obigen Gleichungssystems lautet: p

(X)

= pe + ape + ßm + y + u.19

15 D. h., die subjektiven Wahrscheinlichkeitsverteilungen sind immer gleich den objektiven. 16 Vgl. beispielsweise Sargent (1973) und Sargent und Wallace (1975). 17 -hier in Wachstumsraten formuliert-. lnvesti tionen Ersparnis 18 g: = - - - - gs: = ---=---Kapitalstock Kapitalstock m·.i:

Geldangebot Kapitalstock

= Geldzins;

Geldnachfrage Kapitalstock a:

= Auslastungsgrad.

u1 , u2 , u3 : = Störvariable. 19 a,ß und y sind Konstante mit a,ß > 0 und y < 0. u ist ein stochastischer Störterm, der sich aus u1 , u2 und u3 aus den Gleichungen (I) bis (III) zusammensetzt.

III. Die "rationale" Erwartungsbildungshypothese

199

Bildet man den Erwartungswert über (X), so erhält man (XX)

E(p)::::: E(p)

+ aE(p) + ßE(m) + y + E(u).

Unter Berücksichtigung von (IV) und Eu= 0, reduziert sich die Differenz zwischen (X) und (XX) zu p::::: pe

+ ß(m -

E(m))

+ u.

Da in der Theorie rationaler Erwartungen angenommen ist, daß die Wirtschaftssubjekte alle relevanten Informationen, also auch die über die (Re-) Aktionen der Geldpolitik besitzen,ist impliziert, daß m =E(m) + ü, (ü: =ein Störterm), so daß die obige Gleichung zu p::::: pe

+ Ü,

(ü: :::::

U

+ ßü)

"zusammenschmilzt". Die zentrale Aussage der rationalen Informationserwartungsbildungshypothese lautet dementsprechend:

pf::::: Pr - Ur· 20

2. Die "ökonomisch-rationale" Erwartungsbildungshypothese als ein Ergebnis der Kritik an der "rationalen" Erwartungstheorie Vielfältige Kritikwurde und wird an der Muthschen Version der rationalen Erwartungsbildungs-Hypothese geübt. Der am häufigsten genannte Kritikpunkt dürfte dabei der an der Annahme kostenloser Informationsgewinnung sein. 21 Besonders die Vertreter der sogenannten "Neuen Mikroökonomie" weisen immer wieder darauf hin, daß Information kein freies Gut darstelle22, sondern zu seinem Erwerb knappe Ressourcen aufgewendet werden 20 wobei eben immer vorausgesetzt ist, daß die stochastischen Störgrößen die üblichen Annahmen erfüllen, nämlich den Mittelwert Null haben und mit den im Modell bzw. allgemeiner im Informationsstock enthaltenen Variablenunkorreliert sind. 21 Bei der obigen Diskussion der Möglichkeitsvariante (5) wurde darauf hingewiesen, daß die Annahme kostenloser Informationsgewinnung nicht unbedingt der Hypothese zugrundeliegen braucht, sondern alternativ einfach von einer Anfangsausstattung ausgegangen werden kann, die den maximal möglichen Informationsstock völlig beinhaltet. Doch läßt sich solch eine Aussage nur innerhalb einer statischen Theorie aufrechterhalten. In einer dynamischen Theorie tritt "automatisch" ein Rekursionsproblem auf, so daß man zwangsweise wieder zur Frage der Informationsgewinnung und damit deren Kosten kommt. 22 Interessanterweise behauptet Muth dasselbe: Seine "Hypothese rationaler Erwartungen" geht davon aus (196I; S. 316): "Information is scarce, and the economic system generally does not waste it." Normalerweise bedeutet dies jedoch auch, daß die Kosten der Informationssammlung strikt positiv sind. Letzteres wäre jedoch mit Muths Theorie nicht vereinbar.

200

Anhang A

müssen. Aufgrund dessen ist auch nach Laidlers Ansicht der Rationalitätsbegriff der rationalen Erwartungsbildungshypothese mehr statistischer als ökonomischer Natur. Ein "ökonomisch-rational" Handelnder ist dagegen nach Laidler (1976) dadurch charakterisiert, daß er flir die Tätigkeiten des Informationssammelns und -verarbeitens (knappe) Ressourcen aufwendet, und zwar so viele, bis der Grenzertrag dieser Ressourcenaufwendung gleich ist dem Grenzertrag, den die Ressourcen in anderen Alternativanwendungen erzielen könnten. Solche und ähnliche Gedankengänge bilden den theoretischen Hintergrund des Ansatzes von Feige und Pearce (1976), die ein Modell entwickelten, in dem sie versuchten, die Hypothese rationaler Erwartungen mit dem Konzept unterschiedlicher Informationskosten zu verbinden. Sie nannten ihren Ansatz, der der obigen Möglichkeitsalternative (6) entspricht, den ,,ökonomisch-rationaler" Erwartungsbildung und ordneten ihn als einen Kompromiß, als ein "Mittelding" zwischen der Hypothese autoregressiver Erwartungsbildung und der reiner rationaler Erwartungsbildung ein.23 Dieser Ansatz betont nach den Worten von Feige und Pearce nur, daß ein Wirtschaftssubjekt bei der Bildung von Inflationserwartungen den trade-off zwischen Erträgen und Kosten zusätzlicher Information(sgewinnung) betrachtet. Ein solchermaßen handelndes Wirtschaftssubjekt verhalte sich "ökonomisch rational". Formalläßt sich dies folgendermaßen ausdrücken: Die Kosten einer Fehleinschätzung der Inflation (Cp) können durch eine quadratische Verlustfunktion dargestellt werden: (!)

Cp= k. (pr+I- pi)2.

Die Informationskosten (C1) sind in Gleichung (2) angegeben: (2)

c1 = i=l 1:: c. r; m

I

I

(c; ist der Preis fl.ir den i-ten Informationstyp I;; i=l, ... ,m)

Die gesamten Transaktionskosten (Cr,) ergeben sich als die Summe aus den Kosten einer Fehleinschätzung der Inflation (Cp), wobei die negativen Kosten sozusagen die Opportunitätskosten einer Nichtanwendung von Informationen darstellen, und den Informationskosten (C1): 23 - was dem allgemeinen Verständnis bzw. der allgemeinen Interpretation der beiden Hypothesen entspricht. Rutledge (1974) beispielsweise charakterisiert die beiden Ansätze wie folgt : " .. . the tacit assumption in allautoregressive models of expectations - that other types of information are too costly relative to their return to be collected by investors - . . ." (S. 44 f.) bzw. "(next,) we consider a more restrictive assumption, "Rational Expectatiqns", which says that the world can be treated as if costs of collecting information were essentially zero." (S. XIII)

IV. "Adaptive" versus "rationale" These (3)

CTr =k · (p,+ 1 - pj)

2

201

m + 1=1 .I: C;l; .

Da man annehmen kann, daß der quadrierte Prognoseirrtum eine Funktion des Umfangs und Typs der augewandten Informationen ist, d. h.