Impfung und Aufopferungsentschädigung [1 ed.] 9783428431052, 9783428031054

115 95 6MB

German Pages 89 Year 1974

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Impfung und Aufopferungsentschädigung [1 ed.]
 9783428431052, 9783428031054

Citation preview

PETER

SCHIWY

I m p f u n g u n d Aufopferungsentschädigung

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht B a n d 12

Impfung und Aufopferungsentschädigung

Von D r . Peter Schiwy

DUNCKER &

H U M B L O T / B E R L I N

Alle Hechte vorbehalten © 1974 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1974 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed In Germany

ISBN 3 42803105 9

Meinem lieben Vater i n dankbarer Erinnerung

Inhaltsverzeichnis I. Einleitung II.

III.

9

Impfung

10

1. Geschichtliche E n t w i c k l u n g

10

2. Definition

12

Geschichtliche Entwicklung schäden bis 1961

des Auf Opferungstatbestandes

für

Impf-

14

1. Die wohlerworbenen Rechte (iura quaesita) u n d das ius eminens

14

2. §§ 74, 75 E i n l A L R

15

3. Weimarer Verfassung

18

4. Grundgesetz

19

I V . Aufopferung

— aufopferungsgleicher

V. Geltungsgrund

Eingriff

22

des Aufopferungsanspruchs

27

1. Gewohnheitsrecht

28

2. A r t . 14 G G L Vbdg. m. A r t . 1, 2 G G

29

3. A r t . 3 GG

30

4. §§ 74, 75 E i n l A L R

32

5. Gesamtschau

33

VI. Normenrang V I I . Umfang

des Aufopferungsanspruchs

34

des Aufopferungsanspruchs

37

1. Schadensersatz-Entschädigung 2. Materieller Schaden, gangener G e w i n n

37

insbesondere

Verdienstausfall



Ent-

3. Immaterieller Schaden V I I I . Gesetzeskompetenz bei Impf schaden

zur Regelung

38 41

der

Aufopferungsentschädigung

47

1. Sachzusammenhang u n d Annexkompetenz

47

2. Analogie zu A r t . 74 Nr. 14 GG

49

3. Ergebnis

52

Inhaltsverzeichnis

8 IX.

Regelungen

im Bundesseuchengesetz

53

1. A r t e n der I m p f u n g

53

a) Pflichtimpfung

54

b) Begrenzte Pflichtimpfung

57

c) Empfohlene I m p f u n g

57

d) Reiseimpfung

58

e) Impfungen Deutscher außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes

59

aa) Auslandsimpfungen

59

bb) Impfungen von Deutschen auf ehemaligem Reichsgebiet außerhalb der Bundesrepublik

60

f) Würdigung

61

2. Impfschaden

62

a) Legaldefinition

63

b) Beweislast

63

3. Enumeration — Aufpfropfung des Bundesversorgungsgesetzes . .

64

4. Mitverschulden Fassung

68

nach

Bundesseuchengesetz

alter

und

neuer

5. V e r j ä h r u n g

70

6. Anspruchskonkurrenz

71

7. Rechtsweg

71

X . Vom Bundesseuchengesetz

nicht erfaßte Fälle

75

1. Einmaliger Sachschaden

75

2. V o m Impfgeschädigten zu ersetzender Drittschaden

76

3. Rechtslage nach allgemeinem Aufopferungsrecht

76

4. Der allgemeine Aufopferungsanspruch als Auffangtatbestand . .

78

5. Gesetzgebungskompetenz f ü r die v o m Bundesseuchengesetz nicht erfaßten Fälle

80

Literaturverzeichnis

83

I. Einleitung Unter dem Eindruck einer gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 1 fanden i n dem 1961 geschaffenen Bundesseuchengesetz2 auch Bestimmungen über die Impfung und die Entschädigung von gesundheitsbeeinflussenden Impffolgen Aufnahme. Damit wollte der Gesetzgeber eine umfassende Regelung für die Impfentschädigung treffen 3 . Doch schon zehn Jahre später sah er sich zu einer grundlegenden 4 Novellierung dieser Bestimmungen veranlaßt 5 . Durch diese Novelle w i r d die Entschädigung für Impfschäden als Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz gestaltet 6 . M i t dieser Neuregelung kommt der Impfung und der Entschädigung gesundheitsbeeinflussender Impffolgen wieder erhöhte Aufmerksamkeit zu. Damit ist Veranlassung gegeben, sowohl die Rechtmäßigkeit als auch die Zweckmäßigkeit der gegenwärtigen Regelung zu überprüfen, wobei auch Entwicklungen auf verwandten Gebieten Berücksichtigung finden müssen. Voraussetzung dafür ist die Klärung der Frage, was eigentlich Impfung ist und welche Entwicklung zur Impfentschädigung und deren Ausgestaltung i m heutigen Recht geführt hat.

ι B G H Z 9, 83 ff.; B G H Z 24, 45 ff.; B G H Z 31, 187 ff. « V o m 18. J u l i 1961, B G B l I , S. 1012, berichtigt B G B l I , S. 1300. s BT-Drucksache VI/1568, S. 6. 4 Das erste Gesetz zur Änderung des Bundesseuchengesetzes (vom 23. Januar 1963, B G B l I, S. 57) ergänzte die Impfungen betreffenden Bestimmungen des Gesetzes u m die Regelungen der damaligen §§ 14 a u n d 51 Abs. 4; sie betrafen die I m p f u n g bzw. die Beweislast bei der Entschädigung von Impfschäden, die als Folge v o n Poliomyelitisimpfungen m i t lebenden Erregern auftraten. « Zweites Gesetz zur Änderung des BSeuchG v o m 25. August 1971, B G B l I, S. 1401. β Vgl. § 51 Abs. 1, S. 1 BSeuchG n. F.

II. Impfung

1. Geschichtliche Entwicklung Durch Jenners Entwicklung der Impfung vor rund 200 Jahren 1 wurde dieses medizinische Verfahren zur Immunisierung öffentlich bekannt. Die Entwicklung einer wirksamen Pockenprophylaxe veranlaßte die Staaten Europas i m Laufe des 19. Jahrhunderts, dieses System zu nutzen. Schon 1805 machte Spanien durch eine Verordnung des Königs Carlos IV. als erstes Land die Pockenschutzimpfung zur Pflicht 2 . Wenig später befahl auch Napoleon die Pflicht-Impfung für alle Soldaten ohne Pockennarben 3 . I n Deutschland führte als erstes Bayern 18074 durch Gesetz eine obligatorische Impfung der Kinder i m ersten Lebensjahr ein. I h m folgte 1815 m i t der Einführung obligatorischer Impfung i n gleicher Frist Baden; auch Hessen, das Großherzogtum Sachsen, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Hamburg hatten ähnliche Bestimmungen getroffen 5 . I n Preußen war die Pockenimpfung i m Heer seit 18266, die Wiederimpfung seit 18347 obligatorisch. Demgegenüber enthielt das preußische Regulativ für ansteckende Krankheiten von 18358 nur eine dringende Empfehlung der Impfung. Es sah eine Impfpflicht allerdings auch vor, jedoch nur für den Fall einer Pockenepidemie. U m aber i n den Genuß wohltätiger preußischer Staatsinstitutionen zu kommen, mußte eine Impfung nachgewiesen werden 9 . ι Nach Heun §2, S.4: 1772; nach Sahm S. 5: 1796; Kastner §2, S. 9 weist n u r darauf hin, daß Jenner „seit 1772 als A r z t i n seiner Heimatstadt tätig w a r " . Jenners Verfahren basierte auf der Erkenntnis, daß die auf Melker übertragene Kuhpocken-Erkrankung diesen M e l k e r n Schutz vor einer A n steckung durch Pocken hinterließ. Diese Erkenntnis w a r i m übrigen schon i n 2 China vor über 3000 Jahren bekannt. Verordnung v o m 1. A p r i l 1805, nachgewiesen bei Petzelt-Hohberg in Spiess S. 319 (2. Aufl.). « Spiess S. 319 (2. Aufl.). 4 Siehe Kastner § 2, S. 11; von der Vecht § 1, S. 11. s Siehe Kastner § 2, S. 11. 6 GS 1826, S. 1039. 7 GS 1834, S. 119. 8 GS 1835, S. 240. 9 Vgl. hierzu besonders §54 bis §56 des preußischen Regulativs (GS 1835, S. 240).

. Geschichtliche E n t w i c k l u n g

Trotz dieser indirekten Methoden muß von einer „de-facto-Einführ u n g " 1 0 der Impf Verpflichtung gesprochen werden; denn während das Regulativ die Bestrafung des Impfentzuges nicht vorsah, bestimmte sein § 54 Abs. 1 für den Fall, daß später eine Erkrankung auftrat, eine Polizeistrafe für Eltern und Vormünder, deren Kinder und Pfleglinge bis zum Ablauf des ersten Lebensjahres ungeimpft waren. Unter dem Eindruck der nach dem Krieg 1870/71 i n Deutschland ausbrechenden Pockenepidemien 11 verlangte der Reichstag i n einem Beschluß 12 die „baldige einheitliche Regelung des Impfwesens für das deutsche Reich". Umfangreiche Vorarbeiten 1 3 waren nötig, ehe das Reichsimpfgesetz vom 8. A p r i l 187414 zustandekam, das die Pflichtimpfung für Pocken vorsieht. Neben dem Eindruck, den die hohe Zahl der Epidemie-Opfer in der Öffentlichkeit hinterließ, w a r die Annahme des Gesetzes trotz des heftigen Widerstandes der „Impfgegner" i m Reichstag 15 schließlich m i t darauf zurückzuführen, daß man i n der Frage der Erzwingung der Impfung einen Weg fand, der dem Zwang zur Impfung die Schärfe nahm. Den unmittelbaren Zwang, d.h. die unmittelbare Erzwingung der Impfung, die zum Prüfstein des Gesetzes zu werden drohte, ließ man auf sich beruhen und sah i m Impfgesetz als Mittel zur Erzwingung der Impfung nur eine Bestrafung der Eltern vor, die eine Impfung ihres Kindes verweigerten 1 6 . Insofern ist eine Anlehnung an die oben geschilderte Regelung Preußens i m Regulativ für ansteckende Krankheiten von 183517 unverkennbar. Dabei ist jedoch als Unterschied hervorzuheben, daß nach der preußischen Regelung nicht schon der Impfentzug bestraft wurde, sondern eine Bestrafung erst für den Fall drohte, daß ein nicht geimpftes K i n d später an Pocken erkrankte. Kurze Zeit nach der Verkündung erließen die deutschen Bundesstaaten dazu die notwendigen Ausführungsbestimmungen 18 . 10 So Heun § 2, S. 6. 11 Dabei starben i n Preußen 129 148, i n Bayern 8 062 Menschen (Angaben nach Heun § 2, S. 7 A n m . 2). Nach Angaben des Reichsgesundheitsamtes forderten die Epidemien bis 1873 mehr als 175 000 Tote i m ganzen Reichsgebiet, s. dazu auch Petzelt-Hohberg i n Spiess S. 338 (2. Aufl.). 12 Beschluß v o m 23. A p r i l 1873; Stenographische Berichte des Reichstages 1873, S. 281 f. Vgl. dazu bei H e u n §2, S. 7; Kastner §3, S. 13 ff. u n d i m einzelnen: Drucksachen des Reichstags 1874 Nr. 7; Stenogr. Bericht des Reichstags 1874, S. 226 bis 272; 264 bis 268 u n d Seite 352 bis S. 354. 14 R G B l I, S. 31 f. 15 Vgl. Stellungnahme der Abg. Dr. Reichensperger u n d Reimer, R T Berichte 1874, S. 105—109, u n d Abg. Reimer u n d Windhorst, S. 228 u. S. 353. 16 Vgl. i m einzelnen zur Entstehungsgeschichte insbesondere Kastner §3, S. 13 ff. (14—17) u n d H e u n § 2, S. 7. 17 GS 1835, S. 240. 18 Eine Aufzählung verlohnt nicht, da diese Ausführungsbestimmungen nicht mehr i n K r a f t sind. E r w ä h n t sei hier n u r das preußische Ausführungs-

12

II. Impfung 2. Definition

Seit Jenner sind die medizinischen Kenntnisse i n einer Fülle von Verfahren weiterentwickelt worden. Noch ist ein Ende dieser Entwicklung nicht absehbar 19 . Die medizinische Wissenschaft kennt verschiedene Impf verfahren: Es gibt die aktive Immunisierung durch Impfstoffe und die passive Immunisierung durch Sera 20 , sowie als Kombination beider Arten die Simultanimpfung 2 1 . Obwohl mit Schaffung des Reichsimpfgesetzes seit nahezu 100 Jahren einheitliche gesetzliche Impfbestimmungen vorliegen, fehlt es bisher an einer eindeutigen juristischen Definition des Begriffs „Impfung". Das ist ganz offenbar Folge der mangelnden eindeutigen medizinischen Abgrenzung des Impfbegriffs. Trotzdem sind rechtswissenschaftliche Bemühungen u m eine Begriffsbestimmung nicht ausgeblieben 22 . Diese Definitionen gehen jedoch lediglich von der Pockenschutzimpfung aus, des einzigen damals über den Bereich der medizinischen Wissenschaft hinaus bekannten Impf Vorgangs 23 . Auch das neueste Impfungen betreffende Gesetz, das Bundesseuchengesetz24, enthält keine Begriffsbestimmung. Obschon es an einer gesetzlichen Definition des Impfbegriffes fehlt, haben i n neuerer Zeit wenigstens beide medizinischen Prinzipien eine gesetzliche Verankerung gefunden. § 3 des Arzneimittelgesetzes 25 unterscheidet i m Anschluß an diese beiden Prinzipien die Sera (Mittel der passiven Immunisierung) von den Impfstoffen (Mittel der aktiven Immunisierung). Dieser aus den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft abgeleiteten Unterscheidung folgen auch SeyffertitzTomaschewski 26 . Danach schaffen Schutzimpfungen künstlich eine aktive Infektabwehr-Immunität, bei der die betreffenden Erreger oder ihre Gifte dem Körper i n für ihn, aber auch für seine Umgebung ungegesetz v o m 12. A p r i l 1875 (GS 1875, S. 191) u n d die dazu erlassene Ausführungsverordnung v o m 19. A p r i l 1875 ( M i n B l f. d. inn. Verw. 1875, S. 99). ι» Hartung-Raettig S. 59. 20 Hartung-Raettig S. 59; vgl. auch Spiess S. 6—8. 21 Hartung-Raettig S. 59. 22 Heun §2, S. 4; Fleischmann-Solbrig, 2. Bd. S. 425, Sp. 1; von der Vecht §1, S.9. 23 von der Vecht (§ 1, S. 9) schreibt: „ U n t e r I m p f u n g versteht m a n die Übertragung v o n Pockenlymphe auf Menschen zum Schutz gegen B l a t t e r n " ; Dütschke (§ 2, S. 12) definiert: „ I m p f u n g ist eine ärztliche Tätigkeit, bestehend i n der Übertragung eines von Tieren (meistens Kälbern) gewonnenen Stoffes (Lymphe) auf den menschlichen Körper, u m diesen gegen E r k r a n kung an Blattern oder Pocken zu sichern." 24 V o m 18. J u l i 1961, B G B l I S. 1012. 25 V o m 16. M a i 1961, B G B l I S. 533. 2® Kommentar zum BSeuchG.

2. Definition

13

fährlicher Form einverleibt werden 2 7 . Zur Begründung dafür, daß sie die passive Immunisierung „ i n der Regel" nicht als Schutzimpfung ansehen, führen die Kommentatoren aus, daß die vom fremden B l u t oder Serum stammenden Immunstoffe nach wenigen Tagen oder Wochen wieder ausgeschieden sind 2 8 . Sicher ist, daß bei einer juristischen Abgrenzung des Impfbegriffs von den Erkenntnissen der Medizin ausgegangen werden muß; denn die Impfung ist zunächst einmal ein medizinischer Vorgang, m i t dem die Immunisierung des menschlichen Körpers gegen eine bestimmte K r a n k heit erreicht werden soll. Trotz einzelner Ausklammerungsbemühungen hinsichtlich des Verfahrens der passiven Immunisierung versteht jedoch mittlerweile der allgemeine medizinische Sprachgebrauch alle gegenw ä r t i g gängigen Immunisierungsverfahren als Impfung 2 9 . Aus diesem Grunde sollte eine Begriffsbestimmung der Impfung dahin getroffen werden: Impfung ist die auf medizinischem Wege vollzogene Einführung von Sera oder Impfstoffen in einen menschlichen oder tierischen Organismus zum Zwecke der Immunisierung, d. h. zur Abwehr einer Infektionskrankheit werden passiv Schutzstoffe übertragen, oder der Körper wird zur aktiven Bildung von Schutzstoffen veranlaßt Rechtliches Interesse gewann die Impfung aber erst, als Gesundheitsschäden als Folge der Impfung bei Personen auftraten, deren Impfung staatlich angeordnet war. Es stellte sich die Frage, ob der einzelne für die durch den staatlichen Eingriff erlittene Schädigung seiner Gesundheit einen geldwerten Ausgleich beanspruchen kann.

27 Seyffertitz-Tomaschewski, Erl. zu § 14 bis § 16, S. 86. 28 Seyffertitz-Tomaschewski, Erl. zu § 14 bis § 16, S. 87. 2» So Spiess S.3; ders. 2. Aufl., S.7; Hartung-Raettig 2. Aufl., S. 37.

S.59;

Härtung,

I I I . Geschichtliche E n t w i c k l u n g des Aufopferungstatbestandes b e i I m p f s c h ä d e n bis 1961

1. Die wohlerworbenen Rechte (iura quaesita) und das ius eminens Der Gedanke, daß der Staat bei E i n g r i f f e n i n das Vermögen

f ü r das

dem einzelnen auferlegte Opfer Entschädigung leisten muß, reicht weit zurück. Der Landesherr ist nach naturrechtlicher Lehre zunächst nicht nur m i t den Rechten eines jeden Menschen, sondern m i t zusätzlichen Rechten ausgestattet, welche i h n i n die Lage versetzen, an der Spitze eines Gemeinwesens zu stehen und es zu führen 1 . Dabei handelt es sich um ein Büschel i h m von seinen Untertanen nach und nach übertragener Befugnisse, denen eine noch stark zivilrechtliche Vorstellung anhaftet 2 . Diese Rechte sind nötig, u m das gemeine Wohl zu verfolgen (iura regalia) 3 . Daneben entwickelt sich für besondere Notfälle oder sonst außergewöhnliche Tatbestände ein besonderes Eingriffsrecht des Landesherrn m i t der Bezeichnung Staatsnotrecht oder ius eminens 4 . A l l gemein fanden die landesherrlichen Befugnisse an den wohlerworbenen Rechten (iura quaesita, iura singulorum) der Untertanen ihre Grenze 5 . M i t Hilfe des ius eminens konnte der Landesherr jedoch auch i n wohlerworbene Rechte eingreifen 6 , insoweit allerdings nur gegen Entschädi1

Otto Mayer, Verwaltungsrecht, S. 27. 2 Vgl. Otto Mayer, Verwaltungsrecht, S. 27, 29; ferner Jellinek, V e r w a l tungsrecht, S. 83, der auf die naturrechtliche Lehre von dem staatsgründenden Vertrage hinweist; s.a. Fleiner, Institutionen, S. 29, der aber n u r darauf verweist, daß nicht zwischen Privatrecht u n d öffentlichem Recht unterschieden wurde. 3 Otto Mayer, Verwaltungsrecht, S. 33. 4 Zachariä, Deutsches Staats- u n d Bundesrecht, zweite Abtheilung, S. 150; Weiß, System des deutschen Staatsrechts, § 250, S. 500. Andere Bezeichnungen f ü r dasselbe Recht des Landesherrn lauten potestas, i m p e r i u m oder domin i u m eminens; vgl. Otto Mayer, Verwaltungsrecht, S. 33; über die Abgrenzung zum Polizeirecht (ius politiae) vgl. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 83. δ Otto Mayer, Verwaltungsrecht, S. 32, 33. Das betraf sogar die Gesetzgebung, vgl. Weiß, System des deutschen Staatsrechts, § 306, S. 664. 6 Zachariä, Deutsches Staats- u n d Bundesrecht, zweite Abtheilung, § 127, S. 91, 94; Weiß, System des deutschen Staatsrechts, §250, S. 499, 500; Otto Mayer, Verwaltungsrecht, S. 33.

2. §§ 74, 75 E i n l A L R

15

gung 7 . Die wohlerworbenen Rechte (iura quaesita) beruhen auf einem speziellen Rechtstitel 8 und stehen neben den angeborenen Rechten wie Leben, Freiheit und Ehre 5 . I n angeborene Rechte durfte nach der A n schauung i m Patrimonialstaat i n der Regel nur i m Rahmen des staatlichen Rechts auf Strafe eingegriffen werden 1 0 . Es wurde allgemein also eine Trennung zwischen angeborenen und erworbenen Rechten vorgenommen und die Entschädigungspflicht für Eingriffe i n die erworbenen Rechte vorgesehen. Bereits frühzeitig hat jedoch Zachariä 11 erkannt, daß das ius eminens nicht nur i n iura quaesita, sondern auch i n „die s. g. natürliche und die persönliche Freiheit einer Mehrzahl von Unterthanen" eingreifen kann. Er nennt sogar Maßnahmen der Staatsgewalt zur Verhinderung der weiteren Verbreitung einer pestartigen Seuche 12 . Die Folgerung, daß auch bei Eingriffen i n angeborene Rechte Entschädigungen zu leisten seien, zieht er allerdings noch nicht 1 3 . Immerhin wurde damals bereits die Möglichkeit von Sondereingriffen i n angeborene Rechte gesehen.

2. §§ 74, 75 EinlALR Nach dem Patrimonialstaat kommt der Polizeistaat 14 . Die Notwendigkeit der Begründung eines besonderen ius eminens fällt weg. Der Landesherr handhabt die Polizeigewalt nunmehr nach freiem Ermessen zur Förderung des gemeinschaftlichen Wohls. Was früher über das 7 So schon Hugo Grotius, De I u r e B e l l i ac Pacis, L i b I I Cap X I V , § V I I , p. 295: „Sed hoc quoque sciendum est, posse subditis ius etiam quaesitum auferri per regem d u p l i c i modo, aut i n poenam, aut ex v i supereminentis d o m i n i i . . . deinde, ut, si fieri potest, compensatio fiat ei q u i suum amisit, ex communi." (Hervorhebung v. Verf.) Sowie ferner Häberlein, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, zweiter Band, §260, S. 291, 293; Zachariä, Deutsches Staats- u n d Bundesrecht, erste Abtheilung, § 65, S. 243 m i t Hinweisen auf die einzelnen Verfassungsurkunden u n d zweite Abtheilung, § 142, S. 157, 158. 8 Häberlein, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, Erster Band, § 119, S. 382; Georg Meyer, Staat u n d erworbene Rechte, S. 8; Otto Mayer, V e r w a l tungsrecht, S. 31 m i t Nachweisen. ® Zachariä, Deutsches Staats- u n d Bundesrecht, zweite Abtheilung, § 127, S. 91; Georg Meyer, Staat u n d erworbene Rechte, S. 7. Zachariä, Deutsches Staats- u n d Bundesrecht, zweite Abtheilung, § 127, S. 91. Insoweit w a r es unvollständig, w e n n Georg Meyer, Staat u n d erworbene Rechte, S. 7, sagte, die angeborenen Rechte dürften gar nicht entzogen werden, denn Eingriffe waren seit Alters her zulässig. h Zachariä, Deutsches Staats- u n d Bundesrecht, zweite Abtheilung, § 141, S. 152. 12 Zachariä, § 141, S. 152 i n der Fußnote 3. 13 Vgl. Zachariä i n § 142, S. 157, 158, w o die Entschädigungspflicht n u r f ü r den F a l l der Entziehung von Privateigentum behandelt w i r d . 1 4 Vgl. zum folgenden Stödter, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 60 f.

16

I I I . Geschichtliche E n t w i c k l u n g bis 1961

ius eminens möglich war, kann er jetzt über das ius politiae (Polizeirecht) durchsetzen und erreichen 15 . Allerdings bestand die Pflicht des Staats auf Entschädigung des Individuums 1 6 , das „seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt w i r d " . Insoweit sind die §§ 74, 75 E i n l A L R Ausdruck der polizeistaatlichen Auffassung: Vorrang des gemeinsamen Wohls. Die Entschädigungspflicht des Staates w i r d über die Fiskustheorie nunmehr zivilrechtlich begründet 17 . Da man gegen den Staat selbst nicht vorgehen kann, nimmt man sich den Fiskus, u m bei i h m zu liquidieren, was man zuvor erdulden mußte 1 8 . Dabei ist die Stellung der §§ 74, 75 i n der Einleitung des Preußischen Allgemeinen Landrechts hervorzuheben: Die Einleitung ist i n zwei Abschnitte unterteilt, die die Titel tragen: „ V o n den Gesetzen überhaupt" und „Allgemeine Grundsätze des Rechts". Zu letzterem Abschnitt gehören die §§ 74, 75 EinlALR, über denen die Unterüberschrift „Verhältnis des Staats gegen seine Bürger" 1 9 steht. Der Entschädigungsanspruch war also m i t der Hereinnahme i n die Einleitung herausgehoben worden, w e i l er schon nach damaliger Auffassung des Gesetzgebers ein allgemeiner Grundsatz des Rechts war. Dies entsprach der historischen Entwicklung, i n der sich der Kampf zwischen den iura quaesita und dem ius eminens vollzogen hatte. §§ 74, 75 EinlALR stellen bereits einen rechtsstaatlichen Leitgrundsatz 2 0 dar und sind somit ein Vorläufer des A r t . 9 der oktroyierten Preußischen Verfassungsurkunde vom 31. Januar 185021. Durch § 75 E i n l A L R war für das Rechtsgebiet des Preußischen Allgemeinen Landrechts der Aufopferungsanspruch für durch rechtmäßige Betätigung der Staatsgewalt erlittenen Schaden gesetzlich normiert. Die allgemeine Kabinettsordre vom 4. Dezember 183122 schränkte den Umfang der Entschädigungsnorm des § 75 E i n l A L R ein. Vor Erlaß der Verfassung von 1848 w a r i n Preußen der K ö n i g befugt, Recht zu ι * Vgl. Stödter, S. 60, Fußnote 1. iß Z u der Frage, ob ein derartiger Anspruch v o r Geltung des A L R etwa gewohnheitsrechtlich galt, vgl. Anschütz, Verw. Arch. 5 (1897) 1, (54, 66, 67, 74) gegen H. Grotius; i n jüngerer Zeit, Schack, Gutachten, S. 10, insbes. A n m . 20. 1 7 Otto Mayer, Verwaltungsrecht, S. 53. ι 8 Otto Mayer, Verwaltungsrecht, S. 53. 1» Vgl. Rehbein/Reincke, A L R , Band I , S. 116. 20 Janssen, Aufopferung, S. 23. 21 GS 1850, S. 17, abgedruckt i n : Quellen zum Staatsrecht der Neuzeit, Bd. I , 1949, S. 210. A r t . 9: „Das Eigenthum ist unverletzlich. Es k a n n n u r aus Gründen des öffentlichen Wohles gegen vorgängige i n dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden." Vgl. Hans Schneider, Ev. Staatslexikon, A r t . Preussen, S. 1607, 1610 f. u n d die Vorbemerkungen bei Dürig/Rudolf, Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 1967, S. 91. 22 GS 1831, S. 255.

2. §§ 74, 75 E i n l A L B

17

setzen 23 . Da er dabei an keine Formen gebunden war, konnte eine königliche Kabinettsordre durch entsprechende Veröffentlichung gemäß § 10 EinlALR als Gesetz gültig werden 2 4 . Indem die Kabinettsordre vom 4. Dezember 1831 i n der preußischen Gesetzessammlung veröffentlicht wurde, könnte sie als das jüngere Gesetz die Bestimmungen eines älteren Gesetzes, nämlich § 75 EinlALR, abändern. Die Kabinettsordre bestimmte, „daß, wenn das Interesse der Gesamtheit der Einwohner des Staates eine Einrichtung i n der Verwaltung erfordert, die das Privateigentum des Einzelnen aus dem Gesamtvermögen zu leisten" sei. Diese Vorschrift wurde dahingehend ausgelegt, daß nur noch Sachschäden zu ersetzen seien, und solche auch nur, soweit sie durch Verwaltungsakt erfolgen 25 . Damit waren Ansprüche aus unmittelbar gesetzlichen Eingriffen nur gegeben, soweit dies besonders geregelt w a r 2 6 . Aufopferungsansprüche wegen anderer als Vermögensverletzungen, also insbesondere wegen Körperschäden, waren gänzlich ausgeschlossen 27 . Somit gewährte § 75 EinlALR nach 1831 nur noch Entschädigung für Sachschäden durch Verwaltungsakt 2 8 . Die historische Entwicklung der staatlichen Entschädigungspflicht i n ihrer Trennung von angeborenen und erworbenen Rechten hat damit zur Folge, daß beginnend m i t §§ 74, 75 EinlALR und weiterführend über A r t . 9 preußVerf. von 1850 die staatliche Entschädigungspflicht ausdrücklich nur für Eingriffe i n die erworbenen Rechte gesetzlich festgelegt wird. War nach dem Wortlaut des § 75 EinlALR eine Begrenzung auf erworbene Rechte zunächst noch nicht zwingend, so ergab sich diese Begrenzung schließlich aus der Allerhöchsten Kabinettsordre vom 4. Dezember 183 1 2 9 » 3 0 . Diese Begrenzung der staatlichen Entschädigungspflicht auf Eingriffe i n das Eigen23 Bornhak, Preussisches Staatsrecht, 1. Bd., S. 87. 24 Bornhak, Preussisches Staatsrecht, l . B d . , S. 91; vgl. auch Heuser, Diss., S. 35. 25 Vgl. hierzu: Forsthoff, Lehrbuch, S. 303 f.; Janssen, Aufopferung, S. 24 unter Hinweis auf die Rspr des RG; Stödter, ö f f . rechtl. Entschädigung, S. 66 f. Eingehend vgl. Anschütz, V e r w Arch 5, 1 ff. (74 ff. 84 ff., insbes. S. 103 zur Beschränkung auf Privateigentum). 26 Forsthoff, Lehrbuch, S. 303 f. 27 Giese, öffentlich-rechtliche Entschädigung f ü r Aufopferung bei I m p f schäden, S. 12. 28 Janssen, Aufopferung, S. 24. 29 GS 1831, S. 255, w o nach heutigem Sprachgebrauch der wesentliche I n h a l t erst nach genauerer Lektüre des auf Seite 256 folgenden Berichts erkennbar w i r d . Vgl. auch die Erörterungen bei Anschütz, V e r w Arch 5 (1897), 1, 74, 76 ff. so Vgl. hierzu Forsthoff, Lehrbuch, S. 303 ff.; Janssen, Aufopferung, S. 24 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts; Stödter, ö f f e n t lich-rechtliche Entschädigung, S. 66 f. Vgl. auch eingehend Anschütz, V e r w Arch 5 (1897), S. 1, 74 ff., 84 ff. insbes. S. 103 zur Beschränkung auf P r i v a t eigentum. Z u r Rechtsprechung des Reichsgerichts insbes. R G B. v. 16.11.1937, GSZ 4/36, RGZ 156, 305 (310). 2 Schiwy

18

I I I . Geschichtliche E n t w i c k l u n g bis 1961

t u m w i r d von da an i n den nachfolgenden Verfassungen bis zum Grundgesetz fortgeführt 3 1 . Dieses inhaltliche Verständnis der Kabinettsordre ist nicht unangefochten geblieben. Von der Gegenmeinung wurde — allerdings erst nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes — geltend gemacht, die Kabinettsordre lasse Eingriffe i n die körperliche Integrität außer Regelung, habe sie damit aber nicht etwa von der Entschädigungspflicht nach § 75 EinlALR ausgenommen 32 .

3. Weimarer Verfassung A r t . 153 W V 3 3 schützte das Eigentum. Dem Wortlaut nach knüpfte diese Grundrechtsbestimmung, die — wie auch die übrigen Grundrechtsbestimmungen der Weimarer Reichsverfassung — lediglich Programmsatz und nicht unmittelbar geltendes Recht w a r 3 4 , an die Tradition an 3 5 . Doch löste man sich i m Schrifttum 3 6 von den durch die Kabinettsordre eingetretenen Beschränkungen bei der Auslegung des Eigentumsbegriffs, indem man dem Eigentum i. S. d. A r t . 153 W V auch dingliche Rechte jeder A r t und Forderungsrechte unterstellte 3 7 . Die Rechtsprechung des Reichsgerichts übernahm diese neue Auslegung bald 3 8 . Schon vorher hatte es dem Aufopferungsanspruch dadurch, daß es aus § 75 E i n l A L R einen allgemeinen Rechtsgedanken entwickelte 3 9 , ein großes Anwendungsgebiet erschlossen, und auch solche Schädigungen unterstellt, die i n früherer Zeit als nicht umfaßt angesehen wurden 4 0 . Es wurde die Auffassung aufgegeben, daß nur Eingriffe durch konkret31 So A r t . 9 preußVerf. v. 31. Januar 1850, GS S. 17; A r t . 153 W R V v. 11. August 1919, RGBl. S. 1383; A r t . 14 G G v. 23. M a i 1949, BGBl. S. 1. 32 Das führte noch 1937 zur Ablehnung einer Entschädigung wegen I m p f schadens durch den Großen Zivilsenat des RG, RGZ 156, 305 (310). 33 V o m 11. August 1919, RGBl. 1383. 34 M a n g o l d t - K l e i n A r t . 14 A n m . 115; Anschütz W R V A n m . 16 zu A r t . 153, S. 721. 35 Vgl. A r t . 9 Preuß. Verf. von 1850 u. oben S. 15 ff. 36 M a r t i n Wolff, Reichsverfassung u. Eigentum, Berliner Festgabe für W i l h e l m K a h l , 1923, S. 20 ff. 37 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch, §17, 2, S.305—307; s.a. Wolff, V e r w R I §62 I I b ) , S. 465. 38 RGZ 109, 310 (320); RGZ 111, 224 (226). 39 Vgl. Schack, M D R 51, 263 (264); Siebert, D Ö V 1951, 47; RGZ 64, 186; RGZ 122, 203; RGZ 139, 29; RGZ 145, 109; RGZ 154, 161; RGZ 156, 310, 68 u n d 134; RGZ 162, 359; RGZ 166, 239; RGZ 167, 25; RGZ 170, 44 K G (West) i n SJZ 1950, Sp. 819 m i t A n m . v. Coing. 40 Vgl. Schack i n V e r w A r c h 40 (1935), S. 426 ff.; Schack i n M D R 51, S.263 (264).

4. Grundgesetz

19

individuellen Hoheitsakt entschädigungspflichtig seien, indem man für eine Enteignung auch Eingriffe durch Gesetz ausreichen ließ 4 1 . Während §§ 74, 75 EinlALR ein rechtmäßiges Handeln voraussetzten, wurde der Aufopferungstatbestand auch auf rechtswidrige Schädigungen erstreckt 42 . Indem der Enteignungsbegriff ausgeweitet und die Entschädigungspflicht der Verletzung von Eigentum statt wie bisher dem Allgemeinen Aufopferungsanspruch nunmehr A r t . 153 W V unterstellt wurde, blieb für den Anwendungsbereich der Aufopferung aus der Sicht des Reichsgerichts kaum Raum 4 3 ; denn nach Ansicht des Reichsgerichts konnte ein Aufopferungsanspruch — ebenso wie die Entschädigungspflicht bei der Enteignung — nie durch Eingriffe i n immaterielle Güter ausgelöst werden und auch nicht durch einen vom Gesetzgeber selbst vorgenommenen Eingriff 4 4 . So lehnte denn auch das Reichsgericht eine Ausweitung des A r t . 153 W V auf immaterielle, insbesondere Gesundheitsschäden als Folge einer Impfung, ab 4 5 . Normalerweise seien nämlich die Folgen der Impfung unschädlich. Eine unterschiedliche Lage trete erst ein, wenn in einem einzelnen Fall der Eingriff ausnahmsweise zu einer schweren Gesundheitsbeschädigung führe. Dies sei aber ein zufällig eintretender Umstand, der das Dulden des Eingriffs nicht nachträglich als ein besonderes Opfer erscheinen lasse, das der Betroffene zum Besten der A l l gemeinheit zu bringen genötigt wäre. Maßgeblich war letztlich der Gedanke, daß die Entschädigungspflicht wegen der Opferpflicht zurücktreten müsse 46 .

4. Grundgesetz Der Bundesgerichtshof hat i n einer Grundsatzentscheidung 47 den Enteignungstatbestand des A r t . 14 GG gegenüber der Aufopferung abgegrenzt. Als „technische Enteignung" werden die rechtmäßige Enteignung (Art. 14 GG) und die rechtswidrige Enteignung ( = enteignungsgleicher Eingriff) zusammengefaßt. Da als Eingriffsobjekt bei der Enteignung auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur 41 So RGZ 103, 200 (201); RGZ 109, 310 (317 f.). 42 Seit RGZ 140, 276 (281). 43 Vgl. Schack, M D R 51, 263 (264), A n m . 6. 44 RGZ 156, 305 (310). 45 Vgl. vor allem die Impfentscheidung RGZ 156, 305 u n d vorher schon RGZ 103, 423 (426) u n d 122, 298 (302). Z u m Entwicklungsgang vgl. Schack, Gutachten, S. 27. 46 Vgl. dazu Nebinger, Verwaltungsrecht, S. 332, A n m . 23; gegen diese Entscheidung Esser i n DR 1938, 195; Weber Z A K D R 1938, 136; Schack, V e r w Arch 44, 123, dafür aber Hofacker R V e r w B l 1940, 69. 47 B G H Z 6, 270. 2*

20

I I I . Geschichtliche E n t w i c k l u n g bis 1961

Vermögenswerte Rechtsgüter in Betracht kommen, bleibt für die Aufopferung nur der neben der technischen Enteignung freie Raum, also der Eingriff in nichtVermögenswerte Rechtspositionen. Darüber hinaus wurde i n einer weiteren Entscheidung 48 das Merkmal des Verschuldens als für den Aufopferungstatbestand unwesentlich erklärt. Nach einer ersten Entscheidung des Kammergerichts West 4 9 und einer weiteren vom OLG Schleswig 50 stellte der Bundesgerichtshof i n einem Urteil vom 14. J u l i 195251 — allerdings nur beiläufig — fest, daß die einen allgemeinen Rechtsgedanken aussprechenden Bestimmungen der §§ 74, 75 E i n l A L R auch Gesundheitsschäden umfassen. I n einer eingehenden Auseinandersetzung m i t der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts kam der Bundesgerichtshof dann i n seinem grundlegenden Impfurteil 5 2 zu dem Ergebnis, daß auch Körperschäden unter den Aufopferungsanspruch einzubeziehen seien. Als Hauptbegründung diente insoweit der Gleichheitssatz 53 m i t der Bemerkung, Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG) könnten hinsichtlich ihrer Schutzwürdigkeit nicht hinter den Vermögenswerten Rechten (Art. 14 GG) zurückstehen. Leben und körperliche Unversehrtheit wurden als der Rechtsordnung vorgegebene Rechte begriffen und daher erst recht für schutzwürdig gehalten 54 . Die für die Enteignung vom Bundesgerichtshof 55 entwickelte Sonderopfertheorie, nach der der Eingriff den einzelnen oder Gruppen i m Vergleich zu anderen ungleich und dadurch besonders treffen und i h n damit zu einem besonderen, den übrigen nicht zugemuteten Opfer für die Allgemeinheit zwingen muß, w i r d für die Aufopferung übernommen 56 . Insbesondere die Impfung ist eine Verletzung der körperlichen Integrität (Art. 2 Abs. 2 GG). Grundlage der Ersatzpflicht ist aber nicht die Impfung selbst, weil sie i n den Kreis der allgemeinen sozialen Bindung fällt 5 7 . Vielmehr ist die Grundlage der Ersatzpflicht der Vermögensschaden, der als Folge der Krankheit auftritt 5 8 . Dieser Schaden ist für den Betroffenen i m Vergleich zu « B G H Z 7,296. 49 SJZ 1950, Sp. 819. ßo N J W 1951, 605. 51 B G H Z 7, 96 ff. 52 B G H Z 9, 83. 53 U n d zwar unter Heranziehung der Entscheidung B G H Z 7, 96 (99, 100). 54 B G H Z 9, 83 (89); ebenso vorher K G West SJZ 1950, 819 (821). 55 B G H Z 6, 270 (280); B G H Z 13, 265 (319); B G H Z 27, 15; Menger W D S t R L 15, 3 ff.; Stödter, D Ö V 1953, 97 ff., 136 ff.; K r ö n e r D R i Z 1960, 422. 56 B G H Z 9, 83 ff. 57 Kleinhoff, D R i Z 1957, 225 ff. 58 Janssen, Aufopferung, S. 74 f.

4. Grundgesetz

21

anderen, die der Impfpflicht unterliegen, die aber nicht krank geworden sind, ein i h n allein und besonders treffender Nachteil 59 . Ersetzt w i r d nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 60 jedoch nicht der gesamte Schaden, sondern es w i r d nur eine angemessene Entschädigung gewährt. Einen Ausgleich für immaterielle Nachteile hat der Bundesgerichtshof 61 ausdrücklich abgelehnt.

69 So auch Schack, Gutachten, S. 27. 60 B G H Z 9, 83 (89); B G H Z 13, 88 (91); B G H Z 29, 217 (219). et B G H Z 20, 61 (68 ff.).

I V . A u f o p f e r u n g — aufopferungsgleicher E i n g r i f f

Nach Inkrafttreten von A r t . 14 GG bleibt also als Domäne des Aufopferungsanspruchs nach heute h. M. der Opferausgleich für Vermögensschäden, die infolge einer Verletzung eines immateriellen Gutes aufgetreten sind 1 . Der Aufopferungsanspruch greift also insbesondere bei Körperschäden ein. Denn selbst bei großzügigster Auslegung des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG können immaterielle Güter wie Gesundheit und Freiheit u. ä. nicht als Eigentum bezeichnet werden. Insoweit kommt der durch die Speziairegelung des A r t . 14 GG 2 nicht verdrängte Aufopferungsanspruch auch heute noch zum Tragen. Unerheblich ist. ob die Schädigung durch rechtmäßige oder rechtswidrige, schuldhafte oder schuldlose Eingriffe 3 herbeigeführt wurde 4 . Der allgemeine Aufopferungsanspruch entsteht also dann, wenn folgende Tatbestandsmerkmale erfüllt sind: 1. eine hoheitliche Maßnahme, die rechtmäßig oder rechtswidrig sein kann, 2. eine Beeinträchtigung eines nicht Vermögenswerten Rechtes durch diese Maßnahme, 3. ein i n dieser Rechtsbeeinträchtigung liegendes Opfer zugunsten der Allgemeinheit, 4. dieses Opfer muß ein „besonderes" sein. Angesichts der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vorgenommenen terminologischen Unterscheidung zwischen Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff stellt sich die Frage, ob für den Bereich der Aufopferung eine entsprechende Auffächerung ratsam wäre. Während schon das Reichsgericht 5 rechtswidrig verursachte Sonderopfer für entschädigungspflichtig erklärt hatte, diese aber sämtlich der ι Vgl. Bauschke-Kloepfer, N J W 71, 1233 (1236), insbes. A n m . 49. 2 Wolff, V e r w R I, § 60 13, S. 454. » Der B G H (37, 44 [47]) läßt es f ü r die Annahme eines Eingriffs i m enteignungsrechtlichen Sinn ausreichen, daß eine hoheitliche Maßnahme „ u n mittelbar" A u s w i r k u n g e n auf das Eigentum i n allen seinen Ausstrahlungen hat; vgl. ferner zur Problematik des Eingriffs: Wagner i n N J W 1966, S. 569. 4 Vgl. Horst, Querverbindungen, S. 60. 5 R G Z 140, 276.

I V . Aufopferung — aufopferungsgleicher E i n g r i f f

23

Aufopferung zuordnete, prägte der Bundesgerichtshof 6 den Begriff des „enteignungsgleichen Eingriffs" für solcher Opfer, die sich, wären sie rechtmäßig, als Enteignung darstellen würden. Die vom Bundesgerichtshof gewählte Terminologie läßt sofort Rückschlüsse auf die materielle Grundlage des Eingriffs zu, nämlich ob er rechtswidrig oder rechtmäßig war. Denkbar ist ein solcher Fall rechtswidrigen Eingriffs auch i m Bereich der Aufopferung, wenn etwas bei einer Pockenschutzimpfung nach Reichsimpfgesetz 7 diese nicht von dem nach § 8 des Gesetzes allein dafür zuständigen Arzt vorgenommen w i r d und somit der Eingriff gesetzes- und damit rechtswidrig wäre. Würde i m Bereich der Aufopferung die terminologische Differenzierung des Enteignungsrechts gelten, so wäre i n diesem Fall von einem „aufopferungsgleichen Eingriff" zu sprechen. Der Bundesgerichtshof hat eine solche Unterscheidung i n der Terminologie bei der Aufopferung bisher nicht gemacht. Das w i r d darauf zurückzuführen sein, daß sich die Regel des Art. 14 GG ausdrücklich nur auf rechtmäßige Eingriffe erstreckt und daher bei einer Erweiterung der Entschädigungspflicht auf rechtswidrige Eingriffe eine direkte A n wendung der Bestimmung nicht i n Betracht kam, was dann auch eine terminologische Unterscheidung nahelegte. Für die Aufopferung hingegen fehlt es i m heutigen Recht an einer positiven Bestimmung, die sich nur auf rechtmäßige Eingriffe erstreckt. Trotzdem w i r d i m Schrifttum 8 vereinzelt von einem „aufopferungsgleichen Eingriff" gesprochen. Schäfer® erläutert den Begriff nur und spricht sich damit ebenso wie Bender 10 , Bettermann 1 1 und Kuschmann 12 , die allerdings auf weitere Erläuterungen verzichten, w o h l konkludent für eine Auffächerung aus; H o r n 1 3 umschreibt den Tatbestand des aufopferungsgleichen Eingriffs ausführlich und setzt sich aus Gründen der Systemgerechtigkeit ausdrücklich für i h n ein. Auch Hans Schneider 1 4 , der ansonsten eine von der herrschenden Meinung abweichende β B G H Z 6, 270 ff. 7 V o m 8. A p r i l 1874, RGBl. S. 31, BGBl. I I I Sachgebiet 2, V e r w a l t u n g Nr. 2126—5, Stand: 15. Oktober 1961. 8 Bettermann, Schutz, I I I 2, S. 856; Bender, S. 34, A n m . 43; Egon Schneider, S. 104; Staudinger-Schäfer, B G B Bd. 2, 5. Teil, Vorbem. vor §839, A n m . 16, 16 a, 22 a, 24; §839 A n m . 28; Hans Schneider i n Kreft, Aufopferung u n d Enteignung, S. 32; Rüfner, 49. D J T Ε 33 u n d Ε 48. 9 Schäfer i n Staudinger, Vorbem. vor § 839 A n m . 16, 16 a, S. 176. 10 Bender, S. 34, A n m . 43. 11

Bettermann, Schutz, I I I 2, S. 856. is Kuschmann i n N J W 1966, 574 (574). is Horn, Diss., S. 200 ff. 1 4 Hans Schneider i n K r e f t , Aufopferung u n d Enteignung, S. 32.

24

I V . Aufopferung — aufopferungsgleicher E i n g r i f f

Unterscheidung zwischen Aufopferung und Enteignung vornimmt, t r i t t für eine begriffliche Auffächerung zwischen Aufopferung und aufopferungsgleichem Eingriff ein. Demgegenüber vertritt Egon Schneider 1 5 die Ansicht, daß diese Auffächerung einen praktischen Nutzen wohl kaum brächte 16 . Die Übernahme des Begriffs „aufopferungsgleicher Eingriff" hätte den Vorteil systematischer Klarstellung, daß auch rechtswidrige Eingriffe den Anspruch auf Aufopferungsentschädigung nach sich ziehen. Durch die Auffächerung auch für den Bereich der Aufopferung können die für Enteignung und enteignungsgleichen Eingriff entwickelten Grundsätze auch hier verwendet werden. Dadurch w i r d eine systematische Abrundung der verschiedenen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsansprüche erreicht. Unter Berücksichtigung der Amtshaftungsansprüche aus § 839 BGB/Art. 34 GG ergibt sich folgender Uberblick:

schuldlos rechtmäßiger Eingriff

schuldlos rechtswidriger Eingriff

schuldhaft rechtswidriger Eingriff

Eingriff in Leben/Gesundheit

Aufopferung

aufopferungsgleicher E i n g r i f f

§ 839 B G B / A r t . 34 G G u. aufopferungsgleicher Anspruch (Bettermann G r u n d rechte I I I / 2 S. 856)

Eingriff in

Enteignung A r t . 14 G G

enteignungsgleicher E i n g r i f f A r t . 14 G G analog

§ 839 B G B / A r t . 34 G G u. enteignungsgleicher E i n g r i f f (BGHZ 13/88)

Vermögenswerte Rechte

Sonstige Beschädigungen

§ 839 B G B / A r t . 34 GG

Dem Vorteil systematischer Bereinigung stehen freilich erhebliche Nachteile gegenüber. Die Enteignung ist i n A r t . 14 GG ausführlich geregelt. Eine Subsumtion rechtswidriger Eingriffe direkt unter diese Bestimmung läßt der eindeutige Wortlaut des Art. 14 GG nicht zu. Vielmehr war nur eine analoge Anwendung möglich, was dann zu der Bezeichnung enteignungsgleicher Eingriff führte 1 7 . Anders ist es bei der Aufopferung, die als solche ausdrücklich nirgends geregelt ist. Ihre heutigen Tatbestandsmerkmale 18 wurden — wie geEgon Schneider, S. 104. *e So w o h l auch Wagner (NJW 1966, 569 [569]), der den Begriff nicht selbst verwendet, aber darauf hinweist, daß diese Auffächerung von manchen vorgenommen w i r d , π B G H Z 6, 270 ff. !» Siehe auch S. 22.

I V . Aufopferung — aufopferungsgleicher E i n g r i f f

25

zeigt 19 — i m Laufe einer sich über mehr als ein Jahrhundert erstrekkenden Rechtsentwicklung herausgebildet. Der Begriff „aufopferungsgleicher Eingriff" wurde denn auch nicht i m Zusammenhang mit der Entwicklung des Aufopferungsanspruchs gebildet, sondern fand sich i m Schrifttum 2 0 erst nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs 21 zum enteignungsgleichen Eingriff. Der Begriff ist also lediglich als Reaktion auf diese Entscheidung zu sehen. Was aber bei der Enteignung wegen der Normierung i n A r t . 14 GG unbedingt erforderlich war, stellt sich bei der Aufopferung — deren Domäne der Ersatz von Vermögensschäden infolge eines Eingriffs i n immaterielle Güter ist — als überflüssig dar; denn als der Bundesgerichtshof 22 entgegen der bisherigen langjährigen Rechtsprechung des Reichsgerichts für den Aufopferungsanspruch den Eingriff i n ein immaterielles Gut ausreichen ließ, stand infolge seiner vorliegenden Rechtsprechung zur Enteignung — einem Unterfall der Aufopferung 2 3 — schon fest, daß das Merkmal der Rechtmäßigkeit oder -Widrigkeit für die Gewährung des Anspruchs bedeutungslos war. Ein Tatbestandsmerkmal aufzustellen, dessen Vorliegen oder Nichtvorliegen für die Rechtsfolge unerheblich ist, mag aus Gründen der Systematik verlockend sein. M i t Schneider 24 ist aber festzustellen, daß die Auffächerung einen praktischen Nutzen wohl kaum brächte. Der einerseits erkennbaren Tendenz zur Auffächerung stehen Bauschke-Kloepfer gegenüber, die die Berechtigung der Aufopferung neben der Enteignung überhaupt i n Frage stellen und einen „einheitlichen, weiten Enteignungsbegriff" vorschlagen 25 . Für die Subsumtion der klassischen Aufopferungsfälle unter die Enteignung spricht i n der Tat, daß auch bei Verletzung des Körpers, des Lebens, der Gesundheit und der Freiheit vom Bundesgerichtshof stets nur der als Folge des Eingriffs eingetretene Vermögensschaden entschädigt w i r d 2 6 . Gerade vor Beeinträchtigungen vermögenswerter Rechte schütze aber A r t . 14 GG 2 7 . Ausdrücklich wurde ein Aufopferungs"

Siehe oben I I I , S. 14 ff. Bettermann, Schutz I I I 2, S. 856 (1959); Egon Schneider, S. 104 (1964); Staudinger-Schäfer, Vorbem. v o r §839 A n m . 16, 16 a, S. 176 (1970); Bender, S. 34 (1971). 21 B G H Z 6, 270 ff. (Beschluß des Großen Senats f. Zivilsachen vom 10. J u n i 1952). 22 B G H Z 9, 83 ff. 23 B G H Z 9, 83 (90); B G H Z 13, 88 (94); W o l f f V e r w R I § 6 0 1 b 4, S. 452 u n d §60 I c 3, S. 454. 24 Egon Schneider, S. 104. 25 Bauschke-Kloepfer N J W 1971, 1233 (1239). 2β Bender S. 211, 216 (Anm. 361); Battis S. 103; B G H Z 9, 83 ff. 27 Bauschke-Kloepfer N J W 1971, 1233 (1237). 20

26

I V . Aufopferung — aufopferungsgleicher E i n g r i f f

ausgleich für Nichtvermögensschäden, insbesondere Schmerzensgeld stets abgelehnt 28 , obwohl doch gerade Nichtvermögensschäden durch die Aufopferung ausgeglichen werden sollen 29 . Bauschke-Kloepfers Forderung nach Abschaffung der Aufopferung kann nur als Denkanstoß für eine Änderung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung verstanden werden. Diesem Vorschlag an die Rechtsprechung, das System öffentlich-rechtlicher Entschädigung zu vereinheitlichen und zu vereinfachen, sollte nicht ohne zwingende Gründe durch eine Auffächerung des Aufopferungsbegriffs, die nur zu einer weiteren Ausuferung des „Begriffswirrwarrs" 3 0 führte, entgegengewirkt werden. Ein solcher zwingender Grund ist jedoch die Abrundung der Systematik allein u m der Systematik w i l l e n nicht.

28 Wolff, V e r w R I , §61111, S.463; Forsthoff, 9. Aufl., S.331; K i m m i n i c h i n Bonn. K o m m . A r t . 14 Rdziff. 101; Bender S. 211 f.; B G H Z 20, 61 ff. 29 Bauschke-Kloepfer N J W 1971, 1233 (1238). so Bauschke-Kloepfer N J W 1971, 1233 (1239).

V . G e l t u n g s g r u n d des Aufopferungsanspruchs

Der von der Rechtsprechung des Reichsgerichts 1 aus § 75 EinlALR entwickelte allgemein gültige Rechtsgedanke, daß bei rechtmäßigen Eingriffen der Staatsgewalt i n nichtVermögenswerte Lebensgüter des einzelnen ein Aufopferungsanspruch gegen den Staat gegeben sei, fand auch i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 2 Anerkennung. Die Fortbildung der Rechtsprechung des Reichsgerichts durch den Bundesgerichtshof 3 vollzog sich vornehmlich an Fällen der Impfentschädigung. Den durch §§ 74, 75 E i n l A L R positivrechtlich geregelten A u f opferungsanspruch hatte die Rechtsprechung des Reichsgerichts i m Laufe einer mehrere Jahrzehnte umfassenden Entscheidungspraxis als allgemeinen Rechtsgedanken über den Gesetzesbereich dieser Vorschrift hinaus entwickelt 4 . Ausdrücklich w i r d der Geltungsgrund dieses allgemeinen Rechtsgedankens nicht genannt. Allerdings läßt sich den Entscheidungen entnehmen, daß das Reichsgericht den § 75 EinlALR nur als Normierung einer darunter liegenden Rechtsidee ansieht 5 . Das Prinzip der Gerechtigkeit und Billigkeit w i r d wiederholt als Grundlage dieser Rechtsidee angeführt 6 . Das Reichsgericht entnahm somit dem § 75 EinlALR einen für das öffentliche Recht allgemeingültigen Rechtsgedanken. Eine einheitliche Begründung für die Geltung des A u f opferungsanspruchs i m heutigen Recht liefert auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht. Es stellt sich die Frage, ob als Rechtsgrundlage der Aufopferung i m heutigen Recht ebenfalls noch der allgemeine Rechtsgrundsatz, w i e i h n das Reichsgericht entwickelt hat, anzusehen ist, oder ob nach Inkrafttreten des Grundgesetzes eine andere Rechtsgrundlage für den Aufopferungsanspruch i n Betracht kommt. 1 Vgl. RGZ 102, 390 (391). Eine Entschädigung v o n Impfschäden hatte das Reichsgericht aber noch i n R G Z 156, 305 ff. = J W 1938, 363 abgelehnt. 2 B G H Z 6, 270, 275; B G H Z 7, 331; B G H Z 9, 83; B G H Z 22, 43; B G H Z 24, 45; B G H Z 25, 238; B G H Z 31, 187; B G H Z 34, 24. s B G H Z 7, 331; B G H Z 9, 83; B G H Z 24, 45; B G H Z 25, 238. 4 RGZ 58, 130 ff.; RGZ 140, 276; RGZ 101, 102 (103); RGZ 104, 18 ff.; RGZ 113, 301 (306); R G i n J W 1925, 2446; vgl. weitere Nachweise bei Schack, Gutachten, S. 18. s Schack, Gutachten, S. 18. « RGZ 140, 276 (285, 288).

28

V. Geltungsgrund des Aufopferungsanspruchs

1. Gewohnheitsrecht Die jahrzehntelange Spruchpraxis des Reichsgerichts und die Weitergeltung des Aufopferungsanspruchs neben Art. 14 GG 7 gibt Anlaß, die gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Aufopferung i n Betracht zu ziehen. Voraussetzung für die Entstehung von Gewohnheitsrecht ist, daß ein allgemeiner Rechtsgeltungswille der Gemeinschaft sich i n einer längere Zeit andauernden gleichmäßigen Übung manifestiert 8 . Nur unter diesen Bedingungen 9 kann sich aus einem Gerichtsgebrauch Gewohnheitsrecht entwickeln 1 0 . Das Institut „Aufopferung" w i r d seit Jahrzehnten allgemein anerkannt. Der Bundesgerichtshof 11 hat die Geltung des Auf opferungsanspruchs i m heutigen Recht unter anderem als Gewohnheitsrecht bezeichnet. Heuser 12 lehnt die Ansicht ab, daß der Aufopferungsanspruch zu Gewohnheitsrecht erstarkt sei. Wegen der grundlegenden Verschiedenheiten der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs hält er das Merkmal einer fortdauernden gleichmäßigen Übung für nicht gegeben. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein sei von kurzer Dauer, und wichtiger noch: Sie sei gegen den Widerspruch bedeutender Vertreter des Schrifttums erfolgt 1 3 . Es mangelt somit an der für die Annahme von Gewohnheitsrecht erforderlichen allgemeinen Rechtsüberzeugung. Entgegen der Ansicht Heusers 14 ist jedoch entscheidend, daß das Rechtsinstitut des Aufopferungsausgleichs an sich seit langem allgemein anerkannt wird. K r i t i k i n der Literatur 1 5 bezieht sich niemals auf die Anerkennung des Instituts der Aufopferung an sich, sondern lediglich auf einzelne Merkmale, die der Bundesgerichtshof — i m Gegensatz zum Reichsgericht — für die Aufopferung als wesentlich oder unwesentlich betrachtet. Dabei hat sich insbesondere eine Verschiebung derart vollzogen, daß nach heutigem Recht der Aufopferungsanspruch nur noch 7

K i m m i n i c h i n Bonner Kommentar, A n m . 15 zu A r t . 14 GG, Rdziff. 97. 8 Larenz, Methodenlehre d. Rechtswissenschaft, S. 338, 339; EnneccerusNipperdey, Allg. T e i l d. Bürg. Rechts, I. Hbd., S. 264 ff. 9 Gerichtsgebrauch allein reicht eben nicht aus: So auch Stern J Z 1962, 265 (268). 10 Enneccerus-Nipperdey, A l l g . T e i l d. Bürg. Rechts, I . H b d . , S. 267; Larenz, Methodenlehre d. Rechtswissenschaft, S. 340. H B G H Z 6, 270 (275); B G H Z 9, 83 (85); B G H Z 13, 88 (91); B G H Z 16, 366 (374). 12 Heuser, Diss., S. 45—50. is Vgl. Heuser, Diss., S. 49; Stödter, D Ö V 1953, 132 (141); Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 386; Schroer i n J Z 1955, 308 ff.; Dürig, J Z 1955, 521 (523); Scheuner i n Reinhardt u. Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 106. ι 4 Heuser, Diss., S. 50. is Schack, B B 1956, S. 409 ff.; Schack, J Z 1960, 625 (626); Wagner i n Festschrift f ü r Jahrreiß, S. 441.

2. A r t . 14 G G i n Vbdg. m i t A r t . 1,2 G G

29

bei einem Eingriff i n die körperliche Unversehrtheit gegeben ist; nach dem Reichsgericht 16 entstand gerade bei diesem Eingriff der Anspruch nicht. Es war vielmehr ein Eingriff i n ein vermögenswertes Rechtsgut notwendig. Der Gedanke, daß dem einzelnen zum Wohle der Allgemeinheit auferlegte besondere Opfer ausgeglichen werden müssen, ist jedoch seit Jahrzehnten nicht mehr i n Frage gestellt worden. Insoweit liegt ein lange andauernder Gerichtsgebrauch vor, der auch auf einem allgemeinen Rechtsgeltungswillen basiert. Rechtsgrundlage des Aufopferungsanspruchs ist somit Gewohnheitsrecht.

2. Art. 14 GG in Vbdg. mit Art. 1, 2 GG Als weiterer Rechtsgrund des Aufopferungsanspruchs könnte zunächst Art. 14 GG i n Betracht kommen. Nach heute herrschender Meinung stellt der Aufopferungsanspruch einen Opferausgleich für erlittene Nichtvermögensschäden dar 1 7 . Wenn Bauschke-Kloepfer 18 dennoch zu einer Entschädigung aus A r t . 14 GG kommen, dann aus nachfolgender Überlegung: Obwohl nach Ansicht der Rechtsprechung gerade Nichtvermögensschäden durch die Aufopferung ausgeglichen werden sollen, so entschädigt sie doch i n Wirklichkeit nur die damit verbundenen Vermögensminderungen und hat einen Ersatz für immaterielle Schäden bei der Aufopferung stets und mit eingehender Begründung abgelehnt. Was also ausgeglichen wird, sind Eigentumsverluste und Vermögensminderungen, und diese können nach A r t . 14 GG entschädigt werden. Dieser Überlegung steht jedoch folgendes Argument entgegen: Die Entschädigungspflicht des A r t i k e l 14 GG ist nur ein Unterfall des allgemeinen, seit fast zwei Jahrhunderten bekannten Aufopferungsanspruchs 19 . Rechtsgrundlage des allgemeineren, umfassenderen Anspruchs kann schon logisch nicht die Kodifizierung eines seiner Spezialfälle sein. Dieses Problem stellt sich allerdings für Bauschke-Kloepfer nicht, da sich ihre Untersuchung nicht m i t der Rechtsgrundlage des Aufopferungsanspruchs beschäftigte. Die Verfasser halten die Aufopferung vielmehr für überflüssig. iß RGZ 156, 305 (310). 17 Wolff, V e r w R I § 60 I, S. 454; Janssen, Aufopferung, S. 73—77; B G H Z 13, 88 (91); B G H Z 23, 157 (161); Forsthoff, S. 327. is Bauschke-Kloepfer N J W 1971, 1233 (1236 ff.). 1 9 K i m m i n i c h i n Bonner Kommentar A r t . 14 A n m . 15, Rdziff. 97; Janssen S. 36.

30

V. Geltungsgrund des Aufopferungsanspruchs

A r t . 14 GG käme zwar auch nach der sogenannten „Ersfc-recht"L o g i k 2 0 als alleiniger Geltungsgrund des Aufopferungsanspruchs i n Betracht. Wenn schon durch A r t . 14 GG Eingriffe i n das Eigentum eine Entschädigungspflicht nach sich ziehen, dann muß dies erst recht bei Vermögensschäden der Fall sein, die infolge von Maßnahmen gegen von der Verfassung besonders geschützte Rechtsgüter, also insbesondere die körperliche Unversehrtheit, auftreten. A r t . 14 GG bezweckt jedoch nur den Schutz des Eigentums. Der Aufopferungsanspruch hat nach heute herrschender Auffassung einen Eingriff i n die körperliche Unversehrtheit oder andere immaterielle Rechtsgüter zur Voraussetzung. Die körperliche Integrität ist durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützt. Durch A r t . 1 GG werden andere immaterielle Rechtsgüter für unantastbar erklärt. Wenn also schon durch A r t . 14 GG Eingriffe i n das Eigentum eine Entschädigungspflicht nach sich ziehen, dann muß dies erst recht bei Vermögensschäden der Fall sein, die infolge von Maßnahmen gegen von der Verfassung besonders geschützte Rechtsgüter, also insbesondere die körperliche Unversehrtheit, auftreten. Art. 14 GG i n Verbindung mit A r t . 1 GG und A r t . 2 GG ergeben somit, daß Vermögensschäden zu entschädigen sind, die infolge staatlichen Eingriffs i n die körperliche Unversehrtheit oder andere immaterielle Güter entstanden sind.

3. Art. 3 GG Sowohl der Bundesgerichtshof 21 als auch das Bundesverfassungsgericht 2 2 lassen für das Aufopferungsrecht ebenso wie für das Enteignungsrecht den Gleichheitssatz von entscheidender Bedeutung sein 23 . Für A r t . 3 GG hat das Bundesverfassungsgericht 24 allerdings entschieden, daß diese Bestimmung nur ein Willkürverbot darstellt. A r t . 3 GG ist also erst dann verletzt, wenn die Willkürgrenze überschritten ist. Demgegenüber w i r d vom Bundesgerichtshof i m Entschädigungsrecht der „Gleichheitssatz" als Ausgleichssatz verstanden. I n der Literatur 2 5 , die andeutungsweise zwischen dem Gleichheitssatz als W i l l k ü r - und so Bezeichnung bei Lerche i n JuS 1961, 237 ff.; vgl. dazu auch Horn, Diss., S. 13 A n m . 34 u. S. 29 A n m . 100. 21 B G H Z 6, 270 ff.; B G H Z 9, 83 )90). 22 BVerfG 1, 264 (275f.); B V e r f G 4, 219 Leitsatz 1; vgl. bei Janssen, A u f opferung, S. 30 f. 23 B G H Z 6, 270 (290 ff.); B G H Z 13, 88 (91); B G H Z 32, 208 (211), (Aufopferung); vgl. auch Nachweise bei Battis S. 45. 24 B V e r f G 1, 14 (52); B V e r f G 23, 98 (106). 25 v g l . Nachweise bei Battis S. 49 f.; Wolff, V e r w R I, S. 411 f.; V o l k m a r S. 239; Franke S.45ff.

3. A r t . 3 GG

31

einem irgendwie engeren Gleichheitssatz als AusgleichsSätz unterscheidet, ist umstritten, wie dieser „Gleichheitssatz" zu deuten ist 2 6 . Nach der Sonderopfertheorie des Bundesgerichtshofs ist für die Enteignung kennzeichnend, daß durch einen hoheitlichen Einzeleingriff einzelnen oder mehreren Rechtsträgern ein sie ungleich treffendes Sonderopfer auferlegt w i r d 2 7 . Bei der Prüfung des Gleichheitssatzes i m Rahmen dieser Sonderopferlehre beschränkt sich der Bundesgerichtshof nicht auf eine bloße Willkürprüfung 2 8 . Er wendet vielmehr i m Entschädigungsrecht den Gleichheitssatz der Sache nach als Ausgleichssatz an. Der Bundesgerichtshof läßt also — ohne sich dieses Problems ausdrücklich anzunehmen — Gewohnheitsrecht und A r t . 3 GG gleichberechtigt als Anspruchsgrundlage des Aufopferungsanspruchs nebeneinander stehen. Es stellt sich damit aber die Frage, ob die gewohnheitsrechtliche Regelung i m GG selbst Aufnahme gefunden hat und somit als positivrechtliche Regelung das Gewohnheitsrecht ersetzt hat. Zwar w i r d der bis dahin gewohnheitsrechtlich geltende Aufopferungsanspruch i m Grundgesetz nicht ausdrücklich genannt. Doch läßt sich der Anspruch auf Opferausgleich aus A r t . 3 Abs. 1 GG ableiten. Nach überkommener Auffassung war es Zweck des Gleichheitssatzes, den einzelnen vor Eingriffen der staatlichen Gewalt zu schützen, nicht aber, i h m einen Anspruch auf positive Leistung zu gewähren 29 . Inzwischen aber hat sich ein Wandel der Auffassungen über das Verhältnis des einzelnen zum Staat und die hervorragende Bedeutung des Gleichheitssatzes unter den Grundrechten vollzogen 30 . Dem entspricht es, dem Gleichheitssatz — unabhängig von seiner Einordnung unter die liberalen Grundrechte — einen möglichst großen Bereich zu erschließen. Deshalb kann der Gleichheitssatz nicht mehr allein als W i l l kürverbot an Gesetzgeber, Exekutive und Rechtsprechung angesehen werden, m i t der Folge, daß der einzelne lediglich einen Anspruch auf Unterlassung willkürlicher staatlicher Maßnahmen hat. Vielmehr erfordert der Gleichheitssatz, daß der einzelne durch staatliche Maßnahmen nicht mehr belastet w i r d als andere. Eine erfolgte Mehrbelastung muß, falls sie nicht mehr rückgängig zu machen ist, durch positives Handeln des Staates so weit wie möglich ausgeglichen werden; denn es wider2β Battis S. 47 f.; Scheuner, Verfassungsschutz, S. 125; Kaiser S.31, 35; L u h m a n n S.61; Weyreuther S.32; Ule i n V e r w A r c h 54, 345 (350, 356 ff.); D ü r i g i n Apelt-Festschrift S. 49. 27 B G H Z 6, 270 (280). 28 Vgl. dazu Koppensteiner i n B B 1967, 217 (221 f.). 28 Vgl. dazu Heuser, Diss., S. 54. so Heuser, Diss., S. 57.

32

V. Geltungsgrund des Aufopferungsanspruchs

spricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz des A r t . 3 Abs. 1 GG, wenn die einzelnen Staatsbürger die Lasten der Staatstätigkeit i n unterschiedlichem und nicht durch ihre Leistungsfähigkeit gerechtfertigtem Maß zu tragen haben 31 . Aus A r t . 3 GG folgt damit der Grundsatz der Lastengleichheit. Dieser wiederum verlangt, daß ungleiche Belastungen ausgeglichen werden müssen. Der Aufopferungsgedanke, der besagt, daß der einzelne einen Ausgleich verlangen kann, wenn er durch hoheitliche Maßnahmen i n seinem Privatbereich unmittelbar beeinträchtigt wird, und ihm dadurch ein besonderes Opfer auferlegt wird, hat damit i m Grundgesetz selbst Anerkennung gefunden.

4. §§ 74, 75 EinlALR I n Rechtsprechung 32 und Schrifttum 3 3 w i r d bei der Aufopferung immer noch auf die §§ 74, 75 E i n l A L R Bezug genommen. Zu prüfen ist daher auch noch, ob diese Bestimmungen als Rechtsgrundlage für den Aufopferungsanspruch in Frage kommen. Janssen 34 w i l l auch heute noch für die ehemals preußischen Rechtsgebiete § 75 EinlALR unmittelbar anwenden, da nicht ersichtlich sei, daß er durch irgendeine Vorschrift aufgehoben sei. Nach einer anderen A n sicht 35 ist demgegenüber § 75 EinlALR durch A r t . 153 W V aufgehoben worden. Schon deshalb komme eine analoge Anwendung — und erst recht eine unmittelbare — von A r t . 75 EinlALR als Rechtsgrundlage nicht mehr i n Betracht. Die Rechtsprechung hat sich mehr und mehr von den §§ 74, 75 EinlALR gelöst 36 . Die Heranziehung des allgemeinen preußischen Landrechts lenkt den Blick davon ab, daß der Aufopferungsanspruch i n seiner heutigen Ausgestaltung m i t i h m nichts mehr zu t u n hat 3 7 . Deshalb bedarf der Aufopferungsanspruch als allgemeiner Rechtsgrundsatz i m Gebiet außerhalb des ehemaligen Preußens einer Analogie zu §§ 74, 75 EinlALR nicht mehr. Wegen seiner Verbindung m i t § 74 EinlALR gilt § 75 EinlALR nur für rechtmäßige Eingriffe, so daß — wollte man diese Vorschrift i m ehemals preußischen Rechtsgebiet weiter anwenden — si Heuser S. 57. 32 B G H Z 9, 83; B G H Z 7, 331 (334); B G H Z 22, 43 (45); B G H Z 25, 238 (240). 33 Forsthoff S. 327; W o l f f I §61 l a , S.459; Janssen, Aufopferung, S. 52; dagegen Schack, Gutachten, S. 54. s 4 Janssen, Aufopferung, S. 31. 35 Heuser S. 44. 3β Vgl. dazu Schack, Gutachten, S. 54. 37 Schack, Gutachten, S.54.

5. Gesamtschau

33

rechtmäßige und rechtswidrige Schädigung dort — anders als i m übrigen Bundesgebiet — verschieden behandelt werden müßten. Zwischen dem ehemals preußischen und dem restlichen Rechtsgebiet würden dann Verschiedenheiten auftreten 3 8 , die es unmöglich erscheinen lassen, auf § 75 E i n l A L R direkt oder analog als Rechtsgrundlage zurückzugreifen 39 . Eine direkte oder analoge Anwendung scheidet daher aus. Heute ist vielmehr der darin zum Ausdruck gekommene und inzwischen gewohnheitsrechtlich geltende Rechtsgedanke maßgebend.

5. Gesamtschau Die Untersuchung hat ergeben: Der gewohnheitsrechtliche A u f opferungsanspruch ist i m Grundgesetz sowohl durch A r t . 14 GG i n Verbindung mit A r t . 1 GG und A r t . 2 GG als auch durch A r t . 3 GG abgesichert. Soweit Art. 14 GG i n Verbindung m i t A r t . 1 GG und A r t . 2 GG als Geltungsgrund i n Betracht kommt, ist zu beachten, daß sich ein Spezialverhältnis zwischen diesen Normen derart, daß die eine die andere umfaßt oder ausschließt, nicht erkennen läßt. Der Geltungsgrund des Aufopferungsanspruchs ergibt sich somit sowohl aus Art. 14 GG i n Verbindung m i t A r t . 1 GG und A r t . 2 GG als auch aus Art. 3 GG. Allerdings w i r d der Aufopferungsanspruch i n keiner dieser Bestimmungen wörtlich aufgeführt. Sein Geltungsgrund ergibt sich vielmehr erst durch Auslegung aus diesen Bestimmungen. Bei dieser Auslegung sind die kraft Gewohnheitsrechts geltenden Grundsätze heranzuziehen. Insoweit ist auch das Gewohnheitsrecht Rechtsgrundlage.

38 So w o h l noch heute Rüfner, 49. DJT, Ε 36. 39 Ausdrücklich gegen eine Analogie Schack, Gutachten, S.54; Fischer, DÖV 1955, S. 634, These 12. 3 Schiwy

V I . N o r m e n r a n g des Aufopferungsanspruchs

Sind mit den vorstehenden Ausführungen die allgemeine Rechtsentwicklung und der Geltungsgrund des Aufopferungsanspruchs dargelegt, so bleibt die für die gesetzliche Ausgestaltung des Entschädigungsanspruchs für Impfschäden wichtige Frage nach dem Normenrang zu klären. I m Grundgesetz ist der Aufopferungsanspruch — anders als die Enteignung i n A r t . 14 GG — nicht ausdrücklich genannt. Die i m Schrifttum vertretenen verschiedenen Meinungen 1 über den Verfassungsrang des Aufopferungsanspruchs folgen aus den noch vorhandenen unterschiedlichen Auffassungen über seinen Geltungsgrund. Schack2 versucht nicht mehr, den Verfassungsrang i n einer bestimmten Vorschrift zu suchen, sondern führt Gerechtigkeit, Billigkeit und die Stellung des einzelnen als Glied einer Gemeinschaft an. Das Interesse der Allgemeinheit darf nicht das individuelle Interesse i n den Hintergrund treten lassen. Während er aber den überstaatlichen Rang ausdrücklich ablehnt 3 , schließt er nicht aus, daß zumindest innerhalb der verfassungsrechtlichen Ordnung der Aufopferungsanspruch einen höheren Rang einnimmt. Nach anderen 4 ist der Aufopferungsanspruch eine unmittelbare Folge aus dem Rechtsprinzip und hat deshalb Verfassungsrang. Teilweise w i r d der verfassungsrechtliche Charakter des Aufopferungsgedankens i n A r t . 14 GG 5 oder auch i n der Zusammenschau der Grundrechte i n den A r t . 14 Abs. 1 Satz 1, A r t . 3 Abs. 1 und A r t . 2 Abs. 1 GG 6 gesehen.

ι Schack, Gutachten, S. 18, 23, 37; Wolff, V e r w R I, §611, S.459; von M a n goldt-Klein, GG, A r t . 14 A n m . V I 3, S.436; Dürig, Apelt Festschrift, S. 13 ff. (49 oben); Hamann-Lenz, GG, A r t . 14 A n m . B l e , S.282; Janssen, Aufopferung, S. 34. 2 Schack, Gutachten, S. 18, 23, 37. 3 Schack, Gutachten, S. 38 A n m . 156. 4 Wolff V e r w R I , § 611, S. 459; v. Mangoldt-Klein, GG, A r t . 14, A n m . v. 13, S. 436. δ Dürig, Apelt-Festschrift, S. 13 ff. (48 sub 5) (S. 49 oben); i h m folgt Hamann-Lenz, G G A r t . 14, A n m . Β 1 c, S. 282. 6 Fischer, Thesen, DÖV 1955, 634.

V I . Normenrang des Aufopferungsanspruchs

35

Götz 7 sieht den Aufopferungsanspruch durch A r t . 1 und Art. 2 GG verfassungsrechtlich abgesichert. Haas 8 begründet den Verfassungsrang letztlich m i t dem Lastengleichheitssatz. Der Aufopferungsanspruch ist nur ein Teil dieses allgemeinen verfassungsrechtlichen Satzes, der i n A r t . 134 W V 9 seinen positiven Ausdruck gefunden hatte 1 0 . Da A r t . 134 W V als Generalklausel für die Auferlegung gleicher Lasten, wie z. B. Steuern etc., nicht aber als Generalklausel zur Ausgleichung ungleicher Zufallsbelastungen gedacht ist, mag dahingestellt bleiben, ob man der Bejahung einer solchen positivistischen verfassungsrechtlichen Anerkennung zustimmen kann 1 1 . Greiner 1 2 geht davon aus, daß der A u f opferungsanspruch i n der Verfassung durch A r t . 20 Abs. 1 GG i n Verbindung mit Art. 3 GG positivrechtlich normiert ist. Nach Janssen 13 stellt sich der Aufopferungsanspruch als überverwaltungsrechtlicher, d. h. allgemeiner öffentlich-rechtlicher und damit staatsrechtlicher Grundsatz dar. Weiter führt er als Begründung für den Verfassungsrang den allgemeinen Gleichheitssatz und A r t . 3 GG und das Rechtsstaatsprinzip an 1 4 . D ü r i g 1 5 und Heuser 16 sehen die verfassungsrechtliche grundlage i m Gleichheitssatz des Art. 3 GG.

Anspruchs-

Lerche 17 verneint den Verfassungsrang des Aufopferungsanspruchs, indem er alle Argumente, die den Verfassungsrang „als Ausfluß des A r t . 3 Abs. 1 GG oder des Rechtsstaatsprinzips oder aus anderen mehr oder minder farblosen Gründen" bezeichnen, als „Kunstgriff" ablehnt. Zur Begründung seiner Ansicht führt er an, aus der Normierung der Enteignung i n A r t . 14 GG als Spezialfall der Aufopferung ergäbe sich, daß gerade nicht die gesamte Aufopferung Verfassungsrang habe. Der Grundgedanke von Lerche ist zutreffend: Von der Aufopferung i m weitesten Sinne des Wortes ist nur die Enteignung i n der Verfassung ausdrücklich geregelt. Allerdings spricht von daher allenfalls eine Vermutung dafür, daß die i n der Verfassung nicht geregelten 7 Götz § 61, S. 94. β Haas, System, S. 22 f. » „ A l l e Staatsbürger ohne Unterschied tragen i m Verhältnis ihrer M i t t e l zu den öffentlichen Lasten nach Maßgabe des Gesetzes bei." 10 Barkhau, ö f f e n t l i c h rechtliche Entschädigung, S.56. 11 So auch Janssen, Aufopferung, S. 34. 12 Greiner, DÖV 1954, 583 (586). ι» Janssen, Aufopferung, S. 33. 14 Ebenso Fischer, D Ö V 1955, 633 (634). is D ü r i g i n J Z 1954, 4 (5). 16 Heuser, Diss., S. 57—61. 17 Lerche, JuS 1961, 237 (241). Auch Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 159, b i l l i g t dem Aufopferungsanspruch n u r einfachen Gesetzesrang zu — allerdings ohne weitere Begründnug. 3*

36

V.

enrn

des Aufopferungsanspruchs

Fälle der allgemeinen Aufopferung Verfassungsrang nicht haben sollen. Diese Vermutung ist aber dadurch widerlegt, daß der Aufopferungsanspruch i n der Verfassung insgesamt nicht ungeregelt geblieben ist. Zwar fehlt eine ausdrückliche Verfassungsbestimmung über den Aufopferungsanspruch; er ist jedoch abgesichert sowohl i n dem A r t . 14 GG i n Verbindung m i t Art. 1 GG und A r t . 2 Abs. 2 GG als auch i n A r t . 3 GG. Der Kunstgriff-Argumentation Lerches ist m i t h i n gegenüberzustellen, daß eine einfache gesetzliche Abschaffung des Aufopferungsanspruchs den i n Art. 14 GG i n Verbindung m i t A r t . 1 GG, A r t . 2 GG und A r t . 3 GG zum Ausdruck kommenden Wertungen verstoßen würde und somit unzulässig wäre. Der verfassungsrechtliche Charakter des Aufopferungspruchs ergibt sich somit aus seiner Absicherung i n A r t . 14 GG i n Verbindung m i t Art. 1 GG und A r t . 2 GG sowie i n A r t . 3 GG.

V I I . U m f a n g des Aufopferungsanspruchs Der allgemeine Aufopferungsanspruch gewährt nach herrschender Meinung i n Rechtsprechung 1 und Literatur 2 dem einzelnen eine angemessene Entschädigung für sein zugunsten der Allgemeinheit erbrachtes Sonderopfer.

1. Schadensersatz-Entschädigung Bei Eingriffen i n Rechte anderer gewährt die Rechtsordnung dem Betroffenen i n zahlreichen Fällen Ausgleich der erlittenen Nachteile. Hauptfälle der verschiedensten Ersatzansprüche sind die Schadensund Entschädigungsansprüche. Unter Schadensersatz w i r d i m Bürgerlichen Recht sowohl die Herstellung des gleichen realen Zustandes, nämlich wie er ohne das schädigende Ereignis bestand, als auch die Herstellung eines gleichwertigen Zustandes verstanden. Den ersten Fall bezeichnet man als Naturalrestitution, § 249 BGB. § 252 S. 1 BGB stellt fest, daß hierzu auch der entgangene Gewinn gehört. Der Grundsatz der Naturalrestitution w i r d jedoch i n § 249 S. 1 und § 251 BGB zugunsten eines Geldersatzes durchbrochen. Daher ist die Naturalrestitution kein unerläßliches Merkmal des Schadensersatzes. Der Begriff Entschädigung w i r d hauptsächlich — aber nicht nur ausschließlich — dort verwendet, wo es sich nicht um Beseitigung i m Sinne einer möglichst weitgehenden Wiederherstellung des früheren Zustandes, sondern u m einen Vermögenswerten Ausgleich eines Eingriffs i n bestehendes Recht handelt. Hauptanwendungsfall dieser öffentlich-rechtlichen Entschädigung ist das Enteignungsrecht. Gem. A r t . 14 Abs. 3 GG ist eine Entschädigung zu leisten, die unter gerechter Abwägung der Interessen der Beteiligten festzusetzen und nach heute herrschender Meinung 5 auf angemessene Entschädigung gerichtet ist. Diese Interessenabwägung führt i m Regel1 B G H Z 7, 331 (334); B G H Z 20, 61 (70); B G H Z 22, 43 (46). 2 Kröner S. 96; Wolff, V e r w R I, §61111, S.463; Bender A n m . 345, S.209; Wilke, Die Haftung des Staates, S. 98; Schack, B B 1959, 1259 ff.; K i m m i n i c h i n Bonner Kommentar A r t . 14 GG, A n m . 101. 3 Wolff, V e r w R I , §61111, S.463; Wilke, Die Haftung des Staates, S.93; B G H Z 7, 331 (334); B G H Z 20, 61 (70); B G H Z 22, 43 (46).

38

V .

ng des Aufopferungsanspruchs

fall dazu, daß der Entschädigungsanspruch keinen vollen, sondern nur einen billigen Ausgleich der Nachteile des Verletzten herbeiführt 4 . Daß bei der Aufopferung nur ein billiger Ausgleich zu gewähren sei, ist insbesondere dem Wortlaut des § 75 EinlALR entnommen worden 5 . Einen kodifizierten Rechtssatz, der ausdrücklich bestimmt, welchen Umfang der Aufopferungsanspruch hat, gibt es nicht. Aus der Natur des über eine Abwägung der Interessen zu ermittelnden Anspruchs folgt, daß eine nähere Umreißung seines Umfangs nicht möglich ist. Vielmehr ist stets auf den Einzelfall abzustellen. I m Einzelfall allerdings kann die angemessene Entschädigung auch darin bestehen, daß dem Geschädigten voller Schadensersatz zugebilligt w i r d 6 .

2. Materieller Schaden, insbesondere Verdienstausfall — Entgangener Gewinn Es kann sich der Umfang des Aufopferungsanspruchs heute nicht mehr aus den §§ 74, 75 EinlALR, sondern allein aus seinem heutigen Geltungsgrund unter Berücksichtigung der dem Aufopferungsanspruch zugrunde liegenden Wertungen ergeben 7 . Heuser 8 hat zu diesem Problem folgende Überlegungen angestellt: Die durch den Aufopferungsanspruch zu lösenden Interessenkonflikte unterscheiden sich grundsätzlich von denen, die das bürgerliche Recht m i t seinen Bestimmungen über die unerlaubten Handlungen regelt. I m bürgerlichen Recht stehen sich gleichberechtigte Privatpersonen gegenüber, und die Folgen eines entstandenen Schadens müssen zwischen diesen verteilt werden. I m Aufopferungsrecht hingegen t r i t t eine Kollision zwischen Allgemein- und Individualinteressen 9 auf. Es besteht einerseits das Bedürfnis, den einzelnen zu einem dem Wohle der Allgemeinheit dienenden Verhalten zu veranlassen. Andererseits besteht ein Interesse des einzelnen daran, den Wert der privaten Rechtsgüter zu erhalten. Hier hat eine Abwägung unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß alle Staatsbürger i m Verhältnis zu ihren Mitteln 4 B G H Z 6, 270 (295); B G H Z 9, 83 (93); B G H Z 13, 88 (91); B G H Z 23, 157 (171 f.); B G H Z 29, 95 (97); Wolff, V e r w R I, S.463; Janssen, Der Anspruch, S. 71 f.; Forsthoff S.324; Schack, B B 1959, 1259 ff. s So RGZ 140, 276 (290); B G H Z 9, 209 (217); ähnl. Giese, Der öffentliche Aufopferungsanspruch, S. 74. 6 B G H Z 7, 331 (334); B G H Z 2, 270 (293, 295); B G H Z 22, 43 (50); eine Tendenz der Rechtsprechung bei Enteignungsentschädigung vollen Schadensausgleich zu gewähren, stellt auch Rüfner (49. DJT, Ε 30) fest. 7 Heuser, Diss., S. 137. 8 Heuser, Diss., S. 122. β Heuser, Diss., S. 123.

2. Materieller Schaden, insbesondere Verdienstausfall

39

gleiche Lasten zu tragen haben, stattzufinden. Unabhängig von der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der staatlichen Maßnahme ist also die Verletzung des Gleichheitssatzes ausschlaggebend für die staatliche Ausgleichspflicht. Der Gleichheitssatz gebietet, daß jeder Bürger i n gleicher Weise und i n gleichem Umfang zur Unterstützung der Staatstätigkeit beiträgt. W i r d einem einzelnen eine höhere Leistung, ein Sonderopfer, abverlangt, so erfordert das Prinzip der Lastengleichheit aller Bürger, i h m hierfür einen Ausgleich zu gewähren. Es soll der von A r t . 3 GG geforderte Zustand, daß alle Bürger die gleichen Lasten wie ihre sich i n der gleichen Lage befindenden Mitbürger tragen, wiederhergestellt werden. N u r aus diesem Rechtsgrund und dieser Aufgabe des Aufopferungssatzes kann sich sein Umfang ergeben. Die ungleiche Belastung eines einzelnen zugunsten der Allgemeinheit kann jedoch nur dadurch wieder aufgehoben werden, daß seine Nachteile i n vollem Umfang ausgeglichen werden. Bei einer Entschädigung, die hinter dem vollen Ersatz zurückbleibt, w i r d der Umfang der ungleichen Belastung zwar verringert, jedoch nicht aufgehoben. Der Forderung nach vollem Schadenersatz bei der Aufopferung läßt sich auch nicht entgegenhalten 10 , daß die Erfüllung staatlicher Aufgaben dem Betroffenen letztlich selbst zugute kommt und es ihm daher zuzumuten ist, daß er einen Teil des Sonderopfers selbst trägt. Das zum Wohle der Allgemeinheit vorgenommene Handeln begünstigt alle Staatsbürger gleichermaßen — einschließlich desjenigen, dem zufällig ein Sonderopfer abverlangt wurde. Deshalb haben auch alle Staatsbürger ihren M i t t e l n entsprechend i m gleichen Umfang und auf gleiche Weise die ihren Interessen dienende Staatstätigkeit zu unterstützen. Den zufällig Geschädigten dadurch zur Unterstützung der Staatstätigkeit heranzuziehen, daß er ein — wenn auch vermindertes — Sonderopfer erbringt, ist so lange nicht gerechtfertigt, als das staatliche Handeln, das ihm das Sonderopfer abverlangte, ihn nur gleichrangig m i t und nicht vorrangig vor den anderen Staatsbürgern begünstigt. Demgegenüber ist nach der Rechtsprechung und h. M. i n der Literat u r der Aufopferungsanspruch nur auf einen angemessenen Geldausgleich gerichtet 11 . Das bedeutet, daß grundsätzlich nicht Ersatz des vollen Vermögensschadens geleistet wird. Diese Ansicht des Bundesgerichtshofs und der Literatur ergibt sich einmal daraus, daß der Bundesgerichtshof sowohl das Gewohnheitsrecht als auch A r t . 3 GG als io Heuser, Diss., S. 141. H RGZ 140, 276 (288); B G H Z 7, 331 (334); B G H Z 9, 83 (93); B G H Z 14, 363 (365); B G H Z 20, 81 (83); B G H Z 22, 43 (48); B G H Z 29, 95 (97); B G H Z 45, 58 (76/77); Schack, B B 1959, 1259 ff.; K i m m i n i c h , Bonner Kommentar, A r t . 14 GG ; A n m . 101; Wilke, Die H a f t u n g des Staates, S. 101.

40

V .

ng des Aufopferungsanspruchs

Rechtsprechungsgrundlage des Aufopferungsanspruchs ansieht 12 . Diese Zweigleisigkeit der Rechtsgrundlage ergab sich natürlich erst nach Erlaß des Grundgesetzes. I n diesem Zeitpunkt aber war das Institut der Aufopferung i n der Rechtsprechung schon anerkannt und dahin gefestigt, daß nur Entschädigung gewährt wurde. Der Bundesgerichtshof hat i m wesentlichen die Rechtsprechung des Reichsgerichts bezüglich des Umfangs des Aufopferungsanspruchs übernommen und ist insoweit der erkennbaren Rechtstradition gefolgt, nur bei schuldhaftem Staatshandeln dem Betroffenen einen vollen Schadensausgleich zu gewähren. So ist der Aufopferungsanspruch gewohnheitsrechtlich auch nur auf eine angemessene Entschädigung gerichtet; zwar kann auch Gewohnheitsrecht durch die Verfassung modifiziert werden. Dies ist für den Umfang der A u f Opferungsentschädigung durch A r t . 1, A r t . 2, 14 und A r t . 3 GG jedoch nicht zwingend derart geschehen, daß sich der Umfang der Aufopferungsentschädigung heute auf vollen Schadensersatz richtet. Soweit als grundgesetzliche Absicherung des Aufopferungsanspruchs A r t . 14 GG i n Verbindung m i t Art. 1 GG, A r t . 2 GG gegeben ist, ergibt sich aus A r t . 14 GG ohnehin nur ein Anspruch auf angemessene Entschädigung. Aber auch eine Berücksichtigung des i n A r t . 3 GG zum Ausdruck kommenden Gleichheitssatzes vermag diesen Anspruch auf angemessene Entschädigung nicht grundsätzlich i n einen Schadensersatzanspruch umzuwandeln. Art. 3 GG verlangt zwar den Ausgleich eines Sonderopfers; damit ist aber noch nicht gesagt, ob der Ausgleich — wie bei der Enteignung — nur i n einer unangemessenen Entschädigung zu bestehen hat oder nur deshalb auf angemessene Entschädigung gerichtet ist, weil die überkommene Rechtstradition bei nicht schuldhaften Staatseingriffen eben diesen Ausgleich vorsieht. Soweit es um die Frage des Ersatzes materiellen Schadens geht, ist auch nicht ersichtlich, weshalb Aufopferung und Enteignung eine unterschiedliche Behandlung erfahren sollten. Dem A r t . 14 GG — einer Kodifizierung eines Unterfalles der Aufopferung — ist vielmehr zu entnehmen, daß der bis zum Erlaß des Grundgesetzes geltende Grundsatz, nicht schuldhafte hoheitliche Eingriffe nur angemessen zu entschädigen, auch durch das Grundgesetz nicht abgeändert werden sollte. Der allgemeine Aufopferungsanspruch ist somit auf eine angemessene Entschädigung gerichtet. Sie bestimmt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. Gebieten es aber die Umstände des Einzelfalles — und dies w i r d i n der Praxis häufig der Fall sein —, so w i r d die angemessene Entschädigung aus einem Ersatz des vollen Vermö12 Gewohnheitsrecht: B G H Z 6, 270 (275); B G H Z 9, 83 (85 f.); B G H Z 13, 88 (91); B G H Z 16, 366 (374); B G H Z 20, 61, (69); B G H Z 29, 95 (97); Art. 3 GG: B G H Z 6, 270 (279 f.); B G H Z 13, 88 (90 f.).

3. Immaterieller Schaden

41

gensschadens bestehen 13 . Soweit Gesichtspunkte bei Ermittlung der angemessenen Entschädigung berücksichtigt werden, die zu einem Zurückbleiben der Entschädigung hinter dem vollen Schadensersatz führen, dürfen diese Gesichtspunkte freilich nicht w i l l k ü r l i c h sein. Daß die den Aufopferungsanspruch absichernden Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere A r t . 3 GG nicht zwingend den Ausgleich des vollen Schadens gebieten, hat auch der Bundesgerichtshof 14 erkannt, als er zwar den Gesetzgeber aufforderte, durch positive Regelung den Umfang des Aufopferungsanspruchs gesetzlich zu erweitern, sich aber nicht i n der Lage sah, den gewohnheitsrechtlichen Umfang des A u f opferungsanspruchs auf Grund i h n zwingenden Rechts von sich aus zu erweitern. Nicht entschieden zu werden braucht hier die Frage, ob es dem Bundesgerichtshof auch tatsächlich verwehrt war, den Umfang des allgemeinen Aufopferungsanspruchs auf Grund der dem Grundgesetz zugrunde liegenden Wertungen und insbesondere aus A r t . 2 und Art. 3 GG von sich aus, d. h. ohne zwingende grundgesetzliche Bestimmung zu erweitern; denn „es lassen sich viele Regelungen denken, die sich noch i m Rahmen des Gleichheitssatzes halten" 1 5 . Hat der Gesetzgeber eine bestimmte Lösung gewählt, so ist es nicht Sache eines Gerichts, auch nicht des Bundesverfassungsgerichts, diese Lösung etwa auf ihre Zweckmäßigkeit zu prüfen oder zu untersuchen, ob sie vom Standpunkt einer beteiligten Gruppe aus die gerechteste denkbare Lösung darstellt 1 6 . Sind somit den Gerichten bei der Uberprüfung kodifizierten Rechts auf seine Vereinbarkeit m i t A r t . 3 GG Grenzen gesetzt, ist damit ein Tätigwerden der Gerichte bei der Weiterentwicklung von Gewohnheitsrecht i n Richtung auf die „gerechteste denkbare Lösung" nicht notwendigerweise ausgeschlossen.

3. Immaterieller Schaden D e r B u n d e s g e r i c h t s h o f 1 7 h a t e i n e n Schmerzensgeldanspruch i m R a h m e n der A u f o p f e r u n g a u s d r ü c k l i c h a b g e l e h n t . E r g e h t d a v o n aus, daß eine E n t s c h ä d i g u n g f ü r i m m a t e r i e l l e Schäden n u r i n d e n a u s d r ü c k l i c h n o r m i e r t e n S o n d e r f ä l l e n der §§ 847, 1300 B G B g e w ä h r t w e r d e n soll. I n s besondere habe d e r Gesetzgeber b e i H a f t u n g s t a t b e s t ä n d e n , die e i n V e r ls so hat der B G H 2, 270 (293) (295); B G H Z 7, 331 (334); B G H Z 22, 43 (50) erkannt, daß i m Einzelfall die angemessene Entschädigung i m Ersatz des vollen Vermögensschadens bestehen kann. 14 B G H Z 20, 61 (70). is B V e r f G 3, 58 (135); vgl. auch Stern-Burmeister, kommunale Sparkassen, S. 222 ff., insbesondere S. 225. 16 B V e r f G 3, 58 (135). 17 B G H Z 20, 61 (68).

42

V .

ng des Aufopferungsanspruchs

schulden nicht voraussetzen, davon abgesehen, dem Geschädigten einen Ausgleich für immaterielle Schäden zu gewähren. Bei diesen Tatbeständen könne der Genugtuungsgedanke, der die Verpflichtung zur Entschädigungsleistung über den rein vermögensrechtlichen Schaden hinaus entscheidend mitbegründe, keine Rolle spielen 18 . Ein weiteres Argument gegen die Gewährung von Schmerzensgeld beim Aufopferungsanspruch sieht der Bundesgerichtshof 19 i n folgendem: Auch die Bestimmungen der §§ 74, 75 E i n l A L R gingen davon aus, daß nur für vermögensrechtliche Nachteile Entschädigung zu gewähren sei. Dementsprechend sei i n allen Fällen, wo Aufopferungstatbestände eine besondere gesetzliche Regelung erfahren haben, von einer Entschädigung für nichtvermögensrechtliche Schäden abgesehen worden. Der Bundesgerichtshof 20 bezieht sich dabei auf: § 2 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Entschädigung der i m Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen 21 , § 3 Abs. 1 des Gesetzes, betreffend die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft 22 , § 4 des Gesetzes über die durch innere Unruhen verursachten Schäden 23 , § 537 Nr. 5 RVO i n der Fass, des 6. Änderungsgesetzes 24 und der ersten Durchführungsverordnung 25 dazu, § 9 des Bundesversorgungsgesetzes 26, § 151 des Bundesbeamtengesetzes 27 , auf das Bundesentschädigungsgesetz 28 , § 70 Preuß. Pol. VerwG 2 9 , auf das Impfschädengesetz für NordrheinWestfalen 30 und § 65 PolVerwG für Rheinland-Pfalz 31 . Aus diesen Regelungen i n ihrer Gesamtheit müsse auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, daß eine Entschädigung für immaterielle Schäden nur i n den ausdrücklich normierten Sonderfällen der §§ 847, 1300 BGB gewährt werden, i m übrigen aber — insbesondere bei Vorliegen von Aufopferungstatbeständen — Schadensersatz und Entschädigung auf den Ausgleich vermögensrechtlicher Nachteile beschränkt bleiben sollen. Leben, Gesundheit und Freiheit werden zwar 18 B G H Z 20, 61 (68); B G H Z 18, 149 (154). 19 B G H Z 20, 61 (69). so B G H Z 20, 61 (69). 21 V o m 20. M a i 1898 RGBl. S. 345. 22 V o m 14. J u l i 1904 RGBl. S. 321. 23 V o m 12. M a i 1920 RGBl. S. 941. 24 V o m 9. März 1942 RGBl. I S. 107. 25 V o m 20. August 1942 RGBl. I S. 532 (früher § 533 a RVO i. d. F. des 5, Änderungsgesetzes v o m 17. Februar 1939, RGBl. I S. 267). 26 V o m 20. Dezember 1950 BGBl. S. 791. 27 V o m 14. J u l i 1953 B G B l . I S. 551. 28 V o m 18. September 1953 BGBl. I S. 1387 (vgl. dazu B G H Z 12, 278 [282]). 29 V o m 1. J u n i 1931, GS S. 77. so V o m 10. Februar 1953, GVB1. S. 166. 3i Vom 26. März 1954, GVB1. S.31.

3. Immaterieller Schaden

43

i n A r t . 2 GG ausdrücklich unter besonderen Schutz gestellt, die rechtliche Wertung dieser Lebensgüter allein rechtfertige eine Ausweitung des allgemeinen Aufopferungsanspruchs jedoch nicht 3 2 . Wenn dieses Ergebnis auch unbefriedigend sei, müsse es doch dem Gesetzgeber überlassen bleiben, aus der i n der Verfassung zum Ausdruck gekommenen Ordnung der Werte der einzelnen Lebensgüter gegebenenfalls Folgerungen für eine andersartige Regelung des Entschädigungsrechts zu ziehen. Den i n § 235 BGB normierten Grundsatz, daß Ersatz wegen immaterieller Schäden nur i n den gesetzlich bestimmten Fällen gefordert werden könne, zu verlassen, sei nicht Sache der Rechtsprechung, sondern des Gesetzgebers. Der Aufopferungsanspruch gehört dem öffentlichen Recht an. Weil es sich bei § 253 BGB um eine zivilrechtliche Bestimmung handelt, scheidet ihre direkte Anwendung bei der Aufopferung aus 33 . Bei der analogen Anwendung des § 253 BGB i m öffentlichen Recht ist zu bedenken, ob der mindere Schutz immaterieller Güter gegen hoheitliche Beeinträchtigungen der heutigen Verfassungslage entspricht 34 . Insbesondere für den ursprünglich gewohnheitsrechtlich aus einer Rechtsidee entwickelten Aufopferungsgrundsatz kann nicht auf den Willen des Gesetzgebers des Bürgerlichen Gesetzbuches abgestellt werden; vielmehr muß diese Frage nach den Grundgedanken der Aufopferung entschieden werden. Der Bundesgerichtshof zieht aus den Kodifizierungen von Spezialfällen der Aufopferung und dem darin zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers Schlüsse 35 für den Umfang des allgemeinen kraft Gewohnheitsrechts geltenden Aufopferungsanspruchs. Diese G^ setze sind zum großen Teil vorkonstitutionell, so daß der Bundesgerichtshof i n dieser Entscheidung aus dem Jahre 1956, also sieben Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes den Willen des vorkonstitutionellen Gesetzgebers von entscheidender Bedeutung sein läßt. Bei §823 hat der Bundesgerichtshof 36 trotz §253 BGB finanzielle A n sprüche bei erfolgter Ehrverletzung zugesprochen, w e i l sonst „Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen ohne Sanktion i n der Zivilrechtsordnung b l i e b e n . . . " und die Rechtsordnung sonst „auf das wirksamste und oft einzige M i t t e l verzichten (würde), das geeignet ist, die Respektierung des Personenwertes des einzelnen zu sichern". » B G H Z 20, 61 (70). 33 Staudinger-Werner, B G B I I , Vorbem. 7 vor § 249. 34 Hubmann, JZ 1958, S. 489 (493). 35 Siehe oben S. 42. 3β B G H Z 35, 363 (368) Ginsengwurzeln, — nach B G H Z 26, 349 (357) Herrenreiter.

44

V .

ng des Aufopferungsanspruchs

Diese beiden höchstrichterlichen Entscheidungen dürften sich nur schwer miteinander vereinbaren lassen. Angesichts dieser Rechtsprechung zu § 823 BGB erscheint die Folgerung des Bundesgerichtshofs, das auch von i h m als unbefriedigend bezeichnete Ergebnis, daß bei der Aufopferung ein Schmerzensgeld nicht gewährt werde, könne nur durch ein Tätigwerden des Gesetzgebers (und also nicht durch i h n selbst) geändert werden, nicht zwingend. Gemäß § 253 BGB kann eine materielle Entschädigung bei immateriellem Schaden nur in den ausdrücklich genannten Fällen verlangt werden. I m BGB w i r d ein Schmerzensgeldanspruch — m i t Ausnahme der §§ 833, 1300 BGB — nur bei schuldhaftem, zumindest leicht fahrlässigem Verhalten gewährt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs 87 hat dieser Anspruch eine doppelte Funktion: Er soll einen angemessenen Ausgleich für Nichtvermögensschäden gewähren und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, daß der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat. Der Genugtuungs- und Strafcharakter 38 des Schmerzensgeldanspruchs kann seine Funktion bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts als eines absoluten Rechts gemäß § 823 Abs. 1 BGB erfüllen. Ein zumindest leicht fahrlässiges Verhalten ist hier nämlich Voraussetzung für die Gewährung des Anspruchs. Der Aufopferungsanspruch w i r d aber bei schuldlosem Verhalten gewährt. Für die Genugtuungsfunktion ist hier kein Raum, wenn man — wie der Bundesgerichtshof 39 — davon ausgeht, daß der Genugtuungsgedanke keine entscheidende Rolle bei Haftungstatbeständen, die ein Verschulden nicht voraussetzen, spielen kann. Insofern unterscheiden sich also die Fälle der Persönlichkeitsverletzung (§ 823 BGB) von der Aufopferung. Doch einem durch schuldloses Verhalten Geschädigten den Ersatz immateriellen Schadens zu verwehren, liefe auf eine Uberbewertung der Genugtuungsfuntion hinaus, deren Fragwürdigkeit i m heutigen Recht auch dadurch deutlich wird, daß vielfach Dritte, z.B. Versicherungsträger, den Schaden bezahlen 40 . Der Gesichtspunkt der Ausgleichsfunktion muß — wie der Gesetzgeber auch durch § 7 StrEG 4 1 anerkannt hat — auf jeden Fall Vorrang von der Genugtuungsfunktion haben 42 und ist von so überwiegender Bedeutung, daß die Gewährung von Schmerzensgeld bei der Aufopferung unbedingt erforderlich erscheint 43 . 37 38 39 «

B G H Z 18, 149. Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 19. B G H Z 20, 61 (68); vgl. dazu Heuser, Diss., S. 152, 153. L i e b e r w i r t h , Schmerzensgeld, S. 19; Götz, V V D S t R L 28, 270. V o m 8. März 1971, B G B l . I S. 157. 42 Lieberwirth, Schmerzensgeld, 3, 20; Hubmann, J Z 1958, 489 (493) ; Bender, Staatshaftungsrecht, S. 212; Pötter berichtet v o n Hoppe i n DVB1. 1967, 195. 43 Bender, Staatshaftungsrecht, S. 212 A n m . 350.

3. Immaterieller Schaden

45

Der Gesetzgeber hat i m Gesetz für Entschädigung von Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) 44 , das dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, i n § 7 für den Schaden, der Nichtvermögensschaden ist, eine Pauschalentschädigung von zehn D M für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung gewährt. Ein schuldhaftes Verhalten der Beamten bzw. Richter ist nicht Anspruchsvoraussetzung. Ob der Gesetzgeber bei dieser Norm nur an eine Ausgleichsfunktion gedacht hat oder aber davon ausgegangen ist, daß für den Genugtuungsgedanken nicht nur bei schuldhaftem Verhalten Raum ist, kann dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, daß er durch diese Regelung den Vorgang der Ausgleichsfunktion anerkannt hat und bei öffentlich-rechtlichen Bestimmungen nicht an dem Vorliegen der vom Bundesgerichtshof 45 für § 847 BGB verlangten Voraussetzungen festhält. I m selben Jahr 4 6 hat derselbe Gesetzgeber i n einem weiteren Gesetz, nämlich dem zweiten Änderungsgesetz zum Bundesseuchengesetz47 einen Ersatz für die immateriellen Schäden der Impfgeschädigten nicht gewährt. Während der Bundesgerichtshof 48 es i h m anheimgestellt hatte, aus der i n der Verfassung zum Ausdruck gekommenen Ordnung der Werte gesetzliche Folgerungen zu ziehen, hat er es i m Bundesseuchengesetz vorgezogen, diese Aufforderung zu ignorieren und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgend, auch i m Bundesseuchengesetz, der Kodifizierung eines Spezialfalles der Aufopferung, einen Schmerzensgeldanspruch nicht zu gewähren. Somit hat sich an der schon i m Jahre 195649 als unbefriedigend empfundenen Regelung nichts geändert. Heuser 50 ist sogar der Ansicht, daß diese Regelung verfassungswidrig sei. Er erklärt allerdings eher pauschal, daß der (materielle) Ausgleich immaterieller Sonderopfer durch das Grundgesetz geboten und dies zwingendes Verfassungsrecht sei, was dann nicht durch einfaches Gesetz außer Wirkung gesetzt werden könne. I n A r t . 2 Abs. 2 GG ist die körperliche Unversehrtheit unter den besonderen Schutz der Verfassung gestellt worden. Doch es geht aus A r t . A r t . 1, 2 GG nicht zwingend hervor, daß der dort zum Ausdruck gekommene Schutz immaterieller Güter bei einer Verletzung dieser Rechtsgüter notwendigerweise m i t finanziellen Mitteln erreicht werden muß. Es bestehen deshalb Bedenken dagegen, das BSeuchG aus diesem Grunde für verfassungswidrig zu halten. Doch besagt die Tatsache, daß eine 44 45 4β 47 48 49 50

V o m 8. März 1971, BGBl. I S. 157. B G H Z 18, 149 ff. 1971. V o m 25. August 1971 BGBl. I, S. 1401. B G H Z 20, 61 (70). Die Entscheidung B G H Z 20, 61 ff. erging 1956. Heuser, Diss., S. 154.

46

V .

ng des Aufopferungsanspruchs

Regelung nicht verfassungswidrig ist, noch nicht, daß sie der Interessenlage entspricht und gut ist. Es ist nicht einzusehen, weshalb jemand, der einen ungerechtfertigten Freiheitsentzug erleidet, Ersatz für seinen immateriellen Schaden erhalten und schutzwürdiger sein soll als jemand, der sich zwar formell frei bewegen kann, aber durch Körperschäden i n seiner Bewegungsfreiheit i n ebenso spürbarem und starkem, wenn auch andersartigem Ausmaß, beeinträchtigt ist. Die zur Zeit über den Ersatz für immaterielle Schäden bestehenden gesetzlichen Regelungen sind unbefriedigend 51 . Die beiden i m Jahre 1971 getroffenen Regelungen i m Bundesseuchengesetz und i m Gesetz über die Entschädigung von Strafverfolgungsmaßnahmen zeigen, daß der Gesetzgeber von Gesetz zu Gesetz entscheidet 52 , ohne sich grundlegend darüber klar zu werden, i n welchen Fällen der Ersatz immaterieller Schäden durch die Verfassung geboten ist oder ihr zumindest mehr entspricht als die Nichtgewährung des Ersatzes. Es mögen hierbei fiskalische Interessen eine Rolle spielen. Doch haben diese angesichts des Opfers, das der einzelne für die Allgemeinheit zu erbringen hat, zurückzutreten. Zumindest i n den Fällen, i n denen die i m Bundesseuchengesetz für entschädigungspflichtig erklärten Fälle die Tatbestandsmerkmale der Aufopferung erfüllen, erscheint die Gewährung von Schmerzensgeld angebracht und entspricht eher den i m Grundgesetz zum Ausdruck gekommenen Wertungen als die gegenwärtige Regelung. Von dem Grundgedanken der Aufopferung ausgehend, ist es allerdings erforderlich, eine gewisse Erheblichkeit 5 3 des immateriellen Schadens zu verlangen. Nicht jede vorübergehende Beeinträchtigung sollte einen Anspruch auf Schmerzensgeld begründen. Auch die immateriellen Schäden müssen das Ausmaß eines Sonderopfers erreicht haben. Insoweit sind die zu § 847 BGB entwickelten Grundsätze anzuwenden.

51 45. D J T i n Karlsruhe i n N J W 1964, 2098. 52 So auch Rüfner, 49. DJT, Ε 8. 53 Staudinger-Schäfer §847 A n m . 4.

V I I I . Gesetzeskompetenz z u r R e g e l u n g der Aufopferungsentschädigung b e i I m p f s c h ä d e n

1. Sachzusammenhang und Annexkompetenz Hat der Aufopferungsanspruch auch bundesverfassungsrechtlichen Hang, so ist damit noch nicht die Frage entschieden, wer für die notwendigen Verfahrens-, Verjährungs- und anderen Regelungen für die infolge von Impfschäden auftretenden Aufopferungsansprüche zuständig ist. Das Grundgesetz geht davon aus, daß dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis grundsätzlich nur für ausdrücklich i h m zugewiesene Sachgebiete1 zusteht. Die Aufopferungsentschädigung ist i n A r t . 73 ff. GG nicht erwähnt. Fehlt eine ausdrückliche Zuweisung an den Bund, dann besteht gem. A r t . 30, 70 Abs. 1 GG eine ausschließliche Zuständigkeit der Länder. Die A r t . 70 bis 75 GG i n Verbindung m i t den übrigen Zuständigkeitsbestimmungen sind erkennbar auf eine vollständige und saubere Abgrenzung der Kompetenzen bedacht, um ein Übergreifen des Bundes i n die Gesetzgebungsbereiche der Länder zu unterbinden 2 . Es kommt eine ungeschriebene Gesetzgebungsbefugnis des Bundes i n Betracht. Die Zuständigkeit des Bundes für die Regelung der Entschädigung bei Impfschäden könnte sich aus dem Gesichtspunkt der Annexkompetenz oder „kraft Sachzusammenhangs" ergeben. Nach Maunz 3 verwendet das Bundesverfassungsgericht den Begriff der Annexkompetenz 4 bei einer Ausdehnung einer ausdrücklich zugeteilten Kompetenz einerseits i n das Stadium der Vorbereitung, andererseits aber auch i n das Stadium der Durchführung durch Zulassung von Vorschriften, die die Durchführung regeln. Maunz 5 sieht die Annexkompetenz als einen Unterfall der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Diese liegt vor bei einer Ausdehnung von Bundes- oder Landeszuständigkeiten auf andere, durch das GG nicht zugeteilte, aber m i t ausdrücklich zugeteilten verwandten Kompetenzen. Beim Sachzusam1 Maunz, Dt. Staatsrecht, § 2711, S. 234; v. Mangoldt-Klein, A r t . 70 GG A n m . I I I 2 a, S. 1387; Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 70 A n m . 10. 2 Bullinger S.55; Krüger, D Ö V 1961, 721. 3 Maunz-Dürig-Herzog, GG, A r t . 70, A n m . 32. 4 Küchenhoff, AöR n . F . Bd. 43 (195), 413 ff. spricht von „stillschweigendimplizierter (mit)geschriebener Bundeszuständigkeit". ß Maunz-Dürig-Herzog, GG, A r t . 70 A n m . 32.

48

V I I I . Gesetzeskompetenz zur Regelung der Aufopferungsentschädigung

menhang erfolgt also eine Ausdehnung i n die Breite, bei der Annexkompetenz i n die Tiefe. Wohl Maunz folgend, geht auch Hesse6 davon aus, daß es sich bei der Annexkompetenz u m einen Sonderfall der Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs handelt. Demgegenüber ist Bullinger 7 der Ansicht, daß das Bundesverfassungsgericht bald auf den Sachzusammenhang, bald auf einen „Annex" abstellt, ohne daß ein sachlicher Grund dahinter zu erkennen ist. Maunz ausdrücklich widersprechend, sieht er keinen Anhaltspunkt dafür, daß das Bundesverfassungsgericht eine neue Terminologie schaffen wollte. Der zunächst dargestellten Definition w i r d zu folgen sein, weil die von Bullinger 8 angeführten, vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fälle der Definition von Maunz zumindest nicht widersprechen. Maßgebend für die sachlichen Voraussetzungen der ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs oder der Annexkompetenz ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 19549. Danach ist eine Zuständigkeit des Bundes kraft Sachzusammenhangs möglich, falls „eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständlicherweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Ubergreifen i n nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerläßliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie". Danach genügt es also für die Begründung der Zuständigkeit des Bundes nicht, daß es nur zweckmäßig ist, mit einer dem Bund ausdrücklich zugewiesenen Materie gleichzeitig auch ein verwandtes Sachgebiet zu regeln 10 . Nach dem Baurechtgutachten 11 war zu erwarten, daß das K r i t e r i u m der Unerläßlichkeit entscheidend sein sollte. Doch führte die folgende Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts 12 dazu, daß i m Falle einer Überschneidung von Randmaterien der Bundeskompetenz m i t anerkannten Landeszuständigkeiten die größere Sachnähe den Ausschlag gab 13 . β Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 94; ebenso Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, s. dazu Rdziff. 6 Vorbem. v o r A r t . 70. 7 Bullinger, Mineralölfernleitungen, S. 68. 8 Bullinger, Mineralölfernleitungen, S. 69. » BVerfGE 3, 407 (420) = Baurechtsgutachten. 10 So auch Zuleeg i n DVB1 1963, 320 (321). 11 BVerfGE 3, 407 (433). 12 BVerfG 8, 104 (118 f.); B V e r f G 9, 185 (190); BVerfG 11, 192 (199). ι 3 Vgl. ausführliche Darstellung bei Bullinger, S. 69, 70; siehe dazu auch B V e r f G 11, 234 (236) f.).

2. Analogie zu A r t . 74 Nr. 14 G G

49

I n A r t . 74 Nr. 19 GG sind dem Bund Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten ausdrücklich zugewiesen. Die Regelung der Entschädigung der bei diesen Maßnahmen auftretenden Schäden stellt die Ausdehnung einer ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz i n das „Stadium der Durchführung", also i n die Tiefe dar. Daraus folgt — entsprechend der oben angeführten Terminologie — daß die Zuständigkeit des Bundes unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs ausscheidet, w e i l sie durch den „Sonderfall" der Annexkompetenz verdrängt wird. Die Regelung der Aufopferungsentschädigung für Impfschäden gehört notwendigerweise zu der Regelung über Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten; denn der Aufopferungsanspruch verpflichtet den Staat, denjenigen zu entschädigen, der infolge eines staatlichen Eingriffs i n seine körperliche Unversehrtheit ein Sonderopfer erbringt. Der „einfache" Gesetzgeber hat das Verfassungsrecht zu beachten. Bei einem Eingriff i n die körperliche Unversehrtheit kann er eine vollständige Regelung daher nur treffen, wenn er gleichzeitig eine Entschädigungsregelung für eventuell auftretende Sonderopfer vornimmt. Eine solche Regelung ist aber nicht mehr nur zweckmäßig, sondern vielmehr für die angestrebte Vollständigkeit notwendig 1 4 . Schließlich spricht auch die größte Sachnähe für die Regelung der Aufopferungsentschädigung bei Impfschäden durch den Bundesgesetzgeber. Wenn der Bund gem. Art. 74 Nr. 19 GG zuständig zur Regelung von Eingriffen i n die körperliche Unversehrtheit zum Zwecke der Seuchenabwehr ist und kraft des i n allen Bundesländern geltenden Aufopferungsanspruchs Vermögensschäden, die infolge des Eingriffs eintreten, entschädigt werden müssen, stellt es eine naheliegende sachgerechte Regelung dar, daß der Bund i n dem die Eingriffsmöglichkeit schaffenden Gesetz Umfang und Ausmaß der Entschädigung mitregelt. So w i r d gewährleistet, daß bei gleichen Voraussetzungen i n allen Bundesländern die gleichen Rechtsfolgen eintreten. Die Zuständigkeit des Bundes für die Regelung der Aufopferungsentschädigung bei Impfschäden ergibt sich somit als Annex zu A r t . 74 Nr. 19 GG 1 5 . 2. Analogie zu Art. 74 Nr. 14 GG Dieses Ergebnis kann auch durch folgende Überlegungen gestützt werden, die Bullinger angestellt hat 1 6 : Eine Analogie zu einer vorhan14 Vgl. dazu Zuleeg i n DVB1.1963, 320 (321). 1 5 Vgl. dazu auch Rüfner, 49. DJT., Ε 10, der die Kompetenz k r a f t eines Sachzusammenhangs bejaht, ohne allerdings auf die Differenzierung zwischen Annex u n d Sachzusammenhang einzugehen. ι 6 Bullinger S. 76; so auch Triepel, Die Kompetenz des Bundesstaates, S. 324. 4 Schiwy

50

V I I I . Gesetzeskompetenz zur Regelung der Aufopferungsentschädigung

denen Kompetenzklausel. Bullinger betrachtet die Analogie i m Zusammenhang m i t der Gesetzgebungskompetenz aus der „Natur der Sache". Dazu führt er aus, die „Natur der Sache" werde nicht durch die Analogie entbehrlich. Analogie bedeutet, daß eine Gesetzesvorschrift oder ein Rechtsgedanke auf sachähnliche Fälle entsprechend angewendet werde. Was aber sachähnlich sei, könne m i t Hilfe der „Natur der Sache" erschlossen werden 1 7 . I n der Literatur w i r d der Analogiebegriff einmal weiter, einmal enger verstanden 18 . Zum anderen ist man sich nicht einig darüber, ob Analogie und Natur der Sache verschiedene Denkmittel sind oder in Wahrheit gerade ein Denken aus der Natur der Sache Analogie sei 19 . Ausdrücklich i m Grundgesetz geregelt ist die Enteignung i n A r t . 14 GG und demgemäß die Kompetenzfrage i n Art. 74 Nr. 14 GG. Nach dieser Bestimmung erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf das Recht der Enteignung, soweit sie aus den Sachgebieten der A r t . 73 und 74 GG i n Betracht kommt. Der Aufopferungsanspruch ist ausdrücklich i n der Verfassung nicht geregelt, so daß es nicht verwundert, daß sich i m Katalog des A r t . 74 GG keine Bestimmung über die Gesetzgebungskompetenz bei der Aufopferung findet. Es liegt jedoch zwischen Aufopferung und Enteignung eine „Verwandtschaft" derart vor, daß sich diese beiden Rechtsinstitute heute i m wesentlichen nur durch ihr Eingriffsobjekt — einmal immaterielle Güter, einmal Eigentum — unterscheiden 20 . Insoweit kommt für die Aufopferung daher eine analoge Anwendung des die Kompetenzfrage für die Enteignung regelnden Art. 74 Nr. 14 GG i n Betracht. Gem. A r t . 74 Nr. 14 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf „das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Art. 73 und 74 GG i n Betracht kommt". Da dem Bund gem. A r t . 74 Nr. 19 GG Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten ausdrücklich zugewiesen sind, stünde dem Bund, falls i n diesem Zusammenhang Enteignungsfragen auftreten, für diese gem. A r t . 74 Nr. 14 GG die Gesetzgebungskompetenz zu. Folglich steht i h m analog A r t . 74 Nr. 14 GG i n Verbindung mit A r t . 74 Nr. 19 GG für die Regelung der Aufopferungsentschädigung bei Impfschäden die Gesetzgebungskompetenz zu.

17 Bullinger S. 76. is Larenz, 2. Aufl., S. 359 A n m . 2; K a u f m a n n S. 1; Puchta, Pandekten, S. 22. ι» Larenz, 2 Aufl., S. 359 A n m . 2; Kaufmann, Analogie u n d N a t u r der Sache, S. 1. 20 Vgl. Bender, Staatshaftung, S. 33 A n m . 43; Rüfner, 49. DJT, Ε 33.

2. Analogie zu A r t . 74 Nr. 14 GG

51

Gegen die Zuständigkeit des Bundes spricht auch nicht, daß es bei der Zuständigkeit der Länder blieb, solange der Bund von dieser ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hatte 2 1 . Die Entschädigungsregelung für Impfschäden ist ein Annex zu der ausdrücklich zugeteilten Kompetenz gemäß A r t . 74 Nr. 19 GG oder folgt aus der Analogie zu A r t . 74 Nr. 14 GG in Verbindung m i t A r t . 74 Nr. 19 GG. I n beiden Fällen handelt es sich um den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Dabei ist der Landesgesetzgeber so lange und so weit zuständig, wie der Bund von seiner Kompetenz keinen Gebrauch gemacht hat (Art. 72 GG). So hatten denn auch einzelne Länder eigene Impfentschädigungsregelungen erlassen. Nach § 18 Abs. 3 Seuchenbekämpfungsergänzungsgesetz des Landes B e r l i n 2 2 war eine angemessene Entschädigung aus öffentlichen M i t t e l n zu gewähren, wenn eine Pflichtimpfung zu erheblichen, insbesondere zu dauernden gesundheitlichen Schäden geführt hat. Spezielle Gesetze über die Entschädigung bei Erkrankung und K ö r perschäden als Folge von Impfungen schufen sich die Länder NordrheinWestfalen 23 und Hessen 24 . Nach § 1 ImpfschädenGNRW erhielt derjenige, der i m Lande Nordrhein-Westfalen auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift geimpft wurde, für einen infolge der Impfung eingetretenen Schaden vom Land Nordrhein-Westfalen eine Entschädigung. Das fünf Jahre später zustandegekommene Impfschädengesetz des Landes Hessen billigte i n seinem § 1 neben der Entschädigung für gesetzlich vorgeschriebene Impfungen auch demjenigen eine Entschädigung zu, der sich auf Grund einer öffentlichen Aufforderung der obersten Gesundheitsbehörde des Landes impfen ließ. Dieses Gesetz regelte die Aufopferungsansprüche bei Impfschäden für Hessen auch für die Vergangenheit abschließend 25 . Die Landesimpfschadengesetze haben, unabhängig von ihrer Erwähnung i n § 85 Abs. 1 BSeuchG, m i t dem Inkrafttreten des Bundesseuchengesetzes i m Jahre 196126 gemäß A r t . A r t . 31, 70, 72 GG aufgehört zu gelten. Dies geschah aber nicht, weil sie gegen den Verfassungsgrundsatz der Aufopferung verstießen, sondern weil sie kompetenzwidrig geworden waren. 21 Vgl. dazu Zuleeg i n DVB1. 1963, 320 (323). 22 V o m 8. Nov. 1951 GVB1. B e r l i n 1951, S. 1105 ff., aufgeh. durch § 85 Abs. 1 BSeuchG 23 V o m 10. Februar 1953, GVBL N R W 1953, S. 166, aufgehoben durch § 85 Abs. 1 BSeuchG. 24 V o m 6. Oktober 1958, GVB1. Hessen 1958, S. 147, aufgehoben durch § 85 Abs. 1 BSeuchG. 25 So B G H i n M D R 1959, 192. 26 Vgl. § 85 Abs. 1 BSeuchG. 4*

52

V I I I . Gesetzeskompetenz zur Regelung der Aufopferungsentschädigung

3. Ergebnis Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die Aufopferungsentschädigung bei Impfschäden gegeben ist. Die angestellte Untersuchung hat gezeigt, daß der Streit um den Analogiebegriff und sein Zusammenhang m i t der Natur der Sache an der Regelungsbefugnis des Bundes für die Aufopferungsentschädigung bei Impfschäden nichts ändert. Schließlich sprechen auch die vor Inkrafttreten des Bundesseuchengesetzes erlassenen Landesimpfschadensgesetze aus den genannten Gründen nicht gegen die Zuständigkeit des Bundes. Die i m Bundesseuchengesetz getroffenen Entschädigungsregelungen sind somit kompetenzrechtlich nicht zu beanstanden.

I X . R e g e l u n g e n i m Bundesseuchengesetz

Nunmehr ist zu untersuchen, ob die Regelungen i m Bundesseuchengesetz den Anforderungen des bundesverfassungsrechtlichen A u f opferungsanspruchs genügen. Da der Gesetzgeber m i t dem Bundesseuchengesetz eine umfassende Regelung auf dem Gebiete der Impfschäden treffen wollte 1 , müssen alle denkbaren Impfungen, die zu einem Schaden führen können, der den allgemeinen Aufopferungsanspruch zur Entstehung gelangen ließ, erfaßt sein. Nur dann kann von einer umfassenden, den allgemeinen Aufopferungsanspruch ausschließenden Regelung gesprochen werden.

I . Arten der Impfung I n den §§ 51 ff. des BSeuchG vom 18. J u l i 19612 wurden erstmalig Entschädigungsansprüche der Impfgeschädigten bundesgesetzlich als Anwendungsfall des Aufopferungsanspruchs 3 geregelt. Der Gesetzgeber ist dabei den von der Rechtsprechung 4 entwickelten und i n den ι Vgl. BT-Drucksache V I , 1568, S. 6. 2 B G B l I, S. 1012. 3 So auch die amtl. Begründung zum E n t w u r f eines 3. Änderungsgesetzes, BT-Drucksache V I 1568, S. 6. 4 B G H Z 9, 83: „ E i n Aufopferungsanspruch k a n n nach dem i n § 75 E i n l A L R enthaltenen Rechtsgrundsatz auch bei auf Gesetz beruhenden Eingriffen u n d auch bei Eingriffen i n die körperliche Unversehrtheit (Impfschäden) gegeben sein." B G H Z 24, 45: „ E i n Aufopferungsanspruch bei einem Impfschaden k a n n auch dann gegeben sein, wenn der Staat, u m eine allgemeine Schutzimpfung herbeizuführen, nicht einen gesetzlichen Zwang, wohl aber (durch entsprechende Merkblätter) auf die Eltern der zu impfenden Kinder einen Gewissenszwang ausübt, der ihnen eine eigene Entschließung über die I m p f u n g ihrer K i n d e r n u r noch der Form nach zugesteht." (s. a. A n m . zu dieser Entscheidung von Schack i n J Z 1957, 553.) B G H Z 31, 187: „Das einen Aufopferungsanspruch wegen Impfschadens begründende A b verlangen eines Sonderopfers an der Gesundheit k a n n auch darin bestehen, daß der Staat zu einer — i n der Regel ungefährlichen — allgemeinen Schutzimpfung rät, wenn der Geschädigte oder der Erziehungsberechtigte erwartungsgemäß der Impfung zustimmt, weil er dem Rat vertraut und sich der Rücksicht auf das Gemeinwohl fügt."

54

I X . Hegelungen i m Bundesseuchengesetz

bisherigen Landesgesetzen5 zum Teil schon festgelegten Unterteilungen der verschiedenen Voraussetzungen gefolgt, die den einzelnen verpflichten oder veranlassen, sich impfen zu lassen. a) Pflichtimpfung Gemäß § 51 Abs. 1 BSeuchG werden Gesundheitsschäden als Folge einer gesetzlich vorgeschriebenen Impfung entschädigt. Eine Verpflichtung zur Impfung w i r d i m Bundes-Seuchengesetz selbst nicht statuiert. Vielmehr gibt es zur Zeit nur eine bundeseinheitliche durch Gesetz erzwingbare Impfung 6 , und zwar die Pockenschutzimpfung nach dem Reichsimpfgesetz 7 (Erst- sowie einmalige Wiederimpfung). Die Fortgeltung 8 dieses Gesetzes, von der auch das Bundes-Seuchengesetz9 ausgeht, ergibt sich aus den A r t . 123 Abs. 1, 125 GG. Das Reichsimpfgesetz ist nach erfolgter Zustimmung des Bundesrates und des Reichstages, also nach einem gemäß der Verfassung des Deutschen Reiches 10 geregelten Verfahren 1 1 zustande gekommen und als Impfgesetz i m Reichsgesetzblatt 12 veröffentlicht worden. Damit stellt es i m Sinne von A r t . 123 Abs. 1 GG Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages dar. Weitere Voraussetzungen für die Fortgeltung gemäß A r t . 123 Abs. 1 GG ist, daß dieses Recht dem Grundgesetz nicht widerspricht. Es ist daher festzustellen, ob die Erzwingbarkeit der Impfung mit A r t . 2 Abs. 2 S. 1 GG vereinbar ist. Dieses Grundrecht ist durch Gesetz einschränkbar. Allerdings muß dieses einschränkende Gesetz den Anforderungen des A r t . 19 GG entsprechen. Die Vorschrift des A r t . 19 Abs. 1 Satz 2 GG — wonach das Grundrecht i m Falle der Einschränkung unter Angabe des Artikels genannt werden muß — bezieht sich jedoch nur auf künftige Rechtsetzung 13 und ist auf vorkonstitutionelle Gesetze nicht anwendbar 14 . ß So billigte § 1 des Hess. Impfschädensgesetzes (vom 6. Oktober 1958, GVB1. Hessen 1958, S. 147) Entschädigung auch dann zu, wenn der Schaden auf G r u n d einer von der obersten Gesundheitsbehörde empfohlenen I m p f u n g eintrat. β Seiffertitz-Thomaschewski, Erl. zu § 51, S. 172. 7 V o m 8. A p r i l 1874, RGBl. I, S.31; B G B l . I I I Nr. 2126—5. s Vgl. zur Fortgeltung vorkonstitutionellen Rechts Stern, JuS 1961, 350 ff. 9 Vgl. § 20 Ziff. 1 BSeuchG u n d BGBl. I I I Nr. 2126—5. 10 V o m 16. A p r i l 1871, RGBl. S. 64. 11 Vgl. A r t . 2 a RV. 12 RGBl. 1874, S. 31. 13 BVerfGE 2, 121 (121). u BVerfGE 5, 13 (16); BVerfGE 28, 36 (46); B G H Z 5, 46 (54).

1. A r t e n der I m p f u n g

55

Doch darf auf keinen Fall ein einschränkendes Gesetz den Wesensgehalt eines Grundrechtes antasten (Art. 19 Abs. 2 GG). Nach der Argumentation des Bundesgerichtshofes 15 w i r d „ein Grundrecht durch einen gesetzlichen Eingriff dann i n seinem Wesensgehalt angetastet, wenn durch den Eingriff die wesensgemäße Geltung und Entfaltung des Grundrechtes stärker eingeschränkt würde, als dies der sachliche A n laß und Grund, der zu dem Eingriff geführt hat, unbedingt und zwingend gebietet. Der Eingriff darf also nur bei zwingender Notwendigkeit und i n dem nach Lage der Sache geringstmöglichen Umfang vorgenommen werden und muß zugleich von dem Bestreben geleitet sein, dem Grundrecht gleichwohl grundsätzlich und i m weitestmöglichen Umfang Raum zu lassen". I n seinem Gutachten führt der Bundesgerichtshof 16 aus, daß i n England, wo infolge der dort bestehenden Gewissensklausel nur etwa 50 °/o der Kinder geimpft wurden, i n den Jahren 1926—1932 kleinere Epidemien andauerten. Weil i n anderen Teilen der Welt große Seuchenherde fortbestünden, sei auch i n Europa die Möglichkeit der Pockeneinschleppung gegeben, so daß jede Lockerung des Impfzwanges von neuem die Gefahr epidemischer Volkserkrankungen heraufbeschwören würde. Der i m Reichsimpfgesetz 17 angeordnete Impfzwang sei daher „immer noch" 1 8 als zumutbar und verfassungsmäßig 19 anzusehen. Während der mehr als 20 Jahre seit Erscheinen dieses Gutachtens des Bundesgerichtshofes kann eine Änderung der darin genannten tatsächlichen Voraussetzungen nicht festgestellt werden. Seit kurzem beschäftigt sich allerdings die ständige Impfkommission des Bundesgesundheitsamtes m i t der Frage, ob und i n welcher Weise aus medizinischen Gründen das Reichsimpfgesetz beibehalten werden soll. Eine entsprechende Anfrage richtete die Arbeitsgemeinschaft leitender Medizinalbeamter der Länder an das Bundesgesundheitsamt 20 . Dort beschäftigt sich die ständige Impfkommission 2 1 des Bundesgesundheitsamtes m i t dieser Frage. Ein Arbeitsergebnis dieser Kommission liegt noch nicht vor. Ausschlaggebend für die Untersuchung ist die Überlegung, ob angesichts 15 BGHSt 4, 375 (377). ie B G H S t 4, 375 (378). 17 V o m 8. A p r i l 1874, R G B l 31. ι» Das BGH-Gutachten datiert v o m 25. Januar 1952. 19 So i m Ergebnis auch: B V e r w G E 9, 78 (79); V G H Stuttgart DÖV 1958, 159 (159); O V G Lüneburg M D R 1955, 633 (633) = DVB1 1955, 539 (540); O L G Celle N J W 1958, 1407 (1407); Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 2 Abs. 2, Rdziff. 39; M a n goldt-Klein, A n m . V 3 zu A r t . 2, S. 187; K e r n S. 62. 20 Mündliche Information von Prof. Raettig (Bundesgesundheitsamt) an den Verfasser. 21 Sie besteht aus den Fachreferenten des Bundesgesundheitsamtes u r o führenden Fachwissenschaftlern der Bundesrepublik.

56

IX.

egelungen i m Bundesseuchengesetz

der geringen Gefahr, die heute i n der Bundesrepublik noch von den Pocken ausgeht, die Pflichtimpfung des Reichsimpfgesetzes durch eine empfohlene Impfung ersetzt werden könne 2 2 . I n den fünf Jahren vom 1. Januar 1958 bis 31. Dezember 1962 erkrankten i n beiden Teilen Deutschlands insgesamt 62 Menschen an Pocken, von denen sechs starben 23 . I n den letzten Jahren waren i n der Bundesrepublik 65 Personen an Pocken erkrankt, acht davon starben 24 . I n den Jahren 1961 bis 1970 wurde die Krankheit 28mal i n Europa eingeschleppt. Jede Einschleppung hatte durchschnittlich 13,9 Krankheitsfälle zur Folge 25 . Die Gefahren der Impfung werden als gering angesehen. Nach statistischen Erhebungen 26 ereigneten sich i m Laufe von sechs Jahren i n der Bundesrepublik bei 38 694 Erstimpflingen und 3 888 324 Wiederimpflingen je ein Todesfall. Erst das Arbeitsergebnis der Impfkommission w i r d zeigen, ob die jetzige Regelung i m Reichsimpfgesetz medizinisch nicht mehr erforderlich und damit entsprechend den Ausführungen i m Gutachten des Bundesgerichtshofes 27 nicht mehr verfassungsgemäß ist. Obwohl das Impfgesetz von der Impf-„Verpflichtung" spricht 28 , hat sich seit langer Zeit der Begriff der Zwangsimpfung oder des Impfzwangs i m juristischen Sprachgebrauch eingebürgert 29 . Es wäre jedoch empfehlenswerter, das Wort Impfzwang zumindest durch die vom Bundesseuchengesetz gewählte Wortfolge „gesetzlich vorgeschriebene Impfung" 3 0 oder gar durch das Wort „Pflichtimpfung" zu ersetzen. Nach dem Gesetzeswortlaut besteht nämlich zuerst einmal eine Pflicht zur Impfung, der nachzukommen ist. Erst für den Fall, daß dieser Pflicht nicht gefolgt wird, kann ein staatlich ausgeübter Zwang einsetzen. Der Begriff „Impfzwang" verbietet sich aber nicht nur aus diesen Gründen logischen Aufeinanderfolgens, sondern auch deshalb, weil m i t dem Wort „Pflicht" zunächst an die Verantwortung des einzelnen gegenüber der 22 Mündliche Information von Prof. Raettig (Bundesgesundheitsamt) an den Verfasser. 23 Anders i n Anders-Lundt, Pockenbekämpfung, S. 3. 2 4 Von Randow S. 59. 25 Von Randow S. 59. 26 Nachgewiesen bei Petzelt-Hohberg i n Spiess S. 338 (339). 27 BGHSt 4, 375 ff. 28 So i n § 15; auch der Begriff „ImpfPflichtiger" w i r d gebraucht. 29 So auch BGHSt 4, 375 ff.; B G H i n N J W 1967, 621 (622); O L G München i n N J W 1970, 1236; v. Mangoldt-Klein, A n m . V 3 zu A r t . 2, S. 187 und A n m . V I I 2 zu A r t . 2, S. 190. 3 ° So auch B G H S t 4, 375 ff.; v. M a n g o l d t - K l e i n A n m . V 3 zu A r t . 2, S. 187 u. A n m . V I I 2 zu A r t . 2, S. 190.

1. A r t e n der I m p f u n g

57

Gesamtheit erinnert w i r d 3 1 . Ohne freilich diese Überlegungen anzustellen, gebraucht bisher nur Härtung 3 2 den Begriff „Pflichtimpfung" konsequent als terminus technicus für alle vom Staat angeordneten Impfungen. b) Begrenzte Pflichtimpfung Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 BSeuchG ist der Bundesgesundheitsminister ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Schutzimpfungen gegen Pocken, Cholera, Typhus-abdominalis und Diphterie für bedrohte Teile der Bevölkerung anzuordnen, wenn eine dieser Krankheiten i n bösartiger Form auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Alle Voraussetzungen zur Anordnung dieser Pflichtimpfung sind voneinander abhängig. Härtung 3 3 spricht von „stets von vornherein zeitlich, örtlich und personell begrenzten Maßnahmen". Er wählt daher den Begriff der begrenzten Pflichtimpfung. Gesundheitsschäden als Folge solcher begrenzten Pflichtimpfungen sind gemäß §51 Abs. 1 Ziff. 2 BSeuchG n. F. 3 4 entschädigungspflichtig. c) Empfohlene

Impfung

Gemäß § 51 Abs. 1 Ziff. 3 BSeuchG n. F. 3 5 sind auch solche Impfschäden entschädigungspflichtig, die infolge einer von einer zuständigen Behörde öffentlich empfohlenen Impfung auftreten. Diese gesetzliche Regelung normierte die i m Merkblatt-Fall 3 6 getroffene Entscheidung des Bundesgerichtshofs, „daß ein den Staat zur Entschädigung verpflichtender Aufopferungsanspruch auch dann gegeben sein kann, wenn der Staat, um eine allgemeine Schutzimpfung herbeizuführen, nicht einen gesetzlichen Zwang, wohl aber durch entsprechende Merkblätter auf die Eltern der zu impfenden Kinder einen Gewissenszwang ausübt, der ihnen eine eigene Entschließung über die Impfung ihrer Kinder nur noch der Form nach zugesteht". Die Regelung i m Bundesseuchengesetz umfaßt darüber hinaus auch die vom Bundesgerichtshof 37 später getroffene Entscheidung, daß ein einen Aufopferungsanspruch wegen Impfschadens begründendes 31 „Es entspricht demokratischem Denken, die Pflichten i n den Vordergrund zu stellen." So i n anderem Zusammenhang, aber auch hierfür zutreffend: Peters, Kap. 8, I I , S. 143. 82 Härtung-Richter S. 173. 33 Härtung-Richter S. 174. 34 Entspricht § 51 Abs. 1 S. 1 BSeuchG a. F. 3 5 Entspricht § 51 Abs. 1 BSeuG a. F., allerdings m i t dem Unterschied, daß die Empfehlung von einer „Gesundheitsbehörde" erfolgt sein mußte. 3 6 B G H Z 24, 45 ff. 37 B G H Z 31, 187 ff. v o m 23. November 1959.

58

IX.

egelungen i m Bundesseuchengesetz

„psychologisches Abverlangen" eines Sonderopfers an Gesundheit auch darin bestehen kann, daß der Staat zu einer — i n der Regel ungefährlichen — allgemeinen Schutzimpfung rät, wenn der Geschädigte oder der Erziehungsberechtigte erwartungsgemäß der Impfung zustimmt, weil er dem Rat vertraut und sich der Rücksicht auf das Gemeinwohl fügt, also auch dann schon, wenn ein „Gewissenszwang" nicht bestanden hat. d) Reiseimpfung Eine Neuerung gegenüber der ursprünglichen Fassung des Bundesseuchengesetzes stellt der jetzige § 51 Abs. 1 Ziff. 4 BSeuchG dar. Danach werden Gesundheitsbeeinträchtigungen bei Impfungen entschädigt, die auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der „Internationalen Gesundheitsvorschriften" durchgeführt worden sind. Dabei handelte es sich ursprünglich um die „Internationalen Gesundheitsvorschriften vom 25. Mai 1951" (Vorschriften Nr. 2 der Weltgesundheitsorganisation), denen die Bundesrepublik m i t Gesetz vom 21. Dezember 195538 beigetreten ist, und die dadurch auch für die Bundesrepublik Deutschland geltendes Recht geworden sind. Zunächst hatte der Gesetzgeber diese und weitere internationale 3 9 und nationale 40 , den internationalen Verkehr betreffende Vorschriften i m Gesetzestext ausdrücklich nennen wollen 4 1 . I m Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde jedoch darauf verzichtet, da zwischenzeitlich die internationalen Gesundheitsvorschriften vom 25. Mai 1951 durch neue vom 25. J u l i 1969 ersetzt wurden und der Gesetzgeber „auch künftig m i t Änderungen dieser Verordnungen" rechnet 42 . Daher wurde der jetzt gewählte allgemeine Bezug auf die Internationalen Gesundheitsvorschriften für die zweckmäßigere Formulierung gehalten. Nach den internationalen Vorschriften steht es den obersten Gesundheitsbehörden eines Landes unter bestimmten Voraussetzungen zu, von Reisenden auf einer internationalen Reise den Nachweis einer Schutzimpfung zu fordern 4 3 . 38 B G B l 1955, I I , S. 1060. 30 V O zur Ausführung der Internat. Gesundheitsvorschriften i m L u f t v e r kehr v o m 26. J u l i 1960, B G B l I, S. 594. 40 V O zur Ausführung der Internat. GesundheitsVorschriften v o m 25. M a i 1951 i n Häfen u n d auf dem Nord-Ostsee-Kanal v o m 28. A p r i l 1961, B G B l I, S. 502. 41 So noch der Gesetzentwurf der BReg, BT-Drucksache V I 1568, S. 2. 42 So schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie u n d Gesundheit (12. Ausschuß), BT-Drucksache V I 2167, S. 3. 43 Welche Länder einen Impfnachweis bei der Einreise verlangen u n d auf welche Impfungen sich dieser Nachweis erstrecken muß, darüber geben die regelmäßigen Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation i n den Weekly Epedemiological Records Auskunft. Laufende Nachträge werden ebenfalls dort veröffentlicht.

1. A r t e n der I m p f u n g

59

Unter einer internationalen Reise ist zu verstehen 44 : — bei einem Schiff oder einem Luftfahrzeug eine Reise zwischen Häfen oder Flughäfen i n den Hoheitsgebieten von mehr als einem Staat, oder eine Reise zwischen Häfen oder Flughäfen i n dem Hoheitsgebiet oder in den Hoheitsgebieten desselben Staates, wenn das Schiff oder Luftfahrzeug mit dem Hoheitsgebiet irgendeines anderen Staates auf seiner Reise i n Berührung kommt, jedoch nur hinsichtlich dieser Berührung; — bei einer Person eine Reise, die m i t einer Einreise i n das Hoheitsgebiet eines Staates verbunden ist, das nicht dasjenige des Staates ist, i n dem diese Peison die Reise antritt. e) Impfungen Deutscher außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes aa) Auslandsimpfungen Nach § 51 Abs. 2 BSeuchG n. F. w i r d ein Impfschaden auch dann entschädigt, wenn er auf einer außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes vorgenommenen Pockenimpfung beruht, der Geschädigte deutscher Staatsangehöriger ist und zu der Impfung nach dem (Reichs-) impfgesetz 45 bei einem Aufenthalt i n der Bundesrepublik verpflichtet gewesen wäre. Die Impfung muß außerdem von einem Arzt vorgenommen sein. M i t dieser Regelung ist z. B. an Kinder von Angehörigen des diplomatischen Dienstes und der Bundeswehr gedacht, die sich dienstlich i m Ausland aufhalten. Ebenso soll die Regelung Kindern von sonstigen, aus beruflichen Gründen oder zur Ausbildung i m Ausland weilenden Deutschen Entschädigung gewähren 46 . Nach Ansicht des Gesetzgebers 47 entspricht diese Regelung der Billigkeit, w e i l die Bundesrepublik ein Interesse daran haben muß, daß der Impfschutz gegen Pocken bei Personen, die in die Bundesrepublik zurückkehren, i n gleichem Umfang gewährleistet ist wie bei den übrigen Bewohnern. Unter diesem Aspekt ist schwer einzusehen, warum der Schutz nur Kindern von Personen gewährt werden soll, die sich aus beruflichen Gründen oder zur Ausbildung i m Ausland aufhalten. Es ist durchaus denkbar, daß die vom Gesetzgeber vorgebrachten Gründe für diese Regelung auch auf Kinder von Personen zutreffen, die sich aus 44

Habernoll, Handbuch der Schutzimpfung, S. 736. « V o m 8. A p r i l 1874; R G B l S.31. 46 So die amtliche Begründung der BReg, BT-Drucksache VI/1568, S. 8. 47 A m t l . Begr., BT-Drucksache VI/1568, S. 8.

60

IX.

egelungen i m Bundesseuchengesetz

privaten oder anderen, nicht i m Gesetz genannten Gründen nicht nur vorübergehend, sondern für längere Zeit i m Ausland aufhalten. Die vom Gesetz getroffene, i n ihrer Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis, von ihrer Zielsetzung eines umfassenden Pockenschutzes her gesehen, nicht einleuchtende Regelung läßt sich nur mit fiskalischen Bedenken erklären, die den Gesetzgeber das Risiko scheuen ließen, einen i m Ausland lebenden, nur schwer überschaubaren Personenkreis i n den Genuß dieser Entschädigungsregelung zu versetzen. bb) Impfungen von Deutschen auf ehemaligem Reichsgebiet außerhalb der Bundesrepublik Entschädigung erhält nach § 51 Abs. 3 BSeuchG n. F. auch, wer als Deutscher einen Impfschaden infolge einer auf Grund des (Reichs-) impfgesetzes 48 oder infolge einer i n der DDR oder i n Ost-Berlin gesetzlich vorgeschriebenen oder auf Grund eines Gesetzes angeordneten Pockenimpfung einen Impfschaden erlitten hat oder erleidet, soweit nicht auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften Entschädigung gewährt wird. Solche Ansprüche kann aber nur geltend machen, wer als Vertriebener, Flüchtling oder durch Familienzusammenführung entsprechend §§1, 3 und 94 des Bundesvertriebenengesetzes 49 seinen ständigen Aufenthalt i m Geltungsbereich des Gesetzes genommen hat. Diese Regelung betrifft insbesondere den Personenkreis der Vertriebenen und Flüchtlinge. Nach den Feststellungen des Gesetzgebers 50 gibt es Impfgeschädigte, die vor dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches i n dem außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes liegenden Gebiet des Deutschen Reiches einen Impfschaden erlitten haben, und die sich seit Jahren vergeblich um eine Entschädigung bemühen, weil weder Bund noch Länder ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung Ersatzleistungen für Schäden gewähren, die außerhalb ihres Hoheitsgebietes verursacht worden sind. Keineswegs i n allen diesen Fällen sind nach den Feststellungen der Bundesregierung 51 Leistungen nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz 52 möglich. Nach diesem Gesetz stand Vertriebenen aus dem ehemaligen Land Preußen ein Entschädigungsanspruch für Impf Schäden gegen den Bund zu. Dieser Anspruch war aber gemäß § 28 A K G an eine einjährige Anmeldefrist geknüpft. Nur bei rechtzeitiger Anmeldung der Ansprüche und bei Vorliegen der Wohnsitzvoraussetzungen 48

V o m 8. A p r i l 1874, R G B l S. 31. 9 V o m 19. M a i 1953, B G B l I , S. 201 i n der Neufassung v o m 3. September 1971, B G B l I, S. 1566; vgl. auch BT-Drucksache VI/1568, S. 8. so BT-Drucksache VI/1568, S. 8. si BT-Drucksache VI/1568, S. 8. 52 V o m 5. November 1957, B G B l I , S. 1747. 4

1. A r t e n der I m p f u n g

61

nach § 6 A K G 5 3 sowie Nachweis des Schadens und seiner Verursachung durch eine staatlich angeordnete Impfung stand dem Geschädigten nach §§ 5 Abs. 1, 25 Abs. 1 A K G i n Verbindung m i t § 75 EinlALR ein Entschädigungsanspruch gegen den Bund anstelle des ehemaligen Landes Preußen zu. f) Würdigung Der Gesetzgeber 54 ging davon aus, daß die Entschädigungsregelung der § 51 ff. BSeuchG die Normierung eines Spezialfalles der Aufopferung darstellte. Umfaßte das Bundesseuchengesetz zunächst die Pflichtimpfung, begrenzte Pflichtimpfungen und empfohlene Impfungen als entschädigungspflichtige Tatbestände, so wurde mit Erlaß des Zweiten Änderungsgesetzes die Zahl der entschädigungspflichtigen Impfungen auf Reiseimpfungen und auf die Impfungen gem. § 51 Abs. 2 und 3 BSeuchG erweitert. Bei der empfohlenen und der Reiseimpfung treten Bedenken auf, ob hier tatsächlich noch die Regelung eines Spezialfalles der Aufopferung vorliegt. Fraglich erscheint insbesondere, ob i n diesen Fällen die Aufopferungsbestandsmerkmale „hoheitliche Maßnahmen" und „zum Wohle der Allgemeinheit" noch vorliegen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 55 zur empfohlenen Impfung läßt seit der Merkblattentscheidung 56 eine noch extensivere Auslegung des Aufopferungstatbestandes erkennen, indem er einen Gewissenszwang oder ein psychologisches Abverlangen ausreichen läßt. Der Begriff der „hoheitlichen Maßnahme" hat damit eine Aufweichung erfahren 57 , die ihre Rechtfertigung aber unter dem Gesichtspunkt der Sozialstaatlichkeit und der daraus folgenden besonderen staatlichen Fürsorgepflicht findet. I n der Tat liegt ein Befolgen einer staatlichen Aufforderung oder Empfehlung einer Impfung i m Interesse des allgemeinen Wohles, da dadurch Seuchengefahren von der Allgemeinheit abgewendet werden sollen. Schließlich ist sogar zu erwägen, ob nicht unabhängig von der Seuchengefahr für die Allgemeinheit eben für diese aus sozialstaatlichen Gründen ein Interesse an der Gesunderhaltung des einzelnen (Geimpften) besteht. Die Allgemeinheit hätte i h n sonst für den Fall der Erkrankung und Notlage zu unterstützen. 53 54 55 5β 57

Stichtag: 31. Dezember 1952. BT-Drucksache VI/1568, S. 6. B G H Z 24, 45; B G H Z 25, 239. B G H Z 24, 45. Vgl. dazu auch Lieberwirth, N J W 1959, 796 ff.

62

IX.

egelungen i m Bundesseuchengesetz

Der infolge einer empfohlenen Impfung eingetretene Impfschaden erfüllt aus diesen Gründen die Merkmale des allgemeinen Aufopferungstatbestandes . I m Gegensatz zu den Pflichtimpfungen und begrenzten Pflichtimpfungen, die zu erdulden der Bürger infolge staatlicher Anordnung verpflichtet ist und die daher alle betroffenen Bürger gleichermaßen unmittelbar treffen, geht der Verpflichtung zur Reiseimpfung der frei gefaßte Entschluß des Bürgers voraus, die Reise zu unternehmen. Insofern könnte auch hier das Merkmal der hoheitlichen Maßnahme entfallen. Jeder Deutsche hat grundsätzlich das Recht, ins Ausland zu reisen. Zwar gilt der Grundsatz der Freizügigkeit des A r t . 11 GG nur für das Bundesgebiet 58 ; das Recht, eine Auslandsreise zu unternehmen, sei es auch nur eine Vergnügungsreise, ergibt sich jedoch aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit i m Rahmen des A r t . 2 GG 5 9 . Dementsprechend legt die Bundesrepublik Auslandsreisen ihrer Bürger grundsätzlich keine Hindernisse i n den Weg. Befinden sich Deutsche also legitimerweise i m Ausland und w i r d von ihnen für die Wiedereinreise der Nachweis einer erfolgreichen Impfung verlangt, so stellt das einen staatlichen Eingriff i n ihr ansonsten uneingeschränktes Recht dar, i n die Heimat zurückzukehren. Solange die Bundesrepublik bei der Wiedereinreise diesen Nachweis verlangt, kann es für das Merkmal der hoheitlichen Maßnahme auch keinen Unterschied machen, ob das Einreiseland den Nachweis einer Impfung ebenfalls verlangt oder nicht 6 0 . Die Forderung der Bundesrepublik auf Nachweis einer Impfung bei der Wiedereinreise beruht auf dem staatlichen Interesse der Seuchenabwehr zugunsten des allgemeinen Wohls. Es werden vom Bundesseuchengesetz n. F. alle staatlich angeordneten Impfungen dem Grunde nach erfaßt. Somit ist keine Impfung denkbar, die bei Auftreten eines Schadens nach allgemeinem Aufopferungsrecht entschädigungspflichtig wäre und vom Bundesseuchengesetz nicht erfaßt wird. 2. Impfschaden Durch das zweite Gesetz zur Änderung des Bundesseuchengesetzes61 sind die §§ 51 ff. BSeuchG über die Entschädigung von Impfschäden umfassend geändert worden 6 2 . 58 BVerfGE 2, 266 (273). 69 O L G München i n N J W 1970, 1236 (1237); vorher schon: BVerfG 6, 32 ff. (Elfes); vgl. dazu i m einzelnen auch Merten, Freizügigkeitsrecht §9, S. 42 ff. u n d §18, I I , S. 114 ff. (116). «ο Vgl. dazu O L G München i n N J W 1970, 1236 (1238). 6i V o m 25. August 1971, B G B l I , S. 1401.

2. Impfschaden

63

a) Legaldefinition Die erstmals bundesgesetzlich gegebene Legaldefinition des Impfschadens faßt die zunächst durch die Rechtsprechung gewonnenen Erkenntnisse zusammen 63 . Nach § 52 Abs. 1 BSeuchG n. F. liegt ein Impfschaden vor, wenn bei einem Geimpften durch die Impfung ein über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden eintritt. Darüber hinaus sieht das Gesetz einen Impfschaden auch dann als gegeben, wenn eine gesundheitliche Schädigung bei einem Dritten durch Aufnahme von Geimpften ausgeschiedener lebender Erreger erfolgt. Insoweit erweitert das Gesetz die bereits i n der ersten Novelle 6 4 des Bundesseuchengesetzes durch die §§ 14 a, 51 Abs. 4 BSeuchG a. F. getroffene Regelung, nach der Dritten schon Entschädigung bei der Infizierung durch vom Polio-Geimpften ausgeschiedene lebende Erreger gewährt wurde. Z u dieser Erweiterung sah sich der Gesetzgeber auf Grund der Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Impfschäden veranlaßt. Dieser 65 hatte einer Mutter, die sich bei der Pflege ihres pockengeimpften Kindes infiziert und eine Augenerkrankung m i t Teilerblindung erlitten hatte, A u f opferungsentschädigung zuerkannt. b) Beweislast Eine Veränderung gegenüber der alten Fassung des Bundesseuchengesetzes brachte das zweite Änderungsgesetz auch hinsichtlich der Beweislage. Der durch das erste Änderungsgesetz eingefügte Absatz 4 des § 51 BSeuchG sah eine gesetzliche Vermutung und somit eine Umkehr der Beweislast nur für Fälle der Polio-Impfung m i t lebenden Erregern vor. Danach galt der Gesundheitsschaden eines nicht poliogeimpften Dritten als durch die Erreger des Geimpften ausgelöst, wenn diese Krankheit möglicherweise durch diese Erreger verursacht sein konnte. E i n Entschädigungsanspruch entfiel nur dann, wenn der Schaden nach wissenschaftlicher Erkenntnis m i t an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht durch ausgeschiedene Erreger hervorgerufen sein konnte. Demgegenüber sieht die neue Regelung i n § 52 Abs. 2 BSeuchG n. F. eine Beweiserleichterung für alle Fälle vorgeschriebener, angeordneter 62

Vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung m i t der amtlichen Begründung, BT-Drucksache VI/1568, Vorblatt u n d S. 2, 6. 63 Schaden des Geimpften selbst: B G H Z 9, 83 (86f.); B G H Z 17, 172 (173); B G H Z 36, 379 (389); Schaden einer dritten Person: B G H Z 45, 290 ff. 64 V o m 23. Januar 1963, B G B l I, S. 57. 65 B G H Z 45, 290 ff.

64

I X . Hegelungen i m Bundesseuchengesetz

oder empfohlener Impfungen vor, indem sie zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Impfung den Nachweis der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs genügen läßt. Diese Regelung ist also eine Erweiterung gegenüber dem bisherigen Zustand, weil sie alle vom Gesetz erfaßten Impfungen, und nicht nur die PolioImpfung m i t lebenden Erregern betrifft. Für diese Polio-Impfung mit lebenden Erregern stellt sie jedoch eine Einschränkung der Beweislage dar, weil sie nur noch zu einer Erleichterung des Beweises, aber nicht mehr zu einer direkten Umkehr der Beweislast führt.

3. Enumeration — Aufpfropfung des Bundesversorgungsgesetzes § 52 BSeuchG a. F. zählte die Entschädigungsleistungen i m einzelnen auf, wobei sich der Gesetzgeber hinsichtlich des Umfangs an die entsprechenden Regelungen des Bundesversorgungsgesetzes anlehnte 66 . Vorher hatte sogar das hessische Impfschadengesetz 67 ausdrücklich eine Anwendung der Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes normiert 6 8 . I m § 52 BSeuchG a. F. wurden gewährt: 1. Kosten für Heilbehandlung 2. Gewährung einer Rente 3. Kosten für Anstaltspflege 4. Kosten der Bestattung 5. Gewährung von Hinterbliebenenrente 6. Gewährung von Erziehungsbeihilfen. § 53 BSeuchG a. F. erläuterte diese enumerativ genannten Entschädigungsleistungen näher. Der Gesetzgeber glaubte damals jedoch, die Höhe der Entschädigung i m Gesetz nicht festlegen zu sollen, weil er davon ausging, daß es für den Impfgeschädigten günstiger wäre, wenn die Entschädigung jeweils den Umständen des einzelnen Falles entsprechend festgesetzt würde 6 9 . Die Rechtsprechung indessen benutzte bei der Bemessung der Entschädigung nach dem Bundesseuchengesetz a. F. teilweise das Bundesversorgungsgesetz als Richtlinie sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Höhe der Leistungen 70 . Die Mehrzahl der Länder gewährte zwar Rentenleistungen i n Anlehnung an die Sätze des Bundesversor66 BT-Drucksache, 3. Wahlperiode III/1888, S.29 zu §§50—55; so auch K ü p e r i n N J W 1961, 2045 (2047). 67 V o m 6. Oktober 1958, GVB1 Hessen 1958, S. 147. es Siehe § 3 Abs. 2 Hess. ImpfschadenG. 69 BT-Drucksache VI/1568, S. 6. 70 B G H Z 29, 95 ff.; B G H i n N J W 1963, 1673.

3. Enumeration — Aufpfropfung des Bundesversorgungsgesetzes

65

gungsgesetzes; einige Länder hielten aber den Aufopferungsanspruch nach dem Bundesseuchengesetz und die Versorgungsansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz für so verschiedenartig, daß sie eine A n wendung des Bundesversorgungsgesetzes ablehnten. I n den letzten Fällen wurden häufig Leistungen gewährt, die nicht an die Höhe der Leistungen nach dem Bundes Versorgungsgesetz heranreichten 71 . Durch das zweite Änderungsgesetz 72 vollzieht sich nunmehr nach § 51 Abs. 1 S. 1 BSeuchG die Entschädigungsleistung ausdrücklich als „Versorgung i n entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes" vorbehaltlich besonderer Regelung. Der Impfgeschädigte w i r d also wie ein Kriegsopfer nach § 1 B V G 7 3 als Versorgungsfall behandelt. Dabei geht der Entschädigungstatbestand des § 51 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG n. F. dem Wortlaut nach insofern über die alte Regelung hinaus, als jetzt die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens generell staatliche Entschädigungsleistungen nach sich ziehen. Die allgemeine Formulierung des Entschädigungstatbestandes i n § 51 Abs. 1 S. 1 BSeuchG n. F. ist wörtlich aus § 1 Abs. 1 B V G übernommen. § 51 Abs. 1 BSeuchG n. F. gestaltet die Entschädigung für Impfschäden als Versorgung nach dem Bundes Versorgungsgesetz. Damit w i r d der ganz allgemein gehaltene, an die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens anknüpfende Entschädigungstatbestand der Sache nach auf die Entschädigungsleistungen 74 nach dem Bundesversorgungsgesetz begrenzt. Diese Regelung, die Bedürfnissen der Verwaltungspraxis auch angesichts der an Umfang abnehmenden Kriegsopferversorgung entgegenkommen mag, liegt auf der gesetzgeberischen Linie der letzten Jahre. Danach wurde die entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes auf die Versorgung wegen gesundheitlicher Schäden nach dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für A n gehörige von Kriegsgefangenen (KgfUnterhbeihG 75 ), nach dem Häftlingshilfengesetz (HHG) 7 6 , nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) 77 und nach dem Ersatzdienstgesetz (ErsDiG) 78 vom Gesetzgeber angeord71 BT-Drucksache VI/1568, S. 6. 72 V o m 25. August 1971, B G B l I, S. 1401. 73 Zuletzt neugefaßt am 20. Januar 1967, B G B l I, S. 141, berichtigt S. 180; zuletzt geändert am 16. Dezember 1971, B G B l I, 1985. 74 Der Versorgungsanspruch nach dem B V G ist ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch eigener A r t , der insbesondere kein Schadensersatzanspruch ist, vgl. Wilke, BVG, § 1 A n m . 1, S. 15 f. 75 V o m 13. J u n i 1950, B G B l I, S. 204, i. d. F. d. Neubek. v. 18. März 1964, B G B l I, S. 219, § 6 i. V. m. § 1 K O V V e r f G v. 2. M a i 1955, B G B l I, S. 202. 76 v. 6. August 1955, B G B l I, S. 498, i. d. F. d. Neubek. v. 29. September 1969, B G B l I, S. 1793, § 10 Abs. 1 i. V. m. § 1 KOVVerfG, vgl. Fußnote 2. 77 v. 26. J u l i 1957, B G B l I, S. 785, i. d. F. d. Neubek. v. 20. Februar 1967, B G B l I, S. 202, § 80. 78 v. 13. Januar 1960, B G B l I, S. 10, i. d. F. d. Neubek. v. 15. J u l i 1965, B G B l I, S.984, § 47. 5

Schiwy

66

IX.

egelungen i m Bundesseuchengesetz

net. Deshalb w i r d das B V G auch als „Grundgesetz der Versorgung i n allen Fällen, i n denen ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch gegen den Staat wegen der Folgen gesundheitlicher Schäden gegeben ist", bezeichnet 79 . Diese Anpassung der Entschädigung wegen Impfschadens an das System des Bundesversorgungsgesetzes darf aber nicht den Blick dafür versperren, daß vor Erlaß des Bundesseuchengesetzes 1961 bei Impfschäden ein Aufopferungsanspruch gegeben w a r 8 0 . Der Versorgungsanspruch der Kriegsopfer ist aber m i t diesem Aufopferungsanspruch gerade nicht identisch oder vergleichbar, „ w e i l es insoweit daran fehlt, daß von dem Betroffenen als einzelnen oder als Glied eines begrenzten Personenkreises durch Eingriff von hoher Hand ein ihn im Vergleich zu anderen ungleich treffendes und anderen nicht zugemutetes Opfer verlangt worden ist" 8 1 . Danach ist also ein wesensmäßiger Unterschied zwischen der Kriegsopferversorgung, der der Gedanke des Sonderopfers fremd ist 8 2 , und der i m Einzelfall zu gewährenden A u f opferungsentschädigung zu sehen. N u r von diesem Ausgangspunkt war es auch möglich, daß das Bundessozialgericht 83 zu § 33 Abs. 2 S. 1 B V G damaliger Fassung entschied, daß die Aufopferungsentschädigung wegen Impfschadens sonstiges Einkommen, also keine Versorgung i. S. des Bundesversorgungsgesetzes ist. Auch der Bundesgerichtshof 84 hat die Regelung des Bundesversorgungsgestzes ausdrücklich als die für den Geschädigten hinsichtlich ihres Umfangs schwächere i m Verhältnis zu der bei Impfschäden zu gewährenden Entschädigung bezeichnet. Einem Impfgeschädigten konnte — so der Bundesgerichtshof 85 — also eher mehr als einem nach dem Bundesversorgungsgesetz Begünstigten zustehen 86 . Durch die Zuordnung der Impfschadensregulierung zum Ver79 Wilke, Einleitung, S. 13; vgl. auch Regierungsentwurf BT-Drucksache V I , 1568, S. 6 r. Sp.; Rüfner (49. D J T Ε 53) meint aber, das Bundesversorgungsgesetz werde „ i n absehbarer Zeit" i n seinem Kernbereich an Bedeutung verlieren u n d hält es auch f ü r „psychologisch ungeschickt" (Rüfner, Ε 53 A n m . 132), die Kriegsopferversorgung „ohne Umbenennung zur Grundlage allgemeiner Entschädigungsansprüche zu machen". so Vgl. grundlegend B G H Z 9, 83 gegen RGZ 156, 305. 81 B G H Z 20, 61 (64). 82 B G H 20, 61 ff. Allerdings erlaubte der B G H bei der Berechnung der Leistungen i m Rahmen von § 287 ZPO die Heranziehung der Maßstäbe des BVG, vgl. B G H i n N J W 1963, 1673 u n d B G H i n N J W 1970, 1231. 83 BSGE 4, 121 (125 f.); die Ausführungen des Bundessozialgerichts über den Aufopferungsanspruch zeigen, daß das Gericht insoweit eine Gleichartigkeit oder Vergleichbarkeit m i t dem Versorgungsanspruch offenbar nicht annahm, vgl. S. 126. 84 B G H in NJW 1970, 1231 (1232). 85 B G H i n N J W 1970, 1231 (1232). 86 Anderer Ansicht: Rüfner (49. DJT, Ε 32 u. Ε 37), der i n seinem G u t achten über soziale Entschädigung die Behauptung wagt, daß eine h i n reichend ausgestaltete soziale Entschädigung f ü r die Mehrzahl der Geschädigten sogar mehr bietet als den Schadensersatzanspruch nach bürgerlichem Recht.

3. Enumeration — Aufpfropfung des Bundesversorgungsgesetzes

67

sorgungsrecht der Kriegsopfer nach dem Bundesseuchengesetz n. F. wurde eine die Natur des Aufopferungsanspruchs betreffende Gesetzesänderung vorgenommen: Ein Entschädigungsanspruch, der an sich von der Versorgung zu trennen ist, wurde zum Versorgungsanspruch ausgebildet. Doch steht es dem Gesetzgeber i m Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit zu, die i n einem bestimmten Gesetz über Höhe, A r t und Umfang der Entschädigung getroffenen Regelungen auch für einen anderen Fall gesetzlich verbindlich zu erklären. Eine solche Verweisung durch den Gesetzgeber ist aber nur so lange zulässig, als dadurch nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen wird. Die Impfschadensbestimmungen des Bundesseuchengesetzes stellen die Regelung eines Spezialfalles des Aufopferungsanspruchs dar. Diesem kommt Verfassungsrang zu. Verfassungsrechtlich unzulässig wäre die nunmehr durch einfaches Gesetz angeordnete Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes auf Impfschäden dann, wenn sie zu einer Anspruchsverkürzung führte. Der allgemeine Aufopferungsanspruch gewährt nach h. M . 8 7 dem einzelnen eine angemessene Entschädigung für sein zugunsten der A l l gemeinheit erbrachtes Sonderopfer. Dem Betroffenen steht gemäß § 9 B V G Versorgung zu, die i m wesentlichen umfaßt: 1. Heilbehandlung, Versehrtenleibesübungen lung (§§ 10 bis 24 a)

und

Krankenbehand-

2. Leistungen der Kriegsopferfürsorge (§§ 25 bis 27 e) 3. Beschädigtenrente (§§ 30 bis 34) und Pflegezulage (§ 35) 4. Bestattungsgeld (§ 36) und Sterbegeld (§ 37) 5. Hinterbliebenenrente (§§ 38 bis 52) 6. Bestattungsgeld beim Tode von Hinterbliebenen (§ 53). Diese Leistungen müssen eine angemessene Entschädigung darstellen. Schon vor Erlaß des Bundesseuchengesetzes hat der Bundesgerichtshof 8 8 die Bemessung der Aufopferungsentschädigung auf der Grundlage der Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes i m Rahmen des §287 ZPO für zulässig und angemessen erachtet. I n einer weiteren Entscheidung 89 hat er diese Ansicht mit der Begründung bestätigt, daß das Bundesversorgungsgesetz ebenso wie der Aufopferungsanspruch eine billige Entschädigung für i m Allgemeininteresse erlittene Körperschäden gewähren w i l l . 87 Kröner, Eigentumsgarantie, S. 96; Wolff, V e r w R I, § 61 I I I , S. 463; Bender, Staatshaftung, A n m . 345, S.209; B G H Z 7, 331 ff.; B G H Z 9, 83 ff.; B G H Z 22, 43 ff. 88 B G H Z 29, 95 ff. 89 B G H i n N J W 1963, 1673. 5*

68

IX.

egelungen i m Bundesseuchengesetz

I n der Tat ist es unbedenklich, bei der Ausfüllung des Begriffs „angemessen" auf die Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes zurückzugreifen. Dieses Gesetz hat sich zu einem „Grundgesetz" 90 der Versorgung i n allen Fällen entwickelt, i n denen ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch gegen den Staat wegen der Folgen gesundheitlicher Schädigungen gegeben ist. Damit aber entfallen alle verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Aufpfropfung des Bundesversorgungsgesetzes auf das Bundesseuchengesetz. Soweit ein Impfschaden nach den Bestimmungen des Bundesseuchengesetzes gemäß dem Bundesversorgungsgesetz entschädigt wird, ergibt sich hinsichtlich der Höhe und des Umfanges der Leistungen keine Anspruchsverkürzung gegenüber dem allgemeinen Aufopferungsanspruch.

4. Mitverschulden nach Bundesseuchengesetz alter und neuer Fassung Unter Abkehr von der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts 91 , das ein mitwirkendes Verschulden beim Aufopferungsanspruch generell nicht kannte, hat zunächst das OLG Celle 92 und später auch der Bundesgerichtshof 93 eine Schadensabwendungs- und -minderungspflicht bei hoheitlichen Eingriffen anerkannt. § 51 Abs. 3 BSeuchG a. F. erklärte § 254 BGB für sinngemäß anwendbar. Ein Verschulden i. S. dieser Bestimmung konnte i n unterlassener oder unrichtiger Mitteilung des Gesundheitszustandes des Impflings gegenüber dem Impfarzt gesehen werden 9 4 . Ein Verschulden bei Abwendung oder Minderung des Schadens konnte auch dann vorliegen, wenn es der Geimpfte unterließ, sich entsprechend den bei der Impfung erteilten Belehrungen zu verhalten 9 5 . Der Sorgeberechtigte mußte i n dieser Bestimmung ausdrücklich genannt werden, weil die von § 278 BGB vorausgesetzte rechtliche Sonderbeziehung, die zur Anrechnung des mitwirkenden Verschuldens des gesetzlichen Vertreters führt, bei der Entstehung des Impfschadens i n der Regel nicht vorliegt 9 6 . Für eine Anrechnung des Mitverschuldens bleibt nach dem 2. Änderungsgesetz zum Bundesseuchengesetz kein Raum mehr 9 7 , da i n der so Wilke, Vorbem. Seite 13. 91 RGZ 126, 356 (361); RGZ 149, 34 (37); RGZ 167, 14 (26). 92 O L G Celle i n N J W 1954, 559. 93 B G H Z 45, 290 ff. (294). 94 So Küper/Walter i n N J W 1963, 2352 (2357). »5 So Küper/Walter i n N J W 1963, 2352 (2357). 96 So Küper/Walter i n N J W 1963, 2352 (2357). 97 So auch BT-Drucksache VI/1568, S. 9.

4. Mitverschulden nach Bundesseuchengesetz

69

Kriegsopferversorgung des Bundesversorgungsgesetzes — dessen entsprechende Anwendung nunmehr gesetzlich geboten ist — die Theorie der wesentlichen Bedingung gilt 9 8 . Nach dieser Theorie ist von den Bedingungen, die bei Entstehung der Schädigung mitgewirkt haben, nicht jeder Umstand, der irgendwie zum Erfolg beigetragen hat, als rechtlich beachtlich anzusehen 99 . Zwischen den Bedingungen des Erfolges, die i m Rechtssinn als Ursache zu gelten haben, und solchen, die es nicht sind, muß unterschieden werden. Als Ursache ist von mehreren Bedingungen unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur die Bedingung zu verstehen, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zum Erfolg diesen wesentlich herbeigeführt hat 1 0 0 . Wenn i n einem Impfschadensfall die Impfung als wesentliche Bedingung des Schadenseintritts wahrscheinlich 101 ist, kommt nur die Impfung als Ursache i n Betracht. Sie ist alleinige Ursache, und eine Berücksichtigung anderer Bedingungen ist daher nicht mehr möglich. N u r dann, wenn eine auf dem Verschulden des Impfgeschädigten beruhende Handlung einen neuen selbständigen Gefahrenbereich begründet und diese die wesentliche Bedingung für den E i n t r i t t des Schadens darstellt 1 0 2 , entfällt die Impfung nach dieser Theorie als Ursache. Eine Haftung des Staates und damit ein Anspruch des Impfgeschädigten gegen ihn ist dann nicht mehr gegeben. Vergleicht man die Theorie der wesentlichen Bedingung m i t der zivilrechtlichen Adäquanztheorie und der Anwendung eines Mitverschuldens, so kommt eine Berücksichtigung des Mitverschuldens nur dann i n Betracht, wenn es gemäß § 254 BGB zu einem Ausschluß der Haftung des Schädigers führte. Insoweit ist es nicht ganz zutreffend, wenn i n der Begründung zum Regierungsentwurf 103 gesagt wird, daß für „eine Berücksichtigung des Mitverschuldens entsprechend § 254 BGB (ist) kein Raum mehr" ist. Über die Anwendung der Theorie der wesentlichen Bedingungen ist gegenüber dem allgemeinen Aufopferungsanspruch für den Impfgeschädigten jedoch insofern eine Verbesserung eingetreten, als die Anwendung eines Mitverschuldens entfällt, das nicht „wesentliche Bedingung" ist. Gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Verbesserung bestehen keine Bedenken.

88 Vgl. BSG 1, 72 ff.; BSG 6, 192 ff.; BSG 16, 216 (218); B S G 19, 139 ff. 99 Wilke, § 1 Erl. V, 3, S. 39. 100 Wilke, § 1 Erl. V, 3, S. 40. ιοί Wilke, Erl. V, 2 zu § 1, S. 38. 102 v g l . dazu Wilke, Erl. V, 4 zu § 1, S.42. los BT-Drucksache V I , 1568, S.9.

70

IX.

egelungen i m Bundesseuchengesetz

5. Verjährung Der Aufopferungsanspruch verjährt i n 30 Jahren 1 0 4 , soweit nicht durch positivrechtliche Regelung eine kürzere Verjährung angeordnet ist 1 0 5 . Für Bayern stellt eine solche positivrechtliche Regelung § 125 AGBGB dar, wonach eine Ausschlußfrist von drei Jahren läuft, die m i t Schluß des Jahres des Eintritts des Fordernkönnens beginnt 1 0 6 . I n § 56 BSeuchG a. F. hatte der Gesetzgeber die Fristen bestimmt, innerhalb derer der Antrag auf Entschädigungsleistung zu stellen war. Diese Bestimmung ist ersatzlos weggefallen 107 . Die Regelung des früheren § 56 BSeuchG muß gegenüber dem allgemeinen Aufopferungsanspruch m i t seiner 30jährigen Verjährungsfrist als Schlechterstellung angesehen werden. Doch war diese Regelung rechtlich gesehen unbedenklich. Die Verkürzung der Verjährungsfrist eines Spezialfalles des verfassungsrechtlichen Aufopferungsanspruchs erfolgte durch einfaches Gesetz. E i n Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze könnte darin jedoch nur dann gesehen werden, wenn auch die 30jährige Verjährung von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz umfaßt ist, daß zum Wohle der Allgemeinheit erbrachte Sonderopfer entschädigt werden müssen. Das ist jedoch nicht anzunehmen. Die Rechtsordnung kennt für verschiedenartige Ansprüche verschiedene Verjährungsfristen. Diese stellen nur eine nähere Regelung zur Geltendmachung des Anspruchs dar, berühren aber nicht seinen Wesensgehalt. Dem Bürger als Anspruchsteller ist zuzumuten, den Staat als Leistungsverpflichteten i n angemessener Frist von seinen Forderungen zu unterrichten, so daß sich dieser i m Interesse der Allgemeinheit darauf einstellen kann. Soweit also der Gesetzgeber unter Abweichung von der 30jährigen Verjährungsfrist des allgemeinen Aufopferungsanspruchs eine kürzere, aber noch angemessene Verjährungsfrist bestimmt hat, ist diese Beschränkung i m Rahmen der dem Gesetzgeber zustehenden Ausgestaltungsmöglichkeit zulässig. So hat auch der Bundesgerichtshof 108 wiederholt entschieden, daß der Gesetzgeber die Gewährung des Aufopferungsanspruchs näher regeln kann, insbesondere Bestimmungen über das Verfahren erlassen, die Ansprüche näher umreißen und Bestimmungen über A r t und Höhe der Entschädigungen treffen kann, auch Ausschlußfristen begründen und für die Entschädigungsansprüche eine kürzere Verjährungsfrist als die allgemeine 30jährige und auch eine kürzere Antragsfrist festsetzen kann. 104 105 106 107 108

Palandt, A n m . 2 zu §195 B G B ; Wolff, V e r w R I , §61 V, S.463. B G H Z 9, 209 (210). Vgl. dazu B G H N J W 1957, 1595 (1596f.); M D R 1958, 910. BT-Drucksache VI/1568, S. 9. B G H Z 9, 209; B G H Z 20, 81 (83, 84); B G H Z 29, 95 (97).

6. Anspruchskonkurrenz

71

6. Anspruchskonkurrenz Aufopferungs- und Amtshaftungsansprüche schließen einander nicht aus, sondern stehen sich gleichrangig gegenüber 109 . Dies folgt schon daraus, daß der öffentlich-rechtliche Entschädigungsanspruch sich seiner Rechtsnatur nach von einem Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung unterscheidet. Ist aber ein auf Spezialität beruhendes Rangverhältnis der Rechtsnormen nicht festzustellen, dann kann das Zurücktreten einer Norm oder der aus ihr folgenden Haftung nur aus einem ausdrücklichen oder stillschweigenden Gesetzesbefehl gefolgert werden. Ein solcher Gesetzesbefehl läßt sich jedoch der Rechtsordnung nicht entnehmen, soweit das Zusammentreffen eines Schadensersatzanspruchs aus Amtspflichtverletzung und eines Entschädigungsanspruchs aus Enteignungs- oder Aufopferungsrecht i n Frage steht 1 1 0 . W i r d dieselbe Körperschaft aus dem gleichen Sachverhalt aus beiden Rechtsgründen i n Anspruch genommen, so kann der Haftungsgrund wahlweise festgestellt werden 1 1 1 . So sind gemäß § 54 Abs. 4 BSeuchG n. F. Ansprüche aus fahrlässiger Amtspflichtverletzung durch die Regelung des Bundesseuchengesetzes nicht ausgeschlossen. Auch insoweit ist der Impfgeschädigte durch die Spezialregelung i m Bundesseuchengesetz nicht schlechter gestellt als er nach allgemeinem Aufopferungsrecht stehen würde.

7. Rechtsweg Gemäß § 40 Abs. 2 VwGO ist für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl der ordentliche Rechtsweg gegeben. Schon vor dieser ausdrücklichen Regelung war der Aufopferungsanspruch eine Zivilprozeßsache kraft Überlieferung, deren öffentlichrechtliche Natur man erst später erkannte 1 1 2 . M i t Erlaß der Verwaltungsgerichtsordnung i m Jahre I960 1 1 3 wurden die bis dahin geltenden gewohnheitsrechtlichen Regelungen überholt. Durch § 40 Abs. 1 VwGO wurden öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher A r t grundsätzlich dem Verwaltungsrechtsweg zugewiesen. Da man es für den Aufopferungsanspruch bei dem Zivilrechtsweg belassen wollte, für Streitigkeiten aus dem Aufopferungsanspruch wegen seiner öffentlich-rechtlichen Natur aber gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsio9 Staudinger-Schäfer, Vorbem. 3 v o r §839 BGB. no v g l . B G H Z 13, 88 (95). m Vgl. dazu Kuschmann i n N J W 1966, 574 (575). 112 Vgl. Eyermann-Fröhler, V w G O , § 40 A n m . 91. " » v o m 21. Januar 1960, B G B l I , S. 17.

72

IX.

egelungen i m Bundesseuchengesetz

rechtsweg gegeben wäre, wurde eine ausdrückliche Zuweisung an die Zivilgerichte erforderlich. I n Übereinstimmung damit bestimmte § 61 BSeuchG a. F. für Streitigkeiten über Entschädigungsansprüche aus dem Bundesseuchengesetz die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. M i t dem zweiten Änderungsgesetz zum Bundesseuchengesetz114 wurden i m § 61 Abs. 2 BSeuchG die Sozialgerichte für Streitigkeiten wegen Impfschäden grundsätzlich für zuständig erklärt. Soweit jedoch dem Impfgeschädigten Ansprüche entsprechend den Vorschriften der Kriegsopferfürsorge nach den §§25 bis 27 e B V G gewährt werden, ist nach § 61 Abs. 3 BSeuchG der Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten gegeben. Es handelt sich dabei u m solche Ansprüche aus dem Bundesversorgungsgesetz, die nicht Versorgungs-, sondern fürsorgerischen Charakter haben. Das sind insbesondere die allgemeine soziale Fürsorge (§ 25 BVG), die berufliche Förderung einschließlich Rehabilitierungsmaßnahmen (§ 26 BVG) und die Erziehungsbeihilfe und Arbeitsplatzbeschaffung, Schul- und Berufsausbildung für versorgungsberechtigte Waisen (§27 BVG). M i t der Neuregelung ist es also zu einer Zweigleisigkeit des Rechtsweges, nämlich zu den Sozial- und Verwaltungsgerichten gekommen. Diese Zweigleisigkeit w i r d sogar noch zu einer Dreigleisigkeit, wenn zu den Entschädigungsansprüchen ein Amtshaftungsanspruch aus A r t . 34 GG, § 839 BGB hinzutritt, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. Ein solches Auseinanderfallen des Rechtsweges ist freilich i m geltenden Recht nicht unbekannt und t r i t t immer dann auf, wenn ein Amtshaftungsanspruch m i t einem öffentlich-rechtlichen Anspruch konkurr i e r t 1 1 5 , der von den Verwaltungsgerichten geltend zu machen ist, wie z. B. der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch und Ansprüche aus dem Beamtenverhältnis, § 126 BRRG. Der Gesetzgeber hat sich bei der Änderung und Aufspaltung des Rechtsweges keine Gedanken darüber gemacht, ob diese unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich sind. Der Aufopferung kommt Verfassungsrang zu. Eine Änderung und Aufspaltung des Rechtsweges durch einfaches Gesetz wäre dann unzulässig, wenn der Verfassungsrang die Garantie des ordentlichen Rechtsweges m i t umfaßte. Eine solche Garantie des ordentlichen Rechtsweges enthält A r t . 14 Abs. 3, S. 3 GG für die Enteignung nur insoweit, als es u m die Höhe der Entschädigung geht. Bei einem Streit nur über die Frage, ob überhaupt eine Enteignung vorliegt, ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben 116 . 114

V o m 25. August 1971, B G B l I , S. 1401. Vgl. dazu Bettermann i n Grundrechte I I I , 2, S. 848 f.; ebenso Siebert i n D Ö V 1959, S. 733. ue B V e r f G 4, 219; O V G Lüneburg, OVGE 11, 376.

7. Rechtsweg

73

Die Aufopferung ist nicht wie die Enteignung ausdrücklich i n der Verfassung geregelt, hat aber dennoch Verfassungsrang 117 . Eine Garantie eines bestimmten Rechtsweges durch das Grundgesetz fehlt damit. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet dem Bürger nur den Weg zu den staatlichen Gerichten, ohne jedoch dem Betroffenen einen Anspruch auf einen bestimmten Rechtsweg zuzuerkennen 118 . Doch könnte der verfassungsrechtliche Grundsatz, daß bei zum Wohle der Allgemeinheit erbrachten Sonderopfern Entschädigung zu gewähren ist, ebenfalls garantieren, daß Streitigkeiten über diese Ansprüche vor den ordentlichen Gerichten auszutragen sind. A l l e i n die Tatsache, daß der Aufopferungsanspruch seit seiner Anerkennung stets vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen war, begründet noch nicht eine verfassungsrechtliche Gewähr des Rechtsweges. Das ergibt sich auch daraus, daß der Verfassungsgeber es bei der Regelung eines Spezialfalles der Aufopferung, nämlich der Enteignung, für erforderlich hielt, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ausdrücklich i n der Verfassung zu garantieren. Eine verfassungsrechtliche Garantie des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten bei Aufopferungsansprüchen läßt sich auch nicht aus einer Analogie zu Art. 14, Abs. 3, S. 3 GG ermitteln. Die Aufnahme einer bestimmten Rechtsweggarantie i n den durch Grundgesetz geregelten Spezialfall der Aufopferung bedeutet nicht, daß der für die Spezialregelung erst durch das Grundgesetz m i t zum Verfassungsrang ausgestattete Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nunmehr auch für den Aufopferungsanspruch verfassungsrechtlich garantiert ist. Somit lassen sich bei verfassungsrechtlicher Prüfung Bedenken gegen eine Änderung und Aufspaltung des Rechtsweges nicht erkennen. Das bedeutet nicht, daß sich keine Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der Neuregelung ergeben. Praktische Nachteile für den Impfgeschädigten sind offenkundig. Er kann sich vor die Notwendigkeit gestellt sehen, wegen seines Impfschadens zur gleichen Zeit vor drei verschiedenen Gerichten fechten zu müssen. Schon die Aufspaltung i n Sozial- und Verwaltungsrechtsweg für die Durchsetzung der Ansprüche aus dem Bundesversorgungsgeestz hat bei Schaffung dieses Gesetzes zu heftigen Debatten Anlaß gegeben 119 . Andererseits bringt die neue Regelung auch Vorteile. Sie weist gerichtliche Auseinandersetzungen über Impfschäden den richterlichen Kollegien der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit zu. Die Richter beider Gerichtszweige verfügen über umfangreiche Kenntnisse bei der Rechtsanwendung des i n Siehe oben S.34ff. us v. Mangoldt-Klein, A n m . V I I 5 b zu A r t . 19 GG, S. 574 ff. 119 BT-Drucksache I , 4567, S.3; BT-Drucksache I , 4225, S. 19/20, S. 15, S. 31.

74

I X . Hegelungen i m Bundesseuchengesetz

Versorgungs- oder Fürsorgerechts. Demgegenüber haben die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit angesichts der sehr selten auftretenden Impfschäden 120 nur wenig Gelegenheit, sich über diesen Entschädigungsbereich einen so umfassenden Überblick zu verschaffen, daß eine stets den gesetzlichen Maßstäben entsprechend ausgewogene Entscheidung gefällt werden kann. Deshalb dürfte es für den Betroffenen seltener notwendig werden, durch die Einlegung eines Rechtsmittels länger und m i t größerem Kostenrisiko u m die i h m zustehende Entschädigung zu streiten.

120 Siehe dazu oben I X 1 a, S. 56.

X . V o m Bundesseuchengesetz n i c h t erfaßte F ä l l e Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bundesseuchengesetzes ergeben sich dort, wo durch die Verweisung auf das Bundesversorgungsgesetz Impfgeschädigte i m Sinne des Bundesseuchengesetzes einen Anspruch aus dem Bundesversorgungsgesetz überhaupt nicht herleiten können. Ein solcher Fall ist denkbar, wenn eine bestimmte Schadensart von den enumerativ aufgeführten Versorgungsansprüchen des Bundesversorgungsgesetzes nicht erfaßt wird. 1. Einmaliger Sachschaden So gewähren weder das Bundesseuchengesetz noch das Bundesversorgungsgesetz Ausgleich für Fälle, i n denen der Geschädigte infolge des Impfschadens eine einmalige Vermögenseinbuße erleidet. Wohl erhält ein Geschädigter, der als Folge der Impfung seine Kleidung dauernd beschmutzt, gemäß § 15 (früher: § 13 Abs. 5) B V G einen monatlichen Pauschalbetrag als Zuschuß für die erhöhten Kleidungskosten. Das Gesetz sieht jedoch keine Zahlung an einen Geschädigten vor, der infolge eines einmaligen Schwächeanfalls wegen der Impfung ein Kleidungsstück völlig unbrauchbar macht, sofern er nicht bedürftig ist. Auch dieser Vermögensschaden begründet einen Aufopferungsanspruch; denn die Vermögenseinbuße ist Folge des Eingriffs i n ein immaterielles Gut, die körperliche Unversehrtheit. Der Eingriff liegt i n der Impfung und nicht etwa i n der daraus resultierenden Kleiderbeschmutzung. U m einen enteignungsgleichen Eingriff (bzw. eine Amtspflichtverletzung) würde es sich hingegen handeln, wenn die Kleidung bei der Impfung vom Impfenden, ζ. B. durch Verschütten des Impfstoffes oder Serums, beschmutzt oder zerstört würde. I n diesem Falle wäre der Schaden keine Folge des vorher erfolgten Eingriffs i n die körperliche Unversehrtheit. I n beiden Fällen liegt auch ein Sonderopfer vor, da bei diesem nicht etwa auf die Höhe des Schadens, sondern die Ungleichheit abzustellen ist. Auch der Härteausgleich nach § 89 B V G stellt i n diesem Falle einmaligen Sachschadens keine den Anforderungen des Aufopferungsanspruchs genügende Regelung dar. Zwar gehören zum Härteausgleich auch einmalige Unterstützungen 1 , doch einmal ist fraglich, ob ein ein1 Schieckel-Gurgel A n m . 2 zu § 89, S. 589 (2).

76

X . V o m Bundesseuchengesetz nicht erfaßte Fälle

maliger Sachschaden überhaupt eine besondere Härte i. S. des § 89 B V G darstellt. Nach W i l k e 2 liegt eine besondere Härte dann vor, wenn sie „unbillig" ist. Diese „wesentliche Einschränkung" 3 macht es unmöglich, die Frage abstrakt zu entscheiden. Es kommt vielfach auf den konkreten Einzelfall an. Zum andern folgt aus dem Wortlaut der Bestimmung, daß es sich um einen Anspruch handelt, der i m Ermessen der Behörde steht und dieser und nicht dem Anspruchsteller einen letzten Weg zur quasi-gnadenweisen Korrektur einräumt. Ein Rechtsanspruch auf Leistungen nach § 89 B V G ergibt sich somit i n der Regel, d. h. solange nicht ein Fall der Ermessensreduzierung auf N u l l vorliegt, nicht. Diese Bestimmung kann folglich kein gleichwertiger Ersatz für einen Aufopferungsanspruch sein, der bei Vorliegen sämtlicher Tatbestandsmerkmale zwingend gegeben ist.

2. Vom Impfgeschädigten zu ersetzender Drittschaden Ein Autofahrer muß ζ. B. plötzlich wegen eines Ohnmachtsanfalls, den ein Impfgeschädigter (infolge seines Impfschadens) auf der Straße erleidet, ausweichen und prallt dabei gegen einen Baum. Ersatzansprüche stehen ihm nur gegen den Impfgeschädigten zu, und zwar bei schuldhaftem Verhalten aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung. Bei nichtschuldhaftem Verhalten hat der Dritte einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen aus den Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Der vermögensrechtliche Schaden des Impfgeschädigten liegt also darin, daß er infolge seines Impfschadens m i t Ersatzansprüchen eines Dritten belastet ist. Auch für diesen Fall sehen weder das Bundesseuchengesetz noch das Bundesverssorgungsgesetz eine Entschädigung vor.

3. Rechtslage nach allgemeinem Aufopferungsrecht Bei Beurteilung dieser Fälle muß unterschieden werden, ob dieser einmalige Sachschaden des Impfgeschädigten oder die Belastung m i t Ansprüchen Dritter der einzige Vermögensschaden und Folge der Impfung ist oder nur eine Schadensposition neben anderen vermögensrechtlich relevanten Folgen der Impfung darstellt. Ohne die Spezialregelung des Bundesseuchengesetzes hätte der Impfgeschädigte i n beiden Fällen unabhängig von seiner Bedürftigkeit einen Anspruch nach den allgemeinen Aufopferungsgrundsätzen gehabt. Die hier genannten Vermögensschäden wären bei Ermittlung der Höhe der 2 Wilke, Erl. I zu § 89, S. 476. » Wilke, Erl. I zu § 89, S. 476.

3. Rechtslage nach allgemeinem Aufopferungsrecht

77

zu leistenden Entschädigung nach § 287 ZPO berücksichtigt worden 4 . Nach der alten sowie der heutigen Regelung i m Bundesseuchengesetz ist die Einbeziehung dieser Schäden i n den Entschädigungs- beziehungsweise Versorgungsanspruch nicht möglich. Das Bundesseuchengesetz könnte somit für einen Impfgeschädigten i m Verhältnis zu den allgemeinen Aufopferungsgrundsätzen eine Schlechterstellung zur Folge haben. Es fragt sich, ob gegen diese Regelung verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Für den Fall, daß der einmalige Sachschaden eine neben mehreren Schadenspositionen darstellt, ist dabei zu beachten: Die A n gemessenheit der Entschädigung w i r d von der verfassungsrechtlichen Garantie des Aufopferungsanspruchs mit umfaßt. Der Aufopferungsanspruch des Betroffenen ist stets ein einheitlicher 5 . Seine Höhe w i r d jedoch unter Berücksichtigung einzelner Schadenspositionen ermittelt 6 . Sie kann deshalb bei Wegfall eines Einzelpostens erheblich niedriger ausfallen und dann nicht mehr angemessen sein. Verfassungsrechtlich zu beanstanden, w e i l gegen die allgemeinen Aufopferungsgrundsätze verstoßend, ist die Regelung des Bundesseuchengesetzes m i t seiner Verweisung auf das Bundesversorgungsgesetz also dann, wenn die Versorgungsleistungen für den Impfgeschädigten insgesamt i n ihrer Höhe hinter dem zurückbleiben, was bei der Bemessung der Entschädigung nach allgemeinen Aufopferungsgrundsätzen zu gewähren wäre. Nur solange die Versorgungsleistungen nach dem Bundes Versorgungsgesetz insgesamt als „angemessene Entschädigung" anzusehen sind, bestehen verfassungsrechtliche Bedenken auch dann nicht, wenn eine einzelne Position nicht mitberücksichtigt wurde. Ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen A u f Opferungsanspruch liegt insbesondere dann vor, wenn ein einzelner nach dem Bundesversorgungsgesetz nicht zu berücksichtigender Schadensposten den größten Teil des Gesamtschadens ausmacht und somit die Leistung nach dem Bundesversorgungsgesetz erheblich hinter dem zurückbleibt, was der Impfgeschädigte zu beanspruchen hätte, wenn die Grundsätze des allgemeinen Aufopferungsanspruchs zum Tragen kämen. Noch deutlicher w i r d dies i n dem Fall, i n dem ein Impfschaden vorliegt, der einzige Vermögensschaden des Betroffenen dieser einmalige Sachschaden oder die Belastung m i t Ansprüchen Dritter darstellt. Der Impfgeschädigte w i r d hinsichtlich seiner Ansprüche durch § 51 Bundesseuchengesetz auf das Bundesversorgungsgesetz verwiesen und w i r d dort keine Bestimmung finden, die ihm zu einer Entschädigung seines Schadens verhilft. 4

B G H Z 29, 217. « Kröner S. 150; B G H Z 22, 43. 6 B G H Z 29, 217.

78

X . V o m Bundesseuchengesetz nicht erfaßte Fälle

4. Der allgemeine Aufopferungsanspruch als Auffangtatbestand Es fragt sich nun, ob derjenige, der einen Impfschaden i m Sinne des § 52 BSeuchG erlitten und ein Sonderopfer zum Wohl der Allgemeinheit erbracht hat, i n diesem Falle einen Anspruch nach allgemeinen Aufopferungsgrundsätzen hat. Der Bundesgerichtshof 7 hat entschieden, daß der Aufopferungsanspruch seiner Funktion nach „hinter" allen übrigen Anspruchsgrundlagen für einen Schadensausgleich zurücksteht. Gelegentlich hat er ihn auch als „subsidiär" bezeichnet 8 . Jedoch ist die subsidiäre Natur des Aufopferungsanspruchs vom Bundesgerichtshof nur insoweit anerkannt, als er nicht besteht, soweit die öffentliche Hand zum Ausgleich für die erlittene Einbuße bereits anderweitig ausreichende Leistungen erbringt, ζ. B. durch Zahlungen aus der Sozialversicherung 9 . I n diesem Falle entsteht der Aufopferungsanspruch erst gar nicht 1 0 . Ein geldwerter Anspruch ist ferner dann nicht gegeben, wenn das Opfer durch eine tatsächliche Fürsorge i n Form einer Familienhilfe ausgeglichen wird, die geldliche Leistungen nicht erfordert und den Angehörigen zuzumuten ist 1 1 . Dies bisher vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle sind jedoch von denen zu unterscheiden, i n denen der Gesetzgeber eine positive Regelung eines Spezialfalls der Aufopferung getroffen hat. So hat der Bundesgerichtshof 12 entschieden, daß der die Spezialregelung eines Aufopferungsanspruchs darstellende A r t . 5 der Menschenrechtskonvention 13 , der den Fall einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung regelt, als ein der Gefährdungshaftung zuzurechnender Ersatzanspruch den Aufopferungsanspruch ausschließt. I m konkreten Fall hatte der Betroffene den A n spruch aus A r t . 5 Menschenrechtskonvention verjähren lassen. Der Bundesgerichtshof hatte einen Aufopferungsanspruch wegen dessen subsidiären Charakters versagt. Der Aufopferungsanspruch ist i n der Tat insofern subsidiär, als der allgemeine Aufopferungsanspruch bei positiv geregelten Spezialfällen der Aufopferung, i n denen für die Geltendmachung, Verjährung, Verfahren etc. abweichende Regelungen getroffen wurden, nicht wiederauflebt, wenn eine Entschädigung nach der Spezialregelung nur deshalb nicht gewährt werden kann, weil 7 B G H Z 20, 81 (83). β B G H Z 28, 297 (301); vgl. dazu grundlegend Horn, Diss., S. 203 f. ® B G H Z 20, 81 ff.; Kröner, Eigentumsgarantie, S. 152. 10 B G H Z 20, 81 (84). 11 B G H Z i n VersR 1957, 394 (395). 12 B G H Z 45, 58 ff. 13 V o m 7. August 1952, B G B l I I , S. 685, 953 i n K r a f t f ü r Deutschland am 3. September 1953, bekanntgemacht am 15. Dezember 1953, B G B l 1954 I I , S. 14.

4. Der allgemeine Aufopferungsanspruch als Auffangtatbestand

79

der Geschädigte die i n dem Spezialgesetz getroffenen Regelungen zur Geltendmachung hat verstreichen lassen. Dieser Fall liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr w i r d hier für einen vom Gesetzgeber gemäß §§ 51, 52 BSeuchG grundsätzlich für entschädigungspflichtig erklärten Impfschaden Entschädigung überhaupt nicht geleistet. Es fragt sich, ob nicht i n diesem Fall doch wieder allgemeines Aufopferungsrecht zur A n wendung kommt. Der Bundesgerichtshof 14 hat entschieden, daß die bis 1962 geltenden Landesimpfschadensgesetze und auch das Bundesseuchengesetz anderweit begründete Ansprüche nicht ausschließen wollten; denn es sei i n keinem Fall Sinn der gesetzlichen Regelung, Entschädigungsansprüche, die aus einem anderen Rechtsgrund bestehen, abzuschneiden. Als einen solchen anderweits begründeten Anspruch sah der Bundesgerichtshof einen Aufopferungsanspruch der Mutter an, die infolge einer Ansteckung m i t dem Impfstoff ihres gegen Pocken erstgeimpften Kindes einen Gesundheitsschaden erlitt 1 5 . Es handelte sich hier u m einen Fall, von dem zu Recht angenommen wurde, daß der Gesetzgeber bei Erlaß des Bundesseuchengesetzes diesen Fall nicht bewußt von einer Entschädigung ausnehmen wollte. Vielmehr hatte der Gesetzgeber diesen Fall bei Erlaß des Gesetzes nicht vorausgesehen und deshalb nicht geregelt. Nicht anders kann es i n den hier untersuchten Fällen sein, zumal der Gesetzgeber wiederholt, und zwar sowohl 1961 bei Schaffung des Bundesseuchengesetzes als auch bei der gründlichen Novellierung i m Jahre 1971, erklärt hat, eine umfassende Entschädigung gewähren zu wollen 1 6 . Selbst wenn aber eine EntschädigungsVerpflichtung für diese nicht erfaßten Fälle bewußt ausgenommen werden sollte, wäre diese Motivation des Gesetzgebers unbeachtlich, denn die verfassungsrechtlich sanktionierte Verpflichtung zur Entschädigung i n diesen Fällen kann nicht durch einfaches Gesetz beseitigt werden. Somit kann einer Spezialregelung, die substantiell hinter dem Umfang zurückbleibt, den der Entschädigungsanspruch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allgemein besitzt, keine abschließende W i r k u n g zuerkannt werden; der Rückgriff auf den allgemeinen Auf Opferungsentschädigungsanspruch muß zugelassen werden 1 7 . Es müssen dem Impfgeschädigten also auf jeden Fall Leistungen zuteil werden, die als angemessen betrachtet werden können. Einen infolge des Impfschadens i m Sinne des § 52 BSeuchG erlittenen Vermögensschaden überhaupt nicht zu entschädigen, ist aber stets unangemessen. Da dem nicht bedürftigen 14 is 16 17

B G H Z 34, 23 (26); B G H Z 45, 290 (291). B G H i n D Ö V 1966, 718 = B G H Z 45, 290 ff. BT-Drucksache VI/1568, S. 6. So auch Götz, § 61, S. 94.

80

X . V o m Bundesseuchengesetz nicht erfaßte Fälle

Betroffenen bei einem nicht schuldhaften Handeln des Impfarztes insoweit auch keine anderweitigen Ersatzansprüche gegen den Staat zustehen, greift der Aufopferungsanspruch hier ein. Zusammenfassend ergibt sich also: Soweit ein Impf schaden i m Sinne des Bundesseuchengesetzes vorliegt und vom Bundesversorgungsgesetz überhaupt erfaßt wird, bestehen gegen die Angemessenheit der Höhe und des Umfanges der Leistungen keine Bedenken. Bei einmaligen Sachschäden und Ersatzansprüchen Dritter liegt eine umfassende Regelung vor, wenn es sich dabei u m eine Schadensposition neben anderen handelt und die Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz i n ihrer Gesamtheit noch eine angemessene Entschädigung i m Sinne des Aufopferungsrechts darstellen. Sind der einmalige Sachschaden oder Ersatzansprüche Dritter jedoch die einzige Schadensposition oder führt die Summe sonstiger Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz nicht zu einer angemessenen Entschädigung, so lebt, da weder Bundesseuchengesetz noch Bundes Versorgungsgesetz eine Entschädigungsregelung für diese Fälle treffen, der allgemeine Aufopferungsanspruch wieder auf.

5. Gesetzgebungskompetenz für die vom Bundesseuchengesetz nicht erfaßten Fälle Die Untersuchung hat ergeben, daß vom geltenden kodifizierten Bundesrecht nicht alle Fälle eines entschädigungspflichtigen Impf Schadens erfaßt werden. Es bleibt daher zu untersuchen, ob die Länder für diese Fälle durch Landesgesetze festlegen können, daß und i n welcher Höhe Entschädigung geleistet werden soll. Die Voraussetzungen der Landeszuständigkeit richten sich nach A r t . 72 Abs. 1 GG. Das Land darf Fälle dieser A r t so regeln, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungsbefugnis keinen Gebrauch gemacht hat. Der Bund ist durch Erlaß des Bundesseuchengesetzes auf dem Gebiet der Impfschäden tätig geworden und hat ausdrücklich erklärt, durch das zweite Änderungsgesetz 18 eine umfassende Regelung 19 schaffen zu wollen. Der m i t einer Kodifikation verbundene, erklärte Wille des Gesetzgebers zur Rechtsvereinheitlichung w i r d aber i n der Regel die Annahme rechtfertigen, daß eine erschöpfende Regelung vorliegt 2 0 . Der Fall, daß der Impfgeschädigte durch seine Krankheit Sachschäden — bei sich selbst und bei Dritten — hervorruft, ist aber — wie 18 V o m 25. August 1971, B G B l I , S. 1401. ι» BT-Drucksache VI/1568, S. 6. so Hamann-Lenz, Grundgesetz, A r t . 72 A n m . Β 3, S. 515; B V e r f G i n N J W 1967, 437.

5. Gesetzgebungskompetenz für v o m Bundesgesetz nicht erfaßte Fälle

81

nachgewiesen 21 — i m Bundesseuchengesetz nicht geregelt. Die Tatsache, daß eine bundesgesetzliche Kodifikation eine Frage nicht behandelt, kann aber nicht dahingehend gedeutet werden, daß der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz keinen Gebrauch gemacht hat 2 2 . Andererseits ist auch nicht erkennbar, daß der Bundesgesetzgeber diese Fälle bewußt von einer Entscheidung ausnehmen wollte. Vielmehr hat er bei Erlaß des zweiten Änderungsgesetzes zum Bundesseuchengesetz diese Fälle nicht vorhergesehen. Jedoch muß die Frage, wann eine bundesrechtliche Regelung erschöpfend ist, einer Gesamtwürdigung des entsprechenden Normenkomplexes entnommen werden 2 3 . So hat das Bundesverfassungsgericht 24 entschieden, daß eine erschöpfende materielle Regelung dann nicht vorliegt, wenn der Bundesgesetzgeber die Landesregierung zum Erlaß ergänzender Regelungen durch Rechtsverordnung ermächtigt oder nur einen Teil einer Materie regelt, wobei es keinen Unterschied macht, ob der vom Bundesgesetzgeber i n Anspruch genommene Teil der Materie groß oder klein ist. Auch kann der Bund das konkurrierende Gesetzgebungsrecht der Länder nicht lediglich dadurch sperren, daß er — ohne Verbindung m i t einer bundesgesetzlichen Sachregelung — künftige Landesgesetze dieser Sachgebiete pauschal ausschließt 25 . Doch kann der Bund die konkurrierende Landeszuständigkeit wohl durch den Erlaß eines Gesetzes ausschalten, das eine zumindest auf Ausfüllung angelegte Inhaltsregelung t r i f f t 2 6 . Auch ein solches Gesetz w i r d als erschöpfende Regelung i m Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzusehen sein. Eine Gesamtwürdigung des Bundesseuchengesetzes zeigt , daß es sich bei den nicht erfaßten Fällen um seltene Ausnahmen handelt, deren Kondifizierung deshalb unterblieb, w e i l der Bundesgesetzgeber sie nicht vorhersah. Darin liegt aber ein wesentlicher Unterschied zu den Fällen, i n denen ganze Teilbereiche einer Materie vom Bundesgesetzgeber ungeregelt blieben oder die Länder sogar zum Erlaß ergänzender Regelungen ermächtigt wurden. Damit ergibt eine Gesamtwürdigung des Bundesseuchengesetzes, daß es sich dabei u m eine erschöpfende Regelung i m Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt. 21 Siehe oben S. X , S. 75 ff. 22 So B V e r f G i n N J W 1967, 435 (437); v. M a n g o l d t - K l e i n , A r t . 72 A n m . I I I 2 d, S. 1437. 23 B V e r f G 1, 283 (296); B V e r f G 7, 244 (259); B V e r f G 7, 342 (347); v . M a n goldt-Klein, A r t . 72 A n m . I I I 2 d, S. 1436. 24 B V e r f G 18, 407 (415). 25 Hamann-Lenz, Grundgesetz, A r t . 72 A n m . Β 3, S. 516; M a u n z - D ü r i g Herzog, Rdziff. 5 zu A r t . 72. 26 Vgl. Hamann-Lenz, Grundgesetz, A r t . 72 A n m . Β 3, S. 516. 6 Schiwy

82

X . V o m Bundesseuchengesetz nicht erfaßte Fälle

Darüber hinaus ist es wenig sinnvoll, dem Landesgesetzgeber für vom Bundesgesetzgeber bei Erlaß seines Gesetzes nicht vorhergesehene Einzelfälle die Gesetzgebungskompetenz zuzusprechen, wenn der Bund seine Absicht zur erschöpfenden Regelung durch bundesgesetzliche Sachregelung kundgetan hat, und für das betreffende Gesetz die Möglichkeit der Ergänzung besteht. Die Intention, bei Erlaß eines Bundesgesetzes eine i m ganzen Bundesgebiet einheitliche Regelung zu treffen, würde durch Zulassen der Landeskompetenz zumindest wieder teilweise vereitelt. Zwar würde die entsprechende Landesregelung gemäß A r t . 72 GG i n Verbindung m i t Art. 30 GG i m Augenblick der Regelung dieses Falles durch den Bundesgesetzgeber erlöschen 27 . Doch widerspricht ein zwischenzeitliches Zulassen der Landeskompetenz auf einem Gebiet, das der Bund durch ein auf Ausfüllung angelegtes Gesetz zumindest umfassend zu regeln versucht hat, den Voraussetzungen des A r t . 72 Abs. 2 GG, unter denen der Bund überhaupt erst zur Gesetzgebung berechtigt war, nämlich dem Erfordernis der bundeseinheitlichen Regelung. Der Bund hat beim Erlaß des Bundesseuchengesetzes seine Absicht kundgetan, eine umfassende Regelung zu treffen 2 8 . Er hat i n der Zeit vor Erlaß des Bundesseuchengesetzes29 aufgetretene Fälle, die i m Bundesseuchengesetz alter Fassung nicht berücksichtigt waren und i n denen von der Rechtsprechung — ζ. B. über die Grundsätze des Aufopferungsrechts — Entschädigung gewährt worden war, i n das Änderungsgesetz aufgenommen 30 . Der Bundesgesetzgeber hat damit seiner Absicht, eine umfassende Regelung zu schaffen, schon durch Ausfüllung und Ergänzung dieses Gesetzes entsprochen. Das Bundesseuchengesetz stellt somit eine abschließende Regelung dar, so daß eine Sperrwirkung für die Landeszuständigkeit auf dem Gebiet des Impfschadensrechts eingetreten ist. Auch wenn nach dem Erlaß des Änderungsgesetzes weitere Fälle auftreten, deren Regelung durch das Bundesseuchengesetz nicht erfolgt ist, sind die Länder für die Regelung dieser Fälle nicht zuständig. Es bleibt somit dem Bundesgesetzgeber überlassen, i m Interesse der von ihm angestrebten umfassenden Regelung die hier aufgezeigten Fälle 3 1 i n das Bundesseuchengesetz als entschädigungspflichtig aufzunehmen.

27 Vgl. Hamann-Lenz, Grundgesetz, A r t . 72, S. 516; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, A r t . 72, A n m . 1. 28 BT-Drucksache VI/1568, S. 6. 29 I n K r a f t getreten am 1. Januar 1962. so V o m 25. August 1971, B G B l I , S. 1401. 3i Siehe oben X , S. 115 ff.

Literaturverzeichnis

Anders, W. — Lundt, P. V. (Herausgeber): Praxis der Pockenbekämpfung, Berlin—Göttingen—Heidelberg 1963 Anschütz, Gerhard: Die Verfassung des Deutschen Reichs, v o m 11. August 1919, 14. Aufl., B e r l i n 1933 — Der Ersatzanspruch aus Vermögensbeschädigungen durch rechtmäßige Handhabung der Staatsgewalt, i n V e r w Arch 5 (1897), 1 ff. Barkhau, Werner: öffentlich-rechtliche Entschädigung bei Nothilfeleistungen, Stuttgart 1954 Battis , Ulrich: Erwerbsschutz durch Aufopferungsentschädigung, B e r l i n 1969 Bauschke, Erhard — Kloepfer, Michael: Enteignung, Eingriff, Aufopferung, i n N J W 1971, 1233 ff.

enteignungsgleicher

Bender, Bernd: Staatshaftungsrecht, Karlsruhe 1971 Bettermann, K a r l August: Der Schutz der Grundrechte i n der ordentlichen Gerichtsbarkeit, i n : Die Grundrechte, D r i t t e r Band, 2. Halbband, B e r l i n 1959 Bonner Kommentar: Kommentar Stand: 28. Lfg. (Oktober 1971) Bornhak,

zum

Bonner

Grundgesetz,

Hamburg,

Conrad: Preußisches Staatsrecht, 1. Band, 2. Aufl., Breslau 1911

Bullinger, M a r t i n : Die Mineralölfernleitungen, Gesetzeslage u n d Gesetzgebungskompetenz m i t einem Gesetzentwurf, Stuttgart 1962 Dürig, Günter: Der Staat u n d die Vermögenswerten öffentlich-rechtlichen Berechtigungen seiner Bürger, i n : Staat u n d Bürger. Festschrift f ü r W i l l i b a l t Apelt, München—Berlin 1958 — Grundfragen 1955, 521 ff.

des öffentlich-rechtlichen

Entschädigungssystems,

in

JZ

Dürig, Günter — Rudolf, Walter: Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte vornehmlich f ü r den Studiengebrauch, München—Berlin 1967 Dütschke,

Hans: Der Impfzwang, j u r . Diss., Greifswald 1914

Enneccerus, L u d w i g — Nipperdey, Hans-Carl: Allgemeiner T e i l des B ü r g e r lichen Rechts, 15. neubearbeitete Aufl., I . Halbband, Tübingen 1959 Esser, Josef: Z u r Frage der Ersatzansprüche bei I m p f Schäden, i n D R 1938, 195 ff. Eyermann, Erich — Fröhler, L u d w i g : Verwaltungsgerichtsordnung, K o m m e n tar, 5. Aufl., München 1971 Fischer, Robert: Thesen zum Referat von Bundesrichter Dr. Fischer, i n DÖV 1955, 633 f. Fleiner, F r i t z : Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. neubearbeitete Aufl., Tübingen 1928 6·

84

Literaturverzeichnis

Fleischmann, M a x : Wörterbuch des Deutschen Staats- u. Verwaltungsrechts, 2. Bd., Tübingen 1913 Forsthoff, Ernst: Lehrbuch des Verwaltungsrechts, l . B d . , A l l g . Teil, 9. Aufl., München—Berlin 1966 Franke, Franz Josef: Der Folgenentschädigungsanspruch, j u r . Diss., München 1965 Giese, Friedrich-Wilhelm: Der öffentlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, j u r . Diss., Tübingen 1936 — öffentlich-rechtliche Entschädigung f ü r Aufopferung bei Impfschäden, Z u m Beschluß des Reichsgerichts, Großer Senat f ü r Zivilsachen v o m 16.11.1937, 65 Ζ 4/36, V I I 200/36, Würzburg—Aumühle 1939 Götz, V o l k m a r : Allgemeines Polizei- u n d Ordnungsrecht, Göttingen 1970 Greiner, Gottfried: Wiederbelebung des klassischen Enteignungsbegriffes, i n D Ö V 1954, 583 ff. Grotius,

Hugo: De iure b e l l i ac pacis, Amsterdam 1680

Haas, Diether: System der öffentlich-rechtlichen Karlsruhe 1955

Entschädigungspflichten,

Habernoll , Α.: Gesetzliche Grundlage. Das I m p f recht, Probleme u n d G r u n d züge der gesetzlichen Regelung der Schutzimpfungen, i n : Handbuch der Schutzimpfungen, S. 724 ff., hrsg. v. A . Herrlich, Berlin—Heidelberg— N e w Y o r k 1965 Häberlein: Handbuch des Teutschen Staatsrechts, Erster u n d Zweiter Band, B e r l i n 1797 Hamann, Andreas — Lenz, H e l m u t : Das Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland v o m 23. M a i 1949, 3. Aufl., Neuwied u. B e r l i n 1970 Härtung, K u r t (Herausgeber): P r a k t i k u m der Schutzimpfungen, 1962 — P r a k t i k u m der Schutzimpfungen, 2. Aufl., M a r b u r g 1966

Marburg

Härtung y K u r t — Raettig, H.: Grundlagen zur aktiven u n d passiven I m m u n i sierung, i n H ä r t u n g : P r a k t i k u m der Schutzimpfungen, S. 59 ff., M a r b u r g 1962 Härtung, K u r t — Richter , Κ . H. (unter M i t w i r k u n g v o n Eberhard): Gesetzliche Grundlage des Impfwesens i n der Bundesrepublik, i n H ä r t u n g : P r a k t i k u m der Schutzimpfungen, S. 169 ff., M a r b u r g 1962 Hesse, K o n r a d : Grundzüge des Verfassungsrechts Deutschland, 2. Aufl., Karlsruhe 1968

der

Bundesrepublik

Heun, Walter: Impfzwang u n d Impfgegnerschaft, j u r . Diss., Göttingen 1911 Heuser, Gerhard: Die Rechtsnatur des Aufopferungsanspruchs, M a r b u r g 1969 Ho facker, W i l h e l m : Z u r Rechtsprechung schäden, i n R V e r w B l 1940, 69 ff.

des Reichsgerichts

j u r . Diss.,

über

Impf-

Hoppe, Werner: Die E n t w i c k l u n g des öffentlichen Rechts. Aus der Arbeitsgemeinschaft f ü r Verwaltungsrecht i m Dt. Anwaltsverein, Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, i n DVB1 1967, 195 ff. Horn, Helga: Der Folgenbeseitigungsanspruch i m System der öffentlichrechtlichen Ersatzansprüche, j u r . Diss., K ö l n 1967

Literaturverzeichnis Horst, Paul-Günter: Querverbindungen zwischen A u f opferungsanspruch u n d Gefährdungshaftung einerseits u n d Aufopferungsanspruch u n d Eingriffserwerb andererseits, B e r l i n 1966 Hubmann, Heinrich: Der bürgerlichrechtliche A u f opferungsanspruch, i n J Z 1958, 489 ff. Janssen, Günter: Der Anspruch auf Entschädigung bei Aufopferung Enteignung, Stuttgart 1961 Jellinek,

und

Walter: Verwaltungsrecht, 3. Aufl., B e r l i n 1931

Kaiser, Joseph H.: Verfassungsrechtliche Eigentumsbindung i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : Staat u n d Privateigentum, S. 5 ff., K ö l n u n d B e r l i n 1960 Kastner, Hermann: Der Impfzwang u n d das Reichs-Impfgesetz v o m 8. A p r i l 1874, j u r . Diss., Jena 1909 Kaufmann, A r t h u r : Analogie u n d „ N a t u r der Sache". Vortrag gehalten vor der Juristischen Studiengesellschaft i n Karlsruhe a m 22. A p r i l 1964, Karlsruhe 1965 Kern, Eduard: Schutz des Lebens, der Freiheit u n d des Heimes, i n : Die Grundrechte, Neumann, Nipperdey, Scheuner, Zweiter Band, 2. Aufl., S. 51 ff., B e r l i n 1968 Kleinhoff, J.: Der A u f opferungsanspruch i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, i n D R i Z 1957, 225 ff. Koppensteiner, Hans-Georg: Intervention, Wettbewerb u n d Unternehmen, i n B B 1967, 217 ff. Kreft, Friedrich: Aufopferung u n d Enteignung. Begriffe u n d Grundsätzliches i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, Karlsruhe 1968 Kröner, Herbert: Die Eigentumsgarantie i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, i n D R i Z 1960, 422 ff. — Die Eigentumsgarantie i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, 2. Aufl., Köln—Berlin—Bonn—München 1969 Krüger, Herbert: Verfassungsänderung u n d Verfassungsauslegung, i n D Ö V 1961, S. 721 Küchenhoff t Erich: Ausdrückliches, stillschweigendes u n d ungeschriebenes Recht i n der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung — zugleich ein B e i trag zur Lehre von der Rechtsgewinnung u n d zum Verfassungsrecht der USA, i n Ä O R 82. Band (43. Band der Neuen Folge), 413 ff. Küper, M a r i a : Grundlage u n d Umfang der Entschädigung bei I m p f Schäden nach dem Bundesseuchengesetz, i n N J W 1961, 2045 ff. Küper, M a r i a — Walter, Hans: Impfschädenrecht nach dem Bundesseuchengesetz, i n N J W 1963, 2352 ff. Kuschmann, Horst: Die Abgrenzung der Enteignung u n d der Aufopferung v o n der Amtshaftung i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, i n N J W 1966, 574 ff. Larenz, K a r l : Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Zweite, neubearbeitete Aufl., Berlin—Heidelberg—New Y o r k 1969 Lerche, Peter: Amtshaftung u n d enteignungsgleicher Eingriff, i n JuS 1961, 237 ff.

86

Literaturverzeichnis

Lieberwirth, Rolf: A u f opferungsansprüche bei Gesundheits-, insbesondere Impfschäden, i n N J W 1959, 796 ff. — Das Schmerzensgeld, 3. Aufl., Heidelberg 1965 Luhmann, Niklas: öffentlich-rechtliche trachtet, B e r l i n 1965

Entschädigung rechtspolitisch

be-

V. Mangoldt, Hermann — Klein, Friedrich: Das Bonner Grundgesetz B a n d 1, 2. Aufl., B e r l i n — F r a n k f u r t 1966 — Das Bonner Grundgesetz, Band I I , B e r l i n u n d F r a n k f u r t 1966 Maunz, Theodor: Deutsches Staatsrecht, 18. Aufl., München 1971 Maunz, Theodor — Dürig, Günter — Herzog, Roman: Grundgesetz K o m m e n tar, B a n d I A r t . 1—53, München 1971 — Grundgesetz Kommentar, Band I I A r t . 53 a — Sachverzeichnis, München 1971 Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht Erster Band, 3. Aufl., Heidelberg 1923 Menger, Christian-Friedrich: W D S t R L 15, 3 ff.

Das

Gesetz

als N o r m

u n d Maßnahme

in

Merten, Detlef: Der I n h a l t des Freizügigkeitsrechts ( A r t i k e l 11 des G r u n d gesetzes), B e r l i n 1970 Meyer, Georg: Der Staat u n d die erworbenen Rechte, Staats- u n d v ö l k e r rechtliche Abhandlungen, B a n d 1, Heft 2, Leipzig 1895 Nebinger, Robert: Verwaltungsrecht, Allgemeiner Teil, 2. erweiterte lage, Stuttgart 1949 Palandt

t

Auf-

Otto: Bürgerliches Gesetzbuch, 30. Aufl., München 1971

Peters, Hans: 1949

Lehrbuch

der

Verwaltung,

Berlin—Göttingen—Heidelberg

Petzelt, K . — Hohberg, H.: Staat u n d Impfung, i n Spiess, Heinz (Hrsg.), Schutzimpfungen, 2. Aufl., Stuttgart 1966 Puchta, Georg Friedrich: Pandekten, 12. auf G r u n d d. früheren A . F. Rudorffschen Bearbeitung sorgfältig rev. u. verm. A u f l . v. Th. Schirmer, Leipzig 1877 υ. Randow, Thomas: Pockenalarm statistisch gesehen harmlos, i n : Die Zeit Nr. 14 v o m 7. A p r i l 1972 S. 59 Rehbein, H. — Reincke, O.: Allgemeines Landrecht f ü r die Preußischen Staaten nebst den ergänzenden u n d abändernden Bestimmungen der Reichs- u n d Landesgesetzgebung, 1. Band, T h e i l 1, T i t e l 1—11, 4. Aufl., B e r l i n 1889 Rüfner, W o l f gang: Empfiehlt es sich, die soziale Sicherung f ü r den F a l l von Personenschäden, für welche die Allgemeinheit eine gesteigerte Verantwortung trägt, neu zu regeln?, i n : Verhandlungen des neunundvierzigsten Deutschen Juristentages, Düsseldorf 1972, hrsg. von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages Bd. I (Gutachten), München 1972 S. Ε 1 ff. Sahm, Friedrich: Gedanken zum I m p f e n der Kinder, i n : Weleda Nachrichten, Johanni 1972, Heft 106, S. 5 f. Schack, Friedrich: Aufopferungsentschädigung Schäden?, i n M D R 1951, 263 ff.

bei K ö r p e r - (insbes. I m p f - )

Literaturverzeichnis Schack, Friedrich: Der A u f opferungsanspruch, i n B B 1956, S. 490 ff. — Der „enteignungsgleiche Eingriff", i n J Z 1960, 625 ff. — Die Anwendung des § 75 Einl. z. A L R auf schuldlos rechtswidrige E i n griffe der öffentlichen Gewalt i n der Rechtsprechung des Reichsgerichts, i n V e r w Arch 40, 426 ff. — Empfiehlt es sich, die verschiedenen Pflichten des Staates zur Entsdiädigungsleistung aus der Wahrnehmung von Hoheitsrechten nach Grund, I n h a l t u n d Geltendmachung gesetzlich neu zu regeln? Gutachten f ü r den 41. Deutschen Juristentag, i n : Verhandlungen des 41. Deutschen Juristentages, B e r l i n 1955 — öffentlich-rechtliche Entschädigung u n d Schadensersatz, zum Ausmaß der Enteignungs- u n d Aufopferungsentschädigung, i n B B 59, 1259 ff. — Reichsgericht u n d öffentlich-rechtliche Entschädigung i m neuen Staat, i n V e r w Arch 44, 97 ff. Scheuner, Ulrich: Grundlagen u n d A r t der Enteignungsentschädigung, i n : Reinhardt, Rudolf u n d Scheuner, Ulrich, Verfassungsschutz des Eigentums, Tübingen 1954 Schieckel, Horst — Gurgel, H. J.: Bundesversorgungsgesetz, 4. neu bearb. Aufl., Stand 1. Januar 1971

Kommentar,

Schmidt-Bleibtreu, B r u n o — Klein, Franz: Kommentar zum Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Neuwied u n d B e r l i n 1970 Schneider,

Egon: Enteignung u n d Aufopferung, B e r l i n — F r a n k f u r t 1964

Schneider, Hans: A r t i k e l Preußen S. 1607 ff., i n : Evangelisches Staatslexikon, 1. Aufl., Stuttgart 1966 — i n : Friedrich K r e f t : Aufopferung u n d Enteignung, Karlsruhe 1968 Schröder, Leopold: Amtshaftung u n d Enteignungsentschädigung, i n J Z 1955, 308 ff. Seyffertitz, W. — Thomaschewski, P.: Bundes-Seuchengesetz, Kommentar, München, Stand: 1. Oktober 1968 Siebert, Wolfgang: Die Haftung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach §89 B G B i m Rahmen des allgemeinen Haftungsrechts, i n D Ö V 1951, 44 ff. — Z u r neueren Rechtsprechung über die Abgrenzung von Zivilrechtsweg u n d Verwaltungsrechtsweg, i n D Ö V 1959, 733 ff. Spiess, Heinz (Herausgeber): Schutzimpfungen, Stuttgart 1958 — Schutzimpfungen, 2. Aufl., Stuttgart 1966 v. Staudinger, Julius: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Recht der Schuldverhältnisse I I . Band T e i l 1 c §§ 249—327, 10./11. neu bearb. Aufl., B e r l i n 1967 — Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch I I . Band T e i l 5 Lieferung 1, I n h a l t : Einzelne Schuldverhältnisse §§827—853, 10./11. neu bearb. Aufl., 51. Lieferung, B e r l i n 1970 Stern, Klaus: Das allgemeine Verwaltungsrecht i n der neueren Bundesgesetzgebung, i n J Z 1962, 265 ff. — Z u r Fortgeltung vorkonstitutionellen Rechts, — B V e r w G E 7, 114 — i n JuS 1961, 350 ff.

88

Literaturverzeichnis

Stern, Klaus — Burmeister, Joachim: Die kommunalen Sparkassen. Verfassungs- u n d verwaltungsrechtliche Probleme, S t u t t g a r t — B e r l i n — K ö l n Mainz 1972 Stödter, Rolf: Öffentlich-Rechtliche Entschädigung, H a m b u r g 1933, i n : A b handlungen u n d Mitteilungen aus dem Seminar f ü r öffentliches Recht, Heft 28 — Über den Enteignungsbegriff, i n D Ö V 1953, 97 ff., 136 ff. Tondorf, 1965

Günter: Der Aufopferungsanspruch i m Zivilrecht, j u r . Diss., K ö l n

Triepel, Heinrich: Die Kompetenzen des Bundesstaats u n d die geschriebene Verfassung, Tübingen 1908, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, Festgabe Paul Laband, 2. B a n d Ole, Carl Hermann: Preisstop für Bauland i m Bereich von Entlastungsstädten, i n V e r w A r c h 54, 345 ff. von der Vecht, K a r l : Die gesetzliche Impfungspflicht auf G r u n d des Reichsimpfgesetzes v o n 1874, j u r . Diss., Greifswald 1920 Volkmar,

Dieter: Allgemeiner Rechtssatz u n d Einzelakt, B e r l i n 1962

Wagner, Heinz: Der Haftungsrahmen i n der Lehre v o m Sonderopfer, S. 441 ff., i n : Festschrift f ü r Jahrreiß, Köln—Berlin—Bonn—München 1964 — Eingriff u n d unmittelbare E i n w i r k u n g i m öffentlich-rechtlichen E n t schädigungsrecht, i n N J W 1966, S. 569—574 Weber, Werner: Bemerkung zum Beschluß des Gr. Zivilsenats f ü r Z i v i l sachen v o m 16.11.1937, GSZ 4/36 V I I 200/36, i n Z A K D R 1938, 135 ff. Weiss, K a r l Eduard: System des deutschen Staatsrechts, Regensburg 1843 Weyreuther, F e l i x : Empfiehlt es sich, die Folgen rechtswidrigen hoheitlichen Verwaltungshandelns gesetzlich zu regeln? (Folgenbeseitigung, Folgenentschädigung), Gutachten z u m 47. Dt. Juristentag, München 1968 Wilke, Gerhard: Bundesversorgungsgesetz u n d Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz, 3. Aufl., München 1968 Wilke,

Günther: Die H a f t u n g des Staates, F r a n k f u r t / M . 1960

Wolff, Hans Julius: Verwaltungsrecht I , 8. neubearbeitete Aufl., München 1971 Wolff, M a r t i n : Reichsverfassung u n d Eigentum, S. 1 ff., Berliner Festgabe f ü r W i l h e l m K a h l , 1923 Zachariä, Heinrich A l b e r t : Deutsches Staats- u n d Bundesrecht erste A b theilung, Göttingen 1841 — Deutsches Staats- u n d Bundesrecht zweite Abtheilung, Göttingen 1842 Zuleeg, Manfred: Gesetzgebungsbefugnis des Bundes u n d der Länder Recht der Enteignung u n d Aufopferung, i n DVB1 1963, 320 ff.

im

ο. V.: Quellen zum Staatsrecht der Neuzeit Band I. Deutsches Verfassungsrecht i m Zeitalter des Konstitutionalismus (1806—1918), Tübingen 1949