Holie nullus - cras maximus: Berühmtwerden und Berühmtsein im frühen 16. Jahrhundert am Beispiel des Erasmus von Rotterdam 3402115824, 9783402115824

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Holie nullus - cras maximus: Berühmtwerden und Berühmtsein im frühen 16. Jahrhundert am Beispiel des Erasmus von Rotterdam
 3402115824, 9783402115824

Table of contents :
Title
Inhalt
Vorwort
I. Einleitung
A. FRAGESTELLUNG UND FORSCHUNGSSTAND
B. BEGRIFFSDEFINITION
C. METHODEN DER UNTERSUCHUNG
D. QUELLENKORPUS
II. Bedingungen für eine literarische Karriere im frühen 16. Jahrhundert
A. BILDUNGSSITUATION DER GESELLSCHAFT
B. MEDIEN
C. KOMMUNIKATION
D. SPRACHE
E. BEZIEHUNGEN
III. Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam
A. DIE GRUNDLEGUNG
B. DER AUFSTIEG DES ERASMUS VON ROTTERDAM
C. ÜBERPRÜFUNG DER GEWONNENEN ERKENNTNISSE ANHAND DER BIOGRAPHIE DES ERASMUS VON ROTTERDAM
IV. Berühmtsein am Beispiel des Erasmus von Rotterdam
A. MÖGLICHKEITEN DER ÖFFENTLICHEN EINFLUSSNAHME 1520-1536
B. FORMEN DER ÖFFENTLICHEN EINFLUSSNAHME DURCH ANDERE
V. Schluss
VI. Anhang Verzeichnis aller Werke des Erasmus von Rotterdam, auf deren Publikation in seiner Korrespondenz aufmerksam gemacht wird
A. Genuin erasmische Schriften
B. Editionen, Übersetzungen, Vorworte
VII. Bibliographie
A. Quellen
B. Literatur
VIII. Register
A. Personenregister
B. Ortsregister

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CHRISTOPH GALLE

Hodie nullus – cras maximus Berühmtwerden und Berühmtsein im frühen 16. Jahrhundert Hodie nullus – cras maximus

am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

Galle •

Erasmus von Rotterdam galt Zeitgenossen als Humanistenfürst und Gelehrtester in verschiedenen Disziplinen. Könige und Päpste fühlten sich durch Briefe und Widmungen geehrt, wetteiferten gar um seine Gunst. In jeglicher Hinsicht ist seine Karriere als Ausnahmefall zu werten. Wie aber kam diese Entwicklung zustande – vor allem angesichts einer nicht wenig problematischen sozialen Herkunft und einer Zeit, in der gesellschaftlicher Aufstieg nahezu unmöglich war? Welche Rolle spielte der Buchdruck und in welchem Maß haben die Schriften des Erasmus zu seinem Berühmtwerden beigetragen? Wie konnte ein lateinisch schreibender Autor auch in einer überwiegend volkssprachlichen Öffentlichkeit Bekanntheit erlangen? Christoph Galle gelingt es, die Entwicklung des Rotterdamers vom unehelichen Sohn eines katholischen Priesters zum europaweit gefeierten Gelehrten – kurz: sein Berühmtwerden – quellennah und detailreich nachzuzeichnen sowie die Bedeutung von Mäzenen und den Erfolg von Veröffentlichungen differenziert zu würdigen. Daneben finden die Möglichkeiten der öffentlichen Einflussnahme Beachtung, die einer „ berühmten“ Person im frühen 16. Jahrhundert zur Verfügung standen. Bei aller Konzentration auf Erasmus werden allgemeine Erkenntnisse für Medien, Öffentlichkeit und Gesellschaft im Zeitalter von Humanismus und Reformation gewonnen. Abgerundet wird der vorliegende Band durch ein auf der edierten Korrespondenz basierendes Werksverzeichnis.

RST 158

ISBN 978-3-402-11582-4

rst

REFORMATIONSGESCHICHTLICHE STUDIEN UND TEXTE BAND 158

Christoph Galle hodie nullus - cras maximus

Der Autor: Christoph Galle (geb. 1983 in Freudenberg / Westfalen), studierte von 2003 bis 2008 Geschichte und Lateinische Philologie für das Lehramt an Gymnasien und von 2005 bis 2010 Lateinische Philologie des Mittelalters und der Neuzeit sowie Neuere Geschichte in Marburg. 2008-2009 Wissenschaftliche Hilfskraft mit Abschluss im Forschungsprojekt „Frühe Lutherbriefe“. 2009–2012 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Projekt „Martin Luthers lateinische Bibel“. Seit 2013 Akademischer Rat im Fachgebiet Kirchengeschichte an der Philipps-Universität Marburg.

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Christoph Galle

hodie nullus – cras maximus Berühmtwerden und Berühmtsein im frühen 16. Jahrhundert am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

4 Reformationsgeschichtliche Studien und Texte In Verbindung mit Karl-Heinz Braun, Josef Pilvousek, Manfred Rudersdorf, Anton Schindling und Dieter J. Weiß herausgegeben von Peter Walter BAND 158

Umschlag-Abbildung: Johann Eberlin von Günzburg, Erasmus von rotherodam ein fürst aller gelerten zuo unseren zyten / schreibt jm buoch genant Encomion morias / vom predigen der bättel münch. Ein jeden ich hie früntlich bit / das er mich läss und lach nit: Der .VI. bundtsgnosz (Basel 1521). Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Universitätsbibliothek Basel.

© 2013 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Gesamtherstellung: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, Münster, 2013 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ∞ ISSN 0171-3469 ISBN 978-3-402-11582-4

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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 A. Fragestellung und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 B. Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Methoden der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 D. Quellenkorpus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Bedingungen für eine literarische Karriere im 16. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 A. Bildungssituation der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Lateinfähige Teilöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 1. 1. Wer war der ‚Gelehrte‘? Wer der Lateinkundige? . . . . . . . 38 1. 2. Schulbesuch und Universitätsstudium . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Volkssprachliche Teilöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. 1. Wer war der ‚gemeine Mann‘? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Alphabetisierungsrate / Verbreitung von Lese-und Schreibfertigkeiten in der Gesellschaft . . . . . . . . 55 B. Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Bedeutung / Einfluss des Buchdrucks . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Druckindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. 1. Verbreitung der Druckzentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. 2. Logistische Verbreitung von und Handel mit Druckerzeugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. 3. Druckformate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. 4. Auflagenstärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Flugblatt und Flugschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 C. Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Schriftliche Kommunikation: Die Korrespondenz des Erasmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Mündliche Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. 1. Vorlesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. 2. Predigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. 3. Taverne und Marktplatz: face-to-face-Kommunikation und der Einfluss von ‚opinion-leaders‘ . . . . . . . . . . . . . . . 106

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Inhalt

D. Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Die Bedeutung der Sprachwahl für einen Autor des frühen 16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Das Verhältnis von Latein und Volkssprachen, insbesondere vor und in der präreformatorischen Epoche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Humanisten und Volkssprache: Synthese oder Widersprüchlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4. Bedeutung der Reformation für die Etablierung der Volkssprache: Antrieb oder Hindernis? . . . . . . . . . . . 138 E. Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Mäzene und Gönner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Humanistische Netzwerkbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3. Kritiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 III. Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam . . 156 A. Die Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Familiäres Umfeld / Sozialisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Ausbildung: Schule und Universitätsbesuch . . . . . . . . . . . 160 3. Stationen und Reisen – Kontakte und Förderer . . . . . . . . 163 4. Literarisches Schaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 B. Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam 1. Das Berühmtwerden in der Teilöffentlichkeit der Gelehrten und Lateinkundigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. 1. Auswertung der Korrespondenz des Erasmus von Rotterdam 1495 bis 1530 . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. 2. Auswertung der Korrespondenz von Zeitgenossen des Erasmus von Rotterdam 1495 bis 1530 . . . 194 2. Das Berühmtwerden mindestens in der Teilöffentlichkeit der volkssprachlich Lesekundigen . . . 204 2. 1. Volkssprachliche Übersetzungen erasmischer Schriften (1495-1530) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. 2. (Geographische) Verbreitung volkssprachlicher Über setzungen erasmischer Schriften im 16. Jahrhundert . . . 213 2. 3. Druckformate von Übersetzungen erasmischer Schriften . 219 2. 4. Auflagenstärken erasmischer Schriften . . . . . . . . . . . . . . . 225 C. Überprüfung der gewonnenen Erkenntnisse anhand der Biographie des Erasmus von Rotterdam . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Rückblick: Die frühen Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. 1495 bis 1499: Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. 1499 bis 1506: England, Paris und die Niederlande . . . . 236 4. 1506 bis 1509: Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Inhalt



5. 6. 7. 8.

7

1509 bis 1514: England und Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1514 bis 1521: Basel und Löwen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 1521 bis 1530: Löwen, Basel und Freiburg i. Br. . . . . . . . . 326 Ausblick: Die späten Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

IV. Berühmtsein am Beispiel des Erasmus von Rotterdam . . . . . 366 A. Möglichkeiten der öffentlichen Einflussnahme 1520–1536 . . . . 367 1. Beispiel: Innerkirchliche Auseinandersetzungen nach den Reichstagen in Augsburg (1530) und Regensburg (1532) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 2. Beispiel: Türkenfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 B. Formen der öffentlichen Einflussnahme durch Andere . . . . . 379 V. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 VI. A. B.

Anhang: Verzeichnis aller erasmischen Werke, auf deren Publikation in seiner Korresponenz aufmerksam gemacht wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Genuin erasmische Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Editionen, Übersetzungen, Vorworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410

VII. Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 A. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 B. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 VIII. Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 A. Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .467 B. Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478

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Meinen Eltern

Vorwort Quousque tandem abutere, Erasme, patientia nostra? – Eine solche Frage, wie Cicero sie in atemloser Spannung im römischen Senat stellte, an Erasmus zu richten, sah ich mich zu keinem Zeitpunkt meiner Promotionsphase veranlasst. Ich bin mir bewusst, dass dies in nicht geringem Maße jenen Personen zu verdanken ist, die mir auf unterschiedliche Weise meine Arbeit erleichterten, ja die meiste Zeit sogar zu einem Vergnügen haben werden lassen. Mein Doktorvater Herr Prof. Dr. Wilhelm E. Winterhager hat nicht allein durch den Vorschlag des Themas sondern durch viele hilfreiche Anregungen die Untersuchung richtungsweisend gefördert. Herr Prof. Dr. Wolf-Friedrich Schäufele, unter dessen Leitung ich im DFGProjekt „Martin Luthers lateinische Bibel“ als Wissenschaftlicher Mitarbeiter mitwirken durfte, hat in zahlreichen Gesprächen interessiert und aktiv den Fortgang meiner Arbeit verfolgt und gefördert und sich bereit erklärt, das Zweitgutachten zu erstellen. In ihm und in seinem Vorgänger, Herrn Prof. Dr. Hans Schneider, gewann ich wertvolle Ratgeber, die mir – nicht zuletzt im Rahmen ihres gemeinsamen Doktorandenkolloquiums – die Gelegenheit zur inhaltlichen Diskussion und Problemerörterung gaben. Während meiner mehrjährigen Anstellung als studentische Hilfskraft am Seminar für lateinische Philologie des Mittelalters und der Neuzeit hat Frau Prof. Dr. Monika Rener sowohl mein Interesse für die Literatur der Nachklassik geweckt, als auch ihre Begeisterung für den Renaissance-Humanismus an mich weitergegeben. Ihre Ratschläge waren und sind für mich von großem Wert. Das Herausgebergremium um Herrn Prof. Dr. Peter Walter hat die Aufnahme des Bandes in die Reihe ‚Reformationsgeschichtliche Studien und Texte‘ ermöglicht. Mein Kollege, Herr Tobias BrauneKrickau, M. Th., hat das Manuskript auf gewissenhafteste Weise durchgesehen. Nicht zuletzt haben meine Eltern durch moralische, ideelle und finanzielle Unterstützung maßgeblichen Anteil am Entstehen der vorliegenden Arbeit. – Ihnen allen möchte ich auch auf diesem Wege noch einmal meinen herzlichsten Dank aussprechen. Marburg, im Mai 2013

I. Einleitung A. FRAGESTELLUNG UND FORSCHUNGSSTAND ‚Über Nacht berühmt werden‘ – das ist eine meist bildliche, jedoch zutreffende Formulierung, die häufig in deutschen Tageszeitungen zu lesen ist und die den Wandel zu beschreiben sucht, den eine Person erlebt, die ein Ereignis in kürzester Zeit zu einer in der Öffentlichkeit stehenden Person werden lässt. – So etwa Boris Becker, der als vermeintlicher Außenseiter das prestigeträchtigste Tennisfinale der Welt gewann. Zuvor war er nur Sportinteressierten ein Begriff. Auch Martin Luther King, der zwar schon länger eine führende Rolle innerhalb der Bürgerrechtsbewegung zur gesellschaftlichen Gleichstellung der AfroAmerikaner in den USA innehatte, wurde dem Ausland vermutlich erst durch die vor 250.000 Menschen gehaltenen Rede bekannt, die durch den Spitzensatz ‚I have a dream‘ geprägt war. Freilich sind diese Beispiele nicht allein Phänomene des 20. Jahrhunderts: Johann Wolfgang von Goethe wurde in kürzester Zeit durch die Veröffentlichung der ‚Leiden des jungen Werthers‘ europaweit berühmt, wenngleich heutzutage der ‚Faust‘ als sein prominentestes Werk angesehen werden dürfte. Ein letztes Beispiel: Martin Luther trat in der Folge seiner Thesenveröffentlichung aus dem engeren Wittenberger Umkreis in eine größere Öffentlichkeit, dies nochmal gesteigert durch seine reformatorischen Hauptschriften im Jahr 1520. Die vier Beispiele, denen sich noch zahllose weitere anschließen ließen, lassen mindestens zweierlei deutlich werden: Plötzliche Berühmtheit – ob nun tatsächlich über Nacht oder in kürzester Zeitspanne – lässt sich in jedem Zeitalter nachweisen. Zudem spielt stets der kommunikativ-mediale Aspekt eine entscheidende Rolle bei der raschen Verbreitung eines Namens. Dass dies nicht erst für das multimediale Zeitalter gilt, wird an Goethe und Luther deutlich, war deren Berümtheit doch durch gedruckte Medien geprägt. Allerdings ist davon auszugehen, dass die erreichte Öffentlichkeit umfassender und vielschichtiger ist, je mehr Medien zum Einsatz kommen. Der Prozess des Berühmtwerdens lässt sich indes genauer untersuchen, je weniger Medien vorhanden sind. Es empfiehlt sich daher, das frühe 16. Jahr-

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Einleitung

hundert in den Blick zu nehmen, das nur das Druckmedium sowie die mündliche Weitergabe zu bieten hat, aber bereits über eine konsolidierte und weit verbreitete Druckindustrie verfügte. Dies vereinfacht die Entscheidung, sich der Fragestellung auf medien- und kommunikationshistorischer Ebene zuzuwenden. Durch die Wahl des Erasmus von Rotterdam, dessen Berühmtwerden in der vorliegenden Arbeit in den Blick genommen wird, ist somit auch ein zeitlicher Rahmen für die Untersuchung gegeben: Wenngleich auch Kindheit und Jugend sowie die letzten Jahre vor seinem Tod Beachtung finden, um ein Gesamtbild zeichnen zu können, wird der Zeitraum von 1495, dem Jahr des Studienbeginns und des Wechsels aus dem Kloster nach Paris, bis 1530 im Mittelpunkt stehen, als Erasmus aus mehreren Gründen einen Rückzug aus der Öffentlichkeit erwog. Zweifellos drängen sich auf den ersten Blick Fragen nach Sinnhaftigkeit und Aussagekraft auf, die mit der Wahl des Erasmus verbunden sind. Man könnte zunächst meinen, dass der Humanistenfürst1 eine derart gefeierte Person war, dass jegliche Vergleichbarkeit mit Zeitgenossen ausgeschlossen sei. Mochte seine Berühmtheit auch tatsächlich für eine gewisse Zeit den Charakter der Singularität besitzen, so wird jedoch bereits an nur einem Punkt die besondere Aussagekraft der auf ihn gefallenen Wahl deutlich: Zunächst als uneheliches Kind eines Rotterdamer Priesters, spätestens aber nach dem Tod beider Elternteile und der daraus resultierenden Vollwaisenschaft des Erasmus in jungen Jahren sollten in der frühen Neuzeit sein Schicksal so gut wie besiegelt gewesen und sein Name niemals auf uns gekommen sein. Seine soziale und gesellschaftliche Stellung haben eine derartige Entwicklung keineswegs gefördert, sondern vielmehr behindert. Dass Erasmus dennoch zu einer europaweit – und für seine Zeit lässt sich durchaus noch von weltweit sprechen – bekannten Person avancierte, beweist die Aussagekraft seines Beispiels für das Berühmtwerden im frühen 16. Jahrhundert. Dass in seinem Fall den vorhandenen Medien eine besondere Aufgabe zuteil wurde, ist leicht ersichtlich und aus den oben angeführten Beispielen zeigte sich bereits die Bedeutung von Medien und Kommunikation im Rahmen des Prozesses hin zu einer Berühmtheit. (Darauf wird in dieser Arbeit zunächst ein eingehender Blick zu wer-

1

Auf diese und ähnliche Ruhmestitel von Zeitgenossen wird im weiteren Verlauf eingegangen. Zur Lebenswelt des Erasmus und den sie prägenden Personen vgl. besonders Peter G. Bietenholz [u.a.] (Hgg.), Contemporaries of Erasmus. A Biographical Register of the Renaissance and Reformation, 3 Bde., Toronto 1985-1987 (Collected works of Erasmus. Supplement 1-3).

Fragestellung und Forschungsstand

15

fen sein, bevor überhaupt Erasmus von Rotterdam in den Blick genommen werden kann.) Dass sich anhand von Veröffentlichungen das Berühmtwerden eines Autors nachvollziehen lässt, hat insbesondere Bernd Moeller in seinen Studien zum Berühmtwerden Luthers deutlich gemacht.2 Seine Auswertung der Auflagenzahlen lutherischer Schriften mag zu Recht als „möglicherweise authentischer“ als Briefe, Vorreden und Flugschriften angesehen werden, „da es sich um eine kollektive, nicht um die Summe individueller Äußerungen handelt[.]“ 3 Es ist ihm auf diesem Wege gelungen, die Publizität der Schriften Luthers als auch deren Rezeption minutiös nachzuzeichnen. Das Berühmtwerden des Wittenberger Reformators lässt sich sowohl im zeitlichen Verlauf als auch mit Blick auf die Abfolge seiner Veröffentlichungen nachvollziehen. Moeller beschränkt sich dabei „auf die etwas mehr als zwei Jahre öffentlicher Wirksamkeit Luthers vom Beginn des Ablaßstreits bis zum Jahresende 1519, das heißt bis zu dem Zeitpunkt, zu dem […] die Zustimmung anderer zu ihm und seiner Sache in größerem Maße öffentlich zu werden begann[.]“4 Mit der zeitlichen Engführung auf jene zwei Jahre wird es jedoch unmöglich, „den Vorgang in seiner ganzen Breite zu schildern“ 5 – eine Aufgabe, die Moeller als Forschungsdesiderat bezeichnet.6 – Um dies zu realisieren, bedarf es einer Modifizierung, einer teilweisen Änderung des Moellerschen Ansatzes, die an dieser Stelle nur in aller Kürze skizziert sein soll: Die Beschränkung auf die bloße Publizität vergisst, andere Kommunikationsformen in den Blick zu nehmen. Gemeint sind damit weder Darstellungen, wie sie in Flugblättern und Flugschriften enthalten sind,7 noch die von Dürer, Holbein und anderen angefertigten Porträts, die Erasmus bereits als Berühmtheit darstellen. Es geht vielmehr um mündliche Kommunikationskanäle, wie sie etwa in jenen Fällen sichtbar werden, wo Erasmus auch für Illiteraten – und sie machten den Großteil der Bevölkerung aus – nicht unbekannt war. Für diesen As-

2 3 4 5 6 7

Vgl. Bernd Moeller, Das Berühmtwerden Luthers, in: Zeitschrift für Historische Forschung 15 (1988), S. 65-92. Ebd., S. 82. Ebd., S. 65f. Ebd., S. 65. Ebd. So z.B. der mit dem Titel ‚Die göttliche Mühle‘ versehene Holzschnitt, der in einer reformatorischen Flugschrift 1521 veröffentlicht wurde. Erasmus ist dort als Müller dargestellt, auf den dann der Bäcker Luther sowie Zwingli als Verbreiter des Evangeliums folgen. Nachgedruckt wurde die Flugschrift 1522 durch Johann Schönsperger d. J. in Augsburg. Vgl. das Digitalisat: VD16 S 5312.

16

Einleitung

pekt sind Belege natürlich nicht so zahlreich nachweisbar wie die Auflagenhöhen einzelner Schriften. Dies erfordert daher eingehende Recherche. Diese ist vor allem auch dann notwendig, wenn die Entwicklung des Berühmtwerdens mit Beginn des Studiums einsetzt, d.h. in einer Zeit, für die keine Fülle an Quellen vorliegt. Einen biographisch späteren Zeitpunkt der Untersuchung zu wählen – so wie Moeller seine Darstellung nach Veröffentlichung der 95 Thesen Luthers einsetzen lässt –, bedeutete, nicht nur die Grundlagen und Prägungen des Erasmus außer Acht zu lassen, die sein Berühmtwerden gleichsam erst ermöglichten, sondern auch die frühen Kontakte zu ignorieren, die ihm teilweise langfristig förderlich waren. Eine Konzentration allein auf Druckerzeugnisse trübte im Fall des Erasmus zudem das Bild des Berühmtwerdens, da seine Veröffentlichungen allesamt in lateinischer Sprache gehalten sind und daher nur einem geringen Teil zugänglich waren. Für den Untersuchungsfall Luther mag dieser Weg gangbar gewesen sein, da er seit 1517 „das Medium des gedruckten Buches und zugleich die Anrede an ein nur deutschsprachiges Publikum“ 8 wählte. Erst die Wahl der deutschen Sprache ermöglichte Luthers Schriften eine „massenhafte Verbreitung“, die der Reformator mit einer ebenso „massenhaften Produktion von zum Druck bestimmten Texten“ 9 anheizte. Erasmus indes entschied sich – so viel lässt sich bereits aus der Treue, die er dem Lateinischen hielt, ablesen – für ein anderes und zugleich internationales Publikum. Die Kenntnis von Erasmus und seiner Botschaft, die nachweislich auch in Kreisen vorhanden war, die des Lateinischen nicht fähig waren, spricht daher dagegen, sich in seinem Fall lediglich auf die Auswertung von Druckerzeugnissen und deren Auflagenhöhen zu verlassen. Im Übrigen wäre dies – auch so viel sei vorab gesagt – kaum möglich gewesen. Die Gründe dafür sind im Zeitraum von 1500 bis 1517 zu sehen, für den kaum Auflagehöhen nachweisbar sind: Während die Kataloge der Wiegendrucke10 mit dem Jahr 1500 enden, sind für die, in den folgenden Jahren veröffentlichten Titel nur selten konkrete Auflagenhöhen zu nennen. Erst im Zusammenhang mit der Reformation steigen die überlieferten Angaben wieder merklich an. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen und die Auseinandersetzung mit dem Moellerschen Ansatz abschließen: Konsultiert man das ‚Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 16.

8 9 10

Moeller, Das Berühmtwerden Luthers, S. 68. Ebd., S. 69. Vgl. Gesamtkatalog der Wiegendrucke, 13 Bde., hrsg. von der Staatsbibliothek Berlin, Stuttgart 1968ff.

Fragestellung und Forschungsstand

17

Jahrhunderts‘11 (= VD 16), so wird für das Jahr 1510 der erste Titel angegeben, der von Erasmus von Rotterdam verfasst wurde. Der nächste findet sich erst wieder für 1515. Auf Grundlage dieser Angaben wird der Eindruck erweckt, vor 1510 seien keine von Erasmus verfassten Texte veröffentlicht worden, was keineswegs der Fall ist. Die hier gewonnenen Informationen sind daher, wenn man so will, unvollständig und zudem missverständlich, wenn etwa für das Jahr 1516 ein erasmischer Titel dreimal angeführt wird. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass offensichtlich alle drei Treffer ein und derselben Auflage angehören. Ein Projekt, dass das in den Jahren 1500 bis 1517 überlieferte Schrifttum systematisch auswertete, stellt daher ein großes Desiderat dar – zumal davon auszugehen ist, dass VD 16 noch das mit Abstand umfangreichste Verzeichnis darstellt. Es dürfte damit auch hinreichend dargelegt sein, wieso eine Beschränkung auf Druckerzeugnisse in der vorliegenden Abend nicht ratsam zu sein scheint. Was die historiographischen Vorarbeiten für die etwa zwei ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts angeht, so steht neben der vergleichsweise dünnen Quellenlage noch manch eine Frage im Raum, die es zu klären gilt. Es fehlen nicht nur Einzelstudien zu ausgewählten Aspekten wie etwa der Frage nach dem Vorhandensein oder Fehlen antiklerikaler Grundstimmung vor 1517. Es fehlt eine grundlegende Einordung der Jahre bis zum Auftreten Luthers, die in aller Breite die unterschiedlichen (geistigen) Strömungen des Zeitalters im Vergleich fassbar macht, um dem vernachlässigten Zeitraum einen ‚Geist‘ einzuhauchen. Hier zeigt sich von Neuem, dass der genannte Zeitraum eher ‚stiefmütterlich‘ behandelt wurde und wird, dass Mediävisten mit ihren Untersuchungen vielfach mit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts enden, Frühneuzeithistoriker nicht selten aber erst mit Beginn der Reformation einsetzen. Die Humanismus-Forschung scheint sich dem Zwischenzeitraum noch am ehesten zuzuwenden, doch erhebt sie in aller Regel ‚nur‘ den intellektuellen Diskurs jener Jahre zum Gegenstand der Betrachtung. Neben den Studien von Willy Andreas (erschienen 1932)12 und Will-Erich Peuckert (1948)13 finden sich keine Arbeiten, die in ähnlicher Weise versuchen, die Epoche um

11 12 13

http://www.gateway-bayern.de/index_vd16.html (Zugriff: 16.04.2012). Willy Andreas, Deutschland vor der Reformation. Eine Zeitenwende, 6. neubearb. Aufl., Stuttgart 1959. Will-Erich Peuckert, Die große Wende. Das apokalyptische Saeculum und Luther, 2. unveränd. Nachdr., Darmstadt 1976.

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Einleitung

1500 übergreifend zu erfassen. Doch gerade in diesem Punkt besteht deutlicher Forschungsbedarf, da die u. a. von Peuckert und Andreas vertretene These einer tiefgreifenden Zeitenwende um 1500 bzw. um 1517 keineswegs mehr communis opinio ist. Vielmehr hat sich die Überzeugung Bahn gebrochen, vom Spätmittelalter bis hin zur Reformation sei eine Kontinuitätslinie erkennbar, die dennoch von längerfristigem Übergang und allmählichem Wandel geprägt sei. Greifbar wird dies in den zahlreichen Beiträgen Heinz Schillings14 oder der von Bernd Moeller getätigten, abschätzigen Beurteilung des thesenhaften, radikalen Umbruchs als „Pulverfasstheorie“15. – Angesichts dieser Forschungssituation, die noch manch einen Aspekt ins Licht zu fördern hat, ist das von ihr gezeichnete Erasmus-Bild vergleichsweise deutlich und scharf. Ganz im Gegenteil zur Auseinandersetzung mit der Epoche könnte man den Eindruck gewinnen, dass die stets anhaltend breite Erasmus-Forschung keine weitere Studie zulasse – geradezu möchte man meinen, zu Erasmus sei bereits alles gesagt. Natürlich liegen zahllose Biographien und Einzelstudien zu Leben und Werk des Rotterdamers vor,16 doch auf die Frage, wann und auf welches Ereignis hin sich dessen Berühmtheit ergeben habe, gibt es keine einhellige Meinung. Ob das im Titel enthaltene ‚Adagium‘ Hodie nullus – cras maximus17, was im wörtlichen Sinne über Nacht berühmt zu werden meint, auch für Erasmus zutrifft, darüber findet sich keine

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Vgl. Heinz Schilling, Umbruch oder Gipfelpunkt eines Temps des Réformes?, in: Bernd Moeller (Hrsg.), Die frühe Reformation in Deutschland als Umbruch, Gütersloh 1998, S. 13-34; ders., Die Reformation – ein revolutionärer Umbruch oder Hauptetappe eines langfristigen reformierenden Wandels?, in: Winfried Speitkamp / Hans-Peter Ullmann (Hgg.), Konflikt und Reform. Festschrift für Helmut Berding, Göttingen 1995, S. 26-40. Bernd Moeller, Die Rezeption Luthers in der Reformation, in: Berndt Hamm / Bernd Moeller / Dorothea Wendebourg (Hgg.), Reformationstheorien. Ein kirchenhistorischer Disput über Einheit und Vielfalt der Reformation, Göttingen1995, S. 9-29, hier: S. 13 So z.B. Cornelis Augustijn, Erasmus von Rotterdam. Leben – Werk – Wirkung, München 1986; Willehad Paul Eckert, Erasmus von Rotterdam. Werk und Wirkung, 2 Bde., Köln 1967; Léon E. Halkin, Erasmus von Rotterdam. Eine Biographie, Zürich 1989. Die vorliegende Arbeit orientiert sich am intensivsten an: Wilhelm Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, Darmstadt 2010. Dieser Band ist nicht unbedingt qualitativ wertvoller als die übrigen Biographien, verfügt aber aufgrund seines Erscheinungsdatums über den aktuellsten Forschungsstand. Vgl. daneben insbesondere die Bibliographie in: Joseph Coppens (Hrsg.), Scrinium Erasmianum, Bd. 2, Leiden 1969, S. 621-678. Vgl. Desiderii Erasmi Opera Omnia, 10 Bde., hrsg. von Johannes Clericus, Leiden 1703-1706 [Nachdruck: Hildesheim 1961f.], hier: Bd. 2, Nr. 88, Sp. 988F.

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eindeutige Forschungsmeinung. In dieser Frage besteht daher durchaus ein Desiderat, das an dieser Stelle nur skizziert werden soll: Obwohl Erasmus von Rotterdam einen so großen Einfluss auf die europäische Geistesgeschichte ausübte, hat sich die Forschung bis in die Gegenwart kontrovers mit den Fragen beschäftigt, in welchem Zeitraum, welchem Jahr und durch die Veröffentlichung welches seiner Werke er durchschlagenden Erfolg hatte, in ganz Europa für Aufsehen sorgte und den Ruhm erntete, der ihn zu seiner späteren Bedeutung führte. Die verschiedenen Meinungen umspannen dabei einen Zeitraum von fast zwanzig Jahren und äußern sich teilweise zurückhaltend zu dieser Frage, teilweise aber auch ganz entschieden. Trotz verschiedener Ergebnisse lassen sich dabei zwei grundlegende Positionen innerhalb der Forschung erkennen, die im Folgenden als ‚StufenProzess-These‘ bzw. als ‚Exponential-These‘ bezeichnet werden sollen und wie folgt differenziert werden können: 1. Die ‚Stufen-Prozess-These‘ zeichnet sich dadurch aus, dass eine Fokussierung auf lediglich einen Titel vermieden wird. Es wird hier die Annahme zugrundegelegt, dass verschiedene Schriften den Ruhm des Erasmus begründet haben. Einerseits wird damit argumentiert, dass die Reihenfolge der Titel gleichsam den Grad an Berühmtheit schrittweise erhöhte und zuletzt zur Berühmtheit führte. (Ein StufenModell mag dies verdeutlichen.) Andererseits gibt es auch den Standpunkt, die Summe einzelner Titel habe insgesamt zum gleichen Ergebnis geführt. (Hier kann insofern von der Vorstellung eines StufenModells abgewichen werden, da nicht jede Veröffentlichung zugleich als ‚höhere Stufe‘ bewertet wird und daher der Prozess in Einzelfällen geradlinig verlaufen kann.) In beiden Fällen wird davon ausgegangen, dass Erasmus nicht ‚über Nacht‘, d.h. nicht schlagartig und nicht allein aufgrund eines einzigen Titels berühmt wurde, sondern dass sich diese Entwicklung in einem länger währenden Prozess ereignete. Eine Vertreterin der ‚Stufen-Prozess-These‘ ist Gerlinde HuberRebenich, die ihre Ansicht im Rahmen einer Studie zur ErasmusRezeption bei den Erfurter Humanisten dargelegt hat. Danach hätten die ‚Adagia‘ in besonderem Maße gewirkt, die erstmals 1501 veröffentlicht wurden, aber regelmäßig bis zum Tode des Erasmus in neuen, erweiterten Auflagen erschienen.18 Deren Bedeutung wird damit be-

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Vgl. Gerlinde Huber-Rebenich, Erfurter Humanisten und ihre Vorbilder – Euricius Cordus und Erasmus, in: Mittellateinisches Jahrbuch. Internationale Zeitschrift für Mediävistik und Humanismusforschung 34 (1999), S. 101-114, hier: S. 105.

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gründet, dass „gedankliche und sprachliche Muster [der ‚Adagia‘] […] sich in vielen Texten niederschlugen“19. Am Beispiel eines Epigramms des Euricius Cordus führt sie an, dass das ‚Moriae encomium‘, das ‚Lob der Torheit‘, wohl nicht nur vergleichbaren Lob der Zeitgenossen erfahren habe, sondern auch ähnliche Nachwirkung vorweisen könne.20 In einem dritten Schritt hebt sie sodann die Leistungen des Erasmus hervor, die er – gleich einem Herkules – mit seiner Ausgabe des Neuen Testaments vollbracht habe. Diese drei Titel, die zahlreich neu aufgelegten, teilweise erweiterten ‚Adagia‘, das berühmte ‚Moriae encomium‘ und das erasmische NT, stellen ihrer Meinung nach die bedeutsamsten Schriften des Rotterdamers dar. Aufgrund mangelnder Belege – lediglich vier Verse eines Epigrammes werden herangezogen – kann sich diese Auswahl allerdings des Vorwurfs der Willkürlichkeit nicht erwehren, denn es gibt auch andere Auswahlmöglichkeiten: So nennt Harry Vredeveld, der Herausgeber des dichterischen Werks des Helius Eobanus Hessus, in diesem Zusammenhang gleich vier Werke des Erasmus: Die ‚Adagia‘ haben danach die Berühmtheit begründet,21 während das ‚Enchiridion militis christiani‘ noch weitere Verbreitung erfuhr, da die enthaltene Summe des erasmischen Verständnisses von christlicher Frömmigkeit gern gelesen wurde. Neben Neuausgaben der ‚Adagia‘ sowie des ‚Moriae encomium‘ führten insbesondere die Ausgabe der Werke des Hieronymus sowie das ‚Novum Instrumentum‘ dazu, dass sich Erasmus um 1518 „at the pinnacle of his career“22 befand. Vredeveld liefert jedoch weder für jeden von ihm genannten Titel (überzeugende) Belege, noch differenziert er zwischen deren unterschiedlicher Bedeutung. Dass das ‚Moriae encomium‘ innerhalb des Prozesses besonderes Augenmerk verdient, steht auch für Peter Schenk außer Frage.23 Es handele sich dabei um das wohl berühmteste Werk des Erasmus. Daneben aber sei das ‚Novum

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Ebd. Ebd., S. 106f. The poetic works of Helius Eobanus Hessus, hrsg., übers. und erl. von Harry Vredeveld, Tempe 2004, hier: S. 44, Anm. 50: „[The Adages] established his fame[.]“ Ähnlich auch: Redaktion Kindlers Literatur-Lexikon, Art. Mōrias Enkōmion seu Laus Stulticiae, in: Walter Jens (Hrsg.): Kindlers Neues Literatur-Lexikon, Bd. 5, München 1989, hier: S. 244-246, hier: S. 244. Vredeveld, The poetic works of Helius Eobanus Hessus, S. 45, Anm. 50. Vgl. Peter Schenk, Desiderius Erasmus von Rotterdam (28.10.1466/69 Rotterdam 11./12.7.1536 Basel), in: Wolfram Ax (Hrsg.): Lateinische Lehrer Europas. Fünfzehn Portraits von Varro bis Erasmus von Rotterdam, Köln / Weimar / Wien 2005, S. 391-421, hier: S. 395.

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Testamentum‘ von 1516 eine „bahnbrechende Ausgabe“24. Mit ihrer Veröffentlichung sei Erasmus „zu einer Autorität der theologischen Wissenschaft und damit zum führenden Intellektuellen in Europa“25 avanciert. Zuletzt sei Erasmus in den 1520er Jahren mit den ‚Colloquia familiaria‘ ein weiterer „Beitrag zur Weltliteratur“26 gelungen. Belege, die diese Auswahl untermauern, sucht man indes vergebens. – Auch für Genevieve Stenger nimmt das ‚Lob der Torheit‘ eine zentrale Stellung ein:27 Anhand zeitgenössischer Kritik macht sie indirekt die Bedeutung dieser Satire deutlich, da teilweise befürchtet wurde, sie könne auch andere Schriften des Erasmus in Misskredit bringen. Zu Recht beruft sie sich auf den Löwener Theologen Martin van Dorp, einen der schärfsten Gegner des ‚Moriae encomium‘. Offensichtlich zu Unrecht mutmaßt Stenger in diesem Zusammenhang aber, Dorp meine jene vier Schriften, die Erasmus ‚weite Berühmtheit gebracht‘28 hätten: die ‚Adagia‘, das ‚Enchiridion‘ sowie ‚De ratione studii‘ (1511) und ‚De copia verborum ac rerum‘ (1512).29 Weder gibt es in der Briefpassage Hinweise auf eben diese Titel, noch liefert Stenger stichhaltige Erklärungen. – Die Beispiele mögen an dieser Stelle genügen; dreierlei lässt sich festhalten: 1. Im Prozess des Berühmtwerdens des Erasmus werden mehreren Werken entscheidende Impulse zugetraut. (Allein die ausgewählten Beispiele nennen acht verschiedene Titel.) 2. Eine Binnendifferenzierung, die gleichsam eine Rangfolge gemäß der unterschiedlichen Bedeutung der Titel widerspiegelte, wird in keinem der hier gebotenen Fälle geleistet. Dies liegt zuletzt wohl daran, dass 3. in keinem Fall (überzeugende) Belege gefunden werden konnten. Dieser Eindruck wird dadurch bestätigt, wenn gar keine Festlegung mehr auf Titel erfolgt.30 So vertritt Léon E. Halkin gar die Ansicht – und das ist

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Ebd., S. 393. Ebd., S. 394. Ebd., S. 395. Vgl. Genevieve Stenger, The Praise of Folly and Its Parerga, in: Medievalia et Humanistica. Studies in Medieval and Renaissance Culture, Neue Serie 2 (1971), S. 97117, hier: S. 103. Ebd., S. 103: „Dorp seems to have feared that even worse would follow, a public renunciation of Erasmus […]. The implication is that his other works, the Adagia, the Enchiridion, De Copia, and De Ratione Studii, for which he had won wide fame, would suffer too.“ Vgl. Opus Epistolarum Des. Erasmi Roterodami, Tom. II, denuo recognitum et auctum per P. S. Allen, Oxford 1910, S. 13, Z. 47-50. Vgl. Manfred Krebs, Reuchlins Beziehungen zu Erasmus von Rotterdam, in: Hermann Kling / Stefan Rhein (Hgg.): Johannes Reuchlin (1455-1522), Sigmaringen 1994, S. 139-155, hier: S. 140.

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bezeichnend –, dass nicht die Lyrik, sondern die Prosa Erasmus zu einem großen Schriftsteller habe werden lassen.31 2. Im Gegensatz zum vorigen Ansatz geht die ‚Exponential-These‘ davon aus, dass der Erfolg eines einzigen Werkes die Berühmtheit des Erasmus begründet hat. Auch wenn bereits eine längere publizierende Tätigkeit vorgelegen haben mag, war nach dieser Annahme der Erfolg früherer Titel nur marginal oder zumindest unbedeutend im Vergleich zu jener Veröffentlichung, die den ‚Durchbruch‘ bewirkt hat; erst eine überraschend und sensationell erfolgreiche Publikation habe demnach die Berühmtheit des Erasmus hervorgerufen. Für Johan Huizinga ist dies das ‚Moriae encomium‘, da „kein anderes mit größerem Beifall aufgenommen“ 32 worden sei. Als Beleg dient ihm, dass das ‚Lob der Torheit‘ geradezu unvergänglich sei und als einziger erasmischer Text – ausgenommen evtl. die ‚Colloquia‘ – noch in unserer Gegenwart gelesen werde.33 Aus historiographischer Sicht ist allerdings vor einer solchen Argumentation zu warnen, nicht zuletzt auch weil zeitgenössische Belege fehlen. Wenngleich Huizinga wiederholt urteilt: „Das Lob der Narrheit ist sein [gem.: des Erasmus] bestes Werk gewesen.“34, so bleibt er doch die notwendigen Beweise schuldig. Es zeigt sich hier – was im Übrigen auch einigen, zuvor angeführten Beispielen unterstellt werden kann – der Fehler, mangels ausreichender Quellenbelege die eigene rückschauende Perspektive zur autoritativen Instanz zu erheben und als vermeintliches Quellenzitat zu missbrauchen. Unweigerlich wird daher resümiert: Welches Werk aus der Feder des Erasmus in der eigenen Gegenwart als prominentestes gilt oder welches in der jahrhundertewährenden Rezeption am meisten Beachtung gefunden hat, muss zugleich auch jenes gewesen sein, mit dem sich der Rotterdamer seine Berühmtheit erwarb. Wilhelm Ribhegge etwa begeht diesen Fehler nicht; er hält die ‚Colloquia‘ für die berühmteste Schrift des Erasmus.35 Einerseits begrenzt er diese Aussage auf die 1520er Jahre, andererseits will er darunter auch nicht zugleich jenen

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Vgl. Halkin, Erasmus von Rotterdam, S. 47. Johann Huizinga, Erasmus, deutsch von Werner Kaegi, Basel 1928, hier: S. 80. Ebd., S. 81. Ebd. Wilhelm Ribhegge, German or European Identity? Luther and Erasmus in Nineteenth- and Twentieth-Century German Cultural History and Historiography, in: Christian Emden / David Midgley (Hgg.), Cultural Memory and Historical Consciousness in the German-Speaking World Since 1500. Papers from the Conference „The Fragile Tradition“, Bd. 1, Cambridge 2001, Bern 2004, S. 139-163, hier: S. 141f.

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Titel verstanden wissen, der aus dem Prozess des Berühmtwerdens so exzeptionell herausragte. Ribhegge begründet seine These damit, dass rasche Übersetzungen in die Volkssprachen (französisch, spanisch, englisch und deutsch) erfolgten und es Erasmus zudem gelang, Interesse bei zahlreichen Lesern zu wecken, indem er die religiösen Streitigkeiten der Zeit in Form alltäglicher Dialogsprache verständlich machte. ‚Berühmteste‘ Schrift ist für Ribhegge allerdings nicht gleichbedeutend mit ‚Schrift des Durchbruchs‘, wie an anderer Stelle deutlich wird: Verweisend auf die überlieferte Korrespondenz der Jahre 1501 bis 1516, gelangt Ribhegge dort zu der Beobachtung, dass „Erasmus vor allem durch seine Bücher, die Sammlung antiker Sprichwörter der ‚Adagia‘ (1500), das ‚Enchiridion militis christiani‘ (1503), das ‚Lob der Torheit‘ (1511) eine literarische Zelebrität wird, die nicht zuletzt den kritischen Zeitgeist unmittelbar vor der Reformation anspricht.“36 Mit der Erweiterung auf drei erasmische Titel entspricht diese Haltung jedoch wiederum dem ‚Stufen-Prozess-Ansatz‘. Die Probleme, die sich Ribhegge hier stellen, zeigen sich in allen genannten Beispielen – und werden von keinem Ansatz gelöst. Sowohl dem ‚Stufen-Prozess-Ansatz‘ als auch dem ‚Exponential-Ansatz‘ gelingt es nicht, für den zeitlichen Ablauf, die Umstände und die Folgen des Berühmtwerdens eindeutige Belege zu finden und auf dieser Grundlage eine kohärente Argumentation aufzubauen. Dies stellt beide Ansätze vor die Problematik, ihre Grundannahme zu verifizieren: Weder lässt sich das jeweilige Gewicht einer Veröffentlichung genau bestimmen, wenn davon ausgegangen wird, im Zusammenspiel, in der Summe sei die Berühmtheit erlangt worden, noch kann die Prämisse, frühere Schriften hätten angesichts des durchschlagenden Erfolgs eines einzigen Titels nur marginale Bedeutung, auf standfesten Untergrund gebaut werden. Die Erfolglosigkeit beider Ansätze liegt offensichtlich darin begründet, dass meist ausgehend von den Texten des Erasmus auf sein Berühmtwerden geschlossen wird. Mit anderen Worten: Die Bedeutung einer Veröffentlichung wird mit der Biographie, der Persönlichkeitsentwicklung und den jeweiligen Lebensumständen in Verbindung gebracht. Der grundlegende Fehler vieler Untersuchungen besteht jedoch darin, nicht die Quellen oder autobiographischen Aussagen über den Erfolg einzelner Titel anzuhören, sondern die in rückschauender Perspektive entwickelte Rangfolge bedeutender erasmischer Schriften zum

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Vgl. Wilhelm Ribhegge, Erasmus und Europa. Studien zur Korrespondenz des Erasmus von Rotterdam, in: Zeitschrift für historische Forschung 25 (1998), S. 549580, hier: S. 558.

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Ausgangspunkt zu erklären. In der vorliegenden Arbeit wird daher der Weg in entgegengesetzter Richtung beschritten, da – und das mag in einer historiographischen Arbeit wohl kaum verwundern – lediglich zeitgenössische Quellen und das aus ihnen entworfene ErasmusBild eindeutige Informationen bieten. In den folgenden Schritten scheint es daher geraten zu sein, die gesamte Biographie des Humanistenfürsten in den Blick zu nehmen. Wie bereits geschildert waren die Startbedingungen für Erasmus denkbar schlecht, schließlich verfügte er nicht über den familiären, sozialen oder finanziellen Hintergrund qua Geburt, der etwa bei Melanchthon oder Luther festzustellen ist. In besonderem Maße war er in seiner Entwicklung auf Patronage angewiesen – auf Personen, die ihm ein – wenngleich zeitlich begrenztes – Auskommen garantierten, aber auch Protektion zusicherten. Es wird sich zeigen, dass eine Vielzahl verschiedener Gönner und Unterstützer in gewisser Weise Anteil hatten an der Entwicklung des Erasmus. Insbesondere Widmungsvorreden, mit denen er jede Schrift einem Mäzen zueignete, drücken nicht nur das Maß an Großzügigkeit aus, dessen sich Erasmus dankbar bewußt war, sondern lassen auch seine Entwicklung nachvollziehen. Schließlich scheint die Reihenfolge der Geehrten im Ganzen gesehen gleichsam den (gesellschaftlichen) Aufstieg des Erasmus widerzuspiegeln. War er es zunächst, der in Form von Widmungsvorreden Dank für geleistete Unterstützung abstattete, so traten ab einem gewissen Zeitpunkt potentielle Förderer von sich aus in der Absicht an ihn heran, durch eine seiner Zueignungen geehrt zu werden. Dies hinzugenommen zu anderen Beobachtungen markiert einen gewissen Wendepunkt in der Entwicklung des Erasmus, den es genauer zu betrachten gilt. Zunächst sei an dieser Stelle aber noch auf die im Jahr 2007 von Jacqueline Glomski verfasste Studie hingewiesen, in der das Verhältnis zwischen Patronage und humanistischer Literatur thematisiert wird.37 Da die hier im Zentrum stehenden Personen im Krakau der Jagiellonen tätig waren, das bekanntlich aus unterschiedlichen Gründen innerhalb des Humanismus des 15. und 16. Jahrhunderts einen Sonderfall darstellte, ist ein Vergleich mit Erasmus im Folgenden nur schwierig zu realisieren. Doch hat Glomski Feststellungen gemacht, die auch in der vorliegenden Arbeit zum Tragen kommen: Sowohl

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Vgl. Jacqueline Glomski, Patronage and humanist literature in the age of the Jagiellons: court and career in the writings of Rudolf Agricola Junior, Valentin Eck, and Leonard Cox, Toronto 2007.

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Förderer als auch Geförderte profitierten von der Beziehung;38 zunächst musste Patronage gesucht werden, war aber nach erfolgreicher Kontaktaufnahme zumeist in höchstem Maße karrieredienlich für den Geförderten;39 dessen obligatorische Gegenleistung manifestierte sich nicht nur in Widmungsschreiben, sondern auch im Ruhm des Gönners innerhalb der humanistischen Welt und fand hier insbesondere in Briefkorrespondenzen statt.40 Um daher die allgemeinüblichen Bedingungen, die sich bei der Untersuchung der Entwicklung eines Humanisten zeigen, herauszuarbeiten und von jenen zu unterscheiden, die nur im Falle des Erasmus zu beobachten sind, wird daher eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Humanistennetzwerk, der res publica literaria, erforderlich sein. Neben dem unterschiedlichen Einsatz von Medien scheint insbesondere die Sprache zugleich Mittel und Hindernis für einen frühneuzeitlichen Humanisten zu sein. Da das auf uns gekommene Œuvre des Erasmus von Rotterdam bis auf zwei Schriftzeugnisse ausschließlich im Lateinischen gehalten ist, ist es nur folgerichtig, nach dem tatsächlichen Ausmaß seiner Berühmtheit zu fragen. Es gilt daher, die Bildungskonstitution der Gesellschaft im Europa des frühen 16. Jahrhunderts in den Blick zu nehmen, um die möglichen Rezipienten der lateinischen Texte des Erasmus auszumachen. Der Hauptfokus wird später jedoch auf das Reich gerichtet sein. Da verschiedene Indizien belegen, dass die Rezeption noch deutlich über den Kreis der lateinunkundigen Leser hinausging, müssen ebenso Alternativen der Kommunikation Beachtung finden, die auch die Illiteraten einschlossen – letztendlich stellten sie die größte Gruppe in der Gesellschaft dar. In diesem Zusammenhang können jene unterschiedlichen Gruppen als Teilöffentlichkeiten41 umschrieben werden; eine scharfe Ab-

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Ebd., S. 11-17: Dynastic Politics and Artistic Patronage in Early Sixteenth-Century Poland: The Introduction of the New Style; S. 17-25: Literary Patronage at Cracow I: The Supporters of Humanist Latin. Ebd., S. 33-37: The Search for Patronage; S. 38-45: Patronage and Career. Ebd., S. 49-61: Self-Promotion and Career Building: The Letters of Rudolf Agricola Junior to Joachim Vadian; S. 62-71: Approaching the Patron: The Dedicatory Letters of Rudolf Agricola Junior, Valentin Eck, and Leonard Cox; S. 71-85: Approaching the Public: Commendatory Poems Accompanying the Works of Rudolf Agricola Junior, Valentin Eck, and Leonard Cox. Vgl. Carl A. Hoffmann, ‚Öffentlichkeit‘ und ‚Kommunikation‘ in den Forschungen zur Vormoderne. Eine Skizze, in: Ders. / Rolf Kießling (Hgg.): Kommunikation und Region, Konstanz 2001 (Forum Suevicum. Beiträge zur Geschichte Ostschwabens und der benachbarten Regionen 4), S. 69-110, hier: S. 81: „‚Teilöffentlichkeit‘ ist

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grenzung dieser voneinander ist jedoch nicht in allen Fällen zweifelsfrei möglich. Eine andere Bezeichnung scheint nicht handhabbar zu sein, da etwa das Analphabetentum, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, in sämtlichen sozialen Räumen vorzufinden ist. Da sich die Kommunikation im 16. Jahrhundert noch weitgehend im öffentlichen Raum vollzog und die Oralität darin einen großen Anteil hatte, trägt der Begriff der Teilöffentlichkeiten den Verhältnissen Rechnung und hebt daneben hervor, dass die Gesamtheit aller Teilöffentlichkeiten die Öffentlichkeit darstellte, ohne zwischen Hierarchien, sozialen Unterschieden u.ä. zu differenzieren. Allerdings liegt dem hier verwendeten Öffentlichkeitsbegriff nicht das Verständnis von Jürgen Habermas zu Grunde, der darin „eine Diskursarena in modernen Gesellschaften, in der ‚Privatleute‘ über Fragen von allgemeinem Interesse diskutieren[,]“ gesehen hat – einen „Ort freier, uneingeschränkter und rationaler Kommunikation.“42 Dass diese Auffassung von Öffentlichkeit nicht anwendbar ist, belegt allein schon die geringe Alphabetisierungsrate in der Gesellschaft im frühen 16. Jahrhundert, die eine „uneingeschränkte Kommunikation“ nicht zuließ. Auch aus einem weiteren Grund scheint sein Verständnis für die hier im Zentrum stehenden Jahrzehnte nicht praktikabel zu sein: Wenngleich nicht von einer Mündigkeit und einem Mitspracherecht des Einzelnen nach heutigem Verständnis ausgegangen werden kann, so ist es dennoch unzutreffend, wenn Habermas, der sich in seiner kontrovers diskutierten Marburger Habilitationsschrift über den „Strukturwandel der Öffentlichkeit“43 mit der Entwicklung der modernen Gesellschaft und der Herausbildung des Individuums befasst hat, meint, von einer Mündigkeit des Einzelnen könne erst im Zuge der bürgerlichen Revolutionen ausgegangen werden.44 Bereits die Folgen der durch den Buchdruck losgetretenen ‚Medienrevolution‘45, die Verlaufswege der (kirchlichen) Reformation

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dabei also nicht zu verwechseln mit einer lokalen, regionalen oder territorialen Öffentlichkeit, deren Kommunikationsraum zwar beschränkt aber ‚ungeteilt‘ ist.“ Vgl. auch: Gert Melville / Peter von Moos (Hgg.): Das Öffentliche und das Private in der Vormoderne, Köln / Weimar / Wien 1998. Vgl. Nancy Fraser, Theorie der Öffentlichkeit, übers. von Nikolaus Gramm, in: Hauke Brunkhorst / Regina Kreide / Cristina Lafont (Hgg.): HabermasHandbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart 2009, S. 148-155, hier: S. 148. Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied 1962 (POLITICA. Abhandlungen und Texte zur politischen Wissenschaft 4). Ebd., S. 28. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird der Begriff näher definiert und auf seine Richtigkeit hin überprüft.

Fragestellung und Forschungsstand

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sowie deren Konsequenzen für Gesellschaftsaufbau, Herrschaftsausübung und die Rolle des Einzelnen sind Indizien dafür, dass bereits im zu betrachtenden Zeitraum der Grundstein für eine Mündigkeit des Individuums gelegt worden ist. Das in der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegte Öffentlichkeitsverständnis orientiert sich vielmehr an der Definition Rudolf Schlögls, der verschiedene Öffentlichkeiten nebeneinander – unabhängig von sozialen Bereichen – gesehen hat.46 Dabei war jedoch der Gesellschaft des 15. und 16. Jahrhunderts der Begriff ‚Öffentlichkeit‘ unbekannt, das damit Gemeinte aber durchaus bekannt.47 Auch gilt, was Jörg Requate festgehalten hat: „[Es] wird davon ausgegangen, daß ‚Öffentlichkeit‘ tatsächlich zunächst nicht als Akteur, sondern als Raum oder Sphäre – eben als public sphere oder sphère publique, bzw. als public space oder espace publique, wie es im Englischen oder Französischen weniger verfänglich heißt – aufgefaßt werden sollte, um den Begriff so einer historischen Analyse besser zugänglich zu machen.“48

So kann im weiteren Verlauf von verschiedenen Teilöffentlichkeiten die Rede sein – wie etwa von der Teilöffentlichkeit der Gelehrten, die meines Erachtens wiederum in verschiedene Teilöffenlichkeiten untergliedert werden kann: Einerseits nach Zugehörigkeit zu verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, andererseits nach beruflicher Zugehörigkeit (im Falle eines Universitätsprofessors) oder interessengeleiteter Zugehörigkeit (etwa bei einem Kanzleibeamten, der nebenbei als Humanist zugleich Mitglied der res publica literaria ist) usw. Diesen Definitionen folgend lässt sich eine Teilöffentlichkeit beliebig gruppieren, sofern ein verbindendes Element vorliegt. Auf höchster Ebene lässt sich somit etwa eine Zweiteilung vornehmen nach volkssprachlicher Teilöffentlichkeit und jener, die auch das La-

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Vgl. Rudolf Schlögl, Politik beobachten. Öffentlichkeit und Medien in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für historische Forschung 35 (2008), S. 581-616, hier: S. 585: „Meine These ist, daß sich in verschiedenen Sozialbereichen unterschiedliche Formen von Öffentlichkeit nebeneinander beobachten lassen. Damit verbunden ist die Vermutung, daß diese Formen wegen ihrer je eigenen medialen Logik auch mit unterschiedlichen sozialen Formen und Operationsweisen des Politischen gekoppelt waren.“ Vgl. Esther-Beate Körber, Öffentlichkeiten der Frühen Neuzeit. Teilnehmer, Formen, Institutionen und Entscheidungen öffentlicher Kommunikation im Herzogtum Preußen von 1525 bis 1618, Berlin / New York 1998 (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte 7), hier: S. 367. Grundlegend dazu auch: Carl A. Hoffmann, ‚Öffentlichkeit‘ und ‚Kommunikation‘ [wie Anm. 41]. Jörg Requate, Öffentlichkeit und Medien als Gegenstände historischer Analyse, in: Geschichte und Gesellschaft 25 (1999), S. 5-32, hier: S. 8f.

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teinische zu rezipieren vermag.49 Wenngleich dies im weiteren Verlauf noch nach Binnendifferenzierungen verlangt, so ist dies unverzichtbar für das Verständnis des Berühmtwerdens des Erasmus von Rotterdam. Schließlich ist es nicht zwingend, den bereits angedeuteten Wandel hin zu einer berühmten Person, die fast nur in lateinischer Sprache publizierte, auf eine Teilöffentlichkeit beschränkt zu sehen. Einige Indizien sprechen dafür, dass auch außerhalb der lateinischen Welt Erasmus ein Begriff war,50 die tatsächliche Berühmtheit auch auf volkssprachlicher Ebene erlangte er aber wohl aus anderen Gründen und zu einem anderen Zeitpunkt.51 Der Trennung zwischen lateinischer und volkssprachlicher Öffentlichkeit trägt daher die Annahme Rechnung, dass mindestens diese beiden Prozesse des Berühmtwerdens getrennt voneinander betrachtet werden müssen. Spätestens die Addition beider Entwicklungen führt im Falle des Erasmus zu einem Berühmtsein, das sowohl in einzelnen als auch in mehreren Teilöffentlichkeiten zugleich Einflussnahme und Gestaltungspotential verleiht. Inwiefern sich Erasmus dies in unterschiedlichen Ereignissen zu Nutze gemacht hat oder seine Berühmtheit auch von Zeitgenossen – unter Umständen gegen seinen Willen – zur öffentlichen Einflussnahme genutzt wurde, wird im Anschluss untersucht. Zuvor jedoch bedarf es zunächst genauerer Definitionen der hier verwendeten, aber bislang noch nicht ausreichend reflektierten Begriffe.

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Neben anderen unterschiedlichen Merkmalen konstitutieren sich diese beiden Teilöffentlichkeiten insbesondere durch die ihre Kommunikation bestimmende Sprache, nämlich des Lateinischen oder der Volkssprache. Insofern trifft auch hier die Behauptung Requates (Öffentlichkeit und Medien als Gegenstände historischer Analyse, S. 9) zu: „Konstituiert wird die öffentliche Sphäre in erster Linie durch Kommunikation, so daß es folglich die öffentlichen Kommunikationsstrukturen sind, die zum zentralen Untersuchungsgegenstand werden.“ Vgl. Wilhelm E. Winterhager / Christoph Galle, Wie breit war die ErasmusRezeption bis 1518/19? Zur sozialpsychologischen Wirkung des Humanismus vor der Reformation – eine Problemskizze, in: Christoph Galle / Tobias Sarx (Hgg.), Erasmus-Rezeption im 16. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2012 (Kulturgeschichtliche Beiträge zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 5), S. 1-21. Vgl. dazu meinen Aufsatz Erasmus-Rezeption im Reich und in England: Ein diachroner Vergleich volkssprachlicher Übersetzungen, in: Galle / Sarx (Hgg.), Erasmus-Rezeption im 16. Jahrhundert, S. 23-37.

29 B. BEGRIFFSDEFINITION Im Zentrum der Arbeit stehen die Begriffe Berühmtwerden und Berühmtheit / Berühmtsein. Doch welches Verständnis wird ihnen zugrunde gelegt und inwiefern unterscheiden sie sich von vermeintlichen Alternativen wie Bekanntheit oder Popularität? Friedrich Kluge hat in seinem ‚Etymologischen Wörterbuch‘ angeführt, dass sich ‚berühmt‘ aus dem Substantiv ‚Ruhm‘ ergibt.52 Mit anderen Worten: Jemand ist aus dem Grunde berühmt, weil er über Ruhm53 verfügt. Nach Angaben des Grimmschen Wörterbuchs entspricht das deutsche Adjektiv ‚berühmt‘ den lateinischen Vokabeln clarus und illustris.54 Ersteres scheint überwiegend äußerst positiv konnotiert zu sein, zieht man die Kontexte zu Rate, in denen clarus erscheint: Die Adjektive ‚klar‘, ‚hell‘ und ‚leuchtend‘ geben die Qualität einer Handlung oder des Handelnden wieder, sofern sie als „durch einen Vorzug od. Fehler hervorstechend“55 beurteilt werden. Doch während clarus, verstanden als ‚hell‘, einen Gegensatz zu ‚dunkel‘ eröffnet, kann auf Ruhmesebene sowohl die positive Variante ‚berühmt‘ als auch die negative ‚berüchtigt‘ gemeint sein. So spricht Cicero in seiner zweiten Rede gegen Verres von dem Volk, das für seine Verschwendungssucht und seinen Hochmut berüchtigt ist (populus luxuria superbiaque clarus). Livius betont in seinem Geschichtswerk, Philipp von Makedonien, dessen Sohn Alexander und andere seien berüchtigt für die Vernichtung von Völkern (Philippus aut Alexander ceterique exitio gentium clari).56 Derartige negative oder zumindest zweifelhafte Konnationen des Begriffes scheinen jedoch weniger gebräuchlich zu sein, da hier andere Vokabeln wie etwa obscurus dienlicher sind.57 Die positive

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Vgl. Friedrich Kluge, Art. Ruhm, in: Ders. (Hrsg.): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Aufl., Berlin 2002, S. 775. Vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, 16 Bde. in 32 Teilb., Leipzig 1854-1961, hier: Bd. 14, Sp. 1441-1445. Vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 1, Sp. 1536. Vgl. Karl Ernst Georges, Art. clarus, a, um, in: Ausführliches lateinisch-deutsches 8 Handwörterbuch. Hannover 1913 (Nachdruck Darmstadt 1998), Bd. 1, Sp. 11931194, hier: Sp. 1193. Ebd. Dies wird nicht zuletzt im Zuge des so genannten Pfefferkorn-Streits deutlich, auf den noch näher eingegangen wird. Die beiden hier im Zentrum stehenden Titel sind ‚Epistolae clarorum virorum‘ (1514) bzw. ‚Epistolae obscurorum virorum‘ (1515). Gemeint sind damit Briefe im Lichte der Öffentlichkeit stehender, d.h. be-

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Auffassung im Sinne von ‚berühmt‘ überwiegt, was nicht nur an den zahlreicheren Stellenbelegen deutlich wird: So spricht Quintilian von einem Mann, der aufgrund seiner Lehre erhaben und berühmt ist (ex doctrina nobilis et clarus); Cicero erwähnt jemanden, der berühmt ist für sein Talent des Flötenspiels (clarus in arte tibiarum) und bietet Formulierungen wie ‚der Berühmteste in seiner Disziplin‘ (disciplina clarissimus) oder ‚berühmt für seine Tat‘ (clarus ob id factum); Ähnliches ist auch in der Dichtung zu beobachten, wenn Vergil jemanden als ‚den Berühmtesten seiner Kunstfertigkeit‘ (clarissimus artis eius) bezeichnet.58 Fast identisch wird die Vokabel illustris gebraucht – mit dem Unterschied, dass die Übertragung durch ‚berüchtigt‘ noch weniger üblich ist.59 Deutlich wird dies u.a. in der frühneuzeitlichen Fürstenanrede illustrissime princeps, die wohl am ehesten mit ‚erlauchtester Fürst‘ zu übersetzen ist.60 Im deutschen Sprachgebrauch besteht indes lediglich ein marginaler Unterschied zwischen ‚berühmt‘ und ‚bekannt‘, so dass gemeinhin die Intensität des Berühmten das Bekannte noch übersteigt. Eine Trennung zwischen den Substantiven ‚Berühmtheit‘ und ‚Bekanntheit‘, durch die ein erlangter Status als Etappenziel oder gar Endpunkt eines Berühmtwerdens umschrieben wird, ist kaum möglich. So findet sich bei Lessing die Formulierung: „weil es nur Personen oder Handlungen von einer ohnedem schon genugsamen Bekanntheit und Berühmtheit sind“61. Dennoch schwingt auch hier ein leichter Unterschied in der Intensität mit, wenn einerseits jemand bekannt ist, weil die Öffentlichkeit ihn kennt, andererseits aber jemand eine berühmte Person ist, weil er sich aufgrund einer Handlung Ruhm erworben hat. (Der Begriff der Prominenz scheint sich in diesem Zusammenhang nicht zu empfehlen, da der heutige Sprachgebrauch aufgrund von Sendungen im Privatfernsehen eher zweifelhafte, gelegentlich negative Assoziati-

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rühmter Männer bzw. Briefe in der Dunkelheit stehender, d.h. unbekannter Männer. Für diese und die zuvor angeführten Beispiele vgl. Karl Ernst Georges, Art. clarus, a, um, a.a.O., Sp. 1193f. Vgl. Karl Ernst Georges, Art. il-lūstris, e, in: Ausführliches lateinisch-deutsches 8 Handwörterbuch, Hannover 1918 (Nachdruck Darmstadt 1998), Bd. 2, Sp. 55-56. So z.B. WA Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 48, S. 110-112, hier: S. 110, Z. 1-4: Rndissimo in Christo patri, illustrissimo domino, d[omino] Alberto Magdeburgensis ac Moguntinensis Ecclesiarum Archiepiscopo Primati, Marchioni Brandenburgensi etc. domino suo & pastori in Christo venerabiliter metuendo ac gratiosissimo. Gotthold Ephraim Lessing, Werke, Bd. 2: Trauerspiele, Nathan, Dramatische Fragmente, hrsg. von Herbert G. Göpfert, München 1971, S. 444.

Begriffsdefinition

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onen evoziert.) In Abgrenzung zum Berühmtsein meint Popularität in Moderne wie Postmoderne eine Beliebtheit in der Öffentlichkeit.62 Karl Ernst Georges hat für den lateinischen Ursprung popularis die Übersetzung durch „dem Volke angenehm, beim Volke beliebt“63 empfohlen. Im übertragenen Sinne bedeutet dies etwa ‚zum Volk gehörig‘ und kann insofern auch als „gemein, gewöhnlich“64 aufgefasst werden. Somit unterscheidet sich dieses Popularitätsverständnis deutlich von den im Folgenden angewandten Begriffen des Berühmtwerdens und Berühmtseins. Es ist zwar davon auszugehen, dass jede berühmte Person auch über Bekanntheit verfügt, nicht aber zwangsläufig auch über Popularität. So können Politiker Entscheidungen treffen, die ihnen Bekanntheit, eventuell auch Berühmtheit verleihen, doch müssen sie deswegen nicht populär, nicht beim Volk beliebt sein. Sofern der Begriff der Popularität im weiteren Verlauf der Arbeit Anwendung findet, ist dadurch eine Unterscheidung zu dem Begriffspaar Berühmtheit / Bekanntheit intendiert. Die beiden Letzteren finden, wie bereits angedeutet, das Hauptinteresse. Dabei ist davon auszugehen, dass sich dafür kein exakter Zeitpunkt bemessen lässt. Dies möchte ich kurz am Beispiel der Berühmtheit verdeutlichen: Ab einer gewissen Zeit – man mag dafür den Wechsel aus der engen klösterlichen Lebenswelt nach Paris, die Aufnahme im dortigen Humanistenkreis sowie erste Veröffentlichungen nennen – tritt Erasmus erstmals in eine größere Öffentlichkeit und markiert somit gleichsam den Beginn seines Berühmtwerdens. Abgesehen von Rückschlägen wird festzustellen sein, dass sich sein Name, seine Bekanntheit, bald auch seine Berühmtheit immer weiter ausbreiten wie konzentrische Kreise – und zwar sozusagen in horizontaler wie vertikaler Hinsicht: Einerseits findet diese Ausweitung auf geographischer Ebene statt und lässt sich in einer zunehmenden Anzahl von Regionen und Ländern feststellen, umfasst aber andererseits auch sich vermehrende Teilöffentlichkeiten. Diese Entwicklung führt – was an späterer Stelle hinreichend bewiesen wird – aufgrund zusammenfallender Ereignisse zu einem Wandel, der wohl am ehesten mit dem Begriff des ‚Durchbruchs‘ markiert werden kann. Die sich anschließende weitere Entwicklung ist insofern verändert, als nun in jener Teilöffentlichkeit, in der sich ein derartiger Wandel beobachten lässt, nicht mehr nur von einem Be-

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Vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 13, Sp. 2002. Georges, Art. popularis, e, in: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Bd. 2, Sp. 1779-1780, hier: Sp. 1780. Ebd.

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Einleitung

rühmtwerden, sondern von einem Berühmtsein gesprochen werden muss. Letzteres schließt freilich nicht aus, dass sich der Ruhm des Erasmus noch weiter ausbreitet und sogar während des Berühmtseins ein sich erweiterndes Berühmtwerden zu konstatieren ist. Wie nicht anders zu erwarten, da Erasmus durch Publikationen in die Öffentlichkeit getreten ist, wird der hier als ‚Durchbruch‘ umschriebene Wandel auf die Veröffentlichung eines Titels zurückgeführt. Auf diese Weise kann daher nicht nur die Entwicklung des Erasmus vom unbekannten Klosterbruder hin zum europaweit gefeierten Intellektuellen genauestens nachgezeichnet werden, sondern auch die oben angeführte Frage beantwortet werden, mit welcher seiner Schriften er zur Berühmtheit avancierte. C. METHODEN DER UNTERSUCHUNG Als Orientierung für die Entwicklung des Erasmus hin zum länderübergreifend gefeierten Humanisten dienten die einschlägigen biographischen Studien – insbesondere die von Ribhegge verfasste. Diese ergeben bereits einzeln betrachtet, vor allem aber im Vergleich, ein umfassendes Bild. Hinzugezogen wurden zeitgenössische Lebensbeschreibungen etwa durch Beatus Rhenanus sowie autobiographische Ausführungen und Notizen des Erasmus. Auf dieser Grundlage wurde die Korrespondenz des Erasmus sowie ausgewählter Zeitgenossen eingehend analysiert, so dass auch manche Aspekte des ErasmusBildes eine Korrektur erfuhren (wie etwa die Bewertung seines Klosteraufenthalts). Während der Auswertungsphase fand die Annahme Bestätigung, dass von mindestens zwei (zeitlich) verschiedenen Momenten auszugehen ist, in denen ein als Durchbruch zu bezeichnender Wandel in der Entwicklung konstatiert werden muss. An dieser Stelle sei eine allgemein gehaltene, aber im weiteren Verlauf detaillierter darzustellende Differenzierung gestattet: Danach lassen sich ein Durchbruch in der Teilöffentlichkeit der Lateinkundigen (a.) sowie jener in der Teilöffentlichkeit der volkssprachlich Lesekundigen und der Illiteraten (b.) beobachten. Um beides nachvollziehen zu können, sind zwei unterschiedliche Vorgehensweisen erforderlich: a. Für die Lateinkundigen waren insbesondere Korrespondenzen – die des Erasmus sowie die von Zeitgenossen – zu Rate zu ziehen, deren Bedeutung für die (wissenschaftliche) Kommunikation noch erläutert wird. Die Auswertung erfolgte zunächst in quantitativer Hinsicht und suchte v.a. folgende Fragen zu beantworten:

Methoden der Untersuchung

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Wie gestaltete sich die Entwicklung der Erasmus-Korrespondenz zahlenmäßig von 1495 bis 153065? D.h.: Wie viele Briefe hat Erasmus pro Jahr erhalten und wie viele versandt? Dies vermittelt einen Eindruck, wie ‚gefragt‘ er war und welche (öffentliche) Bedeutung ihm zugemessen wurde. Zudem lässt es Beobachtungen zu, wann der Zeitpunkt erreicht ist, von dem an die Kontaktaufnahme mehrheitlich von anderen ausgeht. Wieviele Fälle sind pro Jahr des genannten Zeitraums nachweisbar, in denen die ausgewählten Zeitgenossen in Briefen über Erasmus oder eine seiner Veröffentlichungen diskutierten? Durch die Wahl der Korrespondenten, die sich – wenngleich mehrheitlich im Reich ansässig – über mehrere Länder Europas verteilten, konnte somit ein Eindruck der Verbreitung erasmischer Schriften sowie seines Namens gewonnen werden. (Dass die überwiegende Mehrheit der hier herangezogenen Korrespondenten im Reich lebte, erklärt sich insbesondere daraus, dass Erasmus während seiner Auslandsaufenthalte das Reich erst vergleichsweise spät aufsuchte. Wenn hier also schon Jahre zuvor sein Name bekannt war, spricht das für eine besondere Aussagekraft für seine öffentliche Bedeutung.) Für sämtliche Briefwechsel ist jedoch die Unsicherheit darüber zu konstatieren, dass der Anteil der auf uns gekommenen Korrespondenz an der tatsächlich vorhanden gewesenen in keinem Fall eindeutig zu bestimmen ist. Es ist auch davon auszugehen, dass der Anteil der vorliegenden an der tatsächlichen Überlieferung in allen verwendeten Briefeditionen variiert. – Um ein paar Fakten zu nennen: Die Korrespondenz des Erasmus ist in elf Bänden erschienen. Sie bietet 3141 Quellenzeugnisse für den Zeitraum von Ende 1484 bis 1537, von denen jedoch mindestens neun post mortem Erasmi zu datieren sind. Der Zeitraum von 1495 bis 1530, der zur Auswertung zeitgenössischer Briefwechsel ausgewählt wurde, füllt beispielsweise im Falle Martin Luthers gar zwölf Bände mit insgesamt 4243 laufenden Nummern. Die meisten anderen Editionen liegen zwar meist deutlich darunter, doch lässt sich das Ausmaß des gesamten Quellenkorpus bereits erahnen. In vielen Fällen war es möglich, mit Hilfe angehängter bzw. separat veröffentlichter Indizes einen schnelleren Zugang zu den, für die Auswertung relevanten Briefzeugnissen zu gewinnen. In den übrigen Fällen musste jeder Band für sich durchgesehen werden. Aus diesem Grund ist sicherlich verständlich, wieso nicht im Einzelnen die Frage

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Diese zeitliche Eingrenzung wird im Folgenden noch näher erläutert.

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Einleitung

Berücksichtigung finden konnte, wie viel der tatsächlich gewechselten Korrespondenz bekannt und in Editionen greifbar ist. (Doch mag dies mit Blick auf Briefsammlungen des späten 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts an dieser Stelle als weiteres Forschungsdesiderat hervorgehoben sein.) Die Unklarheit in dieser Frage hat im Übrigen keine entscheidenden Auswirkungen auf die gewonnenen Ergebnisse, da folgende Prämisse leitend war und im Zuge der Auswertung ihre Bestätigung fand: Es ist davon auszugehen, dass die Überlieferungsdichte von Briefen umso höher ist, je berühmter die Person war. Dies lässt sich bei Erasmus nicht bestreiten und überdies gibt es mehrere Belege, dass er schon früh begann, seine Korrespondenz zu sichern. Daneben beweisen verschiedene Quellen die Sicherung erasmischer Briefe durch ihre Adressaten. Diese Bedingungen sind natürlich bei den übrigen, zu Rate gezogenen zeitgenössischen Korrespondenzen nur bedingt erfüllt. Um die Auswertungen daher auf eine möglichst breite und verlässliche Basis zu stellen, erfolgte eine (qualitative) Quellenauswertung, in deren Zusammenhang folgende Fragen leitend waren: Wie äußerte sich Erasmus jeweils über seine Situation und Entwicklung, wie über Kritiker – denn auch diese sind Gradmesser einer Bekanntheit – und wie über den (öffentlichen) Erfolg seiner Schriften? In welcher Weise sind in zeitgenössischen Korrespondenzen Äußerungen über Erasmus oder seine Schriften formuliert? Welches Bild wird dadurch gezeichnet? – Für diesen Arbeitsschritt empfahl sich die Erarbeitung eines erasmischen Werkverzeichnisses. Erstmalig wurden allein die in der Erasmus-Korrespondenz auffindbaren Informationen zu den zu Lebzeiten des Erasmus veröffentlichten Schriften samt ihren Nachdrucken versammelt.66 Wer wandte sich zu welchem Zeitpunkt an Erasmus? – Schließlich lassen Bildungsstand und soziale Stellung der Korrespondenten auch Rückschlüsse auf die jeweilige Berühmtheit des Erasmus zu. Die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse haben in allen Fällen das auf Grundlage der vorigen (quantitativen) Auswertungen gezeichnete Bild um ein vielfaches geschärft. Insofern scheint der beschrittene Weg – auch angesichts der nicht beantworteten Frage

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Das Verzeichnis findet sich im Anhang der Arbeit. Dabei wurde lediglich auf Nennung jener Stellen verzichtet, auf die bereits ein zuvor im Werkverzeichnis genannter Brief aufmerksam gemacht hat.

Methoden der Untersuchung

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nach dem Grad der Überlieferung – zu einem mehrfach bestätigten Ziel zu führen. b. Das Berühmtwerden in der Teilöffentlichkeit der lediglich in der Volkssprache Lesekundigen sowie der Illiteraten verlangte nach einer anderen methodischen Auswertung, die sich letztlich bereits durch andere Quellen ergab. Hier wurden alle bekannten volkssprachlichen Übersetzungen erasmischer Schriften zusammengetragen, deren Auswertung folgende Aspekte zu beantworten half: Wann setzte die volkssprachliche Rezeption – gemessen an Übersetzungen – ein und wie entwickelte sie sich im 16. Jahrhundert? (Die zeitliche Auswertung bis 1600 empfahl sich, um nicht nur die Rezeption zu Lebzeiten des Erasmus, sondern auch darüber hinaus in den Blick nehmen zu können.) Wie viele Übersetzungen sind für die einzelnen Titel nachweisbar? (In Verbindung mit Quellenauswertungen lassen sich somit die in der Volkssprache erfolgreicheren Erasmus-Schriften von den weniger erfolgreichen unterscheiden.) An welchen Druckorten wurden die Übersetzungen hergestellt? (Auf Grundlage dieser Frage kann auch das geographische Ausmaß der volkssprachlichen Erasmus-Rezeption bemessen werden.) Die im Zuge dieser Fragestellungen gewonnenen Erkenntnisse gelten natürlich zuerst für den Teil der volkssprachlich Lesekundigen. Aufgrund der noch näher zu betrachtenden Kommunikationskanäle, die auch Illiteraten einen Informationserwerb ermöglichten, können die Ergebnisse – jedoch in geringerer Intensität – auch auf sie übertragen werden. Qualitative Auswertungen u.a. der oben angeführten Korrespondenzen vermögen auch in diesem Fall, die quantitativen Ergebnisse einzuordnen. D. QUELLENKORPUS Neben den edierten Korrespondenzen von Zeitgenossen des Erasmus, auf die später noch eingegangen wird, wurden aus genannten Gründen zwei verschiedene Quellenkorpora ausgewertet. Bei dem ersten dieser Korpora handelt es sich um erasmische Schriftzeugnisse bzw. solche Texte, die ihm selbst bekannt, weil an ihn adressiert waren – die Rede ist von seinen Briefwechseln und seinen Veröffentlichungen. Das Briefmedium nimmt die herausragende Stellung innerhalb der Kommunikation des über ganz Europa verstreuten Humanisten-

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Einleitung

netzwerkes ein; mit über 3100 erhaltenen Briefen stellt die erasmische Korrespondenz eine unvergleichliche Quellengrundlage dar. Auch wenn nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, wie hoch der Anteil der auf uns gekommenen Korrespondenz an der Gesamtheit der tatsächlich gewechselten Briefe ist, so bietet dennoch die von Percy Stafford Allen erarbeitete kritische Edition eine verlässliche Arbeitsgrundlage. Nach Ribhegges Ansicht ist diese Ausgabe, deren elf Bände zwischen 1908 und 1947 erschienen sind,67 dafür verantwortlich, dass Erasmus wieder als eine der führenden Persönlichkeiten der europäischen Geistesgeschichte angesehen wird.68 Neben den eigentlichen Brieftexten bietet Allen soweit möglich reichhaltige Informationen zu den Korrespondenten des Erasmus, zu in den Briefen genannten Personen, Veröffentlichungen und Ereignissen, führt aber auch Informationen zu Überlieferung und Archivierungsort jedes Quellentextes an. Nicht nur die zahlreichen Querverweise und die im zwölften Band der Reihe enthaltenen Indizes, sondern auch die zu Beginn jedes Teilbandes gebotene Übersicht über Briefe, Korrespondenten, Abfassungsort und –datum machen die Ausgabe zu einem ausgezeichneten Arbeitsinstrument. Aufgrund ihres Umfangs stellten in vielen Situationen die Indizes die einzige Orientierung dar. Ergänzt wird dieser Quellenfundus sowohl durch die von Johannes Clericus in den Jahren 1703 bis 1706 in Leiden herausgegebenen Opera Omnia des Erasmus, die 1961f. in Hildesheim als Faksimileausgabe neu aufgelegt wurden, als auch die immer noch in Bearbeitung begriffenen und in Amsterdam herausgegebenen Opera Omnia (=ASD).69 Während in der Leidener Ausgabe alle 134 uns überlieferten Texte des Erasmus enthalten

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Vgl. Opus Epistolarum Des. Erasmi Roterodami, 12 Bde., denuo recognitum et auctum per P. S. Allen, Oxford 1906-58. Der zwölfte Band wurde unter Beteiligung Allens von Barbara Flower erarbeitet und erhält mehrere Indizes. Vgl. daneben die englischsprachige Übersetzung unter dem Titel The Correspondence of Erasmus, 12 Bde., Toronto 1974-2003, sowie die deutschsprachige: Erasmus von Rotterdam, Briefe, hrsg. von Walther Köhler und Andreas Flitner, 4. erw. Auflage, Darmstadt 1995. Vgl. Ribhegge, German or European Identity? Luther and Erasmus in Nineteenthand Twentieth-Century German Cultural History and Historiography, S. 158. Desiderii Erasmi Opera Omnia, 10 Bde., hrsg. von Johannes Clericus, Leiden 170306 (Nachdruck: Hildesheim 1961f.); Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami: recognita et adnotatione critica instructa notisque illustrata, 9 Ordines, 38 Bde., Amsterdam 1969-2010 (= ASD).

Quellenkorpus

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sind,70 bietet die philologisch-kritische Amsterdamer Ausgabe wertvolle Quelleneinführungen und die maßgebliche Forschungsliteratur. Beide Editionen stehen gleichberechtigt im Zentrum der vorliegenden Arbeit, wenngleich verschiedene andere Ausgaben verfügbar sind.71 Das zweite Quellenkorpus umfasst alle greifbaren, bekannten und im 16. Jahrhundert publizierten deutschsprachigen Übersetzungen erasmischer Schriften.72 Bei der quantitativen Auswertung wurden natürlich Mehrfachnennungen ein und derselben Übersetzung vermieden. Auch in diesem Fall gilt, was bereits für den Briefwechsel erwähnt wurde: Es kann nicht mit Sicherheit behauptet werden, dass die gewonnenen Ergebnisse alle tatsächlichen deutschsprachigen Übersetzungen wiedergeben. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass gerade Drucke in geringer Auflagenhöhe nur selten den Weg in Bibliotheken gefunden haben, der ihnen den Fortbestand sicherte. Doch auch hier können derart aussagekräftige Erkenntnisse gewonnen werden, dass von mehr als nur einer Trendlinie gesprochen werden kann. Eine Ausweitung der Untersuchung auf weitere Quellengattungen hat sich bald als wenig ergiebig erwiesen, wie bereits das Beispiel graphischer Darstellungen des Erasmus deutlich macht: Überlieferte Portraits stammen meist von namhaften Künstlern, sind aber in allen Fällen erst angefertigt worden, als Erasmus bereits berühmt war. Für die Frage nach der vorangegangen Entwicklung sind sie daher ohne Aussagewert. Anders als im Falle Luthers findet sich höchstens eine Handvoll bildlicher Darstellungen des Erasmus in Flugblättern und Flugschriften. Auch hier verfügte er bereits über eine öffentliche Bedeutung, als er erstmals in einem Medium des Tagesschrifttums dargestellt wurde.

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So die Angabe des Erasmus Center for Modern Early Studies an der Universität Rotterdam: http://www.erasmus.org/index.cfm?fuseaction=site.show&CTX_ID=2 DE370E 8F1F6C1694E0507DEF03FB4BE (29.11.2011). So folgende Titel: Collected Works of Erasmus, 78 Bde., Toronto 1974-2001 (= Englischsprachige Übersetzung); Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Schriften. Ausgabe in acht Bänden Lateinisch und Deutsch, hrsg. von Werner Welzig, Darmstadt 1967-1980 (= Lateinisch-deutsche Ausgabe). Vgl. dazu den von mir erstellten Katalog deutschsprachiger Übersetzungen erasmischer Texte im 16. Jahrhundert, in: Galle / Sarx (Hgg.), Erasmus-Rezeption im 16. Jahrhundert, S. 177-188.

II. Bedingungen für eine literarische Karriere im frühen 16. Jahrhundert A. BILDUNGSSITUATION DER GESELLSCHAFT

1.) Lateinfähige Teilöffentlichkeit 1.1.) Wer war der ‚Gelehrte‘? Wer der Lateinkundige? In seiner 1784 erschienenen Schrift „Was ist Aufklärung?“ definierte Immanuel Kant denjenigen als Gelehrten, der öffentlich, d.h. publizistisch seine Vernunft betätigt: „Ich verstehe aber unter dem öffentlichen Gebrauche seiner eigenen Vernunft denjenigen, den jemand als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht.“73 Natürlich lässt sich dies nicht auf das 16. Jahrhundert uneingeschränkt übertragen. Jürgen Fohrmann hat zwar daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass es prinzipiell jeder Person möglich war, als Gelehrter zu gelten, wenn sie über öffentliche Themen schrieb.74 Allerdings ist dies wohl ein zu weit gefasster Begriff, da im 15. und 16. Jahrhundert nicht jeder, der etwas veröffentlicht hatte, automatisch als ‚gelehrte Person‘ galt. Vielmehr muss man die Kenntnisse in den klassischen Sprachen, insbesondere im Lateinischen, als Kriterium

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Vgl. Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, in: Werke, hrsg. 5 von Wilhelm Weischedel, Bd. 9, Darmstadt 1983, S. 53-61, hier: S. 55. Vgl. Jürgen Fohrmann, Der Intellektuelle, die Zirkulation, die Wissenschaft und die Monumentalisierung, in: ders. (Hrsg.): Gelehrte Kommunikation. Wissenschaft und Medium zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert, Wien / Köln / Weimar 2005, S. 325-482, hier: S. 333: „Entscheidend ist das „als“, „als Gelehrter“: Es geht zunächst nicht um die Gelehrsamkeit als Institution, sondern um die Gelehrsamkeit als Funktion. „Gelehrter sein“ kann damit prinzipiell jeder – sofern und gerade wenn er über „öffentliche Dinge“ ein Publikum adressiert. Publikum ist der zweite wichtige Begriff, der die kantische Gelehrtendefinition weit vom überkommenen Begriff der Gelehrsamkeit entfernt. Was Kant damit vorlegt, ist eine ZweiRollen-Theorie. Man ist – im alten Sinne – Teil einer Institution o.Ä. und dann Gelehrter.“

Bildungssituation der Gesellschaft

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heranziehen, um jemanden für gelehrt zu erachten.75 Eine Verbindung zu einer Universität war dafür nicht zwingend erforderlich.76 Was Gabriele Jancke mit Blick auf Abraham Scultetus resümiert, trifft auch für zahlreiche andere Gelehrte zu: Es handelte sich hier um keine Gelehrtenkultur, „die nur oder vorwiegend durch Universitäten, durch ihren fest definierten Ort und die klaren Grenzen, die die Institution und ihre sozialen Praktiken und Zugehörigkeiten markieren konnten (bzw. die dort ständig neu ausgehandelt wurden), bestimmt gewesen wäre.“77 Im Gegenzug alle anderen pauschal zur Gruppe des ‚gemeinen Mannes‘ zu rechnen, wäre ebenso verfehlt wie ungenau. Wie Erdmann Weyrauch zeigte, gab es unter dem ‚gemeinen Volk‘ – um diesen Gruppenbegriff zu verwenden – durchaus Personen, die des Lesens und Schreibens mächtig waren.78 Der Unterschied zu den Gelehrten

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Vgl. Urs Martin Zahnd, Der Bildungsweg von Stadt- und Ratsschreibern in eidgenössischen Städten des ausgehenden Mittelalters, in: Rainer Christoph Schwinges (Hrsg.): Gelehrte im Reich: zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts, Berlin 1996 (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 18), S. 453-476. Dazu: Gabriele Jancke, Gelehrtenkultur – Orte und Praktiken am Beispiel der Gastfreundschaft. Eine Fallstudie zu Abraham Scultetus (1566-1624), in: Barbara Krug-Richter / Ruth-E. Mohrmann (Hgg.): Frühneuzeitliche Universitätskulturen. Kulturhistorische Perspektive auf die Hochschulen in Europa, Köln / Weimar / Wien 2009 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 65), S. 285-312, hier: S. 285: „Beim zweiten Blick zeigt sich als ein faktischer Hintergrund, dass die gelehrten Verfasser solcher Texte in der Regel nur kleinere Teile ihres Lebens an Universitäten verbracht hatten und das manche – wie etwa Johannes Butzbach (1478-1526) – auch zeit ihres Lebens mit gar keiner Universität in Berührung kamen. Dass die Gelehrten sich in ihren autobiographischen Schriften insgesamt recht wenig zu Universitäten, dafür aber ausführlicher zu anderen Teilen des Gelehrtenlebens äußern, geht wohl in erster Linie auf eine mehr oder weniger bewusste Gewichtung der Verfasser zurück.“ Ebd., S. 308. Vgl. Alison Rowlands, The Conditions of Life for the Masses, in: Early Modern Europe. An Oxford History, ed. Euan Cameron, Oxford 1999, S. 31-62. Es ist allerdings, wie Benjamin Dorn (Von wilden und von edlen Zungen. Über die Reflexion der deutschen Volkssprache im Mittelalter, in: Muttersprache. Vierteljahresschrift für deutsche Sprache 118 (2008), S. 332-356, hier: S. 333) richtig bemerkt hat, vor allem aus dem Grund schwierig, den „gemeinen Mann“ näher zu skizzieren, weil er kaum schriftliche Zeugnisse angefertigt hat, geschweige denn dass diese als Quellen für uns überliefert seien. Im Übrigen „müssen wir uns vor Augen halten, dass in der Zeit, in der wir uns hier bewegen (9. bis 16. Jahrhundert), das Deutsche nicht existiert“, so Dorn weiter (ebd.). Vgl. auch: Wolfgang Fleischer / Gerhard Helbig / Gotthard Lerchner (Hgg.): Kleine Enzyklopädie deutsche Sprache, Frankfurt am Main 2001, hier: S. 515f.; Roger Chartier, „Volkstümliche“ Leser und ihr Lesestoff von der Renaissance bis zum Age classique, in: Nada Boškovska Leimgruber (Hrsg.): Die Frühe

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Bedingungen für eine literarische Karriere

lag in den nicht vorhandenen Lateinkenntnissen und im mangelnden Universitätsstudium begründet.79 Die Unabdingbarkeit lateinischer Kenntnisse als Voraussetzung, in höhere Ämter bzw. klerikale Stellen zu gelangen, hat Heinrich Bebel zum Ausdruck gebracht. Auch wenn er dies in Form einer Komödie schilderte, gibt es dennoch Aufschluss über die Zustände zu seinen Lebzeiten. Kardinal Peraudi, so die Erzählung, wurde während eines Aufenthaltes in Innsbruck von einem durchaus gebildeten Mann um Bewilligung einer Pfründe ersucht. Bereits während seiner Anrede, die der Mann in lateinischer Sprache stammelte, wurde er vom Kardinal unterbrochen und aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse fortgeschickt.80

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Neuzeit in der Geschichtswissenschaft. Forschungstendenzen und Forschungsergebnisse, Paderborn [u.a.] 1997, S. 229-247. Vgl. dazu: Erdmann Weyrauch, Die Illiteraten und ihre Literatur, in: Wolfgang Brückner / Peter Blickle / Dieter Breuer (Hgg.): Literatur und Volk im 17. Jahrhundert. Probleme populärer Kultur in Deutschland, Bd. 2, Wiesbaden 1985 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 13), S. 465-474. – Jörg Rogge hat aufgezeigt, dass Bildung wichtige Bedingung für sozialen Aufstieg war: So ließen die Honoratioren in Augsburg 1548 keine Zunftmeister in den Rat, weil diese des Lesens und Schreibens in der Regel nicht mächtig waren. Vgl. dazu: Jörg Rogge, „Ir freye wale zu haben“. Möglichkeiten, Probleme und Grenzen der politischen Partizipation in Augsburg zur Zeit der Zunftverfassung (1368-1548), in: Klaus Schreiner / Ulrich Meier (Hgg.): Stadtregiment und Bürgerfreiheit. Handlungsspielräume in deutschen und italienischen Städten des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Göttingen 1994 (Bürgertum. Beiträge zur europäischen Gesellschaftsgeschichte 7), S. 244-277, hier: S. 261. Durch die zunehmende Bedeutung des Wissens entwickelte sich die Bildung zum Kriterium für gesellschaftlichen Aufstieg. Neben dem Adel durch Geburt entstand allmählich auch der Adel durch Bildung. Vgl. dazu: Klaus Schreiner, Laienbildung als Herausforderung für Kirche und Gesellschaft. Religiöse Vorbehalte und soziale Widerstände gegen die Verbreitung von Wissen im späten Mittelalter und in der Reformation, in: Zeitschrift für Historische Forschung 11 (1984), S. 257-354, hier: S. 277. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass eine verstärkte Akademisierung seit Ende des 15. Jahrhunderts nachweisbar ist. Vgl. dazu: Gerd Schwerhoff, Apud populum potestas? Ratsherrschaft und korporative Partizipation im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Köln, in: Schreiner / Meier (Hgg.), Stadtregiment und Bürgerfreiheit, S. 188-243, hier: S. 212f. Ob indes der ‚gemeine Mann‘ von der Obrigkeit tatsächlich nur in jenem Fall in öffentliche Diskussionen einbezogen wurde, wo es um die Beziehung zueinander ging – wie Rudolf Schlögl (Politik beobachten, S. 610) behauptet hat –, ist mehr als fraglich und bedarf im weiteren Verlauf einer genaueren Betrachtung. Vgl.: Heinrich Bebel, Comoedia de optimo studio iuvenum. Über die beste Art des Studiums für junge Leute. Lateinisch / Deutsch, hrsg. und übers. von Wilfried Barner [u.a.], Stuttgart 1982, hier: S. 54.

Bildungssituation der Gesellschaft

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Doch in welchen Ämtern oder Funktionen sind ‚Gelehrte‘ im frühen 16. Jahrhundert anzutreffen? – Klaus Wriedt hat am Beispiel norddeutscher Städte verschiedene Tätigkeitsbereiche von Gelehrten herausgearbeitet: Demnach gab es den kirchlichen Bereich (Domund Stiftskapitel; Pfarrstellen), die kommunale Verwaltung (Kanzlei bzw. Stadtschreiber und Ratsnotare), städtische Dienstämter (Arzt, Schulmeister, Kanoniker und Universitätslehrende, ohne festes Dienstverhältnis auch Prozessvertreter), sowie die städtische Ratsmitgliedschaft, deren Erwerb jedoch in manchen, v.a. süddeutschen Städten aufgrund des ausgeprägten Patriziats oder notwendiger fundierter Vermögensverhältnisse nicht leicht war.81 Daneben macht er noch auf die Gruppe der ‚Halbgelehrten‘ aufmerksam, die sich „durch den Erwerb von Spezialkenntnissen […] oder ein anfängliches, meist ohne Graduierung abgeschlossenes Artistenstudium“82 auszeichneten. Zu diesen zählten etwa Chirurgen, Wundärzte, Barbiere oder Scholaren. Die Starrheit des frühneuzeitlichen Sozialgefüges wird deutlich, wenn Wriedt die soziale Herkunft der Gelehrten und Halbgelehrten beschreibt: „In der Mehrzahl der Fälle, soweit die Personen überhaupt näher bekannt sind, entstammen die Amtsträger selber dem Bürgertum, oft aus der Stadt ihrer späteren Diensttätigkeit oder aus einer der benachbarten Städte.“83 War zuvor ein Großteil entscheidender Positionen von der Kirche besetzt worden, so kann besonders für das 16. Jahrhundert eine Entklerikalisierung nachgewiesen werden. Professionalisierung nahm in vielen Tätigkeitsbereichen zu, wobei gleichzeitig in stärkerem Maße zwischen akademischen und nichtakademischen Funktionsbereichen differenziert wurde, was langfristig zur Ausbildung eines Elitebewusstseins führte.84 Im Zuge der reformatorischen Bewegung und einer Publizistik, die sich in zunehmendem Maße der deutschen Sprache bediente, wurde jedoch nicht nur, wie angesprochen, der Adressatenkreis vergrößert und die ‚lateinische Teilöffentlichkeit‘ um die deutschsprachige erweitert; auch auf anderen Gebieten brachte diese Entwicklung Veränderungen mit sich: So hatte dies auch Auswirkungen auf das Sozialge-

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Vgl. Klaus Wriedt, Gelehrte in Gesellschaft, Kirche und Verwaltung norddeutscher Städte, in: Schwinges (Hrsg.), Gelehrte im Reich, S. 437-452, bes. S. 438-442. Ebd., S. 443. Ebd., S. 448. Vgl. dazu: Kaspar Elm, Gelehrte im Reich. Zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts, in: Schwinges (Hrsg.), Gelehrte im Reich, S. 515-525, bes. S. 520.

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Bedingungen für eine literarische Karriere

füge der deutschen Gesellschaft. Es ist leicht ersichtlich, dass durch Einbeziehung der nicht-lateinkundigen Gesellschaftsbereiche in öffentliche Diskurse und Debatten diesen zwangsläufig mehr Bedeutung in der Gesellschaft zukam.85 Hans Ulrich Gumbrecht und Rolf Reichardt haben Entwicklungen, die Jürgen Habermas erst in der bürgerlichen Epoche wahrnahm, schon in der Zeit der Aufklärung gesehen: „Die Konvergenz wird möglich, weil die gebildete Gesellschaft („le monde“) als Bezugshorizont […] hier nicht mehr von einem Gefüge starrer, hochkomplizierter Interaktionsnormen besetzt ist, sondern von dem noch offenen Kreis potentieller Adressaten: die Öffentlichkeit war auf dem Weg ihrer Institutionalisierung zu einer politischen Instanz.“86 Der Ursprung jener Entwicklung, die die Öffentlichkeit zu einer politischen Instanz hat werden lassen, ist meines Erachtens bereits im frühen 16. Jahrhundert zu sehen. Durch die Erweiterung einer am Diskurs teilnehmenden Öffentlichkeit wurde das ‚gemeine Volk‘ als Größe, mit der man rechnen musste, hinzugezogen und wurde der Grundstein gelegt für die sich langfristig entwickelnde Mündigkeit der Bürger und für umfangreichere Partizipation im politischen Bereich – wenngleich natürlich noch nicht nach heutigem Verständnis. Innerhalb der Öffentlichkeit bedarf aber die res publica literaria besonderen Augenmerks, die am ehesten als europaweite, humanistische Elite umschrieben werden kann.87 Ihre Mitglieder galten als ‚litte-

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Gleiches gilt für die Literaturschaffenden selbst. Bereits im Mittelalter stammten Autoren aus unterschiedlichen Milieus, wie Johannes Janota gezeigt hat: „War die hochmittelalterliche Literatur von adligen Dilettanten, Ministerialen (oft mit klerikalem Bildungshintergrund) und von Berufsdichtern geprägt, so drängen sich ab dem 14. Jahrhundert Angehörige von städtischen, bischöflichen und fürstlichen Kanzleien als Autoren in den Vordergrund; sie haben eine spezifische, auf schulischem Unterricht basierende Berufs-, im 15. Jahrhundert teilweise sogar eine akademische Ausbildung genossen. Daneben etabliert sich während des 15. Jahrhunderts in der Stadt der Handwerkerdichtung mit einem eigenen, aus der literarischen Tradition gespeisten Bildungsfundus; er tritt am deutlichsten im Meistergesang als Fortsetzung der Sangspruchdichtung in den Blick.“ Vgl. Janota, Grundriss zu einer Geschichte der deutschen Literatur im Spätmittelalter 1220/30 – 1500/20, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 123.1 (2001), S. 397-427, hier: S. 403. Vgl. Hans Ulrich Gumbrecht / Rolf Reichardt, Art. philosophe, philosophie, in: Rolf Reichhardt / Eberhardt Schmitt (Hgg.): Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680-1820, Heft 3, München 1985, S. 7-88, hier: S. 19. Wie August Buck gezeigt hat, wurde der Begriff der res publica literaria erstmals 1494 von Erasmus gebraucht (vgl. dazu: August Buck, Einleitung. Erasmus und Europa, in: Ders. (Hrsg.), Erasmus und Europa: Vorträge, Wiesbaden 1988 [Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung 7], S. 7-12, hier S. 7f.). Damit sind all jene

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ratiores’, als Produzenten von Wissen, die sich in vielen Fällen auch durch soziales Engagement, resultierend aus ihrer Verbindung zur großen literarischen Tradition, auszeichneten.88 Als ‚litteratus’ par excellence bezeichnete Thomas Morus89 in einem Brief Erasmus.90 Annie Barnes definierte die Gelehrtenrepublik: „La République des Lettres est formée des hommes de lettres et des savants de tous pays.“91 Bei Erasmus und seinen Zeitgenossen finden sich zahlreiche Äquivalente: orbis literarius, orbis literatorum, eruditus orbis, Respublica erudita – alle Varianten stehen für die gleiche Gruppe von Gebildeten, für deren Zugang nicht die Geburt entscheidend war, sondern das Wissen bzw. die Bildung, über die jemand verfügte.92 Erasmus verwandte diesen Begriff das erste Mal in seinem ‚Antibarbarorum liber unus‘, der 1494

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gemeint, die selbst wissenschaftliche Texte publizierten oder Anteil hatten am wissenschaftlichen Diskurs. Vgl. dazu auch: Martin Gierl, Res publica litteraria – Kommunikation, Institution, Information, Organisation und Takt, in: Klaus-Dieter Herbst / Stefan Kratochwil (Hgg.): Kommunikation in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a. M. [u.a.] 2009, S. 241-252. Vgl. Hanan Yoran, More’s Utopia and Erasmus‘ No-place, in: English Literary Renaissance 35.1 (2005), S. 3-30, hier: S. 29. Hier wie im Folgenden sind Personennamen (von Humanisten) nicht ausschließlich in ihrer zeitgenössischen, d.h. meist latinisierten oder gräzisierten Form angegeben, sondern in jener, die nach Ermessen des Vf.s die geläufigere ist. Vgl. Letter to Martin Dorp, in: The Complete Works of St. Thomas More, ed. Daniel Kinney, vol. 15, Yale / New Haven / London 1986, S. 1-127, hier: S. 12, Z. 16-26: Quanquam Grammatici nomen quod tu frequentius, quam facetius irrides, Erasmus opinor haud aspernabitur: imo (ut est modestus) quanquam meretur maxime, fortasse nec agnoscet tamen, quippe quum sciat, Grammaticum idem omnino significare, quod Litteratus, cuius officium per omnes litterarum species, hoc est, per omnes sese disciplinas effundit, Quo fit, ut qui dialecticen imbiberit, Dialecticus, qui Arithmeticen, Arithmeticus vocari possit, tum in caeteris artibus ad eundem modum. At litteratus mea certe sententia, nisi qui omnes omnino scientias excusserit, appellari nemo debet, alioquin et infantibus licet grammaticorum nomen attribuas, quicunque ex alpha Beta ipsas litterarum formas edidicere. Annie Barnes, Jean Le Clerc (1657-1736) et la République des Lettres, Paris 1938, hier: S. 13f. Zitiert nach: Franςoise Waquet, Qu’est-ce que la République des lettres? Essai de sémantique historique, in: Bibliothèque de l’École des chartes 147 (1989), S. 473-502, hier: S. 473. Nach Elizabeth Eisenstein tauchte der Begriff der ‚respublica literaria‘ das erste Mal im Jahr 1417 in einem Brief von Francesco Barbaro an Poggio Bracciolini auf. Vgl. dazu: Elizabeth Eisenstein, The printing press as an agent of change: communications and cultural transformations in early modern Europe, Cambridge 1985, hier: S. 137. Da Waquet erst Anfang der 1490er Jahre auf den nächsten Gebrauch dieses Begriffs gestoßen ist, hat sie gefolgert (a.a.O., S. 476): „Il n’est donc pas déraisonnable de penser que de nouveaux dépouillements de textes du XVe siècle puissent porter leurs fruits et que d’autres jalons soient un jour posés entre 1417 et 1491. “ Ebd., S. 473.

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entstand, aber erst 1520 publiziert wurde.93 Er grenzte darin ganz klar die Gelehrtenrepublik von den Barbaren ab, die sich den humanis litteris verschlossen und somit nicht über wahre Bildung verfügen konnten.94 Christoph August Heumann veröffentlichte 1753 bereits in sechster Auflage seinen ‚Conspectus reipublicae literariae‘, worin er die Charakteristika dieser Gelehrtengruppe aufzeigte, die nicht nur für seine Gegenwart, sondern auch für das frühe 16. Jahrhundert galten.95 Im Mittelpunkt standen hier die Liebe zu den bonae litterae, insbesondere Verdienste um das Lateinische, die sich in verschiedenen Veröffentlichungen zeigten und in denen – getreu dem erasmischen Motto ad fontes – nach textkritischen und philologischen Standards erstellte Editionen antiker und patristischer Texte zu finden waren.96 Kennzeichen für die Zugehörigkeit in der res publica literaria war, über sapientia und eruditio zu verfügen, wie es Heumann mit Blick auf den Verfasser des ‚Canzoniere‘ zum Ausdruck brachte: Unus tamen superest melioris notae, qui unus est isto saeculo viri erudite sapientis nomen meretur. Franciscum dico Petrarcham, novum orbis literati […] lumen, qui et patria et Latina […] lingua tam excellens erat poeta pariter et orator[.]97 Für das Zeitalter des Erasmus hingegen sah sich Heumann mit der Problematik konfrontiert, gar nicht alle in diesem Zusammenhang nennenswerten

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Vgl. Fritz Schalk, Erasmus und die res publica literaria, in: Academie Royale Neerlandaise des sciences et des sciences humaines (Hrsg.): Actes du Congres Erasme. Rotterdam, 27.-29. Okt. 1969, Amsterdam / London 1971, S. 14-28, hier: S. 14: „Aber in dem Masse [sic!] als man auch im Norden anknüpfte an die italienische humanistische Bewegung, bereit ihre geistigen Eindrücke in sich aufzunehmen und sich der gedanklichen und künstlerischen Entwicklung Italiens nicht mehr verschloss, bezog sich die jetzt begründete Abhängigkeit auch auf die Übernahme des Gegensatzes von Barbarei und Kultur, von wahrer und falscher Latinität, eine Antithese, die Anfangs- und Zielpunkt von Vallas Elegantiae linguae latinae gebildet hatte.“ Ebd., S. 15. Christoph August Heumann, Conspectus reipublicae literariae sive via ad historiam literariam, 6. Aufl., Hannover 1753. Ebd., S. 151: Doctissimi hi viri humaniora, quae vocant, studia impensissime coluerunt, hoc est, studia linguarum, historiarum, antiquitatum, artem criticam, et quicquid philologiae nomine continetur[.] Ebd., S. 141f. Dass Mitglieder der res publica literaria sich nicht nur veranlasst sahen, sich für die Muttersprache einzusetzen, sondern auch für das Vaterland, hat Voltaire zum Ausdruck gebracht, was gleichzeitig auch für die Zeit des Erasmus gilt: „Jamais la correspondance entre les philosophes ne fut plus universelle, Leibnitz servait è l’animer. On a vu une république littéraire s’établier insensiblement dans l’Europe malgré les guerres et malgré les religions différentes. Tous les arts ont reςu ainsi des secours mutuels. Les Académies ont formé cette république … Les véritables savants dans chaque genre ont resserré les liens de cette grand société des esprits, répandue partout, et partout indépendante.“ Zitiert nach: Schalk, Erasmus und die res publica literaria, S. 25.

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Personen auflisten zu können, da es von diesen zu viele gegeben habe.98 An erster Stelle nennt er aber Erasmus, der gerade für den theologischen Bereich gemeinsam mit Luther für eine fundamentale Veränderung und Verbesserung gesorgt habe.99 – Für jede Zeit galt, dass die res publica literaria nicht vor territorialen, sozialen oder religiösen Grenzen Halt machte.100 Aus diesem Grund spielte für deren Mitglieder die Kommunikation eine entscheidende Rolle, die mit Hilfe von Briefen gewährleistet wurde, wodurch über große Entfernungen hinweg Kontakt gehalten und Identität gestiftet werden konnte.101 Wie bereits ausgeführt, geht die Entdeckung des Briefes als Kommunikationsmedium auf die Humanisten zurück und zahlreiche Lehrbücher sind in diesem Zusammenhang von führenden Köpfen der res publica literaria verfasst worden.102 Der Brief wurde nicht nur benutzt, um sich nach dem Befinden des Adressaten zu erkundigen, sondern um über gegenwärtige Fragen zu diskutieren oder über neue Forschungsvorhaben zu informieren. Häufig stößt man auch auf Bitten, dass sich der Adressat für einen einsetzen oder einem potentiellen Auftraggeber oder einer prominenten Figur empfehlen möge. Diese Form der Korrespondenz, die als Vorläufer späterer Fachjournale angesehen wird,

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Heumann, Conspectus reipublicae literariae, S. 158: Feracissimum proinde eruditorum hominum hoc saeculum fuit, ut vix principes eorum omnes nominare per definiti spatii angustiam liceat; singulos vero describere, vasti res sit […] voluminis. Ebd., S. 154f., 159. Zur theologischen Entwicklung des Erasmus vgl. u.a. Richard L. DeMolen, The Interior Erasmus, in: Ders. (Hrsg.), Leaders of the Reformation, London [u.a.] 1984, S. 11-42. Vgl. Rainer Wohlfeil, Einführung in die Geschichte der deutschen Reformation, München 1982, S. 115: „Die Humanisten entstammten mehrheitlich keineswegs städtischen Ober-, sondern sozial minder- oder gar unterprivilegierten Schichten, so daß sich mit dem Humanismus gesellschaftlicher Aufstieg verbinden konnte. Humanistische Selbstverwirklichung vollzog sich meist im Wechselspiel von individueller Entfaltung und gesuchter Einbindung in eine ‚sodalitas‘ als die für den Humanismus unentbehrliche ‚kommunikative Lebensform‘ (Otto Herding); sie trug vor allem dazu bei, soziale Unterschiede zu überwinden.“ Dieser These der sozialen Zuordnung vieler Humanisten widerspricht Erich Maschke, Deutsche Städte am Ausgang des Mittelalters, in: Wilhelm Rausch (Hrsg.): Die Stadt am Ausgang des Mittelalters, Linz 1974, S. 1-44, hier: S. 24f. Waquet, Qu’est-ce que la République des lettres?, S. 493: „C’est que la communicatio est essentielle à l’existence même de la République des Lettres. Toute lettre implique une réponse, tout don un contredon. […] ‚Me revancher‘, ‚m’acquitter de mes dettes‘, ‚être redevable’, ces expressions reviennent souvent sous la plume de l’érudit aixois qui se perd parfois dans cette étrange comptabilité où tout service, toute obligation sont dûment enregistrés.“ Zur Bedeutung und Wiederentdeckung des Briefs als Kommunikationsmedium sei besonders verwiesen auf: Franz Josef Worstbrock (Hrsg.), Der Brief im Zeitalter der Renaissance, Weinheim 1983 (DFG, Kommission für Humanismusforschung, Mitteilungen 9).

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war nicht im heutigen Sinne privat. Gerade weil es als besondere Auszeichnung galt, von den prominentesten Vertretern der Gelehrtenrepublik einen Brief zu erhalten, wurde dieser gerne auch öffentlich verlesen und herumgereicht.103 Ebenso kam es nicht selten vor, dass ganze Briefeditionen einer Person noch zu ihren Lebzeiten publiziert wurden. Waquet verweist daher zu Recht darauf, dass die Kommunikation der res publica literaria immer auch untrennbar mit der Mitwisserschaft der Allgemeinheit verbunden war.104 Allerdings muss in diesem Zusammenhang die Frage gestellt werden, wie umfassend die Allgemeinheit geartet war. Wer hatte neben den Humanistenfreunden engen Kontakt zu einem Mitglied der Gelehrtenrepublik? Wer konnte daran teilhaben, wenn ein Brief in einem öffentlichen Rahmen verlesen wurde? – Im Folgenden muss daher zunächst betrachtet werden, wer überhaupt eine Schule besuchen oder gar ein Universitätsstudium absolvieren konnte. 1.2.) Schulbesuch und Universitätsstudium Der gerade einmal einundzwanzigjährige Philipp Melanchthon beglückwünschte in seiner am 29. August 1518 gehaltenen Antrittsvorlesung die versammelte Studentenschaft für die Studienbedingungen, die ihnen in Wittenberg geboten wurden: Porro vobis Adulescentibus vestram gratulor foelicitatem, quibus benignitate optimi ac sapientissimi Principis nostri Friderici, Ducis Saxoniae, Electoris, contigit longe saluberrimis erudiri: fontes ipsos artium ex optimis authoribus hauritis.105

Die kursächsische Universität verfügte wohl nicht zuletzt aufgrund ihres jungen Alters und des Willens zur Innovation über eine ver-

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Wenn Hagen Keller (Mediale Aspekte der Öffentlichkeit im Mittelalter: Mündlichkeit – Schriftlichkeit – symbolische Interaktion, in: Frühmittelalterliche Studien 38 (2004), S. 277-286, hier: S. 284) schrieb: „Öffentlichkeit bedeutet Zeugenschaft und Partizipation der konkreten Lebensgemeinschaft; je nach Anlaß und nach der Position der Beteiligten kann diese Öffentlichkeit weiter oder enger gefaßt sein“, so legt er damit Kriterien dar, die eindeutig auch bei der Kommunikation mittels Humanistenbriefen erfüllt werden. Waquet, Qu’est-ce que la République des lettres?, S. 495: „Or, selon moi, le concept même de République des Lettres est inséparable de la permanence d’une conscience de l’universel ; il est, dans l’ordre de la sociabilité savante, la traduction dùne aspiration très vivante à l’unité.“ Philippi Melanthonis Opera quae supersunt omnia, vol. XI, ed. Carl Gottlieb Bretschneider, Halle 1843, hier: De corrigendis adolescentiae studiis, Sp. 15-25, hier: Sp. 22.

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gleichsweise gute Struktur, wenngleich sie in termino civilitatis106 lag und sich gerade in den Philologien noch im Aufbau befand. (Man wollte hier nach dem Vorbild des Collegium trilingue in Löwen ebenfalls Lehrstühle in allen drei alten Sprachen einrichten, wobei die Hebraistik mehrere Jahre unbesetzt blieb und vom Gräzisten Melanchthon mit betreut wurde.) Für Melanchthon boten sich hier ein außerordentliches Entwicklungspotential und Reformgelegenheiten – eine Bildungssituation, die nicht häufig zu finden war.107 Mehrfach kritisierte er die Vernachlässigung des Schul- und Universitätswesens im Reich und erinnerte Fürsten und Ratsherren an ihre Verantwortung.108 Bevor die insbesondere reformatorische Schulreform umgesetzt oder auch Humanistenschulen in größerer Zahl – vielfach auf Betreiben Melanchthons – eröffnet werden konnten, was zumindest in vielen Städten zu weiteren Schulgründungen führte, war der Schulbesuch noch selten möglich.109 Die mutmaßlich hohen An-

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Vgl. WA Tischreden 3, Nr. 3433, S. 314, Z. 13-16: Wir sitzen alhier zcu Wittenbergk in einem schindelandt, nam Vuitenberga testante D. Mellerstadt est in termino civilitatis; si paulo ultra progressi fuissent, tunc essemus in media barbarie. Im ‚Encomium eloquentiae‘, das 1523 als Wittenberger Universitätsrede gedruckt wurde, brachte Melanchthon harsche Kritik an den meisten Fürsten zum Ausdruck, da viele sich ihrer Verantwortung entzögen, eine angemessene Bildungsstruktur in ihrem Territorium zu gewährleisten. Vgl. dazu: Philippi Melanthonis Opera, vol. XI, hier: Encomium eloquentiae, Sp. 50-66, hier: Sp. 57f.: Solon enim et Pisistratus lege constituerunt, ut illius [i.e. Homeri] carmen ordine digereretur. Nam aureo illo seculo adhuc suarum partium Principes esse sentiebat, praestare, ne quod utile scriptum intercideret. Nunc regium nihil est, nisi idem sit a;μουσον. Zur allgemeinen Situation der frühneuzeitlichen Universität vgl.: Walter Rüegg (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa, Bd. 2: Von der Reformation zur Französischen Revolution (1500-1800), München 1996; Die Frühe Neuzeit: Die territoriale Universität in der Herausforderung durch Humanismus, Konfessionalisierung und Aufklärung (1400-1790), in: Wolfgang E. J. Weber, Geschichte der europäischen Universität, Stuttgart 2002, S. 71-153. Ähnliches findet sich wiederholt auch bei Luther – in besonderem Maße in seinem 1524 veröffentlichten Aufruf „An die Ratherren aller Städte deutsches Lands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen.“ (WA Schriften 15: Predigten und Schriften, S. 9-47). Vgl. Janota, Grundriss zu einer Geschichten der deutschen Literatur im Spätmittelalter, S. 404: „Der zunehmenden Verschriftlichung auf allen Gebieten antwortet ein Aufschwung kirchlicher und städtischer Schulen öffentlicher wie privater Art. Hier wurde ein laikales Lesepublikum herangebildet, das die neue Vielfalt der volkssprachigen Schriftliteratur überhaupt erst rezipieren konnte, ohne immer nur auf den – freilich weiterhin u.a. in der Predigt, im Spiel oder im Lied vorhandenen – Vortrag angewiesen zu sein. Ansteigende Lesekompetenz, wachsendes Lesebdürfnis und stetige Zunahme von Literatur zum Lesen verändern grundlegend und über das Spätmittelalter hinausweisend die Möglichkeiten und Formen des literarischen und kulturellen Lebens. Ihren nachhaltigen Erfolg wird diese Umstrukturierung der lite-

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teile der Analphabeten an der Gesamtbevölkerung haben deutlich gemacht, dass in den meisten Fällen kein Schulbesuch erfolgte oder nur wenige Jahre währte. Die Gründe sind hier einerseits in der schlechten infrastrukturellen Situation der Schullandschaft zu sehen, da ein Großteil der Bevölkerung auf dem Land lebte, wo es an Schulen schlichtweg mangelte, andererseits aber auch die mit einem Schulbesuch verbundenen Kosten häufig nicht aufzubringen waren. Gerade im Falle von Lateinschulen, in denen Schülerschaft und Lehrer oft eine Hausgemeinschaft bildeten, fielen Zahlungen an den Lehrer wie auch für die Verköstigung an.110 Die unterschiedlichen Ausbildungsmöglichkeiten zeigen sich bei einem Vergleich der schulischen Laufbahnen von Melanchthon und Erasmus von Rotterdam: Melanchthon, dessen Großvater zu den reichsten Männern Brettens gehörte und dessen Vater selbst in kurfürstlichen Diensten stand, gehörte somit qua Geburt zu den wenigen Personen, für die der Besuch einer Lateinschule nicht nur erschwinglich, sondern auch standesgemäß war.111 Aber auch Erasmus von Rotterdam als unehelicher Sohn eines Priesters hatte die Möglichkeit, eine Schule in Gouda zu besuchen. Anschließend wechselte er für fünf Jahre auf eine Lateinschule, die von dem renommierten Alexander Hegius geleitet wurde, der seinerseits von Agricola unterrichtet worden war.112 Nach dem kurz aufeinanderfolgenden Tod beider Elternteile war ihm die Fortsetzung seines Schulbesuchs nicht mehr vergönnt, so dass er bald von seinem Vormund einem Kloster übergeben wurde. Auch wenn Erasmus nur die unteren Klassen besucht hatte, so genügte dieser Aufenthalt, um fließend Latein sprechen und schreiben zu können. Das gewünschte Studium konnte er jedoch im Anschluss zunächst nicht antreten, da die notwendigen finanziellen Mittel fehlten.113 Für Melanchthon hingegen stand außer Zweifel, dass er zum frühest möglichen Zeitpunkt ein Studium aufnehmen werde. Der Tod des Vaters hatte hier keinerlei negative Auswirkungen – eher im Gegenteil: Sein Großonkel Jo-

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rarischen Kommunikation allerdings erst mit dem Schul- und Bildungswesen der Reformationszeit erfahren.“ Vgl. Rainer Christoph Schwinges, Sozialgeschichtliche Aspekte spätmittelaltlerlicher Studentenbursen in Deutschland, in: Johannes Fried (Hrsg.): Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters, Sigmaringen 1986 (Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte 30), S. 527-564. Vgl. Martin H. Jung, Philipp Melanchthon und seine Zeit, Göttingen 2010, S. 11-13. Vgl. dazu: Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 11; Cornelis G. van Leijenhorst, Art. Alexander Hegius, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 2, S. 173. Vgl. Ribegge, Erasmus von Rotterdam, S. 12.

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hannes Reuchlin, der wohl führende Hebraist seiner Zeit, setzte sich für ausgezeichnete Ausbildungsbedingungen seines Schützlings ein. Dadurch war es Melanchthon möglich, in derart kurzer Zeit sein Studium in Heidelberg zu beenden, dass er hier nicht zur Promotion zugelassen werden konnte, weil er zu jung war. Der Wechsel nach Tübingen und die dortige Fortsetzung seiner Studien wurden zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt, so dass er mit einundzwanzig Jahren in Wittenberg eine Professur übernehmen konnte.114 Erasmus hingegen erlangte seinen Doktorgrad der Theologie erst in einem Alter von 37 bzw. 40 Jahren.115 In zwei Briefen aus dem Jahr 1506 unterrichtete er seine Adressaten zwar darüber, verschwieg aber den Ort der Promotion.116 Der Grund dafür war, dass er an der renommierten theologischen Fakultät der Universität von Bologna promoviert werden wollte, doch scheiterte dies an seiner ‚bedenklichen‘ Abstammung: Aufgrund seiner unehelichen Geburt wurde ihm der Doktorgrad hier verweigert. Er sah sich daher gezwungen, diesen in Turin zu erlangen.117

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Vgl. Jung, Philipp Melanchthon und seine Zeit, S. 13f. Auf die Unsicherheit seines Geburtsjahres wird im Folgenden noch näher eingegangen. Allen I, Nr. 201, S. 432 (datiert auf 4. Nov. 1506, Florenz; adressiert an Obrecht) sowie Nr. 203, S. 433 (datiert auf 16. Nov. 1506, Bologna; adressiert an Servatius Roger). Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 58f. Ebd. ist wohl Ribhegge nicht zuzustimmen, wenn er schreibt: „Erasmus maß seinem akademischen Titel keine große Bedeutung bei. […] Erasmus praktisch keinen Gebrauch von dem Titel, anders als Luther, der sich als ‚Doctor Martinus Luther‘ anreden ließ.“ Für Erasmus stand die Intention im Vordergrund, gegenüber Kritikern theologische Kenntnisse mit Hilfe des Doktortitels sichtbar zu machen. Huizinga (Erasmus. Eine Biographie, S. 65) hat ebenfalls die Ansicht vertreten, Erasmus habe diesem Grad keine allzu große Bedeutung beigemessen, sondern ihn hauptsächlich als Notwendigkeit für weitere Studien angesehen. Ähnliches schreibt Paul F. Grendler, Renaissance Education Between Religion and Politics, Aldershot 2006, S. 42: „Nevertheless, Erasmus wanted a doctorate of theology, and he yearned to visit Italy. Although he held doctors of theology in contempt, and denied that doctorates made men better Christians, he believed that readers would pay more attention to his message if he were a doctor of theology.” Diesen Eindruck kann man zwar aus in einem Brief an Anna van Borsselen vom Januar 1501 gewinnen, worin Erasmus das Vorhaben, nach Italien zu reisen, wie auch dort den Doktorgrad zu erwerben, als töricht bezeichnete, man sich aber nun einmal nach dem Brauch der Zeit richten müsse (vgl. Allen I, Nr. 145, S. 342-346). Dieser Deutung widerspricht allerdings, dass Erasmus nach eigener Aussage das Studium in Paris fast ausschließlich in der Absicht aufgenommen habe, den Doktorgrad zu erwerben (vgl. dazu: Allen I, Nr. 48, S. 158-160 [datiert auf 13. Sept. 1496, Paris; adressiert an Nikolaus Werner] sowie Nr. 75, S. 202 [datiert auf ca. April 1498, Paris; adressiert an Arnold Bostius]). Daneben hat Grendler (Renaissance Education, S. 41) die Thesen aufgestellt, dass Erasmus in

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Bereits die in der späteren Historiographie als erste Generation deutscher Humanisten bezeichneten Personen waren davon überzeugt, dass es zu einem vorzeigbaren Studienverlauf gehöre, sich längere Zeit an einer ausländischen Universität aufzuhalten. Den besten Ruf hatten – nicht zuletzt aufgrund der von Dante, Petrarca und Boccaccio geprägten italienischen Renaissance – die Studienstätten jenseits der Alpen. „Hier an den Universitäten des Veneto und der Lombardei, vor allem in Padua und Pavia, wo deutsche Studenten wie Albrecht von Eyb, Heinrich Steinhöwel, Hermann Schedel, um nur die wichtigsten zu nennen, das Studium der Jurisprudenz bzw. der Medizin absolvierten, wurden sie mit jenem konservativen petrarkischen Frühhumanismus vertraut gemacht.“118

Dies mag wohl auch Erasmus bewogen haben, sich an einer italienischen Universität promovieren zu lassen, wenn er sich hier schon nicht als Student hatte einschreiben können. Angesichts der ungleich schwierigeren Startbedingungen des Erasmus im Vergleich zu Melanchthon hat er dennoch den höchsten (theologischen) Doktorgrad erlangt.

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England Turin empfohlen worden sei und dass es die Absicht des Erasmus gewesen sei, das Doktorat möglichst leicht zu erlangen (ebd., S. 60). Beides entbehrt meines Erachtens stichhaltiger Belege. Vgl. Christa Bertelsmeier-Kierst, Übersetzungsliteratur im Umkreis des deutschen Frühhumanismus: Das Beispiel „Griseldis“, in: Joachim Heinzle (Hrsg.): Übersetzen im Mittelalter: Cambridger Kolloquium 1994, Berlin 1996 (Wolfram-Studien. Veröffentlichungen der Wolfram-von-Eschenbach.Gesellschaft 14), S. 323-343, bes.: S. 326f. Diesen ‚italienischen Universitätstourismus‘ hat dieselbe Autorin in einem anderen Aufsatz dahingehend differenzierter dargestellt, in dem sie schrieb, die deutschen Humanisten haben zunächst den petrarkischen Frühhumanismus aufgenommen, erst später den toskanischen Humanismus, den Hans Baron auch mit dem Begriff des „Bürgerhumanismus“ zu umschreiben versucht hat. Vgl. dazu: Christa Bertelsmeier-Kierst, Wer rezipiert Boccaccio? Zur Adaption von Boccaccios Werken in der deutschen Literatur des 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 127 (1998), S. 410-426, hier: S. 413. Hans Baron, The Crisis of the Early Italian Renaissance. Civic Humanism and Republican Liberty in the Age of Classicism and Tyranny, 2 Bde., Princeton 1955. Alois Schmid hat am Beispiel der bayerischen Prinzen deutlich gemacht, dass eine Bildungsreise nach Italien fester Bestandteil des Ausbildungsprogramms war (vgl. A. Schmid: Stadt und Humanismus. Die bayerische Haupt- und Residenzstadt München, in: Klaus Malettke / Jürgen Voss (Hgg.): Humanismus und höfisch-städtische Eliten im 16. Jahrhundert, Bonn 1989 (Pariser Historische Studien 27), S. 239-278, hier: S. 242). Vgl. auch: Agostino Sottili, Ehemalige Studenten italienischer RenaissanceUniversitäten: ihre Karrieren und ihre soziale Rolle, in: Schwinges (Hrsg.), Gelehrte im Reich, S. 41-74, hier: S. 44f.

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Ein großer Teil der Studenten hielt sich hingegen oft nur wenige Semester an einer Universität auf, ohne einen Abschluss erreicht zu haben. Von den akademischen Graden wurden die untersten, das Bakkalaureat und Lizentiat, am häufigsten erworben, in seltenen Fällen auch das Magisterium.119 Über einen Universitätszugang entschieden noch stärker als über einen Schulbesuch die soziale Herkunft und der finanzielle familiäre Hintergrund.120 Vielfach scheiterte man aber bereits an der mangelnden schulischen Ausbildung, da hier auch zusätzlich von Einfluss war, wo man wohnte und ob eine Schule in unmittelbarer Nähe war.121 Ein Stipendiatensystem etablierte sich größtenteils erst in den nachreformatorischen Jahrzehnten, als sich in zunehmendem Maße das Bewußtsein entwickelte, auf diese Weise den Nachwuchs für die landesherrliche Verwaltung rekrutieren zu können.122

2.) Volkssprachliche Teilöffentlichkeit 2.1.) Wer war der ‚gemeine Mann‘? Was Bildungsstand und gewisse Kenntnisse des ‚gemeinen Volkes‘ betrifft, hat Johann Georg Krünitz im 18. Jahrhundert mit Blick auf

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Vgl. dazu: Rainer A. Müller, Zu Struktur und Wandel der Artisten- bzw. Philosophischen Fakultät am Beginn des 16. Jahrhunderts, in: Rainer Christoph Schwinges (Hrsg.): Artisten und Philosophen. Wissenschafts- und Wirkungsgeschichte einer Fakultät vom 13. bis zum 19. Jahrhundert, Basel 1999 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 1), S. 143-159. Vgl. Weber, Geschichte der europäischen Universität, S. 94: „[Es] rekrutierte sich die Mehrheit der Studenten auch in der Frühen Neuzeit aus nichtadeligen, also im wesentlichen bürgerlichen Schichten. […] Allerdings ist nicht zu übersehen, daß der Wettstreit zwischen Adels- und Bürgersöhnen weitgehend zu Lasten der scholares pauperes erfolgte. Immer mehr bürgerliche Studenten stammten in dieser Epoche aus dem gut situierten Bürgertum, während der Anteil der kleinen Handwerkersöhnen oder gar der sich selbst ernährenden Armenstudenten schrumpfte.“ Vgl. Arno Seifert, Das höhere Schulwesen: Universitäten und Gymnasien, in: Notker Hammerstein (Hrsg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 1: 15. bis 17. Jahrhundert. Von der Renaissance und der Reformation bis zum Ende der Glaubenskämpfe, München 1996, S. 197-345. Ders.: Studium als soziales System, in: Fried (Hrsg.), Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters, S. 601-620. Dazu: Klaus Wriedt, Studienförderung und Studienstiftungen in norddeutschen Städten (14.-16. Jahrhundert), in: Heinz Duchhardt (Hrsg.): Stadt und Universität, Köln / Weimar / Wien 1993 (Städteforschung. Veröffentlichungen des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in Münster. Reihe A: Darstellungen 33), S. 33-49.

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Intelligenzblätter in seiner „Oekonomischen Encyklopädie“ Folgendes geschrieben: „Die Benennung ist aus dem lat. entlehnt. „Intelligentia popularis“, heißt, bey dem Cicero, dasjenige, was der gemeine Mann begreift und versteht. Die Italiener geben daher solchen gemeinen Nachrichten den Namen „Intelligenza“. Die Römer nannten die Anzeige desjenigen, was täglich in der Stadt vorgegangen war, „Libros diurnos“ oder schlechtweg „Diurnos“ […], daraus die Franzosen ohne Zweifel ihr Wort „Journal“ gemacht, obwohl hernach dessen Bedeutung etwas weiter ausgedehnt haben. Hiernach nannten auch die neueren Italiener solche Tageszeitungen „Giorno“ oder „Giornale“. Weil die Zeitungen auch vornehmlich in solchen Dingen bestanden, womit sich das gemeine Volk in seinem Geschwätze unterhielt, so nannten die Venetianer insonderheit ein solches Intelligenzblatt „Gazetta“ […]. Aus Italien kam die Sache nach England, und auch da brauchte man das Wort Intelligenz in der engern Bedeutung von Kenntnissen, die zu vulgairen, täglichen, und den Ungelehrten nöthigen Dingen dienen, […].“123

Wenngleich diese Definition aus einem gewissen Blickwinkel und in negativer Konnotation formuliert ist, so weist sie doch auf eine charakteristische Eigenschaft des ‚gemeinen Mannes‘ hin, die auch für das frühe 16. Jahrhundert konstatiert werden kann: Er nahm – auch weil ihm die Kenntnisse fehlten – nicht am wissenschaftlichen Diskurs teil, sondern war vor allem interessiert an Tagesliteratur. Dies erklärt auch, warum die volkssprachlich verfassten Flugblätter und Flugschriften in der Reformationszeit so großen Widerhall in der breiten Bevölkerung fanden.124 Erstmals wurde hier das gemeine Volk mit in eine öffentliche Diskussion einbezogen, die zunächst von Gelehrten ausging.125 Besonders die Sorge um das eigene Seelenheil war Grund und Anlass des ‚gemeinen Mannes‘, sich an den Geschehnissen zu beteiligen. Die Ausweitung der Diskussionsteilnehmer ging von den Reformatoren aus. Ulrich von Hutten wollte mit seinem Gebrauch der deutschen Sprache allen „die Wahrheit aufzeigen“, Luther und Eras-

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Vgl. Johann Georg Krünitz, Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft in alphabetischer Ordnung, Dreißigster Teil, Brünn 1789, hier: S. 425. Vgl. Hans-Joachim Köhler (Hrsg.), Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit, Beitr. zum Tübinger Symposion 1980, Stuttgart 1981 (Spätmittelalter und frühe Neuzeit 13). Vgl. etwa: Hans-Jörg Künast, „Getruckt zu Augspurg“. Buchdruck und Buchhandel in Augsburg zwischen 1468 und 1555, Tübingen 1997, S. 184; ders., Buchdruck und Buchhandel von Gutenberg bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Georg Vogeler (Hrsg.): Geschichte „in die Hand genommen“, München 2005 (Münchner Kontaktstudium Geschichte 8), S. 71-91, hier: S. 78f.

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mus beabsichtigten, allen Menschen den Zugang zur Heiligen Schrift zu ermöglichen.126 Hannes Kästner hat meines Erachtens eine treffende Abgrenzung vorgenommen, wenn er schreibt: „Als allgemeine Merkmale kann man seine [– des ‚gemeinen Mannes‘ –] nicht-privilegierte Stellung im Gesellschaftsgefüge, besonders aber seinen Mangel an gelehrter Bildung herausheben.“127 Dass es sich hier jedoch ausschließlich um ungebildete Personen und Angehörige niederer Bildungsschichten handelte, ist ein falscher Eindruck.128 Der ‚gemeine Mann‘ der Frühen Neuzeit ist nicht deckungsgleich mit dem Begriff des ‚einfachen Mannes‘ im heutigen Sinne.129 Auch erscheinen mir Bildung und sprachliche Kenntnisse als alleinige Unterscheidungskriterien unzureichend. Wie auch am Verhältnis mancher Adliger zur lateinischen bzw. deutschen Sprache zu beobachten ist, verfügte doch ein nicht geringer Teil der deutschen Fürsten weder über Kenntnisse im Lateinischen noch über eine

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Dass der ‚gemeine Mann‘ oft gleichgesetzt wurden mit einem lateinunkundigen Menschen kommt neben dem Beispiel Huttens auch bei Paracelsus zum Ausdruck, der seine Vorlesungen schon früh in der Volkssprache hielt, damit „die arzney in erkanntnis des gemain man komme“. Vgl. Erich Strassner, Deutsche Sprachkultur: von der Barbarensprache zur Weltsprache, Tübingen 1995, hier: S. 34. Vgl. Hannes Kästner, Antikes Wissen für den ‚gemeinen Mann‘. Rezeption und Popularisierung griechisch-römischer Literatur durch Jörg Wickram und Hans Sachs, in: Bodo Guthmüller (Hrsg.): Latein und Nationalsprachen in der Renaissance. Vorträge des 37. Wolfenbütteler Symposions in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 25. bis 28. September 1995, Wiesbaden 1998, S. 345-378, hier: S. 351. Kästner (ebd.) hat auf den Forschungsstand aufmerksam gemacht: „Die Vorstellung, es handele sich bei dem oft zitierten „gemeinen Mann“ konkret um einen Vertreter des einfachen Volkes aus den unteren Schichten, hat man in der Forschung mittlerweile zugunsten einer differenzierten Betrachtung aufgegeben.“ – Daneben verweise ich auf die einschlägigen Studien zur Definition des „gemeinen Mannes“: Robert H. Lutz, Wer war der gemeine Mann?, in: Peter Blickle (Hrsg.): Der deutsche Bauernkrieg von 1525, Darmstadt 1985, S. 452-467; ders., Wer war der gemeine Mann?: Der dritte Stand in der Krise des Spätmittelalters, München 1979. Auf Luthers Unterscheidung von Gelehrtem und Nichtgelehrtem hat Moeller, Das Berühmtwerden Luthers, S. 73, hingewiesen: „Als Leser hatte Luther auf der einen Seite, als ‚Gelehrte‘, neben den studierten Theologen auch andere akademisch Gebildete mit deutlicher Präferenz der Humanisten vor Augen, auf der anderen Seite Nichtstudierte – dies besagt in diesem Kontext sein Begriff des ‚Laien‘.“ Vgl. dazu auch: ebd., S. 72, sowie Georg Steer, Zum Begriff ‚Laie’ in deutscher Dichtung und Prosa des Mittelalters, in: Ludger Grenzmann / Karl Stackmann (Hgg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, Stuttgart 1984, S. 764-768. Die Bedeung der Sprachwahl wird auch darin deutlich, dass Luther erst zum Ketzer erklärt wurde, nachdem seine Schriften in der Volkssprache veröffentlicht worden waren. Vgl. dazu: Moeller, Das Berühmtwerden Luthers, S. 88.

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akademische Ausbildung.130 Wer wollte aber den Adel dem ‚gemeinen Volk‘ zurechnen? Der Hinweis scheint daher angebracht, dass neben der Differenzierung nach Sprache und Bildung – worauf zugegebenermaßen das Augenmerk liegt – auch andere Kriterien eine Rolle spielten. Erinnert sei daher an Unterscheidungen auf soziologischen, sozialen, wirtschaftlichen u. ä. Ebenen. Mit Blick auf die Lektüre von Texten unterscheidet sich diese Gruppe, die die große Mehrheit der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft ausmachte, dennoch am auffälligsten von den Gelehrten in ihren fehlenden Lateinkenntnissen. Das bedeutet allerdings nicht, dass ein Autor wie Erasmus von Rotterdam, der sich ausschließlich des Lateinischen bediente, erst nach Veröffentlichung volkssprachiger Übersetzungen seiner Texte ins Bewußtsein der großen lateinunkundigen Teilöffentlichkeit kam. Wie noch zu zeigen sein wird, gibt es zahlreiche Beispiele, die verdeutlichen, dass Erasmus bereits Jahre zuvor eine bekannte Größe für das ‚gemeine Volk‘ darstellte, bevor Übersetzungen seiner Werke erschienen. Somit kann als weiteres Unterscheidungskriterium hervorgehoben werden, dass nicht die eigene Lektüre in erster Linie Gegenstand der Informationsbeschaffung für den ‚gemeinen Mann‘ war, sondern hier andere Kommunikations- und Informationswege ins Auge gefasst werden müssen. Da Erasmus gerade in den 1520er Jahren in der Teilöffentlichkeit der lediglich volkssprachlich Lesekundigen – bedingt durch die einsetzende Veröffentlichung von Übersetzungen – noch einmal an Popularität und Bekanntheit gewann,131 ist es sinnvoll, im nächsten Schritt nach dem Grad der Alphabetisierung zu fragen.

3.) Alphabetisierungsrate / Verbreitung von Lese- und Schreibfertigkeiten in der Gesellschaft Zunächst muss von der Annahme ausgegangen werden, dass die Verbreitung von Lese- und Schreibfähigkeit in der deutschsprachigen Gesellschaft des 15. und 16. Jahrhunderts sehr unterschiedlich ausgeprägt war. Hier sind nicht in erster Linie die Unterschiede zu sehen, die sich aus sozialer Stellung ergaben, sondern eher jene, die geogra-

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Vgl. Christoph Galle, Fürstenhöfe als Zentren lateinischer und volkssprachlicher Entwicklung. Das Verhältnis Adel - Sprache im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert, in: Mittellateinisches Jahrbuch 45 (2010), S. 245-257. Vgl. Galle, Erasmus-Rezeption im Reich und in England, S. 30-33.

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phisch bedingt waren. In Städten war der Informationserwerb wesentlich einfacher, was u.a. ein Grund dafür war, dass dort die Reformation zunächst Fuß fassen konnte. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, wenn Arthur G. Dickens die Reformation als „urban event“132 umschrieb und damit hervorhob, dass die Sprache eines der wichtigsten Instrumente zur Verbreitung der reformatorischen Botschaft gewesen war.133 Ungeachtet der immer noch andauernden Kontroverse über die These des urban event führt dies doch das Faktum zu Tage, dass der Informationserwerb und die Teilhabe am öffentlichen Diskurs nicht überall gleich gegeben waren. So wie es Unterschiede zwischen Stadt und Land gab, gab es sie auch zwischen Städten untereinander und zwischen verschiedenen Regionen im Reich. Dass die Alphabetisierungsrate in Städten höher war als auf dem Land, wo in Bezug auf Bildung und Schulen eine geringere Infrastruktur vorlag, und wiederum in Universitätsstädten oder Zentren des Buchdrucks

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Vgl. Arthur G. Dickens, The German Nation and Martin Luther, London 1974, hier: S. 182: „[…] the German Reformation was an urban event at once literary, technological and oratorical.” Vgl. dazu auch: Heinz Schilling, Konfessionskonflikt und Staatsbildung. Eine Fallstudie über das Verhältnis von religiösem und sozialem Wandel in der Frühneuzeit am Beispiel der Grafschaft Lippe, Heidelberg 1981 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 48), bes. S. 138-150. Auch zwischen verschiedenen Regionen des Reiches gab es Unterschiede des Bildungsniveus und des Stellenwertes von Bildung in der Bevölkerung. „Im Reich wußte man den Rang von Gelehrten wohl zu dieser Zeit nirgendwo besser einzuschätzen als im Rheinland, vom Niederrhein bis zum Oberrhein, wo die ersten Blockbücher in Konkurrenz zum aufkommenden Buchdruck ab 1465 entstanden, in einer schon klassischen Führungslandschaft, die zugleich auch der unmittelbare Einzugsraum sehr erfolgreicher Universitäten war: Löwen und Köln, Heidelberg, Freiburg und Basel“, so Rainer Christoph Schwinges (Karrieremuster: Zur sozialen Rolle der Gelehrten im Reich des 14. bis 16. Jahrhunderts, in: Ders. (Hrsg.), Gelehrte im Reich, S. 11-22, hier: S. 15. Vgl. auch Andrew Pettegree / Matthew Hall, Buchdruck und Reformation – Eine Neubetrachtung, in: Enno Bünz (Hrsg.): Bücher, Drucker, Bibliotheken in Mitteldeutschland. Neue Forschungen zur Kommunikations- und Mediengeschichte um 1500, Leipzig 2006 (Schriften zur Sächsischen Geschichte und Volkskunde 15), S. 343-371; Hans-Christoph Rublack, Gescheiterte Reformation: Frühreformatorische und protestantantische Bewegungen in süd- und westdeutschen geistlichen Residenzen, Stuttgart 1978 (Spätmittelalter und frühe Neuzeit 4), hier: S. 125; Bernd Moeller, Stadt und Buch. Bemerkungen zur Struktur der reformatorischen Bewegung in Deutschland, in: Stadtbürgertum und Adel in der Reformation: Studien zur Sozialgeschichte der Reformation in England und Deutschland, hrsg. von Wolfgang J. Mommsen in Verb. mit Peter Alter / Robert W. Scribner, Stuttgart 1979 (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 5), S. 25-39. Zu den zahlreichen Multiplikatoren bei der Verbreitung der reformatorischen Gedanken vgl. Probleme deutscher Geschichte 1495-1806, hrsg. von Wolfgang Reinhard, 10. völlig neu bearb. Aufl., Stuttgart 2001 (Handbuch der deutschen Geschichte 9), hier: S. 281-284, 289-293.

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höher als in anderen Städten, kann wohl nicht angezweifelt werden. Wenngleich die Quellenlage zu dieser Fragestellung denkbar schlecht ist, hat es Hans-Jörg Künast, sich berufend auf einschlägige Studien, nicht für übertrieben gehalten anzunehmen, dass 1/3 der Bevölkerung Augsburgs, Nürnbergs und vergleichbarer Städte seit der Reformation über Lesefähigkeit verfügte.134 Bekanntlich ist die überwiegende Forschungsmeinung, die Reformation sei Motor gewesen zur selbständigen Lektüre bzw. zur Aneignung von Lese- und Rechtschreibfähigkeit. Diese Vermutung liegt nahe – war der ‚gemeine Mann‘ nun schon eher in den öffentlichen Diskurs mit einbezogen und lagen Schriften in seiner Sprache vor, so war vielen natürlich auch daran gelegen, in der eigenen Sprache lesen zu können.135 Ungeachtet dieser Entwicklung hat Rolf Engelsing Zahlen genannt, die ich noch einmal in Erinnerung rufen möchte: „Wir müssen damit rechnen, daß sich das Publikum in Deutschland im 16. Jahrhundert auf 400 000 bis 800 000 Menschen vergrößerte. Man kann wohl auch mit einem höheren Anteil an der Gesamtbevölkerung als mit 5 Prozent rechnen.“136

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Vgl. Hans-Jörg Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 85f. Desweiteren verweise ich auf: Rudolf Endres, Nürnberger Bildungswesen zur Zeit der Reformation, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnbergs 71 (1984), S. 109-128; Hans-Otto Keunecke, Jobst Gutknecht, der Drucker des Nürnberger Rates, in: Gutenberg-Jahrbuch 62 (1987), S. 146-157. Keunecke schrieb (S. 154): „Der Rat ging davon aus, daß in jedem Haushalt eine Person lesen konnte, sonst wäre es sinnlos, gedruckte Mandate in so hoher Zahl zu drucken.“ Vgl. Alfred Wendehorst, Wer konnte im Mittelalter lesen und schreiben?, in: Fried (Hrsg.), Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters, S. 9-33; Michael Giesecke, Der Buchdruck in der frühen Neuzeit: eine historische Fallstudie über die Durchsetztung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Frankfurt am Main 1998, hier: S. 65 Rolf Engelsing (Analphabetentum und Lektüre. Zur Sozialgeschichte des Lesens in Deutschland zwischen feudaler und industrieller Gesellschaft, Stuttgart 1973, S. 35) ist ebenso davon ausgegangen, dass die religiösen Meinungsverschiedenheiten vor allem in den 1520er und 1530er Jahren für ein enormes Ansteigen der Alphabetisierungsrate verantwortlich waren. Ebd., S. 32. Johannes Buckhardt hingegen hat als Richtwerte für den Anteil der Lesefähigen in einer Stadt 25 % und gemessen an der Gesamtbevölkerung 10 % genannt. Vgl. dazu: Johannes Burkhardt, Das Reformationsjahrhundert: deutsche Geschichte zwischen Medienrevolution und Institutionenbildung 1517 – 1617, Stuttgart 2002, hier: S. 25. Vgl. dazu: Wohlfeil (Einführung in die Geschichte der deutschen Reformation, S. 125), der davon ausgegangen ist, „daß zu eigener Lektüre trotz gestiegener Lesebereitschaft nur zeitweise mehr als fünf bis allerhöchstens zehn Prozent der Gesamtbevölkerung – bei starker Differenzierung zwischen Stadt und Land – befähigt gewesen sein dürften.“

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Allerdings ist diese Aussage für die Fokussierung auf den Zeitraum bis zur Hälfte des Jahrhunderts unter Umständen nicht hilfreich, da Engelsing das gesamte Jahrhundert in den Blick nahm und sich die Früchte der insbesondere protestantischen Schulreform wohl erst in der zweiten Jahrhunderthälfte ernten ließen. Daher scheint es geboten, nach anderen Hinweisen zu suchen, die Aufschluss über die Verbreitung der Lesefähigkeit bis 1550, besonders aber für die 1520er und 1530er Jahre geben. Ebenfalls bei Engelsing findet sich die Anmerkung, es könne davon ausgegangen werden, dass lutherische Schriften in mehr als 200.000 Haushalten zu finden waren. Gemessen an der Gesamtbevölkerung würden die auf etwa 1 Mio. Menschen geschätzte Zahl von potentiellen Lesern ca. 10 % ausmachen.137 Daneben soll in Nürnberg – ebenso in anderen deutschen Städten – im 16. Jahrhundert „ein großer Teil der niederen Volksklassen“138 des Lesens und Schreibens fähig gewesen sein. Um 1600, so Karl Schottenloher, sei in Hamburg die Anzahl der Bücherkäufer auf 10 % der Gesamtbevölkerung angestiegen.139 Bereits aus diesen wenigen Hinweisen kann man den Schluss ziehen, dass in den 15 Jahren nach Veröffentlichung der Thesen Luthers weniger als 1/5 der Gesamtbevölkerung lesen konnte. Der übrige Teil erhielt seine Informationen auf anderen Wegen – etwa dem Vorlesen, der Predigt, der face-to-face-Kommunikation im Wirtshaus, den Verkündigungen auf Marktplätzen o.ä.140 Dennoch scheint die Lesefähigkeit weiter verbreitet gewesen zu sein als gelegentlich in der Forschung angenommen: Joachim Telle hat ohne Schwierigkeiten etwa hundert verschiedene Werke nennen können, die verfasst worden waren, um „durch Unwissenheit verursachtes Elend auf dem Gebiet laikaler Krankenversorgung zu lindern und Menschen literarisch beizustehen, die aus wirtschaftlichen und / oder geographischen Gründen keinen Schulmediziner aufsuchen konnten“.141 Valentin Ickelsamer

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Engelsing, Analphabetentum und Lektüre, S. 29. Willehad Paul Eckert, Erasmus von Rotterdam, Werk und Wirkung. Köln 1967, Bd. 2, S. 502. Vgl. Karl Schottenloher, Bücher bewegten die Welt – Eine Kulturgeschichte des Buches, 2 Bde., Stuttgart 1951, hier: Bd. 1, S. 119. Vgl. Esther-Beate Körber, Vormoderne Öffentlichkeiten. Versuch einer Begriffsund Strukturgeschichte, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 10 (2008), S. 3-25, bes. S. 9f. Joachim Telle, Wissenschaft und Öffentlichkeit im Spiegel der deutschen Arzneibuchliteratur. Zum deutsch-lateinischen Sprachenstreit in der Medizin des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Medizinhistorisches Journal 14 (1979), S. 35-52, hier: S. 36.

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rief daher nicht grundlos die Bevölkerung seiner Zeit auf, sich für das neue Medium zu öffnen, wenn er schrieb: Der lust aber und nutz dieser kunst / ist so groß / daß es gleich ain wunder / wie sy so wenig leut lernen und können / dann was will man doch ainer sollichen kunst vergleichen / durch welche man alles in der welt erfaren / wissen / und ewig merken […] kann?142

Dies weist zunächst einmal auf einen größeren Teil der lesefähigen Bevölkerung hin, woraus aber nicht hervorgeht, wie viele Menschen davon auch des Lateinischen mächtig waren – eine Voraussetzung, um die Texte etwa eines Erasmus von Rotterdam verstehen zu können. In welchem Maß jedoch die allgemeine Lesefähigkeit verbreitet war, muss wohl offen bleiben. Daher ist auch bei der Veröffentlichung erasmischer Werke davon auszugehen, dass ein Großteil der Bevölkerung dem intellektuellen Anspruch nicht Genüge leisten konnte. Zudem ist anzunehmen, dass die Lesergruppe bei jeder erasmischen Schrift sich anders zusammensetzte: Die erste Ausgabe der ‚Adagia‘ beispielsweise, die Meissinger als die Plattform für den späteren europäischen Einfluss des Erasmus angesehen hat,143 gewann mit Sicherheit fast ausschließlich Leser, die man dem humanistischen Milieu zuordnen würde – es handelte sich schließlich um eine Anthologie antiker Spruchweisheiten.144 Mit ‚seinem‘ Neuen Testament von 1516 hatte Erasmus hingegen wohl eher Theologen als Leser. Seine gesellschafts- und kirchenkritischen Schriften dürften über ein heterogenes Leserpublikum verfügt haben. Außerdem ist bei Schriften – wie vor allem dem ‚Moriae encomium‘ – gut denkbar, dass die von Erasmus darin formulierten Gedanken nicht nur durch die Lektüre Verbreitung fanden, sondern etwa auch durch Hörensagen. Bei diesen Werken wird er am ehesten auch lateinunkundige Bevölkerungsschichten erreicht haben, was nicht heißen soll, dass Schriften wie das ‚Enchiridion Militis Christiani‘ oder das ‚Moriae encomium‘ weniger anspruchsvoll waren. Es ist nur leichter vorstellbar, dass Gedanken, die das unmittelbare Lebensumfeld der Menschen betrafen, vorrangig auf Interesse stießen und somit auch in größeren Teilen der Bevölkerung

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Vgl. Karl Pohl, Valentin Ickelsamer – Die rechte weis aufs kürtzist lesen zu lernen – Ain Teütsche Grammatica, Stuttgart 1971, hier: A4r. Vgl. Karl August Meissinger, Erasmus und die öffentliche Meinung, Bad Wörishofen 1948, hier: S. 12, 15f. Dass die ‚Adagia‘ in besonderem Maße auf die Res publica literaria gewirkt haben, hat Gerlinde Huber-Rebenich (Erfurter Humanisten und ihre Vorbilder, S. 105) bewiesen.

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tradiert wurden als etwa das Neue Testament. Die Lesergemeinde setzte sich aber vermutlich bei jeder Schrift in einem anderen Verhältnis aus vor allem kirchentreuen bis reformatorisch gesinnten Theologen, Klerikern und Humanisten zusammen. Dass in wachsendem Maße auch andere ‚Teilöffentlichkeiten‘ – vor allem mit zunehmenden Veröffentlichungen von Übersetzungen – Interesse an Erasmus und seinen Ideen gewannen, hat George Faludy gezeigt: Danach wurde Erasmus ab 1514 insbesondere auch durch die Mittelschicht der Städte ehrfürchtig empfangen,145 die sich vermutlich nicht allein aus den o. g. drei Lesergruppen rekrutierte. Die durch Lektüre direkt oder indirekt auf kommunikativen Umwegen von Erasmus erreichte Öffentlichkeit scheint also größer gewesen zu sein als man auf den ersten Blick annehmen könnte und überstieg eindeutig die bloße Menge an lesefähigen Personen.

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Vgl. George Faludy, Erasmus von Rotterdam, Frankfurt am Main 1973, hier: S. 143.

60 B. MEDIEN

1.) Bedeutung / Einfluss des Buchdrucks Bereits 1935 hat Walter Benjamin in einem Essay deutlich gemacht, dass die Einführung einer neuen Technik als Einschnitt in der kulturellen Kontinuität aufgefasst werde.146 Einen solch enormen Wandel hat für das Spätmittelalter die Erfindung des Buchdrucks bedeutet. Auch wenn diese gelegentlich als dritte Medienrevolution nach Ausbildung der Sprache und nach Einführung komplexer Schriftsysteme bezeichnet wird,147 so entfaltete das neue Medium sei-

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Vgl. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter der Reproduzierbarkeit, Ausgewählte Schriften, 2. Bde., hrsg. von Siegfried Unseld, Frankfurt am Main 1961-66, hier: Bd. 1, S. 162. Daneben: Elizabeth L. Eisenstein, Die Druckerpresse. Kulturrevolutionen im frühen modernen Europa, Wien / New York 1997; Stephan Füssel (Hrsg.), Gutenberg und seine Wirkung, Frankfurt a. M. [u.a.] 1999; Notker Hammerstein (Hrsg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd.1: 15. bis 17. Jh., München 1996; Erdmann Weyrauch, Das Buch als Träger der frühneuzeitlichen Kommunikationsrevolution, in: Michael North (Hrsg.): Kommunikationsrevolutionen, Köln 1995, S. 1-13. Bereits Harold Adam Innis (The Bias of Communication, Toronto 1951, hier: S. 3) vertrat die These, dass jede neue Zivilisationsebene bestimmt sei von einem neuen Kommunikationsmedium, dessen Folge größere soziale und politische Umwälzungen seien. Zur Erfindung des Buchdrucks vgl. auch: Jürgen Wilke, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, 2. durchges. und erg. Aufl., Köln / Weimar / Wien 2008, S. 13-16; Horst Wenzel, Mediengeschichte vor und nach Gutenberg, 2. durchges. Aufl., Darmstadt 2008, bes. S. 53102; Andreas Würgler, Medien in der Frühen Neuzeit, München 2009 (Enzyklopädie deutscher Geschichte 85), S. 7-64; Euan Cameron, The Power of Word: Renaissance and Reformation, in: Ders. (Hrsg.), Early Modern Europe. An Oxford History, S. 63-101. So Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 75, in Anlehnung an Giesecke, Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Auf das Problem, das der Begriff der ‚Medienrevolution‘ bzw. ‚print revolution‘ aufwirft, haben Asa Briggs / Peter Burke (A Social History of the Media. From Gutenberg to the Internet, Cambrigde 2005², hier: S. 18) folgendermaßen aufmerksam gemacht: „Adaptation to the new medium was gradual, therefore, whether in the case of styles of presentation or habits of reading […]. In other words, as in the case of the Industrial Revolution – in the eyes of some of its recent historians – what we see is what the British critic Raymond Williams (1921-88) called a “Long Revolution”. It is an intriguing question, whether a revolution which is not rapid can be regarded as a revolution at all.” Kritik an Gieseckes Informations- und Kommunikationsverständnis äißert Behringer, da dieser sich lediglich auf Druckerzeugnisse konzentriere, die Entwicklung von Transportsystemen – Ausweitung des Postnetzes u.ä. –aber gänzlich außer Acht lasse. Vgl. dazu: Wolfgang Behringer, Communications Revolutions: A Historiographical Concept, in: German History 24.3 (2006), S. 333-374, hier: S. 367.

Medien

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ne Wirkung doch nicht schlagartig, sondern offenbarte erst im Laufe der Jahrzehnte den Menschen seine gesamten Möglichkeiten.148 Was für die einen ein Segen, wurde für die anderen zum Fluch. Doch welchen Einfluss hat der Buchdruck auf die Gesellschaft ausgeübt – etwa für die Entwicklung einer einheitlichen deutschen Sprache? Wie konnte er den Reformatoren dienlich sein, während es durch deren weit verbreitete Schriften langfristig doch erst zu einer sprachlichen Vereinheitlichung kommen konnte?149 Bereits Anfang des 16. Jahrhunderts äußerte sich Sebastian Brant dahingehend, dass er selbst in den kleinsten Häusern Bücher sehe, den Nutzen des Buchdrucks allerdings auf humanistisch-gelehrtes, bürgerliches Publikum begrenzt wissen wolle.150 Wie konnte es zu einer solchen Haltung kommen, wo doch Brant, der wenige Jahre zuvor mit seinem volkssprachlichen ‚Narrenschiff‘ einen ungeheuren Erfolg erzielte, die Ausbreitung des Buchdrucks schon allein in ökonomischer Hinsicht hätte begrüßen müssen? Die Antwort darauf lautet: Er befürchtete negative Folgen des Buchdrucks; es könne zu Missbrauch kommen; die größte Gefahr sah er in einem Bauernpropheten, der es verstehe, die Unzufriedenheit mit der Kirche und in der Gesellschaft zu Aufständen und Gewaltakten zu treiben.151 Für ihn selbst galt dies offensichtlich nicht: Mit zahlreichen Flugblättern trat der Autor des ‚Narrenschiffs‘ nun auch als politischer Publizist in Erscheinung. Er vertrat durchweg konservative Standpunkte im kirchlichen und politischen Bereich, von deren Richtigkeit er möglichst

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Hierzu generell: Sigfrid H. Steinberg, Five Hundred Years of Printing, Neuausgabe durchges. von John Trevitt, London 1996, bes.: S. 3-73; Barbara Tiemann (Hrsg.): Die Buchkultur im 15. und 16. Jahrhundert, 2 Bde., Hamburg 1995-1999 (Veröffentlichungen der Maximilian-Gesellschaft). Selbstverständlich ist die häufig zu beobachtende Zuspitzung auf die deutschsprachige Lutherbibel in diesem Zusammenhang ungenau. Da allerdings kein Zweifel daran besteht, dass erst im Zuge der Reformation die Vereinheitlichung der deutschen Volkssprache signifikant vorangetrieben wurde, setzen die folgenden Beobachtungen erst mit dem Jahr 1517 ein. Daneben ist es natürlich auch interessent, nach dem Nutzen der Druckerfindung für die Humanisten zu fragen. Vgl. dazu v.a.: Hans Widmann, Die Wirkung des Buchdrucks auf die humanistischen Zeitgenossen und Nachfahren des Erfinders, in: Fritz Krafft / Dieter Wuttke (Hgg.): Das Verhältnis der Humanisten zum Buch, Boppard 1977 (Mitteilung / Kommission für Humanismusforschung 4), S. 63-88. Vgl. Hermann Wiegand, Sebastian Brant (1457-1521). Ein streitbarer Publizist an der Schwelle der Neuzeit, in: Paul Gerhard Schmidt (Hrsg.): Humanismus im deutschen Südwesten: biographische Profile, Stuttgart 2000², S. 77-104, hier: S. 84. Ebd., S. 94.

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viele Rezipienten überzeugen wollte.152 Die Möglichkeiten, die sich durch Flugblätter – ein- oder zweiseitig bedrucktes Papier – und Flugschriften – bestehend aus mehreren Seiten – boten, erkannten auch zahlreiche andere.153 Insbesondere Reformatoren nutzten sie zur Verbreitung ihrer Inhalte.154 Daher nimmt es auch nicht Wunder, wenn Bernd Moeller auf eine Äußerung Christoph Scheurls abhob, der Luther schon Ende 1518 als den berühmtesten Menschen im Reich bezeichnet hatte.155 Mag man hier Scheurl auch einen allzu großen Enthusiasmus unterstellen, spätestens Ende 1519 ist eine allseits vorhandene Bekanntheit Luthers wohl anzunehmen. Die These, Luther sei nicht durch die Veröffentlichung der lateinischen 95 Thesen, sondern durch den ‚Sermon von Ablass und Gnade‘ populär geworden, findet Unterstützung in den zahlreichen Ausgaben dieser Flugschrift.156 Der Sermon, der im Erstdruck aus sieben Seiten bestand, wurde bis Ende 1519 in 22 Auflagen veröffentlicht, was dessen Bedeutung hervorhebt.157 An diesem Beispiel werden auch die Vorteile des Buchdrucks deutlich: Insbesondere kürzere Texte wie Flugblätter und Flugschriften waren aufgrund geringer Kosten für einen großen Teil der Bevölkerung erschwinglich, konnten zudem rasch vervielfältigt werden und

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Ebd., S. 85, 110f. Vgl. Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 81. Daneben: Bernd Moeller, Art. Flugschriften der Reformationszeit, in: TRE 11, Berlin / New York 1983, S. 240-246. Dass die Reformation ohne die vorangegangene Erfindung des Buchdrucks einen anderen Verlauf genommen hätte, ist nicht anzuzweifeln. Auf die gegenseitige sich befruchtende Entwicklung haben Andrew Pettegree und Matthew Hall (Buchdruck und Reformation, S. 343) aufmerksam gemacht: „Zweifellos war der Buchdruck eine der großen Kräfte der Veränderung im Europa des 16. Jahrhunderts. Dies gilt vor allem für die Reformation. Der Zusammenhang zwischen dem Buch und der Reformation erscheint so offensichtlich, dass er kaum erklärt werden muss. Schon die Zeitgenossen bemerkten den kräftigen Impuls, der vom Buchdruck für die Verbreitung neuer Ideen ausging. Es gehört zu den genialen Leistungen Luthers als Reformator, dass er als einer der ersten erkannte, welches Potential das gedruckte Wort für die Verbreitung seiner theologischen Erkenntnisse und den Kampf gegen das Papsttum barg. […] Der Zusammenhang zwischen dem Buchdruck und der Reformation – der in den Augen der Kritiker als unheilvoll erschien – war sofort offensichtlich und ist bis in die Gegenwart ein zentrales Element im Verständnis der Reformation geblieben.“ Vgl. dazu auch: Jean-François Gilmont (Hrsg.), The Reformation and the Book, übersetzt von Karin Maag, Aldershot 1998 (St. Andrews Studies in Reformation History). Vgl. Moeller, Das Berühmtwerden Luthers, S. 77; Christoph Scheurl´s Briefbuch, 2 Bde., hrsg. von F. Freiherr von Soden, J. K. F. Knaake, Potsdam 1872, hier: Bd. 2, Nr. 174. Ebd. spricht Scheurl gegenüber O. Beckmann von einer celeberrima hominis in tota Germania fama. Vgl. Moeller, Das Berühmtwerden Luthers, S. 69, Anm. 18. Vgl. dazu die Auflistung des Druckverzeichnisses lutherischer Schriften bei Moeller, Das Berühmtwerden Luthers, S. 91, Nr. 2.

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somit größtmöglichen Aktualitätsgehalt aufweisen. Flugblätter und Flugschriften als ‚Tagesliteratur‘ zu bezeichnen und sie als Vorläufer von Tageszeitungen anzusehen, ist daher nur logische Konsequenz. Die schnelle Verbreitung reformatorischer Ideen hat dies bestätigt. „Für den Nachdruck besorgten [die Drucker in zahlreichen Städten] sich per Post oder Boten ein Exemplar aus Wittenberg oder von einem Buchführer, mit dem man in Geschäftskontakt stand. Auf diese Weise sind Luthers Schriften in Augsburg und Nürnberg innerhalb von zwei bis drei Wochen nach ihrem Erscheinen in Wittenberg auf dem Markt gewesen.“158

Schnelle und kostengünstige Produktion unterschied Flugschriften und Flugblätter daher enorm von der Buchproduktion.159 Zwar waren auch hier die Kosten seit Erfindung des Buchdrucks gesunken, doch blieben Bücher für einen Großteil der Bevölkerung immer noch unerschwinglich.160 Es ist daher folgerichtig, die Verbreitung der reformatorischen Gedanken in Zusammenhang mit dem Produktionsanstieg von Flugschriften zu sehen.161 Andrew Pettegree und Matthew Hall setzen daher den Höhepunkt der Flugschriftenproduktion mit der reformatorischen Entwicklung, angefangen mit Luthers öffentlichem Auftreten bis hin zu einer sich ausbreitenden Bewegung, gleich.162 Viele Drucker profitierten von dieser Entwicklung, indem sie Luther-Schriften nachdruckten oder sich auf kleinere Schriften konzentrierten. Künast urteilte daher richtig, dass der ‚gemeine Mann‘ in

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Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 81. Auch Pettegree / Hall (Buchdruck und Reformation, S. 346) haben auf diesen Unterschied aufmerksam gemacht: „Aus der Sicht des aufstrebenden Gewerbes waren Flugschriften das ideale Produkt: aufgrund ihres geringen Umfangs waren sie schnell und billig herzustellen. Wegen der übergroßen Nachfrage – neue Lutherschriften erlebten oft binnen kürzester Zeit eine Vielzahl von Auflagen – ließ sich mit ihnen viel schneller Geld verdienen als sonst in der eigentlich eher statischen Welt des Buchdrucks üblich, in der es normalerweise Jahre dauerte, bis die Ausgabe eines antiken Klassikers oder das Werk eines Kirchenvaters vollständig verkauft war.“ Man kann von der Regel ausgehen: je umfangreicher und je illustrierter ein Buch war, desto höher auch der Preis. Hans-Jörg Künast hat daher geschrieben („Getruckt zu Augspurg“, S. 188): „Nach wie vor teuer blieben Bücher von stattlichem Umfang, die in kleinen Auflagen gedruckt wurden und die auf Grund ihres gelehrten Inhalts oder anderer Gründe nur ein kleines, dafür aber weit verstreutes Publikum ansprachen.“ Vgl. auch: Leonhard Hoffmann, Gutenberg und die Folgen. Zur Entwicklung des Bücherpreises im 15. und 16. Jahrhundert, in: Bibliothek und Wissenschaft 29 (1996), S. 5-23. Vgl. dazu: Künast, „Getruckt zu Augspurg“, S. 186: „Besonders in der Reformation wurde der ‚gemeine Mann‘ als neuer Kunde entdeckt und dies führte zu einer Nachfrage- und Angebotserweiterung in bislang nicht gekannter Dimensionen [sic!].“ Pettegree / Hall, Buchdruck und Buchhandel, S. 344.

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der Reformationszeit als neuer Kunde entdeckt wurde. Dies zeigt sich auch in der Preisentwicklung von Druckerzeugnissen,163 was Martin Brecht am Beispiel von Reformationsschriften deutlich gemacht hat.164 Dass neben dem Umfang einer Schrift auch der Inhalt Einfluss auf den Absatz nahm, muss nicht eigens hervorgehoben werden.165 So ist humanistische Literatur – da sie fast ausschließlich in Büchern geringerer Auflage veröffentlicht wurde und für ein gelehrtes und damit, verglichen mit dem Gros der Gesellschaft, meist besser-situiertes Publikum bestimmt war – ebenfalls von überdurchschnittlichem Preis gewesen. Auch wenn sich Humanisten fast ohne Ausnahme der Produktion von Flugblättern, Flugschriften und anderer, „günstiger“ Literatur enthielten, haben sie deren Verbreitung doch indirekt vorangetrieben. Die Verbreitung von Druckerzeugnissen und die Ausweitung des Schriftenhandels bauten schließlich zunächst auf dem humanistischen Netzwerk auf.166 Die Folge war, dass eine immense

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Zu den Angaben vgl. Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 77. Vgl. Martin Brecht, Kaufpreis und Kaufdaten einiger Reformationsschriften, in: Gutenberg-Jahrbuch 47 (1972), S. 169-173, hier: S. 173. So schrieb Künast („Getruckt zu Augspurg“, S. 187) beispielsweise: „Teuer waren und blieben ganz besonders die Liturgica, weil in ihrem Fall die Marktgesetze eine geringere Rolle spielten. […] Die Marktgesetze waren für Liturgica deshalb teilweise außer Kraft, weil ein Drucker oder Verleger Konkurrenz kaum zu fürchten brauchte, wenn er einmal einen Vertrag mit einer Diözese abgeschlossen hatte. Die Auflagenhöhe konnte genau festgelegt werden, weil die Abnahme durch die Geistlichen der betroffenen Diözese durch den Bischof zur Pflicht gemacht wurde. Daher war es möglich, Festpreise bereits im Vorwort abzudrucken. Die Preise waren zwischen Bischof und Drucker ausgehandelt worden.“ Dass dies nicht die Regel war und der Großteil des Druckhandels anderen Bedingungen unterlag, versteht sich von selbst. Neben den Liturgica waren auch theologische Werke und andere wissenschaftliche Literatur, wie auch reich verzierte Drucke für die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin unerschwinglich (ebd., S. 188). – Die Nachfrage nach Fachliteratur kommt auch an folgendem Beispiel zum Ausdruck: Johannes Reuchlin ließ seine ‚Rudimenta hebraica‘ in einer Auflagenhöhe von 1500 Exemplaren drucken, aber noch Jahre später lag knapp die Hälfte auf Lager (vgl. Stefan Rhein, Johannes Reuchlin (1455-1522). Ein deutscher „uomo universale“, in: Schmidt (Hrsg.), Humanismus im deutschen Südwesten, S. 59-76, hier: S. 71). Dies lässt allerdings nicht auf falsche Erwartungen Reuchlins schließen: Die meisten humanistischen Werke wurden in höherer Auflage gedruckt und auf Lager gehalten, da ihre Produktion weitaus teurer als die des Tagesschrifttums war. Außerdem spielte ihre Aktualität keine so große Rolle wie die der Flugblätter und Flugschriften. Moeller (Das Berühmtwerden Luthers, S. 85) ließ Humanisten und Druckern geradezu alleinige Einflussnahme auf die deutsche Öffentlichkeit zukommen, wenn er formulierte: „Das war eine triumphalistische Argumentation, die den Anteil erkennen läßt, den jene beiden Gruppen der Gesellschaft, die im frühen 16. Jahrhundert in Deutschland „Öf-

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Ausweitung der von Literatur erreichten Öffentlichkeit durch den Druck von Tagesliteratur erreicht wurde.167 Zu Recht hat Künast daher resümiert: „Der Buchdruck stand am Anfang der industriellen Massenfertigung völlig gleicher Produkte, und er bildete das erste Massenmedium der Geschichte. Dadurch erhielten politische und soziale Vorgänge rezeptiv neue Qualitäten und Quantitäten.“168

Dies spiegelte sich wider in einer veränderten Öffentlichkeit. Zu Recht ist die These Habermas‘ kontrovers diskutiert worden, der eine räsonierende, an einem breiten Diskurs teilnehmende Öffentlichkeit erst drei Jahrhunderte später ausmachte.169 „Wenn nicht schon von bürgerlicher Öffentlichkeit (wie später erst) gesprochen werden kann, so doch von einer Vorform, die Rainer Wohlfeil ‚reformatorisch‘ genannt hat und die eine ‚Sozialgruppen und Standesdenken überwindende Kommunikationssituation‘ […] darstellte.“170

Doch ohne erneut auf diese Frage einzugehen, hat der Buchdruck bereits einige Jahrzehnte nach seiner Erfindung derartige Veränderungen bewirkt, dass er in seiner Bedeutung für die frühneuzeitliche Gesellschaft nicht unterschätzt werden kann. Das Modell Immanuel Kants, das Fohrmann zu Recht als Zwei-Rollen-Theorie ausgemacht hat, ist meines Erachtens bereits für das 16. Jahrhundert einsetzbar:

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fentlichkeit“ neu gestalteten, die Humanisten und die Buchdrucker, an dem literarischen Erfolg Luthers hatten.“ Vgl. Schlögl, Politik beobachten, S. 588: „Darüber hinaus entfalteten sich in sozialen Systemen meist aufgrund der kombinierten Nutzung von Schrift und Druck Techniken der Selbstbeobachtung, die Kommunikation auch unter Nichtanwesenden und kontextunabhängig auf Anschlußfähigkeit hin strukturierte, indem sie gedächtnis- und motivbildend wirkten.“ Vgl. auch: Wilke, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, S. 38: „Die gedruckten Medien schon des 16. Jahrhunderts waren vor allem imstande, Öffentlichkeit herzustellen, die man sich damals als eine in verschiedenen Graden gestufte vorzustellen hat […].“ Hans-Jörg Künast, Entwicklungslinien des Augsburger Buchdrucks von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, in: Helmut Gier / Johannes Janota (Hgg.): Augsburger Buchdruck und Verlagswesen: von den Anfängen bis zur Gegenwart, Wiesbaden 2007, S. 3-21, hier: S. 3. Bereits im frühen 16. Jahrhundert lagen in verschiedenen Sozialbereichen bereits unterschiedliche Formen von Öffentlichkeit nebeneinander vor. Vgl. dazu: Schlögl, Politik beobachten, bes. S. 585. Während der habermassche Öffentlichkeitsbegriff nicht unveränderlich bereits für das frühe 16. Jahrhundert zutrifft, so können entscheidende Aspekte dennoch auch in dieser Zeit schon nachgewiesen werden. Vgl. Wilke, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, S. 38.

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„‚Gelehrter sein‘ kann damit prinzipiell jeder – sofern und gerade wenn er über ‚öffentliche Dinge‘ ein Publikum adressiert. Publikum ist der zweite wichtige Begriff, der die kantische Gelehrtendefinition weit vom überkommenen Begriff der Gelehrsamkeit entfernt.“171

Wenngleich natürlich an den immer erschwinglicheren und zahlreicher vorhandenen Druckerzeugnissen nicht die Gesamtheit der Gesellschaft teilhaben konnte, so sorgten deren Verbreitung, die Ausweitung mündlicher Kommunikation,172 die zunehmende Wahl der deutschen Sprache in manchen Genres wie auch jene Ereignisse der ersten drei Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts, die das unmittelbare Leben auch des ‚gemeinen Mannes‘ zu verändern schienen, dafür, dass Teilhabe an zahlreichen öffentlichen Diskursen fast allen Bevölkerungsgruppen möglich wurde.173 (Ein Mitspracherecht im heutigen

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Forhmann, Der Intellektuelle, die Zirkulation, die Wissenschaft und die Monumentalisierung, S. 333. Vgl. dazu auch: Berndt Hamm, Die Reformation als Medienereignis, in: Jahrbuch für Biblische Theologie 11 (1996), S. 137-166, sowie: Walter J. Ong, Oralität und Literalität, Opladen 1987; zum Aspekt der mündlichen Informationsvermittlung vgl. etwa: Bernd Moeller, Was wurde in der Frühzeit der Reformation in den deutschen Städten gepredigt?, in: ARG 75 (1984), S. 176-193; Robert W. Scribner, Mündliche Kommunikation und Strategien der Macht in Deutschland im 16. Jahrhundert, in: Herwig Wolfram (Hrsg.), Kommunikation und Alltag in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Wien 1992, S. 183-197; Heike Talkenberger, Kommunikation und Öffentlichkeit in der Reformationszeit. Ein Forschungsreferat 1980-1991, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 6, Sonderheft: Forschungsreferate 3 (1994), S. 1-26. Unter den verschiedenen Kommunikationsmedien während des frühen 16. Jahrhunderts nehmen Druckerzeugnisse jedoch eindeutig die führende Rolle ein, wie Johannes Burkhardt (Das Reformationsjahrhundert, S. 60) zu Recht betont hat: „Auch wenn die Mündlichkeit nicht vergessen werden darf und in der reformatorischen Öffentlichkeit eine wichtige Aufgabe erfüllte, erhielt sie ihre kommunikative Einheit erst dadurch, daß es eine druckgestützte und insbesondere eine bibelgestützte Öffentlichkeit war.“ Daneben vgl.: Schlögl, Politik beobachten, S. 593: „Auch das Flugblatt, dessen steile und bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts andauernde Karriere mit der Reformation begann und das sehr schnell eine kanonische Verbindung von Bild und Text fand, wandte sich häufig nicht an Leser, sondern explizit an Hörer.“ Vgl. auch: Schlögl, a.a.O., S. 606. Dass sich Oralität, Schriftgebrauch und zeichenhafte Interaktion gerade auch in Spätmittelalter und Früher Neuzeit überlagerten und durchdrangen, kommt treffend zum Audruck bei Keller, Mediale Aspekte der Öffentlichkeit im Mittelalter, S. 281. Inwiefern Buchdruck und Reformation Einfluss auf die Informationsvermittlung innerhalb der Gesellschaft des Reichs hatten, hat Burkhardt (Das Reformationsjahrhundert, S. 57) deutlich gemacht: „Allmählich aber meldeten sich nun in den 1520er Jahren zahllose bekannte und unbekannte Autoren mit reformatorischen Themen zu Wort, fast durchgehend in deutschsprachigen Flugschriften. Der größte Teil stammt auch weiterhin von den literaten und nunmehr reformwilligen Klerikern, ein kleiner Teil aber sogar von Laien, vornehmlich von Stadtbürgern, aber auch gebildeten Rittern und Bauern.“

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Sinne existierte zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht.174) Die Auswirkungen der Reformation forderten gleichsam zu dieser Teilhabe heraus, was nicht zuletzt im Bauernkrieg deutlich wird.175 Wenngleich meines Erachtens die Beobachtungen Habermas‘ daher nicht einfach in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts vordatiert werden können, stellt der von Rainer Wohlfeil gebildete Begriff der ‚reformatorischen Öffentlichkeit‘ einen exzellenten Kompromiss dar.176 Ungeachtet der reformatorischen Entwicklung blieb jedoch ein in Latein gehaltener Gelehrtendiskurs sowie ein volkssprachlicher Diskurs bestehen, weswegen hier noch deutlicher als zuvor von einer lateinfähigen Teilöffentlichkeit und einer volkssprachlichen Teilöffentlichkeit gesprochen werden muss.177 Mit Blick auf Luther hat Moeller dies verdeutlicht: „Nur in der ersten Jahreshälfte 1518, der Zeit der Tetzel-Kontroverse, gab es […] noch Schwankungen […] – es erschienen auch Texte, die Luther später sicherlich deutsch abgefasst hätte, auf lateinisch. Seither jedoch trennte er in der Weise, die sich bereits 1517 zwischen den ‚Sieben Bußpsalmen‘ und den Disputationsthesen abgezeichnet hatte, zwischen Schriften ‚für die Laien‘ und solchen ‚für die Gelehrten‘ […] In dem Maße, so

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Vgl. dazu auch: Hans-Christoph Kraus, Zeitungen, Zeitschriften, Flugblätter, Pamphlete, in: Michael Maurer (Hrsg.): Aufriß der Historischen Wissenschaften, Bd. 4: Quellen, Stuttgart 2002, S. 373-401, hier: S. 378f. Wenn Franz den Bauernkrieg als „politische[…] Revolution […], deren Träger der deutsche Bauer war[,]“ sah, so hebt das nicht nur die Bedeutung mündlicher Kommunikation für diese Zeit hervor, sondern verdeutlicht auch ein Stück weit das Vorhandensein einer räsonierenden Öffentlichkeit (vgl. Günther Franz: Der deutsche Bauernkrieg, Darmstadt 1969, S. 287). Dass daneben eine Entwicklung im Gange war, die Literatur über die zuvor üblichen Kreise hinaus wirksam werden ließ, hat Blickle mit Blick auf kleinere Druckerzeugnisse hervorgehoben: „Die Flugschrift wird zum Medium, dessen sich auch die Laien bedienen, um ihre religiösen Überzeugungen zum Ausdruck zu bringen[.]“ (Vgl. Peter Blickle, Die Reformation im Reich, 3. Aufl., Stuttgart 2000, S. 89.) Daneben: Paul A. Russell, Lay theology in the Reformation: popular pamphleteers in Southwest Germany, 1521-1525, Cambridge 1986. Rainer Wohlfeil, Reformatorische Öffentlichkeit, Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, in: Ludger Grenzmann / Karl Stackmann (Hgg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformation, Stuttgart 1984, S. 41-54. Dies wird auch in den zahlreichen Kontroversen oder Disputationen deutlich, denen sich Luther besonders in den 1520er Jahren auszusetzen hatte: Diese alle waren in lateinischer Sprache gehalten. Vgl. dazu auch: Moeller, Das Berühmtwerden Luthers, S. 71.

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scheint es, in dem Luther im Gebrauch des Deutschen sicherer wurde, wurde er auch sicherer im spezifischen Einsatz jeder der beiden Sprachen.“178

Angesichts der fundamentalen Veränderungen, die der Buchdruck mit sich brachte, bleibt mindestens fragwürdig, ob in allen Punkten der These Fernand Braudels zuzustimmen ist, dass es sich bei der vormodernen Epoche um eine ‚longue durée‘ handelte, in der wenig Strukturwandel vorlag.179

2.) Druckindustrie 2.1.) Verbreitung der Druckzentren Eine rasche Vervielfältigung von Texten setzte eine flächendeckende Verteilung von Druckzentren voraus, in denen durch Nachdrucke schnellstmöglich Informationen für die regionalen Abnehmer produziert werden konnten.180 „Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wird an mehr als zweihundertfünfzig Orten in Europa gedruckt. In vielen Städten arbeiteten nebeneinander zahlreiche Druckereien, so daß man mehr als 1100 Offizin[en] mit wiederum oftmals mehreren Pressen gezählt hat.“181

Künast hat aufgezeigt, dass sich im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert Druckzentren in den Handelsmetropolen befanden. Im deutschsprachigen Bereich waren dies Augsburg, Basel, Köln, Leipzig, Nürnberg und Straßburg,182 in denen sich „[z]wischen

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Ebd., S. 72. Vgl. Fernand Braudel, Histoire et sciences sociales: la longue durée, in: Annales: Economie, Societé, Civilisation 13 (1958), S. 725-753. Künast („Getruckt zu Augspurg“, S. 184f.) hat zu Recht darauf verwiesen, dass der Buchvertrieb in seinen ersten Jahren insbesondere auch auf den internationalen humanistischen Verbindungen fußte. Ders., Buchdruck und Buchhandel, S. 78: „Dieser Markt umfasste von Beginn an das gesamte Europa der lateinischen Christenheit. Die weitgehende Homogenität eines zwar zahlenmäßig kleinen, aber dafür zahlungskräftigen Lesepublikums, das einem lateinsprachigen Bildungskanon verpflichtet war, bildete die Voraussetzung für die Internationalität des frühen Buchhandels.“ Vgl. zur Verbreitung der Druckindustrie auch: Wilke, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, S. 16-18. Vgl. Giesecke: Der Buchdruck in der frühen Neuzeit, S. 64. Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 76. Ebenso: Moeller, Das Berühmtwerden Luthers, S. 83.

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60 und 80 Prozent der deutschen Buchproduktion konzentrierte“.183 Wittenberg, das sich in den Jahren nach Luthers Auftreten durch eine enorme Produktion von Tagesliteratur einen Platz unter den größten deutschen Druckzentren sicherte, stellte daher in dieser Reihe eine Ausnahme dar.184 Zwar war es für Städte, die über eine Universität verfügten, keine Ausnahme, dass sich auch Drucker ansiedelten185 – dass sich das provinziell geprägte Wittenberg mit seiner jungen, aufstrebenden Hochschule in so kurzer Zeit zu einem Druckzentrum entwickelte, muss jedoch als Sonderfall angesehen werden und weist auf die Bedeutung reformatorischer Schriftproduktion innerhalb der gesamten Druckproduktion hin. Augsburg hingegen, das nach Inge Leipolds Ansicht in diesem Zeitraum ein Zentrum des deutschsprachigen Druckgewerbes war,186 besaß keine Universität. Der Grund für die dortige hohe Druckproduktion deutschsprachiger Texte könnte in den von Rolf Kießling untersuchten Augsburger Lateinschulen um die Jahrhundertwende liegen, deren Schülerzahlen er auf ca. 300 be-

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Ebd. Briggs / Burke (A Social History of the Media, S. 13) haben die Verteilung der Druckzentren im Europa um 1500 folgendermaßen beschrieben: „By 1500, presses had been established in more than 250 places in Europe – 80 of them in Italy, 52 in Germany and 43 in France. Printers had reached Basel by 1466, Rome by 1467, Paris and Pilsen by 1468, Venice by 1469, Leuven, Valencia, Cracow and Buda by 1473, Westminster (distinct from the city of London) by 1476, and Prague by 1477. Between them, these presses produced about 27,000 editions by the year 1500, which means that – assuming an average print run of 500 copies per edition – about thirteen million books were circulating by that date in Europe of 100 million people.“ Zu den Wittenberger Druckern in den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts vgl.: Maria Grossmann, Wittenberg Printing, Early Sixteenth Century, in: The Sixteenth Century Journal. The Journal of Early Modern Studies 1 (1970), S. 53-74. Die Druckzentren wurden von Pettegree / Hall (Buchdruck und Reformation, S. 351f.) folgendermaßen umschrieben: „Deutlich ist zu erkennen, dass der Buchdruck über das gesamte 16. Jahrhundert hinweg von drei Kraftzentren beherrscht wird. Es sind jene, die sich bereits im ersten Zeitalter des Buchdrucks herausgebildet hatten: Das Reich und hier insbesondere die süddeutschen Städte, daneben Italien und Frankreich. In diesen Regionen lagen die besten Universitäten und die bedeutendsten Städtelandschaften Europas: dort wohnten also die wichtigsten Produzenten und Rezipienten von Büchern.“ Vgl.: Inge Leipold, Das Verlagsprogramm des Augsburger Druckers Johann Bämler. Zum Funktionstyp „Frühe deutschsprachige Druckprosa“, in: Bibliotheksforum Bayern 4 (1976), S. 236-252, hier: S. 243f. Die These Leipolds findet ihre Bestätigung bei Künast (Entwicklungslinien des Augsburger Buchdrucks, S. 21). Künast ist hier davon ausgegangen, dass zwischen 1479 und 1500 über 70 % der in Augsburg gedruckten Schriften in deutscher Sprache gehalten waren. Im 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts habe der Anteil in Augsburg erzeugter, deutschsprachiger Drucke zwischen 60 und 80 % gelegen, so Künast weiter.

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zifffert.187 „Die Sprachkenntnisse, die an diesen Schulen vermittelt wurden, waren aber nicht sehr profund und ganz auf die Bedürfnisse der Kirche ausgerichtet.“188 Dies bedingte deutschsprachige Texte.189 Verglichen mit der Buchdruckentwicklung in anderen Ländern Europas nahm das Reich eine Sonderrolle ein.190 Das Mutterland des Buchdrucks verfügte über zahlreiche Druckzentren,191 die miteinander im Wettbewerb standen, aber auch – wie v.a. bei der Tagesliteratur deutlich wird – gegenseitig Druckerzeugnisse austauschten. Eine Zensur von herrschaftlich-weltlicher oder auch kirchlicher Seite ließ sich hier aufgrund der territorialen Zersplitterung nur schwer beschließen und umsetzen.192 Gleiches galt für einen Autor, der mit dem Argu-

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Vgl. dazu folgenden Aufsatz: Rolf Kießling, Das gebildete Bürgertum und die kulturelle Zentralität Augsburgs im Spätmittelalter, in: Bernd Moeller / Hans Patze / Karl Stackmann (Hgg.): Studien zum städtischen Bildungswesen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1978 bis 1981, Göttingen 1983 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge, 137), S. 533-585. Künast, Entwicklungslinien des Augsburger Buchdrucks, S. 8. Wie stark Hungersnöte, Kriege und unsichere politische Konstitutionen auch auf die Produktionsentwicklung von Druckerzeugnissen Einfluss nahmen, hat Künast (Entwicklungslinien des Augsburger Buchdrucks, S. 14f.) deutlich gemacht: Demnach haben in den Jahren 1490 bis 1510 sowie 1514 und 1517 Missernten und kriegerische Auseinandersetzungen im süddeutschen Raum für drastische Einbrüche im Augsburger Druckgewerbe gesorgt. Dies geht auch aus einer Auswertung von Pettegree / Hall (Buchdruck und Reformation, S. 351) hervor, die den Anteil der Länder an der Gesamtpublikation des 16. Jahrhunderts widergibt. Ich erlaube mir eine Aufzählung der Angaben: Deutschland – 32,0 %; Frankreich – 21,4 %; Italien – 18,4 %; Niederlande – 7,2 %; England – 5,5 %; Schweiz – 5,4 %; Spanien – 3,1 %; Polen – 1,9 %; Böhmen – 1,6 %; Dänemark, Ungarn, Irland, Portugal, Schottland und Schweden gemeinsam – 1,7 %. Vgl. die Auswertung der Druckorte von deutschsprachigen Übersetzungen der Werke des Erasmus von Rotterdam im 16. Jahrhundert S. 212-219; Peter Burke (Wörter machen Leute. Gesellschaft und Sprachen im Europa der frühen Neuzeit, Berlin 2006, hier: S. 106) hat resümiert, dass die Vielfalt der Druckzentren im Reich nicht nur langfristig gesehen eine Vereinheitlichung der deutschen Volkssprache bewirkte, sondern auch ein Nebeneinander verschiedener Druckersprachen. Vgl. dazu: Dickens, The German Nation and Martin Luther, S. 104. Bezogen auf die große Anzahl der Druckorte in Deutschland könnte man die Frage anschließen, ob dies lediglich Ergebnis der herrschaftlichen Zersplitterung Deutschlands oder doch Indiz für eine schnelle Ausbreitung des Druckgewerbes war. Wie aus Auswertungen bei Pettegree und Hall (Buchdruck und Reformation, S. 352f.) hervorgegangen ist, befanden sich im Deutschland des 16. Jahrhunderts 92 Druckzentren, gefolgt von Italien (60) und Frankreich (53). England, das ohnehin eine Sonderrolle im Druckgewerbe spielte, importierte es doch die meisten Werke in lateinischer Sprache v.a.

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ment der geistigen Urheberschaft – ein Urheberrecht im heutigen Sinne gab es freilich noch nicht – unautorisierte Nachdrucke zu verhindern suchte. Pettegree und Hall bringen diese Sonderrolle des Reichs treffend zum Ausdruck: „Was für die erste Dekade der Reformation in Deutschland typisch war, gilt noch lange nicht für die Reformation anderswo in Europa. Denn in anderen Teilen des Kontinents unterlag der Buchmarkt eigenen Gesetzen. So fehlte ihm mancherorts die gewerbliche Infrastruktur, um eine breite öffentliche Debatte zu bedienen oder gar anzufachen, selbst wenn dies erwünscht gewesen wäre.“193

Eine Aufsicht über den Buchhandel oder gar eine Zensur war hingegen in den Ländern eher umzusetzen, die über weniger Druckorte und weniger Zentren des Buchhandels verfügten. So ist in England, dessen Drucke fast ausschließlich aus London stammten, eine unautorisierte Buchproduktion kaum vorstellbar. Auch in Frankreich wurde der Versuch einer Überwachung des Druckgewerbes unternommen, vor allem um eine ideologische Verbreitung, die der königlichen Anschauung widersprach, zu verhindern. Unter Karl V. lässt sich eine sehr strenge Zensurgesetzgebung ausmachen, deren Umsetzung allerdings aus verschiedenen Gründen schwer zu bewerkstelligen und somit verhältnismäßig unwirksam war. Diese Unterschiede in der Druckentwicklung und der obrigkeitlichen Handhabe des Druckhandels sind neben den verschiedenen Herrschaftsordnungen, den verschiedenen Gesellschafts- und Siedlungsstrukturen, vor allem auf die differierende Anzahl von Druckzentren zurückzuführen. Diesbezüglich lassen sich drei Typen ausmachen:

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aus Italien, hatte lediglich sechs solcher Druckzentren. (Vgl. dazu: Margaret Lane Ford, Importation of printed books into England and Scotland, in: Lotte Hellinga / Joseph B. Trapp (Hgg.): The Cambridge History of the Book in Britain, Bd. 3: 14001557, Cambridge 1999, S. 179-201; James Raven, The Business of Books: Booksellers and the English Book Trade, 1450-1850, New Haven 2007.) Pettegree und Hall (ebd.) haben 22 Druckzentren in Deutschland ausgemacht, die aufgrund hoher Produktionszahlen und der Herstellung bedeutender Texte von großer Wichtigkeit für das gesamte Druckgewerbe waren. In Italien gab es nach ihrer Ansicht nur acht Zentren von vergleichbarer Bedeutung, in Frankreich fünf, in England gar nur eines. Diese Werte machen meiner Ansicht nach unwiderlegbar deutlich, dass nicht so sehr die „Vielstaaterei“ Deutschlands ursächlich für die große Anzahl von Druckzentren war, sondern dass hier im Vergleich die beste Infrastruktur für den Druckhandel existierte und sich am schnellsten ein flächendeckendes Netz von Druckern entwickelt hatte. Pettegree / Hall, Buchdruck und Reformation, S. 344.

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1. Länder, in denen ein Druckzentrum dominierte (z.B. England); 2. Länder, in denen einige wenige, aber wichtige Druckzentren bestanden (wie etwa in Frankreich, Italien und der Eidgenossenschaft); 3. Länder, in denen man von einer Gleichverteilung sprechen kann, was de facto nur in Deutschland der Fall war. Die Typenzugehörigkeit entschied über den Erfolg einer Zensur, über Möglichkeiten und Schnelligkeit des Informationsaustauschs u. Ä.194 2.2.) Logistische Verbreitung von und Handel mit Druckzeugnissen Auf den ersten Blick mag die These Fernand Braudels zutreffend sein, dass es sich bei der vormodernen Epoche um eine ‚longue duree‘, eine Zeit geringen Strukturwandels, gehandelt habe, und damit die Habermassche Theorie der Öffentlichkeitsentwicklung untermauern.195 Bei genauerer Betrachtung haben aber neben anderen Ereignissen und Entwicklungen auch die Einrichtung eines länderübergreifenden Postwesens und die daraus folgende Kommunikationsrevolution derart fundamentale Veränderungen bewirkt, dass kaum von mangelndem Strukturwandel die Rede sein kann. Behringer hat bereits um 1500 einen Wandel im Postwesen ausgemacht, den er mit der zunehmenden Anzahl von Relaisstationen, der Erweiterung der Postrouten sowie des ansteigenden Pferde- und Kutschenbedarfs belegt.196 Diese Begründung ist vor allem deswegen plausibel, weil das

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Aufgrund zahlreicher Druckzentren war es in Deutschland überhaupt möglich, die reformatorischen Gedanken in kurzer Zeit überall im Land zu vervielfältigen. Erfolgreiche Schriften wurden zudem durch lokale Nachdrucke weiter verbreitet – daher begrüßte Luther auch jede Vervielfältigung und wandte sich gegen das Bestreben, unautorisierte Drucke zu verbieten. Dies wäre – wie gezeigt – aufgrund der zahlreichen Druckzentren und der staatlichen Zersplitterung Deutschlands ohnehin kaum möglich gewesen. Diese Situation befruchtete indes die Verbreitung reformatorischen Gedankenguts, was dazu führte, dass evangelisch-protestantische Schriften bei weitem die Druckproduktion in der reformatorischen Zeit dominierten. In anderen Ländern fügten sich Herausgeber und Drucker meist unter die obrigkeitliche Druckaufsicht, forderten diese sogar teilweise, um nicht-autorisierte Drucke möglichst zu verhindern. Vgl. auch: Pettegree / Hall, Buchdruck und Reformation, S. 348f., 356. Vgl. Fernand Braudel, Histoire et sciences sociales, S. 725-753. Vgl. Wolfgang Behringer, Communications Revolutions, S. 343. Vgl. auch: Michael Maurer, Europa als Kommunikationsraum in der Frühen Neuzeit, in: Klaus-Dieter

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von den Habsburgern regierte Reich die Niederlande, Spanien sowie Neapel als weitere Zuwächse gegen Ende des 15. Jahrhunderts zu verbuchen hatte – eine territoriale Ausweitung, für deren Verwaltung eine größere Effektivität des bestehenden Postwesens notwendig war.197 Doch ist es zu kurz gegriffen, hier lediglich den Nutzen für die herrschaftliche Administration zu sehen – zumal dies wohl kaum als eine Revolution bezeichnet werden könnte, die auf die Kommunikation der gesamten Gesellschaft große Auswirkungen gehabt hat. Behringer führt daher zu Recht ein Quellenzitat an, das den Vorteil der Postreform pro communi hominum et reipublicae utilitate198 sieht.199 Die große Neuerung beruhte nicht nur auf den wesentlich kürzeren Transportzeiten,200 sondern gleichermaßen darauf, dass fortan Post von fast allen Personen versandt werden konnte. Der schrittweise erfolgende Übergang zur Allgemeinzugänglichkeit, die Einrichtung und Vermehrung regelmäßiger Postverbindungen sowie die Bekanntgabe fester Transportkosten veränderten die Zeit- und Raumerfahrung der Gesellschaft des frühen 16. Jahrhunderts. Die Entfernungen wurden

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Herbst / Stefan Kratochwil (Hgg.): Kommunikation in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a. M. [u.a.] 2009, S. 11-23, hier: S. 16. Der These Behringers ist auch deswegen zuzustimmen, da in Amerika eine vergleichbare Entwicklung belegbar ist: Erst nach 1790, als George Washington die Einrichtung einer landesweiten Regierung beabsichtigte, wurde ein Ausbau des Postwesens möglich, was seinerseits wiederum erst eine funktionsfähige Verwaltung ermöglichte. Vgl. dazu: Richard R. John, American Historians and the Concept of the Communications Revolution, in: Lisa Bud-Frierman (Hrsg.): Information Acumen: The Understanding and Use of Knowledge in Modern Business, London / New York 1994, S. 98-110; Ders., Spreading the News: The American Postal System from Franklin to Morse, Cambridge, Mass. 1975. Robert G. Albion hingegen geht davon aus, dass diese Kommunikationsrevolution bereits in den 1760er Jahren einsetzte, ihrerseits aber erst die Etablierung der Vereinigten Staaten ermöglichte (vgl.: The Communication Revolution, 1760-1933, in: Newcomen Society Transactions 14 (1933), S. 13-25). Vgl. Behringer, Communications Revolutions, S. 340. Vgl. Klaus Gerteis, Reisen, Boten, Posten, Korrespondenz in Mittelalter und früher Neuzeit, in: Hans Pohl (Hrsg.): Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft. Referate der 12. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 22.-25.4.1987 in Siegen, Stuttgart 1989 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beiheft 87), S. 19-36, hier: S. 31: „Alles deutet darauf hin, daß der Taxis´sche Kurierdienst zunächst als Fürstendienst eingerichtet worden war, bald aber beförderten seine Kuriere auch Privatpost.“ Vgl. Wolfgang Behringer, Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2003 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 189), S. 74.

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folglich kürzer, größere Personengruppen an der Kommunikation beteiligt, Europa rückte näher zusammen.201 Nicht nur der Briefverkehr profitierte von den wachsenden Möglichkeiten,202 auch die Verbreitung von Druckerzeugnissen wurde auf diese Weise gefördert. In kürzerer Zeit konnten Texte größeren Bevölkerungsgruppen zugänglich gemacht werden. Zuvor war der Austausch von Druckerzeugnissen über Landesgrenzen hinweg fast ausschließlich im humanistischen Netzwerk nachweisbar. Daher verwundert es auch nicht, dass der frühe internationale Buchhandel auf diesen Verbindungen der Humanisten aufbaute.203 „So fragten Humanisten, die abseits der Handelswege wohnten, häufig bei ihren Augsburger Freunden an, ob sie nicht Neuerscheinungen besorgen könnten. Diese Bücher wurden dann Augsburger Kaufleuten zur Auslieferung an den Besteller mitgegeben.“204 Wenn auch auf einen kleineren Raum beschränkt, funktionierte die Verbreitung reformatorischer Schriften auf vergleichbare Art.205 Wichtiger Informations- und Umschlagplatz für neue Druckerzeugnisse waren seit dem 15. Jahrhundert die in Frankfurt am Main stattfindenden Frühjahrs- und Herbstmessen.206 „Die Frankfurter Messe diente 201

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Dies macht auch ein mitteleuropäisches Routenbeispiel deutlich, das Klaus Gerteis (Reisen, Boten, Posten, Korrespondenz, S. 25) angeführt hat. Den Einfluss des Postwesens auf die Kommunikation in Europa hat auch Maurer (Europa als Kommunikationsraum in der Frühen Neuzeit, S. 11) hervorgehoben: „Das bedeutet eine Ausdehnung des Kommunikationsradius´, eine Erweiterung des Raumes, zunächst wesentlich ‚soweit Postkutschen gehen‘, mit beliebigen Anschlüssen von gehenden oder reitenden Boten.“ Allein um die Mitte des 16. Jahrhunderts sollen Berechnungen zufolge allein Antwerpen jährlich 200.000 Briefe eingetroffen und versandt worden sein. Gerteis, Reisen, Boten, Posten, Korrespondenz, S. 26. Vgl. Künast, „Getruckt zu Augspurg“, S. 184: „Für den Vertrieb von gelehrter Literatur waren die Verbindungen der Humanisten untereinander von nicht zu unterschätzender Bedeutung.“ So informierte beispielsweise Konrad Peutinger in einem Brief vom 22. April 1503 Johannes Reuchlin über Neuigkeiten des Augsburger Büchermarktes und bot ihm an, bei Interesse Titel für ihn zu kaufen: Bibliopola tamen attulit opera Aristotelis uno volumine, traductiones scil. Joannis Argyropoli Byzantini, Leonardi Aretini, Hermolai Barbari et Georgii Vallae. Item Marsilium Ficinum de christiana religione et opera M. Antonii Sabellici prosa et carmine. Quod si ex his aliquod habere volueris, reddito me certiorem, transmittam quidem quantocius. Vgl. Konrad Peutingers Briefwechsel, ges., hrsg. und erläutert von Erich König, München 1923 (Veröffentlichungen der Kommission für Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation. Humanisten Briefe I), Nr. 11, S. 24f., hier: S. 24. Vgl. Künast, „Getruckt zu Augspurg“, S. 184. Ebd., S. 181-184, wird dies am Beispiel Augsburg verdeutlicht. Im Frühjahr fand die Messe zwischen Mitte März und Anfang April (genauer: zwischen Sonntag Oculi und dem Tag vor Palmsonntag) statt, im Herbst zwischen Mitte August und Anfang September (genauer: von Mariae Himmelfahrt bis Mariae

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Buchführern nicht nur zum Ein- und Verkauf ihrer Neuerscheinungen, sondern in gleicher Weise als Bankplatz, um Schulden zu bezahlen und einzuklagen.“207 Hier konnte man erfahren, welche Titel neu veröffentlicht worden waren oder besonderen Absatz fanden. Konnte eine zu große Nachfrage nach einem Titel nicht bewältigt werden, kam es nicht selten zur Beauftragung anderer Offizinen. Häufig bestanden Verbindungen zwischen Druckern an unterschiedlichen Orten, so dass autorisierte Nachdrucke angefertigt werden konnten, wenn der Transport und Verkauf eigener Erzeugnisse in entfernteren Regionen nicht möglich oder unrentabel war.208 Dies liegt z.B. im Falle eines in der Königlichen Bibliothek zu Stockholm aufgefundenen Bibeldrucks von 1521 vor, der wohl im Umkreis der Wittenberger Reformatoren seinen Einsatz gefunden hatte. Aus den bibliographischen Angaben ist ersichtlich,209 dass dieses Exemplar vermutlich im Auftrage des Nürnberger Druckers Anton Koberger von Jacques Sacon in Lyon angefertigt wurde.210 Dies wird deutlich an der Formulierung impensis Anton

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Geburt). Zur Frankfurter Buchmesse vgl. auch: Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 80. Daneben: Jürgen Schneider, Die Bedeutung von Kontoren, Faktoreien, Stützpunkten (von Kompagnien), Märkten, Messen und Börsen im Mittelalter und früher Neuzeit, in: Pohl (Hrsg.), Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft, S. 37-63. Vgl. auch: Maurer, Europa als Kommunikationsraum in der Frühen Neuzeit, S. 16. Vgl. Künast, „Getruckt zu Augspurg“, S. 162. Daneben: Wilke, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, S. 30-33. Dies hat Künast (Buchdruck und Buchhandel, S. 81) am Beispiel des Flugschriftendrucks deutlich gemacht: „Die Drucker und Buchführer konnten die riesige Nachfrage nur befriedigen, indem sie Flugschriften möglichst nahe an ihrem Absatzort nachdrucken ließen, um sie anschließend schnell auf dem regionalen Markt abzusetzen.“ Vgl. auch Oscar Hase, Die Koberger. Eine Darstellung des buchhändlerischen Geschäftsbetriebes in der Zeit des Überganges vom Mittelalter zur Neuzeit, Leipzig 1885². Vgl. P. Kaiser, Die Stockholmer Vulgata, eine angebliche Lutherbibel, in: ZKG 13 (1892), S. 126-130, hier: S. 127: Biblia cum concordantiis veteris et novi testamenti et sacrorum canonum: nec non cum additionibus in marginibus varietatis diversorum textuum: ac etiam canonibus antiquis quatuor evangeliorum. Novissime autem additae sunt concordantie ex viginti libris Josephi de Antiquitatibus et bello judaico excerpte. Lugduni per M. Jacobum Saccon impensis Anton Koburger 1521. Koberger selbst kann die Drucklegung des vorliegenden Exemplars nicht begleitet haben, weil er bereits 1513 verstarb. Denkbar ist aber, dass sein Name von den Nachfahren als Firmenname weitergeführt wurde. Vgl. dazu: Georg Wolfgang Karl Lochner, Art.: Koberger, Anton, in: ADB 16 (1882), S. 366-368. Anton Koberger d. J. kommt jedenfalls nicht in Frage, da er erst Ende August 1521 mündig gesprochen wurde, bereits Ende des Jahres aber wieder aus dem Geschäft ausschied (ebd., S. 367). Elsa Kammerer hat in diesem Zusammenhang belegt, dass Anton Koberger d. Ä. seit 1504 keine eigene Druckpresse mehr in Betrieb hatte und somit auf die Zu-

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Koburger211 und stellt unter den Erzeugnissen der Offizin Sacons keinen Einzelfall dar: So findet sich auch eine von Jakob Wimpfeling herausgegebene Schrift Bonaventuras, die ebenfalls eine Arbeit im Auftrage Kobergers zu sein scheint.212 Eine Zusammenarbeit des Nürnbergers mit einem zweiten Drucker in Lyon ist ebenso nachweisbar.213 Dies belegt, dass bereits relativ früh Arbeitsverträge zwischen verschiedenen Offizinen, sogar in unterschiedlichen Ländern, bestanden. Da es Copyright-Regelungen im heutigen Sinne nicht gab, waren gerade in der Reformationszeit Raubdrucke und unautorisierte Nachdrucke keine Seltenheit, unter denen insbesondere die autorisierten Druckwerkstätten zu leiden hatten.214 Eine Berufung auf das Urheberrecht war nicht möglich, so dass nicht nur die Reformatoren

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sammenarbeit mit anderen Druckern angewiesen war. Vgl. Kammerer, Schnittstelle Bibeldruck. Entstehung einer Lyoner Bibelreihe im Spannungsfeld der Druckervernetzung und des frühen Humanismus (Lyon-Nürnberg, 1512-1522), in: Thomas Kaufmann / Anselm Schubert / Kaspar von Greyerz (Hgg.), Frühneuzeitliche Konfessionskulturen, Gütersloh 2008 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 207), S. 225-248, hier: S. 226. Dass Sacon wohl häufiger mit der Druckerwerkstatt Kobergers zusammenarbeitete, macht auch Karl Adolf Knappe deutlich: „Die Illustrationen der Malermibibel fanden ihren wohl kräftigsten Widerhall in Lyon, wo sie 1512 für eine Vulgata, die Johann Koberger bei Jacques Sacon drucken ließ, in Metall nachgeschnitten wurden. Nach einigen Auflagen ersetzte sie der Verleger zwischen 1518 und 1522 durch Holzschnitte der Nürnberger Erhard Schön […] und Hans Springinklee […].“ Vgl. Karl Adolf Knappe, Art. Bibelillustrationen, in: TRE 10 (1980), S. 131-160, hier: S. 148. Wie die bibliographischen Angaben verraten, kam dieser Auftrag von Johann Koberger in Nürnberg. Vgl. Bibliographie des livres imprimés à Lyon au seizième siècle, Bd. I, hrsg. von Sybille von Gültlingen, unter Mitarbeit von René Badagos, Baden-Baden 1992 (Bibliotheca bibliographica Aureliana 135), S. 233f., Nr. 124f. In Lyon druckte neben Sacon auch Jean Marion im Auftrag Kobergers. Dass es sich bei dieser Zusammenarbeit nicht nur um Bibeldrucke handelte, beweist das Jahr 1520: Auch hier lässt sich mit dem Titel ‚De civitate‘ Dei des Kirchenvaters Augustinus ein Druck Sacons nachweisen, dem ein Satz Kobergers zu Grunde lag. Wenngleich es sich bei Koberger um einen renommierten, international tätigen Drucker handelte, der ständig mit Raubdrucken zu kämpfen hatte, wird dies im angeführten Beispiel nicht der Fall gewesen sein. Dies hat auch Engelsing (Analphabetentum und Lektüre, S. 25) bewiesen, wenn er Koberger in einer Reihe mit Manutius und Cochläus nennt: „Aldus Manutius in Venedig druckte kleine Ausgaben von Texten, die bisher in einer Auflage von 100 bis 500 Stück angefertigt worden waren, in Auflagen von 1000 Stück. […] Anton Koberger in Nürnberg gab verschiedene lateinische Werke in einer Auflage von 1600 Stück heraus, in einem Fall in der zweiten Auflage. […] 1511 erschienen eine lateinische Grammatik von Johann Cochläus und Pfefferkorns Handspiegel in je 1000 Exemplaren. Das Lob der Torheit (Encomion moriae) des Erasmus wurde sofort in 1800 Exemplaren, sein Ecclesiastes in 2000 gedruckt. Eine elfbändige Augustin-Ausgabe erschien in einer Auflage von 2200 Stück.“

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illegale Nachdrucke ihrer Schriften akzeptieren mussten. Der für die Verbreitung ihrer Gedanken angenehme Effekt war, dass diese somit verstärkt in die Gesellschaft hineingetragen werden konnten.215 Auf eine andere Art der Bücherverbreitung stößt man im Briefwechsel des Beatus Rhenanus: Dieser setzte im September 1514 Michael Hummelberg darüber in Kenntnis, dass Erasmus mit Büchern beladen in Basel eingetroffen sei. Rhenanus zählt darin detailliert die entsprechenden Titel auf und gibt Informationen, um welche Ausgaben es sich jeweils handelt.216 Dies darf nicht als Einzelfall oder als lediglich bei Humanisten typische Vorgehensweise gewertet werden. Es war durchaus üblich, dass Autoren auf Reisen einige ihrer Texte mit sich führten, um sich nicht nur persönlich einen neuen Leserkreis zu erschließen, sondern um mit diesen Beispielen Werbung bei anderen Druckern machen zu können.217 Bei erfolgreicher Mission folgte entweder ein Nachdruck derselben Texte oder die Aussicht, einen neuen Drucker für zukünftige Schriften gewonnen zu haben. Eine umgekehrte Kontaktaufnahme ist natürlich ebenso denkbar und liegt im Falle des Erasmus sogar mit dem berühmten venezianischen Drucker Aldus Manutius vor: Dieser lud Erasmus, der von 1506 bis 1509 in Italien weilte, nach Venedig ein.218 Es folgte ein einjähriger Aufent-

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Der Grund für die Unmöglichkeit, Nachdrucke zu verbieten, ist nach Ansicht Andrew Pettegrees und Matthew Halls insbesondere in der territorialen Zersplitterung des Reiches zu sehen, die es nicht erlaubte, einheitliche Regelungen oder Gesetze zu formulieren, nach denen der Buchmarkt zu ordnen und zu kontrollieren war.Vgl. Andrew Pettegree, Matthew Hall, Buchdruck und Reformation, S. 348f. Vgl. Briefwechsel des Beatus Rhenanus, ges. und hrsg. von Adalbert Horawitz und Karl Hartfelder, Hildesheim 1966, hier: N. 40, S. 66f.: Erasmus Roterodamus, summae erudtionis vir, nuperrime Basileam venit onustus bonis libris, in quibus sunt haec: omnia opera divi Hieronymi emendata, omnia opera Senecae emendata, annotationes in Novum Testamentum copiosissimae, Liber similium, Plutarchi multa versa, Adagia nullo non loco aucta, multa praetera rudia eriamnum incepta quidem, sed nondum absoluta. Novum Testamentum Graece hic imprimet Frobenius cum annotationibus illius, item Adagia castigata et auctissima. Plutarchi opuscula aliquot hiis diebus officinam aggredientur eleganter excussa. Librum similium Schurerius imprimet cum libro de Copia, quem Erasmus illi emendatum dedit, cum Argentorati humanissime ab eo tractaretur. Rhenanus informierte nicht nur Hummelberg in diesem Brief, sondern konnte davon ausgehen, dass dieser seinerseits ebenfalls Bekannte darüber in Kenntnis setzte. Leider ist die Korrespondenz des Erasmus aus den Jahren 1508 bis 1511 nicht vollständig überliefert, wie der Briefindex belegt: Allen I, S. xvif. Der Hinweis Ribhegges, in diesem Zeitraum seien keinerlei erasmische Briefe erhalten, ist jedoch falsch (vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 58).

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halt, währenddessen Erasmus mit Manutius zusammenarbeitete,219 im Haus des Schwiegervaters wohnte und an dessen Ende er den Venezianer zur Veröffentlichung einer neuen ‚Adagia‘-Ausgabe gewonnen hatte. Eine Kontaktaufnahme von Seiten eines derart renommierten Druckers muss jedoch als Ausnahme bewertet werden und Ribhegge scheint daher durchaus zu Recht zu konstatieren: „Erst in Italien beginnt das öffentliche Leben des Erasmus, und damit paradoxerweise auch erst jene Biografie des Erasmus, wie sie uns aus zahlreichen Hand- und Schulbüchern allgemein geläufig ist.“220

2.3.) Druckformate Die Anzahl der verwendeten Formate ist von großer Aussagekraft, da davon ausgegangen werden kann, dass die Größe einer Publikation enormen Einfluss auf ihren Preis hatte. Je größer das Format einer Veröffentlichung war, desto teurer kam sie auch den Kunden.221 Dies bedeutete für die Rezeption, dass das Format einer Schrift bereits über die Anzahl ihrer Käufer, den Umfang ihrer Leserschaft und somit in gewisser Weise auch über die Größe der von ihr erreichten Öffentlichkeit entschied. Mit anderen Worten: je mehr Druckerzeugnisse in Octavo oder Sextodecimo produziert wurden, desto mehr Abnehmer waren zu erwarten. Schriften, die in Folio oder Quarto erschienen, wurden zumeist schon aufgrund des höheren Preises in geringerer Auflagenhöhe hergestellt, da sie nur für vermögende Personen erschwinglich waren.222 (Im weiteren Verlauf erfolgt eine genauere Berücksichtigung der Druckformate am Beispiel der im 16. Jahrhundert in deutscher und englischer Sprache erschienen Übersetzungen erasmischer Schriften.)

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Dies stellt keine Ausnahme dar. Es war hingegen sehr häufig der Fall, dass Humanisten als Korrektoren in Druckereien angestellt wurden – so auch Melanchthon bei Anshelm in Tübingen. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 60. Vgl. Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 78: „Die weitgehende Homogenität eines zwar zahlenmäßig kleinen, aber dafür zahlungskräftigen Lesepublikums, das einem lateinsprachigen Bildungskanon verpflichtet war, bildete die Voraussetzung für die Internationalität des frühen Buchdhandels.“ Ebd., S. 77: „Die Drucker gaben zudem vermehrt kleinere Bücher heraus, die billiger angeboten werden konnten. Weitere neue Kundenkreise wurden angesprochen durch die vermehrte Drucklegung deutschsprachiger Werke, die häufig mit Holzschnitten illustriert wurden. Auf diese Weise wurde das Buch vom Luxusartikel in zunehmendem Maße zum Gebrauchsartikel, den sich immer größere Bevölkerungskreise leisten konnten.“

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2.4.) Auflagenstärke Was soll doch das seyn, meyne lieben druckerherrn, das eyner dem andern so offentlich raubt und stillt das seyne und undernander euch verderbt? Seyt yhr nu auch strassenreuber und diebe worden? odder meynet yhr, das Got euch segenen und erneeren wird durch solche boese tůcke und stuecke?223

Bereits 1525 ermahnte Luther die Drucker im Vorwort zu seiner Fastenpostille, nicht blindlings erfolgreiche Schriften nachzudrucken, da dies in seinen Augen schlichtweg geistiger Diebstahl war. Was auf den ersten Blick eine Verteidigung der Drucker durch ihren Autor ist, stellt sich im Folgenden als Trugschluss heraus.224 Luther konnte dankbar sein für jeden Nachdruck, der auch unautorisiert zustande kam und als Multiplikator seiner Gedanken fungierte.225 Daher ist das Urteil Dörings zutreffend: „Luther ärgert sich also in erster Linie darüber, daß er bei fremden Nachdrucken die Reinheit und Richtigkeit seiner Texte nicht kontrollieren kann. An der Tatsache des Nachdrucks selbst hat er nicht viel auszusetzen[.]“226 Damit ist jedoch das Grundproblem angesprochen, dass durch die Vielzahl von Nachdrucken, die oftmals ohne Genehmigung erfolgten, eine gesicherte Aussage über die tatsächlich im 16. Jahrhundert in Umlauf befindlichen Exemplare einer erfolgreichen Schrift nahezu unmöglich ist.227 Im Übrigen stieg die Buchproduktion natürlich

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WA Schriften 17.2, Fastenpostille 1525: Vorrhede und vermanunge an die Drucker, 3f., hier: 3. Luther formuliert weiter (ebd.): „Nu were der schaden dennoch zu leyden, wenn sie doch meyne buecher nicht so falsch und schendlich zu richten, Nu aber drucken sie die selbigen und eylen also, das, wenn sie zu myr widder komen, ich meyne eygene buecher nicht kenne. Da ist etwas aussen, Da ists versetzt, Da gefelscht, Da nicht corrigirt. Haben auch die kunst gelernt, das sie Wittemberg oben auff ettliche buecher drucken, die zu Wittemberg nie gemacht nocht gewesen sind.“ Vgl. Thomas Döring, Der Buchdruck in Leipzig nach 1546, in: Ekkehard Henschke (Hrsg.): Luther und Leipzig: Beiträge und Katalog zur Ausstellung, Leipzig 1996, S. 25-50, hier: S. 37. Ebd. Vgl. Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 73: „Neben der Quellenarmut ist das größte Problem bei der Erforschung des frühen Buchdrucks, dass die Druckwerke sehr häufig keine Angaben zu Erscheinungsort und –jahr sowie zum Drucker besitzen. […] Ähnliche Schwierigkeiten treten auch bei den Flugschriften der Reformationszeit zwischen 1518 und 1530 auf. In dieser Periode sind rund 90 Prozent der Drucke unfirmiert erschienen.“ Dies scheint mir allerdings etwas zu kurz gegriffen, da diese Mangelerscheinungen auch für manch andere Drucke vorliegen – und dies gerade auch für die Zeit vor 1518 – und wesentliche Angaben wie die Auflagenstärken ebenfalls fehlen.

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nicht kontinuierlich an,228 was die Ermittlung von Werten vereinfachen würde. Missernten, Hungersnöte und Kriege hatten besonders in den Jahren von 1490 bis 1510 sowie von 1514 bis 1517 Auswirkungen auf den Buchmarkt und sorgten für deutliche Produktionseinbrüche.229 Es bleibt also nur, sich auf die belegbaren Auflagenstärken ausgewählter Titel zu konzentrieren. So kann man etwa davon ausgehen, dass bis Ende 1519 die 45 Einzelpublikationen Luthers eine durchschnittliche Auflagenhöhe von 1000 Stück hatten. Dieser Wert kann freilich nicht ohne Weiteres auf die Publikationen von Zeitgenossen übertragen werden – zumal Umfang und Format der Veröffentlichungen stark variierten, was wiederum Auswirkungen auf den Preis und letztlich auch auf die produzierte Stückzahl einer Schrift hatte. So ist etwa richtig, dass im Zuge der Reformation schon in kurzer Zeit immer mehr billige und kleinere Pamphlete hergestellt wurden, die aufgrund des geringeren Preises auch umso mehr Absatz fanden.230 Dies schlägt sich auch in dem Faktum nieder, dass sich in den Jahren zwischen 1518 und 1524 die Gesamtproduktion der

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Dazu: Leonhard Hoffmann, Druckleistungen im Jahrhundert Gutenbergs, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 24 (1980), S. 555-563, bes. S. 562f., Anm. 13. Vgl. Künast, Entwicklungslinien des Augsburger Buchdrucks, S. 15, Anm. 60: „Der Schwabenkrieg von 1499, der Bayerisch-Pfälzische Erbfolgekrieg von 1504 bis 1505 und der langwährende Krieg Kaiser Maximilians I. gegen Venedig (1508 bis zum Waffenstillstand im Februar 1517) führten zu einer generellen Wirtschaftsflaute in Süddeutschland zu Beginn des 16. Jahrhunderts.“ Zu den Auswirkungen auf den Buchdruck vgl. ebd., S. 15. Dies hat Dickens (The German Nation and Martin Luther, S. 105) anhand der Straßburger Drucke zum Ausdruck gebracht. Demnach waren vor 1500 über die Hälfte der in Straßburg entstandenen Druckerzeugnisse religiöse Werke, während der Anteil klassischer Ausgaben unter 10 % lag. Im Zeitraum von 1500 bis 1520 hat Dickens hat einen Anteil von mindestens 1/3, gemessen an der Gesamtzahl, ausgemacht, den klassische und humanistische Texte einnahmen. Nur noch 27 % der Veröffentlichungen in diesem Zeitraum waren religiösen Inhalts. „Then, however, Luther´s revolt brought a swift and radical change both in Strassburg and in other major centres. This took the form of a movement away from aristocratic book-production, away from both the classical and the liturgical folios. Instead the printers hastened to commission and publish cheap little pamphlets, treating of serious themes yet clearly aimed at all classes, not at a moneyed and cultivated élite.“ (Ebd.) Dieser Trend hielt bis 1525 an, bis dass der Druck von lutherischen Pamphleten langsam abnahm (ebd., S. 107). Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass zwischen 1517 und 1525 die protestanische Literatur die katholische enorm überflügelte (ebd., S. 113). Vgl. dazu auch: Wolfgang E. J. Weber, Buchdruck. Repräsentation und Verbreitung von Wissen, in: Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, hrsg. von Richard van Dülmen und Sina Rauschenbach unter Mitwirkung von Meinrad von Engelberg, Köln 2004, S. 65-87, hier: S. 78.

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deutschsprachigen Offizinen versechsfachte.231 Wolfgang Weber hat daher zu Recht zusammengefasst: „Zwischen 1517 und 1530 sollen im Reich nahezu 10000 Flugschriften in fast 10 Millionen Exemplaren veröffentlicht worden sein; den dramatischen Höhepunkt bildeten die Sturmjahre 1520 bis 1523.“232 All diese Entwicklungen machen es schwierig, die Auflagenhöhen verschiedener Texte unterschiedlicher Autoren miteinander zu vergleichen – vor allem, wenn auch die gesamte Druckentwicklung von Jahr zu Jahr derart explosionsartig zunahm.233 Bernd Moeller hat am Beispiel Erfurts, dem „älteste[n] Druckort in Deutschland nördlich des Mains und östlich des Rheins“234, deutlich gemacht, wie rasant diese Entwicklung vonstatten ging: Demnach seien in der Frühdruckzeit (1501 bis 1518) in Erfurt 239 Titel, d.h. ca. 13 p.a., hergestellt worden, während 1519 bereits 26 Titel und 1520 gar 29 veröffentlicht wurden; dies sei jedoch kein Vergleich zu den Jahren der frühen Reformation (1521 bis 1525) gewesen, da hier jeweils mehr als 100 Schriften erschienen.235 Der Leipziger Drucker Melchior Lotther fertigte im August 1520 die Luther-Schrift ‚Vom christlichen Adel‘ in 4000 Exemplaren an.236 Diese „war in fünf Tagen vergriffen (und erlebte vierzehn hochdeutsche sowie eine niederdeutsche, insgesamt also fünfzehn Ausgaben)“237. Die im Herbst 1522 veröffentlichte Übersetzung Luthers des NTs erreichte in

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Dickens, The German Nation and Martin Luther, S. 16. Weber, Buchdruck , S. 77. Daneben vgl. z.B.: Burkhardt, Das Reformationsjahrhundert, S. 26: „Die Augsburger hatten es in ihren besseren Jahren auf maximal etwa 50 Druckwerke gebracht, aber statt einer allmählichen Steigerung war die Zahl der jährlichen Drucke gefallen und stagnierte. Zwischen 1517 und 1525 aber sprang die Jahresproduktion ganz unvermittelt auf eine Marke von 300, was selbst gegenüber dem bisherigen Höchststand eine Steigerung um das Sechsfache bedeutete.“ Vgl. dazu: Giesecke, Der Buchdruck in der frühen Neuzeit, S. 403: „Genaue Zahlen über diesen Größenverhältnisse lassen sich nicht nur deshalb nicht gewinnen, weil damals nur private oder lokale Statistiken geführt wurden. Selbst wenn man solche Daten hätte, so veränderte sich damit nur […] die Ausgangsbasis für die projektiven Extrapolationen. Die Unsicherheit, die die Annahmen über diese Größen in der frühen Neuzeit in der Sekundärliteratur kennzeichnet, sollte als eine Widerspiegelung der damaligen Verhältnisse verstanden werden.“ Daneben vgl. Olaf Mörke, Die Reformation. Voraussetzungen und Durchsetzung, München 2005 (Enzyklopädie deutscher Geschichte 74), hier: S. 131f. Vgl. Bernd Moeller, Erfurts Bedeutung als Kommunikationszentrum, in: Ulman Weiss (Hrsg.): Erfurt – Geschichte und Gegenwart, Weimar 1995 (Schriften des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 2), S. 275-283, hier: S. 276. Ebd. Vgl. Dickens, The German Nation and Martin Luther, S. 111. Vgl. auch: Rudolf Hirsch, Printing, Selling and Reading 1450-1550, Wiesbaden 1967, hier: S. 67. So Hans Widmann, Geschichte des Buchhandels vom Altertum bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1975, hier: S. 63.

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ihrer ersten Edition sogar eine Auflagenhöhe von 3000 Stück.238 Aber handelte es sich bei diesen Werten nicht um eine Ausnahme, wenn bereits Leopold von Ranke davon ausging, dass allein im Jahr 1523 183 Lutherdrucke und 215 Drucke von Luther-Anhängern erschienen?239 Untersucht man Auflagenstärken und Neuauflagen der erasmischen Schriften, lässt sich nicht leicht eine befriedigende Antwort geben, da weder Studien noch Kataloge vorliegen, die Auskunft geben könnten.240 „Genaue Zahlen über diese Größenverhältnisse lassen sich nicht nur deshalb nicht gewinnen, weil damals nur private und lokale Statistiken geführt wurden. Die Unsicherheit […] sollte als eine Widerspiegelung der damaligen Verhältnisse verstanden werden“241, hat Giesecke resümiert.242 Jedoch findet sich in der Korrespondenz des Erasmus folgender Hinweis: Beatus Rhenanus schrieb 1515, dass 1800 Exemplare des ‚Lobs der Torheit‘ verlegt worden und nach kurzer Zeit bereits vergriffen waren.243 Noch zu Lebzeiten hat dieser Titel 36 lateinische Ausgaben erlebt (zwischen 1511 und 1536) und war bereits ins Tschechische, Französische und Deutsche übersetzt worden.244 Bereits im Jahr seiner Erstveröffentlichung (1511) wurde das ‚Lob der Torheit‘ in Paris, Straßburg und Antwerpen gedruckt und im folgenden Jahr an allen Orten neu aufgelegt.245 Jean-Claude Margolin weist darauf hin, dass sich zahlreiche Drucker mit der Bitte an Erasmus wandten, diese Schrift verlegen zu dürfen.246

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Vgl. Dickens, The German Nation and Martin Luther, S. 111. Vgl. Leopold von Ranke: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Bd. 2, Leipzig 1867 (Sämtliche Werke II), S. 56. Der Gesamtkatalog der Wiegendrucke verzeichnet bekanntlich lediglich Inkunabeln bis 1500. Giesecke, Der Buchdruck in der frühen Neuzeit, S. 403. Dazu auch: Karl Dachs / Wieland Schmidt, Wieviele Inkunabelausgaben gibt es wirklich?, in: Bibliotheksforum Bayern 2 (1974), S. 83-95. In einem 1825 veröffentlichten Katalog von Drucken des Aldus Manutius finden sich – für die Zeit typisch – Angaben über Titel, Autor, Umfang und Format eines jeden Werkes, nicht aber die entsprechenden Auflagehöhen. Vgl. dazu: Annales de l’imprimerie des Alde, ou Histoire des trois Manuce et de leurs édtiions, par Antoine-Augustin Renouard, Tom. I, 2. Ed., Paris 1825. Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 47, S. 75. Vgl. Burke, Wörter machen Leute, S. 130. Vgl. Faludy, Erasmus von Rotterdam, S. 130. Vgl. Jean-Claude Margolin, Clarence H. Miller, un fin connaisseur d’Érasme et de son temps, in: Moreana: revue sur l’univers de Thomas More; Europe and Europes in the Age of More 35 (1998), S. 111-128, hier: S. 116.

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3.) Flugblatt und Flugschrift „In der Zeit zwischen 1518 und 1530 wurden rund 10.000 Flugschriften mit schätzungsweise 10 Millionen Exemplaren gedruckt, wobei Augsburg mit einem Anteil von rund 30 Prozent der wichtigste Druckort war. […] jetzt wurde der Faktor Zeit erstmals wichtig für den geschäftlichen Erfolg.“247

Dies macht deutlich, in welchem Maße sich die Reformatoren der Flugblätter248 und der Flugschriften249 zur Verbreitung ihrer Inhalte bedient haben.250 Der Nutzen dieser Literaturgattung, die zwar bereits im ausgehenden 15. Jahrhundert produziert wurde, zeigte sich jedoch erst, als insbesondere Luther sie als Instrument einsetzte, ein möglichst großes Publikum in relativ kurzer Zeit zu erreichen.251 Dies

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Vgl. Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 81. Vgl. Wilke, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, S. 19-24. Ebd., S. 24-30. Vgl. Kraus, Zeitungen, Zeitschriften, Flugblätter, Pamphlete, S. 384: „Das erste Zeitalter massenhaft auftretender Produktion von Flugschriften war das der Reformation.“ Allgmein dazu: Hans-Joachim Köhler (Hrsg.), Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit. Daneben: Mörke, Die Reformation. Voraussetzungen und Durchsetzung, S. 131f.; Wolfgang Reinhard, Reichsreform und Reformation, S. 280: „Wirksungsvoller als längere theologische Werke dürften die Flugschriften gewesen sein, die häufig Theologen oder Luther selbst als Verfasser hatten. Sie wenden sich ja am ehesten an die gesamte Bevölkerung. Für 1501-1530 ist mit ca. 10000 Flugschriften zu rechnen, was bei einer Durchschnittsauflage von 1000 Stück zehn Millionen Exemplare ergäbe.“ Zu Recht hat Reinhard (ebd.) auch auf die Schwierigkeit hingewiesen, den Rezipientenkreis von Flugblättern und Flugschriften bestimmen zu wollen: „Häufig erreichen Inhalte von Massenmedien die Rezipienten ja nicht direkt, sondern über Meinungsführer, wobei sie beträchtliche Umbildung erfahren können. Am Primat der mündlichen Kommunikation sollte kein Zweifel bestehen, aber sie ist quellenmäßig nur schwer zu fassen.“ Für Moeller hingegen scheint der Adressatenkreis klar zu sein: „Die Flugschriften wurden ausschließlich in den Städten und fast ausschließlich für die Städte produziert. D.h. die Leute, die Luther lesen und damit unmittelbar rezipieren konnten, waren zumeist Bewohner von Städten, und dann auch die, die imstande waren, ihm beizuspringen und auch ihrerseits reformatorische Bücher zu schreiben[.]“ Vgl. Moeller, Stadt und Buch, S. 31. Dies haben auch Pettegree / Hall (Buchdruck und Reformation, S. 346) hervorgehoben: „Aus der Sicht des aufstrebenden Gewerbes waren Flugschriften das ideale Produkt: aufgrund ihres geringen Umfangs waren sie schnell und billig herzustellen. Wegen der übergroßen Nachfrage – neue Lutherschriften erlebten oft binnen kürzester Zeit eine Vielzahl von Auflagen – ließ sich mit ihnen viel schneller Geld verdienen als sonst in der eigentlich eher statischen Welt des Buchdrucks üblich, in der es normalerweise Jahre dauerte, bis die Ausgabe eines antiken Klassikers oder das Werk eines Kirchenvaters vollständig verkauft war.“ Es ist daher folgerichtig, die Verbreitung der reformatorischen Gedanken in Zusammenhang mit dem Produktionsanstieg von Flugschriften zu sehen. Andrew Pettegree und Matthew Hall sehen daher den Höhepunkt der Flugschriftenproduktion gleichzeitig mit der Entwicklung von Luthers öffentlichem Auftreten hin zu einer sich aus-

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avancierte durch die geringen Kosten und den großen Gegenwartsbezug zum ersten wirklichen Tagesschriftum.252 Köhler hebt daher zutreffend die immense Bedeutung von Flugblatt und Flugschrift für die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts hervor, wenn er schreibt: „[D]ie Flugschriften werden als ein frühes Massenkommunikationsmittel mit propagandistisch-agitatorischer Zielsetzung verstanden, das in der Phase der geistig-religiösen und politisch-sozialen Auseinandersetzungen an der Schwelle zur Neuzeit zum ersten Mal in großem Umfang zur gezielten Meinungsbeeinflussung eingesetzt wurde.“253

Dies zeigt sich beispielsweise an Luthers ‚Sermon von Ablaß und Gnade‘: Im Erstdruck aus sieben Seiten bestehend, wurde er bis Ende 1519 in 22 Auflagen veröffentlicht.254 Viele Drucker profitierten von dieser Entwicklung, indem sie Luther-Schriften nachdruckten oder sich auf kleinere Texte konzentrierten. Folgerichtig urteilte Künast daher, dass der ‚gemeine Mann‘ in der Reformationszeit als neuer Kunde entdeckt wurde.255 Die explodierende Produktion von Tagesliteratur hatte letztlich auch Auswirkungen auf das gesamte Druckgewerbe. Dies spiegelt sich z.B. in den Preisen wider: Hatte die Gutenberg-Bibel noch ca. 20 bis 50 Gulden gekostet, war die Lutherbibel mit einem Preis von 1 oder 2 Gulden schon eher erschwinglich.256 Der Preis für einen aus acht Blättern bestehenden Druck lag im Jahr 1519 bei vier Pfennigen257 – zum Vergleich: 1523 kostete eine Ausgabe der erasmischen ‚Colloquia‘ 5 Kronen, die Dialektik Rudolf Agricolas 6 Schillinge und 2 Kronen.258 Humanisten enthielten sich größtenteils der Produktion von Flugblättern und Flugschriften, da die von ihnen angefertigten Schriften meist keinen Aktualitätsbezug erforderten, in vielen Fällen sogar zeitlos waren, und es ihnen nicht um Information

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breitenden Bewegung (ebd., S. 344). Vgl. dazu auch: Wilke, Grundzüge der Medienund Kommunikationsgeschichte, S. 38: „Ein Protestpotential fand im Flugblatt nur selten ein Sammelbecken, allenfalls in Flugschriften, etwa im Zusammenhang der Bauernrevolution vor 1525. Hier konnten solche Medien auch zur Gruppenbildung beitragen.“ Zur Bedeutung von Meinungsführern (‚opinion leaders‘) vgl. Wilke, ebd., S. 39. Burkhardt (Das Reformationsjahrhundert, S. 57) bezeichnete zu Recht Flugschriften, Flugblätter und Zeitungen als die drei wichtigsten frühmodernen Tagesmedien. Vgl. Köhler, Flugschriften als Massenmedium, S. X. Vgl. dazu die Auflistung des Druckverzeichnisses lutherischer Schriften bei Moeller, Das Berühmtwerden Luthers, S. 91, Nr. 2. Vgl. Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 71. Ebd., S. 77. Vgl. Brecht, S. 173. Vgl. Künast, „Getruckt zu Augspurg“, S. 189, 191.

Medien

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im Sinne von Beeinflussung und Propaganda ging.259 (Eine der wenigen Ausnahmen stellte etwa der Reuchlin-Streit dar.) Dass aber auf Humanisten, insbesondere Erasmus, in – meist anonymen – Flugschriften Bezug genommen wurde, ist hingegen häufig zu belegen. So macht Holeczek auf eine Flugschrift aufmerksam, die auf deutsche Versionen erasmischer Texte hinweist und Gründe dafür anführt, warum Erasmus als lateinsprachiger Autor fortan auch volkssprachliche Verbreitung finden solle und wieso sich Luther und Hutten bereits der Volkssprache bedienten.260 Bereits im Titel des Drucks wird dargelegt, dass der ‚gemeine Mann‘ auch Erasmus lesen soll.261 Johann Eberlin von Günzburg, der Verfasser dieser Flugschrift, weist auf die verdorbene Situation der Kirche hin, die es nötig mache, jedem frommen Christen die Verhältnisse in deutscher Sprache aufzuzeigen, auf dass sich jeder sein eigenes Urteil machen könne.262 Dies führe langfristig zur Gesundung der Kirche, aber gereiche auch dem gesamten Reich zu Nutzen: Das ist ein ursach warumb man alle ding teütsch bringt zů nutz und hail dem teütschen land an seel, eer, gůt und lyb.263 Nicht nur biete sich durch den Gebrauch volkssprachlicher Flugschriften die Möglichkeit, die wahre (christliche) Lehre zu vermitteln, sondern auch die Nation wieder aufzurichten und zuletzt aus dem Reich den wahren Glauben in alle Welt zu tragen.264 Dies mache, so Eberlin, die herausragende Bedeutung von Erasmus, Luther und Hutten aus, denn: Erasmus, Luther und Hut und vyl andere understond die rechte warheit in das volck zů bringen in teütscher sprach, und jederman warnen vor den falschen propheten in schaffs kleideren, in hoffnung, got wird seim armen teütschen volck die ougen auffthůn, das sie erkennen und annemen die warheit und meiden die lügen, die sy heimlich, offent-

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Einer der wenigen Humanisten, die auch als Verfasser von Flugblättern in Erscheinung traten, war Sebastian Brant. Vgl. dazu: Wiegand, Sebastian Brant (1457-1521), S. 85, 110f. Vgl. dazu: Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 9. Johann Eberlin von Günzburg, Ausgewählte Schriften, hrsg. von Ludwig Enders, Bd. 1, Halle a. S. 1896 (Flugschriften aus der Reformationszeit XI.), S. 79-88: Warumb man herr Erasmus von Roterodam in Teütsche sprach transferiert: Warumb doctor Luther und herr Ulrich von Hutten teütsch schreiben. Wie nutz vnd not es sy, das sollich ding dem gemeinen man für kommen. Der VIII. bundtsgnoß. Ebd., S. 84. Ebd., S. 85. Ebd., S. 87.

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Bedingungen für eine literarische Karriere

lich und uff den kantzlen on alle scham fräfelich, on alle gotsforcht triben, do mit sy das frumm schlecht volck verfüren.265

Dieses Beispiel verdeutlicht, dass durchaus die eigenen Gedanken in Flugschriften und Flugblättern Verbreitung finden konnten, ohne dass man selbst als Autor in Erscheinung trat. Insbesondere kirchenkritische und kirchenreformerische Standpunkte auch anderer Verfasser wurden seit Luthers Auftreten zum Thema gemacht. Die volkssprachliche Rezeption des Erasmus fand zu einem guten Teil auch auf Basis dieser Form des Tagesschrifttums statt. Dies barg jedoch – nolens, volens – die Gefahr der Verfälschung und des Missbrauchs, was in gewisser Weise mitverantwortlich war für die Anfeindungen entschiedener Luther-Anhänger in den 1520er Jahren.266 Richtigstellung oder Ahndung waren meist nicht möglich, da die meisten Exemplare anonym erschienen. Dieser Fall liegt z.B. bei einem Brief des Erasmus an Lorenzo Campeggio vom 18. August 1530 vor: Das Schreiben, das den päpstlichen Legaten beim Augsburger Reichstag davon überzeugen sollte, nicht mit Gewalt gegen die Evangelischen vorzugehen, wurde von Straßburger Erasmusgegnern abgefangen und veröffentlicht. Die volkssprachliche Übersetzung des Briefes unterscheidet sich jedoch gravierend vom lateinischen Original.267 Gegenmaßnahmen des Erasmus mussten von Beginn an zum Scheitern verurteilt sein, da neun verschiedene Ausgaben dieses Briefes nachweisbar sind, von denen allein sieben 1531 in Straßburg, Wittenberg und Nürnberg erschienen.268 Die Macht, die Flugblätter und Flugschriften in der Öffentlichkeit haben konnten, zeigte sich in vielen Fällen und traf die Angegriffenen meist unvorbereitet oder wehrlos.

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Ebd., S. 86. So ist etwa eine Flugschrift aus dem Jahr 1521 nachweisbar, die einen Ratschlag des Erasmus zur Causa Lutheri beinhaltet, wobei der Anteil des Erasmus jedoch nicht eindeutig bestimmt werden kann. Holeczek (Erasmus Deutsch, S. 135) ist aber davon ausgegangen, dass die Druckfassung „eindeutig aus der Feder des Erasmus stammen“ muss. Der Tiel der Flugschrift lautet Consilium cuiusdam ex animo cupientes esse consultum et Roman. Pontifici dignitati et christiani religionis tranquillitati. Gedruckt im Quartformat (Basel, 1521) wurde sie noch im gleichen Jahr dreimal im Reich neu aufgelegt (Augsburg, Basel, Erfurt) und einmal in England (1533). Ebd., S. 299, Nr. 9497. Vgl. auch Edward James Devereux, Renaissance English Translations of Erasmus: A bibliography to 1700, Toronto 1983, S. 91-93. Allgemein dazu auch: HansJürgen Goertz, Antiklerikalismus und Reformation, Göttingen 1995; Bernd Moeller, Reichsstadt und Reformation, bearb. Neuausg., Berlin 1987. Vgl. dazu: Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 53, Nr. 73. Vgl. Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 302f., Nr. 119-127.

87 C. KOMMUNIKATION

1.) Schriftliche Kommunikation: Die Korrespondenz des Erasmus Jegliche Art von Texten verfügt über einen Kommunikationscharakter. Auch Bücher und alle anderen gedruckten oder handschriftlich erstellten Texte richten sich im Normalfall an einen Adressaten, doch dienen sie nicht alle der vorrangigen Vermittlung zwischen Absender und Empfänger. Literaturgattungen unterscheiden sich daher in besonderer Weise im Grad der Kommunikationsintention sowie im Radius ihrer Adressaten.269 Dies soll nur an zwei Beispielen verdeut-

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Kommunikation auf Textebene umfasste seit jeher verschiedene Gattungen, die gewählte Sprache grenzte aber den möglichen Rezipientenkreis ein. Nicht nur die Wahl des Lateinischen beschränkte die Leserschaft auf einen kleinen Teil der frühneuzeitlichen Gesellschaft, auch waren Autoren, die sich des Deutschen bedienten, vor das Problem gestellt, dass es die Volkssprache im Reich nicht gab: In Deutschland herrschten neben dem Nieder- und Oberdeutschen unterschiedliche dialektale Sprachausformungen vor. Wenngleich das Oberdeutsche sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts kontinuierlich ausbreitete, so kann längst noch nicht von einer deutschen Volks- oder gar Nationalsprache die Rede sein. Vgl. dazu: Robert Peters, Das Mittelniederdeutsche als Sprache der Hanse, in: Per Sure Ureland (Hrsg.): Sprachkontakt in der Hanse. Aspekte des Sprachausgleichs im Ostsee- und Nordseeraum, Akten des 7. Internationalen Symposions über Sprachkontakt in Europa: Lübeck 1986, Tübingen 1987, S. 65-88; Ulrich Andermann, Albert Krantz (1448-1517), in: Bodo Guthmüller (Hrsg.): Latein und Nationalsprachen in der Renaissance. Vorträge des 37. Wolfenbütteler Symposions in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 25. bis 28. September 1995, Wiesbaden 1998, S. 315-344, hier: S. 340: „Der bei Krantz thematisierte Gegensatz des nieder- und oberdeutschen Dialekts zeigt schließlich, daß der Terminus ‚Volks-‘ oder ‚Nationalsprache‘ nicht den ‚muttersprachlichen Gegensatz zum internationalen Latein‘ der Gelehrten bezeichnet. Er gibt vielmehr nachdrücklich zu erkennen, wie wenig wir durch die verschiedenen Existenzformen der Nationalsprache von einer Kommunikationsgemeinschaft in Deutschland um 1500 ausgehen können.“ Vgl. dazu auch: Norbert Richard Wolf, Probleme wissensliterarischer Kommunikation, in: Ders. (Hrsg.), Wissensorganisierende und wissenvermittelnde Literatur im Mittelalter, Wiesbaden 1987 (Wissensliteratur im Mittelalter 1), S. 208-220, hier bes. S. 209. Es waren die Gebiete im mitteldeutschen Raum, die in Deutschland zuerst der Volkssprache amtliche Würde zukommen ließen. Die Kanzleien Berlins gingen um 1504 zum Hochdeutschen über. In den Kanzleien Brandenburgs schlug sich diese Entwicklung in den Jahren zwischen 1515 und 1525 nieder. Vgl. Agathe Lasch, Geschichte der Schriftsprache in Berlin bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Dortmund 1910. Insgesamt muss allerdings eingeräumt werden, dass die Forschung, v.a. auf dem Gebiet der mittellateinischen Philologie, bislang die Entwicklung der Verwaltungssprache im fokussierten Zeitraum nahezu ignoriert hat. Nur wenige Studien

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Bedingungen für eine literarische Karriere

licht werden: Selbst Tagebücher, die persönlichsten Schriftzeugnisse, werden zur Kommunikation eingesetzt, sobald sie in die Hände eines anderen geraten, der sie seinerseits durch Edition noch einem weiteren Leserpublikum zugänglich machen kann. Auch Stadtchroniken dienen der Kommunikation, wenngleich sie auf den ersten Blick nur der Nachwelt Rechenschaft abzugeben scheinen. Doch haben sie großen Anteil daran, Identität für die Stadtbewohner zu stiften und sich gleichzeitig gegenüber anderen Städten abzugrenzen oder das eigene Handeln zu erklären, wie jüngst Regula Schmid für eidgenössische Städte deutlich gemacht hat.270 Genau genommen liegt sogar dort der Kommunikationsaspekt vor, wo Buchstaben fehlen und Informationen durch Symbole, heraldische oder bildliche Darstellungen gegeben werden (– wobei wohl nur die Symbole im engeren Sinne der Schriftlichkeit zugerechnet werden). Keine Literaturgattung dient aber so entschieden der Intention der Kommunikation zwischen mindestens einem Verfasser und mindestens einem Adressaten wie der Brief. Reinhard M. Nickisch hat dies auf den Punkt gebracht: „Da der Brief in soziologischer Hinsicht nicht nur individueller ‚Beziehungsträger‘, sondern zugleich auch Träger ‚pragmatischer Intentionalität (qua Anspruch an die reale Umwelt)‘ ist […], also Bezug und Einfluß nimmt auf reale Handlungen, Verhaltensweisen, Stimmungen, Gedankenbewegungen – kurz: Reaktionen auslöst oder doch ihre

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befassen sich mit diesem Thema. Am ehesten befassen sich folgende Untersuchungen mit der Entwicklung der Verwaltungssprache und dem Wechsel zur deutschen Sprache im amtlichen Schriftverkehr: Felix Merkel, Das Aufkommen der deutschen Sprache in den städtischen Kanzleien des ausgehenden Mittelalters, Leipzig 1930 (Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance 45); Dietmar Jürgen Ponert, Deutsch und Latein in deutscher Literatur und Geschichtsschreibung des Mittelalters, Stuttgart [u.a.] 1975 (Studien zur Poetik und Geschichte der Literatur 43), hier: S. 65ff.; Marita Gesenhoff / Margarete Reck, Die mittelniederdeutsche Kanzleisprache und die Rolle des Buchdrucks in der mittelniederdeutschen Sprachgeschichte, in: Werner Besch [u.a.] (Hgg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, Bd. 2, Berlin, New York 1985 (Handbücher der Sprach- und Kommunikationswissenschaft 2,2), S. 1279-1289; Hans Moser, Die Kanzleisprachen, in: Besch [a.a.O.], S. 13981408. Für den eidgenössischen Bereich vgl. die neue, umfassende Studie von Regula Schmid, Geschichte im Dienst der Stadt. Amtliche Historie und Politik im Spätmittelalter, Zürich 2009.

Kommunikation

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Auslösung intendiert, muß er überdies als Vehikel einer zielorientierten Sprechhandlung ‚in einem gegebenen Interaktionsrahmen‘ […] gelten.“271

Wo aber ist die Gattung Brief literaturtheoretisch einzuordnen? Inwiefern ist sie als historische Quelle zu betrachten? – Bei einer Kategorisierung unterschiedlicher Quellengattungen muss man meines Erachtens Briefe der Gruppe der sogenannten „Ego-Dokumente“ zurechnen.272 Dies wird möglich, wenn unter dieser Gattung all „jene Quellen verstanden werden, in denen ein Mensch Auskunft über sich selbst gibt, unabhängig davon, ob dies freiwillig … oder durch andere Umstände bedingt[.]“273 Legt man hier allerdings die Definition zugrunde, dass der Aspekt popularer Schriftlichkeit stärker betont wird,274 so dürfte der Brief nur unter Vorbehalt dieser Gruppe zugeordnet werden. Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Privatbrief nach heutigem Verständnis im 15. und 16. Jahrhundert nahezu ungebräuchlich war, da Schreiben – in erster Linie natürlich jene prominenter Absender –

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Vgl.: Reinhard M. G. Nickisch, Brief, Stuttgart 1991, S. 10. Der Begriff des Ego-Dokuments entstammt der niederländischen Forschung und meint diejenigen historischen Quellen, die persönlichen Charakters sind oder zumindest Wahrnehmungen und Empfindungen eines Verfassers preisgeben. Eingeführt wurde der Begriff durch Jacob Presser, Memoires als geschiedbron, in: Hendrik Richard Hoetink [u.a.] (Hgg.): Algemene Winkler Prins Encyclopedie, Bd. 7, Amsterdam / Brüssel 1958, S. 208-210. In diesem Zusammenhang ist immer noch umstritten, ob der Brief als historische Quelle von Akten und / oder Urkunden zu trennen ist. Aufmerksam gemacht hat darauf v.a. Irmtraut Schmid, Was ist ein Brief? Zur Begriffsbestimmung des Terminus ‚Brief‘ als Bezeichnung einer quellenkundlichen Gattung, in: Editio 2 (1988), S. 1-7, hier: S. 2, Anm. 6 sowie S. 4f. Es kann hier wohl keine allgemeingültige Entscheidung getroffen werden, da die Einordnung jeweils von Anlass und Inhalt eines Briefes abhängt. Zum Forschungsüberblick und Gattungseinordnung des frühneuzeitlichen Briefes vgl. v.a. auch: Carmen Furger, Briefsteller. Das Medium ‚Brief‘ im 17. und frühen 18. Jahrhundert, Köln / Weimar / Wien 2010, bes. S. 15-17. Winfried Schulze, Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte?, in: Bea Lundt / Helma Reimöller (Hgg.): Von Aufbruch und Utopie, Köln / Weimar / Wien 1992, S. 417-450, hier: S. 428f. [Zitiert nach: Benigna von Krusenstjern, Was sind Selbstzeugnisse? Begriffskritische und quellenkundliche Überlegungen anhand von Beispielen aus dem 17. Jahrhundert, in: Historische Anthropologie 2 (1994), S. 462-471, hier: S. 470.] Vgl. dazu auch: Kaspar von Greyerz, EgoDocuments: The Last Word?, in: German History 28.3 (2010), S. 273-282. Hier werden allerdings nur Tagebücher, Autobiographien und Familienchroniken thematisiert. Vgl. auch: Mary Fulbrook, Ulinka Rublack, In Relation: The ‚Social Self‘ and Ego-Documents, in: German History 28.3 (2010), S. 263-272. Vgl. Jan Peters, Wegweiser zum Innenleben? Möglichkeiten und Grenzen der Untersuchung popularer Selbstzeugnisse der Frühen Neuzeit, in: Historische Anthropologie 1 (1993), S. 235-249, hier: S. 235.

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öffentlich vorgelesen oder herumgereicht wurden,275 so entspricht dies nicht dem Popularitätsaspekt. Die These, erst mit der Publikation erlange ein Brief öffentlichen, respektive populären Charakter,276 gilt meines Erachtens zumindest für den Humanistenbrief nicht.277 Mit zunehmendem Bekanntheitsgrad können jedoch wiederum Briefe aus der Feder des Erasmus auch in gewissem Maße über jenen populären Charakter verfügen. Briefe, die nach Bürgels Definition „inhaltlich in der Regel außerhalb der Sphäre der ‚Öffentlichkeit‘ stehend“278 zu betrachten sind, hat es – zumindest ab einem gewissen Zeitpunkt – im Leben des Erasmus nicht (mehr) gegeben. Dies gilt auch trotz ihres persönlichen Anspruchs (– das mittelalterliche ‚vos‘ wurde von den Humanisten gleichsam abgeschafft –)279, der schon deswegen vorlag, weil eine Antwort erwartet wurde.280 Neben dem Verfasser eines Briefes und dem jeweiligen Adressaten ist immer auch der Dritte präsent, was nicht nur darin zum Ausdruck kommt, dass andere Humanisten oder in der Öffentlichkeit stehende Personen häufig Kommunikationsgegenstand sind. Auch Themen, die von öffentlichem Interesse sind, werden oft behandelt – genauso wie vielfach der Versuch unternommen wird, die öffentliche Meinung zu beeinflussen sowie die gegenseitige Freundschaft aufrechtzuerhalten. Briefe sind nach dieser Deutung schriftgewordene Gespräche – selbst wenn eine Antwort ausbleibt.281 Ihren Quellenwert umschreibt Christine Treml folgendermaßen:

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Vgl. Matthieu Arnold. Die Rolle der Korrespondenz bei Kommunikation und Transfer. Zu einer evangelischen Identität in der Frühen Neuzeit, in: Irene Dingel / Wolf-Friedrich Schäufele (Hgg.): Kommunikation und Transfer im Christentum der Frühen Neuzeit, Mainz 2007 (Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte. Abteilung für abendländische Religionsgeschichte, Beiheft 74), S. 3347, hier: S. 35: „Allerdings war ein Privatbrief im 16. Jahrhundert nicht so vertraulich wie dies heutzutage der Fall ist. Die Mehrzahl der Briefe Luthers sind uns in Abschriften überliefert worden, die bereits von seinen Zeitgenossen angefertigt wurden.“ Vgl. auch: Furger, Briefsteller, S. 137. Peter Bürgel, Der Privatbrief. Entwurf eines heuristischen Modells, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literarurwissenschaft und Geistesgeschichte 50.1 (1976), S. 281-297, hier: S. 289, bes. Anm. 29. Vgl. dazu die verschiedenen Beiträge in: Franz Josef Worstbrock (Hrsg.): Der Brief im Zeitalter der Renaissance, Weinheim 1983 (Mitteilung der Kommission für Humanismusforschung 9). Bürgel, Der Privatbrief, S. 285. Vgl. dazu: Helene Harth, Poggio Bracciolini und die Brieftheorie des 15. Jahrhunderts. Zur Gattungsform des humanistischen Briefes, in: Worstbrock (Hrsg.), Der Brief im Zeitalter der Renaissance, S. 81-99, hier: S. 94. Vgl. Bürgel, Der Privatbrief, S. 285. Vgl. Bürgel, Der Privatbrief, S. 286.

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„Der besonderen Struktur der humanistischen Kommunikation ist es zu verdanken, daß mit den Korrespondenten eines Zirkels sowohl die engeren als auch die sympathisierenden Mitglieder erfaßt sind, da der briefliche Kontakt zu möglichst vielen und möglichst bedeutenden Gelehrten für die Humanisten eine conditio sine qua non ihrer Zugehörigkeit zur respublica literaria darstellte[.]“282

Diese Form der Kommunikation konnte in verschiedenen Lebensabschnitten von unterschiedlicher Bedeutung sein, wie am Beispiel des Erasmus deutlich wird: So galt es zunächst, potentielle Mäzene anzuschreiben – in der Hoffnung, wenigstens einen für sich gewinnen zu können; aber auch später als gefeierte Persönlichkeit – besonders in Zeiten der Anfeindungen – diente seine Korrespondenz immer wieder dazu, sich der Unterstützung der Anhänger und Schutzherren zu vergewissern. Wenn Bürgel dem Brief zwei charakteristische Merkmale zubilligt – „das egozentrische do ut des sowie das altruistische vivere ex altero“283 –, so treten beide Erscheinungsformen umso deutlicher zu Tage, je bekannter eine Person ist. Was den Quellenwert betrifft, so ist nicht nur ein Erkenntnisgewinn mit Blick auf den Verfasser eines Briefes zu erwarten,284 sondern immer auch in Hinsicht auf den Adressaten und den Grad der Beziehung zwischen beiden – oder allgemein: in Hinsicht auf Zeit und Gesellschaft.285 Da das Hauptaugenmerk dieser Arbeit auf einer Person liegt, kann mit Fritz Schlawe auch die auszuwertende Korrespondenz als „Zeugnis von Sein und Werden bedeutender Menschen“286 aufgefasst werden, da nach Benigna von Krusenstjern zurecht jeder Text als Selbstzeugnis seines Verfassers angesehen werden kann.287 Den Quellenwert dieser Gattung hat be-

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Vgl. Christine Treml, Humanistische Gemeinschaftsbildung. Sozio-kulturelle Untersuchung zur Entstehung eines neuen Gelehrtenstandes in der frühen Neuzeit, Hildesheim / Zürich / New York 1989 (Historische Texte und Studien 12), S. 16. Vgl. Bürgel, Der Privatbrief, S. 291. Vgl. Christian Fürchtegott Gellert, Briefe, nebst einer Praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen, Wien 1773, S. 8: „Und wer ist gleichwohl ein getreuerer Verräther, als ein Brief? Streicht man bey dem Drucke solche Umstände weg: so geht es gemeiniglich den Briefen, wie allen wohl verbundnen Dingen, denen man einen Theil entzieht. Sie passen übel zusammen; und wenn dieß nicht ist: so haben sie doch eine Schönheit weniger. Schade genug! Die Personen, an die man schreibt, und von denen man in den Briefen redet, verursachen in Ansehung des Drucks eben diese Schwierigkeiten. Man darf zuweilen einen gewissen Umstand nicht bekannt machen, oder man kann ihn beynahe nicht erklären; und gleichwohl ist oft der ganze Brief, oder sein größtes Verdienst auf diesen Umstand gegründet.“ Bürgel, Der Privatbrief, S. 292f. Fritz Schlawe, Die Briefsammlungen des 19. Jahrhunderts, Bd. 1, Stuttgart 1969, S. XI. Vgl. von Krusenstjern, Was sind Selbstzeugnisse?, S. 463.

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reits Goethe hervorgehoben, wenn er Winckelmann in den Mund legt: „Briefe gehören unter die wichtigsten Denkmäler, die der einzelne Mensch hinterlassen kann. Lebhafte Personen stellen sich schon bei ihren Selbstgesprächen manchmal einen abwesenden Freund als gegenwärtig vor, dem sie ihre innersten Gesinnungen mittheilen, und so ist auch der Brief eine Art von Selbstgespräch.“288

In Bezug auf Erasmus von Rotterdam wurden Quellenwert und Bedeutung des Briefes in der Art hervorgehoben, dass darin dessen Leben, Genie, Begabung, Sitten, Bildung und Geistesgaben zum Ausdruck kämen.289 – Unterschiede in Briefen lassen sich vor allem in der Wahl der Sprache ausmachen: Natürlich abgesehen von den Sprachkenntnissen des Briefverfassers entschieden jene des Briefempfängers darüber, in welcher Sprache die Korrespondenz gehalten war.290 Johannes Schilling hat dies exemplarisch an den Briefen Luthers deutlich gemacht.291 Die amtliche Korrespondenz der Reichsstadt Frankfurt am Main etwa weist hingegen einen entschiedenen Gebrauch der deutschen Sprache auf:292 Sämtliche Briefe, die die Frankfurter Amtmänner an ihre Reichstagsgesandten, an andere Städte oder sonstige Briefpartner auch aus höchsten kirchlichen und weltlichen Kreisen richteten, sind in deutscher Sprache abgefasst.293 Für amtliche Kor-

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Goethes Werke, I. Abtheilung: 46. Band, hrsg. von Hermann Böhlau, Weimar 1891, S. 11f. Vgl. Desiderii Erasmi Roterodami Opera Omnia, Bd. 1, S. 13: In iis enim tota elucet ejus vita, in iis ejusdem patet genius, ingenium, mores, eruditio, animique dotes. War die Frage nach den Sprachfertigkeiten in diesem Zusammenhang das entscheidende Kriterium, so gab es natürlich auch andere Aspekte, die auf Formulierung und Inhalt eines Briefes Auswirkungen haben konnten. So hat Carmen Furger (Briefsteller, S. 12) zu Recht in besonderem Maße den gesellschaftlichen Rang des Adressaten betont. Vgl. Johannes Schilling, Briefe, in: Albrecht Beutel (Hrsg.): Luther Handbuch, Tübingen 2005, S. 340-346. Frankfurts Reichscorrespondenz nebst andern verwandten Aktenstücken von 13761519, Bd. 2,1, hrsg. von Johannes Janssen, Freiburg i. Br. 1866. (Die Jahre 1500 bis 1518 sind hier abgedruckt auf den S. 637-999). Der Vorwurf, es könne sich bei den Frankfurtern um Verfechter der Muttersprache gehandelt haben, was diese zum ausschließlichen Verfassen ihrer Texte in deutscher Sprache veranlasst habe, ist nicht haltbar, da auch die Schreiben an die Frankfurter Obrigkeit in deutscher Sprache gehalten sind. Ein ähnliches Bild projizieren im Übrigen Städtechroniken dieses Zeitraums. Hier dürften die Chroniken kleiner Städte von größerer Aussagekraft sein als diejenigen bedeutenderer, eventuell sogar humanistisch geprägter Städte oder freier Reichsstädte: So ist etwa die Chronik des westfälischen Soest während des gesamten Zeitraums von 1503 bis 1520 in deutscher

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respondenzen ist dies für das ausgehende 15. und beginnende 16. Jahrhundert keineswegs weit verbreitet. In der Privatkorrespondenz einer Person hingegen ist vielfach der Gebrauch unterschiedlicher Sprachen zu beobachten – wie etwa bei Martin Luther.294 Briefe, die unter Humanisten gewechselt wurden, sind – was freilich nicht anders zu erwarten war – fast ausschließlich in lateinischer, vereinzelt auch in griechischer Sprache verfasst. Dem Brief kommt bei Humanisten in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu – waren sie es doch, die dieses Kommunikationsmittel gleichsam wiederentdeckten. Begründet wurde diese Hinwendung zum Kommunikationsmedium Brief jedoch jenseits der Alpen: Francesco Petrarca und andere italienische Humanisten des 15. Jahrhunderts entdeckten auf ihrer Suche nach antiken Vorbildern für die verschiedenen literarischen Gattungen Marcus Tullius Cicero als den Briefschreiber schlechthin wieder295. Alois Gerlo hat einen passenden Überblick über diese neue Entwicklung gegeben:

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Sprache abgefasst und verfügt über vereinzelte lateinische Einschübe. Diese sind allerdings so selten, dass von einem deutsch-lateinischen Mischtext keine Rede sein kann. Auch die Wormser Stadtchronik ist in deutscher Sprache gehalten. Vgl. dazu: Wormser Chronik von Friedrich Zorn mit den Zusätzen Bertholds von Flersheim, hrsg. von Wilhelm Arnold, Stuttgart 1857; Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd. 3: Soest und Duisburg, hrsg. von der Historischen Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Leipzig 1895 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 24), hier: S. 87-117. In der Wormser Chronik finden die Jahre 1500 bis 1520 ihre Beschreibungen bei Arnold, Wormser Chronik, S. 204-253. Auch wenn dieses Geschichtswerk vermutlich erst zwischen 1565 und 1570 verfasst wurde, kommt ihm dennoch eine besondere Bedeutung zu, da es sich hier um die einzige Quelle zur Wormser Stadtgeschichte handelt. Die Chronik, die wohl von 1565-1570 verfasst worden ist (ebd., S. 2), hat eventuell eine Chronik zur Grundlage, deren Verfasser um 1530 gelebt haben soll (ebd., S. 3). Dieser Vorläufer ist hingegen nicht überliefert worden. In welchem Maße die uns vorliegende Chronik über Zusätze eines gewissen Franz Berthold von Flersheim verfügt, ist ungewiss. Ebenso kann das Jahr 1604 als Zeitpunkt seines Abfassens nicht bestätigt werden (ebd., S. 1-3). Vgl. dazu: D. Martin Luthers Briefwechsel, hrsg. von Gustav Bebermeyer [u.a.], Bd. 1-18 , Weimar 1930-1985. Als „Begleiterscheinung“ des Humanismus wertet Jean-Pierre Massaut auch die Reform des Briefes zur literarischen Gattung. Die „révolution culturelle“ hätte seiner Auffassung nach keine solchen Auswirkungen gehabt ohne eine ähnliche „révolution épistémologique“. Vgl. Jean-Pierre Massaut, Érasme, un rénovateur sans frontières, in: Julien Ries (Hrsg.): Érasme et la montée de l’humanisme. Naissance d’une communauté européenne de la culture, Louvain-la-Neuve 2001, S. 11-20, hier: S. 14.

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„Ein wesentlicher Anstoß für die Blüte der Humanistenbriefe, eines ganz neuen Genres, war die Wiederentdeckung – zwischen 1345 und 1419 – des Briefwechsels von Cicero und Plinius dem Jüngeren. Petrarcas Briefsammlungen wiesen den Weg, und rasch folgten die Briefsammlungen unter anderen von Leonardo Bruni, Aeneas Sylvius [Piccolomini], Marsilio Ficino, Poliziano, Bembo und nicht zuletzt von Erasmus[.]“296

Im Laufe der Jahrzehnte trat neben die Intention, literarisch wertvolle Briefe zu verfassen, vor allem auch der Gedanke, Briefe nicht ausschließlich, aber auch als Plattform geistigen Austauschs zu nutzen.297 Insbesondere Humanisten ergriffen die Gelegenheit, nicht nur ihren Briefadressaten die eigenen Gedanken oder Sichtweisen eines Sachverhaltes zukommen zu lassen; durch die häufige Publikation ihrer Briefsammlungen oder einer Auswahl von Briefen – auch derartige Veröffentlichungen geschahen nach antikem Vorbild – konnte eine Vielzahl Interessierter davon in Kenntnis gesetzt werden, was ein Reuchlin, ein Erasmus oder ein Melanchthon über gewisse Entwicklungen und Fragestellungen dachten. So kam es auch, dass Leser der Editionen, an die der jeweilige Brief nicht adressiert war, ihre Überlegungen wiederum dem Briefschreiber, seinem Adressaten oder Dritten mitteilten. Ein Beispiel aus dem Jahr 1520 mag dies verdeutlichen: Justus Jonas setzte am 29. März Melchior von Aachen davon in Kenntnis, dass Erasmus nun endlich eine Edition seiner Briefe angestrengt habe, die kürzlich erschienen sei.298 – Bereits 1509 war der Rotterdamer von einem Freund davon unterrichtet worden, dass in Rom eine Edition seiner Briefe zu erwerben sei. Es handelte sich dabei um eine unautorisierte Ausgabe, der weitere folgen sollten.299 Erasmus sah sich daher veranlasst, Briefe zu archivieren und eigene Editionen zu erstel-

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Vgl. Alois Gerlo, Erasmus von Rotterdam: Sein Selbstporträt in seinen Briefen, in: Worstbrock (Hrsg.), Der Brief im Zeitalter der Renaissance, S. 7-24, hier: S. 7f. Treml (Humanistische Gemeinschaftsbildung, S. 77-79) hat deutlich gemacht, dass der Brief von Humanisten nicht nur als Kommunikationsmittel angesehen wurde, sondern auch als literarischer Kunststil, der daneben auch die Möglichkeiten barg, Freundschaften zu pflegen oder über Bücher zu diskutieren. Zur literarischen Qualität und Stilistik der humanistischen Briefe vgl. Holeczek, Erasmus von Rotterdam und die volkssprachliche Rezeption, S. 142. Vgl. Der Briefwechsel des Justus Jonas, ges. und bearb. von Gustav Kawerau, hrsg. von der Historischen Commission der Provinz Sachsen, Bd. 1, Hildesheim 1964, Nr. 36, S. 42f., hier: S. 42: Erasmus, ille literarum rex potentissimus, opus iam edidit magnum epistolarum, cui titulum fecit Farragini. Ibi plerasque epistolas ad Friderichum tuum, ideoque tibi charissimum, ad regem Angliae inseruit, et post legati Helvetiorum epistolam. Zum Interesse an erasmischen Briefen vgl. Huber-Rebenich, Erfurter Humanisten und ihre Vorbilder, S. 101.

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len, die seit 1515 nahezu jährlich veröffentlicht wurden.300 Der durch Briefe ermöglichte Gedankenaustausch über Landesgrenzen hinweg setzte eine Entwicklung in Gang, woraus „im Laufe der Zeit die Einrichtung der gelehrten Zeitschriften erwachsen ist[.]“301 Neben Korrespondenzeditionen war es durchaus auch üblich, Briefe, die man von berühmten Personen erhalten hatte, in größerer Runde vorzulesen oder herumzureichen. So bat etwa Christoph von Scheurl im Herbst 1515 Johann Cuspinian darum, er möge gegenüber Willibald Pirckheimer seinen Dank ausdrücken, dass dieser Briefe von Erasmus und Beatus Rhenanus zur Lektüre verliehen habe.302 Für dieses Phänomen liefert Christine Treml eine plausible Erklärung: „Die Einschätzung der eigenen Person durch den Gelehrtenzirkel bemaß sich auch an der Anzahl und der Bedeutung der Freunde, auf die man verweisen konnte.“303 Der Wiederentdeckung – oder für Zeit und Zusammenhang treffender – der Renaissance der Briefe kommt wohl eine besondere Bedeutung für die weite geographische Verbreitung von Gedanken zu. Selten zuvor hat eine geistige Entwicklung derart weite Teile Europas erfassen können. Zugleich erleichterte dieses Medium auch die Bildung von Netzwerken gleichgesinnter und gleichdenkender Personen auf dem gesamten Kontinent,304 weshalb die Humanisten von dem Gedanken beseelt waren, eine res publica literaria zu verwirklichen

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Ribhegge hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Erasmus seine frühen Briefe nicht veröffentlicht sehen wollte. Vgl. Ribhegge, Erasmus und Europa, S. 558. Vgl. Meissinger, Erasmus und die öffentliche Meinung, S. 22. Bei Ribhegge (Kontakte und Kontroversen. Martin Luther, Erasmus von Rotterdam und Thomas More, in: Hermann Boventer / Uwe Baumann (Hgg.): Europa: Wiege des Humanismus und der Reformation. 5. Internationales Symposion der „Amici Thomae Mori“ 20. bis 27. Mai 1995 in Mainz, Frankfurt am Main [u.a.] 1997, S. 111-129, hier: S. 116) findet sich eine ähnliche Charakterisierung des humanistischen Briefes: „Sie nahmen gelegentlich die Form von Essays an und ersetzten zum Teil jene Möglichkeiten der Information, wie wir sie heute aus den Beiträgen und Kommentaren der Zeitungen und Zeitschriften kennen.“ Vgl. dazu: Johann Cuspinians Briefwechsel, ges., hrsg. und erl. von Hans Ankwicz von Kleehoven, München 1933 (Veröffentlichungen der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation, Humanistenbriefe 2), S. 74: sed his diebus concivis Bilibaldus litteras tuas simul et Rotterodami et Rhenani legendas michi exhibuit, quibus immensas sibi gratias agis, quod dignatus sit ad te scribere et in album amicorum acceptare[.] Scheurl schrieb den Brief nach dem 18. Oktober 1515 (ebd., S. 73). Vgl. Treml, Humanistische Gemeinschaftsbildung, S. 86. Dazu: Arnold, Die Rolle der Korrespondenz, S. 38.

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und somit in möglichst vielen Ländern Menschen zu wissen, deren Handeln und Denken auf gleicher Ebene stattfanden. „Bis zum Beginn der Reformation mochte es so scheinen, als werde das von den Humanisten erträumte Europa einer ‚respublica literaria‘ tatsächlich Wirklichkeit“.305 Die für diese Entwicklung zentrale Bedeutung des Briefes unterstreicht Franz Josef Worstbrock, wenn er von der „literarischen Schlüsselform der Epoche“306 spricht. Umso erstaunlicher ist es, wenn Ribhegge noch 1998 schreibt, dass die Korrespondenz des Erasmus von Rotterdam in der deutschen Forschung wenig Beachtung finde,307 handelt es sich doch bei Erasmus nicht nur um einen der bekanntesten Humanisten, sondern auch um einen Briefschreiber, der als „man of letters“308 sämtliche Rekorde brach.309 Schoeck liegt daher mit seiner Aussage völlig richtig: „Erasmus was the universal example of the man of letters, the prince of humanists, the spokesman for the Republic of Letters“310, und hebt damit die Bedeutung von Briefen für Erasmus hervor. Bei Lisa Jardine heißt es: „Erasmus is the type and figure of humanistic man of letters, the model for the detached and disinterested pursuit of learning[.]“311 Ebenso kann man in den allermeisten Untersuchungen zu Biographie und Entwicklung des Erasmus erfahren, welch zentrale Bedeutung die Wiederentdeckung des Briefverkehrs für ihn hatte, was nicht zuletzt durch den von Chris Heesakkers geprägten Titel des „Erasmus epistolographus“312 zum Aus-

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Vgl. Ribhegge, Erasmus und Europa, S. 551. Vgl. Franz Josef Worstbrock, Vorwort, in: Ders. (Hrsg.), Der Brief im Zeitalter der Renaissance, S. 5f., hier: S. 5 – Zu weiteren genera von Briefen sei hier verwiesen auf Jozef Ijsewijn / Dirk Sacré, Companion to Neo-Latin Studies, Part II: Literary, Linguistic, Philological and Editorial Questions, Löwen 1998², S. 219. Hinzugefügt ist eine umfangreiche Bibliographie (S. 220-228). Vgl. Ribhegge, Erasmus und Europa, S. 550. So z.B. Lisa Jardine, Erasmus, man of letters: the construction of charisma in print, Princeton 1993, S. 7; Richard J. Schoeck, The Vocation of Erasmus, in: Moreana: revue sur l’univers de Thomas More; Europe and Europes in the Age of More 35 (1998), S. 203-218, hier: S. 217. Vgl. dazu auch Arnold, Die Rolle der Korrespondenz, S. 34: „Wahr ist, daß man eher die Korrespondentennetzwerke des 17. Jahrhunderts, nämlich in der Zeit der ‚République des lettres‘ untersuchte, als die des 16. Jahrhunderts. (Erasmus bildet natürlich eine wichtige Ausnahme; seine Briefpartner und die Funktionen seines Briefwechsels sind aber eher von Spezialisten der Literaturgeschichte als von Theologen oder Historikern des Christentums untersucht worden.)“ Vgl. Schoeck, The Vocation of Erasmus, S. 217. Vgl. Jardine, Erasmus, man of letters, S. 7. Vgl. Chris L. Heesakkers, Correspondance d’Erasme, in: Christiane BerkvensStevelinck / Hans Bots / Jens Häseler (Hgg.): Les grands intermédiaires culturels

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druck kommt. Die Fundamente für diesen treffenden Beinamen scheinen schon in seiner Kindheit zu liegen313 und auch seine erste Veröffentlichung war ein Brief314. Für die spätere Entwicklung ist es kennzeichnend, dass Erasmus gerne Briefe dafür nutzte, sich bei Personen, deren Kontakt ihm weiterhin als zweckdienlich erschien, in Erinnerung zu halten.315 Bedingt durch seine Studienzeit, seine unterschiedlichen Tätigkeiten, später auch aufgrund von Einladungen oder Forschungsreisen hielt er sich oft in verschiedenen Gegenden auf und blieb bis circa 1520 selten mehr als fünf Jahre in einer Region. Für ihn war es daher hilfreich und notwendig zugleich, durch den Gebrauch von Briefen Kontakt zu halten, Fragestellungen zu erörtern oder Diskussionen zu führen.316 Neben der Diskussion über neue Veröffentlichungen dürfte in Humanistenbriefen die Freundschaft das vorherrschende Thema sein.317 Auch wenn Heesakkers acht Orte nennt, von denen Erasmus Briefe versandt hat, so stammen doch 3/4 aller seiner Briefe aus nur drei Städten, nämlich Basel, Freiburg im Breisgau und Löwen.318 Als Briefschreiber par excellence – als epistolographus – dürfte Erasmus aus diesem Grund wohl erst in einer späteren Phase bezeichnet werden. Hier stellt sich jedoch die Frage nach dem passenden Maßstab: Erasmus verfasste schließlich allein zwischen 1495 und 1520 über tausend Briefe319 – eine Zahl, die nur dann gering erscheint, wenn man sich vor Augen hält, dass er später an einem einzigen Tag –

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de la République des Lettres. Études de réseaux de correspondances du XVI au e XVIII siècles, Paris 2005, S. 29-60, hier: S. 29ff. Ebd., S. 34. Darauf hat S. Diane Shaw (A Study of the Collaboration Between Erasmus of Rotterdam and His Printer Johann Froben at Basel During the Years 1514 to 1527, in: Erasmus of Rotterdam Society. Yearbook 6 (1986), S. 31-124, hier: S. 34) aufmerksam gemacht. Erasmus verfasste darüber hinaus einen Leitfaden zum richtigen Briefschreiben, den er unter dem Titel ‚De conscribendis epistolis‘ 1511 veröffentlichte. Vgl. dazu: James D. Tracy, Erasmus. The Growth of a Mind, Genf 1972, S. 150; Shaw, A Study of the Collaboration, S. 34. Treml, Humanistische Gemeinschaftsbildung, S. 81: „Der Anlaß für einenBrief konnte auch gegeben sein, wenn man die Hilfe der Humanistenfreunde bei der Vermittlung von Ämtern, Stellen, Pfründen, Schülern etc. in Anspruch nehmen wollte.“ Vgl. Heesakkers, Correspondance d’Erasme, S. 263. So auch: Arnold, Die Rolle der Korrespondenz, S. 45. Vgl. Tracy, Erasmus. The Growth of a Mind, S. 31. Diese Erkenntnis gewinnt man nach Auswertung der Indizes: Allen I, S. xiii-xvii; II, S. vii-xii; III, S. vii-xiv; IV, S. vii-x.

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dem 14. März 1531 – mehr als 60 Briefe geschrieben und versandt hat.320 Gerade auch bei einem Blick in seine Korrespondenz präsentiert sich Erasmus als Bürger Europas: „[S]ein Lebensweg führte ihn durch die politischen und geistigen Metropolen Europas. Das zweite Indiz ist sein wahrlich internationaler Bekanntenkreis“321. Er hatte 666 verschiedene Korrespondenten, die ihrerseits aus 15 verschiedenen Ländern stammten.322 Diese Briefpartner repräsentieren jede soziale Herkunft,323 wobei doch besonders auffällig die relativ große Zahl hoher geistlicher (Bischöfe, Kardinäle und Päpste) sowie weltlicher Fürsten (bis zu Königen und Kaisern) ist.324 Das geographisch weite Korrespondentennetzwerk des Erasmus spiegelt sich auch unter einigen seiner häufigsten Briefpartner wider: Hier finden sich der Schweizer Bonifatius Amerbach, der Deutsche Willibald Pirckheimer, Thomas Morus aus England, der Franzose Guillaume Budé und Andrea Ammonio aus Italien325. Mit allen Briefpartnern korrespondierte Erasmus in lateinischer Sprache – ausgenommen Budé, einem Hellenisten, mit dem er in griechischer Sprache verkehrte. Diese Zahlen und Fakten lassen es nicht mehr verwunderlich erscheinen, dass Erasmus somit auf dem Gebiet der Briefschriftstellerei aus dem üblichen Maß seiner Zeitgenossen herausragte und seine Korrespondenz „einige Jahrzehnte nach Erasmus’ Tod als die bedeutsamste humanistische Briefsammlung nördlich der Alpen“326 galt. Sowohl die Anzahl seiner Korrespondenten – vor allem der mächtigsten Männer aus Staat und Kirche – als auch das Europa umfassende Gebiet von Portugal bis Polen und von England bis Italien brach sämtliche Rekorde. Nicht zu klären ist allerdings der Anteil der auf uns gekommenen

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Vgl. Allen VII, Nr. 1985, S. 376, Z. 2-4 (datiert auf 29. Mär 1528; adressiert an Henri de Bottis). Vgl. Schenk, Desiderius Erasmus von Rotterdam (28.10.1466/69 Rotterdam – 11./12.7.1536 Basel), S. 391. Ribhegge (Kontakte und Kontroversen, S. 116) hat mit Blick auf Erasmus als Briefschreiber resümiert: „Erasmus […] war gleichsam ein Kommunikationszentrum der Humanisten Europas geworden.“ Vgl. Heesakkers, Correspondance d’Erasme, S. 45. Ebd., S. 45. Siehe dazu die erwähnten Indizes in der Allen-Edition sowie Ribhegge, Erasmus und Europa, S. 554f. Vgl. u.a. Peter Burke, Die europäische Renaissance, München 1998, S. 131. Karl August Neuhausen, Der Brief als ‚Spiegel der Seele‘ bei Erasmus, in: August Buck (Hrsg.): Wolfenbütteler Renaissancemitteilungen, Band 10, Wiesbaden 1986, S. 97-110, hier: S. 102.

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Briefe an der tatsächlichen Anzahl empfangener und versandter Briefe. Sicher ist in diesem Zusammenhang nur, dass aus den Jahren 1507 bis 1509 nicht alle, 1510 gar keine Briefe verwahrt wurden,327 in der Folgezeit Erasmus aber großen Wert darauf legte, seine Korrespondenz zu sichern und zu archivieren. (Im weiteren Verlauf dieser Arbeit bleibt daher nur, Beobachtungen auf Grundlage der Briefedition Allens sowie mit Hilfe der Briefwechsel von Zeitgenossen zu machen, was aber durchaus repräsentativen Charakter besitzt und auf jeden Fall zulässt, die Entwicklung des Erasmus zu beschreiben.)

2.) Mündliche Kommunikation Angesichts der geringen Alphabetisierungsquote in der Gesellschaft des frühen 16. Jahrhunderts ist die Wirkung kirchenreformatorischer Forderungen gerade in der illiteraten Schicht auf den ersten Blick verwunderlich. Ein Versuch, die ursprünglich auf den kirchlichen Bereich begrenzten Reformvorstellungen auf andere Bereiche des Lebens zu übertragen, manifestierte sich in der Erhebung der Bauern gegen Mitte der 1520er Jahre. Wenngleich diese ihre gemeinhin als ‚Memminger Artikel‘ bezeichneten Sozialforderungen schriftlich festhielten, wird doch die große Mehrheit der Bauern nicht lesefähig gewesen sein.328 Es ist daher dringend geboten, andere Formen der Vermittlung von Informationen in den Blick zu nehmen – jene Formen nämlich, die eine Lesefähigkeit nicht bedingten.329 Denn was Hagen Keller für das Mittelalter konstatierte, gilt zumindest für das frühe 16. Jahrhundert in gleichem Maße:

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Vgl. dazu: Allen I, S. xvi. Wenn Schulte Herbrüggen schreibt, zwischen 1509 und 1511 seien gar keine Briefe aus der Korrespondenz erhalten, so mag das für das Jahr 1510 zutreffend sein, nicht aber für die anderen beiden. Vgl. Hubertus Schulte Herbrüggen, Erasmus, England, das Neue Testament und die Universitätsbibliothek Düsseldorf, in: Rudolf Hiestand (Hrsg.): Das Buch in Mittelalter und Renaissance, Düsseldorf 1994 (Studia humaniora 19), S. 129-159, hier: S. 136. Vgl. Esther-Beate Körber: Vormoderne Öffentlichkeiten, S. 19. Ebd., S. 9: „Was die Beziehungen zwischen Medienlandschaft und Öffentlichkeit angeht, waren viele Forscher zunächst davon ausgegangen, dass der Buchdruck mit beweglichen Lettern ‚Massenkommunikation‘ möglich gemacht und damit zum Entstehen einer neuen Öffentlichkeit, vielleicht sogar ‚der‘ Öffentlichkeit überhaupt beigetragen habe. Erst in jüngster Zeit wird deutlich, dass die Annahme einer solchen Kausalkette problematisch ist. Angesichts einer nahezu verschwindend geringen Zahl von Lesefähigen in vormoderner Zeit war Informationsvermittlung an quantitative ‚Massen‘ eher über Bilder, Zeremonien und die mündliche Mitteilung möglich als über den Druck.“

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„Offensichtlich stellen Mündlichkeit, Schriftgebrauch und zeichenhafte Interaktion nicht einfach Stationen oder Glieder einer Handlungssequenz dar. Ihre Aussagen überlagern und durchdringen sich wechselseitig, sie verstärken sich durch Wiederholung oder Spiegelung in den anderen Medien, ergänzen aber auch das in den anderen Formen Ausgedrückte durch spezifische Akzente, ohne die das Festgesetzte unvollständig oder mehrdeutig bliebe.“330

Peter Blickle betonte in diesem Zusammenhang bereits 1987 die v.a. in Gesprächen und Predigten stattfindende mündliche Kommunikation wie auch die visuelle Kommunikation, die insbesondere mit Hilfe von Bildern und Flugschriften zustande kam.331 Es ist allerdings bezeichnend, dass Blickle sich hier fast ausschließlich der letztgenannten Variante widmete und stillschweigend das Quellenproblem mündlicher Kommunikation überging. Dies ist durchaus kein Einzelfall, sondern immer noch die übliche Vorgehensweise, wie der 2009 erschienene 85. Band der Enzyklopädie deutscher Geschichte verdeutlicht:332 Wenngleich sich Andreas Würgler den Medien in der Frühen Neuzeit widmet, macht er doch an keiner Stelle darauf aufmerksam, dass Kommunikation auch auf anderen Wegen als mittels Druckerzeugnissen zustande kommen konnte. Da das Berühmtwerden des Erasmus von Rotterdam sich nachweisbar nicht allein in der Teilöffentlichkeit der Lesekundigen niedergeschlagen hat, ist es daher mehr als geboten, auch nicht-schriftliche Formen der Kommunikation in den Blick zu nehmen. Die mediale Wirkung bildlicher Darstellungen wurde bereits im Zusammenhang mit Flugblättern und Flugschriften angerissen. Eine detailliertere Untersuchung mag Kunsthistorikern vorbehalten bleiben. Erasmus-Porträts besitzen aus den ange-

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Vgl. Hagen Keller, Öffentlichkeit und Schriftdenkmal in der mittelalterlichen Gesellschaft. Ein Kolloquium des Teilprojekts A 1 „Urkunde und Buch in der symbolischen Kommunikation mittelalterlicher Rechtsgemeinschaften und Herrschaftsverbände“ im Sonderforschungsbereich 496. Münster, 27.-28. Juni 2003, in: Frühmittelalterliche Studien 38 (2004), S. 277-286, hier: S. 281. Vgl. dazu auch: Würgler, Medien in der Frühen Neuzeit, S. 14f. Vgl. Peter Blickle: Gemeindereformation. Die Menschen des 16. Jahrhunderts auf dem Weg zum Heil, München 1987, S. 128; Robert W. Scribner, For the sake of simple folk. Popular propaganda for the German Reformation, Cambridge 1981 (Cambridge studies in oral and literate culture 2), S. 14-36; 229-250; Karl Stackmann, Städtische Predigt in der Frühzeit der Reformation. Flugschriften evangelischer Prediger an eine frühere Gemeinde, in: Hartmut Boockmann (Hrsg.), Kirche und Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich des 15. und 16. Jahrhunderts, Göttingen 1994 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Phil.Hist. Klasse, 3. Folge, Nr. 206), S. 186-206. Vgl. Würgler, Medien in der Frühen Neuzeit.

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führten Gründen für das Berühmtwerden des Erasmus keinerlei Aussagekraft. Auch wenn in diesem Zusammenhang an rituelle Handlungen, verwendete Insignien, den akustischen Rahmen, Örtlichkeit, anwesende Personen sowie ihre Kleidung und vieles andere Mehr gedacht werden kann,333 gilt dies doch überwiegend für einzelne Situationen und Ereignisse. Da das Berühmtwerden des Erasmus von Rotterdam jedoch als ein jahrelanger Prozess anzusehen ist, findet im Folgenden eine Konzentration auf Formen direkter mündlicher Kommunikation statt,334 die nicht in diesem Maße über den situativen Charakter verfügen. 2.1.) Vorlesen „Das Lesen war in Europa bis zum 18. Jahrhundert hauptsächlich gemeinschaftsbestimmt. Man las laut und in diesem Sinne öffentlich, für jeden räumlich nahen Menschen hörbar. Durch Vorlesen gelangten Nachrichten auch an illiterate Hörer.“335

Diese Feststellung von Esther-Beate Körber gilt natürlich nur für den volkssprachlichen Bereich, da fremdsprachliche Kenntnisse notgedrungen eine Alphabetisierung voraussetzten.336 Bedeutet dies sogleich, dass Inhalte erasmischer Texte in keinem Fall durch Vorlesen bekannt gemacht wurden? – Roger Chartier hat darauf aufmerksam gemacht, dass zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert nicht nur das Vorlesen, sondern zugleich auch stilles Lesen praktiziert wurde, was sich aufgrund der ansteigenden Quote an Lesefähigen immer weiter verbreitete.337 Im Original, d.h. in lateinischer Sprache, wurden erasmische Texte vermutlich überwiegend still und in persönlicher Lektüre rezipiert. Denkbar ist aber auch, dass Gruppen humanistisch

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Vgl. dazu auch: Keller, Mediale Aspekte der Öffentlichkeit im Mittelalter, S. 285. Vgl. Anm. 1. Körber, Vormoderne Öffentlichkeiten, S. 9: „Mündliche Mitteilungen – die ‚gemain sag‘, wie man es auf Deutsch nannte – spielten auch bei der politischen Meinungsbildung seit dem Spätmittelalter eine quantitativ erheblich größere Rolle als die Information durch Schriften.“ Ob diese These auch auf die öffentliche Wahrnehmung des Erasmus in sämtlichen Bevölkerungsgruppen übertragbar ist, muss offen bleiben. Ebd., S. 21. Vgl. Robert W. Scribner, Flugblatt und Analphabetentum. Wie kam der gemeine Mann zu reformatorischen Ideen?, in: Köhler (Hrsg.), Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit, S. 65-76; Monika Rössing-Hager, Wie stark findet der nicht-lesekundige Rezipient Berücksichtigung in den Flugschriften?, in: ebd., S. 77138. Vgl. Chartier, ‚Volkstümliche‘ Leser und ihr Lesestoff von der Renaissance bis zum Age classique, S. 238.

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Gebildeter – man denke an die Sodalitäten – auch in Gemeinschaft Schriften des Erasmus laut lasen, um sie etwa diskutieren zu können. Galt der Erhalt eines Briefes aus den Händen des ‚Humanistenfürsten‘ als besondere Auszeichnung, fand auch hier wahrscheinlich lautes Verlesen vor Freunden statt. An dieser Stelle meint Vorlesen jedoch den Informationserwerb schriftlich fixierter Inhalte durch Hören und spielte für diejenigen eine große Rolle, die des Lesens nicht fähig waren. In unterschiedlichem Maße betraf dies sämtliche soziale Schichten der Gesellschaft – in allen Fällen steht der Historiker jedoch vor dem Quellenproblem: Beispielsweise bat Luther den kurfürstlichen Kanzler Georg Spalatin im Oktober 1518 darum, dass er sich dafür einsetze, dass Friedrich der Weise Luthers Brief lese oder höre;338 dies darf wohl nicht zwangsläufig als Beleg für mangelnde Lesefähigkeit des Kurfürsten gelten, wenngleich dies auch unter Fürsten keine Ausnahme wäre. Bislang gibt es kein Indiz dafür, dass Schriften des Erasmus außerhalb von Humanistenkreisen vorgelesen wurden, wobei der Grund vor allem in der Verwendung der lateinischen Sprache zu sehen ist. Mit Aufkommen von Übersetzungen in deutscher Sprache ist dies aber durchaus wahrscheinlich.339 Wie noch zu zeigen sein wird, war Erasmus aber bereits vorher einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, zu der wohl auch Illiteraten gehörten. Allgemein darf aber der Informationserwerb durch lautes Vorlesen in keinem Fall unterschätzt werden, wie auch Hans-Jörg Künast betont hat: „Ganz entscheidend aber bei einer Beurteilung der Auswirkungen des Buchdrucks auf die Gesellschaft ist es, dass das Lesen im 15. und 16. Jahrhundert sozialer Interaktion diente. Das stille Lesen in einsamer Kammer war fast gänzlich unbekannt. Selbst wer für sich alleine las, rezitierte den Text mehr oder weniger laut. Im Allgemeinen aber wurde in Gesellschaft gelesen, so dass ein Werk eine Vielzahl von Personen erreichte. Besonders wichtig ist dieser Aspekt für die Breitenwirkung in der Bevölkerung.“340

Exemplarisch sei dies anhand der ‚Türckensteuer‘ verdeutlicht, ein Ausschreiben des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich: Wie aus einem Brief Luthers hervorgeht, war das Schreiben mit dem Be-

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Vgl. WA Briefwechsel 1, Nr. 102, S. 218f., Z. 7f.: Tui esto nunc officii curare, ut Princeps Illustrissimus has literas vel legat vel audiat. (Luther an Spalatin, bald nach dem 14. Oktober 1518.) Vgl. Kästner, Antikes Wissen für den ‚gemeinen Mann‘, S. 365f.: „Auch der Mangel an Lateinkenntnissen war für Wickram kein Hinderungsgrund, das zeigt seine Kenntnis der ins Deutsche übersetzten Schriften von Erasmus von Rotterdam, der für ihn eine ähnlich bedeutsame Leitfigur gewesen sein muß wie Martin Luther für Hans Sachs.“ Vgl. Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 86.

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fehl versehen, solchs zum forderlichsten den Bürgern furzustellen341, was bedeutete, es „den Bürgern und der ganzen Gemeinde auf dem neuen Kaufhaus vorlesen und ankündigen zu lassen“342. 2.2.) Predigt Eine vergleichbare Bedeutung für die Vermittlung von Informationen wie das Vorlesen nahm die Predigt ein, handelte es sich doch gerade zu Beginn des 16. Jahrhunderts um eine Zeit, die geprägt war von Religiosität, dem Streben nach dem Seelenheil und Diskussionen über Zukunft und Reform der Kirche. Es verwundert daher nicht, wenn Veit Dietrich selbst den ungeeignetesten Predigern in diesem Zusammenhang eine Daseinsberechtigung zugestand: Ob gleich mit den Kirchendienern der geschicklicheit halb mangel ist, sie dennoch dem armen, unverstendigen volcklin etwas nuetzes werden vorlesen, darauß yederman, wer nur zuhoeren will, sich bessern mag.343

Aus diesem Grund wurde auch in zahlreichen, reformatorischen Kirchenordnungen das Vorlesen und mehrmalige Wiederholen von Katechismustexten gefordert.344 Daneben finden sich weitere Empfehlungen zur Lektüre in Gottesdiensten: So legte etwa Wenzeslaus Linck seine Annotationen Predigern ans Herz, „denn nicht allen Leuten sei es gegeben, den bloßen Text zu verstehen“345. Dass aber neben direkten theologischen Inhalten auch reformatorische Forderungen in die Predigt eingebunden werden konnten, war bereits vor Luthers Auftreten bekannt, avancierte aber erst im Laufe der Entwicklung zu einem zentra-

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Vgl. WA Briefwechsel 10, Nr. 3727, S. 17-22, hier: S. 17, Anm. 4. (Luther an Kurfürst Johann Friedrich, 26 März 1542.) Ebd. Ähnlich die Briefe Nr. 3853, 4006, 4228a (WA Briefwechsel). Vgl. WA Schriften 58, S. 3-9, hier: S. 7, Z. 17-20. Vgl. WA Schriften 30.I, S. 653-665, hier: S. 656: „In mehreren Kirchenordnungen wird der Verlauf der Katechismusgottesdienste näher geschildert […]. Es kommen einfache und reichere Gestaltungen vor. Die wichtigsten Elemente waren: Vorlesen oder Hersagen des Katechismustextes durch den Prediger […], dann Auslegung eines Stückes in einer Predigt, die gelegentlich durch Fragen unterbrochen wurde […], auch Gesang eines passenden Katechismusliedes […].“ Vgl. WA, Schriften 54, S. 1f., hier: S. 1. Ebd.: „Das Hauptwerk Wenzeslaus Links aus seiner zweiten Nürnberger Wirksamkeit sind seine in drei Teilen 1543 –1545 erschienenen Annotationen zum Alten Testament. In seiner Vorrede zum ersten Teile berichtet er, daß er diese Annotationen vor etlichen Jahren zusammengetragen und den Priestern der Kirchen zum hl. Geist bei dem neuen Spital vorgeschrieben habe, damit sie sie dem Volk nach der Textverlesung vorlesen könnten […]; das sei denn auch geschehen, bis sie's überdrüssig geworden wären und ein andres vorgenommen hätten.“

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len Informationsinstrument:346 „Neben den Flugschriften war [die Predigt] von Anfang an das wichtigste Medium zur Verbreitung und Popularisierung der reformatorischen Lehre.“347 Dabei wurden nicht nur das Wort Gottes verkündigt und ausgelegt, sondern verschiedene gegenwärtige Themen angesprochen, Missstände kritisiert und Forderungen gestellt. Wie Beutel am Beispiel Zwinglis gezeigt hat, „zog er gegen die Sittenverderbnis zu Felde und scheute nicht einmal die namentliche Anklage einzelner Zürcher Bürger.“348 Anlass und Predigtart entschieden vornehmlich über die Möglichkeit, neben biblischer Lehre auch andere Themen einzustreuen.349 Ein weiterer Unterschied bestand zwischen Kanzelpredigern, d.h. zumeist der Kirche unterstellten Vorstehern einer Parochie, und Wanderpredigern – zumal auch die in Frage kommenden Örtlichkeiten verschiedene waren.350 Letztere konnten fast jeden Ort zur Predigt umfunktionieren und aufgrund ihrer Reisetätigkeit nahmen sie neben fahrenden Händlern die bedeutendste Informantenrolle ein, indem sie selbst die entlegensten Gegenden über Ereignisse in der näheren und ferneren Umgebung unterrichteten.351 Auf diese Weise waren jedoch leicht die Möglichkeiten der Falschinformation, der verkehrten Lehre, nicht zuletzt auch der propagandistischen Meinungsbeeinflussung gegeben.352 Der heutige Historiker ist daher

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Vgl. Burkhardt, Das Reformationsjahrhundert, S. 58: „Die Predigt war die wichtigste Form der mündlichen Kommunikation eines einzelnen mit einer größeren Menschenmenge, ihre Bedeutung hat in der Reformation noch zugenommen und wurde nicht umsonst zu einem Kernelement evangelischer Wortkultur.“ Vgl. Albrecht Beutel, Kommunikation des Evangeliums. Die Predigt als zentrales theologisches Vermittlungsmedium in der Frühen Neuzeit, in: Dingel / Schäufele (Hgg.), Kommunikation und Transfer im Christentum der Frühen Neuzeit, S. 3-15, hier: S. 5f. Es wäre verfehlt, den Gebrauch der Predigt allein auf die reformatorische Seite beschränkt zu sehen. Mittelfristig hatte dies auch Auswirkungen auf die katholische Predigtpraxis (ebd., S. 8). Als Vertreter sei hier nur Petrus Canisius namentlich genannt. Ebd. Eine umfangreiche, wenn auch unvollständige Auswahl an Predigttypen bietet Beutel, ebd., S. 4f. Natürlich sind noch weitere Unterschiede auszumachen wie z.B. regionale Differenzen oder Größe und Bedeutung von Städten. Daher betont Diarmaid MacCulloch zu Recht: „In der Regel hatten Stadtbewohner häufiger Gelegenheit, eine Predigt zu hören als die Dorfbevölkerung: ungefähr achthundert Predigten in einem durchschnittlich langen Leben, gemäß einer jüngeren Schätzung für das spätmittelalterliche städtische Frankreich.“ (Vgl. MacCulloch, Die Reformation 1490-1700, München 2008, S. 60.) Ebd., S. 61. Vgl. Moeller, Was wurde in der Frühzeit der Reformation in den deutschen Städten gepredigt?, S. 177. So muss sich auch Zwingli vehementer Kritik an seiner Predigttätigkeit ausgesetzt sehen – eine Kritik, die sich auf die Vorstellungen des Erasmus be-

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in besonderer Weise vor ein Problem gestellt, wenn er die Wirkung unterschiedlicher Predigten herausarbeiten will. Zwar liegen zahlreiche Predigtdrucke vor, die als Quellen zur Hand genommen werden können, doch handelt es sich dabei fast ausschließlich um jene prominenter Prediger oder solcher, die einer Ortskirche vorstanden. Auch mit Blick auf Wanderprediger können zwar Mitschriften von Zuhörern herangezogen werden – alle Überlieferungen geben jedoch nur Auskunft über die vorgetragenen Inhalte, nicht aber über unmittelbare Wirkung und Vortragsweise.353 Unzweifelhaft ist hingegen, dass neben den Auswirkungen des Buchdrucks und den in der Bevölkerung stattfindenden Diskussionen die Predigten gleichsam die dritte Säule darstellten, auf denen sich eine neue Öffentlichkeit konstituierte – die von Wohlfeil bezeichnete ‚reformatorische Öffentlichkeit‘.354 Inwiefern Erasmus oder eine seiner Schriften Gegenstand von Predigten war, ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden. Es dürfte aber wohl mehr als wahrscheinlich sein, dass man sich auf ihn berief oder seine Annotationen u.ä. zitierte. Dieser Eindruck entsteht unweigerlich, wenn man sich allein am Beispiel Zürichs die häufige Auseinandersetzung mit Erasmus vor Augen hält: Christ-von Wedel hat anhand der Fastenfrage überzeugend herausgestellt, dass Zwingli seine Argumentation an Erasmus orientierte und dies auch in Predigten zum Ausdruck brachte.355 Dass Basler Geistliche kurz vor Ostern durch den Verzehr eines Spanferkels gegen die Fastenvorschriften verstießen und sich zu ihrer Verteidigung missbräuchlich auf Erasmus berie-

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ruft. Vgl. dazu: Barbara Helbling, Erasmus als Referenz bei Zwinglis Gegnern in Zürich, in: Christine Christ-von Wedel / Urs B. Leu (Hgg.): Erasmus in Zürich. Eine verschwiegene Autorität, Zürich 2007, S. 53-74, hier: S. 64f. Ähnlich hat auch MacCulloch (Die Reformation, S. 215) darauf hingewiesen, indem er schrieb, „dass die Westkirche im Mittelalter eine Religion voller Predigten war, dieser besonders eindrücklichen Form bühnenreifer Massenkommunikation, die vermutlich die frühen Christen erfunden haben: ein Ringen des Sprechers mit seinem Gott, dem Text der Bibel und den andächtig zuhörenden Gläubigen. Jetzt standen die Kanzeln als willkommenes Kommunikationsmittel bereit, und sie wurden von etlichen abtrünnigen Berufspredigern gestürmt – Geistlichen, die beseelt waren von dem, was Luther verkündete.“ Vgl. dazu Beutel, Kommunikation des Evangeliums, S. 14f. Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 86: „Die Predigten der Reformatoren, die Diskussionen in der Bevölkerung […] und die Printmedien haben zusammengewirkt bei der Entstehung einer Öffentlichkeit, wie sie das Mittelalter nicht gekannt hatte.“ Vgl. Christine Christ-von Wedel, Erasmus und die Zürcher Reformatoren. Huldrich Zwingli, Leo Jud, Konrad Pellikan, Heinrich Bullinger und Theodor Bibliander, in: Dies. / Leu (Hgg.), Erasmus in Zürich, S. 77-165, hier: S. 104f.

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fen,356 stützt auf seine Art ebenfalls die Annahme, dass Erasmus wohl nicht selten in Predigten Erwähnung fand und so in besonderer Weise auch Illiteraten ins Bewusstsein trat. Die Bezugnahme auf Erasmus in Predigten reichte dabei wohl – ähnlich wie bei Erwähnungen in Texten – von Wahrheit bis Verfälschung und von positiver bis kritischnegativer Darstellung. 2.3.) Taverne und Marktplatz: face-to-face-Kommunikation und der Einfluss von ‚opinion-leaders‘ In einem Brief an Friedrich Myconius aus dem Jahr 1544 spielte Luther mit der Vokabel ‚vocalissimus‘357 auf einen heroldartigen Priester an, was Otto Clemen mit der Anmerkung versah: „Bei der alljährlich am 2. Freitag nach Ostern auf dem Nürnberger Marktplatz stattfindenden Vorzeigung des ‚kaiserlichen und hochwürdigen Heiligtums‘ erklärte ein mit besonders lauter Stimme begabter Priester, vocalissimus genannt, von einem Gerüste herab die einzelnen Reliquien und verkündete die an ihnen haftenden Ablässe[.]“358

Ähnlich wie die Kirche boten auch andere dörfliche und städtische Örtlichkeiten die Möglichkeit, möglichst viele Menschen zu erreichen. Unabhängig von der Größe einer Kommune zählten hierzu Marktplätze und Gasthäuser – eben jene Orte, wo stets geschäftiges Treiben der Bewohner herrschte und Austausch mit Fremden am leichtesten zustande kam. Insbesondere auch, um seine These der ‚reformatorischen Öffentlichkeit‘ zu verdeutlichen, führt Rainer Wohlfeil folgende wesentliche Formen mündlicher Kommunikation an, die erst diese spezielle Nuancierung von Öffentlichkeit ermöglichten: „Gerücht und Geschwätz, Lied und Gesang, Gespräch und Diskussion im Wirtshaus und beim Kirchgang, auf Markt und Straße ebenso wie bei der Arbeit, durch Ausruf und Verkündigung von Rathaus und Kanzel.“359 In dieser Aufzählung kommt die hervorgehobene Bedeutung der Oralität innerhalb der frühneuzeitlichen Kommunikation deutlich zum Ausdruck. Bestimmte Anlässe und Örtlichkeiten waren ganz besonders für den mündlichen Informationsaustausch geeignet, wobei es gerade zwischen Stadt und Dorf oder auch zwischen den Geschlechtern durchaus Unterschiede gab: Als politisches und gesellschaftliches Zentrum einer Stadt stellte das Rathaus zugleich einen ständigen als

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Ebd., S. 105. Vgl. WA Briefwechsel 10, Nr. 3972, S. 539, hier: Z. 19. Ebd., Anm. 5. Vgl. Wohlfeil, Einführung in die Geschichte der deutschen Reformation, S. 125.

Kommunikation

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auch aktuellen Kommunikationsraum dar,360 wobei hier der Informationsaustausch zwischen Magistrat und Einwohnern im Vordergrund stand. Neben Kirche und Rathaus war vor allem das Wirtshaus prädestiniert für ‚face-to-face‘-Kommunikation.361 Nicht nur in ihrer häufigen Funktion als Etappenorte für Reiterstaffeln und Botendienste war hier Gelegenheit gegeben, Neuigkeiten von Reisenden zu erfahren, sondern das Wirtshaus barg auch eine besondere Möglichkeit für das von Wohlfeil angeführte ‚Geschwätz‘ der Einheimischen. Die örtlichen Handwerkskorporationen versammelten sich zumeist in Gasthäusern und kamen somit untereinander als auch mit anderen sozialen Gruppen in Kontakt. Aufgrund der Funktion des gegenseitigen Austauschs verwundert es nicht, dass neben den hier stattfindenden politischen Diskussionen, neben Verhandlungen und Vertragsabschlüssen auch der Schwarzmarkt blühte. Dass es hier aber zu Kontakten zwischen sämtlichen sozialen Schichten kam, dürfte wohl mehr die Ausnahme gewesen sein. Schwerhoff betont daher ganz richtig: „Trinkstuben patrizischer Geschlechter ebenso wie diejenigen von Handwerkern und Gesellen sind erst recht nicht allgemein zugänglich, obwohl sich hier wichtige städtische Teil-Öffentlichkeiten konstituieren. Und auch ‚normale‘ Tavernen und Wirtshäuser sind für Vaganten und für Frauen ohne Begleitung oft Sperrgebiet.“362

In Bezug auf Orte und Gelegenheiten, bei denen mündliche Kommunikation möglich war, sind auch für das Dorf Differenzierungen nach den Geschlechtern vorzunehmen: Für Frauen bot sich der Austausch vorrangig bei der alltäglichen Hausarbeit – wie etwa beim Wäsche waschen, in der Küche oder beim Gang zum Brunnen. Männer konnten beim Besuch des Wirtshauses und Rathauses oder bei

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Noch heute sind erhaltene Balkone, Lauben und Erker an Rathäusern Zeugnisse ihrer früheren Aufgaben: Von hier wurden vorrangig Verlautbarungen, Gesetze und Dekrete verlesen. Vgl. Gerd Schwerhoff, Kommunikationsraum Dorf und Stadt, in: Johannes Burkhardt / Christine Werkstetter (Hgg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit, München 2005 (Historische Zeitschrift, Beiheft 41), S. 137-146, hier: S. 137: „Zusammen mit Rathaus, Wirtshaus und Gericht war die Kirche eine der bevorzugten ‚Bühnen‘ für die ‚face-to-face‘-Kommunikation der Frühen Neuzeit.“ Ebd., S. 141. Ähnliche Abgrenzungen sind auch für die übrigen Zentren mündlicher Kommunikation nachweisbar. So gab es etwa in Kirchen Bankordnungen, die die soziale Stellung des Gottesdienstbesuchers widerspiegelten, während gleichzeitig ein Miteinander von Landesherrn, Ordensleuten, Priestern und Gläubigen bestand.

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ihrer Arbeit mit anderen ins Gespräch kommen und über Neuigkeiten informiert werden. „Über großes soziales Wissen und vielfältige soziale und ökonomische Kompetenzen […] verfügten im allgemeinen die Wirte sowie auch Krämer und Krämerin und einige Dorfhandwerker, da in ihren Läden, Werkstätten und Wirtsstuben ‚die Fäden der Information‘ zusammenliefen[.]“363 Bei allen Gelegenheiten mündlicher Kommunikation – unabhängig, ob in der Stadt oder auf dem Land – gab es Personen, deren Äußerungen in der Öffentlichkeit mehr Gewicht beigemessen wurde. Dies resultierte aus ihrer sozialen Stellung, ihrer Bildung oder handwerklichen Fertigkeit, dem Ansehen ihrer Familie oder dem Verdienst für das Gemeinwohl. Bei öffentlichen Kundgebungen oder Beratungen konnten eben jene Personen zu ‚opinion-leaders‘ werden. Gerade in der reformatorischen Entwicklung wurde deutlich, welche Schlüsselrolle diesen Meinungsführern zukam, da durch sie die öffentliche Meinung oder die ‚fama‘, das Ansehen, einer Person maßgeblich beeinflusst werden konnten. Eben jenes öffentliche Ansehen des Erasmus von Rotterdam beschrieb Thomas Morus 1516 in einem Brief an Martin van Dorp: Apud hos de Erasmo et de te idem sermonem ingero: illum ex litteris ac fama, te vero etiam alias noverant.364 Das Quellenzitat macht deutlich, dass die ‚fama‘ des Erasmus zur Hälfte Ergebnis mündlicher Kommunikation war. Allerdings muss diesbezüglich gefragt werden, was unter ‚apud hos‘ zu verstehen ist: Hat nicht Morus hier nur die Stimmung seiner Umgebung, seines sozialen Standes und seiner Kontakte wiedergeben können? Oder konnte er die Haltung mehrerer Teilöffentlichkeiten gemeint haben? – In jedem Fall scheint es geboten, die verschiedenen Teilöffentlichkeiten näher zu betrachten – und dies insbesondere auf Grundlage sprachlicher Fertigkeiten und Aspekte, da diese entscheidend waren für eine frühzeitige Kenntnis eines Literaten wie Erasmus.

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Vgl. Maria Heidegger, Soziale Kommunikationsräume im Spiegel dörflicher Gerichtsquellen Tirols. Überlegungen in geschlechtergeschichtlicher Perspektive, in: Burkhardt / Werkstetter (Hgg.), Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit, S. 175-200, hier: S. 192. Vgl. The Correspondence of Sir Thomas More, ed. Elizabeth Frances Rogers, Princeton 1947, Nr. 15, S. 27-74, hier: S. 29.

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1.) Die Bedeutung der Sprachwahl für einen Autor des frühen 16. Jahrhunderts Im Zuge der reformatorischen Bewegung entwickelte sich ein verstärktes Bewusstsein für die Bedeutung der Volkssprache, was sich nicht zuletzt in den zahlreichen Flugschriften in deutscher Sprache niederschlug. Durch den Gebrauch der Volkssprache konnte ein wesentlich größeres Publikum erreicht werden, auch wenn eine Lesefähigkeit nur in einem geringen Teil der Gesellschaft vorlag und auch wenn zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch keine einheitliche deutsche Sprache existierte, sondern mehrere regionale Ausprägungen vorherrschten. Diesen Zustand bemängelte auch Luther, wenn in den Tischreden zu lesen ist: Deutschland hat mancherley Dialectos, Art zu reden, also, dass die Leute in 30 Meilen Weges einander nicht wol können verstehen. Die Oesterreicher und Bayern verstehen die Thüringer und Sachsen nicht, sonderlich die Niederländer.365

Mit dem kontinuierlichen Ausbau des Handelsnetzes von Druckern, Verlegern und Autoren war zwar die Möglichkeit gegeben, Schriften in den meisten Regionen des Reiches zu verbreiten, aber dass die Texte auch überall gleichermaßen rezipiert werden konnten, war noch lange nicht sichergestellt. Eine einheitliche deutsche Volkssprache, geschweige denn eine Nationalsprache,366 war im Reich des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts nicht vorhanden, auch wenn immer leichter an Texte zu gelangen war, deren Preis durch Vervielfältigung, steigende Abnahme und Nachfrage stetig sank. Die teils direkt intendierte, teils zwangsläufige Einbeziehung größerer Bevölkerungsgruppen in die Kommunikation auf schriftlicher Ebene hatte

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Vgl. WA Tischreden 5, Nr. 6146, hier: S. 511f., hier: S. 512, Anm. 5. Andermann, Albert Krantz (1448-1517), S. 340: „Der bei Krantz thematisierte Gegensatz des nieder- und oberdeutschen Dialekts zeigt schließlich, daß der Terminus „Volks-“ oder „Nationalsprache“ nicht den „muttersprachlichen Gegensatz zum internationalen Latein“ der Gelehrten bezeichnet. Er gibt vielmehr nachdrücklich zu erkennen, wie wenig wir durch die verschiedenen Existenzformen der Nationalsprache von einer Kommunikationsgemeinschaft in Deutschland um 1500 ausgehen können.“ Vgl. dazu auch: Wolf, Probleme wissensliterarischer Kommunikation, S. 209.

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immense Folgen für die Gesellschaft zu Beginn der Frühen Neuzeit.367 Ebenso blieb die Entwicklung nicht folgenlos für Literaten, da ihnen die Möglichkeit gegeben war, eine Leserschaft in der eigenen Sprache erreichen zu können – eine Möglichkeit, die Hegel mit seiner These verdeutlichte, der Mensch bleibe ein „Subjekt voller Unfreiheit“, wenn er „in einer fremden Sprache sich ausdrücken oder empfinden soll, was sein höchstes Interesse berührt“368. Zu Lebzeiten eines Erasmus oder eines Luther bestanden jedoch Unterschiede v.a. zwischen den nieder- und oberdeutschen Dialekten, die wohl kaum eine Kommunikation zwischen einem Lübecker und einem Augsburger Kaufmann störungsfrei gewährleisteten. Diese Unterschiede wurden im Verlauf des 16. Jahrhunderts deutlich geringer, wie etwa an der Nachfrage nach deutschsprachiger Literatur zu erkennen ist. Dass aber bereits Jahrzehnte vor der Reformation nach deutschsprachigen Texten verlangt wurde, sieht man vor allem am Beispiel der frühhumanistischen Übersetzer. Klaus Wriedt hat zwei Beobachtungen gemacht, „die für die Situation am Ausgang des 15. Jahrhunderts charakteristisch sind: 1. Es gibt ein lesekundiges Laienpublikum, das nach deutschsprachiger Literatur verlangt, und 2. Autoren und Buchdrucker reagieren auf dieses Publikum, indem sie ihre Werke von vornherein in deutscher Sprache abfassen und drucken oder ältere, lateinische Werke in Übersetzung veröffentlichen.“369 Wenn Bertelsmeier-Kierst darauf

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Was Überblicksdarstellungen dieses Zeitraums sowie Definitionen dieses durch die spätere Historiographie entwickelten Epochenbegriffs betrifft, verweise ich auf die einschlägigen Handbücher. Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, hrsg. von Hermann Glockner, Bd. 3 (Sämtliche Werke 19), 4. Auflage, Stuttgart-Bad Cannstatt 1965, hier: S. 257. Die Loslösung von mittelalterlichen Verhältnissen, die Veränderung in Herrschaft und Gesellschaft führten zwangsläufig zu einer größeren Bedeutung des Individuums. Wenngleich hier nicht von einer Mündigkeit und einem Mitspracherecht des Einzelnen nach dem heutigen Verständnis ausgegangen werden kann, so ist dennoch unzutreffend, wenn Jürgen Habermas, der sich in seiner kontrovers diskutierten Marburger Habilitationsschrift über den „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ mit der Entwicklung der modernen Gesellschaft und der Herausbildung des Individuums befasst hat, zu dem Schluss kommt, von einer Mündigkeit des Einzelnen könne erst im Zuge der bürgerlichen Revolutionen ausgegangen werden (vgl. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 28). Bereits die Folgen der durch den Buchdruck losgetretenen ‚Medienrevolution‘ , die Verlaufswege der (kirchlichen) Reformation sowie deren Konsequenzen für Gesellschaftsaufbau, Herrschaftsausübung und die Rolle des Einzelnen sind Indizien dafür, dass bereits im zu betrachtenden Zeitraum der Grundstein für eine Mündigkeit des Individuums gelegt worden ist. Vgl. Klaus Wriedt, Latein und Deutsch in den Hansestädten, in: Guthmüller (Hrsg.), Latein und Nationalsprachen in der Renaissance, S. 287-313, hier: S. 291.

Sprache

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hinweist, dass sich die frühesten Übersetzungen Steinhöwels in den Bücherschränken des Adels finden,370 so steht dies in keinem Widerspruch zur Aussage Wriedts, sondern weist auf die Bedeutung des Adels hin, dessen Wunsch nach deutschen Texten gleichsam Initialzündung für eine Entwicklung war, in deren Folge zunehmend volkssprachliche Texte der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurden. Hand in Hand mit der steigenden Produktion deutscher Literatur nahm um die Jahrhundertwende aber auch das Interesse an lateinischen Werken zu – wenngleich dieses Publikum von Humanisten und anderen gebildeten Personen dominiert wurde. Daher verwundert es nicht, dass auch Texte, die zunächst in deutscher Sprache erschienen sind, hernach ins Lateinische übertragen wurden.371 So hat Bernhard Coppel das Beispiel des Jakob Locher Philomusus angeführt, der der Lieblingsschüler Sebastian Brants gewesen sein soll.372 Brant hatte einen einmaligen Erfolg mit seinem Narrenschiff erzielt – noch zu einem Zeitpunkt, als die lateinische Produktion bei weitem überwog. Wenige Jahre später war er bereits intensiv mit der Suche nach einem potentiellen Übersetzer beschäftigt und entschied sich für Locher. „Die ‚Stultifera Navis‘, die mit dem Türkenschauspiel ungefähr gleichzeitig ist, bestätigte seine Erwartungen. Sie wurde der große Erfolg, mit dem Locher über das Format einer Lokalgröße hinauswuchs und den Durchbruch zu einem welt-

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So Bertelsmeier-Kierst, Übersetzungsliteratur im Umkreis des deutschen Frühhumanismus, S. 333. Briggs / Burke (A Social History of the Media, S. 29f.) haben dies wie folgt beschrieben: „[T]he decline of Latin must not be dated too early. Translations from the vernaculars into Latin were common, especially translations from Italian and French, made for a northern European public. At least 1,200 such translations were made between the late fifteenth and the late eighteenth centuries, reaching their peak in the first half of the seventeenth century. To take only English examples, the essays of Francis Bacon, the philosophy of John Locke, Robert Boyle’s Sceptical Chemist and other works, Newton’s Optics, and even Milton’s Paradise Lost and Gray’s Elegy in a Country Churchyard were most familiar on the Continent in Latin versions, since the English language was not well known in other countries until the second half of the eighteenth century.” Dies beweist, dass mit dem Aufstieg der volkssprachlichen Literatur nicht zwangsläufig der Niedergang der lateinischen verbunden war. – Zur neulateinischen Literatur in Nordeuropa sei auf folgende Studie verwiesen: Minna Skafte Jensen (Hrsg.): A History of Nordic Neo-Latin Literature, Odense 1995. Vgl. Bernhard Coppel, Jakob Locher Philomusus (1471-1528). Musenliebe als Maxime, in: Schmidt (Hrsg.), Humanismus im deutschen Südwesten, S. 151-178, hier: S. 159. Daneben hat Heinz Scheible darauf hingewiesen, dass Locher Philomusus auch an der neu gegründeten Universität Wittenberg gelehrt hat. Vgl. dazu: Heinz Scheible, Die Philosophische Fakultät der Universität Wittenberg von der Gründung bis zur Vertreibung der Philippisten, in: Archiv für Reformationsgeschichte 98 (2007), S. 7-44, hier: S. 16 (ebd., Anm. 71 weiterführende Lit. zu Locher Philomusus).

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weit bekannten Humanisten erreichte.“373 Auch die publizistische Tätigkeit Heinrich Bebels, der ausschließlich in lateinischer Sprache publizierte,374 verdeutlicht einerseits, dass es nachweislich ein zunehmendes Interesse an lateinischer Literatur gab, und andererseits, dass die Entscheidung für die eine Sprache nicht zwangsläufig die Ablehnung der anderen bedeuten musste. Auch wenn Bebel nicht mit eigenen Schriften in deutscher Sprache hervorgetreten ist, so hat er doch, wie Klaus Graf bewiesen hat, die deutschsprachige Publizistik in höchsten Tönen gelobt.375 Dies liefert einen differenzierten Eindruck der Literaturschaffenden in den Jahrzehnten um den Jahrhundertwechsel. Erasmus von Rotterdam vermutete man zunächst auf der Seite der Volkssprachen-Gegner. Bei genauerer Betrachtung liegt aber auch hier keine ausschließliche, keine eindeutige Haltung des Erasmus vor. 1516 hat er in der Vorrede zu seinem Neuen Testament verkündet, er distanziere sich entschieden von denjenigen, die gegen eine volkssprachliche Bibel seien; er sei der festen Überzeugung, auch Laien müsse die Möglichkeit der Eigenlektüre gegeben werden.376 Im gleichen Text kommt er – und somit wird auch hier die Offenheit gegen-

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Coppel, Jakob Locher Philomusus (1471-1528), S. 159. Vgl. Klaus Graf, Heinrich Bebel (1472-1518). Wider ein barbarisches Latein, in: Schmidt (Hrsg.), Humanismus im deutschen Südwesten, Stuttgart 2000², S. 179-195, hier: S. 183: „Bebels ausnahmslos in lateinischer Sprache publiziertes Œuvre liegt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bislang nur in den alten Drucken vor, deren verschiedene Auflagen schwer zu beschaffen und zu überblicken sind.“ Ebd., S. 185: „Mit seiner Fixierung auf die Latinität blieb Bebel den Werten einer älteren Generation von Humanisten verhaftet. Obwohl er das Deutschtum in seiner historischpatriotischen Publizistik nicht genug rühmen konnte und obwohl er über volkssprachliche Literatur, etwa das mittelhochdeutsche didaktische Gedicht „Der Renner“ des Hugo von Trimberg, und den Klang der deutschen Sprache anerkennende Worte fand, ist er mit deutschsprachigen Schriften öffentlich nicht hervorgetreten.“ Stattdessen hat er u.a. die sogenannten ‚Adagia germanica‘ in den Jahren 1508, 1512 und 1514 (ebd., S. 183) veröffentlicht. Anhand des Titels wird bereits die Anlehnung an den großen Erfolg der ‚Adagia‘ des Erasmus von Rotterdam deutlich, die in zahlreichen, jeweils erweiterten Fassungen erschienen und in einer Reihe von Veröffentlichungen von Sprichwörtersammlungen dieser Jahre stehen. Vgl. Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Schriften, Ausgabe in acht Bänden. Lateinisch und Deutsch, hrsg. von Werner Welzig, hier: Bd. 3: In Novum Testamentum Praefationes. Vorreden zum Neuen Testament, übers. eingel. und mit Anm. versehen von Werner Welzig, Darmstadt ²1990, S. 1-115, hier: S. 14f. Klaus Schreiner (Laienbildung als Herausforderung für Kirche und Gesellschaft, S. 273) hat deutlich gemacht, dass viele theologische Vertreter des Ständegedankens der Ansicht waren, es genüge, wenn ein Laie das Pater Noster, das Ave Maria, das Glaubensbekenntnis und die Gebote kenne.

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über beiden Sprachen deutlich – aber wieder auf die Vorzüge des Lateinischen zu sprechen, das er als die communissima […] lingua, universalissima, vulgatissima, notissima, praestantissima, et utilissima, et cuius cognitio dignissima, et prae caeteris necessaria377 bezeichnet. Die Förderung beider Sprachen – so lässt sich ganz allgemein formulieren – war nur unter der Bedingung zu gewährleisten, dass man für das Lateinische wie auch ‚das Deutsche‘ voneinander größtenteils unabhängige Leserschaften berücksichtigte, aber auch die jeweils innewohnenden Möglichkeiten erkannte. So befürwortete Erasmus beispielsweise eine Bibel in der Volkssprache, da dies seine Pläne zur Kirchenreform unterstützte und den Lateinunkundigen den Zugang zu den Schriften des christlichen Glaubens ermöglichte. Die lateinische Sprache – und hier liegt der Unterschied – musste hingegen weiterhin benutzt werden für den wissenschaftlichen Diskurs, der international stattfand.378 Um es in erasmischen Worten zu sagen: Er befürworte eine volkssprachliche Bibel, aber: Si omnia in Ecclesia vulgari lingua celebrarentur, perirent scientiae et omnium disciplinarum, et bonarum artium genera, praesertim vero Theologia, et hinc fieret, ut brevi tempore magna ignorantia non solum populus, sed etiam ipsi universi Sacerdotes laborarent.379

Insofern war auch Erasmus alles andere als ein Gegner volkssprachlicher Texte oder Kritiker von Übersetzungen. Man musste, so mag man resümieren, eben entscheiden, wen man mit einem Text erreichen wollte und was man beabsichtigte – dies war entscheidend für die Wahl der Sprache, entscheidend für die Ausmaße des erreichbaren Publikums und zumeist auch entscheidend für die Bekanntheit eines Autors. Auch wenn Unklarheit herrscht über die volkssprachlichen Fertigkeiten des Erasmus, so stellte dies für die Übersetzungen zahlreicher seiner Werke kein Problem dar: Diese wurden teilweise mit

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Heribert Smolinsky, Sprachenstreit in der Theologie? Latein oder Deutsch für Bibel und Liturgie – ein Problem der katholischen Kontroverstheologen des 16. Jahrhunderts, in: Guthmüller (Hrsg.), Latein und Nationalsprachen in der Renaissance, S. 181-200. Smolinsky (ebd., S. 187, Anm. 19, 21) hat für dieses Zitat angegeben: „Erasmus von Rotterdam: In Novum Testamentum Praefationes, Paraclesis, in: Ausgewählte Schriften, hrsg. von Werner Welzig, Bd. 3, Darmstadt 1967“, „S. 17“. Die Angabe ist nicht zutreffend. Außerdem kann in der gesamten ‚Paraclesis‘ diese Passage nicht ausfindig gemacht werden. Daher als Belegstelle nur die Berufung auf Smolinsky. Ebd., S. 186f. Ebd., S. 187, Anm. 22, ist S. 137 angegeben. Hier liegt der gleiche Sachverhalt vor wie bei der vorletzten Anm.

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seiner Zustimmung, teilweise ungefragt in die Volkssprachen – nicht nur die deutsche – übertragen. Er selbst äußerte sich lediglich in manchen Fällen dahingehend, dass er gewisse Texte oder Inhalte für mehr oder für weniger geeignet hielt, auch in volkssprachlicher Version publiziert zu werden. In seiner Korrespondenz finden sich Belege dafür, welche Titel nach eigener Ansicht geeignet für Übersetzungen waren: Dazu zählen die ‚Christiani matrimonii institutio‘, die ‚De immensa dei misericordia concio‘, die ‚Paraphrases in Testamentum Novum‘ sowie die ‚Virginis et martyris comparatio‘.380 Auf diese Weise hat Erasmus zumindest indirekt Einfluss auf die volkssprachliche Entwicklung ausgeübt. Ohne seine Veröffentlichung des Neuen Testaments wäre etwa unter Umständen die Bibelübersetzung Luthers nicht zustande gekommen. Daher spielte auch die Philologie mit in den reformatorischen Prozess hinein381 und dies nicht ohne Grund, wie Andreas Flitner aufgezeigt hat: „Die Bedeutung der erasmischen Philologie liegt aber nicht nur in ihrem sprachwissenschaftlichen Wert. Die Heiligkeit der Sprache, die im Sinne Vallas als göttliches Wort, als ‚Logos‘ verstanden wird, war für die humanistischen Reformatoren sichtbar bekräftigt worden im Zusammenwirken von Humanismus und Reformation: Erasmus’ Ausgabe des Neuen Testaments hatte Luther für seine Bibelübersetzung gedient.“382

Insofern muss man für den volkssprachlichen Etablierungsprozess vor allem auch die philologischen Vorarbeiten in der lateinischen Sprache sehen, die Texte von hervorragender Stilistik, großer Ausdrucksstärke und Vollkommenheit hervorbrachten, so dass immer mehr Personen zu der Überzeugung gelangten, dies in Übersetzungen auch größeren Bevölkerungskreisen zugänglich machen zu müssen. In zunehmendem Maße fragten immer breitere Teile der Bevölkerung nach volkssprachlichen Texten. In den frühen Jahren der Reformation setzte daher die Arbeit einer weiteren Generation von Übersetzern ein, allen voran Hieronymus Boner. Darauf, dass ehemals rein humanistisch-klassische Themata auch den Laien, den Lateinunkundigen präsentiert wurden, verweist Hannes Kästner: „Mit Beginn der dreißiger Jahre expandierte nicht nur die Antikeübersetzung in Deutschland, die neuen Druckausgaben wenden sich nun auch an eine breitere Öffentlichkeit

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Vgl. dazu besonders: Allen VIII, Nr. 2165, S. 175-177, hier: S. 176, Z. 35-43 (datiert auf 17. Mai 1529; adressiert an Aemilius de Aemiliis). Vgl. Andreas Flitner, Erasmus im Urteil seiner Nachwelt. Das literarische ErasmusBild von Beatus Rhenanus bis zu Jean Le Clerc, Tübingen 1952, hier: S. 16: „Die philologische Leistung hatte das wichtigste Instrument für die Glaubenserneuerung geliefert.“ Ebd.

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und ein neues Publikum.“383 Wenn auch in weit geringerem Maße als in vorangegangenen Jahrzehnten befanden sich Literaturschaffende nunmehr in einem Dilemma: In zahlreichen Texten volkssprachlicher Autoren stößt man immer wieder auf Klagen, dass es schwierig sei, seine Gedanken in der jeweiligen Volkssprache zu formulieren; Autoren, die sich zuvor des Lateinischen bedienten, fürchteten nicht ohne Grund um den Absatz ihrer Produkte. Der Anteil deutschsprachiger Druckerzeugnisse nahm derart zu, dass Engelsing für das Jahr 1524 von einem Verhältnis lateinischer Drucke zu deutschen von 3 zu 1 ausging.384 Daher verwundert die Äußerung des Erasmus nicht, die in einem Brief an einen römischen Prälaten zu finden ist: „Die schreiben alles deutsch. Wir haben es mit der Masse zu tun.“385

2.) Das Verhältnis von Latein und Volkssprachen, insbesondere vor und in der präreformatorischen Epoche Die lateinische Sprache diente bekanntermaßen nicht nur als Kommunikationsmittel zwischen den einzelnen Regionen des Reichs, sondern ermöglichte das gesamte Mittelalter hindurch internationalen Informationsaustausch. Gerade im Spätmittelalter erlebte das Lateinische eine Renaissance – nicht nur im Zuge der gleichnamigen, in Italien geborenen geistigen Bestrebung, sondern vor allem auch aufgrund der Handelserweiterung. So hat Klaus Wriedt mit Blick auf die Handelsbeziehungen deutscher Hansestädte im 14. Jahrhundert festgestellt, dass „nach wie vor das Latein als Sprache des diplomatischen Ver-

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Vgl. Kästner, Antikes Wissen für den „gemeinen Mann“, S. 350. Ebd. Dass das Größenverhältnis sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts noch zugunsten der deutschsprachigen Literaturproduktion entwickelte, haben Pettegree / Hall (Buchdruck und Reformation, S. 358) zum Ausdruck gebracht. Demnach hat der Anteil der gedruckten lateinischen Texte gegenüber denen in deutscher Sprache auf das ganze Jahrhundert bezogen 61 % gegenüber 39 % betragen. Die gleichen Werte haben sich für Frankreich ergeben. Mit 45 % in lateinischer Sprache hatten Italien und England mit nur 11 % einen größeren Anteil an volkssprachlicher Literaturproduktion. Neben anderen Indizien liegt dies vermutlich daran, dass sich der Prozess hin zu einer einheitlichen Volkssprache in beiden Ländern früher vollzogen hat als beispielsweise in Deutschland. Wohl erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts haben es die Volkssprachen geschafft, die Mehrheit der Buchproduktion zu erlangen (ebd., S. 356). Pierre de Nolhac, Érasme en Italie. Étude sur un épisode de la Renaissance avec douze letters inédites d’Érasme, Paris 1888, hier: S. 115.

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kehrs und als traditionelle Verhandlungssprache“386 fungierte.387 Doch hat diese Entwicklung nicht etwa die Volkssprachen zurückgedrängt – im Gegenteil: Etwa gleichzeitig kamen immer häufiger deutschlateinische ‚Mischtexte‘ in Gebrauch, wie insbesondere bei Bibelübersetzungen, in liturgischen Handschriften und im Bildungsbereich zu beobachten ist.388 Daneben sind vom 14. bis zum 16. Jahrhundert zahlreiche sprachliche Lehrbücher und Grammatiken publiziert worden,389 die die Volkssprache zu normieren suchten und auf ihre Weise ein neues Bewusstsein für die eigene Sprache belegen.390 Allerdings

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Vgl. Wriedt, Latein und Deutsch in den Hansestädten, S. 309. Die Erweiterung der Handelsbeziehungen u.a. durch die Hanse hat zur Entwicklung einer oral communication enorm beigetragen. Dies haben Briggs / Burke (A Social History of the Media, S. 25) z.B. an der Einrichtung von Börsen deutlich gemacht. Vgl. dazu: Helmut Puff, Grammatica Latina Deutsch. Zum Funktionswandel der Volkssprache im 16. Jahrhundert, in: DAPHNIS. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur 24 (1995), S. 55-78, hier: S. 56. Daneben sei verwiesen auf: Nigel F. Palmer, Zum Nebeneinander von Volkssprache und Latein in spätmittelalterlichen Texten, in: Grenzmann / Stackmann (Hgg.), Literatur und Laienbildung, S. 579-603; Nikolaus Henkel / Nigel F. Palmer (Hgg.): Latein und Volkssprache im deutschen Mittelalter 1100-1500. Regensburger Colloquium 1988, Tübingen 1992; Jörg Robert, Normieren und Normalisieren. Sprachenpluralität und Wissensordnung in der Frühen Neuzeit – am Beispiel der Lexikographie, in: Jan-Dirk Müller / Jörg Robert (Hgg.): Maske und Mosaik. Poetik, Sprache, Wissen im 16. Jahrhundert, Berlin 2007 (Pluralisierung & Autorität 11), S. 201-248; Horst Heintze, Das 15. und 16. Jahrhundert in Italien: Von der Dualität Latein-Volgare zur sprachlichen und literarischen Kodifizierung, in: Klaus Garber (Hrsg.): Nation und Literatur im Europa der frühen Neuzeit. Akten des 1. Internationalen Osnabrücker Kongresses zur Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit, Tübingen 1989, S. 262-286; Klaus Grubmüller, Geistliche Übersetzungsliteratur im 15. Jahrhundert. Überlegungen zu ihrem literaturgeschichtlichen Ort, in: Boockmann (Hrsg.), Kirche und Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich, S: 59-74. Daher hat Sarah Stever Gravelle ganz richtig betont: „The Volgare was judged inferior to Latin on two counts: vocabulary and grammar. First, its vocabulary was thought to be meager compared to the copia of Latin. […] The second count against the vernacular was that it was ungrammatical, an idea inherited from earlier philology and shared by at least one humanist. According to this idea, the modern languages were disordered and ungrammatical; the ancient, regular and grammatical.” Vgl. dazu: Sarah Stever Gravelle, The Latin-Vernacular Question and Humanist Theory of Language and Culture, in: Journal of the History of Ideas 49.3 (1988), S. 367-386, hier: S. 369. Burke (Wörter machen Leute) hat eine interessante wie schlüssige Abfolge der Sprachstandardisierung präsentiert, die bereits in Form der Abschnittsüberschriften zum Ausdruck kommt: 1. Kodifizierung (z.B. mit Hilfe von Grammatiken) (S. 107f.), 2. Orthographie und Interpunktion (S. 108f.), 3. Der Sieg eines Dialekts (S. 109-113), 4. Der Aufstieg der Koine (S. 113-115), 5. Die Sprache der Bibel (S. 115119), 6. Die Rolle der Buchdrucker (S. 119-121).

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ging es hier vielfach vorrangig um ein vereinfachtes Erlernen des Lateinischen, wie Helmut Puff nach einem Vergleich mehrerer Grammatiken dieses Zeitraums resümierte: In sämtlichen Fällen habe die lateinische Sprache, so Puff, die Rolle der ‚Diva‘ eingenommen, die Volkssprache hingegen die der ancilla latinae linguae391. Deutlich wird dies auch an den Wort-für-Wort-Übersetzungen ins Deutsche, wodurch kein zusammenhängender volkssprachlicher Text produziert wurde, sondern das Deutsche lediglich eine erklärende, dem Latein dienende Funktion einnahm,392 wie etwa im Falle der Grammatikübersetzungen des Niklas von Wyle.393 Angesichts dieser Beobachtungen waren Latein und deutsche Regionalsprachen noch höchst ungleiche Sprachpartner,394 wenngleich

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Puff, Grammatica Latina Deutsch, S. 59. So hat Rolf Bergmann die Funktion volkssprachlicher Glossierungen in verschiedenen Schriften untersucht und ist zu den Ergebnissen gelangt, dass die lateinische Sprache proportional der deutschen bei weitem überlegen ist (S. 43), dass die deutschen Einschübe erklärenden Charakter haben (S. 44), dass insbesondere die lexikographischen Passagen fast nur in lateinischer Sprache gehalten sind (ebd.), dass mit dem Gebrauch volkssprachlicher Passagen wohl textfunktionale oder lexikalisch-semantische Eigenschaften verfolgt worden sind und das Verständnis des Lateinischen verbessert sowie eine Wortschatzerweiterung der Schüler bewirkt werden sollten (S. 45). Vgl. Rolf Bergmann, Volkssprachige Glossen für lateinkundige Leser?, in: Sprachwissenschaft 28 (2003), S. 2953. Eine detailliertere Darstellung zu den Funktionen volkssprachlicher Einschübe in lateinischen Texten sowie eine Differenzierung in Primär- und Sekundärbestandteile findet sich bei: Elvira Glaser, Typen und Funktionen volkssprachiger (althochdeutscher) Eintragungen im lateinischen Kontext, in: Sprachwissenschaft 28 (2003), S. 1-27. Als Alternative zur Wort-für-Wort-Methode hat Puff noch die Interlinearübersetzung angeführt. Gemessen an der gesamten Donat-Rezeption und –Übersetzung ist eine Anzahl von 12 Interlinearausgaben im 15. Jhdt. jedoch nicht sehr bedeutsam. Vgl. dazu: Puff, Grammatica Latina Deutsch, S. 59-61. Wenn Elisabeth De Felip-Jaud die Vorgehensweise bei Übersetzungen [n]on verbum e verbo, sed sensum de sensu als spezifisch neuzeitliches Kennzeichen umschrieb, so muss diese Aussage dahingehend präzisiert werden, dass noch bis weit ins 16. Jahrhundert hinein die mittelalterliche Praxis der Wort-für-Wort-Übersetzung oft Anwendung fand. Erst langsam setzte sich diese neuzeitliche Methode durch. Vgl. dazu: Elisabeth De Felip-Jaud, Hippolytus Guarinonius. Ein frühneuzeitlicher Übersetzer, in: Jahrbuch für Internationale Germanistik 39.1 (2007), S. 9-23, hier: S. 13. Ziel der Methode sollte nicht in erster Linie ein ansprechender, leicht zugänglicher Text in deutscher Sprache sein, sondern eine imitatio des lateinischen Originals. Vgl. dazu: Bertelsmeier-Kierst, Übersetzungsliteratur im Umkreis des deutschen Frühhumanismus, S. 324. Zu Niklas von Wyle vgl. Franz Josef Worstbrock, Art. Niklas von Wyle, ²Verfasserlexikon, Bd. 6 (1988), S. 237-285. So auch Puff, Grammatica Latina Deutsch, S. 66.

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sich die Frage stellt, warum ab der Mitte des 15. Jahrhunderts verstärkt die Volkssprache bei der Vermittlung des Lateinischen zur Hilfe genommen wurde und dadurch – wenn auch noch indirekt – eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sprache entstand.395 – Eine Antwort darauf geben die Biographien jener Männer, die zu Auslandsaufenthalten, meist während ihrer Studienzeit, nach Italien aufbrachen. Auf den ersten Blick ist es durchaus überraschend, dass es gerade Humanisten gewesen sein sollen, auf die eine Hinwendung zur deutschen Sprache zurückzuführen ist.396 Auch wenn sie sich nach ihrem Studium im Ausland wieder im ‚barbarischen‘ Deutschland aufhielten, setzten die meisten von ihnen ihre Beschäftigung mit dem italienischen Renaissance-Humanismus fort, was sich vom Kauf und der Lektüre humanistischer und / oder klassischer Texte bis hin zu eigener schriftstellerischer Tätigkeit erstrecken konnte. Auch eigene Übersetzungen lateinischer Werke wurden angefertigt, wobei auffällig ist, dass „kaum antike, aber auch nur selten die zeitgenössischen humanistischen Autoren des Quattrocento, sondern

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Dies gilt in vielen Aspekten nicht für England. Dass der dortige Kommunikationsraum anders strukturiert war als auf dem Kontinent, hat sich nicht zuletzt darin gezeigt, dass die Volkssprache während des Mittelalters überwiegend die Mündlichkeit dominierte, die lateinische Sprache sowie das insulare Französisch indes als Schriftsprachen Anwendung fanden. Vgl. dazu: Ursula Schaefer, Die spätmittelalterliche Re-Institutionalisierung der Volkssprache in der Prosa, in: Gert Melville (Hrsg.): Das Sichtbare und das Unsichtbare der Macht. Institutionelle Prozesse in Antike, Mittelalter und Neuzeit, Köln / Weimar / Wien 2005, S. 335-354, bes. S. 342-345. Vgl. Christoph Galle, vernarum carmina lingua vertimus. Humanisten und Volkssprache am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 141 (2012), S. 210-227; Bertelsmeier-Kierst, Übersetzungsliteratur im Umkreis des deutschen Frühhumanismus, S. 326f. Diesen „italienischen Universitätstourismus“ hat dieselbe Autorin in einem anderen Aufsatz (Wer rezipiert Boccaccio?, S. 413) dahingehend differenzierter dargestellt, indem sie schrieb, die deutschen Humanisten haben zunächst den petrarkischen Frühhumanismus aufgenommen, erst später den toskanischen Humanismus, den Hans Baron auch mit dem Begriff des „Bürgerhumanismus“ zu umschreiben versucht hat. Vgl. Hans Baron, The Crisis of the Early Italian Renaissance. Civic Humanism and Republican Liberty in the Age of Classicism and Tyranny, 2. Bde., Princeton 1955. Alois Schmid (Stadt und Humanismus, S. 242) hat am Beispiel der bayerischen Prinzen deutlich gemacht, dass eine Bildungsreise nach Italien fester Bestandteil des Ausbildungsprogramms war. Vgl. auch: Agostino Sottili, Ehemalige Studenten italienischer Renaissance-Universitäten, S. 44f.

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besonders die frühen des Trecento, Boccaccio und Petrarca, vertreten sind“397. Besonders in derartigen Publikationen, die zwischen 1470 und 1500 angefertigt wurden, ist auffällig, dass die Adressatenkreise durchaus heterogen waren und man nicht nur die Lateinunkundigen im Blick hatte.398 Dies kommt an einer Übersetzung von Petrarcas ‚Griseldis‘ durch Steinhöwel zum Ausdruck: 1473 veröffentlichte er den Text in der Offizin des Johann Zainer.399 Eine Unterscheidung verschiedener Rezipientenkreisen tritt darin zu Tage, dass Steinhöwel den Text Petrarcas in humanistischer Tradition, d. h. mit einleitendem Humanistenbrief und moralphilosophischem Nachwort, den Hauptteil aber in Übersetzung präsentierte.400 Natürlich ist der lateinische Text samt Einleitung und Nachwort für lateinkundige Leser gedacht gewesen. Demnach sei die Übersetzung zwar auch für ein gelehrtes – weil lesefähiges und an humanistischen Stoffen interessiertes – Publikum gedacht, das aber der lateinischen Sprache nicht mächtig war. Dies evoziert den Eindruck, dass bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Leserschaft existierte, die lediglich der Volkssprache mäch-

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Bertelsmeier-Kierst, Übersetzungsliteratur im Umkreis des deutschen Frühhumanismus, S. 325. Daneben vgl. Alfred Noe, Der Einfluß des italienischen Humanismus auf die deutsche Literatur vor 1600. Ergebnisse jüngerer Forschung und ihre Perspektiven, Tübingen 1993, oder: Franz Josef Worstbrock, Deutsche Antikerezeption 1450-1550. Teil I. Verzeichnis der deutschen Übersetzungen antiker Autoren. Mit einer Bibliographie der Übersetzer, Boppard 1976 (Veröffentlichungen zur Humanismusforschung 1). Ob dies direkt intendiert war, ist nicht zu entscheiden; bewusst war es den Übersetzern in jedem Fall, wie Benjamin Dorn (Von wilden und von edlen Zungen, S. 350) am Beispiel des Paracelsus deutlich gemacht hat: „In diesem Sinne hielt der Arzt, Naturforscher und Philosoph Paracelsus (1493 bis 1541) seine Vorlesungen schon sehr früh in der Muttersprache, damit „die arzney in erkanntnis des gemain man komme.“ Wie Schreiner (Laienbildung als Herausforderung, S. 279) hervorgehoben hat, muss Paracelsus als Ausnahme gelten, u.a. weil er sich nicht an die Zunftregeln hielt. Bei dieser Schrift handelte es sich bereits um eine Übersetzung: Petrarca übersetzte die ‚Griseldis‘ Boccaccios bereits im 14. Jahrhundert. Kennzeichnend ist, dass er sich nicht als bloßer Übersetzer, sondern als interpres rerum tuarum verstand, was Rückschlüsse auf sein Verständnis von Übersetzungen zulässt. Vgl. dazu: Bertelsmeier-Kierst, Übersetzungsliteratur im Umkreis des deutschen Frühhumanismus, S. 329. In welchem Maße Petrarca lediglich die Vorlage übersetzt, andererseits aber auch Eigenes hinzufügt, bringt Worstbrock zum Ausdruck: Franz-Josef Worstbrock, Petrarcas „Griseldis“ und ihre Poetik, in: Klaus Grubmüller [u.a.] (Hgg.): Geistliche Denkformen in der Literatur des Mittelalters, München 1984 (Münsterische Mittelalterschriften 51), S. 245-256. Vgl. Bertelsmeier-Kierst, Übersetzungsliteratur im Umkreis des deutschen Frühhumanismus, S. 341.

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tig war, aber doch über eine solche Quantität verfügte, dass man auf sie als Autor und Herausgeber humanistischer Texte eingehen musste. Neben der Hinwendung zur Volkssprache ist gerade für den klerikalen Bereich ein Erstarken der lateinischen Sprache zu beobachten. Ulrich Andermann führte dazu das Beispiel des Albert Krantz (14481517) an, der Ende des 15. Jahrhunderts Domlektor in Hamburg war.401 Zu seinen Aufgaben gehörte es, jährlich vier lateinische Reden vor dem Klerus sowie vier vor der Laienschaft in der Volkssprache zu halten.402 Bereits hier wird deutlich, dass die Zugehörigkeit zum Klerus wie auch das Beherrschen des Lateinischen Kriterien waren, die maßgeblich über den Zugang zur Schicht der Gebildeten entschieden. Neben der sozialen Stellung qua Geburt entschieden oftmals die Sprachkenntnisse über den sozialen Status einer Person, über ihre Möglichkeiten, bestimmte Ämter zu erlangen, und waren Faktoren für das Maß an Ansehen – und daraus sich ergebend: für den Einfluss innerhalb einer Stadt oder gar eines Landes.403 Für den kirchlichen Bereich macht dies das Resümee Andermanns deutlich: „Das damit verbundene Latein diente – von den liturgischen Notwendigkeiten abgesehen – als Instrument zur Statuserhaltung der geistlichen Bildungseliten, mit anderen Worten: zur sozialen Differenzierung und ständischen Abgrenzung.“404 Insbe-

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Andermann, Albert Krantz (1448-1517), S. 324. Ebd. So hat Rainer Christoph Schwinges die soziale Stellung der Gelehrten im Reich wie folgt beschrieben: „An den 16 Universitäten des Reiches […] sowie an den auswärtigen Hochschulen vor allem Frankreichs und Italiens (aber auch in Krakau) studierten hochgerechnet fast eine Viertel Million Reichsangehörige. An ihrer Spitze standen die Gelehrten; und wahrscheinlich waren im Herrschaftsgefüge des Reiches nur sie auf ihrem weiteren Lebensweg einer vermutlich mittleren Führungsebene zugeordnet, zum Teil neben, zum größeren Teil aber wohl unterhalb des Adels und des Großbürgertums.“ Vgl. Schwinges, Karrieremuster: Zur sozialen Rolle der Gelehrten im Reich des 14. bis 16. Jahrhunderts, S. 11f. Dass selbst an den Universitäten soziale Unterschiede deutlich gemacht wurden, hat Schwinges (ebd., S. 19) zum Ausdruck gebracht: „Bei aller Ungleichheit im einzelnen quer durch und zwischen den Fakultäten gab es jedoch eine unmißverständliche Zweiteilung in solche Personen, die schon jemand waren, und solche, die nichts oder noch nichts waren.“ Ebd. Daneben verweise ich auf Klaus Schreiner, Laienfrömmigkeit – Frömmigkeit von Eliten oder Frömmigkeit des Volkes? Zur sozialen Verfaßtheit laikaler Frömmigkeitspraxis im späten Mittelalter, in: Ders. (Hrsg.), Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter, Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge, München 1992 (Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien 20), S. 1-78. Vgl. auch Schreiner, Laienbildung als Herausforderung, S. 258. Ebd. (S. 270) schrieb Schreiner: „Auch soziale Wertvorstellungen trugen dazu bei, die Aneignung von Buchwissen zu hemmen oder gar zu verhindern. Antike und mittelalterliche Bildungstheoretiker beanspruchten nämlich die Pflege der ‚freien Künste‘ (artes liberales) als Standesvorrecht der ‚Freien‘ (liberi). Körperlich zu ar-

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sondere der Klerus hielt am Latein fest – und dies anscheinend in zunehmendem Maße. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Volkssprache auf dem Gebiet der Publikationen und überhaupt innerhalb der Öffentlichkeit umso mehr an Bedeutung gewann, je entschiedener und hartnäckiger der Klerus an der lateinischen Sprache festhielt. Was genau seine Intention und Ursache dafür war – ob Angst vor Macht- und Ansehensverlust oder die Befürchtung sozialer Durchlässigkeit zwischen einzelnen Ständen –, muss im Dunkeln bleiben. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn die Wormser Stadtchronik explizit erwähnt, beim Besuch eines Kardinals 1508 in der Stadt sei dieser durch eine Rede in lateinischer Sprache geehrt worden.405 Dass dies eine Besonderheit für die Vertreter der Stadt darstellte, wird daran deutlich, dass der Chronist dieses Ereignis eigens hervorhob, weil es wohl nicht der Regel entsprach. „Entsprechend ist es möglich, daß er [gemeint: Albert Krantz] deshalb in Latein schrieb, weil er davon überzeugt war, Fachwissen solle am besten Eigentum derer bleiben, die es angehe[.]“406 In diesen Zusammenhang ist auch die Kritik derer einzuordnen, die bereits früh gegen eine Übersetzung der Bibel in die Volkssprache eintraten und vor einem übermäßigen Bücherangebot warnten. Beides trage dazu bei, so die Skeptiker, dass die Lehrmeinung der Kirche leide, und führe dazu, dass sowohl jeder Lesekundige sich seinen eigenen Glauben bastele als auch niemand mehr auf die Weisungen und Ansichten der Kirche achte.407 Diese Position wurde häufig mit Prediger 12, 12408 untermauert, da sich hier bereits Salomo

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beiten und für die materielle Existenzsicherung der Herrschenden und Gebildeten aufzukommen, sei das ‚angestammte Los‘ (sors genuina) der Unfreien. Dem Begriff der ‚freien Künste‘ war gleichsam per definitionem ein aristokratisches Element inhärent, das den Zugang zum Wissen nach gesellschaftlichen Wertmaßstäben zu normieren suchte.“ Allerdings gab es auch unter Klerikern Unterschiede im Bildungsniveau: So wurde beispielsweise in Klöstern zwischen Chormönchen und den Laienbrüdern, den illiterati, differenziert. Wilhelm Arnold (Hrsg.), Wormser Chronik, S. 212: da trat D. Balthasar Meiel (welcher der zeit nit allein hie, sondern auch an kaiser Maximiliani hof für einen fürtrefflichen juristen gehalten worden) herfür und empfieng den cardinal mit einer schönen lateinischen oration, befahl den rath und gemein seiner würden und verehrt ihme von raths wegen 2 ohm wein und 10 malter habern, darauf der cardinal ein lange rede gethan. Vgl. Andermann, Albert Krantz (1448-1517), S. 326. Vgl. dazu: Klaus Schreiner: Laienbildung als Herausforderung, hier: S. 266, 278. Vgl. Die Heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments, hrsg. vom Kirchenrat des Kantons Zürich, Zürich 1971, hier: Prediger 12, 12: „Und ferner noch: Mein Sohn, lass dich warnen! Des vielen Büchermachens ist kein Ende, und das viele Studieren ermüdet den Leib.“ Daneben wurde auch 2. Kor. 3, 6 zitiert, woraus hervorgeht, der Buchstabe töte, nur der Geist mache lebendig. Im Übrigen waren viele Kritiker der Ansicht,

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gegen zahlreiches Bücherschreiben wandte.409 Das Hauptziel war sicherlich die Sorge um die Einheit der Kirche und ihrer Lehre, da diese nach Erfindung des Buchdrucks durch die zunehmende Bücherflut in Gefahr zu geraten schien. Diese Bedrohung war offensichtlich der Hauptgrund für das Festhalten an der lateinischen Sprache seitens des Klerus und für deren gleichzeitiges Erstarken. Neben der Kirche gab es in diesem Zeitraum auch weitere Förderer der lateinischen Sprache. Gerade im 15. und 16. Jahrhundert nahmen die Handelsbeziehungen zwischen deutschen Gebieten und England, Skandinavien und Polen zu. Als Kommunikationsmittel diente hier ene middelsprake twisschen Engelscher unde Dudescher sprake …, unde dat moste Latinsche wesen410. Mit Blick auf erweiterte Handelsbeziehungen stellte Klaus Wriedt fest, dass in diesen beiden Jahrhunderten die lateinische Sprache immer mehr als Sprache des Handels in den Vordergrund trat und selbst Verwendung fand zwischen Handelspartnern, die sich zuvor noch in deutscher Sprache verständigt hatten:411 „Die Hanserezesse wie das Hansische Urkundenbuch geben zu erkennen, daß bei allen örtlichen Unterschieden ab der Mitte des 14. Jahrhunderts Deutsch vorherrschend wurde. Auch zweisprachige Mischtexte verdrängten allmählich das Latein, wenngleich dieses nicht nur die internationale Verkehrssprache blieb, sondern sich überdies zur innerhansischen Rechtssprache entwickelte. Im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert verstärkte sich dieser zugunsten des Lateins gehende Trend […] Nur gelegentlich stoßen wir auf deutsch verfaßte Texte[.]“412

Die zunehmende Bedeutung des Lateins in den hansischen, damit überwiegend norddeutschen Städten blieb dort nicht folgenlos für die Entwicklung der deutschen Sprache. Hinlänglich ist bekannt, dass

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Gott habe sich in den drei heiligen Sprachen (Latein, Griechisch, Hebräisch) geoffenbart, weswegen es sich verbiete, die Heilige Schrift in andere Sprachen zu übertragen. Vgl. dazu: Schreiner, Laienbildung als Herausforderung, S. 304. Schreiner hat ebd. einige Repräsentanten der Übersetzungskritik mit ihren individuellen Argumenten vorgestellt: Ich nenne nur Geiler von Kaysersberg (S. 298), den Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg (S. 299), Hieronymus Emser (S. 301) und Johannes Eck (ebd.). Das Mittelalter hindurch kam es immer wieder zu Warnungen, dass zu viele Bücher die Leser von der richtigen Lehre abbrächten und für Verwirrungen sorgten. Hanserezesse, zweite Abtheilung, Bd. 5, hrsg. von Goswin von der Ropp, Leipzig 1888, Nr. 712, § 4f. Vgl. Wriedt, Latein und Deutsch in den Hansestädten, S. 310f. Ebd., S. 321.

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Ende des 15. Jahrhunderts das Oberdeutsche mehr und mehr das Niederdeutsche verdrängte.413 Doch in welcher Sprache waren amtliche Mitteilungen und Korrespondenzen verfasst? – Es waren die Gebiete im mitteldeutschen Raum, die in Deutschland zuerst der Volkssprache amtliche Würde zukommen ließen. Die Kanzleien Berlins gingen um 1504 zum ‚Hochdeutschen‘ über. In den Kanzleien Brandenburgs schlug sich diese Entwicklung in den Jahren zwischen 1515 und 1525 nieder.414 Insgesamt muss allerdings eingeräumt werden, dass die Forschung, v.a. auf dem Gebiet der mittellateinischen Philologie, bislang die Entwicklung der Verwaltungssprache im fokussierten Zeitraum nahezu ignoriert hat.415 Festhalten lässt sich an dieser Stelle nur, dass die Berliner und Brandenburger Entwicklungen nicht allgemeingültig sind, da z.B. die gesamte Korrespondenz der Reichsstadt Frankfurt am Main in deutscher Sprache abgefasst worden ist.416 Der Vorwurf, es könne sich bei den Frankfurtern um Verfechter der Muttersprache gehandelt haben, weshalb sich diese zum ausschließlichen Verfassen ihrer Texte in deutscher Sprache veranlasst fühlten, ist nicht haltbar. Schließlich sind die an die Frankfurter Obrigkeit gerichteten Schreiben ebenfalls in deutscher Sprache verfasst worden. Ein ähnliches Bild ergeben Städtechroniken desselben Zeitraums. Besonders aussagekräftig sind hier die Geschichtsquellen kleinerer, durch den Humanismus weniger geprägter Städte. So ist etwa der gesamte Zeitraum von 1503 bis 1520 in der Soester Chronik in deutscher Sprache verfasst417 und verfügt über vereinzelte lateinische Ein-

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Vgl. dazu: Peters, Das Mittelniederdeutsche als Sprache der Hanse, S. 65-88. Vgl. Lasch, Geschichte der Schriftsprache in Berlin bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Folgende Untersuchungen befassen sich mit der Entwicklung der Verwaltungssprache und dem Wechsel zur deutschen Sprache im amtlichen Schriftverkehr: Felix Merkel, Das Aufkommen der deutschen Sprache in den städtischen Kanzleien des ausgehenden Mittelalters; Dietmar Jürgen Ponert, Deutsch und Latein in deutscher Literatur und Geschichtsschreibung des Mittelalters, S. 65ff.; Marita Gesenhoff / Margarete Reck, Die mittelniederdeutsche Kanzleisprache und die Rolle des Buchdrucks in der mittelniederdeutschen Sprachgeschichte, S. 1279-1289; Hans Moser, Die Kanzleisprachen, S. 1398-1408. Frankfurts Reichscorrespondenz nebst andern verwandten Aktenstücken von 13761519, Bd. 2,1. (Die Jahre 1500 bis 1518 sind hier abgedruckt auf den S. 637-999). Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd. 3: Soest und Duisburg, hrsg. von der Historischen Commission bei der Königlichen Akademie

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schübe. Diese sind allerdings so selten, dass von einem deutschlateinischen Mischtext, wie im Falle mancher Grammatikwerke, keine Rede sein kann. Mit diesem Typus vergleichbar ist die Chronik der Stadt Worms.418 Bereits diese wenigen Aspekte verdeutlichen, dass das Verhältnis von Latein und Volkssprache in verschiedenen öffentlichen Bereichen sehr unterschiedlich war. So weisen Chroniken des 15. und 16. Jahrhunderts fast ausschließlich den Gebrauch der deutschen Volkssprache auf. Amtliche Schreiben hingegen, v.a. diejenigen des Kanzleiwesens, wechselten mehrheitlich erst seit Mitte der 1520er Jahre vom lateinischen zum volkssprachlichen Gebrauch, während Korrespondenzen eine Ausnahme darstellen, da hier bereits seit dem frühen 15. Jahrhundert die deutsche Sprache dominierte.419 Vermeintlich paradox mutet es an, dass gerade Humanisten für eine Hinwendung zur Volkssprache verantwortlich waren, während sich die Kirche umso entschiedener dem Lateinischen zuwandte. Daneben hat aber die ältere Forschung dargelegt, dass dem Adel insgesamt, insbesondere den Landesherren, eine enorme Bedeutung im Hinblick auf die sprachlichen Entwicklungen zukam – einerseits durch Förderung der humanistischen Literatur, andererseits in gleichem Maße aber auch durch Förderung von Übersetzungstätigkeiten in die Volkssprachen.

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der Wissenschaften, Leipzig 1895 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 24), hier: S. 87-117. Die Jahre 1500 bis 1520 finden ihre Beschreibungen bei Arnold, Wormser Chronik, S. 204-253. Auch wenn dieses Geschichtswerk vermutlich erst zwischen 1565 und 1570 verfasst wurde, kommt ihm dennoch eine besondere Bedeutung zu, da es sich hier um die einzige Quelle zur Wormser Stadtgeschichte handelt. Die Chronik, die wohl von 1565-1570 verfasst worden ist (ebd., S. 2) hat eventuell eine Chronik zur Grundlage, deren Verfasser um 1530 gelebt haben soll (ebd., S. 3). Dieser Vorläufer ist hingegen nicht überliefert worden. In welchem Maße die uns vorliegende Chronik über Zusätze eines gewissen Franz Berthold von Flersheim verfügt, ist ungewiss. Ebenso kann das Jahr 1604 als Zeitpunkt seines Abfassens nicht bestätigt werden. Vgl. dazu: Ebd., S. 1-3. Die Forschung ist allerdings auch zu der Erkenntnis gelangt, dass gerade seit Beginn der humanistischen Entwicklung in Deutschland in den letzten Dekaden des 15. Jahrhunderts v.a. Fürsten humanistisch-gebildete Personen für den Briefverkehr in ihre Dienste stellten. Kunstvoll ausgefeilte Briefe in lateinischer Sprache sollten dem Auftraggeber Würde und Ansehen verleihen, indem sie ein hohes Maß an Bildung suggerierten.

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3.) Humanisten und Volkssprache: Synthese oder Widersprüchlichkeit? Angesichts der ansteigenden Produktionszahlen volkssprachlicher Texte (nicht ausschließlich, aber insbesondere seit den frühen Jahren der Reformation) drängt sich die Frage auf, inwiefern Humanisten, die Protagonisten der klassischen Sprachen, auf diese Entwicklung reagiert haben. Gehörte Erasmus mit seiner aufgeschlossenen Haltung in diesem Zusammenhang einer Minderheit unter den Humanisten an oder handelte es sich eher um eine typische, eine weit verbreitete Einstellung? – Die historische und philologische, insbesondere mittel- und neulateinische Wissenschaft hat bislang Fragen nach den Motiven und Intentionen, sich neben der lateinischen und griechischen Sprache auch der Volkssprache zu bedienen, noch nicht zufriedenstellend beantwortet. Mit Blick auf die von Humanisten angefertigten Übertragungen in die Volkssprache überwog v. a. bei den ersten beiden Generationen das Bestreben, einen deutschen Text zu erstellen, der möglichst nah am lateinischen bzw. griechischen Original war. Von freier oder sinngemäßer Übersetzungsmethodik konnte hier überhaupt keine Rede sein; vielmehr galt es als oberstes Ziel, eine Wort-für-Wort-Übersetzung zu erstellen, während der deutsche Text nicht selten unverständlich war, wenn nicht zugleich die altsprachliche Vorlage zu Rate gezogen werden konnte.420 Wenngleich sich über den Nutzen einer solchen Übersetzung streiten lässt, zeugt die Vorgehensweise doch von einer gewissen Ehrfurcht gegenüber der Vorlage. Welche Intention wurde aber dabei verfolgt? – Eine Antwort gibt Erasmus von Rotterdam in seinen 1518 erschienenen ‚Colloquia familiaria‘. Dort bringt er in einem Dialog, der zwischen einem Abt und einer gelehrten Frau geführt wird, zum Ausdruck, dass seiner Ansicht nach volkssprachliche Texte lediglich Unterhaltungswert besäßen.421 –

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So etwa zu beobachten im Falle des „Catho“ Sebastian Brants: Hunc (scil. Cathonem) lege: non propter vim carminis amplaque verba: Sed decus vnde tibi prodeat atque salus, Vt postquam instructus sis moribus, inde poetas Virgilium atque alios historicosque leges; (!) Ecce Cathonis enim vernarum carmina lingua Vertimus, hos rhythmos edidimusque novos; Ac verbum verbo curavimus reddere, quantum Id rhythmus tulit (…). Vgl. Hermann Wiegand, Sebastian Brant (1457-1521), S. 80. Andermann, Albert Krantz (1448-1517), S. 335. Vgl. Erasmus von Rotterdam: Ausgewählte Schriften, Ausgabe in acht Bänden. Lateinisch und Deutsch, hrsg. von Werner Welzig, hier: Bd. 6: Colloquia Familiaria – Vertraute Gespräche, übers. eingel. und mit Anm. versehen von Werner Welzig, Darmstadt 1967, S. 252f. Dies erinnert doch sehr stark an die antike Schrift ‚Ars poetica‘ des Quintus Horatius Flaccus – eine Schrift, die im humanistischen Zeitalter eine enorme Rezeption erfahren hat – v.a. durch den Rhetoriker Julius Caesar Scaliger. (Vgl. dazu: Poetices libri septem

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Ist diese Haltung auch bei anderen Humanisten nachweisbar? Nachdem Ulrich von Hutten (1488-1523) etwa in den Jahren von 1510 bis 1520 als Autor zahlreicher humanistischer Werke sich einen Namen gemacht hatte,422 veröffentlichte er 1519 seine erste Schrift in deutscher Sprache, die Franz von Sickingen gewidmet war.423 Hutten kam nach eigenen Worten dem Wunsche Sickingens nach, eine volkssprachliche Version des Textes ‚Febris‘ zu erstellen, wenngleich er sich bewusst war, dass der Ausdruck im latein vyl lieplicher vñ kunstlicher dañ im deutschen lauten mag424. Dessen ungeachtet verfasste er seitdem mehrere deutschsprachige Texte. Das Jahr 1520 war gleichsam ein Wendepunkt seines literarischen Schaffens. Wenngleich sich bei Volker Honemann der Hinweis findet: „An deutschen Übersetzungen von Schriften Huttens liegen vor dem Herbst 1520 nur ‚Die geschicht vnnd bekant-

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[lateinisch-deutsch], hrsg. von Luc Deitz, Gregor Vogt-Spira, Stuttgart 1994ff.) Nach dessen Definition gibt es zwei mögliche Funktionen, die ein Text erfüllen kann: die Unterhaltung (delectare) oder den Nutzen (prodesse). Bedeutung und Einfluss Huttens innerhalb der deutschen Humanisten kamen insbesondere in seiner Mitwirkung an den so genannten ‚Dunkelmännerbriefen‘, den ‚Epistolae obscurorum virorum‘ zum Ausdruck. (Vgl.: Epistolae obscurorum virorum: 2 Bände in einem Band, hrsg. von Aloys Bömer, Aalen 1978 [Neudr. der Ausgabe Heidelberg 1924].) Anlass für diese Briefe, die zwar ohne Verfasserangabe, aber wohl auf Initiative des Erasmus von Rotterdam zusammengestellt wurden, seit 1514 in Deutschland kursierten, war ein Streit zwischen den Kölner Dominikanern und Johannes Reuchlin, dem Großonkel Melanchthons. In der Frage, ob jüdische Schriften, v.a. der Talmud, verboten werden sollten, sprach sich der zum Katholizismus konvertierte Jude Johannes Pfefferkorn für eine Vernichtung der Schriften aus. Reuchlin, als führender Hebraist der Zeit, setzte sich gegen diese Forderung ein und erhielt von humanistischer Seite Beistand in Form der ‚Dunkelmännerbriefe‘. Diese von namhaften deutschen Humanisten verfassten Briefe zogen scholastische Lehrmeinungen und das sog. Küchenlatein ins Lächerliche. Die Vorrede findet sich in: Ulrichs von Hutten Schriften, hrsg. von Eduard Böcking, Bd. I: Briefe von 1506 bis 1520, Leipzig 1859, S. 247. Volker Honemann hat darauf hingewiesen, dass diese Schrift von einem anonymen Übersetzer ins Deutsche übertragen worden, auf Hutten lediglich die Widmungsvorrede zurückzuführen sei (vgl. dazu: V. Honemann, Latein und Deutsch bei Ulrich von Hutten, in: Heinzle (Hrsg.), Übersetzen im Mittelalter, S. 359-376, hier: S. 365). Dieser These widerspricht: Ulrichs von Hutten Deutsche Schriften, hrsg. von Siegfried Szamatólski, Straßburg 1891 (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgeschichte der Germanischen Völker LXVII), S. 65f. Ulrichs von Hutten Schriften, hrsg. von Eduard Böcking, Bd. III: Poetische Schriften, Leipzig 1862, S. 247, Z. 17f. Wie Honemann (Latein und Deutsch bei Ulrich von Hutten, S. 363) richtig zum Ausdruck gebracht hat, schildert dieser Text „bissig das üppige Leben der Geistlichen“.

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nuß des getaufften Juden genant Johannes Pfefferkorn‘ vor“425, so hat Hutten in diesem Jahr intensiv an deutschen Übertragungen seiner lateinischen Texte gearbeitet. So erschien noch im gleichen Jahr eine Schrift mit dem Titel ‚Clag und Vormanung gegen dem Gewalt des Bapsts‘, in der er die durch den Papst hervorgerufenen Missstände innerhalb der römischen Kirche scharf kritisierte. Warum er diese Schrift nun in deutscher Sprache verfasste, erklärte Hutten sogleich: Latein ich vor geschriben hab, das was eim yeden nit bekandt. Yetzt schrey ich an das vatterlandt Teütsch nation in irer sprach, zů bringen dißen dingen rach.426

Hutten war sich demnach durchaus der unterschiedlichen Wirkungen und Adressatenkreise der deutschen bzw. lateinischen Sprache bewusst,427 denn durch volkssprachliche Formulierung konnte er

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Ebd., S. 365. Dort findet sich auch die Bemerkung, dass es sich bei dieser Person nicht um den Kölner Juden Pfefferkorn handelte, der mit Reuchlin gestritten hatte. Böcking, Ulrichs von Hutten Schriften III, S. 484, V. 262-266. Dieses Bewusstsein muss man allerdings auch der römischen Kirche konstatieren, wenn man sich die in der Einleitung zitierte Bulle in Erinnerung ruft. Hier bediente man sich der Volkssprache, weil man einen möglichst großen Adressatenkreis erreichen wollte: So umriss Falk Eisermann den Rezipientenkreis folgendermaßen: „Der Papst wollte die Laien, die ‚Nichtkriegsfähigen und Unbemittelten, besonders aber auch die Frauen‘ unmittelbar ansprechen[.]“ Vgl. Eisermann, DAS KAIN BABST TEUTSCH ZU SCHREIBEN PHLEG. Päpstliches Schriftgut und Volkssprache im 15. Jahrhundert, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 134 (2005), S. 446-476, hier: S. 447. Von großer Aussagekraft erscheint auch der von Eisermann (ebd.) angestellte Vergleich der Rezipienten der lateinischen Bulle mit denen der volkssprachlichen: „Als primäre Rezipienten nennt die ursprüngliche Inscriptio die Geistlichen aller christlichen Länder; dies wurde in der Übersetzung zwar zunächst beibehalten, der Text ersetzt aber im folgenden die Anrede an die clerici sive saeculares sive regulares sive mendicantes et non mendicantes, exempti et non exempti durch die schlichte Formel alle mentschen geistlich vnd weltlich, und der Ausdruck fideles populos ad quos voluit aspirare wird zu einem ‚dem Laien jedenfalls verständlicheren und eindrucksvolleren ‚vns‘ verdichtet‘.“ Auch wenn aus zeitgenössischem Urteil hervorgeht, dass die Übersetzung in die Volkssprache große Wirkung hatte – vgl. dazu: Die Türkenbulle Pabst Calixtus III. Ein deutscher Druck von 1456 in der ersten Gutenbergtype, in Nachbildung hrsg. und unters. von Paul Schwenke, mit einer geschichtl. Abhandlung von Hermann Degering, Berlin 1911 (Seltene Drucke der Königlichen Bibliothek zu Berlin 1), hier: S. 27, Anm. 2: Quod cum vulgatum fuisset, multi simplices zelo fidei permoti cruce signati sunt. –, so muss die volkssprachliche Bulle doch als eines von wenigen Beispielen angesehen wer-

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Bedingungen für eine literarische Karriere

wesentlich mehr Personen erreichen – jene, die lediglich der deutschen Sprache mächtig waren, wie auch solche, die durch Vorlesen, Mundpropaganda, Predigten u.ä. darauf aufmerksam gemacht wurden.428 Der möglicherweise größeren Wirkung war er sich ebenfalls bewusst: An anderer Stelle begründete er nämlich sein jahrelanges Publizieren in lateinischer Sprache damit, dass er nicht Gefahr laufen wollte, den ‚gemeinen Mann‘ – hätte er sogleich in deutscher Sprache geschrieben – zu Aufständen und Erhebungen zu animieren.429 (Dies wiederum verdeutlicht die Funktion der lateinischen Sprache als Kommunikationsmittel der gelehrten Bevölkerungsschichten.430 Durch den Gebrauch des Lateinischen waren die Möglichkeiten der Informationsvermittlung nahezu unendlich, das Publikum jedoch relativ begrenzt.431) Als wichtigster Beweggrund für den Gebrauch der

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den. Die römische Kirche hat sich noch jahrzehntelang auf das Lateinische gestützt. Daher verwundert es auch nicht, wenn die Übersetzung der Kreuzfahrtsbulle „vermutlich auch nicht im Auftrag einer kirchlichen Institution hergestellt“ worden ist (so Eisermann, DAS KAIN BABST TEUTSCH ZU SCHREIBEN PHLEG, S. 447). Vgl. dazu auch: Andermann, Albert Krantz (1448-1517), S. 332f., Anm. 78. Ebenso auch die bei Briggs / Burke, A Social History of the Media hervorgehobene Bedeutung der Predigt als Informationsvermittlung (S. 23f.) sowie die Beschreibung verschiedener Arten der Kommunikation (S. 23-26). Vgl. Böcking, Ulrichs von Hutten Schriften I, S. 418, Z. 14-19: Allweg hab ich vffrůr vermitt, vñ nit wll des gemeinen volcks entbrung ursach geben, vnd das ir mercket, das mein meinung nie gewest, vmbkerung des geistlich stands zů erweck, so hab ich bißher, was des selbigen mißleb vnd vngeber antrifft, in latin geschrib, als jn heimlich ire gebrech anzeigd. Dañ wiewol ich das zůthůn gůte fůg: vñ mer dañ gnůgsame ursach gehabt, so wolt ich doch dise ding dem gemein hauffen noch nit offenbar. Dies kommt auch in einem Brief Johann Ecks an Luther vom 20. September 1518 zum Ausdruck, wenn Eck hervorhob, nur ein unredlicher Mann schreibe für die Masse – ein guter hingegen mache Diskussionen allein unter Gelehrten aus. Vgl. WA Briefe 1, Nr. 94, S. 204f., hier: S. 205, Z. 21-25: Quodsi ingredi noluerit, sed more vetularum nova convicia meditabitur, apud indoctos et improbos posset quidem sententiam ad vota consequi, at melius de eo spero, quod facturus sit, velut vir bonus. Tunc indubie res felicem sortiretur eventum, quod si bonus esse velit, nihil est, quod eum curem, uti nec elephas murem. Ähnlich bei Hutten: Honemann, Latein und Deutsch bei Ulrich von Hutten, S. 361: „Hutten charakterisiert damit das Lateinische als die Sprache der Gelehrten und des Klerus, in der man – im Kreise der litterati – ‚unter sich‘ ist; die Nichtverwendung des Deutschen wird geradezu zum Argument für die eigene Zurückhaltung gegenüber jeder Art Aufruhr, einer Erhebung gegen die Papstkirche. Die […] Verse der ‚Klag vnd Vormanung‘ drücken den gleichen Sachverhalt in positiver Wendung aus: Hutten will nun die bisher geübte Rücksicht nicht mehr nehmen; er will ‚den Deutschen‘ in ihrer Sprache die Schändlichkeit der Pfaffen entgegenschreien.“ Dass die Umschreibung des Lateinischen als Sprache der Gelehrten durchaus legitim ist, hat auch Burke (Wörter machen Leute, S. 61-69) deutlich gemacht. So fand die oral communication im akademischen Bereich etwa in Form von Debatten und Disputationen statt. Vgl. dazu: Briggs / Burke, A Social History of the Media, S.

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Volkssprache gilt im Falle Huttens die Absicht, möglichst viele Bevölkerungsschichten von den Missständen innerhalb der Kirche in Kenntnis zu setzen.432 Im wahrsten Sinne des Wortes wollte er in aller Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen und es kommt nicht von ungefähr, dass Johann Eberlin von Günzburg ein Jahr nach Huttens Ankündigung, vieles ins Deutsche übertragen zu wollen, dessen Entschlossenheit mit eindrücklichen Worten zum Ausdruck brachte: Ulrich von hutten bt die fder vnd das schwrt zů erwecken alte teütsche erberkeit.433 Die Wirkung eines volkssprachlichen Textes manifestierte sich in der Reaktion der Kirche auf Huttens Veröffentlichungen: Mit der Androhung des Kirchenbanns 1520 erreichte sie allerdings das Gegenteil ihres Zieles: Anstatt ihn einzuschüchtern und mundtot zu machen, fühlte Hutten sich nur noch mehr dazu bestimmt, seine Kritik aussprechen. Jeder sollte selbst entscheiden, ob die Reaktion des Papstes – die Bannandrohung – gerechtfertigt sei oder nicht vielmehr ein Beleg für die Verkommenheit der Kurie.434

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24. Hutten war sich dieser begrenzten Wirkungsmöglichkeiten bewusst, deswegen entschied er sich dafür, eine Wende vorzunehmen, die in Wirklichkeit keine war. Das Jahr 1520 brachte dahingehend eine Änderung in seinem literarischen Schaffen, dass er nun Texte in deutscher Sprache verfasste oder Übersetzungen anfertigte; der Eindruck, er habe sich von der lateinischen Sprache abgewandt und nur noch in deutscher Sprache publiziert, ist allerdings falsch: Bereits 1521 „kommen auch die lateinischen ‚Dialogi novi‘ […] heraus, dazu die ‚Invectivae‘ gegen die päpstlichen Gesandten in Deutschland sowie mehrere Schreiben an den römischen Kaiser, den Mainzer Erzbischof und den Nürnberger Humanisten Willibald Pirckheimer“ (Vgl. Honemann, Latein und Deutsch bei Ulrich von Hutten, S. 367.) Insofern ist der in der Forschung gelegentlich gebrauchte Begriff einer Wende in der Autorentätigkeit Huttens verfehlt. Vielmehr handelte es sich um eine Erweiterung seines Schaffens durch die deutschsprachigen Schriften. Hutten hat bereits während seiner ersten Italienreise das weltliche Auftreten der römischen Kirche wahrgenommen und kritisiert. Vgl. Johann Eberlin von Günzburg, Ausgewählte Schriften, Bd. I, hrsg. von Ludwig Enders, Halle a. S. 1896 (Flugschriften aus der Reformationszeit XI.), S. 4f. So auch Honemann, Latein und Deutsch bei Ulrich von Hutten, S. 360. Hutten brachte dies in einer Notiz zum Ausdruck, die er der Übersetzung einer seiner Klageschriften, an alle Stände des Reiches gerichtet, beifügte. Er schrieb dort: Seitmal ich auch verstand hab, wie das etliche mir zů nachteil, meine bcher vnd geschrifft, bey den vnuerstdigen übel außlege. vnd anders, dañ die an jn selbs verstanden werd mgen, verteütsch, domit ich mich dañ bey yederman alles verdachts erledige, vñ auch gemeinem mañ, wie billich oder vnbillich ich gehandelt, vnd ob ich dem Bapst oder seinen Romanist ye ursach geben hab, mich ob angezeigter weiß zůveruolgen, erkentlich sey, so habe ich mir fürgenmen, Alle meine Bcher, die ich bißher in latin geschriben, vnd drucken hab lassen, darinn dañ (als ich nůn erst sieh) dem Bapst seines gefalls nit von mir gelebt, in teutsche sprach, so best ich jmer mag, vnd sich das schicken will, zů tranßferieren vnd außlegen. […] So zweifel ich nit, wo die

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Auch Eberlin hob die Vorzüge der deutschen Sprache hervor, wenn man möglichst viele Bevölkerungsschichten erreichen wollte. In einer Schrift, in der er erklärte, warum Luther und Hutten in deutscher Sprache schrieben, führte er aus, dass die Zustände in der Kirche derart schlimm seien, dass man sich nun an einem Punkt befinde, wo es keine andere Möglichkeit mehr gebe, als jedem Christen die Verhältnisse aufzuzeigen, auf dass sich ein jeder auch ein Urteil darüber bilden könne.435 Über diese Entwicklung war Eberlin hoch erfreut, da das Verkünden der Wahrheit durch v.a. volkssprachliche Texte nur eine von mindestens drei sehr erfreulichen Folgen sei: Neben der Vermittlung der Wahrheit führe diese Entwicklung nämlich auch zur Aufrichtung der deutschen Nation (sic!) und nach deren Wiederherstellung auch zur Stärkung des wahren Glaubens in aller Welt.436 Darin kommt wiederum zum Ausdruck, dass die Wahl der Sprache, und daraus resultierend die Anzahl und das Milieu der Leser bzw. Rezipienten, maßgeblich auch verantwortlich war für die Folgen,

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selbige meine geschrift ins teütsch komm (als dañ ob gott will, bald gescheh sol) man werd erfinden, das ich anders nit, dañ erbarlich, eerlich, vnd als eim frumm vom Adel nit vngebürlich geschriben. Das hab ich meiner notdurfft nach zůuor anzeugen vnd verkünd wllen. (Vgl. Böcking, Ulrichs von Hutten Schriften I, S. 419, Z. 9-22. Vgl. auch Honemann, a.a.O., S. 361.) Nach Schilderung der kirchlichen Vorgehensweise gegen die deutschen „Ketzer“ formulierte Eberlin: Vnd mit solichen vnd der gelichen widerstand wllen sie abwisen die frommen teütschen von gttlicher warheit. Aber die waren prediger vnd lerer haben sich lang enthalten von widerzalung mit schmochwort / biß sie sehen das es not ist das man dem volck den rechten grund fürhalte, was vnbillichs biß har inen sey uffgeleit worden, wider gott vnd eer, vnd schreiben solichs auß in teütscher sprach das ein jetlicher frommer christ in seim hauß mag läsen vnd wol bedencken. Vnd ist das ein zqichen das solich lerer gerecht sind, die ir leer vnder eignen nammen lassen auß gon in teütscher sprach, do mit ein jetlicher verstendiger die weil hab zů vrtheilen dar vber by i selbs. Solichs ist ein zeichen der warheit, dann sy kummen an das liecht. Aber die bttel münch vnd Curtisanen richten ir sachen gern mit worten auß on offentliche geschrifft, es sind winckel prediger, louffen alle heüsser auß, verwysen frumme bald gelübige frwlin vnd andere einfaltigen, aber got hab lob sie schaffen nit vyl, denn ir vnwarheit stinckt so vbel das sie auch nit meer mgen schmacken die do die schnuppen haben. (Ulrichs von Hutten Schriften, hrsg. von Eduard Böcking, Bd. II: Briefe von 1521 bis 1525, Leipzig 1859, hier: S. 110, Z. 25-37.) Die Passage entstammt Eberlins Schrift mit dem Titel ‚WArumb man herr Erasmus von Roterodam in Teütsche sprach transferiert: Warumb doctor Luther vnd herr Vlrich von Hutten teütsch schreiben. Wie nutz vnd not es sy das solich ding dem gemeinen man für komm. Der .VIII. bundts gnoß.‘ (ebd., S. 108-112, oder: Enders, Johann Eberlin von Günzburg […], S. 79-88). Vgl. Böcking, Ulrichs von Hutten Schriften II, S. 111, Z. 38-42: Darumb soll alle menschen sich flissen, heilsam, christlich, nützlich ding in teütsch zu bringen, alles das dienen mag zů fürderung des ewangelium vnd zů trew vnd redlichkeit, dann wo teütsche nation wider offgericht wird mit irem kayser, mgen sie dar nach der gantzen wlt nützlich vnd behilfflich sein zů erlangen die warheit.

Sprache

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die aus der Veröffentlichung von Meinungen resultieren konnten. Daher verwundert es auch nicht, dass sich volkssprachliche Übersetzungen von ihrer lateinischen Vorlage teilweise gravierend unterschieden – und dies gilt nicht nur für jene Texte, die von anderen übersetzt wurden anstatt von den Autoren des lateinischen ‚Originals‘. Zu beobachten ist dies etwa in Huttens Gedicht, das 1521 unter dem lateinischen Titel ‚In incendium Lutheranum exclamatio Vlrichi Hvtteni equitis‘437 und kurz darauf unter dem deutschen Titel ‚Eyn klag über den Luterischen Brandt zu Mentz durch Herr Ulrich vonn Hutten‘438 erschien. Bei genauerer Betrachtung des Textes fällt allerdings auf, dass der Begriff der Übersetzung nur bedingt zutreffend ist: Die lateinische Version verfügt über 64 Verse, die deutsche hingegen über 133, was für den Inhalt bedeutet, dass zahlreiche Passagen, die im Lateinischen sehr drastisch und kritisch formuliert sind, in deutscher Sprache in weit milderer Form und durch größere Wortfülle harmloser dargestellt werden. An diesem Gedicht wird deutlich, wie die unterschiedlichen Adressaten bereits bei der Formulierung berücksichtigt werden mussten. Im lateinischen Text beispielsweise schreibt Hutten in Hexametern: At pereat flammis Aleander Apella sub istis, Authores scelerum pereant sævumque Leonem Emissae repentant furiæ, conflagret ab igni, Quo nunc inocuum petit impia Roma Lutherum.439

In Übersetzung lauten diese Verse etwa wie folgt: Mag jedoch der leichtgläubige440 Aleander unter eben diesen Flammen zugrundegehen, mögen auch die Urheber der Verbrechen

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Vgl. Böcking, Ulrichs von Hutten Schriften III, S. 453-455. Ebd., S. 455-459. Darin kritisiert Hutten die Verbrennung lutherischer Schriften in Mainz. Diese Maßnahme war zuvor von Aleander in Auftrag gegeben worden und fand, nachdem sich Ähnliches am 12. November 1520 in Köln ereignet hatte, am 29. November in Mainz statt. Neben Köln und Mainz fanden auch in Löwen und Lüttich größere Verbrennungen lutherischer Schriften statt. Vgl. dazu auch: Ilonka van Gülpen, Der deutsche Humanismus und die frühe Reformations-Propaganda 1520-1526: das Lutherporträt im Dienst der Bildpublizistik, Hildesheim [u.a.] 2001, hier v.a. S. 251, Anm. 522f. – Zu den Bücherverbrennungen in Venedig in der Mitte des 16. Jahrhunderts vgl. Briggs / Burke, A Social History of the Media, S. 48. Böcking, Ulrichs von Hutten Schriften III, S. 454f., V. 61-64. Die Vokabel Apella wurde von Horaz eingeführt zur Bezeichnung eines leichtgläubigen Juden. In Satire I, 5, 100 schreibt Horaz: Credat Judaeus Apella und meint, wie

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zugrundegehen und mögen den schrecklichen [Papst] Leo die losgelassenen Furien zurückholen und mag er in den Flammen aufgehen, durch die das gottlose Rom den unschuldigen Luther angreift. Hutten bediente sich hier einer drastischen Wortwahl und gab Aleander der Lächerlichkeit preis – doch damit nicht genug: Was den Papst angeht, so solle dieser zur Hölle fahren. Der Wortlaut der deutschen Verse ist hingegen erstaunlich: Honemann hat sie passend wiedergegeben, wenn er feststellte: „Mehrfach und immer inständiger wird der Papst aufgefordert, sich zu bekehren, abzulassen von seinem schändlichen Tun[.]“441 In Huttens Worten formuliert heißt es: Hyerumb ym [dem Papst] gyb eyn anndern syn442. Von Höllenfahrt des Kirchenoberhauptes ist in der volkssprachlichen Textversion keine Rede. Es wird lediglich die Hoffnung ausgedrückt, der Papst erkenne sein fehlerhaftes Handeln und werde sich bekehren. – Die Unterschiede zwischen beiden Texten sind frappierend. Man hätte doch vermutet, dass eine derbe, aggressivere Ausdrucksweise eher in einem Text benutzt würde, der u.a. vom ‚gemeinen Volk‘ gelesen wurde. Stattdessen ist die Formulierung im Lateinischen eine wesentlich härtere.443 Vermutlich haben Hutten seine Befürchtungen zu diesem Schritt bewegt, die Reaktionen des Pöbels könnten unvorhersehbar und unberechenbar ausfallen. Hier wird exemplarisch deutlich, welche Auswirkungen mit der Wahl einer Sprache verbunden sein konnten und dass den frühneuzeitlichen Autoren die jeweils verschiedenen Leserschaften durchaus bewusst waren. War eine Schrift für ein gebildetes Publikum gedacht, so wählte man die lateinische Sprache – wie im Falle der Korrespondenz des Erasmus. Er wählte die alten Sprachen für seine Briefe, weil er von seinen Adressaten verstanden werden wollte, die über ganz Europa verstreut waren. Leonard Forster hat in Anlehnung an Henry J. Chaytors Vorarbeiten die These aufgestellt, dass die Wahl der Sprache durch Gattungs-

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aus dem Zusammenhang zu erschließen ist, etwa: „Das glaube der (leichtgläubige) Jude Apella“ oder drastischer: „Das glaube, wer mag“. Vgl. dazu: Horatius: Opera, ed. Friedrich Klingner, Leipzig 1959. Vgl. Honemann, Latein und Deutsch bei Ulrich von Hutten, S. 371. Vgl. Böcking, Ulrichs von Hutten Schriften III, S. 458, V. 105. Darauf ist auch Honemann (Latein und Deutsch bei Ulrich von Hutten, S. 371) eingegangen.

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konventionen bestimmt worden sei.444 (Um auf Hutten zu rekurieren: Er hat, wie gezeigt, die lateinische Sprache als gattungsnotwendig für Dialoge angesehen.) Diese Handhabung sei allerdings, so Forster, überwiegend im Mittelalter festzustellen,445 für das 16. Jahrhundert habe man hingegen nach anderen Kriterien eine Sprache ausgewählt: „Grund, sich für das Lateinische zu entscheiden, [war] das Fehlen von Vorbildern und einer vorgeformten Diktion in der Volkssprache.“446 Beate Czapla hat diese Argumentation untermauert, wenn sie von den bei Forster genannten Kriterien zur Sprachwahl die Funktion eines Textes, die Frage nach dem Adressatenkreis sowie die Gattungszugehörigkeit als die wichtigsten bezeichnet hat.447 Die zeitliche Differenzierung Forsters nach mittelalterlicher Handhabung und derjenigen des 16. Jahrhunderts ist jedoch zu undifferenziert, zumal sie evoziert, es habe gleichzeitig mit dem Wechsel des Jahrhunderts einen Wandel der Sprachwahlkriterien gegeben. Dennoch scheinen die drei von Czapla ausgewählten Kriterien in der Tat die entscheidenden zu sein, wenngleich das Argument, die lateinische Sprache sei gewählt worden, da Vorbilder in der Volkssprache gefehlt hätten, trivial ist. Dieser Denkart folgend hätte es niemals eine volkssprachliche Literatur geben können. Neben dem ins Auge gefassten Adressatenkreis und der bewusst intendierten größeren Wirkung einer volkssprachlichen Über-

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Vgl. Leonard Forster, Dichten in fremden Sprachen – Vielsprachigkeit in der Literatur, München 1974 (Übersetzung der englischen Erstausgabe: The Poet´s Tongues – Multilingualism in Literature, Cambridge 1970), hier: S. 30. Vgl. auch das III. Kapitel „Language and Nationality“ in: Henry J. Chaytor, From Script to Print, Cambridge 1945. Vgl. Forster, Dichten in fremden Sprachen, S. 30f. Czapla, Latein oder Volgare, S. 26. Vgl. Forster, Dichten in fremden Sprachen, S. 14-18, 21; Beate Czapla, Latein oder Volgare – Zu den Kriterien der Sprachenwahl bilingualer Dichterphilologen des Quattro- und beginnenden Cinquecento am Beispiel von Jacopo Sannazaros Flüchtigem Amor, in: Marc Föcking / Gernot Michael Müller (Hgg.): Abgrenzung und Synthese. Lateinische Dichtung und volkssprachliche Traditionen in Renaissance und Barock, Heidelberg 2007, S. 21-43, hier: S. 28f.; Bodo Guthmüller, Antico-moderno, latino-volgare. Zum literarischen Traditionsbewußtsein im Cinquecento, in: Ludger Grenzmann / Klaus Grubmüller / Fidel Rädle / Martin Staehelin (Hgg.): Die Präsenz der Antike im Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1999 bis 2002, Göttingen 2004 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge, Band 263), S. 231-246, bes. S. 242f., 245; Barbara Marx, Zwischen Generationskonflikt und Paradigma. Latein und Volgare im Hause Bembo, in: Guthmüller (Hrsg.), Latein und Nationalsprachen in der Renaissance, S. 31-61.

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Bedingungen für eine literarische Karriere

setzung entschieden vor allem die Inhalte darüber, ob eine Schrift in die Volkssprache übertragen wurde. Margaret Mann Phillips hat herausgearbeitet, dass die erasmischen ‚Colloquia‘ beispielsweise aus dem Grunde in die englische Sprache übertragen worden seien, um sie zur Ausbildung und Erziehung der politischen wie religiösen Führung verwenden zu können.448 Daneben sind vor allem solche Texte des Erasmus in die europäischen Vulgärsprachen übersetzt worden, die die klassische Literatur beinhalten oder eine Lehrfunktion haben wie verschiedene Teile der ‚Adagia‘.449 Hier trifft nun das Argument überhaupt nicht mehr zu, lediglich kirchenreformerisches Gedankengut, das bei Erasmus unzweifelhaft vorhanden gewesen ist, sei übersetzt worden.450 Vielmehr zeugt dies davon, dass einige Humanisten – gleich ob im Auftrage des Adels (wie im Falle der frühhumanistischen Übersetzer) oder aus eigener Initiative heraus – beabsichtigten, auch den ‚gemeinen Mann‘ mit antikem Gedankengut zu beschenken.451 Daher scheint es sinnvoll, die drei herausgearbeiteten Kriterien der Sprachwahl – Funktion des Textes, Adressatenkreis und Gattungszugehörigkeit – um einen Aspekt zu erweitern: nämlich den Inhalt bzw. das Gedankengut eines Textes, auch wenn eine gewisse Schnittmenge mit der Funktion und dem Adressatenkreis vorliegt. Unabhängig von der Gattung wurden Texte in die Volkssprachen übersetzt, um beispielsweise humanistisches Gedankengut zu vermitteln. Wurde im Falle der reformatorischen Schriften Huttens beabsichtigt, die Bevölkerung über die Missstände der römischen Kirche aufzuklären und zum Handeln zu bewegen, so wurde bei Übersetzungen humanistischer Schriften der Bildungscharakter hervorgehoben. Auch diejenigen, die nicht der lateinischen oder griechischen Sprache mächtig waren, sollten mit dem antiken Gedankengut vertraut gemacht werden. Dies erfolgte oftmals nicht aus Eigennutz – weil man z.B. dazu beauftragt worden war –, sondern aus Idealismus oder der

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Vgl. Mann Phillips, Erasmus and Propaganda, S. 4. Vgl. z.B. Christoph Galle, Katalog englischsprachiger Übersetzungen erasmischer Texte im 16. Jahrhundert, in: Galle / Sarx (Hgg.), Erasmus-Rezeption im 16. Jahrhundert, S. 189-196. Dies ist jedoch insbesondere für die deutschsprachigen Übersetzungen erasmischer Texte in den Jahren 1520 bis 1530 zutreffend. Vgl. dazu Galle, Erasmus-Rezeption im Reich und in England, S. 27-34. Rückschlüsse auf die von Erasmus von Rotterdam erreichte Öffentlichkeit gibt die Auswertung, die über die Verteilung der Druckformate aller im 16. Jahrhundert in deutscher und englischer Sprache erschienen Übersetzungen erasmischer Texte informiert. Vgl. S. 212-219 dieser Arbeit.

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Überzeugung heraus, jeder solle zumindest ein Stück weit mit antikem Wissen bedacht werden. Insofern ist die Frage nach dem Inhalt, dem Bildungswert einer Schrift auch entscheidend dafür, ob sie in die Volkssprache zu übertragen wert war oder nicht – und nicht etwa die Gattung, denn am Beispiel des Erasmus wird deutlich, dass Texte sämtlicher Literaturgattungen in Vulgärsprachen übersetzt worden sind. Im 16. Jahrhundert, so Mann Phillips, seien dies neben den erwähnten Werken insbesondere Demuts- bzw. Glaubensschriften gewesen, aber auch das ‚Enchiridion militis christiani‘ oder die ‚Apophthegmata‘.452 Allerdings lasse sich Ende des 16. Jahrhunderts ein mangelndes Interesse an Erasmus feststellen, so Mann Philipps: Es hätten sich keine neuen Übersetzungen erasmischer Werke in die englische und französische Sprache zwischen 1576 und 1622 gefunden,453 was die Autorin damit begründet, dass die bereits vorhandenen Übersetzungen ausgereicht hätten.454 Doch sind anhand der volkssprachlichen Versionen erasmischer Texte Beobachtungen zu machen, die auch bei Hutten bereits ins Auge fielen: Wählt man die Gruppe der Texte aus, die sich zum Bibelstudium oder zur Exegese eignen, so fällt hier eine deutliche Zweiteilung auf: Es wurde unterschieden, ob eine Schrift für gebildete Personen bestimmt war oder für das gemeine Volk. Margaret Mann Phillips hat überzeugend bewiesen, dass das erasmische Neue Testament, die Kirchenväterschriften und die Paraphrasen zu einzelnen Bibelbüchern für ein Fachpublikum bestimmt waren.455 Um dem ‚gemeinen Mann‘ hingegen seine religiösen, theologischen Anschauungen zu vermitteln, verfasste Erasmus kürzere Abhandlungen wie z.B. das ‚Enchiridion militis christiani‘. Daran wird zweierlei deutlich: 1. Bereits der lateinisch schreibende Autor hat Unterschiede zwischen verschiedenen Adressatengruppen gemacht

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Vgl. Mann Phillips, Erasmus and Propaganda, S. 2, 4. Ebd. wird ein Ausblick der weiteren Übersetzungsentwicklung erasmischer Werke geboten: Im 17. Jahrhundert seien vor allem die Lehrliteratur und die ‚Colloquia‘ in die Volkssprachen übertragen worden, ebenso wie solche Texte, aus denen man Beispiele bzw. Argumente für die politischen und religiösen Auseinandersetzungen des Jahrhunderts gewinnen konnte. Im 18. Jahrhundert seien v.a. das ‚Encomion Moriae‘ und erneut die ‚Colloquia‘ mit Übersetzungen bedacht worden. Das frühe 19. Jahrhundert habe Erasmus als Pazifisten angesehen und daher jene Werke übersetzt, die dieses Bild projizierten. Mann Phillips (ebd., S. 3) geht näher auf Übersetzungen erasmischer Texte in die englische und französische Sprache ein. Dies ist nicht ganz zutreffend, wie ich in dem Katalog englischsprachiger Übersetzungen erasmischer Texte im 16. Jahrhundert (bes. S. 190f., 193f.) bewiesen habe. Mann Phillips, Erasmus and Propaganda, S. 5. Ebd., S. 1.

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und nicht erst die Übersetzer der Texte (– wenn Erasmus für den ‚gemeinen‘ Mann Schriften in Latein verfasste, baute er entweder darauf, dass sie in den Volkssprachen rezipiert wurden, oder man fasste in diesem Fall den ‚gemeinen‘ Mann als Nichttheologen auf, der aber trotzdem das Lateinische beherrschte); 2. Es haben die theologischreligiösen Schriften des Erasmus besondere Übersetzungsrezeption erfahren, die er selbst bereits für theologische Laien vorgesehen hatte. Nicht anspruchsvolle Erörterungen wurden in erster Linie in Volkssprachen übersetzt – dies war nicht nötig, weil die theologischen Fachleute ohnehin des Lateinischen fähig waren –, sondern jene Schriften, die bereits im lateinischen ‚Original‘ leichter verständlich und für die theologischen Laien unter den Gebildeten gedacht waren. Am Beispiel des Erasmus wird somit deutlich, dass auch durch die volkssprachlichen Übersetzungen eine Erweiterung der Öffentlichkeit erreicht wurde. Hatte sich zunächst aufgrund der insbesondere humanistischen und in Latein formulierten Schriften des Erasmus die angesprochene Öffentlichkeit auf Humanisten und Sympathisanten der res publica literaria beschränkt,456 wurde er später durch Übersetzungen einem weitaus größeren Publikum bekannt.457 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Humanisten im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert volkssprachlicher Literatur wesentlich offener gegenüberstanden als sich vielleicht auf den ersten Blick vermuten ließe. Auch die Wyle und Steinhöwel nachfolgende Generation (Reuchlin u.a.) hat sich in deutscher und lateinischer bzw. griechischer Sprache einen Namen gemacht. Selbst wenn Leo Jud bedauerte, dass keine Sprache das Original – nämlich einen lateinischen Text – ebenbürtig und angemessen wiedergeben könne,458 so lässt sich daraus noch lange nicht auf starres Festhalten an den klassischen Sprachen von Seiten der Humanisten schließen.

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Wie August Buck (Einleitung. Erasmus und Europa, S. 7f.) gezeigt hat, wurde der Begriff der res publica literaria erstmals 1494 von Erasmus gebraucht. Damit sind all jene gemeint, die selbst wissenschaftliche Texte publizierten oder Anteil hatten am wissenschaftlichen Diskurs. Aufgrund der Internationalität ihrer Teilnehmer kommunizierte die res publica literaria insbesondere mittels Briefen. Zur Bedeutung und Wiederentdeckung des Briefs als Kommunikationsmedium sie wiederum verwiesen auf: Franz Josef Worstbrock (Hrsg.), Der Brief im Zeitalter der Renaissance. Vgl. Buck, Einleitung. Erasmus und Europa, S. 10f. Vgl. dazu Wilhelm Kühlmann, Nationalliteratur und Latinität: Zum Problem der Zweisprachigkeit in der frühneuzeitlichen Literaturbewegung Deutschlands, in:

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Für den Zeitraum sind verschiedene Typen von Autoren zu belegen, von denen drei die entscheidenden waren: 1. Der Typus, der sowohl Schriften in lateinischer Sprache veröffentlicht, als auch eigene oder fremde Werke in Volkssprache übertragen hat – gleich ob als Auftragsarbeit oder auf eigene Initiative hin; 2. Jener Typus Humanist, der ausschließlich in den klassischen Sprachen schrieb, dessen Schriften im Verlauf aber von anderen Personen in die Volkssprachen übertragen wurden; 3. Dieser Typus wird von den Personen repräsentiert, die zunächst in lateinischer, später auch oder ausschließlich in der Volkssprache publiziert haben. Diese Gruppe ist zeitlich gesehen in den Jahren kurz vor oder während der Reformation anzusiedeln.459 Die zu diesem Typus gehörenden Schriftsteller sind enorm von den Geschehnissen um Martin Luther und den daraus resultierenden Veränderungen in Kirche, Gesellschaft und Öffentlichkeit beeinflusst worden. Allerdings muss hier eine weitere Untergliederung erfolgen: Auf der einen Seite entschlossen sich manche Humanisten auch zur Benutzung der Volkssprache, weil sie christlich, theologisch oder reformatorisch geprägt waren (Hutten u.a.) und die Möglichkeiten der durch die Volkssprache erweiterten Öffentlichkeit erkannten;460 auf der anderen Seite gab es auch solche Humanisten, die sich aus den theologisch-kirchlichen Entwicklungen heraushielten, weiterhin nur den studia humanitatis verpflichtet blieben, aber trotzdem volkssprachliche Texte produzierten, weil sie im Zuge v.a. der kirchenkritischen, deutschsprachigen Schriften Luthers das Potential des ungleich größeren Publikums erkannt hatten.

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Garber (Hrsg.), Nation und Literatur im Europa der frühen Neuzeit, S.164-206, hier: S. 187, Anm. 47. Unter der Formulierung „Zeit während der Reformation“ möchte ich die Jahre von Luthers Kirchenbann, seiner Bibelübersetzung und der ersten innerkirchlichen Auseinandersetzungen – also insbesondere die Zeit von 1517 bis 1530 – verstanden wissen. Vgl. dazu auch: Bernd Moeller, Die deutschen Humanisten und die Anfänge der Reformation, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 70 (1959), S. 46-61, bes. S. 49-53; ders., Erwägungen zur Bedeutung Erfurts als Kommunikationszentrum der frühen Reformation, in: Weiss (Hrsg.), Erfurt – Geschichte und Gegenwart, S. 275-282, bes. S. 278-281.

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Bedingungen für eine literarische Karriere

4.) Bedeutung der Reformatoren für die Etablierung der Volkssprache: Antrieb oder Hindernis? Und last uns das gesagt seyn, Das wyr das Euangelion nicht wol werden erhallten on die sprachen. Die sprachen sind die scheyden, darynn die messer des geysts stickt.461

Mit diesen Worten richtete sich Martin Luther im Jahr 1524 ‚An die Burgermeyster und Radherrn allerley stedte ynn Deutschen landen‘462. Er setzte sich darin für den Verbleib der lateinischen und griechischen Sprachlehre in den Lehrplänen deutscher Schulen ein. Auch wenn Wilhelm Ribhegge richtig festgestellt hat, dass für Luther die Reform auf religiös-kirchlichem Gebiet untrennbar mit der des Schulwesens verbunden war,463 so stellt sich doch die Frage, wie im Detail die Reformation auf die deutsche und die lateinische Sprache in der Gesellschaft der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gewirkt hat. Wilhelm Kühlmann hat diesbezüglich herausgestellt, dass das Humanistenlatein im 16. Jahrhundert bereits von meist romanischen und deutschen Autoren als ‚tote Sprache‘ bezeichnet worden war.464 Dass diese Aussage einer genaueren Untersuchung bedurfte, räumte Kühlmann ein und kam zu einem sehr differenzierten Ergebnis: In Wirklichkeit sei die lateinische Sprache nicht ausgestorben, sondern habe ganz im Gegenteil aufgrund ihrer „Immunität gegen nationale Sonderentwicklungen und soziopragmatische Anpassungszwänge“465 weiteren Bestand gehabt. Das Urteil des Totgesagten wird noch weiter entkräftet, wenn man schaut, wer und in welchen Zusammenhängen den Tod des Lateinischen verkündete. So sprach beispielsweise 1515 Thomas Murner in der Vorrede zu seiner Aeneisübersetzung von latynschem todt und tütschem leben466. Allerdings ist diese Situationsbeschreibung

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Vgl. WA Schriften 15, S. 38. Ebd., S. 27-53. Vgl. Wilhelm Ribhegge, Latein und die nationalen Sprachen bei Erasmus von Rotterdam, Martin Luther und Thomas More, in: Guthmüller (Hrsg.), Latein und Nationalsprachen in der Renaissance, S. 151-180, hier: S. 170. Vgl. Kühlmann, Nationalliteratur und Latinität, S. 168. Ebd. Im Übrigen hat der Münchner Altphilologe Wilfried Stroh in seiner kleinen Literaturgeschichte des Lateinischen deutlich gemacht, dass die lateinische Sprache noch in unserer Gegenwart fortlebe, wenngleich sie mehrmals tot gewesen, aber auferstanden oder zumindest totgesagt worden sei. Vgl. dazu: Wilfried Stroh, Latein ist tot, es lebe Latein! Kleine Geschichte einer großen Sprache, Berlin 2007. Vgl. Günter Hess, Deutsch-lateinische Narrenzunft, Studien zum Verhältnis von Volkssprache und Latinität in der satirischen Literatur des 16. Jahrhunderts, München 1981 (Münchener Texte und Untersuchungen zur Deutschen Literatur des Mittelalters 41), hier: S. 128.

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nicht anders zu bewerten als eine Werbung für seine Übersetzung. Schließlich wäre es angesichts der erschienenen Drucke in deutscher und lateinischer Sprache völlig verfehlt, im Jahre 1515 eine solche Aussage zu treffen. Dass wenige Jahre später jedoch bereits eine veränderte Situation vorlag, manifestiert sich in der Frage, durch welche Schrift Luther überregionale Bekanntheit erlangt habe. Die Öffentlichkeit, die vor 1517 von ihm Kenntnis hatte, dürfte sich nämlich auf Wittenberg, die Universität und das Kloster beschränkt haben. Der Hauptgrund ist darin zu sehen, dass Luther sämtliche Schriften – wie auch die 95 Thesen – in lateinischer Sprache verfasst hat. Daher ist Moeller ganz recht in der Annahme gegangen, es für unwahrscheinlich zu halten, „[d]aß diese Texte nennenswert über den Kreis der ‚Gelehrten‘ hinausgelangt seien“467 und stattdessen aller Wahrscheinlichkeit nach der (deutschsprachige!) ‚Sermon von Ablaß und Gnade‘ für das plötzliche Berühmtwerden Luthers verantwortlich gewesen sei.468 Man kann nicht zuletzt die wohl 26 Auflagen dieser Schrift, die bis 1520 erschienen sind, als treffenden Beleg anführen. Dass in der Folge auch andere Texte Luthers stark nachgefragt, rezipiert und übersetzt wurden, ist unzweifelhaft und leicht nachvollziehbar. Luther bemerkte relativ schnell, welche Kraft der Volkssprache innewohnte.469 Das wird daran deutlich, dass er nicht nur zwischen Gelehrten und Laien differenzierte, sondern auch mit Blick auf seine Schriften entschied, ob diese für ein gebildetes Publikum passend seien oder vielleicht eher für ein laienhaftes. Unter Gelehrten verstand Luther Akademiker, allen voran Theologen und humanistisch gebildete Personen.470 Die Gruppe der Laien stellte für ihn demnach einen Gegensatz zum

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Ebd. Moeller, Berühmtwerden Luthers, S. 69, Anm. 18. Die Auswertung der Schriften, die Luther im Jahr 1520 veröffentlichte, belegt diese These: Von den insgesamt 27 verschiedenen Texten, die Luther publizierte, „überwogen eindeutig, nach Zahl und Umfang, die deutschen Schriften die lateinischen, und es begann im großen Stil der Austausch der Sprachen – vor allem Spalatin betätigte sich […] als Übersetzer ins Deutsche.“ (Vgl. Moeller, Berühmtwerden Luthers, S. 86f.) Dass ihm viele seine Wahl der deutschen Sprache in zahlreichen Texten vorwarfen und auch scharf kritisierten, wird deutlich in seiner Vorrede zur ebenfalls 1520 erschienen Schrift ‚Von den guten werckenn‘ (WA Schriften 6, S. 202-276). Luther schrieb dort: Wiewol aber ich yhr vil weysz und teglich hore, die mein armut gering achten und sprechen, ich mach nur kleyn sexternlin und deutsche prediget fur die ungeleretenn leyenn, lasz ich mich nit bewegen. Ebd., S. 203. Wie dort Anm. 1 erklärt, handelt es sich bei „sexternlin“ um Bücher von nur einem Bogen. Dies geht aus unterschiedlichen Briefen und Vorworten hervor. Vgl. dazu: WA Briefwechsel I, S. 628, 30-34; II, S. 6, 12f.; S. 449, 21-27.

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Klerus dar und setzte sich folglich aus allen nichtstudierten Personen zusammen.471 Eine ähnliche Unterscheidung machte Luther in Bezug auf die Sprachwahl, so dass Moeller in den Jahren 1518 / 1519 eine „Scheidung der Sprachbereiche“472 sah. Genau wie bei zahlreichen Humanisten entschied fortan in den Schriften Luthers der Adressat indirekt darüber, welcher Sprache sich der Autor bediente. Dass Luther sogar gelegentlich im Titel darauf verwiesen hat, für welches intellektuelle Niveau, für welchen Bildungsgrad er die jeweilige Schrift verstanden wissen wollte, hat Moeller treffend zum Ausdruck gebracht: „[J]edoch trennte er in der Weise, die sich bereits 1517 zwischen den ‚Sieben Bußpsalmen‘ und den Disputationsthesen abgezeichnet hatte, zwischen Schriften ‚für die Laien‘ und solchen ‚für die Gelehrten‘; 1519 ließ er diese Bestimmung sogar zweimal auf Titelblätter setzen: Bei dem ‚Sermon vom hochwürdigen Sakrament des heiligen und wahren Leichnams Christi und von den Bruderschaften‘ heißt es Fur die Leyen, bei der ‚Auslegung deutsch des Vaterunsers‘, April 1519, noch unmißverständlicher fuer dye einfeltigen leyen… Nicht fur die gelerten. In demselben Maße, so scheint es, in dem Luther im Gebrauch des Deutschen sicherer wurde, wurde er auch sicherer im spezifischen Einsatz jeder der beiden Sprachen.“473

Diese Unterscheidung spiegelt sich sehr gut in den Schriften jener Jahre wider, so dass man verallgemeinernd sagen kann: Alles, was wissenschaftlichen Charakter hatte wie z.B. Bibelkommentare oder Streitschriften, formulierte Luther in lateinischer Sprache, seelsorgerliche und katechetische Texte hingegen in der Volkssprache.474 Auf die Bedeutung der Sprachwahl für die frühreformatorischen Auseinandersetzungen zwischen Luther und Eck, für Ereignisse wie die Heidelberger oder Leipziger Disputation u. ä. hat Moeller eindrücklich hingewiesen, wenn er feststellte: „Für ein ausschließlich deutschsprachiges Lesepublikum haben all diese Geschehnisse und Kontroversen gewisser-

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Vgl. dazu: Steer, Zum Begriff „Laie“ in deutscher Dichtung und Prosa des Mittelalters, S. 764-768. Vgl. Moeller, Berühmtwerden Luthers, S. 72. Vgl. Moeller, Berühmtwerden Luthers, S. 72. Dies hat wiederum Moeller (ebd., S. 72f.) resümiert. Die bewusste Unterscheidung zwischen einem lateinischen Text und seiner deutschsprachigen Übersetzungen kommt auch in einem Brief Luthers an Spalatin vom 6. Mai 1517 zum Ausdruck. Luther sandte ihm mit dem Brief einen Text in lateinischer Sprache, wie Spalatin es gewünscht hatte. Dennoch sei, so Luther, die volkssprachliche Version in weitaus schöner klingenden Worten gehalten als die lateinische. Vgl. WA Briefe 1, Nr. 39, S. 95-97, hier: S. 96, Z. 3-5: Mitto, sicut vis, optime Magister, opusculum de praedestinatione latinum. quod si et vulgare volueris, mittam, opera enim Scheurliniana vernaculum habetur multo phaleratius quam est latinum.

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maßen gar nicht stattgefunden[.]“475 Demnach blieben sämtliche Ereignisse, die aus heutiger Sicht für die Vita Luthers und den Verlauf der Reformation so vermeintlich entscheidend waren, ebenso wie das zuvor angeführte Beispiel der Thesenveröffentlichung für das Gros der Bevölkerung im Dunkeln. Dieses wurde erst involviert, als man ihm die Informationen in seiner Muttersprache präsentierte, was nicht nur auf textbasierter Grundlage, sondern geradezu multimedial erfolgte. Wenngleich hier nicht auf alle Kommunikationsebenen eingegangen werden kann, derer sich die reformatorische Bewegung zur Informationsvermittlung bedient hat, so mag dies exemplarisch die Bedeutung des Liedes verdeutlichen:476 Durch Dichtung und Gesang volkssprachlicher Lieder wurden nicht nur das evangelischreformatorische Theologieverständnis, die Hauptinhalte der Bibel und des christlichen Glaubens vermittelt, sondern auch in entscheidendem Maße die dialektalen Sprachunterschiede in Deutschland zurückgedrängt.477 Nicht ohne Grund hat das „nach dem 46. Psalm der Bibel von Luther gedichtete Lied ‚Ein feste Burg ist unser Gott …‘ […] Friedrich Engels als die ‚Marseillaise des 16. Jahrhunderts‘ bezeichnet.“478 Die Informationsvermittlung auf zahlreichen medialen Ebenen hat ihrerseits wiederum zu einer verstärkten Nachfrage nach Druckerzeugnissen geführt.479 Die zunehmende, von Luther erreichte Öffentlichkeit entwi-

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Vgl. Moeller, Berühmtwerden Luthers, S. 71. Vgl. Jörg Jochen Berns, Maximilian und Luther. Ihre Rolle im Entstehungsprozeß einer deutschen National-Literatur, in: Garber (Hrsg.), Nation und Literatur im Europa der frühen Neuzeit, S. 640-668, hier: S. 652: „Mit dem zunächst liturgisch legitimierten Typus des Lutherschen Kirchenliedes entstand im 16. Jahrhundert ein musikalischliterarischer Poesietyp, der in den folgenden Jahrhunderten sich als einer der fruchtbarsten der volkssprachlichen Lyrik überhaupt erwies: im 16. und 17. Jahrhundert allein entstanden, wie man berechnet hat, etwa 10 000 Kirchenlieder.“ Zum Lied als Form der oral communication vgl. Briggs / Burke, A Social History of the Media, S. 24. Patrice Veit, Das Kirchenlied in der Reformation Martin Luthers, eine thematische und semantische Untersuchung, Wiesbaden / Stuttgart 1986, hier S. 5: „Die Tatsache, daß Luther und die meisten der anderen Reformatoren dem liturgischen Gesang völlig neue Kraft und Dimension gaben – so daß man hier wirklich vom Erwachen des Kirchenliedes mit der Reformation sprechen kann – beweist, daß ihnen bewußt war, wie groß die Wirkungs- und Überzeugungskraft eines gesungenen Textes ist und wie wichtig die Rolle des gemeinsamen Gesanges zur Konstituierung einer Gemeinde ist“. So Martin Lehnert, Shakespeares und Luthers Verdienste um die Herausbildung der englischen und deutschen Nationalsprache, in: Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik, Bd. 31.4 (1983), S. 293-304, hier: S. 299. Festzuhalten bleibt aber, dass ab 1520 Schriften reformatorischen Gedankenguts den Büchermarkt überschwemmten, was auch an zahlreichen, unauthorisierten Nachdrucken deutlich wird. So haben Briggs / Burke (A Social History of the Media, S. 64) hervorgehoben, dass im Jahr 1523 über 80 % der veröffentlichten, volks-

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ckelte zum Leidwesen der Kritiker jedoch einen solchen Einfluss innerhalb der reformatorischen Bewegung, dass Werner Lenk die Ansicht geäußert hat, hier „erstmalig von der Existenz einer öffentlichen Meinung sprechen“480 zu können. Ob diese Sichtweise korrekt ist, muss eingehenderen Studien vorbehalten bleiben. Mit der Haltung von Jürgen Habermas481 ist sie jedenfalls nicht vereinbar.482

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sprachlichen Bücher in Deutschland von kirchenreformerischem Inhalt waren. Dieser beispielhafte Wert belegt die den Reformatoren um Luther charakteristische Kenntnis, wie welche Medien zu nutzen waren. Darin sehe ich im Übrigen den großen Unterschied zu vorigen Kirchenreformern wie z.B. Johannes Hus, die wesentlich einfacher zum Schweigen gebracht werden konnten. Vgl. Werner Lenk, Die nationale Komponente in der deutschen Literaturentwicklung der frühen Neuzeit, in: Garber (Hrsg.), Nation und Literatur im Europa der frühen Neuzeit, S. 669-687, hier: S. 674. Auch Briggs / Burke (A Social History of the Media, S. 63) haben die Ansicht vertreten, dass zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch keine öffentliche Meinung bestanden habe. Die u.a. hier auf Luther zurückzuführende Erweiterung der Öffentlichkeit war gleichzeitig Grund für eine zunehmende Einbeziehung von Medien als auch deren Folge. Vgl. auch folgende Studien: Kaspar Elm, Antiklerikalismus im deutschen Mittelalter, in: Peter A. Dykema / Heiko A. Oberman (Hgg.): Anticlericalism in late medieval and early modern Europe, Leiden / New York / Köln 1993 (Studies in medieval and Reformation Thought 51), S. 3-18; Bob Scribner, Anticlericalism and the Cities, in: Dykema / Oberman (Hgg.), Anticlericalism in late medieval and early modern Europe, S. 147166; Karlheinz Blaschke, Erscheinungen des Antiklerikalismus in Sachsen vor und während der Reformation, in: Dykema / Oberman (Hgg.), Anticlericalism in late medieval and early modern Europe, S. 229-236; Susan C. Karant-Nunn, Clerical Anticlericalism in the Early German Reformation: An Oxymoron?, in: Dykema / Oberman (Hgg.), Anticlericalism in late medieval and early modern Europe, S. 521534. Habermas’ Ansatz, eine freie gesellschaftliche Öffentlichkeit sei erst durch bürgerliche Revolutionen um 1800 entstanden, wird bis in die Gegenwart diskutiert und kritisiert (so z.B. Stefan Ehrenpreis / Ute Lotz-Heumann, Reformation und konfessionelles Zeitalter, Darmstadt 2002, S. 117f.). Habermas begründete seine These damit, dass Grundbedingungen jeder Öffentlichkeit eine möglichst barrierefreie Kommunikation sowie ein uneingeschränkter Zugang zu Informationen seien. Diese Bedingungen seien, so Habermas, allerdings erst mit einem Post- und Pressewesen erfüllt worden, die allen Bevölkerungsteilen gleichermaßen zugänglich sind – nämlich gegen Ende des 17. Jahrhunderts (Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 28). Natürlich ist hier mit dem Begriff der Öffentlichkeit an einen, alle Bevölkerungsgruppen umfassenden Adressatenkreis gedacht. Habermas macht dies am Beispiel von Bekanntmachungen der Obrigkeit an die Untertanen – also die gesamte Bevölkerung – deutlich: man erreiche in diesem Kommunikationsvorgang „nicht den ‚gemeinen Mann‘, sondern allenfalls die ‚gebildeten Stände‘, die sich nach seiner Meinung zusammensetzen aus der „neue[n] Schicht der ‚Bürgerlichen‘ [und den] ‚Gelehrten‘, deren Stufenleiter sich über Schulmeister und Schreiber zum ‚Volk‘ hin verlängert“ (ebd., S. 35). Hier kommt zum Ausdruck, dass Informationen unterschiedlich

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Fest steht, dass Reformatoren insgesamt einen nicht zu überschätzenden Beitrag für die deutsche Volkssprache geleistet haben. Nicht nur die zahlreichen deutschsprachigen Schriften Luthers, die er in den folgenden Jahren publizierte, nicht nur die enorm verstärkte Übersetzungstätigkeit von Theologen und Humanisten – man denke an Spalatin –, nicht nur die Teilhabe einer wesentlich größeren Öffentlichkeit am theologisch-kirchlichen Diskurs waren für die rasche Entwicklung einer einheitlichen deutschen Volkssprache verantwortlich, sondern – um es auf eine knappe Formel zu bringen – Buch und Lied. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Übersetzungen erasmischer Texte gerade im Jahr 1519 ihren Anfang nahmen und Reformatoren wie Leo Jud und Georg Spalatin dabei Schlüsselfiguren waren.483 Doch ist nicht nur ein Einsatz für die deutsche Sprache auf Seiten der Reformatoren nachweisbar – wenn auch in geringerem Maße ist von ihnen zudem eine Förderung der klassischen Sprachen ausgegangen. Immer wieder sind Quellenzeugnisse zu finden, die nicht nur das Lateinische und Griechische, sondern auch das Hebräische in ihrer Bedeutung für das Bibelstudium hervorheben. Luther sah den Hauptgrund für die verkommene Situation der Kirche in ihrer Vernachlässigung der Sprach- und Schriftstudien.484 Ohne Kenntnisse in den drei alten Sprachen sei keine fundierte theologi-

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schnell zu einzelnen Bevölkerungsteilen gelangen. In diesem Punkte ist Habermas Recht zu geben, da ja leicht einzusehen ist, dass die Kommunikationswege von der Elite – egal ob von herrschaftlicher oder Bildungselite die Rede ist – zu eben dieser Elite näherstehenden Bevölkerungsgruppen wesentlich kürzer gewesen sind als zum ‚gemeinen Mann‘. Als weitere Bedingung für seinen Öffentlichkeitsbegriff hat Habermas die Mündigkeit des Bürgers angeführt. Offenkundig lehnt sich diese Definition stark an Immanuel Kant an: „Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursachen derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegen[.]“ (Vgl. Immanuel Kants Werke, 11 Bde., hrsg. von Ernst Cassirer, Berlin 1912-21,hier: Bd. VI, S. 467f.). Eine notwendige Verbindung zu sehen zwischen der Kommunikation innerhalb der Bevölkerung und der ihr gewährten Möglichkeit zur Meinungsbildung, ist sicherlich richtig. Dass sich allerdings ein solches Moment in der Öffentlichkeit erst um 1800 etabliert habe, ist nicht nachvollziehbar. Auch Briggs / Burke (A Social History of the Media, S. 68) haben Habermas in dem Punkt, dass die Reformation zu einer Erweiterung der Öffentlichkeit beigetragen hat, zu Recht kritisiert. Dies kommt etwa darin zum Ausdruck, dass Flugschriftenautoren Strategien zur bestmöglichen Informationsvermittlung erarbeitet haben oder der Verkauf ihrer Schriften ständig verbessert wurde. Vgl. Galle, Katalog deutschsprachiger Übersetzungen, S. 177f., 182, 186-188. Vgl.: WA Schriften 15, S. 39: Wes ist nun die schuld, das unser Glaube so zu schanden wird? nemlich das wyr der sprachen nicht wissen, und da ist keyn hülffe denn die sprachen wissen.

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sche Auseinandersetzung mit den christlichen Quellen möglich, betonte Melanchthon in seiner Antrittsvorlesung gegenüber der versammelten Professoren- und Studentenschaft.485 Allerdings diente den Reformatoren die Rückbesinnung auf die alten Sprachen nicht humanistischen, sondern religiösen Zielen. In der Weimarer Ausgabe heißt es bezugnehmend auf Melanchthons Forderung treffend: „Man spürt hinter diesen Worten die humanistische Schule, aus der Melanchthon kam, deutlich. Auch Luther mag in seinem Bestreben, die Kenntnis der alten Sprachen zu fördern, als ein Humanist erscheinen; und zweifellos ist Luther ohne den Humanismus nicht zu denken. Aber die Triebkraft zu seinen Reformbestrebungen im Bildungswesen ist nicht der historisch-kritische Wissensdrang des Humanismus; das ‚ad fontes‘ der Reformatoren galt allein dem ‚Christum sapere‘.“486

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Vgl.: Philipp Melanchthon: Declamatio De corrigendis adolescentiae studiis, in: Philippi Melanthonis Opera quae supersunt omnia XI, hrsg. von Karl Gottlieb Bretschneider, Halle 1843, Nr. 2, Sp. 15-25, hier: 23: Itaque cum Theologia partim Hebraica, partim Graeca sit, nam Latini rivos illorum bibimus, linguae externae discendae sunt, ne veluti κωφὰ πρόσωπα, cum Theologis agamus. Vgl. WA Bibel 9.I: Deutsche Bibel: Theologisch-exegetische Einleitung, hrsg. von Gustav Bebermeyer und Arnold Schleiff, Weimar 1939, S. XXIX.

145 E. BEZIEHUNGEN „Wenn sich jemand aus eigener Macht und Gewalt, aus reiner Überzeugung so ausspricht und es darauf hin wagt, ob er sich bedeutende, einflußreiche Männer, mit allem Anhang und in so vielen Beziehungen zum Feinde mache, der ist wohl werth, daß man ihn beschütze und sorge, daß ein, auf unserer Seite freywillig Entsprungener auch sich dergestalt entwickeln könne, daß er in der Folge, kräftig und unabhängig, zum wahrhaften Besten unseres Zustandes, wenn er anders noch zu retten ist, mit auftreten dürfe[.]“487

Die Aspekte, die in diesem Ausschnitt aus einem Brief Goethes angesprochen werden und bezogen sind auf einen Theaterschauspieler und seinen Ruf, sind in ähnlicher Form auch auf die Karriere von Künstlern, Literaten und Wissenschaftlern im frühen 16. Jahrhundert übertragbar. Sowohl für die eigene Entwicklung hin zu einer bekannten Größe als auch zur Festigung des Renommes waren Kontakte zu bedeutenden und einflußreichen Männern erforderlich – sei es im Sinne des Mäzenatentums oder im Sinne von Schutzherren, in deren Obhut man sich im Falle von Kritiken und Anfeindungen flüchten konnte. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die Bedeutung Friedrichs des Weisen für Luther. Daneben tritt aber aus obigem Zitat auch der Aspekt des Gemeinschaftsgedankens und der Abhebung von anderen hervor: Wer es „zum wahrhaften Besten unseres Zustandes“ bringen wollte, bedurfte auch eines Netzwerkes unter Gleichgesinnten. Der Zusammenhalt der humanistischen Verflechtung trat in besonderem Maße im Zusammenhang mit dem Pfefferkorn-Streit488 zu Tage, als die angesehensten Humanisten Texte verfassten, mit denen sie nach außen den Beistand gegenüber ihrem Kameraden Reuchlin zum Ausdruck brachten. Gerade mit Blick auf die Entwicklung eines Literaten ist daher zu fragen, welche Rolle Mäzene und Gönner einnahmen,489 inwiefern die

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Vgl. Goethes Werke, IV. Abtheilung: Goethes Briefe: 33. Band: 25 April-31. October 1820, hrsg. von Bernhard Suphan und Max Morris, Weimar 1905, S. 210. Vgl. Wilhelm Kühlmann (Hrsg.), Reuchlins Freunde und Gegner. Kommunikative Konstellationen eines frühneuzeitlichen Medienereignisses, Ostfildern 2010 (Pforzheimer Reuchlinschriften 12). Dass bereits Patronage von Schülern durch ihre Lehrer notwendig war, hat Gabriele Jancke eindrücklich verdeutlicht. Vgl. dazu: Gabriele Jancke, Autobiographie als soziale Praxis. Beziehungskonzepte in Selbstzeugnissen des 15. und 16. Jahrhun-

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Verflechtung unter Gleichgesinnten notwendig war und ob (negative) Kritiken ausschließlich negative Folgen für eine Karriere haben mussten.

1.) Mäzene und Gönner Materielle Unterstützung von Literaten und Künstlern war keine Erfindung der Frühen Neuzeit, sondern nach Marc Blochs Ansicht Phänomen jedes Zeitalters.490 Bereits in der Antike liegen zahlreiche Fälle vor, von denen wohl die Beziehung zwischen Horaz und seinem Gönner Maecenas, dem Namenspatron aller Mäzene, die bekannteste sein dürfte. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, in der Patronage lediglich finanzielle Zuwendungen zu sehen. Einfluss und Ansehen des Patrons hielten bis zu einem gewissen Grad die Kritik an den künstlerischen Ergüssen seines Klienten in Schranken und konnten zudem dessen weitere Entwicklung immens fördern. Dennoch bestand die entscheidende Unterstützung wohl in der Zahlung von Unterhalt, wodurch der Künstler oder der Gelehrte nicht mehr von seiner Profession leben musste, sondern für sie leben konnte. Dies galt in besonderer Weise für einen Literaten, da er als Verfasser an den Buchverkäufen in der Regel nicht beteiligt wurde. Doch lassen sich hier nicht leicht typische Erscheinungsformen herausstellen, da Peter Moraw nicht zu Unrecht „in der historischen Wirklichkeit des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Deutschland [von] einer unübersehbar großen Zahl verschiedenartiger Fälle von Patronat und Klientel“491 gesprochen hat. In den Beziehungen zwischen Patron und Klient bestand aber niemals einseitiger Nutzen, die Unterstützung wurde also nicht altruistisch

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derts im deutschsprachigen Raum, Köln / Weimar / Wien 2002 (Selbstzeugnisse der Neuzeit 10), hier: S. 75-165. Vgl. Marc Bloch, Die Feudalgesellschaft, aus dem Franz. von Eberhard Bohm [u.a.], Suttgart 1999, hier: S. 204: „Zu allen Zeiten bestand der Wunsch, sich einen Beschützer zu suchen, am Beschützen Gefallen zu finden.“ Was Bloch hier in Bezug zu Vasallität und Lehen setzt, kann unverändert auch auf das Verhältnis zwischen Gönnern und Kunstschaffenden übertragen werden. Zur Bedeutung der Patronage in der Renaissance vgl. Arthur F. Marotti, Patronage, Poetry, and Print, in: Yearbook of English Studies 21 (1991), S. 1-26, bes. S. 1. Vgl. Peter Moraw, Über Patrone und Klienten im Heiligen Römischen Reich des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit, hrsg. von Antoni Mączak unter Mitarbeit von Elisabeth MüllerLuckner, München 1988 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 9), S. 1-18, hier: S. 6.

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dem Wahren, Schönen, Guten zur Verfügung gestellt.492 Vielmehr ist hier eine Form wechselseitiger Unterstützung zu beobachten, die treffend mit dem römischen Gedanken des ‚do ut des‘ charakterisiert werden kann. Die Gegenleistung von Seiten des Geförderten konnte sich etwa im Falle eines Literaten in der Panegyrik, im Lob auf den Gönner, manifestieren, was zur Mehrung seines Ansehens und Ruhms beitrug und konsequenterweise zugleich Baustein als auch Folge der von Max Weber formulierten Trias von Wohlstand, Status und Macht war.493 Es verwundert daher nicht, dass gerade jene Herrscher die meisten öffentlichen Huldigungen erfahren haben, die für ihre Kultur- und Wissenschaftsförderung besonders bekannt waren wie z.B. Kaiser Maximilian I. oder Kurfürst Friedrich der Weise.494 Sinn machte die Beziehung zwischen beiden Partnern erst, wenn sie öffentlich sichtbar wurde. Ganz recht weist Hans-Heinrich Nolte daher auf Clapham hin, der „Klientelismus als eine der Methoden, mit denen private Interessen im öffentlichen Bereich durchgesetzt [werden,]“495 bezeichnete. Diese öffentliche Zurschaustellung des gegenseitigen Abhängkeitsverhältnisses konnte auf literarischem Gebiet in sämtlichen Textgattungen erreicht werden, so dass nicht allein an eigenständige Oden auf den Patron, sondern gerade nach Ausbreitung des Buchdrucks vor allem auch an Widmungsvorreden zu denken ist.496 Manfred Krebs hat dies am Beispiel des Erasmus verdeutlicht:

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Allgemein zur Beziehung zwischen Patron und Literat vgl. Albert Schirrmeister, Triumph des Dichters. Gekrönte Intellektuelle im 16. Jahrhundert, Köln / Weimar / Wien 2003 (Frühneuzeitstudien 4), bes. S. 38-48. Vgl. dazu: Victor Morgan, Some Types of Patronage, Mainly in Sixteenth- and Seventeenth-Century England, in: Mączak (Hrsg.) unter Mitarbeit von MüllerLuckner, Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit, S. 91-115, hier: S. 92. Daneben: Jerzy Topolski, Patronage und Klientel. Methodologische Erwägungen, in: Hans-Heinrich Nolte (Hrsg.): Patronage und Klientel: Ergebnisse einer polnischdeutschen Konferenz, Köln / Wien 1989 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 29), S. 18-25, S. 22: „Die Klienten können sich aus verschiedenen Gründen mit den Patronen verbinden. Wie aus dem empirischen Material hervorgeht, sind das meistens ökonomische Motive. Der Patron dagegen, obwohl ökonomische Interessen auch hier in Frage kommen, sucht in dem Klientelsystem vor allem politische Gewinne, die er ohne Klienten nicht erreichen könnte.“ Vgl. dazu: Karl Schottenloher, Die Widmungsvorrede im Buch des 16. Jahrhunderts, München 1953 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 76 / 77), hier: S. 177; Schirrmeister, Triumph des Dichters, S. 39f. Vgl. Hans-Heinrich Nolte, Patronage und Klientel: Das Konzept in der Forschung, in: Ders. (Hrsg.), Patronage und Klientel: Ergebnisse einer polnisch-deutschen Konferenz, S. 1-17, hier: S. 6. Dazu bes. Schottenloher, Die Widmungsvorrede im Buch des 16. Jahrhunderts.

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Bedingungen für eine literarische Karriere

„Erasmus, der ruhelos umherwandernde Weltbürger, fühlte sich überall da heimisch, wo er Handschriften, Druckereien und Gleichgesinnte vorfand, die er seinen Zwecken dienstbar machen konnte, von dem Ertrag seiner Feder zu leben, das heißt, […] im wesentlichen von den Gunstbezeugungen der Großen und Mächtigen, denen er seine zahlreichen Schriften mit immer neuen Ergüssen einer an Schmeichelei unerschöpflichen Beredsamkeit widmete.“497

Unter diesen Umständen ist die Aussage Krebs´, Erasmus habe um seiner selbst willen geschrieben,498 höchstens für spätere Lebensabschnitte denkbar, nicht aber vor 1515 realistisch.499 Ein Leben, wie Erasmus es führte, war nur möglich, wenn man den finanziellen Rückhalt qua Geburt oder durch Mäzene gesichert hatte.500 Anderenfalls war es unausweichlich, sich um Einkünfte zu bemühen, indem etwa eine Stelle als Hauslehrer, im akademischen oder administrativen Bereich angenommen wurde.501 Zwangsläufig raubten derartige Tätigkeiten, die nur zur Unterhaltung der Studien- und Literaturtätigkeit bekleidet wurden, die wertvolle Zeit, die für ‚Höheres‘ sinnvoller eingesetzt werden konnte. In den meisten Fällen fungierten Klienten ihrerseits auch wieder als Patrone derjenigen, die ihnen nacheiferten. So ist etwa am Beispiel des Erasmus ersichtlich, dass er als Klient von Fürsten und hohen Klerikern gleichzeitig auch die Patronatsrolle für zahlreiche andere Humanisten wahrnahm, die ihm nacheiferten. „Nur Personen am oberen oder unteren Rand der Gesellschaft vermochten entweder nur Patron oder nur Klient zu sein.“502 Von beiden Personen, die Teil dieser Beziehung wa-

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Vgl. Krebs, Reuchlins Beziehungen zu Erasmus von Rotterdam, S. 139. Ebd., S. 151. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Förderer des Erasmus in ihrer Bedeutung für seine Entwicklung noch eingehend vorgestellt. Einen ersten Überblick bietet: Heinz Martius, Erasmus von Rotterdam und seine Freunde, in: Gymnasium. Zeitschrift für Kultur der Antike und humanistische Bildung 77 (1970), S. 521-531. Entwicklung und Ausbildung des Erasmus waren von vielfältigen Unterstützungen und verschiedenen Gönnern geprägt. Vgl. dazu: Augustijn, Erasmus von Rotterdam, S. 23-41; Eckert, Erasmus von Rotterdam, Bd. 1, S. 7-20; Halkin, Erasmus von Rotterdam, S. 9-59. Mit Blick auf Erasmus konstatierte Martius (ebd., S. 523) diesbezüglich: „Freilich wäre es unmöglich gewesen, ohne Mäzene, Helfer und Freunde, allein ‚von der Wissenschaft‘ zu leben.“ So Moraw (Über Patrone und Klienten, S. 9), der seine Beobachtung exemplarisch an Johann von Neumarkt verdeutlicht hat.

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ren, konnte das wechselseitige Verhältnis aufgelöst werden.503 An beide wurde aber auch die Erwartung gerichtet,504 entsprechende Leistungen zu erbringen, wenngleich immer ein hierarchisches Verhältnis zwischen ungleichen Partnern bestand. Die Abkehr von manchen Gönnern bei gleichzeitigem Zugewinn prestigeträchtigerer Mäzene spiegelt nicht zuletzt die wachsende Bedeutung eines Literaten wider. Im Falle des Erasmus kann man hinsichtlich der Widmungsvorreden, die er seinen Schriften voranstellte, bereits seine wachsende Bekanntheit nachverfolgen: Hier ist eine Klimax zu beobachten, die ihn bis in das Klientelverhältnis von Kardinälen und Königen führte.505 Dabei ging die Kontaktaufnahme nicht zwangsläufig vom Literaten aus, sondern wurde bei dessen wachsender Bekanntheit immer häufiger vom potentiellen Gönner geleistet. So führte Irmgard Bezzel das Beispiel des Augsburger Kaufmanns Johannes Baumgartner an, der mit Blick auf Erasmus gegenüber Ulrich Zasius gestand, „als Gegengabe für die ersten Geschenke und als Vorleistung für künftige – die (gedruckte) Widmung einer Erasmusschrift“506 für sich zu erhoffen. Daneben sind auch immer wieder Widmungen festzustellen, die sich an die Leserschaft richten und dadurch deutlich machen, dass für einen Literaten und seinen Drucker bereits im frühen 16. Jahrhundert die Leser eine Art kollektives Patronat für manche Texte übernahmen, weil ihr Urteil über Erfolg und weitere Entwicklung eines Autors in nicht geringem Maße entschied.507

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Vgl. dazu: Antoni Mączak, Patronage im Herzen des frühneuzeitlichen Europa, in: Ders. (Hrsg.) unter Mitarbeit von Müller-Luckner, Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit, S. 83-89, hier: S. 85, der aufgezeigt hat, „daß die Patron-KlientBeziehung […] unter bestimmten Bedingungen relativ flexibel war“, und betonte: „[E]in Klient war sich bewußt, daß er mehreren Patronen ‚fidèle‘ sein konnte, ebenso war ihm klar, daß er seine Loyalitäten wechseln konnte.“ Die von Eisenstein herausgearbeiteten und von Nolte wieder aufgegriffenen Eigenschaften von Patron-Klient-Beziehungen scheinen indes in Teilen zu starr zu sein. Die Kennzeichen von Dauer und Verpflichtung sind relativ und variieren stark. Vgl. dazu: Nolte, Patronage und Klientel, S. 1f. Vgl. Topolski, Patronage und Klientel, S. 21. Neben der gedruckten Widmungsvorrede sind auch Fälle bezeugt, in denen sich Erasmus handschriftlich an einen Patronen wandte – wie z.B. in einer Ausgabe der Paraphrase zum Markusevangelium, gedruckt 1523 in Basel und Franz I. von Frankreich zugeeignet. Vgl. dazu: Irmgard Bezzel, Sechs neu entdeckte Widmungsexemplare des Erasmus von Rotterdam und ihre Empfänger, in: Gutenberg-Jahrbuch 55 (1980), S. 89-96, hier: S. 89. Bezzel, Sechs neu entdeckte Widmungsexemplare, S. 94. Vgl. Marotti, Patronage, Poetry, and Print, S. 2.

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Bedingungen für eine literarische Karriere

In der Regel kann behauptet werden, dass soziale wie regionale Herkunft maßgeblich darüber entschieden – und zum Karrierestart noch mehr als die persönliche Eignung – wie leicht ein Förderer gewonnen werden konnte. Philipp Melanchthon etwa hatte zur Finanzierung seiner akademischen Ausbildung keinen zusätzlichen Gönner nötig, da die Kosten von der Familie übernommen wurden. Die immaterielle Unterstützung, die ihm z.B. im Zuge seiner Bewerbung auf den Gräzistiklehrstuhl in Wittenberg zukam, wurde von seinem Großonkel Reuchlin sowie zahlreichen renommierten Humanisten geleistet, in deren Kreis ihn ebenfalls Reuchlin eingeführt hatte. Im Vergleich konnte Erasmus keine ungünstigere Ausgangssituation haben als diejenige, die ihm durch die uneheliche Kindschaft eines Klerikers sowie das frühzeitige Ableben beider Elternteile bereitet war. In seinem Fall konnte zunächst nur auf die Unterstützung des Klosters gehofft werden, so dass er Eignung und Talent mit ungleich größerer Anstrengung unter Beweis zu stellen hatte.

2.) Humanistische Netzwerkbildung Die federführende Rolle, die Humanisten etwa bei der Verbreitung des Buchdrucks in allen Regionen Europas einnahmen, war nur aufgrund der Grenzen und Entfernungen überwindenden Verbindungen möglich. Diese Form der Vernetzung umfasste nicht allein die größten und renomiertesten Vertreter, sondern in zahlreichen Städten, vorzugsweise in der Nähe zu Höfen oder Universitäten, fand man sich auch zu Humanistenzirkeln, sog. Sodalitäten, zusammen. „Die einzelnen Sodalitäten können als lokal orientiertes Pendant der überregional organisierten Briefwechsel verstanden werden.“508 Ähnlich wie im Falle der Gönner, die oftmals eine Schutzfunktion für ihre Literaten wahrnahmen, konnten auch die humanistischen Netzwerke dazu genutzt werden, gegen Kritiker vorzugehen.509 Derartigen Einsatz wie für Reuch-

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Schirrmeister, Triumph des Dichters, S. 170. Allgemein zu Netzwerkbildungen (nicht nur) im 16. Jahrhundert sowie zu Netzwerktheorien vgl. folgende Studien: Wolfgang Reinhard, Oligarchische Verflechtung und Konfession in oberdeutschen Städten, in: Mączak (Hrsg.) unter Mitarbeit von Müller-Luckner, Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit, S. 47-62; Günther Schulz (Hrsg.): Sozialer Aufstieg. Funktionseliten im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, München 2002 (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit 25); Dorothea Jansen, Einführung in die Netzwerkanalyse. Grundlagen, Methoden, Forschungsbeispiele, 2. erw. Ausg., Opladen 2003; Harro Dietrich Kähler, Das Konzept

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lin gegen Pfefferkorn zeigten zahlreiche Humanisten auch mehrmals für Erasmus: So verteidigten z.B. 1520 die Erfurter Humanisten auf eigene Bitte des Erasmus hin diesen gegen die lautstarken Kritiken des Engländers Edward Lee. Dieser hatte in scharfem Ton das erasmische Neue Testament attackiert, wurde aber von den Erfurtern noch aggressiver in Form von Epigrammen geschmäht.510 Die Verbindungen der Humanisten konnten auch in vielen Situationen der Karriereförderung nutzbar gemacht werden, wenn es etwa darum ging, einen Humanistenfreund für eine Anstellung, einem potentiellen Gönner oder einer Größe im Humanismus zu empfehlen.511 So waren es die englischen Humanisten um Thomas Morus, die Erasmus, der zuvor in Paris noch einer unter vielen gewesen war, in die höchsten Kreise des Landes einführten und Kontakte zu Mäzenen herstellten.512 Schon zu diesem Zeitpunkt, zahlreicher aber noch einige Jahre später, als Erasmus über eine größere Bekanntheit verfügte, lassen sich Fälle nachweisen, in denen sich Humanisten ihm empfehlen ließen.513 So wandte sich Willibald Pirckheimer Ende 1514 auf dem Briefwege an seinen Bekannten Beatus Rhenanus. Da er von dessen Kontakt zu Erasmus wußte, bat er Rhenanus, ihn mit dem Verfasser der ‚Adagia‘ bekannt zu machen und gestand: qua re nil mihi gratias facere poteris.514

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des sozialen Netzwerkes. Eine Einführung in die Literatur, in: Zeitschrift für Soziologie 4.3 (1975), S. 283-290; Franz Urban Pappi (Hrsg.): Methoden der Netzwerkanalyse, München 1987 (Techniken der empirischen Sozialforschung 1); Roger Sanjek, Art. Network Analysis, in: Encyclopedia of Social and Cultural Anthropology, ed. Alan Barnard / Jonathan Spencer, London / New York 1996, S. 396f. Vgl. Huber-Rebenich, Erfurter Humanisten und ihre Vorbilder, S. 102f., 110. Vgl. dazu: Noel MacDonald Wilby, Erasmus at Cambridge, in: New Blackfriars 103 (1928) S. 617-626, hier: S. 618-622. Vgl. Heinz Holeczek, Erasmus von Rotterdam (1466/67-1536). Humanistische Profile – Erasmus im Profil, in: Schmidt (Hrsg.), Humanismus im deutschen Südwesten, S. 125-149, hier: S. 131f; Martius, Erasmus von Rotterdam und seine Freunde, S. 524-527; Shaw, A Study of Collaboration Between Erasmus of Rotterdam and His Printer Johann, bes. S. 33. Den Engländern hatte Erasmus u.a. auch den Erhalt des päpstlichen Dispenses 1517 zu verdanken. Vgl. dazu: Holeczek, Erasmus von Rotterdam (1466/67-1536), S. 136. Heesakkers, Erasmus Epistolographus, S. 38: „Dès 1511 pourtant, le nombre des lettres reçues par Erasme approchent du nombre des lettres qu’il écrit, jusqu’à le surpasser en 15151516. On pourrait penser que désormais, ce n’est plus Erasme qui cherche de nouveaux correspondants, mais de nombreux correspondants qui cherchent à entrer en contact avec lui.“ Vgl. Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Band II, in Verbindung mit Arnold Reimann ges., hrsg. und erl. von Emil Reicke, München 1956, hier: Nr. 342, S. 490, Z. 5

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Bedingungen für eine literarische Karriere

Für das Jahr 1515 liegt indes mit einem Brief Jakob Wimpfelings an Erasmus der seltene Fall vor, dass sich gleich eine gesamte sodalitas empfahl und durch ihren führenden Kopf Grüße übermitteln ließ.515 Dies ist umso bemerkenswerter und aussagekräftiger, wenn man sich vor Augen hält, dass diesem Kreis mehrere prominente Mitglieder – unter ihnen auch Sebastian Brant, Matthias Schürer und Hieronymus Gebwiler – angehörten.516 Neben dem Bedauern darüber, dass Erasmus Straßburg verlassen habe,517 verlieh Wimpfeling auch seiner Überzeugung Ausdruck, der Basler Kreis werde ihm sicher den Aufenthalt bestmöglich gestalten. Dies legt die Vermutung doch sehr nahe, dass sich die sodalitates untereinander kannten, impliziert dies doch eine indirekte Empfehlung gegenüber den Basler Humanisten. Auch wenn beide Rheinstädte nicht weit voneinander entfernt liegen, kann die Beziehung beider Humanistenkreise zueinander doch exemplarisch für die Vernetzung sämtlicher sodalitates auch über größere Distanzen hinweg angesehen werden. Der durch Briefwechsel aufrecht erhaltene Kontakt diente zudem in besonderer Weise auch dem wissenschaftlichen Diskurs.518 Neben der Erörterung gegenwärtiger Fragestellungen wurden vor allem auch sprachliche und inhaltliche Probleme thematisiert, die sich bei der Lektüre von Texten antiker, mittelalterlicher und Renaissance-humanistischer Autoren sowie der Herstellung eigener Schriften ergaben. Nicht selten wurden ge-

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- S. 491, Z. 7: Audio siquidem Erasmum Roterodamum, non absque honoris praefatione nominandum, Basileae nunc agere, quem unum ex omnibus incognitis notissimum mihi amicitia copulari summopere cuperem. Quamvis enim gratiam imperialem meruerim, variorum principum favorem acquisiverim, hominum clarorum ac doctorum familiaritatem consecutus sim, reliqua denique amicorum turba belle mihi pollere videar, amicitiam tamen viri tam eruditi ac clari, non in ultimis bonis collocarem, sed et rebus preciosissimis longe anteponerem. Tu itaque enitere, oro, ut amicitiam tanti viri acquirere valeam, qua re nil mihi gratius facere poteris. Der Brief ist datiert auf den 9. Dezember 1514. Aber auch der vorige Fall liegt für das Jahr 1515 nochmal vor: Johann Sapidus übermittelte hier in einem Brief an Erasmus vom 15. September 1515 eine Empfehlung Oekolampads. Vgl. dazu: Allen II, Nr. 354, S. 143. Vgl. Jakob Wimpfeling. Briefwechsel I.2, eingeleitet, kommentiert und hrsg. von Otto Herding und Dieter Mertens, München 1990 (Jacobi Wimpfelingi Opera Selecta III/1: Epistolae), hier: Nr. 312, S. 766, v.a. auch Anm. 2; sowie: Allen II, Nr. 302. Der Brief wurde am 1. September 1514 in Straßburg versandt. Dass Erasmus auch nach seiner Abreise sowohl weiterhin Gesprächsthema in Straßburg war als auch der Kontakt zu ihm aufrecht erhalten bleiben sollte, verdeutlicht der vorige, edierte Brief in der Wimpfelingkorrespondenz. Vgl.: Herding / Mertens, Jakob Wimpfeling. Briefwechsel I.2, Nr. 311, S. 762-766: Wimpfeling an Gebwiler aus Straßburg, vermutl. Ende August / Anf. September 1514. Dazu allgemein: Heesakkers, Erasmus Epistolographus, S. 29-60.

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meinsam mit den Briefen auch neu erschienene Druckerzeugnisse versandt. Ein Zeugnis, das all diese Aspekte in sich vereinigt, findet sich in der Korrespondenz des Erasmus: Am 6. Dezember 1517 berichtete er Beatus Rhenanus von der Übermittlung seiner Paraphrase nach Basel; dabei handele es sich um ein Buch, das sicherlich leicht verkäuflich sei und an dessen Erstellung der Bologneser Gräzist Paulus Bombasius maßgeblichen Anteil habe.519 – Das humanistische Netzwerk diente daher, dieser Quelle nach zu urteilen, besonders auch der Unterstützung bei der wissenschaftlichen Beschäftigung520 und der Information über neue Schrifterzeugnisse.521 Ungeachtet der aufgezeigten und der übrigen Vorzüge, die sich aus der humanistischen Verflechtung ergaben, sollten doch stets die studia humaniora gefördert werden, die Gegenstand der meisten Kontaktaufnahmen und zugleich verbindendes Element aller Humanisten waren.

3.) Kritiker In einem Brief an Thomas Morus gegen Jahresmitte 1517 klagt Erasmus über die Verleumdungen eines Pariser Magisters, der aus dem Karmeliter- in den Benediktinerorden gewechselt war: Mihi non in aula solum fortiter oblatravit, verum nulla est compotatio in qua ille non declamat in Erasmum, Moriae peculiariter infensus, homo nimirum pius, haud ferens Christoporum ac Georgium attactos.522

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Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 70, S. 99f. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit musste nicht nur Auswirkungen auf Schrifterzeugnisse haben, sondern konnte auch das Denken beeinflussen: So waren es etwa vor allem die englischen Humanisten, die insbesondere das theologische Denken des Erasmus prägten. Vgl. dazu: Martius, Erasmus von Rotterdam und seine Freunde, S. 525f. Bekanntlich hat auch Erasmus auf andere Zeitgenossen stark gewirkt. Huber-Rebenich hat dies am Beispiel der ‚Adagia‘ deutlich gemacht (Erfurter Humanisten und ihre Vorbilder, S. 104f.). Zum wissenschaftlichen Diskurs vgl. auch Heesakkers, Erasmus Epistolographus, S. 34f. Das humanistische Netzwerk ermöglichte sowohl zügigen Informationsaustausch als auch die rasche Übermittlung von Druckerzeugnissen. So schrieb etwa am 16. Mai 1515 Mutian an Urban und bat ihn um Sendung weiterer Exemplare der ‚Parabolae‘ des Erasmus. Vgl. dazu: Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, ges. und bearb. von Carl Krause, Kassel 1885 (Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. Neue Folge, IX. Supplement), hier: Nr. 478, S. 543: Recipe quaeso plura exemplaria parabolarum, ut ea Publius noster isthic inveniat dato pretio. Vgl. Allen III, Nr. 597, S. 3-6, hier: S. 4, Z. 7-10. Erasmus versandte den Brief vermutlich um 10. Juli 1517 aus Löwen.

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Bedingungen für eine literarische Karriere

An späterer Stelle schreibt er: Ceterum Praedicatores et Carmelite quidam incipiunt et populum ad lapides vocare, et nusquam pestis illa magis valet quam apud nostrates: et tamen nemo verbum in os nec apud aulicos nec apud vulgus.523

Wenngleich sich nicht ermessen lässt, wie breit die Kritik an Erasmus tatsächlich war, so fanden sich, allein nach diesem Brief zu urteilen, Vertreter in den Reihen der Karmeliter, der Benediktiner und der Dominikaner. Wie aus dem Brief hervorgeht, reagierte Erasmus natürlich zugleich verstimmt und entrüstet.524 Auch wenn für ihn die Kritik des Magisters am ‚Lob der Torheit‘ zu erwarten gewesen war, konnte er deren Schärfe nicht nachvollziehen. Dass sein ‚Novum Instrumentum‘, in das er seine gesamte philologische Kompetenz eingebracht hatte, auch in Misskredit gezogen wurde, entbehrte für Erasmus jeglicher Logik. Es fällt nicht schwer, seine Verstimmung nachzuempfinden, wenn die Reaktion auf seine mit größter Anstrengung vollendete Arbeit derartige Kritik war, die nicht konstruktiven, sondern zumeist destruktiven Charakters war und zum Ziel hatte, den Urheber zu brandmarken. Für den Aspekt des Berühmtwerdens müssen solche Phasen allerdings nicht abträglich sein, sind sie doch Gradmesser der Bekanntheit. Öffentliche Kritik, je schärfer sie formuliert wird, zeugt davon, dass nicht nur die Texte rezipiert wurden, sondern vom Verfasser eben aufgrund seiner Bekanntheit und seines Ansehens aus Opponentensicht durchaus auch Bedrohung ausgeht. Diese Beobachtung wird umso stichhaltiger, je bekannter der Kritisierende selbst ist. Ein überregional renommierter Theologe etwa zöge wohl kaum mit Feder und Kiel gegen einen Autor zu Felde, dessen Texte nicht eine gewisse Verbreitung und relative Rezeption erfahren. – Diese für eine Karriere positive Deutung negativer Kritik greift freilich nur auf der Ebene, auf der der Kritisierte auch in der Lage ist, die Kritik zu ertragen, d.h. dass er über ein gewisses Maß an Renomme, über eine deutliche Zahl an Verbündeten – die auch in der Lage sind, öffentlich für ihn einzustehen – sowie über eine Schar von Anhängern verfügt. Mit anderen Worten: Zu Beginn seiner Laufbahn hätten derartige, breite

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Ebd., S. 6, Z. 56-59. Ähnlich fühlte sich Erasmus, als im Zuge der Verbrennung lutherischer Schriften auch eine Hetzkampagne gegen Erasmus gestartet wurde, der 1519 eine theologische Prüfung erasmischer Schriften an der Universität Löwen vorangegangen war. Vgl. dazu: Holeczek, Erasmus von Rotterdam (1466/67-1536), S. 135.

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öffentliche Kritiken Erasmus deutlich größeren Schaden zufügen und seine weitere Entwicklung bremsen oder gar stoppen können. Zu diesem Zeitpunkt jedoch konnte auch negative Kritik dazu beitragen, nicht nur die weitere Entwicklung des Erasmus zu fördern, sondern ihn auch in Kreisen bekannt zu machen, die vielleicht zuvor am lateinischen Diskurs nicht teilnehmen konnten. (Es stellt sich daher nebenbei die Frage, ob die öffentliche Kritik, die laut obigem Zitat vor dem ‚populus‘ geäußert wurde, die gewünschte Wirkung oder nicht eher das Gegenteil erzielte.) Daneben hatte diese Kritik aber auch zur Folge, dass der Kontakt zu Verbündeten jeglicher Art gestärkt wurde, indem andere Humanisten, Gönner und Bewunderer ihre Unterstützung zusicherten. Insofern ist desavouierende Kritik nicht zwangsläufig bedrohlich oder rufschädigend, ist sie doch auch Kennzeichen für versteckte Bewunderung, maskierten Neid und Bekanntheit größeren Ausmaßes.

III. Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam A. DIE GRUNDLEGUNG Für ein Berühmtwerden sind nicht nur Ämter, Funktionen, Netzwerke und Förderer wesentlich. Vor 500 Jahren waren dafür noch in weitaus größerem Maße als heute Standeszugehörigkeit, Sozialisation, schulische (und akademische) Ausbildung von Bedeutung – werden durch sie doch die Grundlagen gelegt, auf denen aufbauend die Bewerbung um Ämter, die Eignung für gewisse Funktionen und der Kontakt zu wichtigen Persönlichkeiten erst möglich oder zumindest entscheidend beeinflusst wird. Es ist daher im doppelten Sinne grundlegend, die Ausgangssituation des Erasmus von Rotterdam in den Blick zu nehmen, um darüber Urteile fällen zu können, welche Möglichkeiten qua Geburt und Ausbildung offenstanden, aber auch welche Hindernisse es zu bewältigen galt. Daher ist im ersten Schritt nach dem familiären Hintergrund des Erasmus zu fragen und zu entscheiden, ob dieser für seine Entwicklung eher hilfreich oder von Nachteil war. Der Stand insbesondere des Vaters wie auch dessen Beruf und Ansehen verdienen in diesem Zusammenhang vor allem Beachtung, da sie in Verbindung mit den finanziellen Ressourcen maßgeblich die Möglichkeiten der Ausbildung des Sohnes bestimmten. Daneben spielt der soziale Aspekt auch in einem weiteren Punkt eine Rolle, da die Verbindungen und Vernetzungen der Eltern – sei es durch die Größe der Verwandtschaft, den Umfang des Bekanntenkreises oder durch die beruflichen Beziehungen des Vaters – unter Umständen sehr gut nutzbar gemacht werden konnten für Entwicklung und Zukunftsaussichten des Zöglings. Des Weiteren sind für das 15. und 16. Jahrhundert die Lage des Geburtsortes sowie die Region, in denen Kindheit und Jugend verbracht wurden, nicht uninteressant: Im urbanen Bereich etwa war es viel leichter möglich, eine Schule zu besuchen und Lesen und Schreiben zu erlernen – um an dieser Stelle nur einen exemplarischen Unterschied zur Sozialisation in einer ländlichen Gegend aufzuzeigen.

Die Grundlegung

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Nicht unabhängig von all diesen Kriterien, aber doch auf ihre Weise als entscheidend anzusehen sind die Begabungen und Talente, die Erasmus in die Wiege gelegt wurden. Nur aufgrund persönlicher Eignung, Beharrlichkeit, Ausdauer und Strebsamkeit konnten Schul- und Universitätsbesuch Früchte tragen. Für all diese Aspekte ist die Heranziehung von vier unterschiedlichen Quellen unverzichtbar, da Erasmus sich selbst so gut wie nie über Kindheit und Jugend geäußert hat: 1. Die erste Biographie, die Beatus Rhenanus verfasst hat und die Percy Stafford Allen seiner Edition der erasmischen Korrespondenz vorangestellt hat, ist in Briefform an Hermann von Wied adressiert und datiert auf den 15. August 1536.525 2. Wenige Jahre nach dem Tod des Erasmus hat Rhenanus eine weitere Biographie des Humanistenfürsten verfasst, die wesentlich umfangreicher als seine erste und für die Frage nach der Ausgangssituation informativer ist. Auch sie hat mit Kaiser Karl V. einen direkten Adressaten und ist datiert auf den 1. Juni 1540.526 3. Erasmus hat in einem Brief vom 30. Januar 1523 an Johann von Botzheim gleichsam einen autobiographischen Bericht gegeben, sich darin aber kaum zu Kindheit und Jugend geäußert.527 4. Zuletzt gibt auch ein Text unter dem Titel ‚Compendium vitae Erasmi‘ Auskunft über Leben und Entwicklung des Erasmus. Die Verfasserfrage dieses im Jahr 1524 formulierten Berichts ist allerdings nicht zweifelfrei zu beantworten. Unter Umständen kann es sich auch hier um eine Autobiographie handeln.528 Trotz dieser vier erhaltenen Quellen lässt sich mit Schenk resümieren: „Für die Herkunft und die Jugendzeit ist das Quellenmaterial allerdings äußerst dürftig.“529

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Vgl. Allen I, Nr. III, S. 52-56 (datiert auf 15. August 1536; Rhenanus an Hermann von Wied). Vgl. Allen I, Nr. IV, S. 56-71 (datiert auf 1. Juni 1540; Rhenanus an Karl V.). Vgl. dazu auch: Eckert, Erasmus von Rotterdam, Bd. 1, S. 25-48. Vgl. Allen I, Nr. I, S. 1-46 (datiert auf 30. Januar 1523; Erasmus an Johann Botzheim). Vgl. Allen I, Nr. II, S. 46-52. Als Entstehungsdatum wird ca. 2. April 1524 angegeben (ebd., S. 46). Vgl. Schenk, Desiderius Erasmus von Rotterdam (28.10.1466/69 Rotterdam 11./12.7.1536 Basel), S. 392. Zu den Kapiteln III.a1.f. vgl. auch die folgenden Ab-

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

1.) Familiäres Umfeld / Sozialisation Wenn man Erasmus von Rotterdam als den wichtigsten Humanisten des Cinquecento ansieht und sich vergegenwärtigt, an welchen Höfen er in Europa ein- und ausging oder in wie vielen Städten er einem Triumphzug gleich einzog, sollte davon ausgegangen werden, dass seine Biographie voll erschlossen ist. Bereits in Bezug auf sein Geburtsdatum erweist sich dies allerdings als Irrtum: „Zwar steht der 28. Oktober als Geburtstag fest, doch bleibt das Jahr unsicher.“530 Wenn beispielsweise der Herausgeber seines Briefwechsels, Percy S. Allen, 1466 als Geburtsjahr nennt, R. L. DeMolen – wie auch Erasmus selbst (!) – aber 1469531, so erstrecken sich die möglichen Geburtsjahre über einen Zeitraum von immerhin drei Jahren. Die Forschungsdiskussion hat sich mittlerweile auf die Jahre 1466 und 1467 beschränkt und konzentriert sich vor allem auf die Frage, ob mit der von Erasmus 1491 getätigten Aussage: Iam quartum et vigesimum annum agimus532 gemeint ist, er sei 24 Jahre alt oder er sei in seinem 24. Jahr. Vredeveld hat mit Blick auf die Briefe des Erasmus zwischen 1516 und 1530 einige Äußerungen ausgemacht, die nach seiner Ansicht mehr auf 1466 als Geburtsjahr hindeuten, niemals aber auf 1469.533 Allerdings scheinen diese Äußerungen nicht weniger doppeldeutig zu sein. An Urbanus Regius schrieb Erasmus am 24. Februar 1516: Annum ago non plus undequinquagesimum534. Auch hier kann gemeint sein, er sei in seinem 49. Lebensjahr oder er sei 49 Jahre alt. Erasmus äußert sich in seinen Briefen zu seinem Alter meist derart doppeldeutig.535 Formulierungen wie

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schnitte in: Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 14-36; Augustijn, Erasmus von Rotterdam, S. 13-30; Eckert, Erasmus von Rotterdam, Bd. 1, S. 7f.; Halkin, Erasmus von Rotterdam, S. 9-29; Holeczek, Erasmus von Rotterdam (1466/67-1536), S. 126131. Vgl. Schenk, a.a.O., S. 392. Vgl. Harry Vredeveld, The Ages of Erasmus and the Year of His Birth, in: Renaissance Quarterly 46.4 (1993), S. 754-809, hier: S. 756. Ebd., S. 760, 763. Ebd., S. 774-778. Allen II, Nr. 392, S. 204f., hier: S. 205, Z. 23 (datiert auf 24. Februar 1516; adressiert an Urbanus Regius). Vgl. z.B.: Allen II, Nr. 531, S. 459-474, hier: S. 469, Z. 375 (datiert auf 15. Februar 1517; adressiert an Guillaume Budé): Iam annum ago primum et quinquagesimum. Ebd., Nr. 541, S. 487-492, hier: S. 487, Z. 2f. (datiert auf 26. Februar 1517; adressiert an Wolfgang Capito): annum ingressus primum et quinquagesimum. Allen III, Nr. 868, S. 402-404, hier: S. 404, Z. 89f. (datiert auf 15. Oktober 1518; adressiert an Ambrosius Leo): Ipse nunc annum quinquagesimum secundum aut ad summum tertium ago.

Die Grundlegung

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Nunc ago annum quinquagesimumtertium536 (1519) lassen jedoch das Geburtsjahr 1466 für wahrscheinlicher halten. Eindeutiger als zu seinem Geburtsjahr hat er sich zu seinem weiteren Leben v. a. in dem erwähnten Brief an Johann von Botzheim vom 30. Januar 1523 geäußert. Ebenso gibt das ‚Compendium vitae Erasmi‘ Auskunft über Kindheit und Jugend. Daher kann als gesichert gelten, dass Erasmus wie auch sein Bruder Pieter aus einem langjährigen, unehelichen Verhältnis zwischen einer Arzttochter aus Gouda und einem Priester, namens Rotger Gerard, hervorgegangen sind.537 Er hat Zeit seines Lebens unter dieser Herkunft gelitten, weil er nicht einer Adelsfamilie oder angesehenen Bürgerfamilie entstammte. Im ‚Compendium vitae‘ heißt es sogar, sein Vater sei von niederstem Stand.538 Dieses Faktum muss stets bedacht werden, wenn über die Entwicklung und Ausbildung des Erasmus gesprochen wird. Philipp Melanchthon hatte beispielsweise in seinem Großonkel, dem bedeutenden Gräzisten und Hebraisten Johannes Reuchlin, einen wichtigen Förderer und entstammte selbst einer gutbürgerlichen Familie. Ebenso war Martin Luther, einer der wichtigsten Zeitgenossen des Erasmus, Sohn einer angesehenen Familie. Die Ausgangsvoraussetzungen waren für Erasmus daher denkbar schlecht: Weder konnte er sich auf seine Familie berufen noch erfuhr er von seinem Erzeuger Unterstützung. Ebenso war er weder von privilegierter Herkunft noch verfügte er über einflussreiche Verwandte oder Bekannte, die ihm (sämtliche) Möglichkeiten hätten bieten können.539 Aus seinem Taufnamen und Geburtsort setzt sich der Name Erasmus Roterodamus zusammen; den Beinamen Desiderius fügte er erst später selbst hinzu.540

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Vgl. Allen III, Nr. 940, S. 532f., hier: S. 533, Z. 9f. (datiert auf 17. April 1519; adressiert an Jacob van Horn). Vgl. Allen I, Nr. II, S. 47, Z. 2-21. Ebd., Z. 10: Gerardus erat natu minimus […]. Darauf hat auch István Bejczy verwiesen (Erasmus and the Middle Ages. The Historical Consciousness of a Christian Humanist, Leiden / Boston / Köln 2001 [Brill’s Studies in Intellectual History 106], hier: S. 112): „[T]hey had more opportunities to develop their talents than Erasmus, who in his youth had nobody to stimulate him.” Vgl. dazu Augustijn, Erasmus von Rotterdam, S. 23.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

2.) Ausbildung: Schule und Universitätsbesuch541 Auch wenn sich der Vater aufgrund seiner Profession nicht zu seinen Söhnen bekennen konnte, diesen augenscheinlich aber auch auf verdecktem Wege keine Förderungen zukommen ließ, war es Erasmus dennoch vergönnt, eine Elementarschule in Gouda seit Herbst 1473 zu besuchen.542 Zudem wurde er im Herbst 1475 Chorknabe in Utrecht und wechselte 1478 auf eine weiterführende Schule in Deventer, deren Schulleiter fünf Jahre später Alexander Hegius wurde. Die humanistisch-theologische Ausrichtung des neuen Schulleiters wird wohl auch auf die Ausbildung der Schüler ihre Auswirkungen gehabt haben. Nachdem im Sommer 1484 kurz hintereinander beide Elternteile gestorben waren, wurden die Söhne auf Geheiß ihrer Vormünder nach ’s-Hertogenbosch geschickt, aber drei Jahre darauf (circa November 1487) dem Augustinerkloster Steyn in der Nähe ihrer Heimatstadt Gouda übergeben. Ein Jahr später legte Erasmus dort die Profess ab. Wenn Schenk davon ausgeht, dass er in dieser Entscheidung der Vormünder eine Willkürmaßnahme gesehen habe,543 ist ihm wohl ebensowenig zuzustimmen wie jenem Teil der Forschung, der Einweisung und Aufenthalt im Kloster aus Sicht des Erasmus offenkundig zu negativ einschätzt. Erasmus ist schließlich sein Leben lang Kloster Steyn treu geblieben und hat seine dortigen Ordensbrüder besucht oder in zahlreichen Briefen den Kontakt zu halten gesucht. Dennoch macht es durchaus Sinn, danach zu fragen, welche Bedeutung der Klosteraufenthalt für Erasmus hatte. Zum Prior des Klosters, Servatius

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Da der Zeitraum von 1495 bis 1499 im Folgenden noch behandelt wird, soll an dieser Stelle nur auf den Studiengang als solchen sowie diejenigen Personen eingegangen werden, die für dessen Finanzierung aufgekommen sind. Sonstige Kontakte und Veröffentlichungen, die für diesen Zeitraum nachweisbar sind, werden im genannten Kapitel thematisiert. Dies spricht dafür, dass die Mutter kurz nach der Geburt mit Erasmus und seinem Bruder von Rotterdam nach Gouda umgezogen sein muss. Alternativ ist auch denkbar, dass die aus Gouda stammende Mutter lediglich während eines vergleichsweise kurzen Aufenthalts in Rotterdam dort Erasmus gebar. Schenk, Desiderius Erasmus von Rotterdam (28.10.1466/69 Rotterdam – 11./12.7.1536 Basel), S. 392: „Im Rückblick hat Erasmus in der Einweisung eine Willkürmaßnahme gesehen; wahrscheinlich zwangen die finanziellen Verhältnisse einfach zu dieser Lösung.“Ähnlich argumentiert auch Augustijn (Erasmus von Rotterdam, S. 24): „Ein klareres Bild von Erasmus beginnt sich in seiner Klosterzeit abzuzeichnen. Wurde er gegen seinen Willen dorthin verpflanzt? Er hat es später behauptet und die Schuld daran seinen Vormündern zugeschoben, die aus Geldgier gehandelt hätten.“ Diesen Thesen kann nicht ohne Weiteres zugestimmt werden, da der Klosteraufenthalt augenscheinlich zu negativ gedeutet und die Äußerung des Erasmus so nicht eindeutig ausgelegt werden kann.

Die Grundlegung

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Roger, hielt er lange Zeit regen Briefkontakt und ein Austritt aus dem Orden war für ihn zu keinem Zeitpunkt denkbar – auch wenn ihm später die Dispens sehr entgegenkam. – Die negativ gefärbte Sicht in der Forschung ist wohl dafür verantwortlich, dass die Bedeutung des Klosteraufenthalts für die Entwicklung des Erasmus oft unterbewertet wird. Schließlich war es das Kloster mit seiner gut ausgestatteten Bibliothek, das ihm den Zugang zu den antiken Texten ermöglicht hat.544 Hier im Kloster entfachte sich in Erasmus auch die Begeisterung für die Antike und die Kirchenväter, woraus Schenk ganz richtig die Konsequenz zieht: „Seine Studien verschaffen ihm erste Freundschaften, wovon die Briefe aus der Zeit beredtes Zeugnis ablegen; auch die ersten Schriften entstehen in dieser Zeit.“545 In diese frühe Schaffensphase fiel z. B. das ‚Buccolicum carmen‘546. Auch das Argument, Erasmus habe stets darauf hingearbeitet, sich vom Klosterleben zu lösen, ist in dieser Form nicht haltbar. Richard J. Schoeck weist darauf hin, dass Erasmus Anstoß daran nahm, dass Regeln des täglichen Lebens wie das Fasten oftmals für wichtiger angesehen wurden als die Schriftstudien.547 Fakt ist jedoch, dass Erasmus bis 1506 seinem Prior stets gehorsam war und diverse Möglichkeiten, den Orden zu verlassen – wenn er denn gewollt hätte –, nicht genutzt hat. Auch die These, er sei ein auffallend fehlerhafter Mönch gewesen, ist daher nicht nachvollziehbar.548 Wenngleich sich Erasmus in späteren Schriften wie dem ‚Moriae Encomium‘ gelegentlich äußerst kritisch über den Zustand des mön-

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Darauf hat auch Jean-Pierre Massaut verwiesen (Érasme, un rénovateur sans frontières, S. 11): „Il y rencontre aussi, au moins dans la bibliothèque du convent, le souffle de l’humanisme. Il se régale des Pères de l’Église, des grands classiques latins et même d’humanistes italiens: Filelfe, le Pogge et surtout Laurent Valla.“ Auch Jahre später profitiert Erasmus von dieser Bibliothek, wie Léon E. Halkin (Erasmus von Rotterdam, S. 25) deutlich gemacht hat: „Dort entdeckt er [1493 / 1494] in der Bibliothek eine Abhandlung des heiligen Augustinus über die christliche Lehre, De doctrina christiana. Erasmus studiert sie Tag und Nacht: Er wird sich darauf stützen, wenn er später die Litterae gegen die ‚Barbaren‘ verteidigt.“ Ebd. Vgl. Vredeveld, The Ages of Erasmus, S. 803. Vgl. Schoeck, The Vocation of Erasmus, S. 206. Erasmus äußerte Kritik am klösterlichen Mönchstum, wie Holeczek (Erasmus von Rotterdam, S. 129) festgestellt hat. Doch auch wenn er sich für die devotio moderna entschied und eine humanistische Lebensweise befürworteet, hat er sein Mönchsdasein nie in Frage gestellt. Schoeck, The Vocation of Erasmus, S. 206: „The second statement, that he was a failed monk, is only partly correct, technically true, but not the whole story.“ Unmittelbar darauf folgend vertritt auch er die These, die Vernachlässigung der Schriftstudien habe bei Erasmus keine Unterstützung gefunden.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

chischen Lebens äußerte, ist sein Klosteraufenthalt doch auch das Sprungbrett in andere Ämter und höhere Kreise gewesen: So wurde er dem Bischof von Cambrai, Heinrich von Bergen, bekannt gemacht,549 der ihn 1492 als Sekretär anstellte. Jozef Ijsewijn hebt eine zu diesem Zeitpunkt in Erasmus latent vorhandene, dem Humanismus dienliche Begabung hervor, wenn er darauf verweist, der Maastrichter Humanist Matthaeus Herbenus habe Kopien erasmischer Schriften in Umlauf gebracht; solche habe er eben auch an den Bischof von Cambrai und an Lambert d’Oupeye, den Kanzler des Fürstbischofs von Liège, gegeben.550 Schoeck weist aber auch berechtigterweise darauf hin, dass über die Tätigkeiten und Aufgaben des Erasmus als Privatsekretär zu wenig bekannt ist.551 Sicher jedoch ist, dass Heinrich von Bergen es war, der Erasmus das Theologiestudium in Paris ermöglichte. 1492 hatte der Rotterdamer mit 26 Jahren zwar bereits mehrere Schriften verfasst, aber noch keine veröffentlicht. Dennoch liegt es nahe zu vermuten, dass ihm aufgrund dieser Schriften oder zumindest seiner intellektuellen Fähigkeiten der Bischof von Cambrai eine Anstellung anbot552 – allerdings war Erasmus für eine solche Tätigkeit vergleichsweise alt. Seine Entwicklung verlief daher bis zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt langsam, setzte aber relativ spät – zu Beginn seiner dritten Dekade – ein, so dass er erst mit 28 Jahren das Studium antreten konnte.

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Allen I, Nr. II, S. 50, Z. 94f.: Tandem per occasionem innotuit episcopo Cameracensi, Henrico a Bergis. Dazu schreibt Rhenanus an Kaiser Karl V. (Allen I, S. 57, Z. 39ff.): Audita Erasmi fama Cameracensis antistes Henrichus, ex Bergensium regulorum, familia prognatus, iuvenem iam sacris initiatum ad se vocat [...]. Vgl. Joseph Ijsewijn, The Coming of Humanism to the Low Countries, in: Heiko A. Oberman / Thomas A. Brady (Hgg.): Itinerarium Italicum [FS P. O. Kristeller], Leiden 1975 (Studies in Medieval and Reformation Thought 14), S. 193-301, hier: S. 254f. Schoeck, The Vocation of Erasmus, S. 216: „For a year or two he was in the service of the Bishop of Cambrai, and I have suggested that he may have taught in the bishop’s household school [...] but again, we know all too little.” Dieser Eindruck wird unterstützt durch Rhenanus an Karl V. (Allen I, Nr. IV, S. 57, Z. 41-44): [Henricus] [v]idebat enim Erasmum valere literis, valere eloquentia, moribus ingenuis praeditum, epistolis eleganter scriptis id docentibus; unde quum usui tum ornamento comitatui suo esse posset [...]. Im Compendium vitae heißt es mit Blick auf die Umstände, die Erasmus in den Dienst des Bischofs gebracht haben (Allen I, Nr. II, S. 50, Z. 96f.): Ad hoc iter [episcopus] optabat hominem Latine doctum.

Die Grundlegung

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3.) Stationen und Reisen – Kontakte und Förderer Es wäre verfehlt, bis zu seiner Reise nach England die Erasmus zugute gekommene Unterstützung auf die beiden Namen Heinrich von Bergen und William Blount Lord Mountjoy zu beschränken.553 Mehreren Personen hatte Erasmus Dank abzustatten, dass er es als Vollwaise bis zum Pariser Studenten bringen konnte, wobei sicher nicht alle aufgeführt werden können, zumal einige nur beiläufig erwähnt werden:554 So war es sein Mönchsbruder Willem Hermans, der gegenüber Johannes, dem Erzieher Philipps von Burgund, die Begabung des Erasmus in höchsten Tönen lobte.555 Kurz zuvor war Erasmus bereits in die Dienste des Bischofs von Cambrai getreten, der wohl durch die erwähnte Weitergabe erasmischer Schriften durch Herbenus auf den Klosterbruder aufmerksam geworden war. Dieser Maastrichter Humanist hat auf seine Weise Erasmus Förderung zukommen lassen, auch wenn keine Beziehung zwischen beiden nachweisbar ist.556 Wenn auch namentlich nur wenige Personen bezeugt sind, hat Erasmus die neue Anstellung wohl außerordentlich gut nutzen können, um vorhandene Kontakte zu pflegen und neue zu schließen. Der Einschätzung Ribhegges ist daher zuzustimmen, wenn er schreibt: „Manche Bekanntschaften, die er am Hof in Brüssel machte, hielten sich über Jahrzehnte. Wenngleich nur als Beobachter konnte Erasmus erste politische Erfahrungen sammeln. Zu Erasmus’ neuen Freunden zählte der gleichaltrige Humanist Jakob Batt, damals Stadtsekretär von Bergen. Batt stammte aus Bergen und er hatte in Paris studiert.“557

Eben jener Batt, der über enge Beziehungen zur Familie des Bischofs verfügte, setzte sich auch dafür ein, dass Erasmus zum Studium nach Paris aufbrechen durfte und Heinrich die Kosten übernahm.558

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Zu den Gönnern des Erasmus vgl. auch: Heesakkers, Erasmus epistolographus, S. 33-38, 46. So etwa auch seine Lehrer in Gouda, von denen nur Petrus Winckel namentlich bekannt ist. Vgl. dazu: Allen I, Nr. II, S. 49, Z. 46-51. Vgl. Allen I, Nr. 38, S. 136-138, hier: S. 138, Z. 70f. (datiert auf 1494; adressiert Willem Hermans): Habes istic Erasmum, virum aetate nostra omnium doctissimum; sed praestat tacere, ne falli videar amore. In der überlieferten Korrespondenz des Erasmus findet sich jedenfalls kein Brief, der auf einen Kontakt zu Herbenus hindeutet. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 20f. Dies geht hervor aus Allen I, Nr. 42, S. 144f., bes. S. 144, Z. 16-19 (datiert auf ca. Sommer 1495; adressiert an Jakob Batt). Heinrich von Bergen hatte zunächst beab-

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

4.) Literarisches Schaffen Vom Geburtsjahr 1466 ausgehend war Erasmus 1489 bereits 23 Jahre alt, als er begann, Texte zu verfassen. Den Anstoß, sich mit Literatur – vornehmlich der der Antike und der Kirchenväter – auseinanderzusetzen und selbst schriftstellerisch tätig zu werden, erhielt er im Kloster und seiner Bibliothek.559 (Zum Vergleich: Melanchthon hatte in diesem Alter bereits schon eine Professur in Wittenberg inne. Auch wenn dieser (nicht nur) in der eigenen Familie mehr Förderer hatte, so muss dennoch eingeräumt werden, dass Erasmus vergleichsweise spät begann, literarisch tätig zu sein.) Für seine frühen Schriften besteht darüber hinaus ein Quellenproblem: Viele sind nicht erhalten, aber nachweislich wurden fünf Texte im Jahr 1489 verfasst: die ‚Apologia Erasmi et Cornelii adversus barbaros‘ (Winter 1488 / Frühjahr 1489), das Gedicht ‚Magistro Enghelberto Leydensi‘ (im Sommer), die ‚Paraphrasis in elegantias Laurentii Vallae‘ (im Spätsommer), sowie die ‚Oratio de pace‘ und der ‚Conflictus Thaliae et Barbariei‘ (Ende des Jahres).560 Unklarheit herrscht auch in der Frage der Reihenfolge der frühen erasmischen Texte. So widersprach Bejczy beispielsweise Schoeck, indem er die Paraphrase zu den ‚Elegantias linguae latinae‘ Lorenzo Vallas für die erste Schrift des Erasmus hielt.561

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sichtigt, nach Italien zu ziehen in der Hoffnung, dort den Kardinalshut verliehen zu bekommen. Für diese Gelegenheit suchte er einen hominem Latine doctum (vgl. Allen I, Nr. II, S. 50, Z. 97) und fand ihn in Erasmus. Da sich die Hoffnung nicht bestätigte (ebd., Z. 100-102), musste für Erasmus eine neue Beschäftigung gefunden werden und auf Batts Fürsprache hin wurde ihm das Studium in Paris gestattet. Nach voriger Rechnung wäre er mit 21 Jahren in das Kloster eingetreten und hätte bereits zuvor Texte schreiben können, muss er doch durch den Besuch von Elementar- und Lateinschule bereits schreibfähig gewesen sein. Offensichtlich fehlte ihm zuvor der Zugang zur Literatur, der erst im Kloster ermöglicht wurde. Zu den Werken des Erasmus, die bis 1519 erschienen sind, vgl. Friedrich Lorenz Hoffmann, Das Verzeichniss der Schriften des Desiderius Erasmus von Rotterdam von 1519, in: Serapeum. Zeitschrift für Bibliothekswissenschaft, Handschriftenkunde und ältere Literatur 23 (1862), S. 49-58. Vgl. Vredeveld, The Ages of Erasmus, S. 803. Vgl. Bejczy, Erasmus and the Middle Ages, S. 2. Die Paraphrase zu den ‚Elegantias linguae latinae‘ Vallas für die erste Schrift des Erasmus zu halten, ist nicht abwegig, wenn man bedenkt, in welch hohem Maß sich Erasmus an Valla orientiert hat – und das schon in jungen Jahren. So behauptete auch Bejczy (ebd., S. 3): „Many of these letters and poems contain arguments against medieval barbarism which correspond closely to passages in Antibarbari, the first version of which Erasmus was completing at the time. Again Erasmus’ main ally in the struggle is Valla [...].“

Die Grundlegung

165

In den folgenden Jahren bis zu seiner Ordination als Priester 1492 verfasste Erasmus noch weitere Schriften, von denen aber nur wenige mit Titel und Inhalt bekannt sind: Verfasst wurde ein erster Entwurf der ‚Antibarbari‘562 im Jahr 1490, die aber erst 25 Jahre später verlegt wurden, eine ‚Oratio funebris in funere Bertae de Heyen‘563, eine nicht näher zu bestimmende Moralsatire, sowie Schriften unter den Titeln ‚In laudem Michaelis et angelorum omnium‘564 und ‚De contemptu mundi‘565. Dass eine derart große Unsicherheit in Bezug auf die von Erasmus verfassten Texte bis einschließlich 1492 besteht, liegt nicht zuletzt auch daran, dass keiner von ihnen verlegt wurde. Aus diesem Faktum darf natürlich nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, es habe sich um nicht druckwürdige Texte gehandelt. Stattdessen kann eher davon ausgegangen werden, dass sich die Kontakte des Erasmus bis zu seinem Wechsel nach Paris überwiegend auf das Kloster Steyn sowie die Personen beschränkten, mit denen er aufgrund seiner Sekretärsanstellung in Verbindung stand. Sicher wäre über letztere die Drucklegung eines seiner Texte realisierbar gewesen, doch hatten sie – zumindest ausgehend von den bekannten Titeln – überwiegend humanistischen Anstrich. Für derartige Publikationen fehlten Erasmus bis zu diesem Zeitpunkt offensichtlich die nötige Ermunterung Gleichgesinnter wie auch die entscheidenden Beziehungen ins humanistische Netzwerk: Welcher Drucker wollte schon das Risiko eingehen, Texte eines unbekannten Verfassers zu veröffentlichen, der noch dazu keinen Fürsprecher vorweisen konnte? Diese Situation änderte sich erst während seiner Studienzeit in Paris.

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Halkin, Erasmus von Rotterdam, S. 25: „Mehrfach greift Erasmus die Arbeit an den Antibarbari, die er noch vor seinem zwanzigsten Lebensjahr in Steyn entworfen hatte, wieder auf, 1520 veröffentlicht er schließlich das Werk.“ James D. Tracy hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass die ‚Antibarbari‘ die Frucht des Kontaktes mit dem Bischof von Cambrai darstellen (Erasmus. The Growth of a Mind, S. 56). Gaguin dürfte wohl verantwortlich gewesen sein für die nicht baldige Veröffentlichung der ‚Antibarbari‘. Auch wenn Gaguin die Fähigkeiten des Erasmus denen des Karneades gleichsetzt (vgl. dazu: Halkin, a.a.O., S. 28), äußert er doch derartige (wohlwollende) Kritik, die das Erscheinen des Werks in nächster Zeit verhindert haben dürfte. Vgl. auch Kazimierz Kumaniecki, Erasmus’ Antibarbari, in: Academie Royale Neerlandaise des sciences et des sciences humaines (Hrsg.), Actes du Congres Erasme, S. 116-135. Im Oktober 1490 verfasste Erasmus diese Grabrede. Verfasst ca. März 1491. Verfasst im Frühjahr 1492. Vgl. Vredeveld, The Ages of Erasmus, S. 804.

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

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B. DER AUFSTIEG DES ERASMUS VON ROTTERDAM Um die Entwicklung des Erasmus nachzuzeichnen, genügt es nicht, die jeweiligen Kontakte und Gönner aufzuzeigen oder Mutmaßungen über den jeweiligen Erfolg einer seiner Veröffentlichungen anzustellen. Unabdingbar ist dafür, ‚ad fontes‘ zu gehen, und dass sich dafür insbesondere der Blick in die überlieferte Korrespondenz des Erasmus eignet, ist bereits deutlich geworden. Dass darüber hinaus die Quellenwahl gerade im Falle des Humanistenfürsten auf Briefe fällt, bedarf keiner erneuten Erklärung. Der gewählte Zeitraum erstreckt sich dabei von 1495 – dem Jahr, in dem Erasmus aus dem engen Radius seines Klosters zum Studium nach Paris und damit in eine andere Umgebung und in neue, weitere soziale Beziehungen wechselte – bis 1530, um nicht nur die Frage nach dem Berühmtwerden, sondern im weiteren Verlauf auch jene nach dem Berühmtsein in den Blick nehmen zu können. Allerdings werden bei dieser Vorgehensweise die folgenden Beobachtungen von dem Überlieferungsproblem überschattet, dass keine Aussagen dazu gemacht werden können, wie groß der Anteil der uns bekannten Briefe an der tatsächlichen Gesamtzahl aller erhaltenen und versandten Briefe ist.566 Gerade deshalb darf man sich nicht zufrieden geben mit dem zweifellos aussagekräftigen Trend, den eine quantitative Auswertung zeichnet. Es muss vielmehr im darauf folgenden Schritt auch eine qualitative Auswertung der Korrespondenz erfolgen. Wenngleich die quantifizierende Methode durchaus hohen Aussagewert besitzt, vermag sie doch auf manche Aspekte keine Antwort zu geben, die jedoch durch qualitative Auswertung geklärt werden können. Dazu gehören nicht nur die Fragen, ob die Inhalte der Briefe den gleichen Eindruck vermitteln wie deren jeweilige Anzahlen und – sofern dies zutrifft – ein umso klareres Bild in Bezug auf das Berühmtwerden des Erasmus zu zeichnen vermögen; auch Differenzierungen nach gegenüber Erasmus einerseits wohlgesinnten und andererseits kritischen Briefen sind erst auf Grundlage einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Quellen möglich. Gleiches gilt auch in Bezug etwa auf seine Briefpartner, da

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Unstrittig ist aber, dass der Anteil der überlieferten Briefe mit wachsender Berühmtheit des Erasmus zunimmt.

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

167

durchaus aussagekräftig sein kann, von wem ein Brief stammt und in welchem Jahr er geschrieben wurde.567 Was die Sicherung der Briefe betrifft, so ist belegbar, dass Erasmus 1505 seinen ehemaligen Klosterbruder Franciscus Theodericus bat, all jene Briefe zu verwahren, die er an ihn oder die übrigen Patres in Steyn adressiert hatte.568 Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt intendierte er eine spätere Veröffentlichung seiner Korrespondenz.569 Die gelegentlich in der Forschung tradierte Auffassung, für die Jahre 1508 bis 1511 seien gar keine Briefe erhalten, ist nicht zutreffend.570 Es ist zwar davon auszugehen, dass – gemessen an den Vorjahreswerten – nicht alle überliefert sind, aber wirklich fehlend sind nur Informationen für die Jahre 1509 und 1510. Dies ist jedoch besonders bedauerlich, da somit nur wenige Selbstzeugnisse des Erasmus erhalten sind, in denen er seine Aufenthalte in Italien (1506 bis 1509) und in England (1509 bis 1511) beschreibt.571 Seine Kontakte und Tätigkeiten in diesem Zeitraum lassen sich daher nicht in Gänze rekonstruieren, wenngleich davon auszugehen ist, dass entscheidende Weichenstellungen für sein weiteres Leben auch in späteren, uns erhaltenen Briefen thematisiert werden. Diese finden sich u.a. in mehreren Briefsammlungen,572 deren Veröffentlichungen nicht nur von Eras-

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Mit Hilfe dieser Vorgehensweise wird es erst möglich, auch festzuhalten, ab wann Briefkontakt etwa mit Kardinälen oder Königen besteht. Vgl. Allen I, Nr. 186, S. 415f., hier: S. 415, Z. 1-3 (datiert auf ca. Ende 1505; adressiert an F. Theodericus): Vehementer mihi gratum feceris, amice iucundissime, si dederis operam ut epistolae, quas accuratius ad alios atque alios scripsi, quantum potest colligantur. Dass Ribhegges Vermutung (Erasmus von Rotterdam, S. 12), Erasmus könnte eine Edition der Briefe angedacht haben, leicht verfehlt ist, geht daraus hervor, dass Erasmus sie eindeutig beabsichtigte: Nam mihi in animo est unum epistolarum librum edere, earum potissimum quas scripsimus multas ad Cornelium Gaudanum, plurimas ad Guielmum meum, nonnullas ad Servatium. Corrade quidquid potes et undecunque potes; verum ne miseris, nisi per quem iussero. (Vgl. Allen I, Nr. 186, S. 415, Z. 3-7.) So z.B. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 58. Wenn Ribhegge (Erasmus von Rotterdam, S. 60) die These aufstellte: „Erst in Italien beginnt das öffentliche Leben des Erasmus, und damit paradoxerweise auch erst jene Biografie des Erasmus, wie sie uns aus zahlreichen Hand- und Schulbüchern allgemein geläufig ist.“, so lässt sich zwar über eine uneingeschränkte Zustimmung streiten – allemal verdeutlicht es aber den auch informativen Verlust durch das Fehlen der Korrespondenz in diesem Zeitraum. Natürlich sind manche Exemplare auch einzeln überliefert oder zumindest aus den Nachlässen der Empfänger bzw. Verfasser in Abschriften vorhanden. Vgl. dazu z.B. Allen XII, S. 21f.

168

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

mus angestrengt wurden:573 So brachte etwa Peter Gilles eine Briefedition in der Löwener Offizin des Dirk Martens im Oktober 1516 heraus.574 Der Titel ‚Epistolae aliquot illustrium virorum‘ verrät bereits, dass es sich bei diesen zwanzig Briefen um jene prominenter Korrespondenten wie Papst Leo X., Thomas Morus oder Willibald Pirckheimer handelte.575 Circa sieben Monate später veröffentlichte Gilles bereits eine weitere Sammlung erasmischer Briefe bei Martens.576 Im Übrigen ist der Titel bereits aussagekräftig für die öffentliche Bedeutung des Erasmus zu diesem Zeitpunkt, die wohl schon deutlich über den Kreis der humanistischen Elite hinaus von Belang war, wenn Ribhegge zu Recht konstatiert: „Die Briefbände zeichneten ein bestimmtes Bild der Persönlichkeit des Erasmus für die europäische Öffentlichkeit.“577 – Und dass diese Öffentlichkeit eine interessierte Leserschaft der erasmischen Briefe war, wird darin deutlich, dass Erasmus in den Jahren 1518 und 1519 wiederum jeweils eine Edition seiner Korrespondenz – diesmal bei Froben in Basel – in Auftrag gab. War die 1518er Ausgabe noch mit 35 Briefen genauso überschaubar wie die zweite Ausgabe Gilles‘,578 so kann die folgende mit 333 Briefen als die erste umfangreiche Edition bezeichnet werden.579 Allein 106 Briefe sind darunter, die vor 1509 gewechselt wurden und stellen somit wichtige Quellenzeugnisse für die frühere Lebensphase dar. Die nächste Ausgabe erschien zur Frühjahrsmesse 1522 und war fast doppelt so umfangreich wie die vorige: 621 Briefe sind darin enthalten, von denen 158 zuvor noch nicht der Öffentlichkeit präsentiert worden waren.580 Dass in den sechs Jahren von 1516 bis 1521581 fünf verschiedene Ausgaben auf den

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Auf manche verloren gegangenen Briefe, von denen aber zumindest Verfasser bzw. Adressaten bekannt sind, hat Allen (XII, S. 22-24) aufmerksam gemacht. Bereits im August 1515 wurden erstmals erasmische Briefe unter dem Titel ‚Iani Damiani Senensis Elegeia‘ bei Froben in Basel veröffentlicht. Vgl. dazu: Allen XII, S. 22. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 95. Dieses Mal unter dem Titel ‚Epistolae sane quam elegantes‘. Vgl. Allen XII, S. 22. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 95. Vgl. dazu auch bes. Jardine, Erasmus, man of letters: the construction of charisma in print, S. 14-20. Der Titel dieser Ausgabe lautet ‚Auctarium selectarum epistolarum‘ und macht damit deutlich, dass es sich wiederum um eine Auswahl und nicht die Gesamtheit aller gewechselten Briefe handelte. Vgl. dazu: Allen XII, S. 22. Erschienen unter dem Titel ‚Farrago nova epistolarum‘ (vgl. Allen XII, S. 22). Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 95; Allen XII, S. 22, gibt ‚Epistolae ad diversos‘ als Titel an. Der Titel ‚Epistolae ad diversos‘kam zwar erst im Frühjahr 1522 heraus, ist aber auf den 31. August 1521 datiert. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 95.

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

169

Markt gebracht wurden, bringt bereits die öffentliche Präsenz des Erasmus zum Ausdruck und lässt vermuten, sein Berühmtwerden über die Teilöffentlichkeit Gleichgesinnter hinaus müsse sich 1516 oder früher ereignet haben. Bis zum Ende seines Lebens sind noch vier weitere Editionen unterschiedlichen Inhalts erschienen.582 All diese Sammlungen sind in das von Percy Stafford Allen herausgegebene ‚Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami‘ eingeflossen und stellen die Grundlage der folgenden Auswertungen dar. In einem ersten Schritt erfolgt die Auswertung der überlieferten Korrespondenz, die Antwort darauf zu geben vermag, wie viele Briefe er jährlich im genannten Zeitraum versandte bzw. empfing. Besonders für die früheren Jahre ist das Verhältnis zwischen beiden Jahreswerten interessant, da es verdeutlicht, wie intensiv Erasmus den Kontakt zu anderen Personen suchte und ab welchem Jahr verstärkt der Kontakt von anderen zu ihm gesucht wurde. Wie sich von Jahr zu Jahr der geographische Radius seiner Kontakte ausweitete oder in welch unterschiedlichem Maß sich in verschiedenen Städten Briefpartner fanden, sind nur zwei von mehreren Erkenntnissen, die in diesem Zusammenhang gewonnen werden. Im zweiten Schritt werden die Korrespondenzen von 22 ausgewählten Zeitgenossen herangezogen, die allesamt – wenngleich verschieden – über ein gewisses Maß an Bekanntheit verfügten. Die Gruppe setzt sich zusammen aus (reformatorischen) Theologen, Humanisten und Freunden bzw. Förderern. Im Zuge einer erneuten Auswertung nach Jahren ist zu erfahren, wann und in welcher Intensität Erasmus oder eine seiner Schriften Gesprächsgegenstand der Zeitgenossen war. Beide Vorgehensweisen können allerdings nur einen Eindruck davon vermitteln, wie sein Berühmtwerden in der Teilöffentlichkeit der Gelehrten und Weggefährten vonstatten gegangen sein muss. Sie vermögen nur bedingt auch darauf zu antworten, ab welchem Zeitpunkt Erasmus auch größeren Kreisen, gerade auch dem ‚gemeinen‘ Volk, ein Begriff war. Neben der anschließenden qualitativen Auswertung, ist daher nach allen nachweisbaren Übersetzungen einer erasmischen Schrift in deutscher Sprache zu fragen. Dadurch wird zwar nicht er-

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Allen XII, S. 22: ‚Selectae epistolae‘ bei J. Herwagen und H. Froben in Basel 1528; ‚Opus epistolarum‘ bei H. Froben, J. Herwagen und N. Episcopius in Basel 1529; ‚Epistolae Floridae‘, bei Herwagen in Basel 1531; ‚Epistolae palaeonaeoi‘ bei Emmeus in Freiburg 1532.

170

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

sichtlich, wie die Masse an Illiteraten zu Erasmus stand, wohl aber, welche Texte ins Deutsche übertragen wurden. Dabei wird nicht nur zu differenzieren sein nach erfolgreicheren und weniger erfolgreichen Titeln in der volkssprachlichen, lesefähigen Teilöffentlichkeit, sondern dadurch auch nach Themen, die offensichtlich mehr oder minder von Interesse waren und den Zeitgeist trafen. Gerade auch die jährlichen Anzahlen der erschienenen Übersetzungen erasmischer Texte veranschaulichen auf ihre Weise die öffentliche Bedeutung und das Interesse an Erasmus in dieser Leserschaft – zumal hier durchaus von einer anderen Entwicklung hin zu einer Berühmtheit ausgegangen werden kann.

1.) Das Berühmtwerden in der Teilöffentlichkeit der Gelehrten und Lateinkundigen Noch einmal: Die Auswertung der Korrespondenzen des Erasmus von Rotterdam und ausgewählter Zeitgenossen vermag nur Auskunft über den Grad seiner Berühmtheit für die Teilöffentlichkeit der Lateinkundigen zu geben. Unter diesem Gruppenbegriff summieren sich hier all jene, die qua Kenntnis der lateinischen Sprache, durch Beziehungen oder (in)direkten Zugang zur res publica literaria Teilhabe hatten an jenem Diskurs, der im Lateinischen stattfand.583 Man wird hier ebenso den frühneuzeitlichen Gelehrten finden wie den Humanisten, aber auch jene Personen, die über die nötige Bildung verfügten, aber nicht aktiv in einem größeren öffentlichen Raum davon Gebrauch machten bzw. in den Diskursen nicht aktiv in Erscheinung traten. So sind hier etwa auch all jene zu sehen, die im administrativen Bereich von klerikalen wie säkularen Herrschaften tätig waren. Die in zwei Schritten erfolgende Analyse konzentriert sich aus genannten Gründen zunächst nur auf jene Briefe, die direkt von Eras-

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Dass auch vereinzelt Personen an diesem Diskurs teilnehmen konnten, die selbst nicht über die nötigen Zugangsqualifikationen verfügten, versteht sich von selbst. Auf Grundlage mündlicher Kommunikation oder auch volkssprachlicher Schriftsprache konnten Informationen von den Mitgliedern der hier als ‚Lateinkundige‘ bezeichneten Gruppe an Zweite weitergegeben werden. Da für Letztere jedoch der Zugang nur zustande kam, wenn Lateinkundige gleichsam als Vermittler oder Informanten tätig waren, sollen sie an dieser Stelle als Ausnahmen angesehen werden, die wegen ihres notgedrungen passiven Verhaltens in diesem Kommunikationssystem zwar der hier genannten Gruppe zuzurechnen sind, aber daran keinen großen prozentualen Anteil haben dürften.

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

171

mus versandt wurden oder an ihn adressiert waren;584 anschließend folgt die Auswertung der Briefwechsel der ausgewählten 22 Zeitgenossen. So wird es auch möglich sein, nach der Eigenwahrnehmung des Erasmus und der Fremdwahrnehmung der Zeitgenossen zu differenzieren. 1.1.) Auswertung der Korrespondenz des Erasmus von Rotterdam 1495 bis 1530 Da nicht geklärt werden kann, wie groß der Anteil der überlieferten Briefe an der tatsächlich korrespondierten Anzahl ist, bleibt im Folgenden nur übrig, die in der Allen-Ausgabe oder den Briefeditionen der noch näher zu besprechenden Zeitgenossen des Erasmus gemachten Angaben zu nutzen. Eine qualitative Auswertung findet in diesem Zusammenhang nur statt, sofern sie zur Interpretation der ermittelten Ergebnisse unverzichtbar ist. Danach kommt man zu folgenden Werten:

Briefe Jahr

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Σ

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von Erasmus 4

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2

0

2

1497

17

0

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1501

24

0

24

1502

5

0

5

1503

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1504

3

0

3

1505

4

1

5

1506

18

0

18

6

Maßgeblich sind hier die Jahresindizes der Allen-Ausgabe: I, S. xii-xvii; II, S. vii-xii; III, S. vii-xiv; IV, S. vii-xi; V, S. v-x; VI, S. iii-viii; VII, S. v-x; VIII, S. xxvii-xxxii; IX, S. viif.; XI, S. vii.

172

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Briefe an Erasmus 1

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von Erasmus 3

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3

1

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0

3

3

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0

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1513

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1

15

1514

22

13

35

1515

23

35

58

1516

46

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122

1517

136

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107

37

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1520

97

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121

1521

12

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1522

35

44

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1523

30

44

74

1524

38

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1525

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114

1527

56

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1528

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1529

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98

159

1530

71

103

Σ

1196

1143

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Jahr

4

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

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1495 1497 1499 1501 1503 1505 1507 1509 1511 1513 1515 1517 1519 1521 1523 1525 1527 1529

250 225 200 175 150 125 100 75 50 25 0

Briefe von Erasmus

Briefe an Erasmus

Das Diagramm verläuft nicht linear und auf den ersten Blick nicht wellenförmig. Es fällt auf, dass etwa zu Beginn der zweiten Hälfte des Zeitraums die Werte rasant ansteigen, um 1517 auf ihrem Höhepunkt zu sein. Dem kurzen Abstieg folgen kontinuierlich wachsende Werte ab 1521. Bei genauerer Betrachtung wird der Verlauf nachvollziehbar: Das erste der 35 ausgewählten Jahre weist mit sechs Briefen einen niedrigen Wert auf, vergleicht man ihn mit späteren Jahren. Zwei Jahre später (1497) hat sich dieser Wert beinahe verdreifacht. Allerdings hat in diesem Jahr kein Brief Erasmus erreicht. Die hohe Zahl von ihm versandter Briefe in den Jahren 1495 bis 1498 ist wohl vor allem damit zu begründen, dass Erasmus einerseits Bekannte in der Heimat über seine Situation informieren wollte, andererseits aber auch in Paris Kontakte auf dem Briefwege pflegte oder schloss. Es ist zu erkennen, dass sich Erasmus bereits kurz nach seiner Ankunft um Freundschaften und Verbindungen zu Pariser Humanisten bemühte. Sowohl die Korrespondenz mit Gaguin in den Jahren 1495 und 1498 als auch gleich drei an Erasmus gerichtete Briefe des poeta laureatus Faustus Andrelinus im folgenden Jahr belegen dies. Zudem spiegeln die jeweils leicht gestiegenen Anzahlen versandter und empfangener Briefe die neu geschlossenen Kontakte zu einigen Engländern wider, verdeutlicht u. a. durch Briefe von Prinz Heinrich, John Colet oder Thomas Morus. Die erfolgreiche Kontaktaufnahme zeigt sich bereits ab 1499, da hier die erhaltenen Briefe bereits ca. 1/5 der versandten Briefe ausmachen. In den folgenden beiden Jahren 1500 und 1501 bleibt diese Anzahl in etwa erhalten.

174

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

Der zahlenmäßige Absturz sowohl versandter wie auch empfangener Briefe im Jahr 1502 ist allerdings besonders auffallend und bleibt bis 1505 auf diesem niedrigen Niveau. Die Entwicklung ist nicht recht zu deuten. Die Zeitspanne, die diese geringen Werte aufweist, war für Erasmus von ständiger Tätigkeit und der Veröffentlichung unterschiedlicher Werke geprägt: Mit den ‚Adagia‘ (1501), dem ‚Enchiridion Militis Christiani‘ (1503) und den ‚Annotationes in Novum Testamentum‘ (1505) legte er seine ersten größeren und zugleich bedeutenderen Werke vor. Gleichzeitig widmete er sich in diesen Jahren dem Griechischstudium und der Kirchenväterlektüre. Dennoch können all diese Tätigkeiten Erasmus nicht derart in Anspruch genommen haben, dass er keine Zeit hatte, Kontakte zu pflegen – zumal seine Beschäftigung auch keinen (direkten) Einfluss auf die Anzahl empfangener Briefe ausüben konnte. Es bestätigt sich vielmehr die Vermutung, dass nicht alle Briefe dieses Zeitraumes bewahrt worden sind. Die Vorstellung, dass die tatsächliche Anzahl der Briefe in diesen Jahren z.B. durch seinen vorigen Englandbesuch oder durch die Veröffentlichungen der erwähnten Werke wesentlich höher angesetzt werden müsste, ist hingegen auch sehr unwahrscheinlich. Eine derartige Veränderung der Situation des Erasmus hätte sich nicht zuletzt in den Inhalten der vorhandenen Briefe wieder gefunden. Signifikante Resonanz auf eines der publizierten Werke findet sich bis 1510 in der erasmischen Korrespondenz nicht. Allerdings springt im Jahr 1506 mit 18 versandten Briefen die Anzahl fast wieder auf das Niveau, das um die Jahrhundertwende bestanden hatte. – Was die Versandorte angeht, so lässt sich dieser Wert zu drei ungefähr gleich großen Teilen England, Paris und Italien zuordnen. Inhaltlich spielen hier die zuvor veröffentlichten Werke keinerlei Rolle. Das Hauptthema dieses Jahres (1506) war der Besuch in Italien bzw. seine dort gemachten Erfahrungen sowie der Erwerb des Doktortitels. Für die folgenden vier Jahre zeigt sich das Überlieferungsproblem in aller Deutlichkeit, so dass für 1510 gar keine Briefe belegt sind. Von größter Bedeutung ist aber der Anstieg auf 35 Briefe im Jahr 1511, vor allem weil auszuschließen ist, dass für die ‚unsicheren‘ Jahre der Quellenüberlieferung bereits ein ähnliches Niveau erreicht war. Die jeweiligen Inhalte unterscheiden sich zu deutlich. Zwar fällt auch der plötzlich angestiegene Wert versandter Briefe auf, von größerer Wichtigkeit aber ist die Menge empfangener Briefe. Mit 15 Briefen (43 % der Jahreskorrespondenz) lag eine niemals zuvor erreichte Anzahl vor, auch näherte sich kein voriger Wert diesem an. Somit ist die Situation im Jahr 1511 doppelt auffallend und dass es sich dabei um Zufall halten könnte, wird durch die Inhalte der Briefe ausgeschlossen: Hier wurde überwiegend das er-

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

175

schienene ‚Encomium Moriae‘ thematisiert. Zwar sinken die Werte in den folgenden beiden Jahren noch ab, erreichen aber bei weitem nicht das Minimum voriger Jahre, bis dass für 1514 wieder der gleiche Gesamtwert von 35 Briefen zu verzeichnen ist. Eine enorme Zunahme von Briefen ist auch für 1515 festzustellen: Erasmus versandte im Vorjahresvergleich nur einen Brief mehr, erhielt aber fast dreimal so viele wie im Jahr zuvor. Dies spricht dafür, dass seine Berühmtheit in der Teilöffentlichkeit der Lateinkundigen noch anwuchs, verdeutlicht auch an den Werten für 1516: Hier erhielt Erasmus mehr als doppelt so viele Briefe als im Vorjahr. Schon im darauf folgenden Jahr wurde dieser Wert allerdings noch mal übertroffen und erreicht den Gipfel des gewählten Zeitraumes. In den Inhalten der Briefe ist die Antwort dafür zu sehen: Erasmus erhielt 1517 so viele Briefe wie in keinem anderen Jahr, da er mit der Ausgabe des Neuen Testaments 1516 den größten Erfolg verzeichnen konnte und abgesehen von einigen kritischen Briefen überwiegend größtmögliches Lob erntete. Die Zahl versandter Briefe stieg an, da Erasmus es für nötig erachtete, auf Angriffe zu reagieren und die Kritik nicht unbeantwortet zu lassen. 1518 blieb das Niveau versandter Briefe nahezu erhalten, aber die Anzahl empfangener Briefe stürzte von 96 (im Jahr 1517) auf nun 25 Briefe ab. Die Erklärung ist in den Geschehnissen um Martin Luther zu sehen, durch die Erasmus durchaus an Aufmerksamkeit verlor. Zugleich sanken die Werte versandter Briefe nur leicht ab (1518: 137; 1519: 107; 1520: 97), da Erasmus auf verschiedene Themen reagieren musste: Einerseits stand er in Kontakt mit seinen Anhängern, auf deren ehrfürchtige Zuschriften er antwortete; andererseits war er genötigt, auf zahlreiche Anfragen zu reagieren, seine Stellung zu den Reformbestrebungen, insbesondere denen Martin Luthers, betreffend; daneben musste er sich aber auch gegen Angriffe verteidigen, die v. a. von Kritikern seiner theologischen Ausrichtung stammten. Dieser Trend, der 1518 seinen Anfang nahm, setzte sich in den frühen 1520er Jahren fort: Martin Luther betrat die Bühne und bestimmte in zunehmendem Maße die Diskussionen der Öffentlichkeit. Dennoch sind für die 1520er Jahre ansteigende Werte zu beobachten, die in den meisten Fällen für die versandten wie auch die empfangenen Briefe zutreffen. Verantwortlich sind dafür insbesondere drei aufeinander folgende, sich teilweise überlagernde Themenschwerpunkte: Zunächst die Diskussionen über die Wittenberger Ereignisse, die die Kirche zum Handeln veranlassten; sodann die große Auseinandersetzung zwischen Erasmus und Luther in der Frage um den freien Wil-

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

len; zuletzt zahlreiche Versuche des Erasmus, seine Positionierung im innerkirchlichen Kampf zu erläutern. Gerade mit Blick auf die ermittelten Briefe der 1520er Jahre lässt sich bereits an dieser Stelle festhalten, dass Erasmus durch Luther nicht von der Bühne verdrängt wurde, wie es zunächst die Jahre 1518 bis 1520 vermuten ließen, sondern dass er seine öffentliche Stellung behaupten konnte. Angesichts der Beobachtungen ist es nicht verfehlt, zumindest für die Teilöffentlichkeit der Lateinkundigen die Entwicklung des Berühmtwerdens spätestens bis 1520 sozusagen als erfolgreich abgeschlossen zu beurteilen, während die 1520er Jahre vielmehr von konstanter Bedeutung geprägt sind. Insofern ist hier durchaus ein Übergang vom Berühmtwerden hin zum Berühmtsein zu beobachten. Der überlieferte Briefwechsel lässt indes aber auch Rückschlüsse auf das sich kontinuierlich ausbreitende Korrespondentennetzwerk des Erasmus zu. So ist es etwa möglich zu untersuchen, wann er erstmals Kontakt in eine bestimmte Region oder Stadt hatte. Berücksichtigt wird dabei die Intensität des jeweiligen Briefverkehrs nur in der tabellarischen, nicht aber der graphischen Darstellung. Auch kann ein Korrespondent auf Reisen aus einer anderen Stadt einen Brief versandt haben, doch selbst dies gibt einen gewissen Eindruck vom Ausmaß der erasmischen Kontakte. Bewusst wurde auf die Jahre 1495 bis 1499 verzichtet, da Erasmus hier fast ausschließlich mit seinen Klosterbrüdern in Kontakt stand. Die folgende Tabelle bietet daher alle Orte, von denen aus zwischen 1500 und 1530 ein Brief an Erasmus aufgegeben wurde. Die sich daran anschließenden graphischen Darstellungen versuchen, die Ausbreitung in sechs Zeitphasen zu veranschaulichen.

177 Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

Aachen Aberdeen Altenburg Amboise Amsterdam Ansbach Antwerpen Arc-en-Barrois Arlon Aschaffenbg. Augsburg Avignon Baden Bamberg Barcelona Basel

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1 4 9 11 1 2 2 2

Calais

Burgos

Büderich

Buda

Brüssel

Brühl

Brügge

Breslau

Brescia

Breisach

Bourges

Bourg

Bologna

Bois-St.-Martin

Besançon

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178 Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

179 Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

Cambridge Canterbury

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Carpentras

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1 1

1

1 1

Chambéry Châteauneuf Chelsea Courtray Den Haag Deventer Dijon Dillingen Dole Dresden Ebernburg Eisenach

Granada

Gouda

Gotha

Glarus

Gentilly

Gent

Genf

Gembloux

Freiburg

Frankfurt

Ferrara

Esztergom

Esslingen

Ensisheim

Enghien

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180 Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

181 Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

Greenwich Grimma Groningen Hagenau Halle Halling Heidelberg Heimbach Hirsau Houthem Hugshofen Huy Ingolstadt Innsbruck Jena

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1

1 1 1

2

1

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Linz

Liège

Lens

Leipzig

Langenargen

Lambeth

Ladenburg

Kremsier

Krakau

Kosteletz

Konstanz

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1 7 5 2 1 1

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Köln

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Koblenz 1 1 3 1

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Knole

Joachimsthal

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182 Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

183 Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

Locarno

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2 1 4

1

1

2 1

2 1

1 1

14 8 1 1

4 4 3 5 3

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1 1 1 3 10 6 1 5 52

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1 1

2 3 2 6

2

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3 1 7 1

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14

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2 1 1 2 1 2 3 1 37 1

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1

Lochau Löwen

1

10 1 1 2

1 1

London Lyon Madrid Mailand Mainz Marly Meaux Mechelen Middelburg Montbéliard Mussy Nürnberg

Schlettstadt

Schaffhausen

Rom

Rochester

Richmond

Prag

Porrentruy

Piotrkow

Passau

Paris

Palencia

Padua

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Ottobeuren Oxford

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Otford

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3

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184 Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

185 Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

Siena Sondrio Sopron Speyer St. Cybardeaux St. Georgenberg St. Germain Steckelberg Steinheim Stepney Straßburg Stuttgart

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Tournai

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Toledo

Tübingen

Worms

Wittenberg

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Weinsberg

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Weimar

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Vollenhove

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186 Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

187 Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

Würzburg Zaragoza Znaim

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Zürich Zwolle

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3

Σ

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

(I. 1500-1505)

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Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

(II. 1506-1510)

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

(III. 1511-1515)

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

(IV. 1516-1520)

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

(V. 1521-1525)

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

(VI. 1526-1530)

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

1.2.) Auswertung der Korrespondenzen von Zeitgenossen des Erasmus von Rotterdam 1495 bis 1530 Für die folgende Auswertung sind die Briefwechsel von 19 bzw. 22 Zeitgenossen ausgewählt worden, die nicht allein dem humanistischen Bereich zuzuordnen sind, sondern ebenso exemplarisch die (reformatorische) Theologie oder die Gruppe von Weggefährten und Bekannten des Erasmus repräsentieren. Zu einem differenzierten Bild trägt auch die Berücksichtigung von jenen Personen bei, die nicht mit Erasmus in Briefkontakt standen, da in diesem Fall besonders aussagekräftig sein kann, ob sich auch in deren Briefwechseln Erwähnungen von Erasmus oder einer seiner Schriften finden. Geographisch beschränkt sich die Gruppe der ausgewählten Personen abgesehen von wenigen Ausnahmen auf deutschsprachige Gebiete. Auch diese Auswahl mag von größerer Aussagekraft sein: Da sich Erasmus im Vergleich zu englischen oder italienischen Bekannten erst relativ spät Kontakte in den deutschsprachigen Teilen des Reichs erschloss, dürfen die hier nachweisbaren Erwähnungen seines Namens oder einer seiner Schriften bedeutender sein. Die folgende Auswertung erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wird die Frage gestellt, wie oft Erasmus oder eine seiner Schriften pro Jahr in den ausgewählten Korrespondenzen nachweisbar sind. Hier beläuft sich die Anzahl der berücksichtigten Personen auf 19, da von dreien keine Korrespondenz vorliegt. Gerade bei Personen, die teilweise nicht in Kontakt mit Erasmus standen, ist die Frage, was für eine Bedeutung Erasmus beigemessen wurde, von besonderer Aussagekraft. Sodann wird untersucht, wie oft diese ausgewählten Zeitgenossen pro Jahr mit Erasmus in Kontakt standen. Hier werden die Briefwechsel von 22 Personen zu Rate gezogen, da für die hier zusätzlichen drei Personen (Batt, Ammonio, Mountjoy) die Allen-Ausgabe Auskunft zu geben vermag. Neben der Allen-Ausgabe dienten als Grundlage folgende Editionen: • •

Jakob Wimpfeling, Briefwechsel, 2 Bde., hrsg. von Otto Herding / Dieter Mertens, München 1990. Johann Reuchlins Briefwechsel, ges. und hrsg. von Ludwig Geiger, Hildesheim 1962 [= Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1875].

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam





• •





• • • • •



195

Der Briefwechsel des Konrad Celtis, ges., hrsg. und erl. von Hans Rupprich, München 1934 (Veröffentlichungen der Kommission für Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation. Humanistenbriefe 3). Konrad Peutingers Briefwechsel, ges., hrsg. und erl. von Erich König, München 1923 (Veröffentlichungen der Kommission für Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation. Humanistenbriefe 1). Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Bd. 2, in Verbindung mit Arnold Reimann ges., hrsg. und erl. von Emil Reicke, München 1956. Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, ges. und bearb. von Carl Krause, Kassel 1885 (Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Neue Folge, IX. Supplement). Johann Cuspinians Briefwechsel, ges., hrsg. und erl. von Hans Ankwicz v. Kleehoven, München 1933 (Veröffentlichungen der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation. Humanistenbriefe 2). Christoph Scheurl’s Briefbuch. Ein Beitrag zur Geschichte der Reformation und ihrer Zeit, 2 Bde., hrsg. von Franz Freiherr von Soden / Joachim K. F. Knaake, Aalen 1962 [= Nachdruck der Ausgabe Potsdam 1867-72]. Zwinglis Briefwechsel, Band 1: Die Briefe von 1510-1522, ges., erl. und bearb. von Emil Egli, hrsg. von Georg Finsler, Leipzig 1911. Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke, Bd. 8, hrsg. von Emil Egli [u.a.], Leipzig 1914 (Corpus Reformatorum XCV). Briefwechsel des Beatus Rhenanus, ges. und hrsg. von Adalbert Horawitz / Karl Hartfelder, Hildesheim 1966 [= Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1886]. Briefe und Akten zum Leben Oekolampads, bearb. und hrsg. von Ernst Staehelin, 2 Bde., Leipzig 1927-34 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte X, XIX). Dr. Johannes Bugenhagens Briefwechsel, mit Nachträgen von Eike Wolgast unter Mitarbeit von Hans Volz, hrsg. von Otto Voigt, Hildesheim 1966 [= Nachdruck der Ausgabe Stettin 1888-99 u. Gotha 1910]. Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer 1509-1548, Bd. 1: 1509 - Juni 1538, bearb. von Traugott

196

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam



• • • • • • •

Schieß, hrsg. von der Badischen Historischen Kommission, Freiburg 1908. Der Briefwechsel des Justus Jonas, 2 Bde., ges. und bearb. von Gustav Kawerau, hrsg. von der Historischen Commission der Provinz Sachsen, Hildesheim 1964 [= Nachdruck der Ausgabe Halle 1884f.]. Thomas Morus, Bd. 5: Briefe der Freundschaft mit Erasmus, übers., eingeleitet, kommentiert und hrsg. von Hubertus Schulte Herbrüggen, München 1985. The Correspondence of Sir Thomas More, ed. Elizabeth Frances Rogers, Princeton 1947. D. Martin Luthers Werke (Kritische Gesamtausgabe): Briefwechsel, Band 1-5, bearb. von Gustav Bebermeyer [u. a.], Weimar 1930-34. D. Martin Luthers Werke (Kritische Gesamtausgabe): Briefwechsel, Band 15: Personen- und Ortsregister, bearb. von G. Ebeling [u. a.], Weimar 1978. Melanchthons Briefwechsel, Bd. 1-4, bearb. von Richard Wetzel, hrsg. von Heinz Scheible [u.a.], Stuttgart-Bad Cannstatt 1991-2007. Vadianische Briefsammlung, Bd. 7, hrsg. von E. Arbenz / H. Wartmann, St. Gallen 1913 (Mitteilungen der Vaterländischen Geschichte XXXa, Dritte Folge Xa). Epistolae Langianae, hrsg. von Joachim K. F. Knaake, Halle 1886.

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Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

ad 1.) Erwähnungen von Erasmus oder einer seiner Schriften 1495

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J. Wimpfeling Johann Reuchlin Konrad Celtis Konrad Peutinger W. Pirckheimer Mutianus Rufus Johann Cuspinian Christoph v. Scheurl Ulrich Zwingli Beatus Rhenanus J. Oekolampad J. Bugenhagen Ambrosius Blaurer Thomas Blaurer Justus Jonas Thomas Morus Martin Luther P. Melanchthon Joachim Vadian James Batt Andrea Ammonio William Mountjoy Σ

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J. Wimpfeling Johann Reuchlin Konrad Celtis Konrad Peutinger W. Pirckheimer Mutianus Rufus Johann Cuspinian Christoph v. Scheurl Ulrich Zwingli Beatus Rhenanus J. Oekolampad J. Bugenhagen Ambrosius Blaurer Thomas Blaurer Justus Jonas Thomas Morus Martin Luther P. Melanchthon Joachim Vadian James Batt Andrea Ammonio William Mountjoy Σ

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32

36

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12

15

29

490

199

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

ad 2.) Korrespondenz mit Erasmus 1495

J. Wimpfeling Johann Reuchlin Konrad Celtis Konrad Peutinger W. Pirckheimer Mutianus Rufus Johann Cuspinian Christoph v. Scheurl Ulrich Zwingli Beatus Rhenanus J. Oekolampad J. Bugenhagen Ambrosius Blaurer Thomas Blaurer Justus Jonas Thomas Morus Martin Luther P. Melanchthon Joachim Vadian James Batt Andrea Ammonio

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95

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William Mountjoy Σ

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1

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19

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5

21

2

6

200

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam 15-

J. Wimpfeling Johann Reuchlin Konrad Celtis Konrad Peutinger W. Pirckheimer Mutianus Rufus Johann Cuspinian Christoph v. Scheurl Ulrich Zwingli Beatus Rhenanus J. Oekolampad J. Bugenhagen Ambrosius Blaurer Thomas Blaurer Justus Jonas Thomas Morus Martin Luther P. Melanchthon Joachim Vadian James Batt Andrea Ammonio William Mountjoy Σ

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7

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3

1

3

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1

2

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4

12

7

8

263

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

201

Die vorangestellten Untersuchungen weisen die gleichen Charakteristika wie die zuvor untersuchte Gesamtkorrespondenz des Erasmus auf. Auffällig ist der plötzliche Anstieg bei der Korrespondenz mit Erasmus in den Jahren 1498 bis 1501. Dieses Ergebnis kam – wie die tabellarische Auflistung zeigt – nicht durch die Korrespondenz mit deutschen Zeitgenossen zustande, da diese erst ab 1514 einsetzte, aber 1516 sogleich sprunghaft anstieg. Die für den frühen Zeitraum hohe Anzahl der vorhandenen Briefe erklärt sich vor allem dadurch, dass nicht Erasmus hier Briefe empfing, sondern dass er – wie es auch schon die vorige Briefwechselauswertung ergeben hat – fast ausschließlich Briefe versandte. Dieselben Gründe sind hier zu nennen: Zunächst versuchte er, Beziehungen in Paris zu knüpfen und seine Ordensbrüder, insbesondere Servatius Roger, über seine Situation zu informieren. Anschließend trat die Korrespondenz mit William Blount, den er in Paris kennengelernt hatte, sowie mit Batt hinzu, den er noch aus seiner Zeit als Sekretär des Bischofs von Cambrai kannte. Erasmus erhoffte sich mit Hilfe des Letzteren an neue Geldgeber zu gelangen. Der hier sichtbare, frühe Anstieg ist daher vielmehr als Kontaktsuche und Bedürfnis nach Unterstützung zu werten denn als steigende Popularität. Dieser Eindruck findet seine unwiderlegbare Bestätigung bei einem Blick auf die Werte der folgenden Jahre: Dass für die folgenden zehn Jahre keine nennenswerte Korrespondenz mit Erasmus vorliegt und er oder eine seiner Schriften in den Briefen fast keine Erwähnung fanden, lässt darauf schließen, dass sein Bekanntheitsgrad gerade in deutschsprachigen Reichsteilen noch relativ ge-

202

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

ring war bzw. hier noch keine Schrift für Aufsehen und Diskussion gesorgt hatte.585 Erst das Jahr 1511 weist paukenschlagartig auf eine veränderte Situation hin: Die Korrespondenz des Erasmus sprang auf den bislang höchsten Wert. Wenngleich die Anzahl von 21 Briefen dadurch relativiert werden muss, dass allein 19 mit Andrea Ammonio gewechselt wurden, so sind aber auch unmittelbar im Anschluss daran gleichmäßig zunehmende Erwähnungen von Erasmus deutlich zu beobachten. Gleichzeitig stieg die Korrespondenz mit ihm seit diesem Jahr kontinuierlich bis 1516 an. Abgesehen von 1516, wo der Vorjahreswert nicht übertroffen wurde, steigerten sich die Werte von Jahr zu Jahr. An dieser Stelle zunächst die weitere Entwicklung seines Berühmtwerdens außer Acht lassend können die ermittelten Daten nur dahingehend interpretiert werden, dass Erasmus ab 1511 – und dies gilt gleichermaßen für die zuvor getätigte Auswertung und stärkt diese Deutung zusätzlich – in der öffentlichen Wahrnehmung eine Rolle spielte. Dies hat nicht nur sein eigener Briefwechsel belegt, durch den deutlich wurde, dass man seit diesem Jahr begann, Kontakt zu ihm zu suchen. Dies verdeutlichen ebenso die Korrespondenzen der 22 ausgewählten Zeitgenossen: Erasmus bzw. einer seiner Texte waren fortan – wenngleich freilich nicht alleiniger oder unangefochtener – Gegenstand der Diskussion. Die hohen Werte für die Jahre 1516 und 1517 sind wohl in erster Linie auf das Erscheinen des Neuen Testaments zurückzuführen, das für Gesprächsstoff sorgte und die Berühmtheit des Erasmus auf einen Gipfel hob. (Die folgende qualitative Auswertung mag entscheiden, ob der Höhepunkt der Briefzahlen in den Jahren 1519/20 zugleich den Höhepunkt der erasmischen Berühmtheit darstellte.) An dieser Stelle ist jedoch eher davon auszugehen, dass die Geschehnisse um Martin Luther dafür sorgten, dass Erasmus um seine Meinung ersucht und um eine eigene Standortbestimmung gebeten wurde. Die ab Mitte der 1520er Jahre wieder ansteigenden Erwähnungen des Erasmus sind wohl vor allem auf den Streit mit Luther um Willensfreiheit zurückzuführen, der auch unter Unbeteiligten für Gesprächsstoff sorgte. Eine gleichzeitige Deutung beider hier gebotenen Verlaufsgraphiken lässt das Berühmtwerten des Erasmus folgendermaßen interpretieren: Da es sich bei den deutschsprachigen Reichsteilen um Gegen-

585

Zumal bei dieser Auswertung das Argument, es seien keine Briefe gesichert worden, natürlich entfällt.

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

203

den handelte, die Erasmus erst relativ spät persönlich aufsuchte, vermag die Analyse eines Großteils der hier ausgewählten Personen von noch stärkerer Aussagekraft sein, so dass davon auszugehen ist, dass Erasmus seit dem Jahr 1511 erstmals überregional, geradezu international berühmt wurde. Die folgende qualitative Auswertung mag hierfür nach Gründen suchen. Für den Moment ist jedoch zu bemerken, dass es sich bei diesem ‚Durchbruch‘, der ihn über seine vorhandenen sozialen Beziehungen sowie die von ihm bereisten Gegenden hinaus in Erscheinung treten ließ, nicht um ein einmaliges Ereignis handelte: Vielmehr ist dieses Jahr gleichsam als Startschuss für seine sich ausweitende Bekanntheit zu sehen. Nicht zuletzt belegt dies jener Zeitraum, in dem wohl v.a. seine Ausgabe des NTs thematisiert wurde. Die kurz darauf scheinbar abnehmende Bedeutung des Erasmus ist offensichtlich mehr auf das Auftreten Luthers zurückzuführen, der zwar die Bühne betrat, Erasmus aber von dieser nicht gänzlich verdrängte. Mit der zunehmenden Bedeutung und öffentlichen Wahrnehmung der Wittenberger Ereignisse war augenscheinlich die Entwicklung des Berühmtwerdens des Erasmus beendet, brach jedoch nicht ab, sondern wandelte sich vielmehr in ein Berühmtsein um. Dies wird daran deutlich, dass er nicht nur die gesamten 1520er Jahre hindurch weiterhin Korrespondent und auch Gesprächsgegenstand war, sondern insbesondere – dies wird im Folgenden zu zeigen sein – nach seiner Haltung gegenüber den Wittenbergern befragt wurde. (Dies wäre nicht vorstellbar, wenn Luther alleiniger Protagonist auf der Bühne gewesen wäre.) In den Jahren 1519/20 haben sich Themen und Diskussionen in der Öffentlichkeit augenscheinlich verlagert, Erasmus wurde aber nicht ignoriert. Daher hat offensichtlich ein Wechsel stattgefunden, der Erasmus zu einer Größe und Instanz werden ließ, dessen Meinung in Problemfällen Gehör finden konnte.586 Zumal dieser Eindruck für die Jahre bis mindestens 1530 belegbar ist, kann von einem Etablierungsprozess gesprochen werden, der das Erreichen einer gewissen Ebene im Prozess des Berühmtwerdens voraussetzt: Dies macht in diesem Zusammenhang den Unterschied zum Berühmtwerden aus und kann als Berühmtsein bezeichnet werden. Nach den Auswertungen zu urteilen, hat dieser Wechsel ca. 1519/20 stattgefunden.

586

Dies ist vor allem auch daran zu erkennen, dass die Korrespondenz mit Erasmus zwar nicht mehr die vorigen Höchststände erreicht, seine Erwähnungen aber meist ungleich höher blieben.

204

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

2.) Das Berühmtwerden mindestens in der Teilöffentlichkeit der volkssprachlich Lesekundigen Die vorangegangene Untersuchung ist nicht nur deswegen unvollständig, weil unsicher ist, wie viele Quellen verloren gegangen sind, und weil eine qualitative Auswertung zur weiteren Interpretation der ermittelten Daten unverzichtbar ist, sondern weil die Fragestellung nur einen verhältnismäßig kleinen Teil der Gesellschaft abzubilden vermag: Die Ergebnisse gelten nur für diejenige Teilöffentlichkeit, deren Mitglieder entweder über die nötige Bildung oder Ämter verfügten, so dass sie selbst mit Erasmus korrespondieren konnten, oder qua Bildung Teil der theologischen Fachdisputanten oder der humanistischen res publica literaria waren. In diesem Bereich ist es jedoch nicht möglich, Rückschlüsse auf das Gros der Gesellschaft zu ziehen, um etwa zu überprüfen, ob Erasmus die gleiche oder zumindest eine vergleichbare Entwicklung zu seiner Berühmtheit auch in der Gruppe derjenigen erlebte, die nicht oder lediglich in der Volkssprache lesefähig waren. Wenngleich natürlich keine oder nur sehr spärlich Quellen existieren, die die Rezeption des Erasmus unter Illiteraten belegen, so vermag gerade auch auf Grundlage der angesprochenen oralen Kommunikationswege ein Blick auf die volkssprachlichen Übersetzungen einer erasmischen Schrift die deutlichsten Indizien zu geben. Dass zunächst eine Beschränkung auf den Zeitraum von 1495 bis 1530 erfolgt, trägt den vorigen Kapiteln Rechnung, deren Fokus ebenfalls auf diesen Jahren lag. Die anschließende Ausweitung auf das gesamte 16. Jahrhundert ist nicht als bloßer exkursorischer Ausblick zu verstehen, sondern empfiehlt sich deswegen, weil somit Rückschlüsse auf die Berühmtheit und Bedeutung des Erasmus in der Öffentlichkeit auch über seinen Tod hinaus ermöglicht werden. 2.1.) Volkssprachliche Übersetzungen erasmischer Schriften (1495-1530) Versammelt man alle im Zeitraum von 1495 bis 1530 erstellten Ausgaben in deutscher Sprache, so ist auf diese Weise wohl der klarste Eindruck zu gewinnen, wie die Entwicklung des Berühmtwerdens des Erasmus in der gesamten Gruppe derjenigen vonstatten ging, die nicht über Lateinkenntnisse verfügten, die nicht an der Korrespondenz teilnehmen konnten, wie sie zuvor untersucht wurde, und die

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

205

nicht die Werke ‚im Original‘ rezipieren konnten. Ein Großteil dieser Gruppe benötigte mindestens einen Mittler, der ihnen Zugang zur Gedankenwelt und zum Œuvre des Erasmus bieten konnte: Für die volkssprachlich Lesekundigen setzte dies die Veröffentlichung von Übersetzungen voraus, für die Illiteraten waren Personen notwendig, die ihnen Gedanken und Inhalte auf mündlicher Basis vermittelten oder in vereinzelten Fällen auch mit Hilfe von bebilderten Flugblättern und Flugschriften. Die Quellenlage ist für diese Fragestellung nicht weniger unsicher als für die vorige Untersuchung: Natürlich können auch die von mir erstellten Kataloge von Übersetzungen erasmischer Texte keine absolute Vollständigkeit beanspruchen;587 dennoch bieten sie derzeit die umfassendsten und zuverlässigsten Informationen.588 Auf dieser Grundlage empfehlen sich drei Auswertungen: 1.) Zunächst stellt sich die Frage, wie viele volkssprachliche Übersetzungen pro Jahr zwischen 1495 und 1530 im deutschsprachigen Raum publiziert wurden, um sodann 2.) auszuwerten, wie häufig die unterschiedlichen Titel aufgelegt wurden und welcher in diesem Zeitraum am meisten veröffentlicht wurde, so dass abschließend 3.) die jeweiligen Druckorte in den Blick genommen werden: Eine Auswertung, wieviele verschiedene Ausgaben in den einzelnen Städten erschienen, vermag nicht nur Auskunft darüber zu geben, wo sich die Zentren volkssprachlicher Erasmus-Rezeption befanden, sondern auch in welchem geographischen Ausmaß sich diese abspielte.

587

588

Vgl. Galle, Katalog deutschsprachiger Übersetzungen erasmischer Texte im 16. Jahrhundert, S. 177-188, sowie Katalog englischsprachiger Übersetzungen erasmischer Texte im 16. Jahrhundert, S. 189-196. Vor über 25 Jahren ist der erste von drei beabsichtigen Bänden erschienen, der die volkssprachliche Rezeption des Erasmus von Rotterdam in der reformatorischen Öffentlichkeit 1519-1536 darstellt. Vgl. Holeczek, Erasmus Deutsch, Bd. 1: Die volkssprachliche Rezeption des Erasmus von Rotterdam in der reformatorischen Öffentlichkeit 1519-1536.

206

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

ad 1.) Anzahl deutschprachiger Übersetzungen pro Jahr

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Anzahl deutschsprachiger Übersetzungen

Jahr

Anzahl deutschsprachiger Übersetzungen

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Anzahl deutschsprachiger Übersetzungen

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0

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0

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0

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0

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0

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55

1498

0

1510

0

1522

36

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0

1511

0

1523

9

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0

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0

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8

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0

1513

0

1525

5

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0

1514

0

1526

5

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0

1515

0

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1

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1

1505

0

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2

1506

0

1518

0

1530

5

Σ

144

55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 1529

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1525

1523

1521

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1515

1513

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1507

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1503

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1499

1497

1495

0

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

207

Im Vergleich zur Auswertung der Korrespondenzen ist in Bezug auf das Erscheinen von Übersetzungen seiner Werke ein durchaus anderer Eindruck zu gewinnen: Von der deutlich ab 1511 ansteigenden öffentlichen Bedeutung des Erasmus, die nach 1516 auf ihrem Höhepunkt ist – zumindest was die direkte Korrespondenz mit Erasmus betrifft – ist hier nichts zu spüren. Bis einschließlich 1518 ist keine einzige Übersetzung einer erasmischen Schrift erschienen. Der rasante Anstieg in den darauffolgenden Jahren ist jedoch mit der Beobachtung in Verbindung zu bringen, dass seit 1519 und für ca. vier Jahre anhaltend Erasmus häufigstes Gesprächsthema war – wie auch in der Auswertung seiner Erwähnungen in zeitgenössischen Briefen nachweisbar. Insofern untermauern die zahlreich publizierten Übersetzungen durchaus den Eindruck, dass mit dem Auftreten Luthers und den Diskussionen über die um sich greifenden reformatorischen Ereignisse Erasmus nicht als sinkender Stern anzusehen ist. Vielmehr wird die These gestützt, es habe sich gerade in diesen Jahren der Wechsel vom Berühmtwerden hin zum Berühmtsein vollzogen. Daher ist es auch nicht sonderlich verwunderlich, dass diese Entwicklung damit einhergeht, dass die Schriften und Gedanken des Erasmus zu einem Großteil in die Volkssprache übertragen werden. Es bestand demnach durchaus ein Interesse an seiner Person und Drucker wie Übersetzer waren sich offensichtlich darin einig, dass erasmische Texte auch in deutscher Sprache eine erfolgreiche Abnahme fänden. Auffällig ist jedoch, dass überwiegend theologische Schriften Übersetzungen erfuhren, die humanistischen Schriften – die bezeichnenderweise wohl vor allem für sein Berühmtwerden in der lateinischen Teilöffentlichkeit verantwortlich waren – wurden indes kaum übertragen: Lediglich die ‚Adagia‘ und die ‚Colloquia‘ erschienen wenigstens in Auszügen in deutscher Sprache, machen aber mit insgesamt sieben verschiedenen Ausgaben noch nicht mal 5 % all jener Übersetzungen aus, die zwischen 1495 bis 1530 veröffentlicht wurden. Dass insbesondere zwischen 1519 und 1524 in dieser Intensität Übersetzungen theologischen, teilweise auch kirchenkritischen Inhalts erschienen,589

589

Vgl. Galle, Erasmus-Rezeption im Reich und in England, S. 27f., 33. Vgl. auch Heinz Holeczek, Erasmus von Rotterdam und die volkssprachliche Rezeption seiner Schriften in der deutschen Reformation 1519-1536, in: Zeitschrift für historische Forschung 11 (1984), S. 129-163, hier: S. 129 sowie seine Ausführungen (Erasmus von Rotterdam als ‚Autor‘ von Reformationsflugschriften. Ein Klärungsversuch, in: Hans Fenske / Wolfgang Reinhard / Ernst Schulin (Hgg.): Historia Integra. Festschrift für Erich Hassinger zum 70. Geburtstag, Berlin 1977, S. 97-124, hier: S. 100): „Bis 1540 zählen wir annähernd 200 deutsche Erasmusdrucke, für England sind es über 40

208

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

schmälert auf den ersten Blick den Eindruck des öffentlichen Interesses an Erasmus. Man kann demnach argumentieren, erasmische Schriften seien nicht um ihrer selbst oder gar der Berühmtheit des Verfassers willen in die Volkssprache übertragen worden, sondern aufgrund des zeitlichen Diskussionsinteresses an reformatorischtheologischen Fragestellungen.590 Dieser Einwand ist jedoch leicht zu entkräften, da in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung erasmischer Gedanken und Texte gerade für seine autoritative Bedeutung spricht. Indem danach gefragt wurde, was der große Humanist über gegenwärtige Probleme denke, wird seine noch immer bestehende und auch nach 1524 weiter anhaltende Bedeutung hervorgehoben. Von diesen Ergebnissen und jenen, die für die Teilöffentlichkeit der Lateinkundigen gewonnen wurden, auf das Berühmtwerden des Erasmus schließend sind hier nicht nur zwei differenzierende Verlaufsphasen zu konstatieren, sondern auch zwei sich von einander unterscheidende Zeitpunkte, die als ‚Durchbruch‘ innerhalb einer jeden Teilöffentlichkeit umschrieben werden können: Anders als im humanistisch-theologischen Gelehrtenmilieu, in dem Erasmus seit 1511 Bedeutung besaß, die in der Folge weiter gemehrt wurde, ist in Bezug auf Übersetzungen zunächst davon auszugehen, dass er vor 1519 den volkssprachlich Lesekundigen und Illiteraten kein Begriff war. Aufgrund der verschiedenen vorgestellten Kommunikationswege, die nicht zwangsläufig eine Eigenlektüre voraussetzten, ist jedoch davon auszugehen, dass Erasmus bereits vor Veröffentlichung volkssprachlicher Texte auch der lateinunkundigen Öffentlichkeit weitestgehend bekannt war. Ein detaillierterer Blick ist der qualitativen Auswertung anheimgestellt.

590

und für die Niederlande mehr als 30 solcher volkssprachlicher Ausgaben einzelner Erasmustexte. Die Zahlen für Frankreich und Spanien bewegen sich in der Größenordnung derer Englands und der Niederlande. Der Hauptgrund dafür, daß die volkssprachliche Rezeption des Erasmus im deutschen Sprachraum eine solch ungewöhnlich hohe Zahl von Drucken hervorbrachte, liegt offenbar an der Entwicklung der Reformation in Deutschland und der Schweiz.“ Galle, Erasmus-Rezeption im Reich und in England, S. 33.

209

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

ad 2.) Anzahl der Ausgaben nach Titeln Titel des übersetzten Werks

Ausgaben

Adagia (in Auszügen)

3

Annotationes in Novum Testamentum (in Auszügen)

40

Apologia adversus articulos aliquot per monachos quosdam in Hispaniis exhibitos Causa helvetica orthodoxae fidei. Disputatio Helvetiorum in Baden […]

4 1

Colloquia

4

Consilium cuiusdam ex animo cupientes esse consultum et Roman. Pontifici dignitati et christiani religionis tranquillitati […]

5

De libero arbitrio διατριβη sive collatio

4

Detectio praestigiarum cuiusdam libelli germanice scripti, ficto autoris titulo, cum hoc inscriptione, Erasmi et Lutheri opiniones de Coena domini

1

Enarratio allegorica in primum psalmum

2

Enchiridion militis christiani

3

Epistolae ad Diversos

2

Epistola ad reverendissimum Moguntinensium praesulem atque illustrissimum principem

3

Epistola apologetica ad reverendum in Christo patrem et illustrem principem Christophorum, episcopum Basiliensem

2

Epistola contra quosdam, qui se falso iactant evangelicos

2

Exhortatio ad studium evangelicae lectionis

3

Expostulatio ad quendam amicum

1

Expostulatio Jesu cum homine suapte culpa pereunte

2

Institutio principis christiani

2

Modus orandi deum

1

Nova praefatio in Novum Testamentum

24

Paraclesis

14

Paraphrases in Novum Testamentum (in Auszügen)

16

Precatio dominica in septem portiones distributa

3

Querela pacis

2

Σ

144

Adagia (in Auszügen) Annotationes in Novum Testamentum (in Auszügen) Apologia adversus articulos aliquot per monachos… Causa helvetica orthodoxae fidei. Disputatio… Colloquia Consilium cuiusdam ex animo cupientes esse… De libero arbitrio διατριβη sive collatio Detectio praestigiarum cuiusdam libelli germanice… Enarratio allegorica in primum psalmum Enchiridion militis christiani Epistolae ad Diversos Epistola ad reverendissimum Moguntinensium… Epistola apologetica ad reverendum in Christo patrem… Epistola contra quosdam, qui se falso iactant evangelicos Exhortatio ad studium evangelicae lectionis Expostulatio ad quendam amicum Expostulatio Jesu cum homine suapte culpa pereunte Institutio principis christiani Modus orandi deum Nova praefatio in Novum Testamentum Paraclesis Paraphrases in Novum Testamentum (in Auszügen) Precatio dominica in septem portiones distributa Querela pacis

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

210 Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

Da die Konzentration auf theologische Schriften des Erasmus in den zwischen 1495 und 1530 erstellten Übersetzungen bereits betont wurde, ist an dieser Stelle ein kurzer Blick auf jene Titel zu werfen, die die häufigsten Ausgaben erfuhren: Von den insgesamt 24 verschiedenen Texten, die in die deutsche Sprache übertragen wurden, sind nur vier nachweisbar, die in mehr als fünf verschiedenen Ausgaben veröf-

211

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

fentlicht wurden. Es handelt sich dabei um die ‚Annotationes in Novum Testamentum‘, die ‚Nova praefatio in Novum Testamentum‘, die ‚Paraclesis‘ sowie die ‚Paraphrases in Novum Testamentum‘. Hier wird deutlich, wie stark die neutestamentlichen Studien auch volkssprachlich rezipiert wurden, was unzweifelhaft auf die damalige Situation zurückzuführen ist: Bei anderen Autoritäten – und eindeutig wurde Erasmus als eine solche angesehen – sollte überprüft werden, ob die Kritiken und Forderungen, die zunächst von Luther, in der Folge aber auch von anderen geäußert wurden, zutreffend sind. Dass ca. 65 % aller Übersetzungen des gewählten Zeitraums von diesen vier Titeln bestritten wird, muss jedoch mit der Anmerkung versehen werden, dass mindestens die ‚Annotationes‘ und die ‚Paraphrases‘ in Auszügen veröffentlicht wurden. Der deutlich geringere Umfang konnte daher nicht nur leichter vervielfältigt werden, sondern kann auch als Erklärung dienen, warum hier zahlreiche Übersetzungen angefertigt wurden. Die ‚Adagia‘ beispielsweise waren mittlerweile zu einem umfangreichen Werk angewachsen, deren Übersetzung freilich umso mehr Zeit und Kosten in Anspruch nehmen musste – zumal noch fraglich war, ob derartig klassisch humanistische Inhalte tatsächlich in lateinunkundigen Gesellschaftskreisen den nötigen Anklang fänden, dass Aufwand und Herstellungskosten sich lohnten.

ad 3.) Anzahl der angefertigten Ausgaben nach Druckorten Druckort

Anzahl der Ausgaben

Augsburg

35

Bamberg

1

Basel

10

Breslau

3

Dresden

1

Erfurt

8

Freiburg

5

Hagenau

1

Halberstadt

2

Königsberg

2

Landshut

6

212

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

Leipzig

24

Lübeck

1

Luzern

1

Mainz

8

München

1

Nürnberg

8

Speyer

1

Straßburg

11

Wittenberg

1

Zürich

14

Augsburg Bamberg Basel Breslau Dresden Erfurt Freiburg Hagenau Halberstadt Königsberg Landshut Leipzig Lübeck Luzern Mainz München Nürnberg Speyer Straßburg Wittenberg Zürich

40 35 30 25 20 15 10 5 0

Es wird deutlich, dass es keine bestimmte Region in den deutschsprachigen Reichsteilen gab, in der unverhältnismäßig viele Übersetzungen erasmischer Schriften hergestellt wurden. Augsburg, Leipzig und Zürich – um nur die drei am stärksten vertretenen Druckorte zu nennen – beweisen, dass sich vom mitteldeutschen, sächsischen Raum bis an den Oberrhein und bis in die eidgenössischen Gebiete Offizinen fanden, die volkssprachliche Übertragungen anfertigten. Während Königsberg als Ausnahme im Osten angesehen werden kann, finden sich jedoch auffallend wenig Druckorte im norddeutschen Raum. Dies ist allerdings kein für die volkssprachliche ErasmusRezeption singulärer Fall, sondern charakteristisch für die Verbrei-

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

213

tung der Druckzentrum im Reich: Die meisten Offizinen befanden sich in der Nähe von Universitäten, die nun einmal überwiegend in der Mitte und im südlichen Teil der deutschsprachigen Reichsteile anzutreffen waren.591 Allgemein kann daher behauptet werden, dass sich zwischen 1495 und 1530 Erstellung und Veröffentlichung von Übersetzungen erasmischer Texte auf den gesamten deutschsprachigen Raum erstreckten, in besonderer Weise aber auf den Süden konzentrierten. Die Werke wurden daher nicht ausschließlich in den Regionen übersetzt, in denen Erasmus persönlich anwesend gewesen war oder auffallend stark gewirkt hat. 2.2.) (Geographische) Verbreitung volkssprachlicher Übersetzungen erasmischer Schriften im 16. Jahrhundert Mit Blick auf die Produktionshöhen volkssprachlicher Literatur im 16. Jahrhundert nimmt die deutsche Sprache zwar die führende Rolle ein, aber keine Ausnahmerolle.592 Im gesamten Jahrhundert waren von 10.000 Veröffentlichungen 1347 in deutscher Sprache verfasst, 1046 in italienischer, 961 in französischer und 521 in englischer.593 Die Dominanz der lateinischen Publikationen wird daran deutlich, dass diese mit 5474 Veröffentlichungen zahlreicher vertreten sind als alle volkssprachlichen zusammen.594 Die hier von Pettegree und Hall getätigten Auswertungen bedürfen jedoch einer Relativierung, da wahrscheinlich jedes lateinische Werk in mindestens einem Exemplar auf uns gekommen ist, was für die volkssprachlichen Drucke nicht gilt – erst recht nicht für Flugblätter und Flugschriften. Die gewonnenen Werte dürften sich daher in nicht geringem Maße zugunsten des Lateinischen ausgewirkt haben, lassen aber einen Trend deutlich erkennen.595 Dass lateinische Publikationen eher erhalten sind, liegt vor allem daran, dass sie in ihrer Anschaffung kostspieliger und daher wertvoller waren. Zu ihrer Herstellung verwandte man verschiedene, meist elegante Schrifttypen, fügte Glossen und Anmerkungsapparate ein, was einen größeren Aufwand bedeutete. Außerdem erschienen

591 592

593 594 595

Dies waren zudem die am dichtesten besiedelten Gebiete. Allgemein dazu: Hans-Joachim Koppitz, Zur deutschen Buchproduktion des 15. und 16. Jahrhunderts. Einige Beobachtungen über das Vordringen deutschsprachiger Drucke, in: Gutenberg-Jahrbuch 62 (1987), S. 16-25. Diese Werte, wie auch jene anderer Volkssprachen finden sich bei Pettegree / Hall, Buchdruck und Reformation, S. 351. Ebd. Dies haben auch Pettegree / Hall (ebd., S. 359) für ihre Auswertungen eingeräumt.

214

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

sie häufiger als volkssprachliche Drucke in Großformaten, was den Preis zusätzlich erhöhte.596 Für die Jahrzehnte im 15. Jahrhundert, die unmittelbar auf die Erfindung des Buchdrucks folgten, lassen sich noch deutlichere Werte vermuten – zumal hier die Nachfrage nach volkssprachlicher Literatur wesentlich geringer war. Künast hat daher die These aufgestellt, dass von „rund 5000 deutschsprachigen Werken, die im 15. Jahrhundert in handschriftlicher Überlieferung vorlagen, […] weniger als 10 Prozent verlegt“597 worden seien. Diese seien – man denke z.B. an das ‚Narrenschiff‘ – nicht selten zu Verkaufsschlagern geworden.598 Noch bis zum Beginn der Reformation überwog die Produktionsanzahl lateinischer Werke gegenüber der deutschsprachiger bei weitem.599 Eine Zunahme volkssprachlicher Veröffentlichungen im Reich hat Rolf Engelsing erst im Zuge der reformatorischen Bewegung festgestellt und damit die hervorgehobene Bedeutung des Tagesschrifttums bestätigt:

596

597 598 599

Ebd., S. 358. Lateinische Werke erschienen meist in Quarto oder Folio – also großen Formaten – und setzten sich oft aus mehreren Lagen zusammen. Einblattdrucke und Flugschriften, die Domänen der Tagesliteratur, verfügten über nicht mehr als 32 Seiten. (Vgl. S. 212-219.) Schon allein aufgrund ihres Aktualitätsgehalts machte es wenig Sinn, sie lange aufzubewahren. Die meisten lateinischen Werke hingegen verfügten nicht unbedingt über den Aspekt der Aktualität – ihr Vorteil war, man konnte sie immer lesen. Im Übrigen war es – ich bin bereits näher darauf eingegangen – auch bei vielen humanistischen oder theologischen Werken aufgrund ihres Adressatenkreises nicht erforderlich, sie in die Volkssprachen zu übertragen. So hat Mann Phillips (Erasmus and Propaganda, S. 1f.) deutlich gemacht, dass das Neue Testament des Erasmus von Rotterdam, seine Kirchenväter-Ausgaben und Paraphrasen für ein Fachpublikum bestimmt waren und daher eine Übersetzung nicht erforderlich war. Kurze Abhandlungen, das ‚Enchiridion militis christiani‘, die ‚Colloquia‘ oder die ‚Adagia‘ konnten auch vom gemeinen Volk gelesen und daher in die Volkssprache übersetzt werden. Daran wird deutlich, dass Fachliteratur, die in Latein abgefasst war, auch eher aufbewahrt wurde, da sie nicht nur teurer war, sondern ihr Inhalt meist zeitlos. Hier machte es mehr Sinn, sie über die Jahrzehnte zu bewahren oder zu verkaufen, was von der Tagesliteratur ganz und gar nicht, von der übrigen volkssprachlichen Literatur nur zu einem Teil behauptet werden kann. Künast, Buchdruck und Buchhandel, S. 78. Ebd. Auch für die Drucke in lateinischer Sprache ist eine Auflagenerhöhung feststellbar. Darauf hat Engelsing (Analphabetentum und Lektüre, S. 25) verwiesen und einen guten Eindruck von den Auflagehöhen verschiedener Schriften gegeben.Vgl. daneben: Hase, Die Koberger. Eine Darstellung des buchhändlerischen Geschäftsbetriebes in der Zeit des Überganges vom Mittelalter zur Neuzeit, S. 257; Eckert, Erasmus von Rotterdam, Bd. 2, S. 502; Werner Kienitz, Formen literarischer Ankündigung im 15. und 16. Jahrhundert, Köln 1930, S. 24.

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

215

„Waren am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Deutschland jährlich etwa 40 deutsche Drucke erschienen, so schnellt diese Zahl seit dem Auftreten Luthers sprunghaft in die Höhe. Für 1519 werden 111 und für 1523 498 neue Titel angeführt. Davon stammten allein 418 von Luther und seinen Gegnern, von Luther selbst 1519 etwa ein Drittel, 1523 zwei Fünftel der gesamten Produktion.“600

Wenn Engelsing im Jahr 1524 ein Verhältnis lateinischer Drucke zu deutschen von 3 zu 1 annahm,601 verwundert die Äußerung des Erasmus von Rotterdam nicht mehr, auf die bereits schon einmal hingewiesen wurde: „Die schreiben alles deutsch. Wir haben es mit der Masse zu tun.“602 Dass er hier von der Herstellung deutschsprachiger Texte sprach, lässt vermuten, dass diese Entwicklung nicht unbedingt auf andere europäische Länder zu übertragen ist. Vielmehr hat sich die Druckentwicklung im 15. und 16. Jahrhundert in allen Ländern anders vollzogen. Dies mag das Beispiel Frankreichs im 16. Jahrhundert verdeutlichen: Eine Untersuchung hat ergeben, dass in Paris in den Jahren von 1501 bis 1535 3/4 aller Veröffentlichungen in lateinischer Sprache gehalten waren.603 Bereits daran ist ein gravierender Unterschied zu der Entwicklung in Deutschland erkennbar. Hat die reformatorische Bewegung hier für einen enormen Anstieg volkssprachlicher Drucke gesorgt, so ist in Frankreich eine vergleichbare Zunahme von volkssprachlichen Druckerzeugnissen nicht nachweisbar. Blickt man auf die folgenden Jahrzehnte, so fällt ein weiterer Unterschied zur deutschen Entwicklung auf: In Frankreich waren es insbesondere die Vertreter des Bibelhumanismus, die von Katholiken dominiert wurden, was sich nicht nur in ihrem mitunter gewalttätigen Vorgehen

600 601

602 603

Engelsing, Analphabetentum und Lektüre, S. 26. Ebd. Dass das Größenverhältnis sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts noch zugunsten der deutschsprachigen Literaturproduktion entwickelte, haben Pettegree / Hall (Buchdruck und Reformation, S. 358) zum Ausdruck gebracht. Demnach hat der Anteil der gedruckten lateinischen Texte gegenüber denen in deutscher Sprache auf das ganze Jahrhundert bezogen 61 % gegenüber 39 % betragen. Die gleichen Werte haben sich für Frankreich ergeben. Mit 45 % in lateinischer Sprache hatten Italien und England mit nur 11 % einen größeren Anteil an volkssprachlicher Literaturproduktion. Neben anderen Indizien liegt dies meines Erachtens daran, dass sich der Prozess hin zu einer einheitlichen Volkssprache in beiden Ländern früher vollzogen hat als beispielsweise in Deutschland. Wohl erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts haben es die Volkssprachen geschafft, die Mehrheit der Buchproduktion zu erlangen (ebd., S. 356). Kästner, Antikes Wissen für den „gemeinen Mann“, S. 350. Vgl. auch de Nolhac, Érasme en Italie, S. 115. So eine weitere Auswertung bei Pettegree / Hall, Buchdruck und Reformation, S. 360.

216

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

gegen das protestantische Lager zeigte, sondern vor allem auch in ihrer großen literarischen Aktivität.604 So kann davon ausgegangen werden, dass in Frankreich andere Entwicklungen – und weitestgehend unabhängig von der deutschen Situation – dafür verantwortlich waren, dass hier ein Prozess in Gang gesetzt wurde, der seinerseits jedoch ganz ähnlich für eine Zunahme des volkssprachlichen Druckanteils sorgte. Diese Unterschiede zeigen sich allerdings nicht nur im Vergleich zwischen Frankreich und Deutschland. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass jedes Land seine ihm eigene Entwicklung im Buchdruck und Druckhandel hatte, wie auch Andrew Pettegree und Matthew Hall betont haben: „Vielmehr hatte jede europäische Reformationsbewegung ihren sehr eigenen Charakter, der durch soziale und politische Faktoren geprägt wurde, aber auch durch die Strukturen des Buchdrucks im jeweiligen Land. Vor allem in dieser Hinsicht kann die deutsche Reformation nicht als normativ verstanden werden, ja sie ist nicht einmal typisch, sondern erscheint als eine Ausnahme.“605

Eine Ausnahme anderer Art stellt in diesem Zusammenhang auch Erasmus von Rotterdam dar, da er ausschließlich in lateinischer Sprache publizierte,606 während andere Literaten wie Luther oder Hutten sich des Lateinischen und der Volkssprache bedienten oder Übersetzungen ehemals lateinischer Texte veröffentlichten.607 (Bezeichnenderweise wurde die erste Übersetzung eines erasmischen Textes 1519, in der frühen Phase der Reformation, veröffentlicht.) Die volkssprachliche Rezeption verschiedener lateinischer Autoren gestaltete sich

604

605 606 607

Frankreich bekämpfte seit 1535 verschiedene Häretiker, darunter auch Protestanten. 1559 schloss Heinrich II. Frieden mit Spanien und konnte sich nun ganz gegen die Protestanten im Land wenden. Zwar entwickelte sich nach dem Tode des Königs auch in Frankreich in den Jahren 1559 bis 1565 eine protestantische Bewegung, in deren Folge zwar 1/3 der französischen Bücher aus dem evangelischen Lager stammten – dies gilt für 1560 bis 1565 –, aber die katholische Reaktion war eine andere als im Reich. Vgl. dazu auch Pettegree / Hall, Buchdruck und Reformation, S. 364-366. Ebd., S. 370. Vgl. S. Diane Shaw, A Study of Collaboration Between Erasmus of Rotterdam and His Printer Johann Froben, S. 31-124. Daneben machen Scholz und Schütte auf eine andere Besonderheit im Falle des Erasmus von Rotterdam aufmerksam: „Erasmus von Rotterdam und sein Netzwerk von Gelehrten […] sind deswegen ein deutliches Beispiel für das Wohnen im Medium, weil seine Schriften einen Typus von Gelehrsamkeit repräsentieren, der seinen Ort weder im höfischen noch im universitären Bereich hat.“ Vgl.: Leander Scholz / Andrea Schütte, „Heiliger Sokrates, bitte für uns!“ – Simulation und Buchdruck, in: Fohrmann (Hrsg.), Gelehrte Kommunikation, S. 33-156, hier: S. 34.

217

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

auch in geographischer Hinsicht entsprechend unterschiedlich. Exemplarisch lässt sich für die Erasmus-Rezeption ein Eindruck gewinnen, wenn man die Verteilung der Druckorte jener Übersetzungen seiner Texte untersucht, die im gesamten 16. Jahrhundert erschienen. Freilich beinhaltet diese Auflistung nicht alle Druckorte im Reich, auch gibt sie nicht die unterschiedlich starke Bedeutung einzelner Druckzentren in Hinblick auf sonstige Druckerzeugnisse wieder. Dafür vermittelt sie aber einen Eindruck von der Konkurrenz der Druckorte untereinander im Allgemeinen – frei von Differenzierung nach Druckerzeugnissen – und einen Eindruck von der weit verbreiteten Rezeption erasmischer Texte im Besonderen. Anzahl Drucke

Druckort

Anzahl Drucke

Druckort

Anzahl Drucke

Augsburg

41

Hagenau

3

München

1

Bamberg

1

Halberstadt

2

Neuburg

1

Basel

10

Königsberg

2

Nürnberg

13

Breslau

3

Landshut

6

Speyer

1

Coburg

1

Leipzig

27

Straßburg

18

Dresden

2

Lübeck

1

Ulm

1

Erfurt

10

Luzern

1

Wittenberg

4

Frankfurt

3

Magdeburg

1

Zürich

19

Freiburg

5

Mainz

8

Σ

185

45 40 35 30 25 20 15 10 5 0

Augsburg Bamberg Basel Breslau Coburg Dresden Erfurt Frankfurt Freiburg Hagenau Halberstadt Königsberg Landshut Leipzig Lübeck Luzern Magdeburg Mainz München Neuburg Nürnberg Speyer Straßburg Ulm Wittenberg Zürich

Druckort

218

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

Offensichtlich treffen die von Pettegree und Hall gemachten Hinweise auch auf die Druckzentren von deutschsprachigen Übersetzungen erasmischer Werke zu. Diese wurden an 26 verschiedenen Orten im 16. Jahrhundert hergestellt, die größtenteils zwischen Augsburg im Süden, Magdeburg im Norden, Speyer im Westen sowie Breslau im Osten lagen. Auffallend ist, dass Orte wie Basel, Freiburg, Straßburg oder Zürich, die diesem Städtenetz im engeren Sinne nicht zuzurechnen sind, vergleichsweise hohe Produktionszahlen aufweisen. Nicht nur die Entfernung von den Druckzentren in der Mitte Deutschlands scheint ursächlich für die Höhe der Druckzahlen gewesen zu sein; es bestätigt sich zudem der Eindruck, dass das oberdeutsche Gebiet im 16. Jahrhundert wohl überdurchschnittlich stark humanistische Texte rezipierte.608 (Im Übrigen wird für die in dieser Gegend hohe Anzahl der Übersetzungen erasmischer Werke nicht zuletzt der langjährige Aufenthalt des Humanisten in Freiburg und Basel verantwortlich gewesen sein.) Dass selbst im relativ entlegenen Königsberg zwei Übersetzungen erasmischer Schriften veröffentlicht wurden und auch Lübeck in der Auflistung erscheint, macht deutlich, dass die Rezeption humanistischer, theologischer Schriften in Form von deutschsprachigen Übersetzungen weite Teile Deutschlands umfasste und sich nicht nur auf die vermeintlichen intellektuellen Hochburgen in Mitteldeutschland (Dreieck Erfurt, Leipzig, Dresden) und am Oberrhein beschränkte. Jedoch – und das muss folgenden Studien vorbehalten bleiben – muss die Frage gestellt werden, warum in dieser Zusammenstellung kein Druckzentrum zwischen Köln und Hamburg oder Aachen und Braunschweig erscheint. War der Einfluss der scholastisch geprägten Kölner Theologen so enorm, dass jegliche Veröffentlichung einer ErasmusÜbersetzung verhindert werden konnte? – Dies mag freilich für das Umfeld Kölns gelten, doch keineswegs für Hamburg, Hannover oder Braunschweig. Aufschlüsse darüber könnten vergleichbare Untersuchungen für die Rezeption anderer Humanisten- und Theologenschriften im gleichen Zeitraum geben, die deutlich machen würden, ob es sich bei obiger Auswertung um einen Sonderfall handelt oder ein allgemein üblicher Trend beschrieben wird.

608

Vgl. dazu auch den von P. G. Schmidt herausgegebenen Sammelband unter dem Titel Humanismus im deutschen Südwesten.

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

219

2.3.) Druckformate von Übersetzungen erasmischer Schriften Die Verteilung der Druckformate gibt Eindruck von der möglichen Beschaffenheit der Leserschaft. Kleinere Formate waren zu geringeren Preisen zu erwerben und konnten daher eine weite Verbreitung erfahren. In gewisser Weise mag dies auch Rückschlüsse auf die (volkssprachliche) Rezeption erasmischer Texte geben. Im Folgenden erfolgt daher ein Vergleich zwischen den im 16. Jahrhundert in deutscher und englischer Sprache erschienenen Übersetzungen des Erasmus von Rotterdam, der nach Luther der meistgelesene Autor seiner Zeit war.609 Ein Vergleich der volkssprachlichen Rezeption erasmischer Schriften in England (E) und im deutschsprachigen Raum (D) bietet die Möglichkeit, die jeweils individuellen Charakteristika dieser Entwicklung wie auch der allgemeinen Verhältnisse von Buchdruck und Lesepublikum im 16. Jahrhundert aufzuzeigen.610 Ausgewählt wurden diese beiden Länder, da das Wirken des Erasmus während seines Itinerars durch Europa in England und Deutschland am längsten währte. Die Daten erheben zwar nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sind aber meines Erachtens durchaus repräsentativ. a) Übersicht über die Verteilung der Druckformate p.a. Σ 2 15 55 36 9 8 5

609

610

Anzahl der Formate (D) 2° 4° 8° 16° ? 1 1 0 0 0 0 15 0 0 0 0 55 0 0 0 0 33 3 0 0 2 6 1 0 0 0 7 1 0 0 0 0 4 0 1

Jahr 1519 1520 1521 1522 1523 1524 1525

Anzahl der Formate (E) 2° 4° 8° 16° ? 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 2 0 0 0

Σ 0 0 0 0 0 1 2

Vgl. Holeczek: Erasmus Deutsch, S. 22f.: „Der Gegensatz verschärft sich erheblich, wenn man feststellt, daß Erasmus, verglichen mit den anderen in Deutsch verbreiteten Publizisten nach Luther und vor Melanchthon der meistgelesene Autor seiner Zeit im deutschssprachigen Raum war. Luther erweist sich auch hierin als absolute Ausnahme mit durchschnittlich doppelt so vielen (teils selbstverfaßten, teils von anderen übersetzten) deutschen Ausgaben; doch verläuft die Kurve diese beiden im deutschen Sprachraum meistverbreiteten Autoren auffällig parallel […]. In seiner deutschen Verbreitung wird Erasmus aber sonst von keinem anderen deutschsprachigen Autor auch nur annähernd erreicht.“ Es ist darauf hinzuweisen, dass die Skalierung der y-Achse zwischen beiden Diagrammen variiert. Eine detailliertere Darstellung für den englischen Fall war aufgrund der geringeren Gesamtzahl der Druckerzeugnisse, verglichen mit dem deutschen Fall, geboten.

220 Σ 5 1 1 2 5 11 3 1 5 1 1 3 0 0 0 0 5 1 1 2 3 0 0 1 0 0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam Anzahl der Formate (D) 2° 4° 8° 16° ? 0 3 2 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 1 0 0 0 3 2 0 0 0 10 1 0 0 0 1 2 0 0 0 1 0 0 0 0 3 2 0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 2 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 1 1 0 0 0 0 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

Jahr 1526 1527 1528 1529 1530 1531 1532 1533 1534 1535 1536 1537 1538 1539 1540 1541 1542 1543 1544 1545 1546 1547 1548 1549 1550 1551 1552 1553 1554 1555 1556 1557 1558 1559 1560 1561 1562 1563 1564 1565 1566 1567 1568

Anzahl der Formate (E) 2° 4° 8° 16° ? 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 1 0 3 1 0 1 0 1 0 0 5 0 5 0 1 0 0 11 0 1 1 0 1 1 0 0 2 0 0 1 0 0 2 0 0 0 0 3 0 0 0 0 5 0 0 0 0 3 0 0 0 0 1 0 1 0 0 3 0 0 0 0 1 0 0 0 0 3 0 0 0 2 5 0 1 0 0 0 0 0 0 1 3 0 1 3 0 1 2 0 4 1 0 0 0 0 0 7 4 1 0 1 2 0 0 0 1 2 0 0 0 1 5 0 1 0 0 3 0 0 0 0 2 0 0 0 0 3 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 4 0 0 0 0 1 0 0 0 0 2 0 0 0 1 1 0 0 0 0 3 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 2 0 0 0 0 1 0 0 0

Σ 1 0 0 1 1 5 2 11 12 3 3 2 3 5 3 2 3 1 3 8 0 5 6 5 12 3 3 7 3 2 3 2 0 1 4 1 2 2 3 0 1 2 1

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam Σ 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 185

Anzahl der Formate (D) 2° 4° 8° 16° ? 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 9 149 25 0 2

Jahr 1569 1570 1571 1572 1573 1574 1575 1576 1577 1578 1579 1580 1581 1582 1583 1584 1585 1586 1587 1588 1589 1590 1591 1592 1593 1594 1595 1596 1597 1598 1599 1600 ? Σ

Anzahl der Formate (E) 2° 4° 8° 16° ? 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 15 17 99 8 11

221 Σ 1 0 0 0 0 1 0 1 2 0 0 1 0 0 0 2 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 150

222

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

b) Graphische Verteilung der Druckformate deutschsprachiger Erasmus-Übersetzungen des 16. Jhdts 60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5







1599

1595

1591

1587

1583

1579

1575

1571

1567

1563

1559

1555

1551

1547

1543

1539

1535

1531

1527

1523

1519

0

223

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

c) Graphische Verteilung der Druckformate englischsprachiger Erasmus-Übersetzungen des 16. Jhdts. 12

10

8

6

4

2







16°

1599

1595

1591

1587

1583

1579

1575

1571

1567

1563

1559

1555

1551

1547

1543

1539

1535

1531

1527

1523

1519

0

?

Auf den ersten Blick wird deutlich, dass die meisten Übersetzungen in deutscher Sprache im Quartformat erschienen sind.611 Mit einer Anzahl von 149 Veröffentlichungen macht dieses Druckformat nahezu 86 % aller Publikationen aus. Die anderen Formate weisen somit einen weitaus geringeren Anteil auf. Das Sedezformat (16°) erscheint in der Auflistung gar nicht. Gerade in den frühen 1520er Jahren sind unverhältnismäßig viele Titel erschienen – die große Mehrheit im Quartformat. Dies legt die Vermutung nahe, dass sich in diesen Jahren das Gros der Leserschaft im deutschsprachigen Raum aus besser situierten Gesellschaftsschichten rekrutierte. Denkbar ist auch, dass Verleger zunächst prüfen wollten, ob volkssprachliche Texte eines humanistischen Autors, der selbst ausschließlich in lateinischer Sprache schrieb, überhaupt Abnehmer fanden. Dass in den folgenden Jahren die Anzahl der im Oktavformat publizierten Titel zunahm,

611

Vgl. Galle, Erasmus-Rezeption im Reich und in England, S. 35-37.

224

Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

lässt vermuten, dass der ‚volkssprachliche Erasmus‘ guten Absatz fand und sich folglich auch in sozialen Schichten geringeren Einkommens vermarkten ließ. Auffällig ist, dass in der zweiten Jahrhunderthälfte kaum noch Übersetzungen veröffentlicht wurden. Für die im 16. Jahrhundert erschienenen Erasmus-Übersetzungen in englischer Sprache ist die Verteilung der Druckformate eine gänzlich andere gewesen: Das Quartformat spielte hier mit 11,3 %, gemessen an allen 150 Veröffentlichungen, eine untergeordnete Rolle. Die Mehrheit macht hier das Oktavformat mit 66 % aus – wenn auch nicht so eindeutig wie die vorherrschende Stellung des Quartformats innerhalb der deutschsprachigen Veröffentlichungen. Folio ist mit 10 %, Sedez mit 5,3 % vertreten. Auffällig ist auch, dass in England die meisten Titel in den 1530er Jahren sowie zur Jahrhundertmitte veröffentlicht wurden. Die Anzahl an Übersetzungen nahm zwar seit 1549 mit wenigen Ausnahmen kontinuierlich ab, doch erschienen auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder Titel. Die deutliche Konzentration auf die erste Jahrhunderthälfte, wie sie für den deutschsprachigen Raum vorliegt, ist für den englischen keineswegs nachweisbar. Die großen Unterschiede zwischen den englischen und deutschen Druckgewerben im 16. Jahrhundert treten in dieser Auswertung offen zu Tage. Daher ist anzunehmen, dass aufgrund der verschiedenen prozentualen Verteilung der Formate in Deutschland und England sowohl unterschiedlich große Bevölkerungsgruppen die Schriften des Erasmus in ihrer Volkssprache haben lesen können als auch die Zusammensetzungen der Rezipientenkreise sich anders gestalteten. Da in Deutschland große Formate bei weitem überwogen, dürfte hier zunächst der Leserkreis kleiner gewesen sein. Es wird sich hier insbesondere zunächst um Personen gehandelt haben, die zwar an humanistischen Inhalten interessiert waren und an theologischen Diskussionen teilnahmen, der lateinischen Sprache jedoch nicht mächtig waren. In England hingegen wurde wohl eine wesentlich größere Leserschaft von den Übersetzungen erasmischer Schriften erreicht, da hier kleinere Formate überwogen.

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

225

2.4.) Auflagenstärken erasmischer Schriften Wenn Willehad Paul Eckert erwähnt, dass abgesehen von wenigen Ausnahmen wie der siebenbändigen kommentierten Bibel, die von Koberger in Nürnberg 1498 bis 1502 in 1600 Exemplaren verlegt wurde, im 15. Jahrhundert die durchschnittliche Auflagenstärke bei 500 Exemplaren lag,612 so scheint dies für die Bedeutung des ‚Encomium Moriae‘ zu sprechen, dessen Auflage 1800 Exemplare betrug. Mit der Jahrhundertwende nahmen die Auflagenstärken jedoch zu: So wurden etwa die ‚Erotemata‘ Guarino Guarinis bereits 1508 in 3000 Exemplaren veröffentlicht. Insofern könnte man das nur 1800 Exemplare zählende ‚Lob der Torheit‘ für weniger bedeutend ansehen, doch war es riskant, eine Schrift von einem bis dato nur in ‚Teilöffentlichkeiten‘ populären Autor in so vielen Exemplaren zu verlegen. Zur Relativierung sei gesagt, dass Martin Luther zur Zeit der erwähnten Publikation ‚An den christlichen Adel‘ bereits äußerst populär war, was für Erasmus erst nach dem ‚Encomium Moriae‘ gelten konnte. Das Wagnis, eine Schrift in solch hoher Erstauflagenzahl zu verlegen, scheint sich gelohnt zu haben – sonst hätte Rhenanus nicht derart überrascht darauf hingewiesen, dass nach rund vier Wochen bereits 2/3 verkauft waren. Dass dies die einzige Schrift des Erasmus zu sein scheint, für die exakte Auflagenzahlen vorliegen, ist bezeichnend. Nur an wenigen Stellen der Erasmus-Korrespondenz werden explizit Auflagenstärken erwähnt: So erschien die 1535 fertiggestellte Schrift ‚Ecclesiastes sive de ratione concionandi‘ bei Froben in 2600 Exemplaren.613 Daneben finden sich ebenfalls einige Informationen, die, wenn nicht in allen Fällen unbedingt genaue Auflagenhöhen, so doch wenigstens einen Eindruck von dem Erfolg manch einer Schrift vermitteln. So war Erasmus – ähnlich wie Luther und andere Zeitgenossen – mit dem Problem konfrontiert, dass unautorisierte Nachdrucke einiger seiner Titel auf dem Markt kursierten.614 Dies ist beispielsweise im Falle der 1522 bei Froben in Basel erstmalig erschienenen

612 613 614

Vgl. Eckert, Erasmus von Rotterdam, Bd. 1, S. 132. Vgl. Allen XI, Nr. 3076, S. 259f., hier S. 259, Z. 7f. (datiert auf 15. Dezember 1535; adressiert an Damianus de Goes). Vgl. dazu Holeczek, Erasmus von Rotterdam als ‚Autor‘ von Reformationsflugschriften, S. 101: „Da jedoch aus seinen Werken zeitweise eine erstaunlich große Anzahl von Flugschriften hervorging, muß es dafür besondere Gründe gegeben haben, welche andere dazu bewog, ihnen geeignet erscheinende Texte des Erasmus auszuwählen, zu exzerpieren, zu übersetzen und gedruckt in die öffentliche Reformdiskussion einzubringen, um diese in einem bestimmten Sinne zu beeinflussen.“

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

Schrift ‚De conscribendis epistolis‘ nachweisbar.615 Zum Titel ‚In elegantias L. Vallae‘ (Erstausgabe 1531 durch J. Faber Emmeus in Freiburg) gab es gleich mehrere Raubdrucke.616 Ebenso nahmen mehrmals Drucker Kontakt zu Erasmus auf, um ihn um Erlaubnis eines Nachdruckes zu bitten oder sich teilweise in allzu drängender Form nach dem Fortschritt seiner Arbeit zu erkundigen, um möglichst bald den entsprechenden Titel anfertigen zu können.617 Der Erfolg manch einer Schrift kommt ebenso vereinzelt in der Korrespondenz zum Ausdruck: Gute Abnahme fanden wohl die ‚Opera omnia‘ des Hieronymus, die Erasmus erstmalig bei Froben in Basel hatte drucken lassen. Aus dem Briefwechsel geht hervor, dass die Ausgabe in Antwerpen gerade in den Verkauf kam,618 als sie kurz darauf in Brüssel schon ausverkauft war.619 Ähnlich guten Absatz fand bereits bald nach Veröffentlichung das NT von 1519,620 wie auch Holeczek unterstreicht:

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In diesem Falle handelt es sich sogar um einen Raubdruck, der bereits vor Veröffentlichung der Erstausgabe erfolgte, da der Drucker Siberch in Cambridge augenscheinlich an die Druckvorlage gelangt war, die es ihm ermöglichte, bereits 1521 eine Edition herauszugeben. Vgl. dazu Allen I, Nr. 71, S. 198f., hier: Vorbemerkung S. 198 (datiert auf März 1498; adressiert an Robert Fisher). Vgl. dazu: Allen VIII, Nr. 2260, S. 331-339, hier: S. 333f. (datiert auf 28. Januar 1530; adressiert an Peter Gilles); IX, Nr. 2412, S. 93f., hier: S. 93 (datiert auf 15. Dezember 1530; adressiert an Hieronymus Froben); XI, Nr. 3099, S. 286f., hier: S. 287 (datiert auf ca. 20. Februar 1536; adressiert an die Leser). So sehnte sich etwa Froben danach, eine überarbeitete Ausgaben der ‚De duplici copia verborum ac rerum commentarii duo‘ anfertigen zu können. Vgl. Allen II, Nr. 581, S. 557f., hier: S. 558 (datiert auf 10. Mai 1517; verfasst von Rhenanus). Daneben war es möglich, dass ein Drucker ältere Ausgaben einer anderen Offizin neu auflegte. So veröffentlichte Froben beispielsweise einige Erasmusausgaben neu, die zuvor von Aldus Manutius in Venedig angefertigt worden waren. Vgl. dazu: Martin Lowry, The World of Aldus Manutius. Business and Scholarship in Renaissance Venice, Cambridge 1979, S. 273. Dazu gehörten u.a. die ‚Adagia‘, die der erfolgreichste Druck des Manutius waren (ebd., S. 263). Zu den griechischen Drucken des Aldus vgl.: Martin Sicherl, Aldus Manutius und seine griechischen Erstausgaben, in: Gymnasium 103 (1996), S. 411-432. Vgl. Allen II, Nr. 475, S. 354-356, hier: S. 356 (datiert auf 6. Oktober 1516; adressiert an Andrea Ammonio). Vgl. Allen II, Nr. 483, S. 374f., hier: S. 375 (datiert auf 9. November 1516; adressiert an Andrea Ammonio). Gedruckt bei Froben in Basel. Die Aussage über den guten Verkauf des NT erscheint in Allen III, Nr. 970, S. 595f., hier: S. 595 (datiert auf 21. Mai 1519; adressiert an Jakob Banisius). Holeczek, Erasmus von Rotterdam als ‚Autor‘ von Reformationsflugschriften, S. 103: „Das wohl folgenschwerste Werk des Erasmus, sein Novum Tes-

Der Aufstieg des Erasmus von Rotterdam

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„[D]avon erschienen zwischen 1518 und 1524 allein bei Froben mindestens acht weitere Drucke. Daneben zählen wir etwa 25 Nachdrucke anderer Presse. Will man sich eine Vorstellung von der Größenordnung der Distribution der lateinischen NT-Version des Erasmus bilden, so muß man bis 1524/25 mit etwa 30000 und mehr gedruckten und verkauften Exemplaren rechnen.“621

Resümierend ist festzuhalten, dass genaue Informationen über die tatsächlichen Auflagenhöhen zumindest eines Großteils des erasmischen Œuvres nicht auszumachen sind.

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tamentum, erschien erstmals 1519 unter diesem Titel, nachdem es bereits 1516 als Novum Instrumentum herausgekommen war. Aus dieser Ausgabe gingen besonders in den Jahren 1520 bis 1524 eine Fülle von (annähernd 70) deutschen Auszügen hervor.“ Holeczek, Erasmus von Rotterdam als ‚Autor‘ von Reformationsflugschriften, S. 105f. Dort (Anm. 20) auch bibliographische Angaben, auf welche Holeczek seine These stützt. Von den Paraphrasen zum Neuen Testament wurde nach Holeczek diejenige zum Matthäusevangelium mit zwanzig verschiedenen Drucken zwischen 1522 und 1525 am stärksten vervielfältigt (ebd., S. 115).

228 C. ÜBERPRÜFUNG DER GEWONNENEN ERKENNTNISSE ANHAND DER BIOGRAPHIE DES ERASMUS VON ROTTERDAM Die vorangestellten Untersuchungen haben bereits verschiedene Rückschlüsse auf das Berühmtwerden und Berühmtsein des Rotterdamers ermöglicht. Diese rein datenbasierten Erkenntnisse gilt es, im Rahmen einer qualitativen Quellenauswertung zu überprüfen. Dazu empfiehlt es sich, die Biographie in den Blick zu nehmen, aus bekannten Gründen jedoch das Hauptaugenmerk auf den Zeitraum von 1495 bis 1530 zu richten.

1.) Rückblick: Die frühen Jahre Die Startbedingungen des Erasmus von Rotterdam konnten kaum schlechter sein: Sein Vater wird zwar aufgrund seiner Position im klerikalen Bereich über ein gewisses Maß an sozialem Ansehen und an Bildung verfügt haben, doch konnten seine Söhne zu keinem Zeitpunkt davon profitieren. Der Makel der unehelichen Abstammung verwehrte nicht nur die Promotion an zahlreichen europäischen Universitäten, sondern von Anfang musste auf jegliche Unterstützung von Seiten des Vaters verzichtet werden. Dabei spielte die fehlende persönliche Nähe zum Vater sicherlich die geringste Rolle. Die materiellen Ressourcen blieben aus, durch die eine schulische Ausbildung erleichtert und eine bessere akademische Bildung ermöglicht worden wäre. Dass nach dem Tod beider Elternteile ein Erbe zumindest die finanzielle Situation der Söhne verbessert hat, ist weder bezeugt noch wahrscheinlich. Es ist vielmehr so, dass Erasmus mit 18 Jahren – ausgehend vom Geburtsjahr 1466 – außer einer Schulbildung nichts besaß, was ihm den Lebensunterhalt hätte sichern können. Sofern er zu diesem Zeitpunkt Zukunftspläne schmiedete, mussten die meisten aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel scheitern. Notgedrungen und widerwillig musste sich Erasmus daher dem Willen seines Vormunds fügen, in das Kloster Steyn einzutreten. Offensichtlich mangelte es dem Vormund ebenfalls an den nötigen Ressourcen oder zumindest an der Bereitschaft, die beiden Vollwaisen langfristig zu unterstützen. Die prekäre Lage und schlechten Zukunftsperspektiven hat Anton J. Gail daher ganz richtig betont: „Gönner, Pfründen mußte man haben, wollte man zu jener Zeit als Kind geringer Eltern oder gar dunkler Herkunft (wie Erasmus) an die Futterkrippen wissenschaftlicher Ausbildung gelan-

Überprüfung der Erkenntnisse anhand der Biographie

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gen.“622 Dies brachte – wie auch immer sein dortiger Aufenthalt von Erasmus selbst oder in der Forschung bewertet wurde – das Kloster zustande: Hier wurde ihm ein Zugang zur antiken und kirchenväterlichen Literatur ermöglicht, für seine körperliche und geistige Nahrung gesorgt und letztlich der Kontakt zu seinem ersten Gönner hergestellt. Voraussetzungen für seine Einstellung als Sekretär in Cambrai waren indes die persönliche Eignung sowie Talent. Daher mag es in der Rückschau nicht verwundern, dass Erasmus ein Angebot der Anstellung erst unterbreitet wurde, nachdem er bereits einige Texte verfasst und in diesen sein Können unter Beweis gestellt hatte.623 Anhand der Titel, von denen allerdings keiner veröffentlicht wurde, wird deutlich, dass sich Erasmus bereits in diesen frühen Werken theologischen und humanistischen Fragen zuwandte. Die Orientierung an Lorenzo Valla sowie seine Schriften gegen ‚barbarisches‘ Latein bezeugen, dass Erasmus großen Wert auf literarischen Stil und philologische Korrektheit legte, was ihn für eine Sekretärsanstellung freilich prädestinierte. Neben dem Kontakt, den das Kloster zum Bischof von Cambrai herstellte, waren daher auch persönlicher Ehrgeiz und Eignung ursächlich für die Chance, die sich ihm bot. Neben der Möglichkeit, im Rahmen seiner Tätigkeit neue Kontakte zu schließen, ist – retrospektiv betrachtet – bereits in dieser persönlichen Veränderung die Weichenstellung in Richtung Studium zu sehen. Es ist mehr als fraglich, ob Erasmus ohne die Unterstützung des Bischofs jemals die Möglichkeit gehabt hätte, ein Studium zu absolvieren. Die Betonung des Gönners durch Anton J. Gail findet daher am Beispiel des Erasmus eine unwiderlegbare Bestätigung. Erasmus war für den Studienbeginn bereits vergleichsweise alt, was den Mangel an persönlichen Entwicklungschancen ein weiteres Mal unterstreicht: Zu Beginn seiner dritten Dekade – mit 28 Jahren – nahm er das Studium auf.

2.) 1495 bis 1499: Paris Rhenanus berichtet davon, dass der Bischof gerne die Kosten aus eigener Tasche bezahlt habe, um Erasmus das Studium in Paris zu ermöglichen. Entscheidender Grund für die Generosität sei die Begabung des Rotterdamers gewesen, die Heinrich von Bergen bewunder-

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Vgl. Anton J. Gail, Erasmus von Rotterdam in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek bei Hamburg 1990, S. 13. Vgl. S. 165 dieser Arbeit sowie Vredeveld, The Ages of Erasmus, S. 803f.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

te und gern fördern wollte.624 Aus Sicht des Erasmus war es vor allem die Unzufriedenheit mit seiner Anstellung in bischöflichen Diensten, die ihn zu persönlicher Veränderung veranlasste: Die geplante Romreise Heinrichs von Bergen, auf die Erasmus gehofft hatte, kam nicht zustande, so dass Cornelius Augustijn ganz richtig folgerte: „Das Studium blieb das hohe Ziel, an einer Karriere im Dienst eines Kirchenfürsten war Erasmus nicht interessiert. Er wollte nach Paris, dem Zentrum der Wissenschaft.“625 Dass dies realisiert werden konnte, hatte Erasmus in besonderer Weise dem Stadtsekretär von Bergen Batt zu verdanken, der sich beim Bischof für ihn einsetzte. So konnte sich Erasmus in der theologischen Fakultät einschreiben, die bekanntlich stark scholastisch geprägt war, und nahm sogleich Kontakt zur führenden Persönlichkeit des Pariser Humanistenkreises, Robert Gaguin, auf. Schon bald trug dieser Kontakt Früchte: Wenngleich Gaguin riet, mit Schmeicheleien sparsam umzugehen – denn damit hatte Erasmus seinen ersten Brief reichhaltig versehen,626 kam durch diesen die erste Veröffentlichung des Erasmus zustande: Das Ende September 1495 in Paris erschienene Buch ‚De origine et gestis Francorum compendium‘ Gaguins endet mit einem Brief des Erasmus, in dem er Verfasser und Werk pries.627 Dem Brief vorangestellt wurde ein Gedicht von Faustus Andrelinus, der als italienischer Humanist bereits einige Jahre in Paris die artes lehrte. Auch mit ihm entwickelte sich eine Freundschaft und der Hinweis Wilhelm Ribhegges, Gaguin und Andrelinus verfügten über Kontakte zum Hofe Karls VIII.,628 verdient an dieser Stelle besondere Beachtung. Erasmus hatte somit nicht nur Aufnahme in den Kreis der humanistischen Elite von Paris gefunden, sondern zugleich auch Kontakt zu Personen, die sich ihrerseits mitunter in den höchsten Kreisen des Landes und an den Schaltstellen der Macht aufhielten. Dass sich Erasmus dieses Erfolgs seiner Entwicklung und Netzwerkbildung bewusst war, ist daran zu ersehen, dass er sich als Verfasser jenes Briefes, 624

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Vgl. Allen I, S. 58, Z. 62-65: At Cameracensis, felicissimum Erasmi alumni sui ingenium contemplatus, haud gravatim eum sumptibus instruxit, ut Lutetiam proficisceretur et illic theologiae, quam schloasticam vocant, daret operam. Vgl. Augustijn, Erasmus von Rotterdam, S. 26. Der erste Brief des Erasmus an Gaguin ist nicht überliefert, wohl aber die erwähnte Antwort: Allen I, Nr. 43, S. 145-147. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 25. Bei dem Brief handelt es sich um Allen I, Nr. 45, S. 148-152. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 25. Vgl. auch: André Stegmann, Érasme et la France (1495-1520), in: Colloquium Erasmianum. Actes du Colloque International réuni à Mons du 26 au 29 octobre 1967 à l´occasion du cinquième centenaire de la naissance d´Érasme, Mons 1968, S. 275-297.

Überprüfung der Erkenntnisse anhand der Biographie

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der zwei Jahre später in der Neuauflage von Gaguins Werk vom Schluss des Buches an dessen Anfang gesetzt wurde, Herasmus Rotterdamus629 nannte: Im antiken Latein galt der Brauch, einem vokalisch anlautenden Namen ein ‚H‘ voranzustellen, als Stilmittel übertriebener Vornehmheit, ja bisweilen gar selbstverliebter Arroganz.630 Thematisierungen dieses Phänomens sind beim Rhetoriker Quintilian und dem Epigrammatiker Catull, insbesondere in dessen carmen 84, bezeugt. Hans Peter Syndikus hat diese Erscheinungsformen der Antike pointiert beschrieben: „Erklärlich ist diese plötzliche Vorliebe allein dadurch, daß sich in der des Griechischen kundigen gebildeten Gesellschaft die Anwendung der Aspiration schnell verbreitete und geradezu ein Kennzeichen gebildeten Sprechens wurde.“631 Dem zu diesem Zeitpunkt bereits ausgewiesenen Kenner der klassischen Literatur, Erasmus, sollte dies bekannt gewesen sein und dürfte die Intention dieser Schreibweise erklären. Diesem Gedankengang folgend kann dieses Stilmittel als Stolz des homo novus auf seine Leistung interpretiert werden. Daher ist auch der Behauptung Ribhegges, Erasmus „war erstmals in den Humanistenkreisen bekannt geworden“632, beizupflichten. Eine große Rolle spielten in diesem Zusammenhang die ‚Antibarbari‘ – eine Schrift, mit der er sich bei den Pariser Humanisten bekannt machte. Auch wenn sie erst 1520 bei Froben in Basel gedruckt wurde, darf sie in ihrer Wirkung nicht unterschätzt werden und Mann Phillips hat sie zu Recht als bedeutendes Zeugnis der Renaissance nördlich der Alpen bezeichnet.633 Ent-

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Ebd., S. 26. So auch Allen I, Nr. 126, S. 289-297, hier: S. 290, Z. 2 (datiert auf Juni 1500; adressiert an Mountjoy). Vgl. Johann Baptist Hofmann / Hans Rubenbauer (Hgg.), Wörterbuch der grammatischen und metrischen Terminologie, 2. erw. Aufl., Heidelberg 1963, hier: S. 44: „Hyperurbanismus (Hypernormalisierung): durch übertriebenes Streben nach Korrektheit veranlaßte fehlerhafte Formen […] Hyperdialektizismus (z.B. Hyperdorismus) = fehlerhafte Übertreibung beim Sprechen oder Schreiben eines fremden Dialektes […].“ Vgl. bes. auch Hans Peter Syndikus, Catull. Eine Interpretation, Bd. 3, Darmstadt 2001, S. 54: „Quintilian legt dar, daß bei vokalischem Anlaut eine Aspiration im frühen Latein sehr selten war und daß ursprüngliche Konsonanten überhaupt nicht aspiriert wurden. Seine Beispiele für den alten Sprachgebrauch sind aedi, irci, Gracci, triumpi. Später nun habe sich der Gebrauch der Aspiration sehr verbreitet und man habe nun auch Wörter aspiriert, bei denen eine Aspiration durch nichts begründet war. Seine Beispiele sind choronae, chenturiones, praechones.“ Syndikus, Catull. Eine Interpretation, Bd. 3, S. 54. Ebenso: Christian James Fordyce, Catullus. A Commentary, Oxford 1961, S. 374. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 26. Vgl. Margaret Mann Phillips, Erasmus and the Northern Renaissance, 2. Aufl., Suffolk 1981, bes. die Kapitel ‚The Legacy of the Past‘, ‚Erasmus and the Classics‘, ‚The Luthern Tragedy‘ und ‚The Middle Way‘.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

standen ist sie aus einem Dialog zwischen Erasmus, seinem Klosterbruder Willem Hermans und dem bereits genannten Stadtsekretär Jakob Batt. Entfaltet wird darin ein Plädoyer für klassische Bildung, eine Rückkehr zu den alten Sprachen gemäß dem erasmischen Motto ‚ad fontes‘. Dass die ‚Antibarbari’ unter Humanisten Eindruck machten, erklärt sich meines Erachtens aus drei Gründen: Zum Einen aus der deutlichen Kritik an jenen, als Barbaren bezeichneten Personen, die sich jeglicher Hinwendung zur antiken Literatur und Kultur verweigerten, zum Anderen aus dem konsequenten Aufruf, mit Schaffung einer res publica literaria dieser Entwicklung entgegenzusteuern;634 zuletzt wird diese Diskussion in zugleich gefälliger wie stilistisch qualitätvoller Weise präsentiert und erinnert stark an die in den ‚Tusculanae disputationes‘ veröffentlichten Erörterungen zwischen Cicero und seinen Gesprächspartnern über die Philosophie. Der Etablierung im Pariser Humanistenkreis stand in zunehmendem Maße die unangenehme Studiensituation in der theologischen Fakultät gegenüber:635 Doch nicht allein die an Johannes Duns Scotus ausgerichtete Lehre,636 sondern auch der einengende Alltag im Kolleg Montaigu waren wohl vor allem ursächlich dafür, dass sich Erasmus 1496 wieder in sein heimatliches Kloster begab.637 Da das ‚Compendi-

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Vgl. dazu auch: Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 22. Für die gesamte Studienzeit in Paris urteilte Augustijn (Erasmus von Rotterdam, S. 27f.) daher richtig: „Schon während des ersten Jahres wechselte er [aus dem Collège Montaigu] in ein großes Studentenhaus über. Doch einfach waren auch die folgenden Jahren nicht: eine zu geringe Beihilfe des Bischofs, ständiger Geldmangel, erniedrigende Betteleien, als Lehrer im Dienst reicher Söhne aus adligen oder wohlhabenden Bürgerfamilien – und das alles in einem Alter von bereits dreißig Jahren.“ Verschiedene Reisen und Krankheiten behinderten Erasmus in seinem Studium – zumal ihm die scholastische Theologie immer unerträglicher wurde. Vgl. dazu: Grendler, Renaissance Education Between Religion and Politics, S. 42. Allen I, Nr. II, S. 50, Z. 111-113: A studio theologiae abhorrebat, quod sentiret animum non propensum ut omnia illorum fundamenta subuerteret, deinde futurum, ut haeretici nomen inureretur. Hinzu kommt, dass die Absicht, den Doktorgrad zu erwerben, in Paris für ihn nicht realisierbar war, da dort nur ehelich Geborene zugelassen waren. Vgl. Grendler, a.a.O., S. 42: „And Paris only awarded theological degrees to men of legitimate birth; Erasmus, so sensitive about his illegitimacy, would have found obtaining a dispensation painfully embarrassing, if it could be done at all.” Daher nutzte Erasmus die Zeit, um Kontakte zu den ansässigen Humanisten zu knüpfen und sich seinen Schriften zu widmen. Viele seiner späteren rhetorischen Werke haben ihre Wurzeln in Paris, hat Schoeck, The Vocation of Erasmus, S. 206, festgestellt. Dass sich Erasmus bereits 1489 als Anhänger des Humanismus betrachtete, geht hervor aus dem Briefwechsel mit Cornelius Gerard, dem späteren Prior des Augustinerchorherrenklosters in Hemsdonck, (Allen I, Nr. 17-30), insbesondere aber aus

Überprüfung der Erkenntnisse anhand der Biographie

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um vitae‘ an dieser Stelle betont, Erasmus sei mit dem Vorhaben nach Steyn zurückgekehrt, dauerhaft dort zu bleiben, wird dadurch nicht nur seine Unzufriedenheit mit den Studienbedingungen in Paris deutlich,638 sondern auch die Bedeutung des Klosters, in dessen Obhut er sich flüchtete. Ein halbes Jahr später kehrte er, von den Mönchsbrüdern mehr überredet als ermuntert wieder nach Paris zurück, wo er sogleich neue Personen kennenlernte, über die er an Nikolaus Werner, den Prior seines Heimatklosters, schrieb: Nuper in Anglos quosdam forte incideram nobiles, et potentes omnes.639 Allerdings ist hier nicht zweifelsfrei zu klären, um welche Personen es sich handelte. Die von ihnen unterbreiteten lukrativen Angebote, sie zu unterrichten, wehrte Erasmus jedenfalls zunächst mit dem Argument ab, sich ganz seinem Studium widmen zu wollen.640 Daher ist auch nicht zu klären, ob ein weiterer Austausch mit den englischen Studenten oder – entgegen seiner Aussage – doch ein Lehrverhältnis zustande gekommen ist. Allerdings war Privatunterricht als Zuverdienst mittelfristig notwendig, da Erasmus nur dadurch finanziell überleben konnte. Er achtete gleichzeitig darauf, den Kontakt zu den heimischen Geldgebern aufrechtzuerhalten, indem er Heinrich von Bergen und seinem Kloster mehrere Besuche abstattete.641 Obwohl die Zuwendungen des Bischofs bei weitem nie so groß waren, wie dieser versprach,642 konnte es sich Erasmus nicht erlauben, sich verärgert von diesem loszusagen, sondern scheint vielmehr auf jede Unterstützung angewiesen gewesen zu sein. Dies wird u.a. daran deutlich, dass er einen Gedicht-

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Nr. 20, S. 97-100, hier: S. 99, Z. 89-106 (datiert auf 15. Mai [1489?]; adressiert an Cornelius Gerard; aus Steyn). Ein Grund für seine Missstimmung war auch, dass der Bischof die zugesagte Zahlung der Kosten nur in Teilen realisierte. Vgl. Allen I, Nr. II, S. 50: Promissum est stipendium annuum; nihil missum est. Sic solent principes. Allen I, Nr. 48, S. 158-160, hier: S. 158f., Z. 5f. (datiert auf 13. September 1496; adressiert an N. Werner; aus Paris). Ebd., S. 159, Z. 19-22. Umso erstaunlicher ist, dass Erasmus die Angebote ablehnte, während er gleichzeitig erneut darüber klagte, dass der Bischof von Cambrai gerne Zusagen mache, sie aber nur in Teilen realisiere (ebd., S. 160, Z. 25f.). Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 28: „Erasmus achtete darauf, die Beziehungen zu den Niederlanden, zu dem Bischof von Cambrai und zu seinem Orden nicht abreißen zu lassen. […] Zur gleichen Zeit suchte sich Erasmus die Gunst seines Priors durch fromme Geschichten zu erhalten.“ Dennoch wird er die meiste Zeit in Paris gewesen sein, auch wenn Augustijn (Erasmus von Rotterdam, S. 27) richtig feststellt: „Erasmus blieb, mit Ausnahme einiger Unterbrechungen durch Reisen in die Niederlande, von 1495 bis 1499 in Paris.“ Vgl. Allen I, Nr. 48, S. 158-160, hier: S. 160, Z. 25f.: Antistes Cameracensis mirum in modum me amat: liberaliter promittit; mittit non liberaliter, ne ficte dicam.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

band, den sein Klosterbruder Willem Hermans verfasst hatte, herausgab und eine eigene Widmung an Heinrich von Bergen hinzufügte. Er entschuldigte sich darin sogar, dass er selbst bislang kein eigenes Werk an den Gönner hatte richten können, denn er sei von den theologischen Studien zu sehr in Anspruch genommen.643 Auch der zunehmende Kontakt zu Nikolaus Werner, seinem Prior in Steyn, lässt ähnliche Schlussfolgerungen zu: Obwohl unsicher ist, ob er finanziell vom Kloster unterstützt wurde, war Erasmus doch seit seiner Rückkehr nach Paris daran gelegen, in Briefen an Werner das Bild eines vorbildlichen Studenten zu vermitteln. So berichtet er in einem Brief vom 13. September 1496 davon, dass ihm ein Priester aus England mehrmals hundert Münzen geboten habe, wenn er ihn unterrichte, und später dreihundert, wenn er ihm ein ad dignitatem comparandam opus widme. Darüberhinaus hätte er sich damit alle Engländer in Paris – allesamt Sprößlinge aus einflussreichsten Familien – gewogen machen können, doch habe er es abgelehnt, weil er durch nichts von den theologischen Studien abgehalten werden wolle.644 Er sei schließlich um des Studierens willen nach Paris gekommen – nicht um Reichtümer aufzuhäufen.645 Doch damit nicht genug: Er strebe sogar den Doktorgrad an.646 – Diese Äußerungen dienten meines Erachtens nicht allein dazu, die Klosterbrüder, die zuvor große Überzeugungsarbeit leisten mussten, um Erasmus zur Wiederaufnahme seines Studiums zu bewegen, zu beruhigen und ihnen den Eindruck einer wesentlich verbesserten Studiensituation zu vermitteln. Auch wenn sich Erasmus kritisch mit der scotistischen Scholastik auseinanderzusetzen vermochte, ist es wohl abwegig anzunehmen, dass nach seiner Rückkehr alles zu seiner Zufriedenheit lief, da er zuvor fluchtartig Paris verlassen hatte. Es scheint doch vielmehr so, als wolle Erasmus einen Eindruck vermitteln, der in dieser Form nicht zutraf: Offensichtlich wünschte er nicht nur den Beistand der Brüder im Gebet, sondern hoffte auch auf finanzielle Unterstützung durch den Orden, da er um des Studiums willen keine Zeit habe für Nebenverdienste. Dass diese erforderlich waren, zeigt sich nämlich daran, dass Erasmus – wie Ribhegge ganz recht festgestellt hat – „entgegen seiner Ankündigung gegenüber dem Prior [Nebentätigkeiten] aufnehmen musste, um seinen Lebensunterhalt zu si643

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Vgl. Allen I, Nr. 51, S. 165f., hier bes. S. 165, Z. 10-13: Hoc munere si te nihil offendi sensero, sat pulchre procedo; sin gratiam etiam ineo, plane triumpho. Donamus enim aliena; nihil enim ipsi excudere potuimus, Theologiae studiis occupati […]. Vgl. Allen I, Nr. 48, hier: S. 159, Z. 6-22. Ebd., S. 159f., Z. 22f. Ebd., S. 160, Z. 23f.

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chern.“647 Er borgte sich gelegentlich Geld bei seinem Mitbewohner Vinzent Augustin Caminad und unterrichtete zwei Lübecker Kaufmannssöhne gegen Bezahlung.648 Weil dies offensichtlich finanziell nicht ausreichte, nahm Erasmus 1497 auch noch zwei Engländer, Thomas Grey und Robert Fisher, als Schüler an sowie 1498 den ebenfalls aus England stammenden William Blount, der ein langjähriger und treuer Gönner des Erasmus werden sollte.649 Seine prekäre Lage offenbart sich im Übrigen auch darin, dass er neben der Bezahlung auch mit seinen Schülern aushandelte, bei ihnen wohnen zu dürfen.650 Sein Vorhaben, den Doktorgrad der Theologie zu erwerben, verfolgte er indes weiterhin – wie aus einem Brief aus dem Frühjahr 1498 hervorgeht,651 benötigte aber eigene Rücklagen, um in Italien promoviert zu werden. Daher setzte er erneut auf die Vermittlung durch Jakob Batt, der nicht mehr Stadtschreiber Bergens war, sondern mittlerweile in Diensten Annas von Borsselen, der Herrin von Veere, stand. An diesen wandte sich Erasmus Ende November 1498 und wurde im Februar des folgenden Jahres selbst vorstellig auf Schloss Tournehem.652 Seine Situation änderte sich jedoch wenige Wochen später, da William Blount ihn einlud, mit nach England zu reisen, was er gern annahm.

Auch wenn sich die Korrespondentenzahl des Erasmus kontinuierlich erweitert hatte, war sein Freundeskreis doch im Jahr 1499 noch begrenzt.653 Einen gewissen Bekanntheitsgrad besaß er lediglich im Pariser Humanistenkreis, war aber „in Europa noch völlig unbekannt“654. Dies spiegelt sich auch im Briefwechsel wider: Von den uns erhaltenen 647 648

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Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 30. Es handelte sich dabei um Christian und Heinrich Northoff, mit denen Erasmus auch einige Briefe wechselte wie z.B. Allen I, Nr. 54-56, 61, 70, 72. Vgl. Allen I, S. 58, Z. 67-72: Quumque vitam collegiaticam duriorem experiretur, non invitus emigravit ad Anglum quendam generosum, adulescentes duos generosos secum habentem; Montioium alterum ex illis fuisse coniicio. Videbant enim Angli inter professores bonarum literarum in tota academia Parisiensi nullum existere qui vel eruditius posset vel fidelius docere consuesset. Vgl. auch Allen I, S. 50, Z. 114-116: Ante inviserat Angliam in gratiam Montioii, tum discipuli nun Maecenatis; sed amici verius quam benigni. Dazu: Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 30f., 35. Vgl. Allen I, Nr. 75, S. 202, hier: Z. 18-21: Denique reputo nec in Italiam veniri nec illic vivi sine summo sumpto. Ad titulum quoque parandum grandi summa est opus. Et Episcopus Cameracensis dat perparce. Erasmus nahm am 29. Nov. 1498 diesbezüglich wieder Kontakt mit Batt auf (vgl. Allen I, Nr. 80, S. 208-212). Vgl.: Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 31. Ebd., S. 34.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

Briefen aus den Jahren 1495 bis 1499 ist die überwiegende Mehrheit von Erasmus verfasst worden. Nur wenige Briefe sind an ihn adressiert und zumeist auch nur Antworten auf seine Kontaktaufnahmen. Auffallend ist in der Korrespondenz, dass jene Briefe am meisten vertreten sind, die an (potentielle) Geldgeber gerichtet sind: Heinrich von Bergen als direkter Gönner, aber auch Nikolaus Werner, von dem sich Erasmus offensichtlich Unterstützung durch den Orden erhoffte, sowie Jakob Batt, der zunächst das Studium ermöglichte, hernach sich auch bei Anna van Borsselen für Erasmus einsetzte, sind häufige Adressaten seiner Briefe. Neben den Studienaufgaben war die brennende Sorge des Erasmus, zuvorderst seinen Unterhalt zu sichern, dann aber auch Rücklagen zu schaffen, um in Italien promoviert zu werden. Von den bis 1499 verfassten Schriften waren wohl vor allem die Lobesrede auf Gaguin sowie die ‚Antibarbari‘ verantwortlich dafür, dass er unter Humanisten einen gewissen Grad der Bekanntheit erlangte. Dieser war allerdings nur auf Paris begrenzt, was nicht zuletzt auch daran lag, dass die ‚Antibarbari‘ noch lange nicht gedruckt wurden und er sie nur bei persönlichen Kontakten präsentieren konnte.

3.) 1499 bis 1506: England, Paris und die Niederlande Seit Sommer 1499 hielt sich Erasmus in England auf, wie ein Brief an Andrelinus beweist,655 und Schenk hat zu Recht betont: „Damit beginnt die Zeit des steten Umherreisens in Europa.“656 Obwohl er nur acht Monate dort verbrachte, ist dieser Aufenthalt für ihn doch wegweisend gewesen. Sein Gastgeber William Blount verfügte nicht nur aufgrund seines familiären Hintergrundes über Beziehungen zum Königshof, sondern auch seine Bildung scheint anerkannt gewesen zu sein, was sich an seiner späteren Tätigkeit als Tutor Heinrich Tudors zeigte.657 Es ist daher nur leicht verständlich, dass er seinem Lehrer Erasmus die Türen zu den höchsten Kreisen Englands öffnete658 und ihn mit englischen Humanisten bekannt machte. „Einige von ihnen wie William Latimer, Thomas Linacre, der spätere Arzt Heinrichs VIII., und der

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Vgl. Allen I, Nr. 103, sowie Allen I, Nr. IV, Rhenanus an Karl V., S. 58, Z. 78-80: In quam insulam paulopost ipse concessit a discipulis illis suis domum regressis invitatus. Vgl. Schenk, Desiderius Erasmus von Rotterdam (28.10.1466/69 Rotterdam – 11./12.7.1536 Basel), S. 393. Vgl. dazu: Holeczek, Erasmus von Rotterdam, S. 130. Häufig ist zu lesen, Mountjoy habe Erasmus mit dem jungen Heinrich bekannt gemacht.

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Theologe William Grocyn hatten sich längere Zeit in Italien aufgehalten und von dort die Begeisterung für die griechische Sprache und Literatur mitgebracht.“659 England trat für ihn daher zunächst an die Stelle des ersehnten Italiens, wohin er bislang nicht hatte reisen können, und „ist für Erasmus mehr Wahlheimat geworden als irgendein anderes Land“660. Eine Reihe von Kontakten ergab sich für ihn, die er seinerseits auch langfristig zu nutzen wusste. Als eines von zahlreichen Beispielen sei an dieser Stelle nur auf den Kontakt zu John Colet, dem Dekan der St. Paul’s Cathedral in London,661 verwiesen, den Erasmus noch Jahre später für seine literarische Tätigkeit nutzen konnte, indem „die später von Zwingli hochgeschätzte ‚Concio de puero Jesu‘ für Colets neues Schulprojekt von wegweisender Bedeutung“662 werden sollte. Der Kontakt wurde hergestellt durch den Prior der Augustinerchorherren in Oxford, bei denen Erasmus zeitweise wohnte. Viele der neuen Bekanntschaften konnten Studienaufenthalte in Italien vorweisen, wo sie hautnah mit dem Humanismus in Kontakt gekommen waren. Daraus entwickelte sich eine Verbindung von Theologie bzw. persönlichem Glauben einerseits und humanistischer Bildung andererseits, die für Erasmus völlig neu und faszinierend war. Dies kommt in einem Brief vom 5. Dezember 1499 in besonderer Weise zum Ausdruck: Gegenüber Robert Fisher bezeichnet Erasmus England als den reizvollsten und heilsamsten Himmel, wo die Bildung außerordentlich in Blüte stehe.663 Dass er sich hier so wohl fühlte, liegt wohl auch in der herzlichen Freundschaft zu Thomas Morus begründet, in dessen Haus er eine Zeit lang wohnte. Angesichts derartiger Aussagen und Kontakte darf die Bedeutung dieses ersten Englandaufenthaltes für Erasmus nicht gering veran659 660

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Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 37. Vgl. Anton J. Gail, Erasmus von Rotterdam in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S. 26. Wie sehr Erasmus John Colet geschätzt hat, brachte er in einem Brief an John Sixtin (im November 1499) zum Ausdruck (Allen I, Nr. 116, S. 268-271, hier: S. 268, Z. 12f.): praesidebat Coletus veteris illius theologiae vindex atque assertor. Mit Blick auf die gewonnenen Kontakte schreibt Hubertus Schulte Herbrüggen, S. 132: „Gleich beim ersten Male wird aus dem geplanten kürzeren Besuch im Sommer 1499 auf Mountjoys Landsitz ein halbes Jahr voll der entscheidenden Begegnungen. In der englischen Hauptstadt bewegte er sich unter den Londoner Humanisten, und es ist Erasmus, der diesen Kreis das erste Mal namentlich zusammenfasst“; für diese Aufzählung siehe Allen I, Nr. 118 (an Robert Fisher) vom 5. Dezember 1499. Holeczek, Erasmus von Rotterdam, S. 130. Vgl. Allen I, Nr. 118, S. 273f., hier: S. 273, Z. 17-21: Coelum tum amoenissimum tum saluberrimum hic offendi; tantum autem humanitatis atque eruditionis, non illius protritae ac trivialis, sed reconditae, exactae, antiquae, Latinae Graecaque, ut iam Italiam nisi visendi gratia haud multum desyderem.

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schlagt werden.664 Vielmehr ist fraglich, ob Holeczek richtig liegt mit seiner Bewertung, dass sich keine weiteren nennenswerten Vorteile für Erasmus ergeben haben, aber für seine Entwicklung die gewonnenen Kontakte von Bedeutung seien.665 Peter Schenk hingegen hat einen zentralen Aspekt für die weitere Entwicklung hervorgehoben, den Holeczek anscheinend außer Acht gelassen hat: „Die Begegnung mit deren [– Morus’ und Colets –] christlich-biblischem Humanismus erweckt sein Interesse an der Theologie und ist für seine weitere Entwicklung entscheidend.“666 Insofern kann der Englandbesuch als Auslöser gewertet wer-

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So ist es wohl im Rückblick auf die Englandreise treffender, den ideellen Wert wesentlich höher anzusetzen als den finanziellen Nutzen. Es sind doch vor allem die Kontakte mit englischen Theologen gewesen, die Erasmus zu neuen Zielen angestoßen haben: so zeigt es sich auch an einem Brief an Jakob Batt aus dem April 1500, in dem Erasmus schreibt, er wolle, sobald er wieder über Geld verfüge, zuerst die griechischen Schriftsteller kaufen und anschließend Kleider (vgl. Allen I, Nr. 124). Erasmus war fortan fasziniert vom christlich-biblischen Humanismus, der in England schon vor Jahren Fuß gefasst hatte. Sofern er Zeit neben seiner Arbeit als Tutor bzw. Privatlehrer aufbringen konnte, betrieb er griechische Sprachstudien und die Lektüre solcher Texte, die sich mit dieser Ausrichtung des Humanismus befassen. Mindestens vier Jahre war er mit dem Erlernen der griechischen Sprache beschäftigt: Vgl. Allen I, Nr. 124, hier: S. 288, Z. 62 f. (12. April 1500 an Jakob Batt); Nr. 138, hier: S. 321, Z. 38ff. (11. Dezember 1500 an denselben); Nr. 160, hier: S. 368, Z. 3-8 (18. Juli 1501 an Nikolaus Bensrott); Nr. 172, hier: S. 381, Z. 9-12 (September 1502 an Willem Hermans), Nr. 181, hier: S. 406, Z. 76-90 (vermutlich im Dezember 1504 an John Colet). Diese These wird bei Heinz Holeczek (Der Humanist Erasmus und sein Beitrag zur Theologie der frühen Neuzeit, in: Hanns Kerner (Hrsg.): Humanismus und Theologie in der frühen Neuzeit. Akten des interdisziplinären Symposions vom 15. bis 17. Mai 1992 im Melanchthonhaus in Bretten, Nürnberg 1993, S. 9-39, hier: S. 18) untermauert: „Es bedurfte etwa vier Jahre bis er glaubte, er könne sich einigermaßen frei im Griechischen ausdrücken und das Neue Testament gut genug lesen.“ Holeczek, Erasmus von Rotterdam (1466/67-1536), S. 130: „Auch wenn dieser erste Englandaufenthalt sonst keine meßbaren Früchte trug, so konnte Erasmus die sich daraus ergebenden Möglichkeiten auf längere Sicht weitgehend nutzen.“ Vgl. dazu auch Allen I, Nr. IV, Rhenanus an Karl V., S. 59, Z. 88-93: Abundare tum coeperat ea provincia viris doctissimis, Guilielmo Grocino, Thoma Linacro, Guilielmo Latimero, qui in Italia literis operam dederant, utriusque linguae peritia celebres; item Ioanne Coleto, Thoma Moro, Richardo Pacaeo et Cutberto Tonstallo, a quibus omnibus certatim amabatur. Vgl. Schenk, Desiderius Erasmus von Rotterdam (28.10.1466/69 Rotterdam – 11./12.7.1536 Basel), S. 393. Der angesprochene Eindruck, England habe zunächst für Erasmus als eine Art „Italien-Ersatz“ fungiert, findet sich bei Gail (Erasmus von Rotterdam in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S. 27) bestätigt: „Soweit er nicht schon durch seine Studien in der Klosterzeit ‚italienisiert‘, das heißt mit den Problemen der Bildungsreform vertraut war (durch das Studium des Lorenzo Valla insbesondere), vertieften seine englischen Gespräche diese Richtung. Dort schon lernte er die Florentiner Platoniker Marsilio Ficino und Giovanni Pico della Mirandola kennen.“ Holeczek (Der Humanist Erasmus, S. 10) hat ebenfalls auf den bedeutenden Einfluss der Engländer in Bezug auf das

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den, sich mit Theologie noch eingehender zu beschäftigen und in der Konsequenz daraus Griechisch zu lernen – die Forschung bestätigt diesen Eindruck uni sono.667 Schulte Herbrüggen vertritt die Ansicht, dass Erasmus, der als Lehrer englischer Studenten zu diesen reiste, als Schüler der Engländer wieder zurückgekehrt sei,668 und fasst die Bedeutung des Englandbesuchs für Erasmus folgendermaßen zusammen: „[A]ls suchender Literat auf die Insel gekommen, verläßt er sie im Januar 1500 als Theologe mit dem festen eigenen Ziel der Bibel-Erschließung.“669 Nach Paris zurückgekehrt sah er sich nämlich wieder gezwungen, „sein Leben […] genauso fortzusetzen wie vor seiner Reise.“670 Dies widerspricht der gelegentlichen Meinung, Erasmus habe bereits bei seinem ersten Englandbesuch so viele Förderer gewonnen, dass er sich um seinen Lebensunterhalt keine weiteren Sorgen zu machen brauchte. – Im Gegenteil: Als Erasmus am 27. Januar 1500 die Rückreise antrat, nahm ihm der Zoll in Dover alle Ersparnisse, was für ihn, der unter ständigen finanziellen Problemen litt, ein herber Schlag sein musste: Mehrmals – auch Jahre später noch – sprach Erasmus in Texten dieses

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Interesse des Erasmus an der Theologie hingewiesen. István Bejczy weist darauf hin, dass diese in England kennen gelernte Ausprägung des christlichen Humanismus Grundstein für das spätere Programm des Erasmus gewesen sei. Sämtliche von ihm später formulierten Reformvorstellungen im intellektuellen, moralischen oder religiösen Bereich seien Aspekte dieses christlichen Humanismus, den Erasmus von den Engländern übernommen habe (vgl. Bejczy, Erasmus and the Middle Ages, S. 12). Zu spezifischen Eigenheiten und Ausprägungen des englischen RenaissanceHumanismus sei verwiesen auf Schulte Herbrüggen (Erasmus, England, das Neue Testament, S. 132). – Julien Ries (Le mouvement humaniste et la formation de l’Europe, in: Ders. (Hrsg.), Érasme et la montée de l’humanisme, S. 5-9, hier: S. 6) hat hervorgehoben, dass Mirandola mit seiner Schrift ‚De dignitate hominis‘ das Manifest des christlichen Humanismus verfasst habe. Erasmus hat sich sicher an dieser Haltung orientiert. Das neu gewonnene Interesse an der Bibel zeigt sich auch in Allen I, Nr. 164: Im Herbst 1501 schrieb Erasmus an Johann Poppenruyter, dass er bereits seit einiger Zeit mit einer Interpretation der neutestamentlichen Paulusbriefe beschäftigt sei (ebd., S. 375, Z. 41f.). Vgl. Schulte Herbrüggen, Erasmus, England, das Neue Testament, S. 134: „Mit der Rückkehr des Erasmus auf den Kontinent beginnt die lange, sechzehn Jahre währende Zeit der Vorarbeiten für seine Ausgabe des Neuen Testaments. Zunächst sind es Jahre des GriechischLernens, begleitet von patristischen Studien, insbesondere der Schriften des Origenes und Hieronymus.“ Erst ab diesem Zeitpunkt kann die Rede von einer Verbindung von pietas und eruditio – oder allgemein: von Theologie und Bildung – im Denken und Schreiben des Erasmus sein. Ebd., S. 134. Ebd. Vgl. Holeczek, Erasmus von Rotterdam (1466/67-1536), S. 131.

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Unglück an,671 das ihn mit leeren Taschen nach Paris zurückkehren ließ.672 In dieser Notlage setzte Erasmus alles daran, zu Geld zu kommen, wobei er sich nicht nur auf seinen Fürsprecher Jakob Batt verließ, sondern mit der Veröffentlichung der ‚Adagia‘ Einnahmen erhoffte. Hatte Erasmus im Jahr 1499 zahlreiche Briefe geschrieben, um die Bekannten auf dem Kontinent über seine Erfahrungen in England zu unterrichten oder die dort gewonnenen Kontakte zu festigen, waren es nach seiner Rückkehr nach Paris vor allem Briefe, die seine finanzielle Situation thematisierten. Das nach wie vor deutliche Übergewicht versandter Briefe gegenüber erhaltenen gibt davon beredtes Zeugnis: In mehreren, meist sehr kurzen Briefen im Frühjahr 1500 erbat Erasmus vor allem bei seinen Pariser (Humanisten-)Freunden Bücher, aus denen er Zitate entnehmen konnte,673 um im Juni eine Anthologie unter dem Titel ‚Adagia Collectanea‘ zu veröffentlichen. Über die Arbeitsfortschritte unterrichtete er regelmäßig Jakob Batt und verband dies stets mit der Bitte, bei Anna van Veere finanzielle Unterstützung für ihn zu gewinnen.674 Schließlich, so Erasmus, wolle er das Werk auch ihrem Sohn Adolf widmen.675 Ein Brief an Anna ist jedoch erst für Ende Januar des folgenden Jahres nachweisbar, so dass die Vermutung nahe liegt, die erhoffte Zuwendung sei zumindest zunächst ausgeblieben. Dieser Eindruck wird dadurch gestützt, dass die Erstausgabe der ‚Adagia Collectanea‘, die im Juni 1500 bei dem Pariser Drucker Johann Philippi erschien, wider Erwarten nicht dem jungen Adolf zugeeignet wurde, sondern William Blount.676 Offensichtlich wollte Erasmus sicher gehen, dass er wenigstens von diesem 671

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So z.B. De ratione conscribendi epistolas liber, in: Opera Omnia I, Sp. 340-484, hier: Sp. 378B sowie De conscribendis epistolis, hrsg. von Jean-Claude Margolin, Amsterdam 1971 (Opera Omnia Desiderii Erasmi Roterodami, recognita et adnotatione critica instructa notisque illustrata I.2), S. 153-579, hier: S. 305f. Daneben: Allen I, Nr. 119, S. 274-282, hier: S. 275 (datiert auf Februar 1500; adressiert an Jakob Batt); Nr. 145, S. 342-346, hier: S. 343, Z. 51-60 (datiert auf 27. Januar 1501; adressiert an Anna van Veere); Nr. 279, S. 537f., hier: S. 538, Z. 11-16 (datiert auf Anfang November 1513; adressiert an William Gonell). Vgl. Allen I, Nr. I, hier: S. 16, Z. 24-28: At ego nec Britannicam habebam nec in Anglia partam aut acceptam.Verum in littore didici non esse fas ullam efferre pecuniam, ne ferream quidem, ultra precium sex angelatorum. Tanti mihi constitit unicam legem Britannicam didicisse. Ubi nudus redissem Lutetiam […]. Z.B. Allen I, Nr. 121f. Z.B. Allen I, Nr. 123f. Der von Ribhegge (Erasmus von Rotterdam, S. 40) genannte Brief, den Erasmus an Anne van Veere persönlich gerichtet haben soll, ist indes nicht auszumachen, in der Allen-Edition auch nicht nachgewiesen. Allen I, Nr. 124, hier: S. 287, Z. 45-47. Vgl. Allen I, Nr. I, S. 16; Nr. 126.

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eine Unterstützung erhielt. Ideelle Beihilfe erfuhr er indes von zahlreichen Bekannten in Paris, die zunächst durch das Zurverfügungstellen ihrer Bücher die Realisierung des Projektes ermöglichten, aber sich auch nach dessen Abschluss für Erasmus einsetzten: „Fausto Andrelini steuerte als ‚poeta regius‘ ein auf den 15. Juni 1500 datiertes Vorwort bei und empfahl den Lesern das Buch, ‚auf das wir so lange gewartet haben‘.“677 Caminad, bei dem Erasmus zumindest vor seiner Englandreise gewohnt hatte, korrigierte das Manuskript und organisierte Lesungen.678 Erasmus sandte Exemplare an Batt für den Verkauf in Burgund sowie nach England. Den Einfluss der Engländer auf das 818 Sprichwörter umfassende Werk hob Erasmus in seiner Widmungsrede hervor.679 1506 wurde ebenfalls in Paris – diesmal bei Josse Badius – eine vermehrte Ausgabe veröffentlicht, 1509 in Straßburg durch Matthias Schürer.680 Bereits 1508 erschien bei Aldus Manutius in Venedig die auf 3000 Sprichwörter erweiterte Neuausgabe ‚Adagiorum Chiliades‘, die 1515 durch den Basel Drucker Froben in erneuter Fassung gedruckt wurde. 1533 erschien die letzte Ausgabe, die mittlerweile auf eine Sammlung von über 4000 Sprichwörtern angewachsen war.681

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Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 41. Dessen Nutzen hat Huizinga (Erasmus: eine Biographie, S. 43) damit beschrieben, dass „die Antike, […] ausgestellt als ein Warenhaus und im Detail zu bekommen“ war. Diese Anthologie ist gleichsam die Frucht aus mehrjähriger Privatlehrertätigkeit. Insofern brachte die oft als untragbar und unzumutbar empfundene Studiensituation schon eine zweite positive Wirkung für Erasmus: neben den gewonnenen, engen Kontakten zu den englischen Studenten, die ihn in ihre heimatliche Gesellschaft, insbesondere die Humanisten- und Theologenkreise, eingeführt hatten, verfügte Erasmus auch über einen breiten Fundus antiker Spruchweisheiten. August Buck (Die Rezeption der Antike in den romanischen Literaturen der Renaissance, Berlin 1976, hier: S. 83) hat als weiteres Beispiel die ‚Apophtegmata ex optimis utriusque lunguis scriptoribus‘ angeführt, ein ähnliches erasmisches, 1531 erschienenes Werk, mit angesprochen. Zu weitergehenden Informationen zur Komipaltionsliteratur, die die „Aufbereitung der antiken Autoren […] den Humanisten (auch den humanistischen Dichtern) [erleichterte und so] jederzeit eine Verbindung zwischen einem eigenen Gedanken und einem antiken herzustellen [ermöglichte]“, (ebd., S. 86) sei insbesondere verwiesen auf Francis A. Yates, The Art of Memory, London 1966. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 41. Eine eingehendere Beschreibung der verschiedenen Ausgaben der ‚Adagia‘ findet sich bei Ribhegge (Erasmus von Rotterdam, S. 41-43). Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 41. Da Erasmus dieses Werk in den folgenden Jahren jeweils vermehrt veröffentlicht hat, demonstrieren seine Adagia hervorragend das erasmische Prinzip vom wachsenden Buch. Das Werk blieb somit nie vollendet, strebte jeweils aber eine Verbesserung und Vergrößerung an. Ebd., S. 42. Zu Lebzeiten des Erasmus haben sechs Drucker die unterschiedlichen Ausgaben der ‚Adagia‘ erstellt: Philippi in Paris (1500), Manutius in Venedig

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Dies zeugt von dem enormen Erfolg dieser Schrift, die in ständiger Erweiterung verlegt wurde und über Jahrzehnte das Interesse der Leser fand. Allerdings ist der Eindruck nicht von der Hand zu weisen, als habe diese Erstausgabe der ‚Adagia Collectanea‘ von 1500 Erasmus nur marginal über den bereits vorhandenen Kreis von Bekannten Aufmerksamkeit beschert. In der Auswertung seiner Korrespondenz findet sich schließlich kein Hinweis dafür, dass sich seine Situation nennenswert verändert hätte. Vielmehr war er weiterhin von Zukunftssorgen geplagt, die er Batt gegenüber zum Ausdruck brachte.682 In den Briefen kommt eine gewisse Leere zum Ausdruck, die nach Abschluss der ‚Adagia‘ wuchs, und die seit Sommer 1500 in Paris grassierende Pest veranlasste ihn, nach Orléans zu reisen, wo er von Mitte September bis Mitte Dezember weilte.683 Auch finanziell hatte sich offensichtlich nach den ‚Adagia‘ nicht viel verändert und so kann gemutmaßt werden, dass die Zukunftssorgen vor allem finanzieller Art waren. James D. Tracy verweist auf die Absicht, finanziellen Gewinn einzufahren:684 „A book containing treasures from the ancients would doubtless attract more buyers than something recommended only by the name of an

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(1508), Schürer in Straßburg (1508ff.), Froben in Basel (1513, 1515, 1517/18, 1520, 1526, 1528), Gryphius in Lyon (1528f.), Froben gemeinsam mit Episcopius (1533, 1536). Während in deutscher Sprache im gesamten 16. Jahrhundert nur einzelne Auszüge der ‚Adagia‘ erschienen, sind für den englischsprachigen Bereich elf verschiedene Ausgaben belegbar. Vgl. dazu Devereux, Renaissance English Translations of Erasmus: A bibliography to 1700, S. 23-27; Ders., English Translators of Erasmus 1522-1557, S. 212-214; Olive B. White, Richard Taverner’s interpretation of Erasmus in Proverbes or Adagies, in: PMLA 57 (1944), S. 928-943. Die deutschsprachigen Auszüge beschränken sich auf ‚Dulce bellum inexpertis‘ (Basel 1519), ‚Aut regem aut fatuum nasci oportere‘ (Mainz 1520, übersetzt durch Georg Spalatin) sowie ‚Sileni Alcibiades‘ (Mainz 1520). Vgl. dazu: Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536. Deutsche Übersetzungen des 16. Jahrhunderts, S. 11-13, Nr. 1-3. Vgl. Allen I, Nr. 129, 130, 133, 135, 138, 139. Vgl. Allen I, Nr. 130-140. Dies dürfte Erasmus nicht zum Vorwurf gemacht werden, „da Autoren-Honorare der später üblichen Form in der damaligen Zeit noch unbekannt waren, [so dass ein Schriftsteller] im [W]esentlichen von den Gunstbezeugungen der Großen und Mächtigen [abhängig war], denen er seine Schriften mit immer neuen Ergüssen einer an Schmeicheleien unerschöpflichen Beredsamkeit widmete“ (Manfred Krebs, Reuchlins Beziehungen zu Erasmus von Rotterdam, S. 139). Widmungen solcher Art finden sich bei erasmischen Werken durchgehend, nachdem er einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Darüber hinaus wird der Ertrag einer Schrift für den Autoren deutlich, wenn Krebs das Beispiel Johannes Reuchlins anführt, dem zwanzig Gulden für seine Arbeit zugesagt worden seien, er aber allein für seine Reise nach Basel zehn benötigt habe (ebd., S. 141).

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unknown scholar like Erasmus.“685 Für Margaret Mann Philipps steht die Intention des Erasmus im Vordergrund, das antike Gedankengut einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.686 Gleich welche Absicht man Erasmus zugesteht – fest steht, dass er ein Nachschlagewerk antiker Sprüche veröffentlichte, das für jeden Anlass und jeden Ausdruck den passenden Satz bietet,687 wie er William Blount gegen-

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Vgl. Tracy, Erasmus. The Growth of a Mind, S. 77. Erasmus war bewusst, dass sein Anteil an dem Werk lediglich darauf beruhte, kluge, exemplarische Kurzweisheiten anderer zusammengestellt zu haben. Das Werk, das er selbst als lexicon (Allen I, Nr. 126, S. 295, Z. 202) bezeichnet hat, hätte in dieser Form nicht entstehen können, wenn er einen eigenen höheren Anteil daran hätte haben wollen: qui sua scribit, non scribit adagia (ebd., S. 296, Z. 241). Vgl. Margaret Mann Philipps, The Adages of Erasmus, Cambridge 1964, S. 44ff. Der Verkauf der ‚Adagia‘ laufe ausgezeichnet, schrieb Erasmus im Juli 1500 an Jakob Batt (Allen I, Nr. 128). Im September kam es jedoch zu einer Verkaufsunterbrechung, da Pestausbrüche zunächst einmal eine weitere Verbreitung des Werks verhinderten: vgl. dazu ebd., Nr. 129 (Anfang September 1500, ebenfalls an Jakob Batt). Beispielhaft für die Adagia sei hier die Formulierung nosce te ipsum genannt. Daran wird nicht allein das Aufgreifen antiker Sentenzen im Renaissancezeitalter deutlich, zudem handelt es sich hier auch um ein hervorragendes Beispiel von tradierter Spruchweisheit: die griechische Variante dieser Formulierung γνωθι σεαυτόν war über dem Eingang des delphischen Apollontempels eingemeißelt. Sie fand Aufmerksamkeit bei Sokrates und Aristoteles verwandte sie in seinem Dialog über Philosophie. In römischer Zeit erschien sie in lateinischer Übersetzung bei Marcus Tullius Cicero (vgl.: Tusculanae disputationes – Gespräche in Tusculum, Lateinisch / Deutsch, übers. und hrsg. von Ernst Alfred Kirfel, Stuttgart 1997: Buch 1, 22, 52). Später fand diese Formulierung mehrfach Erwähnung in mittelalterlichen, d.h. mittellateinischen Texten (vgl. dazu: Lateinische Sprichwörter und Sentenzen des Mittelalters in alphabetischer Anordnung, ges. und hrsg. von Hans Walther, Teil 3: N-P, Göttingen 1965, S. 430; oder auch: Lateinische Sprichwörter und Sentenzen des Mittelalters und der frühen Neuzeit in alphabetischer Anordnung aus dem Nachlaß von Hans Walther, hrsg. von Paul Gerhard Schmidt, Teil 8: H-O, Göttingen 1983, S. 815). Ein Beispiel dafür ist auch die leicht abgewandelte Form scito te ipsum, die der Pariser Theologe Petrus Abaelard zum Motto seiner Ethik erhebt (vgl.: Scito te ipsum, hrsg. von Rainer M. Ilgner, in: Petri Abaelardi opera theologica, Bd. 4, Turnhout 2001). In der Renaissancezeit wurde die Formulierung nosce te ipsum von Erasmus wieder aufgegriffen. Anton J. Gail hat in seiner Studie zu Erasmus auf die literargeschichtliche Bedeutung der Adagia hingewiesen (Erasmus von Rotterdam in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S. 23): „Alle jene Vorzüge, die man den Prosastücken des Michel de Montaigne nachsagt, sind hier schon durchaus vorhanden und vollendet durchgestaltet. Wir haben es hier tatsächlich mit der Geburt des Essays zu tun.“ Ribhegge, Erasmus und Europa, S. 567, argumentierte auf gleiche Weise. Auch habe Goethe sich dieses Werk zu Nutze gemacht und Schiller öfters darauf hingewiesen, so Gail (a.a.O., S. 25). Dass Erasmus nicht allein mit dieser Form der Sprichwörtersammlungen steht, zeigen zahlreiche Veröffentlichungen gleichen Genres: die ‚Teütsche[n] Sprichwoerter‘ Jo-

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über behauptete.688 Doch änderte dies nichts an seiner finanziellen Situation: Dass er diese gegenüber Batt immer wieder zum Ausdruck brachte, ist dabei nicht verwunderlich, da er auf dessen Vermittlung hoffte in Bezug auf Anton von Bergen, der Bruder des Bischofs von Cambrai und Abt eines reichen Klosters war, und da er Batt erneut bedrängte, bei Anna van Veere Zuwendungen zu erwirken.689 Der Aufenthalt in Orléans war geprägt von Texterstellungen und verschiedene Entwürfe geben beredtes Zeugnis seiner Produktivität.690 Die drückende finanzielle Lage verlangte von Erasmus, dass er nach seiner Rückkehr nach Paris sich nicht mehr nur auf Vermittlung dritter verlassen konnte, sondern selbst aktiv wurde: In weniger als zwei Wochen verfasste er Bittschreiben an drei unterschiedliche Personen – an Anton von Bergen, Nikolaus von Burgund, der zu diesem Zeitpunkt Propst von St. Peter in Utrecht war, und Anna van Veere.691 Außerdem schrieb er in wenigen Wochen Anton von Luxemburg gleich dreimal an.692 Dieser war Abt eines Klosters in St. Omer, und wenn Allen eigens dessen großen Einfluss auf Anton von Bergen betont,693 so macht dies deutlich, wie intensiv Erasmus auf der Suche nach einem Mäzen war. Auch wandte er sich daher erneut an seinen früheren Arbeitgeber Heinrich von Bergen, dem er zusicherte, stets seiner eingedenk gewesen zu sein und im Gebet Gott ständig darum gebeten zu haben, er möge Heinrich all das vergelten, was er Erasmus

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hannes Agricolas (erste Ausgabe von 1529, die zweite von 1548) oder Sebastian Francks ‚Sprichwoerter / Schoene / Weise Herrliche Cluogreden unnd Hoff sprüch‘ von 1541. Sicherlich mag Erasmus aber den Anstoß für folgende ähnliche Anthologien gegeben haben. Allen I, Nr. 126 an William Blount, Lord Mountjoy (Juni 1500), hier: S. 291, Z. 3944: unde ad omnem rationem qum velis depromas quod aut scita aptaque metaphora blandiatur, aut dicaci sale mordeat, aut acuta brevitate placeat, aut brevi acumine delectet, aut novitate aut vetustate commendetur, aut varietate alliciat, aut allusione faceta titillet agnoscentem, aut obscuritate demum ipsa lectorem oscitantem expergefaciat. Vgl. Richard J. Schoeck, Erasmus of Europe, Band 2: The Prince of Humanists: 1501-1536, Edinburgh 1995, hier: S. 3: „This searching for patronage surely explains much of the travelling that Erasmus did in 1500-02, travelling that has led some scholars and biographers to assert that Erasmus was by nature nomadic.” Hier entstandten Entwürfe der Titel ‚De conscribendis epistolis‘, ‚De copia‘ sowie einer Ausgabe der Briefe des Hieronymus. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 43. Vgl. Allen I, Nr. 143 (14. Jan. 1501), Nr. 144 (26. Jan.), Nr. 145 (27. Jan.). Vgl. Allen I, Nr. 147f., 150. Vgl. Allen I, Nr. 137, S. 317-320, hier: S. 317.

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Gutes getan habe.694 Dass er sich in diesem Zusammenhang als ‚clientulus‘ bezeichnete,695 ist wohl nicht in erster Linie als Bescheidenheitstopos zu werten, sondern vor dem Hintergrund der finanziellen Situation als Erinnerung für den Bischof gedacht, sich seines früheren Mäzenatentums zu besinnen. Erasmus ließ es nicht bei diesem Brief bewenden, sondern reiste auch zum Bischof, während er sich in den Niederlanden aufhielt.696 Nach erneutem Ausbruch der Pest hatte er Paris verlassen, wohin er erst Ende 1504 zurückkehrte.697 Bis zum Jahresanfang 1502 befand sich Erasmus hauptsächlich in Tournehem, St. Omer und Courtebourne. Es handelte sich dabei um den Sitz Anna van Veeres, bei der sich auch Batt aufhielt, die Abtei St.-Bertin in St. Omer, zu dessen Vorsteher Anton von Bergen er bereits zuvor Kontakt aufgenommen hatte, sowie um den Wohnsitz Florents de Clonne, „der in späteren Jahren Bürgermeister von Saint-Omer wurde“698. Letzterer ließ die Unterstützung für Erasmus offensichtlich bei freier Kost und Logies bewenden, da Erasmus in der Folgezeit weder Kontakt zu ihm suchte noch in Briefen über ihn ein Wort verlor. Die Aufenthalte in Tournehem und St. Omer hingegen hatten nachhaltige Wirkungen auf Erasmus: Im Auftrag des Abtes von St.-Bertin verfasste er einen Brief an Giovanni de Medici, den späteren Papst Leo X.699 In St. Omer lernte Erasmus Jean Vitrier kennen, der Custos des örtlichen Franziskanerkonvents der Observanten und bedeutender Prediger in französischer Sprache war. Erasmus hob mehrmals dessen Eignung als Seelsorger und Beichtvater hervor, der es auch verstünde, die Menschen durch seine Predigten zur wahren Philosophie Christi hinzuleiten.700 Diese von Vitrier propagierte christliche Lebensweise – von Erasmus als ‚philosophia Christi‘ bezeichnet – war maßgeblich von Origenes

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Vgl. Allen I, Nr. 154, S. 359f., hier: S. 359, Z. 16-21: Omnia dira huic capiti precor, nisi semper eo animo tuam beneficentiam accepi quo probum et officii memorem clientulum oportuit. Amavi toto pectore, suspexi, veneratus sum, celebravi, memini; nullum a me sacrum hunc usque in diem fit quo non Deum immortalem orem ut quae in me contulisti, ille qui potest unus, multo cum foenore in te refundat. Ebd. Daneben wandte sich Erasmus auch an Jakob Anthoniszoon, den Generalvikar des Bischofs, weil er sich durch diesen positiven Einfluss auf Heinrich von Bergen erhoffte. Vgl. dazu Allen I, Nr. 153. Vgl. Allen I, Nr. 181. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 44. Vgl. Allen I, Nr. 162. Z.B. Allen IV, Nr. 1211, S. 507-527, hier: S. 508, Z. 27-29, 34f.

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beeinflusst, dessen Werke Erasmus durch ihn kennenlernte.701 Zugleich war dies auch die Inspiration für die 1503 publizierte Schrift ‚Enchiridion militis christiani‘, deren Anlass laut Erasmus zufällig war:702 Die Gattin eines Höflings beklagte sich über den Lebenswandel ihres Mannes, der sich der Hurerei (scortatio) und ehebrecherischem Treiben (adulterium) hingegeben habe.703 Auf ihr Bitten und Drängen hin verfasste Erasmus das ‚Handbüchlein des christlichen Ritters‘, in dem er eine Richtschnur für das Leben als Christ vorgab. Da er sich an den christlichen Laien wandte, verwundert es nicht, dass der Text einem Regelwerk ähnelt, das mehr als eine rein seelsorgerlichkatechetische Botschaft beinhaltet. Auf allgemeinverständliche Weise entfaltet Erasmus die christliche Lehre und erklärt, wie sie im alltäglichen Leben praktisch umsetzbar ist. Er plädiert dafür, die Bibel als Maßstab für das alltägliche Leben zu wählen, warnt aber vor bloßer Buchstabengelehrtheit.704 Zunächst wurde das ‚Enchiridion‘ gemeinsam mit den ‚Lucubratiunculae‘ (kleineren Nachtgedanken) bei Dirk Martens im Februar 1503 gedruckt. Eine selbständige Ausgabe wurde erst 1515 – ebenfalls bei Martens in Antwerpen – erstellt und Ribhegge

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Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 46f.: „Erasmus blieb von Origines sein Leben lang fasziniert. Erasmus’ Ausgabe der Werke des Origines brachte Beatus Rhenanus unmittelbar nach Erasmus´ Tod 1536 bei Froben in Basel heraus.“ Allen I, Nr. I, S. 19, Z. 36: Res est casu nata. Ebd., S. 20, Z. 1-7. Vgl. Allen I, Nr. 181, S. 403-406, hier: S. 405, Z. 46-54: Enchiridion non ad ostentationem ingenii aut eloquentiae conscripsi, verum ad hoc solum, ut mederer errori vulgo religionem constituentium in ceremoniis et observationibus pene plusquam Iudaicis rerum corporalium, earum quae ad pietatem pertinent mire negligentium. […] reliqua omnia pene alieno scripsi stomacho, praesertium Paeana et obsecrationem, quod laboris datum est animo Batti mei et affectibus Annae Principis Verianae. Wenn Halkin (Erasmus von Rotterdam, S. 29) das ‚Enchiridion‘ als „eines seiner bedeutendsten Werke“ bezeichnet, ist ihm beizupflichten, da gewichtige Personen unter den Zeitgenossen des Erasmus, wie John Colet, der Löwener Theologe Adrian Baarland und der Baseler Bischof Christoph von Utenheim, diesen Text sehr gern gelesen hätten, da er weder der Tradition widerspreche noch oberflächlich sei – kurz: eine anregende Lektüre darstelle. Vgl. dazu: Tracy, Erasmus. The Growth of a Mind, S. 108: „In its main outlines it was neither untraditional nor superficial. Serious men among Erasmus’ contemporaries – John Colet, the Louvain theologian Adrian Baarland, and the Bishop of Basel, Christoph von Utenheim – found it valuable spiritual reading.” Schoeck, The Vocation of Erasmus, S. 207, ordnet das ‚Enchiridion’ folgendermaßen ein: „the blending of classical wisdom with Christian piety, a late fruit of the devotio moderna, a handbook for the laity: simple, not technical; practical not speculative.” Allen I (Einführung zu Nr. 164, datiert auf Herbst 1501; (vermutlich) adressiert an Jean de Trazegnies, S. 373) hat darauf verwiesen, dass das ‚Enchiridion‘ zunächst nicht viel Aufmerksamkeit erregt habe. Erst die zweite Auflage habe für zahlreiche fremdsprachige Übersetzungen gesorgt.

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scheint richtig zu resümieren: „Das ‚Enchiridion‘ wurde zunächst wenig beachtet. Berühmt und in ganz Europa bekannt wurde es erst durch die Ausgabe, die Johannes Froben im Juli 1518 in Basel herausbrachte.“705 Dies belegen u.a. die zahlreichen deutsch- und englischsprachigen Übersetzungen, die seit 1520 erfolgten.706 Allerdings gab es auch mehrere Kritiker, die sich daran stießen, dass Erasmus sich in dieser Schrift eine Verbindung zwischen biblischer Lehre und antikem Denken zu einfach gemacht habe.707 Es liegt nahe zu vermuten, dass ein gewichtiger Teil der Negativkritik aus Furcht vor Umbrüchen geäußert wurde, weil die Schrift nach Stefan Zweigs Ansicht zu einem „volkstheologische[n] Handbuch“708 avancierte und die Reformation „mit ihren radikalen Forderungen dadurch schon ein vorgepflügtes Feld“709 vorfand. Für die Zeit nach Veröffentlichung der Erstausgabe finden sich indes keine Indizien, die auf große Beachtung des Erstlingswerks schließen lassen. Der erhoffte Erfolg, den Erasmus bereits mit den ‚Adagia‘ zu erzielen beabsichtigte, blieb auch nach dem ‚Enchiridion‘ zunächst aus. Daher ist die Einschätzung Ribhegges („Allmählich wurde Erasmus eine Autorität“710) wohl

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Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 47. Lateinische Ausgaben des ‚Enchiridions‘ erfolgten daneben 1515 bei Schumann in Leipzig (Allen II, Nr. 553, hier: S. 505), 1516 bei Schürer in Straßburg (Nachdruck seiner Ausgabe von 1515; Allen II, Nr. 473, hier: S. 353) und 1519 bei Corver in Zwolle (Allen III, Nr. 660, hier: S. 83). Der Erfolg dieser hundert Seiten umfassenden Schrift spiegelt sich in den zahlreichen Auflagen wider: allein in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist der Text 85 mal gedruckt worden. Vgl. dazu: Ferdinand van der Haegen, Bibliotheca Erasmiana: Répertoire des oeuvres d’Erasme. Nieuwkoop 1961, S. 79-84; Bezzel, Erasmusdrucke des 16. Jahrhunderts in bayerischen Bibliotheken, S. 255-277. In deutscher Sprache ist das ‚Enchiridion‘ in den Jahren 1520 (Basel), 1521 (Basel und Mainz) sowie 1543 (Augsburg) erschienen (vgl. dazu: Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536. Deutsche Übersetzungen des 16. Jahrhunderts, S. 13, Nr. 4; S. 15, Nr. 5-7). In englischer Sprache sind zwischen 1532 und 1576 insgesamt 14 Ausgaben erschienen (vgl. Devereux, Renaissance English Translations of Erasmus: A bibliography to 1700, S. 104-116; Allen I, Nr. I, hier: S. 19f.; III, Nr. 858, S. 361-377). Auch die moderne Forschung verfügt über solche kritischen Sichtweisen: Elmore Harris Harbison (The Christian Scholar in the Age of Reformation, New York 1956, S. 72) hat daher das ‚Enchiridion‘ unter jene frühen Werke gezählt, die stark von einem naiven Säkularismus geprägt sind, und gesagt, dass Erasmus es sich zu einfach gemacht habe, wenn er antikes Denken und biblische Lehre in Verbindung zueinander habe setzen wollen. Stefan Zweig, Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam, Frankfurt am Main 1950, S. 93. Ebd. Ribhegge (Erasmus und Europa, S. 566) hat das ‚Enchiridion‘ als „[d]as kirchliche Reformprogramm des Erasmus […], lange vor dem öffentlichen Auftreten Luthers“ bezeichnet. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 47.

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zu euphorisch. Zwar war ihm mittlerweile auch eine Gedichtausgabe des Alexander Hegius von einem Lehrer in Deventer gewidmet worden,711 doch fand dieses Werk wohl noch geringere Beachtung als die von Erasmus veröffentlichten. Natürlich ist der Akt der Widmung Kennzeichen der Achtung des Erasmus, doch darf die Wirkung nicht überschätzt werden.712 Die Situation des Erasmus hatte sich – so muss man nach diesen Veröffentlichungen resümieren – nicht verbessert, sondern wohl nach dem Tod seiner wichtigsten Fürsprecher und Förderer Jakob Batt (im Juli 1502) und Heinrich von Bergen (im Oktober 1502) eher noch verschlechtert. Vieles deutet darauf hin, dass er beispielsweise immer noch nicht in der Lage war, sich dauerhaft eine eigene Unterkunft zu finanzieren. So wohnte er seit September 1502 in Löwen im Kolleg St. Donatian und die überlieferte Korrespondenz gibt zu erkennen, dass er bis mindestens Ende November 1503 dort blieb. Hier im Kolleg machte er die Bekanntschaft mit Jean Desmarez, der als Rhetorikprofessor an der Universität Löwen tätig war. Über diesen lernte Erasmus die örtlichen Humanisten kennen und erneut wird deutlich, wie gut die humanistischen Netzwerke funktionierten, wenn es darum ging, Kontakte oder Ämter zu vermitteln: Durch Hieronymus van Busleyden wurde Erasmus mit dem Bischof von Arras Nicolas Ruistre bekannt gemacht, in dem Erasmus offensichtlich sogleich einen potentiellen Gönner sah. Am 17. November 1503 wandte er sich in einem Brief an den Bischof, in dem er sich vorstellte und das Vorhaben ankündigte, Ruistre eine Ausgabe lateinischer Texte des griechischen Sophisten Libanius widmen zu wollen.713 Außer einer Einladung zum Essen und der Schenkung von zehn Goldmünzen ist jedoch keine weitere Unterstützung auszumachen.714 Wie dramatisch

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Vgl. die auf den 9. Juli 1503 datierte Widmungsvorrede bei Allen I, Nr. 174, S. 384388. Schoeck (The Vocation of Erasmus, S. 207) hat die Bedeutung des ‚Enchiridions‘ für die Entwicklung des Erasmus treffend auf den Punkt gebracht: „The publication in 1503 of his Enchiridion marked his maturing as a Christian humanist and pastoral theologian, for the Enchiridion is a direct expression of Erasmian philosophia Christi[.]” James D. Tracy (Erasmus. The Growth of a Mind, S. 83) hat diesbezüglich formuliert: „Between the first and second visits to England (1499-1505) Erasmus made good on his promises to theology. The Enchiridion Militis Christiani was the fruit of his immersion in biblical and patristic writings.” Vgl. Allen I, Nr. 177. Danach ist ein Schriftverkehr erst wieder für Februar 1504 bezeugt, als sich Erasmus erneut an den Bischof wandte (Allen I, Nr. 179). Vgl. Allen I, Nr. 178, S. 393-395, hier: S. 393, Z. 4-8: Is [Ruistre] magnopere nostro munusculo delectatus, quanquam perquam pusillo, ad convivium vocavit; obtulit officium su-

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die finanzielle Situation des Erasmus tatsächlich war, lässt sich nur schwer ausmachen. Er konnte es sich jedenfalls erlauben, das Angebot an der Universität Löwen zu lehren, auszuschlagen.715 Da sich das Lehrdeputat lediglich auf Vorlesungen beschränkte, ist davon auszugehen, dass die Besoldung ohnehin nur einen kleinen Teil der Lebenshaltungskosten abgedeckt hätte. Er setzte indes darauf, durch Textveröffentlichungen und verschiedene Tätigkeiten die nötigen Einnahmen zu erzielen. Desmarez, der ihn bereits zuvor mit den Löwener Humanisten bekannt gemacht hatte, empfahl Ruistre, dass bei der Rückkehr Philipps des Schönen aus Spanien Erasmus eine Begrüßungsrede halten solle. Dies war meines Erachtens die erste belegbare Situation, in der Erasmus vor eine größere Öffentlichkeit trat, die über den engeren Rahmen eines Humanistenzirkels hinausging.716 Diese Anerkennung seiner Leistungen ist zugleich als Indiz für eine Bekanntheit zu werten, die sich aber nur auf den kommunalen, höchstens regionalen Bereich beschränkte. Was seine Textveröffentlichungen in dieser Zeit anbelangt, so sind die Annotationes zum Neuen Testament durch Lorenzo Valla zu nennen. Im nahe bei Löwen gelegenen Prämonstratenserkloster entdeckte Erasmus das Manuskript Vallas im Sommer 1504 und ließ es im folgenden April in Paris drucken.717 In seinem Widmungsschreiben an Christopher Fisher hob er die Bedeutung der Schriftstudien für die Exegese hervor und lobte Vallas Vorgehensweise, den Wortlaut der

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um, quacunque in re aut mihi aut meis posset gratificari. Abiens misit per Decanum Mechliniensem aureos decem. Darüber berichtete er seinem Klosterbruder Nikolaus Werner im September 1502 (Allen I, Nr. 171, S. 379f.). Vgl. Schoeck, Erasmus of Europe, S. 20. Vgl. Gail, Erasmus von Rotterdam in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S. 127. Auf solchen Bibliotheksexkursionen konnte sich Erasmus seine philologischen Kenntnisse besonders gut zu Nutze machen, indem er leicht entscheiden konnte, ob es sich bei einem Handschriftenfund um einen bedeutenden, prominenten und publizierwürdigen Text handelte. Daher findet sich bei John F. D’Amico (Theory and practice in Renaissance textual criticism: Beatus Rhenanus between conjecture and history, Berkeley 1988, S. 31) auch die Feststellung: „none of his contemporaries could claim equal familiarity with manuscripts.“ Trotzdem zog Erasmus zur Bearbeitung eines Textes nicht alle verfügbaren Handschriften zu Rate, teilweise wählte er sogar nur die schlechteren Exemplare (ebd., S. 33). Seine besondere Gabe, sich der Urform eines Textes anzunähern, lag darin, dass sich Erasmus stets für die difficilior lectio entschied, d.h. für die schwierigere Lesart. Erasmus nahm mit diesem Verfahren eine Vorreiterrolle ein (ebd.).

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Vulgata mit dem griechischen Text zu vergleichen.718 Indem Erasmus den philologischen Ansatz würdigte, ‚ad fontes‘ zu gehen,719 kritisierte er zugleich die scholastische Bibelauslegung, die eben dies ablehnte.720 Für Holeczek steht fest, dass es sich bei diesem Fund um einen Glückfall gehandelt habe, da Erasmus nicht zögerte, den Text schnellstmöglich zu veröffentlichen.721 Dies ist leicht nachvollziehbar, da sich Erasmus schon in seinen ersten Schriften mit Lorenzo Valla befasste und diesen über Jahre hinweg als sein größtes Vorbild ansah.722 Mit der Widmung an Fisher bedankte sich Erasmus nicht allein dafür, dass er nach seiner Rückkehr nach Paris (im Dezember 1504) bei diesem wohnen durfte, sondern wohl auch für dessen Einsatz um Erlangung einer Dispens. Ribhegge vermutet, dass „trotz seiner illegitimen Geburt kirchliche Ämter anzunehmen“723 vor allem auf das Engagement Fishers zurückzuführen ist.724 Eingehendere Informationen über diesen erneuten Aufenthalt in Paris lassen sich indes kaum anführen, da für 1504 nur drei Briefe, für 1505 nur fünf überliefert sind. Mit Sicherheit lässt sich aber behaupten, dass er gegen Ende 1505 wieder

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Vgl. Allen I, Nr. 182, S. 406-412. Ebd., S. 410, Z. 122: totum ab illorum fontibus manat, […]. Was die Grundlage dieser Arbeit betrifft, so hat Erasmus hier das Quellenprinzip hervorgehoben: „Der griechische Text des NT habe als Original zu gelten, die lateinische Version ist eine Übersetzung“, so zu lesen bei Holeczek (Der Humanist Erasmus, S. 19). In der Konsequenz bedeutet das, dass der Philologe ähnlich wichtig ist für diese Aufgabe wie der Theologe. Erasmus konnte seine grammatikalischen Fähigkeiten und seine neu erworbenen theologischen Kenntnisse daher hervorragend nutzen. Buck (Die Rezeption der Antike, S. 60) hat auf den langfristigen Nutzen der ‚Adnotationes‘ hingewiesen: „Erasmus verwandte die Adnotationes, die er 1505 drucken ließ, bei seiner Ausgabe des Neuen Testaments auf griechisch von 1516.“ Vgl. auch Holeczek, Der Humanist Erasmus, S. 18: „War Valla für Erasmus der Führer zum philologischen Humanismus gewesen, so wurde er nun auch sein Führer zur Bibelphilologie[.]“ Vgl. Holeczek, Der Humanist Erasmus, S. 19. Neben der von Erasmus entdeckten und veröffentlichten Fassung dieses Werkes gibt es noch weitere – vgl. dazu: Collatio Novi Testamenti, Redazione inedita a cura di A. Perosa, Florenz 1970. Vgl. zu den frühen Schriften, die aus der Beschäftigung mit Valla entstanden sind, die vorigen Ausführungen dieser Arbeit. D’Amico, Theory and practice in Renaissance textual criticism, S. 32: „Valla showed Erasmus how to deal with questionable passages and how to arrive at more acceptable readings through procedures that were basically philological. Partly with Vallas’s assistance, Erasmus began the long process of writing his own annotations to the New Testament.“ Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 53. Allen III, Nr. 187 A, S. XXIXf. Schoeck (The Vocation of Erasmus, S. 207) hat die These vertreten, die Dispens eventuell als Bestätigung seines Lebenswandels anzusehen und dass der Papst Erasmus alle Möglichkeiten hat geben wollen, um ungehindert seine Dienste der Theologie widmen zu können.

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in England weilte, wie er gegenüber Servatius Roger berichtete.725 Bereits im Dezember des Vorjahres hatte er wieder den Kontakt zu John Colet gesucht726 und wurde daraufhin von William Blount nach England eingeladen. Er wohnte die meiste Zeit im Haus von Thomas Morus und suchte vor Ort nach neuen Gönnern, was an Briefen an den Bischof von Winchester und den Erzbischof von Canterbury ersichtlich wird.727 Letzterem widmete er sodann seine lateinische Übersetzung der ‚Hecuba‘ des Euripides,728 doch brachten die neu gewonnenen Kontakte nicht die erhoffte Veränderung.729 Deutlich wird dies in einem Brief an Servatius Roger vom 1. April 1506, in dem Erasmus schrieb, er wolle sich nun mit seiner Mittelmäßigkeit abfinden und sich vor allem mit dem Tod und der Erlangung des Seelenheils beschäftigen.730 Mitten in dieser depressiven, resignierenden Situation wurde ihm das Angebot gemacht, die beiden Söhne des Leibarztes Heinrichs VII. auf ihrer Reise nach Italien zu begleiten.731 – War er mittlerweile nur noch damit beschäftigt, seinen Lebensunterhalt zu organisieren und seine höheren Ziele, zu denen auch die Reise nach Italien und der dortige Erwerb der Doktorwürde zählten,732 fahren zu lassen, so muss das unterbreitete Angebot für Erasmus einer Erlösung aus seiner tristen Lage gleichgekommen sein. Natürlich erklärte er sich sogleich bereit, mitzureisen, kehrte jedoch zuvor nochmal nach Paris zurück, wo er im Juni 1506 eintraf. Er arrangierte hier noch die Drucklegung einer Ausgabe Lukians, die er gemeinsam mit Thomas Morus erstellt hatte, und widmete sie verschiedenen englischen Freunden: Richard Foxe, dem Bischof von Winchester; Richard Whit725 726 727 728 729

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Vgl. Allen I, Nr. 185. Vgl. Allen I, Nr. 181. Vgl. Allen I, Nr. 187f. Vgl. Allen I, Nr. 188, S. 417-420, datiert auf den 24. Januar 1506. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 54: „Aber alle diese Kontakte brachten ihm trotz des päpstlichen Dispenses nicht das erwünschte Benefizium ein.“ Vgl. Allen I, Nr. 189, S. 420f., hier: S. 421, Z. 12-14: Quare decrevi hac mea mediocritate contentus (praesertim cum Graecitatis quantum sat est adhibuerim) meditandae morti et animo fingendo operam dare. Dieser Leibarzt habe aus Italien gestammt, aber schon lange Zeit in England gelebt und Erasmus gebeten, auf seine Kosten den beiden Söhnen Italien näher zu bringen, so Grendler (Renaissance Education Between Religion and Politics, S. 43). Beatus Rhenanus schrieb dazu an Karl V. (Allen I, Nr. IV, hier: S. 59, Z. 100f.): cum filiis Baptistae Boerii Genuensis, regii in Britannia medici, Ioanne et Bernardo Bononiam profectus est […]. Die Selbsteinschätzung der Mittelmäßigkeit ist gemessen an Formulierung und Berücksichtigung der Situation des Erasmus wohl ernst zu nehmen und nicht als Bescheidenheitstopos zu bewerten.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

ford, dessen Kaplan; Thomas Ruthall, der Sekretär Heinrichs VII. war, sowie Christopher Urswick, der in diplomatischen Diensten Heinrichs VII. stand.733 Von Paris reiste er mit den Söhnen des Leibarztes über Bologna nach Florenz, von wo er im November 1506 an Servatius Roger schrieb.734

In den knapp sieben Jahren seit 1499 hatte Erasmus mehr Gegenden bereist und Personen kennengelernt als in 33 Lebensjahren zuvor. Der Schlüssel hierfür ist in seinem Wechsel nach Paris zu sehen: Nicht in erster Linie durch sein Studium als vielmehr aufgrund seiner Nebentätigkeiten machte er die entscheidenden Bekanntschaften, die ihm angesichts seiner Unzufriedenheit mit der Studiensituation die persönliche Veränderung ermöglichten. Allen voran ist hier William Blount zu nennen, der Erasmus nicht nur Reise und Unterkunft bei beiden Englandaufenthalten finanzierte, sondern auch den Kontakt mit dortigen einflussreichen Kreisen herstellte. Erasmus gewann hier Zugang zur Herrschaftselite bzw. zum Hochadel, zu den führenden Humanisten Englands und zahlreichen hohen Klerikern. Als Resultat konnte er mit der Erfahrung des biblischen Humanismus einen außerordentlichen ideellen Gewinn verbuchen. Vergleichbar ist damit der zuvor hergestellte und später wieder vertiefte Kontakt zu den Pariser Humanisten. Dass viele von ihnen Erasmus Bücher zur Verfügung stellten und damit erst die Erstellung der ‚Adagia‘ ermöglichten, ist nur ein Aspekt, der ihm zum Vorteil gereichte. Doch darf dies genauso wenig als Indiz für eine bis 1506 erlangte Berühmtheit gewertet werden wie der nachweislich erste öffentliche Auftritt im Jahr 1503, als er eine Begrüßungsrede zu Ehren Philipps des Schönen hielt. Für diesen Eindruck sind keinerlei Belege zu finden, wohl aber dafür, dass schon allein aufgrund seiner Aufenthalte in England, Paris und den Niederlanden der Radius seiner Bekanntheit sich über den kommunal-regionalen Bereich hinaus erweiterte. Finanziell konnte er davon indes nicht profitieren: Stattdessen sah er sich den gesamten Zeitraum über in unterschiedlichem Maße mit dem Problem konfrontiert, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Deutlich wird dies in zahlreichen Bittgesuchen und Klagen, die vor allem nach dem Tod seines zunächst wichtigsten Gönners Heinrich von Bergen und verlässlichsten Fürsprechers Jakob Batt vonnöten waren. Die Suche nach Unterstützung

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Vgl. Allen I, Nr. 187, 191-193. Vgl. Allen I, Nr. 203.

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war jedoch entweder ohne Ergebnis oder nur wenig erfolgreich, während auch die durch seine Publikationen erhoffte (finanzielle) Veränderung ausblieb. Dies muss daher als weiteres Indiz dafür gewertet werden, dass Erasmus bis zu seinem Aufbruch in Richtung Italien keine Berühmtheit erlangt hat bzw. einen daraus resultierenden Status, der es gestattet hätte, monetär sorgenfrei zu leben. Immer wieder konnte er jedoch von Beziehungen profitieren. Sie waren einerseits Ergebnis seines Vernetzungstalents, andererseits auch Beleg für seinen Anschluss in den jeweiligen Humanistenzirkeln. Die Akzeptanz als Mitglied in humanistischen Kreisen war schließlich Voraussetzung dafür, das vorhandene Netzwerk auch nutzen zu können. Erasmus gelang dies nicht zuletzt auch dadurch, dass er Wert darauf legte, Kontakt zu halten, wenn er nicht vor Ort war. So wie er anfangs aus Paris zahlreiche Briefe an seine Klosterbrüder in Steyn adressierte, wandte er sich von Paris oder Orléans aus auch an Batt oder die Bekannten in England. Auffallend ist dabei, dass er oft zu denjenigen Personen die Beziehung aufrecht zu erhalten suchte, von denen er glaubte, profitieren zu können. Mit Blick auf das überlieferte Briefkorpus der Jahre von 1499 bis 1506 zeigt sich eindeutig, dass Erasmus von sich aus den Kontakt suchte. An ihn adressierte Briefe sind überwiegend Antwortschreiben. Um diesen Gesamteindruck zu untermauern, genügt das vorhandene Material, auch wenn aus den Jahren von 1502 bis 1505 vermutlich nur ein Teil der tatsächlichen Korrespondenz gesichert ist.

4.) 1506 bis 1509: Italien Nicht allein sein großes Vorbild Lorenzo Valla war dafür verantwortlich, dass Erasmus seit langem nach Italien zu reisen beabsichtigte. 735 Gemeinsam mit John Colet hatte er sich mit den humanistischen Schriften der Florentiner Giovanni Pico della Mirandola und Marsilio Ficino auseinandergesetzt.736 Erasmus sah Italien als das gelobte Land

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Dazu heißt es im ‚Compendium vitae Erasmi‘ (Allen I, Nr. II, S. 52, Z. 122f.): petiit Italiam; cuius adeundae desiderio semper arserat. John F. D’Amico (Theory and practice in Renaissance textual criticism, S. 47) hat darauf hingewiesen, dass es nicht nur als Brauch, sondern schon fast als Notwendigkeit unter Humanisten angesehen wurde, durch einen Italienbesuch seine Bildung zu vervollständigen. Vgl. Gail, Erasmus von Rotterdam in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S. 36, sowie Holeczek, Erasmus von Rotterdam, S. 132. – Schoeck (Erasmus of Europe, S. 71) äußerste sich dazu folgendermaßen: „still in the Low Countries Erasmus had begun to

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

der (humanistischen) Bildung an und erhoffte sich, dort vor allem „Werke unbekannter Autoren und unbekannte Werke bekannter Autoren zu entdecken, zu übersetzen und Handschriften zu vergleichen und auszuwerten, vor allem im Dienste seiner theologischen Absichten“737. Das andere wichtige Vorhaben, das er in Italien verwirklichen wollte, war, den Grad eines Doktors der Theologie zu erwerben. Er beabsichtigte, sich eine Grundlage für weitere und tiefer gehende theologische Studien zu schaffen, wohl aber auch nach außen seine theologischen Kenntnisse unter Beweis zu stellen. Immerhin verfügte er dadurch über ein Zertifikat, das er gegen jene Kritiker einzusetzen vermochte, die in ihm mehr den Philologen denn den Theologen sahen und ihm folglich ein Mitspracherecht in theologischen Fragen aberkannten.738 Den angestrebten Doktortitel an einer italienischen Universität zu erwerben, stellte für ihn in diesem Zusammenhang die höchste Auszeichnung dar.739 Huizinga vertrat die Ansicht, Erasmus habe diesem Grad keine allzu große Bedeutung beigemessen, sondern ihn hauptsächlich als Notwendigkeit für weitere Studien angesehen.740 Dies kommt auch in einem Brief an Anna van Veere im Juni 1501, lange vor der Reise nach Italien, zum Ausdruck: Darin hat er das Vorhaben, nach Italien zu reisen, wie auch dort den Doktorgrad zu erwerben, als töricht bezeichnet, aber man müsse sich, so Erasmus, nun einmal nach dem

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absorb Italian humanism: from Valla (trough [Rudolph] Agricola and [Alexander] Hegius, as well as through his own reading), from Neoplatonism (through [John] Colet, and then, thanks [Jean] Vitrier, through Origen).” Gail, Erasmus von Rotterdam in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S. 39. Vgl. Huizinga, Erasmus. Eine Biographie, S. 65. Ijsewijn (The Coming of Humanism to the Low Countries, S. 276) hat allerdings auf Juan Luis Vives verwiesen, der niemals in Italien gewesen sei, weil er die italienische Kultur seiner Gegenwart teilweise verachtet habe, und dennoch berühmter und geschätzter Humanist geworden sei. Zur Zeit des Erasmus haben darüber hinaus die nördlich der Alpen gelegenen Universitäten noch eine wesentlich bessere humanistische Bildung geboten als noch zu Vives’ Zeiten. – Auch Grendler (Renaissance Education Between Religion and Politics, S. 44) betonte, schon allein durch die Historie sei die theologische Ausbildung an außeritalienischen Universitäten eine bessere: „Theology did not fit comfortably into Italian universities. […] Italian universities began as centers for the teaching of law and medicine, while Paris and Oxford concentrated on teaching theology.“ Vgl. Huizinga, Erasmus. Eine Biographie, S. 65. Ähnliches hat Grendler (Renaissance Education Between Religion and Politic, S. 42) zum Ausdruck gebracht: „Nevertheless, Erasmus wanted a doctorate of theology, and he yearned to visit Italy. Although he held doctors of theology in contempt, and denied that doctorates made men better Christians, he believed that readers would pay more attention to his message if he were a doctor of theology.“

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Brauch der Zeit richten.741 Dem widerspricht jedoch, dass er nach eigener Aussage das Studium in Paris in der Absicht aufgenommen habe, hernach auch zum Dr. theol. promoviert zu werden.742 In Paris blieb ihm dies allerdings aufgrund seiner unehelichen Herkunft verwehrt. Daher erwarb Erasmus erst am 4. September 1506743 den Doktortitel, wobei das Datum nur aus der Promotionsurkunde hervorgeht.744 Über Zeit und Ort verliert er in den beiden Briefen vom 4. November, in denen er Servatius Roger und Johann Obrecht über das Doktorat in Kenntnis setzt, keinerlei Worte.745 Ribhegge hebt daher zu Recht hervor, aus beiden Quellen sei der Eindruck zu gewinnen, als sei Erasmus an der berühmten Universität von Bologna promoviert worden.746 Doch hielt er sich hier nur kurze Zeit auf, da die Kriegszüge Julius II. dazu zwangen, sogleich nach der Ankunft nach Florenz weiterzuziehen. Wie das Diplom auch deutlich macht, erhielt Erasmus an der Universität von Turin seinen Doktorgrad – er hatte nämlich gehört, dies sei dort ohne größere Schwierigkeiten möglich.747 In nur wenigen Tagen hatte Erasmus die nötigen Prüfungen absolviert und die Promotionsurkunde in Händen. Die Schnelligkeit dieses Vorgangs wird gelegentlich zum Anlass genommen, den Wert des Titels und die

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Vgl. Allen I, Nr. 145, S. 342-346 (datiert auf 27. Juni 1501; adressiert an Anna van Veere). Seine Verachtung gegenüber Doktoren der Theologie brachte Erasmus besonders in Z. 120-124 (ebd., S. 345) zum Ausdruck. Dennoch hatte er bereits 1498 in Allen I, Nr. 75, S. 202, Z. 13ff. (datiert auf ca. April 1498; adressiert an Arnold Bostius) seinen Willen bekundet, in Kürze Italien zu bereisen und in Bologna den Grad des Doktors der Theologie zu erwerben. – Auch Schoeck (Erasmus of Europe, S. 64) hat verdeutlicht, dass Erasmus erst durch den Doktorgrad einen gesicherten (Theologen-) Status erhalten habe. Vgl. die bereits angesprochene Stelle bei Allen I, Nr. 48, hier: S. 160, Z. 27-29 (datiert auf 13. September 1496; adressiert an Nikolaus Werner). Vgl. Grendler, Renaissance Education Between Religion and Politics, S. 41; Schenk, Desiderius Erasmus von Rotterdam, S. 393. Vgl. dazu: Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 224, Anm. 7. Vgl. Allen I, Nr. 200f. Vgl. Schoeck, Erasmus of Europe, S. 64. Grendler (Renaissance Education Between Religion and Politics, S. 58) hat daran erinnert, dass Erasmus zuvor Bologna angeschrieben habe und nach der Möglichkeit, sich dort promovieren zu lassen, gefragt habe. Vgl. Grendler, Renaissance Education Between Religion and Politics, S. 58. Des Weiteren vermutet Grendler (a.a.O., S. 41), dass Erasmus in England Turin empfohlen worden sei. Ders. (ebd., u.a. S. 60) hat mehrfach betont, dass es die Absicht des Erasmus gewesen sei, das Doktorat möglichst leicht zu erlangen, was aber die Vermutung nicht zulasse, Erasmus sei nicht geeignet gewesen.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

Bedingungen seines Erwerbs anzuzweifeln.748 Grendler hat indes glaubhaft dargelegt, dass Erasmus die nötige Leistung erbringen musste, auch weil zu dieser Zeit an italienischen Universitäten keine Titel honoris causa vergeben worden seien.749 Unabhängig davon stand für Erasmus die Promotion nicht allein im Zentrum seines Italienaufenthaltes: So befand er sich gegen Mitte November erneut in Bologna und verbrachte dort mehr als ein Jahr,750 wobei er die Söhne Boerios unterrichtete und Bombasius kennenlernte, der an der Universität Griechisch, Poetik und Rhetorik lehrte.751 Zuvor hatte man sich nach Florenz begeben müssen, da Norditalien von Unruhen heimgesucht und Bologna von päpstlichen Truppen belagert wurde.752 Auch wenn die Nachwirkungen andere waren, kann sein Entsetzen über den wohl „schlimmsten Renaissancepapst“753 mit dem Romerlebnis Luthers verglichen werden. Beide kamen mit hohen Erwartungen dem Wirken des Kirchenprimus immer näher, um letztlich bitter enttäuscht zu werden. Bei Erasmus schlug sich dies in der Veröffentlichung des ‚Iulius exclusus de caelo‘ bzw. ‚Iulius exclusus e coelis‘ nieder. Der Dialog

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So führte Gail (Erasmus von Rotterdam in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S. 38) z.B. die Möglichkeit an, Freunde hätten für Erasmus alles arrangiert. In seiner Korrespondenz findet diese These keine Bestätigung. Zu belegen ist jedoch, dass es seine Freunde waren, die ihn davon überzeugten, er würde mit einem Doktortitel einen höheren Grad an Autorität erlangen. Dies kommt in folgenden Briefen zum Ausdruck: Allen I, Nr. 201, S. 432 (datiert auf 4. November 1506; adressiert an Obrecht), ähnlich Nr. 200, S. 431f. (datiert auf ebenfalls 4. November 1506; adressiert an Servatius Roger) und Nr. 203, S. 433 (datiert auf 16. November 1506; adressiert ebenfalls an Servatius Roger). Vgl. Grendler, Renaissance Education Between Religion and Politics, S. 60. Allen I, Nr. II, S. 51, Z. 123: Egit plus quam annum Bononiae. Schoeck (Erasmus of Europe, S. 65) hat auf die Bekanntschaft des Erasmus mit Paulus Bombasius hingewiesen, dem Professor für Rhetorik, Poetik und seit 1506 auch für Griechisch. Bombasius habe Erasmus herzlich empfangen und diesem in seinen GriechischStudien beigestanden. Beatus Rhenanus hat Bombasius in seiner an Karl V. gerichteten Lebensbeschreibung des Erasmus als dessen Freund bezeichnet: Allen I, Nr. IV, S. 59, Z. 104-106. Erasmus wohnte eine Zeit lang im Haus des Bombasius, der später sein wichtigster Vertrauensmann in Rom wurde (vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 59). Vgl. Schoeck, Erasmus of Europe, S. 65. Huizinga, Erasmus. Eine Biographie, S. 66: „Das Ziel der Reise war Bologna. Doch bei der Ankunft des Erasmus herrschte dort ein solches Kriegstreiben, daß er genötigt war, für eine Zeitlang nach Florenz zu ziehen. Papst Julius II. zog, verbündet mit den Franzosen, an der Spitze einer Heeresmacht gegen Bologna heran, um es zu erobern und den Bentivoglio zu entreißen.“ Das Entsetzen des Erasmus über diesen kriegerischen Papst findet Ausdruck bei Schoeck, a.a.O., S. 65. Vgl. Holeczek, Erasmus von Rotterdam, S. 132, oder auch Huizinga, Erasmus. Eine Biographie, S. 66.

Überprüfung der Erkenntnisse anhand der Biographie

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wurde 1513/14 erstellt und anonym veröffentlicht. Spätestens nach der umfangreichen Studie von Peter Fabisch aus dem Jahr 2008 dürfte die Autorschaft des Erasmus aber mehr als wahrscheinlich sein.754 – Nach der überlieferten Korrespondenz zu urteilen, befand sich Erasmus November 1508 wieder in Bologna,755 während die Unterrichtsphase der beiden jungen Brüder bereits ein Jahr zuvor ausgelaufen war. Kurz vor dem Ende dieses Nebenverdienstes nahm Erasmus Kontakt zu Aldus Manutius auf – in der Hoffnung, in geschäftliche Beziehungen mit dem wohl renommiertesten Verleger humanistischer Werke treten zu können.756 (Als Indiz dafür, dass Erasmus zu diesem Zeitpunkt noch keine berühmte Persönlichkeit war, kann in diesem Brief auch gewertet werden, dass er sich nicht auf seine eigenen Leistungen verließ oder eigene Druckwerke anführte, um Manutius für sich zu gewinnen. Stattdessen schrieb er von Empfehlungen englischer Freunde, namentlich von Thomas Linacre, William Grocyn, William Latimer und Cuthbert Tunstall.757) Die Wertschätzung gegenüber Manutius, die Erasmus in jenem Brief ausdrückte, fand auch in einem späteren ‚Adagium‘ seinen Niederschlag: Venetorum urbs multis quidem nominibus celeberrima, per Aldinam tamen officinam celebrior est.758 Dass die Kontaktaufnahme erfolgreich verlief und Erasmus sogleich eine Anschlusstätigkeit hatte, beweist die von Manutius verlegte Tragödie ‚Iphigenie‘, die bereits Ende des Jahres erschien. Erasmus widmete sie William Warham, dem Erzbischof von Canterbury.759 Zudem lud Manutius ihn ein, nach Venedig zu kommen, wo Erasmus bereits im November eintraf und offensichtlich die Drucklegung begleitete. Wenn Ribhegge resümiert, in Italien habe das öffentliche Leben des Erasmus begonnen und hier sei der Europäer Erasmus geboren worden,760 so muss dies wohl als zu euphorisch gewertet werden – zu-

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Vgl. dazu: Holeczek, Erasmus von Rotterdam, S. 132. Vgl. auch Peter Fabisch, Iulius exclusus e coelis. Motive und Tendenzen gallikanischer und bibelhumanistischer Papstkritik im Umfeld des Erasmus, Münster 2008 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 152). Vgl. Allen I, Nr. 203-210. Vgl. Allen I, Nr. 207, S. 437-439. Ebd., S. 438, Z. 21-25. Erasmus, ‚Festina lente‘, aus: Adagia, in: Opera omnia, Bd. 2, Sp. 397-407, hier: Sp. 403C sowie Adagiorum Chilias secunda, hrsg. von M. Szymański, Amsterdam 2005 (Opera Omnia Desiderii Erasmi Roterodami, recognita et adnotatione critica instructa notisque illustrata II.3), S. 7-28, hier: S. 19. Vgl. Allen I, Nr. 208, S. 439f. (datiert auf Nov. 1507). Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 60.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

mal die Belege dieser These ausbleiben. Es kann höchstens anhand der Korrespondenz nachvollzogen werden, wie weit sich mittlerweile seine Beziehungen erstreckten: Im gesamten Jahr 1507 hat Erasmus nur drei Briefe verschickt und einen erhalten.761 Allerdings sind diese Briefe von hohem Aussagewert für seine Situation und sein Ansehen, da einer der an ihn adressierten Briefe von Prinz Heinrich Tudor, einem Schüler Mountjoys, stammte.762 Anhand dieses Briefes wird deutlich, dass der Englandbesuch des Erasmus bleibenden Eindruck hinterlassen hatte – und das sogar beim späteren Thronfolger! Darüber hinaus wird der langfristige Nutzen deutlich, den Erasmus durch den Kontakt zu Lord Mountjoy hatte. Diese dauerhafte Beziehung zu England wird ebenfalls sichtbar an dem erwähnten Widmungsschreiben an den Erzbischof von Canterbury, den er auch noch in späteren Jahren unter seine größten Gönner gerechnet hat.763 Die anderen beiden Briefe, die Erasmus in jenem Jahr verschickt hat, sind adressiert an Aldus Manutius, bei dessen Schwiegervater er seit Jahresende wohnte. Die Beziehungen nach England rissen zu keinem Zeitpunkt ab und so verwundert es auch nicht, dass Erasmus die ‚Adagia chiliades tres‘764, die bei Manutius gedruckt wurden, im September 1508 Lord Mountjoy widmete und in der Vorrede die Bedeutung der englischen Freunde für sich hervorhob.765 Während der Erstellung profitierte er in der Offizin in Venedig sehr von den neu gewonnenen Kontakten: „[D]ie literarischen Freunde von der neuen Akademie, die er in Venedig kennengelernt hatte: Johannes Lascaris, Baptista Egnatius, Marcus Musurus und der junge Hieronymus Aleander […] [brachten ihm] neue griechische Auto-

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Schoeck (Erasmus of Europe, S. 67) hat darauf hingewiesen, dass die Korrespondenz der Jahre 1506 und 1507 eventuell deshalb so dünn sei, weil Erasmus die Briefe nicht gesichert habe. Allen I, Nr. 206 (datiert auf 17. Januar 1507 aus Richmond), die eine Antwort darstellt auf den von Erasmus versandten Brief bei Allen I, Nr. 204 (datiert auf ca. 17. November 1506). Dies kommt vor allem zum Ausdruck in Allen I, Nr. 252 (datiert auf 6. Februar 1512; adressiert an Anton von Bergen). Im ‚Compendium vitae‘ (Allen I, Nr. II, S. 51, Z. 120f.) heißt es sogar, Erasmus habe Freundschaft mit William Warham schließen können. Ebd. Auch das ‚Compendium vitae Erasmi‘ (Allen I, Nr. II, S. 51, Z. 124f.) belegt die Veröffentlichung der ‚Adagia‘ in Venedig. Mit Blick auf die Zusammenarbeit mit Manutius hat Holeczek (Erasmus von Rotterdam, S. 132) geschrieben: „Die Gespräche in Venedig über verschiedene Projekte scheinen allerdings nicht sehr befriedigend verlaufen zu sein.“ Vgl. Allen I, Nr. 211, S. 443-447.

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ren: Platon im Urtext, Plutarchs Lebensbeschreibungen und Moralia, Pindar, Pausanias und eine Anzahl anderer“.766 In der daraus erwachsenen, überarbeiteten Version der ‚Adagia‘ berücksichtigte Erasmus zahlreiche griechische Autoren, wobei es ihm zugleich gelang, sich „an ein breites gebildetes Publikum in Europa [zu wenden], und […] einen einfachen und verständlichen Zugang zur literarischen Welt der Antike“767 zu vermitteln. Aleander, dem späteren Kardinal und päpstlichen Nuntius, mit dem Erasmus sogar Kammer und Bett teilte,768 übernahm zuvor die Korrekturarbeiten. Die Bereitschaft des Manutius, das erasmische Werk zu verlegen, war demnach nicht das einzige erfreuliche Resultat des Venedigaufenthaltes: Erasmus konnte neue Freundschaftsbeziehungen eingehen, sich gleichzeitig aber auch bei seinen Bekannten in England ins Gedächtnis rufen. Es ist jedoch unklar, wie lange er sich insgesamt in Venedig aufhielt. Sicher ist, dass die nächste Station Padua war, da er am 9. Dezember von dort an Manutius in Venedig schrieb.769 Das ‚Compendium vitae Erasmi‘ gibt an, Erasmus habe in Padua überwintert und sich von dort aus auf den Weg nach Rom gemacht,770 wo er nach Holeczeks Annahme wichtige Kontakte schloss: „In Rom scheint er recht erfolgreich gewesen zu sein: Er nahm einflußreiche Kardinäle für sich ein, so Giovanni di Medici, den späteren Papst Leo X., die Kardinäle Grimani und Riario. Für den Mann aus niederem Stand, in klerikaler Umgebung aufgewachsen, dürften diese Kontakte von hoher Bedeutung ge-

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Huizinga, Erasmus. Eine Biographie, S. 67. Bei Rhenanus an Karl V. (Allen I, Nr. IV, S. 61, Z. 159-162) finden sich noch weitere Personen, mit denen Erasmus in Venedig Freundschaft schloss. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 60. Ebd. sowie Gail, Erasmus von Rotterdam in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S. 40. In Padua habe er Kontakt mit einem Kardinal geschlossen, wie das ‚Compendium vitae Erasmi‘ (Allen I, Nr. II, S. 51, Z. 126f.) angibt: Raphaeli, Card. S. Georgii, praecipue charus fuit. Allen I, Nr. II, S. 51, Z. 125f.: inde Patavium, ubi hibernavit; mox Romam […]. In Padua unterrichtete Erasmus den unehelichen Sohn des schottischen Königs, Alexander Stewart. Gemeinsam zogen sie über Ferrara, Bologna, Florenz und Siena nach Rom und Neapel, bis dass sie sich im Mai 1509 trennten. Das Abschiedsgeschenk Stewarts – ein Ring mit der Gravur ‚Concedo nulli‘ – diente Erasmus später als Siegelring. Vgl. dazu Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 61f. Vgl. auch Schoeck, Erasmus of Europe, S. 68: „[At Padua] he became tutor of Alexander Stewart, the illegitimate son of James IV of Scotland. Alexander arrived in Padua in 1508, having already been chosen to succeed his uncle as the archbishop of St Andrews (BR), and in Padua Alexander and his brother James Stewart, earl of Moray, were instructed in Latin and rhetoric by Erasmus.“ In den vier (auto)biographischen Quellen findet das angeführte Itinerar keine Erwähnung (vgl. Allen I, Nr. I-IV).

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

wesen sein[.]“771 In Bezug auf die Romerlebnisse ist Schenk noch wesentlich weiter gegangen: Erasmus sei in Rom „als gefeierter Autor von den geistlichen Würdenträgern mit großem Respekt empfangen“772 worden. Offensichtlich beruft sich diese Aussage auf die Ausführungen des Rhenanus: Demnach könne gar nicht gesagt werden, mit wie viel Applaus und wie viel Freude Erasmus von den literatori homines empfangen worden sei.773 Meines Erachtens kann diese Schilderung nicht der Wahrheit entsprechen, sondern muss als stark übertrieben oder gar falsch gewertet werden. Zum einen hätte Erasmus wohl in mehreren Briefen davon berichtet, wenn er unter diesen Umständen in Rom empfangen worden wäre, und hätte alles daran gesetzt, die Briefe in Kopie zu sichern, was nicht der Fall ist. (Selbst bei Überlieferungslücken sollte man Schilderungen dieses Erlebnisses in Texten oder Widmungsvorreden erwarten, da es für Erasmus überaus überraschend gewesen sein müsste und nicht mit den einrahmenden Ereignissen in Einklang zu bringen ist.) Zum anderen ist die Schilderung des Rhenanus über drei Jahrzehnte später entstanden und kann wohl kaum die tatsächliche Stimmung wiedergeben. Insofern ist davon auszugehen, dass Rhenanus entweder ein Fehler in der Darstellung unterlaufen ist oder er etwa beabsichtigte, das Ansehen des Erasmus im Mutterland des Renaissance-Humanismus und im Zentrum der katholischen Welt posthum gleichsam divinisierend zu verklären. Im Übrigen geht das ‚Compendium vitae‘ an keiner Stelle auf den Rombesuch des Erasmus ein und auch die Frage drängt sich auf, was für sein hypothetisches Berühmtsein verantwortlich sein sollte. Zugegebenermaßen hat sich bis zu diesem Zeitpunkt der Umfang seiner Kontakte genauso vergrößert wie die daraus resultierende Bekanntheit. – Doch hätten nicht für 1508 und 1509 wesentlich mehr Briefe überliefert sein müssen, die an Erasmus gerichtet wären, wenn seine eigenen schon kaum gesichert sind? In beiden Jahren hat er Briefe aus Bologna, Greenwich und Rom erhalten,774 doch zeugt dies lediglich für seine Kontakte nach England und jene, die er kurze Zeit vorher – und aufgrund persönlicher Anwesenheit – in Italien hatte knüpfen können. Dass er sich durch eine seiner Veröffentlichungen bis 1509 einen Namen gemacht hat, kann daraus indes keineswegs gefolgert werden. Nicht untertrieben ist hingegen zu behaupten, dass er sowohl in Bo-

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Holeczek, Erasmus von Rotterdam, S. 132. Schenk, Desiderius Erasmus von Rotterdam, S. 393. Vgl. Allen I, Nr. IV, S. 61f., Z. 195-198. Vgl. die Auflistung der Orte seiner Korrespondenten S. 178-194 dieser Arbeit.

Überprüfung der Erkenntnisse anhand der Biographie

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logna als auch in Venedig, Padua und Rom einflussreiche Personen für sich gewinnen konnte.775 Vor allem die neu geknüpften Verbindungen zu kirchlichen Würdenträgern belegen, dass Erasmus als Theologe akzeptiert wurde und seine Studien in diesen Kreisen geschätzt wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass sein Ruf und sein Bekanntheitsgrad konzentrische Kreise zogen und sich seine Bekanntheit nicht mehr bloß auf die Niederlande oder die von ihm besuchten Regionen in der Umgebung von Paris und London beschränkte. Deutlich wird dies an zwei Beispielen: Im Dezember 1508 soll er in Ferrara von dem berühmten Lehrer Celio Calcagnini mit einer eigens für diesen Anlass verfassten Rede begrüßt worden sein;776 zudem hat Schoeck ein zufälliges Aufeinandertreffen zwischen Erasmus und Jacobus Piso, der als ungarischer Botschafter auf dem Weg zu Papst Julius II. war, erwähnt. Dieser soll bei einem Buchhändler eine Handschriftensammlung der Briefe des Erasmus gefunden und gekauft haben, die er bei diesem Zusammentreffen dem Verfasser schenkte.777 – Auch wenn er seine Klosterbrüder um Sicherung seiner Briefe bat, so hatte Erasmus eine Veröffentlichung einer Briefsammlung noch nicht beabsichtigt,778 so dass es sich bei diesen Briefen wohl um Abschriften handelte. Allerdings muss auch angemerkt werden, dass der Empfang durch den Lehrer in Ferrara noch ein Ausnahmeereignis darstellte und es sich hier unter Umständen um einen begeisterten Leser seiner Werke handelte.

Nicht bestreiten lässt sich, dass sein Aufenthalt in Italien seine Entwicklung deutlich befördert zu haben scheint,779 bis dass er gegen Mitte 1509 nach Ansicht Gails das Land wieder „ziemlich leichten Herzens“780 verließ.781 Diese Einschätzung dürfte in besonderem Maße auf

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Diese Zeitspanne wurde größtenteils in Bologna verlebt, bevor sich Erasmus in Venedig den Druckarbeiten widmen konnte. Vgl. Heesakkers, Correspondance d’Erasme, S. 37. Vgl. Schoeck, Erasmus of Europe, S. 68f. Ebd., S. 69. Die Lebensumstände des Erasmus und die noch vergleichsweise geringe Reputation widersprechen Heesakkers (Correspondance d’Erasme, S. 37), wenn er formulierte: „Grâce à ce chef-d’œuvre de philologie, Erasmus a définitivement gagné sa place parmi les plus grands citoyens de la République des Lettres de son siècle.“ Diese Feststellung ist sicherlich richtig, doch trifft sie noch nicht für diesen Zeitpunkt zu. Dies wird auch noch in der Untersuchung seiner Korrespondenz zu zeigen sein. Gail, Erasmus von Rotterdam in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S. 41.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

eine Einladung Mountjoys nach England zurückzuführen sein, die dieser mit begeisternden Worten über das England unter Heinrich VIII. verband.782 Neben diesem Brief, der datiert ist auf den 27. Mai 1509 und dem Mountjoy die nötigen Reisekosten beigefügt hatte,783 überzeugte ihn wohl auch der Erzbischof von Canterbury davon, nach England zurückzukehren.784 Weder seine Freundschaft mit Bombasius noch der Kontakt zu jenen Kardinälen, die als Förderer von Humanisten galten, konnten Erasmus diesseits der Alpen halten,785 was zugleich wiederholter Beleg für die Bedeutung der englischen Geldgeber und Bekannten für Erasmus ist. Angesichts der zügigen Entscheidung, Italien zu verlassen, mag der Eindruck entstehen, der dortige Aufenthalt sei für ihn enttäuschend oder gar folgenlos gewesen. Dass dies keineswegs der Fall war, haben bereits die neu gewonnenen Kontakte zu hohen Klerikern verdeutlicht. Als zusätzliche Indizien sind vor allem zwei Aspekte anzuführen: Der Kontakt zu Manutius und dessen Bereitschaft, erasmische Texte zu verlegen, kann als Auszeichnung für seine Verdienste auf humanistischem Gebiet gewertet werden. Da Druckerzeugnisse aus dieser prestigeträchtigen Offizin weitere Verbreitung als auch größere Beachtung fanden als die Werke jener Drucker, mit denen er zuvor zusammengearbeitet hatte, wird dies mittelfristig zur Mehrung seiner Bekanntheit geführt haben. Die teilweise daraus resultierenden Beziehungen etwa zu Beatus Rhenanus hielten Jahrzehnte an und konnten immer wieder nutzbar gemacht

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Vor seiner Abreise machte Erasmus noch einen kurzen Ausflug nach Neapel, wo er Giovanni Pietro Caraffa, den Begründer der Theatinerregel und späteren Papst Paul IV. getroffen haben dürfte, sowie nach Cumae, einem in der Antike durch die wahrsagende Priesterin Sybille bekannten Ort. Vgl. dazu Schoeck, Erasmus of Europe, S. 70. Vgl. Allen, Nr. 215, S. 449-452. Vgl. auch Gail, Erasmus von Rotterdam in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S. 41f. – Im ‚Compendium vitae‘ (Allen I, Nr. II, S. 51, Z. 127-129) heißt es dazu: Non defuisset ampla fortuna, nisi mortuo rege Henrico VII et successore VIII amicorum literis amplissima pollicentibus revocatus esset in Angliam. Ebd., S. 452, Z. 82-84: Pecuniarum syngrapham his literis inclusam accipies; quare valetudinem tuam cura et ad nos te quamprimum recipe. Vgl. Allen I, Nr. 214. So lehnte Erasmus auch das Angebot Kardinal Grimanis ab, in Rom zu bleiben und in seinem Haus zu wohnen (vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 63). Wie die Korrespondenz belegt, hatte Erasmus neben Grimani auch Kontakt zu den Kardinälen Giovanni de’ Medici und Raffaele Riario (vgl. Allen I, Nr. 296, S. 564-573, hier: S. 568, Z. 101-106: Romae nullus erat Cardinalis qui me non tanquam fratrem acciperet, cum ipse nihil tale ambirem; praecipue vero Cardinalis Sancti Georgii, Cardinalis Bononiensis, Cardinalis Grimanus, Cardinalis Nanetensis, et hic ipse qui nunc Pontifex Maximus est, ut ne dicam de episcopis, archidiaconis et viris eruditis.

Überprüfung der Erkenntnisse anhand der Biographie

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werden. Als weiteren Erfolg konnte Erasmus den Erwerb des Doktorgrads verbuchen, der seine wissenschaftlichen Fähigkeiten unter Beweis stellte und wohl nicht in geringem Maße dazu beigetragen hat, dass sich Kontakte zu höchsten kirchlichen Würdenträgern ergaben. In Italien fand er somit die Anerkennung auf theologischem Gebiet, welche er als Humanist wohl bereits nach der ersten Ausgabe der ‚Adagia‘ erlangt hatte. Dennoch muss auch am Ende seines Italienaufenthaltes festgehalten werden, dass sich seine Lebensumstände nicht nennenswert verbessert hatten. Immer noch war er auf verschiedene Tutorentätigkeiten angewiesen, um seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Nach den Quellenbeispielen zu urteilen, hat sich sein Name im Gegensatz zu seiner finanziellen Situation in guter Weise entwickelt. Dies macht auch die Aufforderung Konrad Mutians an Herbord im November 1508 deutlich, den Anfang einer Vorlesung mit einer Sentenz des Erasmus zu gestalten: Principium publicae lectionis semper et cottidie habeat proverbium aliquod vel brevem narratiunculam velut illicium. Quare percurras Proverbia Erasmi et dicas: ‚Auditores, sic legitur in Italia‘.786

5.) 1509 bis 1514: England und Paris Für die Jahre von 1509 bis 1511 seien keine Briefe von oder an Erasmus überliefert, behauptet Ribhegge.787 Dies ist jedoch nur in Teilen richtig: Für 1509 sind keine Briefe nachweisbar, die Erasmus verfasst hat, jedoch hat er drei empfangen.788 Allen weist für das Jahr 1510 keinerlei Korrespondenz aus, doch ist hier wohl zumindest ein Brief an Reuchlin vom 1. März einzuordnen.789 Wie aus dem Inhalt hervorgeht, handelt es sich hier um das dritte Schreiben des Erasmus an den berühmten Hebraisten, wobei aber die zwei früheren nicht gesichert sind.790 Für das Jahr 1511 hingegen haben zwanzig Briefe von und fünfzehn an Erasmus Aufnahme in die Edition gefunden.791 Dennoch ist davon auszugehen, dass nur ein Teil der tatsächlichen Korrespondenz bekannt ist und zumindest der Schlussfolgerung Rib-

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Vgl. dazu Krause, Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, Nr. 104, hier: S. 125f. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 64. Vgl. Allen I, Nr. 214-216. Vgl. Geiger, Johann Reuchlins Briefwechsel, Nr. CXIIIa, S. 119-121. Ebd., S. 119, Z. 1f. bzw. S. 119f., Anm. 9. Vgl. Allen I, Nr. 217-251.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

hegges beigepflichtet werden muss, dass es „schwierig [ist], seine Aufenthalte und Tätigkeiten in dieser Zeit zu rekonstruieren.“792 Zumindest für die Rückreise nach England lassen sich Informationen aus der von Rhenanus verfassten Biographie gewinnen, die Schoeck zu folgendem Itinerar zusammengetragen hat: Erasmus sei über Bologna nordwärts gereist, über den Splügenpass ins schweizerische Chur; von dort sei er über Konstanz und Straßburg rheinaufwärts bis nach Antwerpen gezogen; nach einem kurzen Aufenthalt in Löwen habe er nach England übergesetzt.793 Bereits auf dem Rückweg von Italien hat Erasmus das ‚Moriae Encomium‘, das ‚Lob der Torheit‘, begonnen, das er im Hause seines Freundes Thomas Morus vollendete. In dieser declamatio794, der Form nach eine Satire795, begibt sich die personifizierte Torheit hinter das Katheder und hält eine flammende Rede gegen die Zustände der Zeit und gegen das törichte Verhalten der Menschen: „Keine Gesellschaft und keine Lebensgemeinschaft […] kann ohne mich angenehm sein. Kein Volk würde den Fürsten länger ertragen, kein Diener den Herrn und keine Dienerin die Herrin, kein Schüler den Lehrer, kein Freund den Freund, keine Frau den Mann, kein Mieter den Vermieter, kein Hausgenosse den Hausgenossen, und kein Tischgenosse den Tischgenossen, wenn sie nicht gemeinsam mal die Augen zudrücken, mal sich schmeicheln, mal durch die Finger sehen und mal sich gegenseitig den Honig der Torheit um den Mund streichen.“796

Im Folgenden werden verschiedene Berufs- und soziale Gruppen angeführt und jeweils veranschaulicht, wie sie alle von der Torheit gelenkt werden.797 Die Schrift war vermutlich Resultat des Italienauf-

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Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 64. Vgl. Schoeck, Erasmus of Europe, S. 70; daneben: Allen I, Nr. IV, S. 62, Z. 216-212. Eigentlich hatte Erasmus beabsichtigt, noch zwei weitere Deklamationen zu schreiben – eine über die Natur und eine über die Gnade. Auf Grund von Widersprüchen wurde der Plan jedoch nicht verwirklicht. Vgl. Allen I, Nr. I, S. 19, Z. 13-15: Conceperamus id temporis animo tres simul declamationes, Encomium Moriae, Naturae, et Gratiae; sed quorundam morositas fecit ut verterem consilium. Die satirische Gattungszugehörigkeit hat Faludy (Erasmus von Rotterdam, S. 133) folgendermaßen begründet: „Die Torheit, typisch mittelalterlich im Aufbau, aber völlig klassisch in ihrer Argumentation, war daher eine Satire auf das mittelalterliche Denken.“ Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 65. Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Schriften, Ausgabe in acht Bänden. Lateinisch und Deutsch, hrsg. von Werner Welzig, hier: Bd. 2, übers. eingel. und mit Anm. versehen von Werner Welzig, Darmstadt 1975, hier: S. 46f. Vgl. Holeczek, Erasmus von Rotterdam, S. 143, der das ‚Moriae Encomium‘ beschreibt als „eine Declamatio, angelegt als ruhmrediges Eigenlob der personifizierten Torheit:

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enthaltes: Neben den erschütternden Eindrücken vom kriegführenden Papst waren es vor allem weit verbreiteter Aberglauben und Aggressionen, die Erasmus dazu veranlassten, die Torheit im menschlichen Leben zu thematisieren.798 Aus mehreren Gründen handelt es sich hier um eine außergewöhnliche Schrift: Zum einen kommt bereits im Titel die Freundschaft zwischen Erasmus und Morus zum Ausdruck, da der Wortstamm des Nachnamens Morus ebenfalls in Moria enthalten ist. „[E]in „Lob des Morus“ klingt darin an.“799 Zum anderen handelt es sich nach Faludys treffender Beobachtung um eine stilistische Besonderheit, da die Form des Buches typisch mittelalterlich sei, im Inhalt hingegen gegen das Mittelalter gewettert werde.800 Zum dritten ist eine Anlehnung an die ‚Stultifera Navis‘ Sebastian Brants zu beobachten, das 1494 in deutscher Sprache erschienen801 und spätestens 1505 bekannt war, als die lateinische Übersetzung veröffentlicht wurde.802 Eine Verwandtschaft zur ‚Utopia‘803 des Thomas Morus ist ebenso auszumachen. (Dessen 1516 erschienene Schrift

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Alle Menschen kommen sich schlau vor; je mächtiger und gebildeter, desto weiser, sehen aber vor Eitelkeit nicht, daß sie auf ihre Weise der närrischen Torheit dienen[.]“ So auch Gail, Erasmus von Rotterdam in Selbstzeugnissen und Bilddokumente, S. 50. Italienischer Einfluss auf das ‚Lob der Torheit‘ kommt auch zum Ausdruck, wenn Harry Vredeveld („The Familiar Proverb“: Folly as the Elixir of Youth in Erasmus’s Moriae Encomium, in: The Renaissance Society of America XLII, Nr. 1 (1989), S. 78-91, hier: S. 84), eine starke Orientierung an Marsilio Ficino verdeutlicht hat. Roland H. Bainton, Erasmus. Reformer zwischen den Fronten, Göttingen 1969, S. 91. Vgl. Faludy, Erasmus von Rotterdam, S. 132. Im Gegensatz zu Erasmus scheint sich Brant noch mehr am literarischen Stil des Mittelalters orientiert zu haben, wenn Thomas Wilhelmi (Zum Leben und Werk Sebastian Brants, in: Ders. (Hrsg.), Sebastian Brant. Forschungsbeiträge zu seinem Leben, zum ‚Narrenschiff‘ und zum übrigen Werk, Basel 2002, S. 7-36, hier: S. 22) schrieb: „Der Inhalt der Texte zeugt von einer konservativen, mittelalterlich geprägten Grundhaltung, kaum je von einer freieren Geisteshaltung, wie wir sie etwa bei Konrad Celtis, Erasmus von Rotterdam oder den italienischen Humanisten antreffen.“ Peter Burke (Die europäische Renaissance, S. 123) ist davon ausgegangen, dass auch die in den 1490er Jahren erschienen Editionen der Werke Lukians Anstoß zum ‚Lob der Torheit‘ gegeben haben. 1505 erschien die lateinische Übersetzung des ‚Narrenschiffs‘ unter dem Titel ‚Navis stultifera‘ (vgl. Faludy, Erasmus von Rotterdam, S. 133). Schoeck (Erasmus of Europe, S. 97) hat darauf hingewiesen: „It is a work of considerable importance in its own right, and it came into being in the world of 1509-1511, a world dominated in Christendom by Julius II, the warlike pope whom Erasmus so condemned. Further, it is cast in the Lucianesque mode that More and Erasmus together had been generating and engendering in their own writings even more than in their translations: in a real sense Moria and Utopia are sister works.”

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stellt somit wiederum einen Freundschaftsbeweis von Seiten des Morus dar.804) Stefan Zweig hat die inhaltliche, stilistische und literarische Qualität des ‚Moriae Encomium‘ nicht übertrieben hervorgehoben, wenn er urteilte: „Unvergleichlicher Glücksfall im Leben eines Künstlers, wenn er die thematische Kunstform findet, in der er die Summe seiner Begabungen harmonisch zusammenschließen kann. Das ist Erasmus dank einem blendenden und vollkommen erfüllten Einfall in seinem ‚Lob der Torheit‘ gelungen[.]“805

Gedruckt wurde das ‚Encomium‘ jedoch erst, als Erasmus wieder nach Paris zurückgekehrt war, d.h. im Sommer 1511.806 Diese Erstausgabe wurde verlegt von Gilles de Gourmont und Jean Petit.807 Noch im gleichen Jahr wurde das ‚Lob der Torheit‘ in Paris, Straßburg (bei Schürer) und in Antwerpen gedruckt und 1512 an allen drei Orten neu aufgelegt.808 Bereits im folgenden Jahr besorgte Badius ebenfalls in Paris einen Nachdruck, bevor sie nach Neuauflage durch Schürer 1514 auch vom Basler Drucker Froben 1515809 und dem Venezianer

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Die Freundschaft zwischen beiden Männern hat Giulio Colombi (Erasmo e Thomas More. Un’amicizia tra Umanesimo e Riforma, in: Humanitas, Rivista bimestrale di cultura fondata nel 1946 e diretta da Ilario Bertoletti 55 (2000), S. 941-944, hier: S. 942) zum Ausdruck gebracht: „More ed Erasmo e trova eco eloquente, fra le altre, in queste lettere, tradotte per la prima volta con scioltezza di lingua, attuale e vivida senza piaggerie alla moda banale e annotate con diligente ampiezza.“ Zweig, Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam, S. 79. Vgl. Allen I, Nr. 222, S. 459-462. Vgl. dazu Stenger, The Praise of Folly and Its Parerga, S. 97. Vgl. Schoeck, Erasmus of Europe, S. 96f. Das ‚Lob der Torheit‘ war nicht die einzige, 1511 erschiene Schrift des Erasmus. Er sandte John Colet das Manuskript ‚De ratione studii‘, das „als pädagogischer Leitfaden für die St. Paul’s Schule bestimmt“ (Faludy, Erasmus von Rotterdam, S. 136) war. Ebenso wies Faludy (ebd.) auf weitere Schriften hin: eine lateinische Übersetzung des Jesaja-Kommentars vom Heiligen Basilius, gewidmet Bischof Fisher; daraufhin eine Übersetzung einer Lukansatire; 1512 ‚De duplici copia verborum ac rerum‘ und außerdem habe er für das griechische Neue Testament und eine Ausgabe des Hieronymus Vorarbeiten geleistet. Für die Jahre 1513 und 1514 sei vor allem die Schrift ‚Julius exclusus e coelis‘ hervorgehoben, zu der wie erwähnt der Italienaufenthalt Erasmus bewogen hatte. Erasmus hat zur handschriftlichen Verbreitung unter anonymer Verfasserschaft beigetragen (vgl. Burke, Die europäische Renaissance, S. 123), aber stets die Verfasserschaft abgestritten. Nachfolger von Julius II. wurde Leo X., der Sohn von ‚Il Magnifico‘ Lorenzo de Medici, Giovanno de Medici, den Erasmus bereits in Rom kennen gelernt hatte. Froben erstellte auch eine zweite Ausgabe, die jedoch nicht vor 1516 erschien. Vgl. dazu: Allen II, hier: S. 64, Anmerkungen zu Z. 47f.

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Manutius 1517 nachgedruckt wurde.810 In die deutsche Sprache wurde der Text erst 1534 übersetzt. In Bezug auf die Gründe mutmaßt Bezzel: „[V]ielleicht weil sich Wortwitz und Wortspielerei, ein wesentliches Element dieser Schrift, nicht adäquat in einer anderen Sprache ausdrücken lassen.“811 In englischer Sprache hingegen erschienen mindestens drei verschiedene Übersetzungen im Verlauf des 16. Jahrhunderts.812 Der Erfolg des ‚Encomium Moriae‘ veränderte auch die Zusammenarbeit zwischen Erasmus und den Druckern seiner Texte: S. Diane Shaw hat darauf hingewiesen, dass er fortan Kriterien aufgestellt habe, nach denen er entschied, welcher Drucker für weitere Schriften jeweils der beste zu sein schien.813 Zuvor hatte sich Erasmus stets um Kontakt mit angesehenen Druckern bemüht, konnte es sich nun aber erlauben, einen Drucker abzulehnen und einen anderen mit den Druckarbeiten zu beauftragen. Möglich war dies nur, als er merkte, dass sich gerade in Bezug auf das ‚Encomium Moriae‘ Drucker mit der Bitte um Nachdruck an ihn wandten.814 Auch die Anzahl der verschiedenen Auflagen – zumindest des lateinischen Textes – verdeutlicht, dass es sich selbst für spätere erasmische Verhältnisse um eine außergewöhnlich erfolgreiche Schrift handelte.815 George Faludy untertreibt daher sicher

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Vgl. Allen XII, S. 25f. Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536. Deutsche Übersetzungen des 16. Jahrhunderts, S. 64. Diese erfolgten in den Jahren 1549, 1560 (?) und 1577. Vgl. dazu Edward James Devereux, Renaissance English Translations of Erasmus: A bibliography to 1700, S. 134-139; Allen I, Nr. I, S. 19, Z. 459-462. Vgl. Shaw, A Study of the Collaboration Between Erasmus of Rotterdam and His Printer Johann Froben, S. 35. Erasmus hatte bis zu diesem Zeitpunkt Werke bei vier verschiedenen Druckern in Arbeit gegeben: bei Dirk Martens zunächst in Antwerpen, anschließend in Löwen, Josse Badius in Paris, Aldus Manutius in Venedig und Matthias Schürer in Straßburg. – Shaw bezeichnet Badius als den „chief printer“ (ebd., S. 36) des Erasmus in den Jahren 1505 bis 1514. Margolin, Clarence H. Miller, un fin connaisseur d’Érasme et de son temps, S. 116. Vgl. Faludy, Erasmus von Rotterdam, S. 130. Bei diesem Werk handelt es sich wohl auch um dasjenige des Erasmus, das am ehesten nachgewirkt hat und noch heute gelesen wird. Ebd., S. 132: „Der Erfolg des Lobs der Torheit während der letzten 450 Jahre muß der Tatsache zugeschrieben werden, daß es ein literarisches Meisterwerk ist“, so dass es im 18. Jahrhundert sogar ins Isländische, kurz darauf ins Schwedische und Dänische übersetzt worden sei, so Faludy weiter (ebd.). Meissinger (Erasmus und die öffentliche Meinung, S. 20) zieht zumindest in Erwägung, dass das ‚Lob der Torheit‘ eine gesamteuropäische Veränderung hervorgerufen hat: „Eine absolut umfassende Literaturkenntnis der Jahre vor und nach 1510 – alle bedeutenden Briefwechsel eingeschlossen – würde dazu gehören, um sicher Aussagen darüber machen zu können, inwiefern das Erscheinen der Moria zu der plötzlichen Veränderung der europäischen Gesamtatmosphäre beigetragen hat,

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nicht, wenn er behauptet, durch den sofortigen und riesigen Erfolg des Textes habe Erasmus an Ansehen gewonnen und sei als Schriftsteller, Humanist und vor allem als geistiger Führer Europas anerkannt worden.816 Lediglich die Schnelligkeit dieser Entwicklung muss angezweifelt werden. Trotz der schlechten Quellenlage lässt sich konstatieren, dass Erasmus von April bis Juni 1511 in Paris weilte, um die Drucklegung des ‚Lobs der Torheit‘ vorzubereiten. Daraufhin kehrte er sogleich wieder nach England zurück, um an der Universität Cambridge einen Lehrauftrag für Griechisch zu übernehmen. Dieser war ihm vermutlich durch John Fisher, den Bischof von Rochester, vermittelt worden, der seinerseits ein Verwandter jenes Robert Fishers war, den Erasmus in Paris unterrichtet hatte.817 Zwei Aspekte – nämlich dass der Bischof zugleich Kanzler der Universität war und Allen nicht zu Unrecht hervorhob, dass es sich um einen Patron handelte, von dem Erasmus am meisten zu erhoffen hatte – machen die Vermittlung wahrscheinlich.818 Im Übrigen wurde Erasmus von Fisher im Februar 1512 sogar eingeladen, ihn zum Laterankonzil, das unter Leitung Julius II. stattfand, nach Rom zu begleiten. Es kam jedoch nicht zustande.819 – Den engsten Kontakt hatte Erasmus während seiner Zeit in Cambridge offenbar mit Andrea Ammonio, den er im Hause des Thomas Morus kennen gelernt hatte und der mittlerweile Sekretär Lord Mountjoys, später gar Lateinsekretär Heinrichs VIII. war.820 Dass sich aber trotz dieser Kontakte nach Erscheinen des ‚Moriae Encomium‘ sogleich eine veränderte Situation für Erasmus ergeben hätte, wie Faludy argumentiert, ist aus drei Gründen unwahrscheinlich: Zunächst hatte er in seinen Lehrveranstaltungen sehr wenig Studenten und deren Zunahme war vergleichbar gering und langwierig, so dass davon ausgegangen werden muss, dass diese wohl eher auf Grund von qualitativer Lehre frequentiert wurden. Dass Studenten kamen, um den Verfasser des ‚Lobs der Torheit‘ in Aktion zu sehen, ist keineswegs belegbar. Hinzu kommt, dass seine Vergütung während dieser Tätigkeit äußerst gering war. Wäre sein Name zu diesem Zeitpunkt bereits derart be-

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ohne die man […] vor allem aber dann die Kühnheit von Luthers Fünfundneunzig Thesen nicht verstehen könnte.“ Ebd. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 69, 226, Anm. 86. Vgl. Allen I, Nr. 229, S. 469f., bes. die Briefeinleitung. Vgl. Allen I, Nr. 252, S. 498f. Vgl. Allen I, Nr. 218-221, 226, 228, 232-234, 236, 238-240, 243, 245-250.

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kannt gewesen, hätte Robert Fisher wohl Mühe gehabt, Erasmus in Cambridge zu halten, oder doch zumindest eine Lohnerhöhung leisten müssen. Zuletzt ist aber für diesen Zeitraum auch eine sehr intensive Verfassertätigkeit des Erasmus zu beobachten, die – wie bereits für frühere Zeiten zu konstatieren – geradezu symptomatisch für sein Verhalten in Phasen der Geldnot und der Zukunftssorgen ist. Offensichtlich gestalteten sich die Verbreitung des ‚Moriae Encomium‘ und der daraus resultierende Profit für Erasmus auf der Insel anders als auf dem Kontinent. Es gibt indes Anzeichen, die darauf hindeuten, dass sich die Situation kurz nach Erscheinen des ‚Moriae Encomium‘ von den früheren erasmischen Schriften unterschied: Bereits am 19. August schrieb Jakob Wimpfeling aus Straßburg an Erasmus, er „habe die Moria vielmehr mit Begier gelesen und seinen Mitbürger Matthias Schürer dazu überredet, sie zu drucken, damit möglichst viele seiner Landsleute Nutzen und Vergnügen aus ihr schöpfen.“821 Wimpfeling war renommierter Humanist, der sich nicht zuletzt mit seinem nationalen Geschichtswerk ‚Germania‘ höchstes Ansehen erworben hatte und dem es neben einer Handvoll anderer Personen in dieser Zeit gelang, erfolgreich das Leben als Schriftsteller zu verbringen. Zugleich war er als ehemaliger Rektor der Heidelberger Universität namhafter Vertreter der akademischen Welt. Nur sehr wenige Fälle lassen sich bis 1511 in der Korrespondenz des Erasmus ausmachen, in denen jemand Erasmus anschrieb und Kontakt zu ihm suchte. Wenn dies obendrein eine derart würdige Person wie Wimpfeling unternahm, ist der Fall besonders eindrücklich. Gesteigert wird dies noch dadurch, dass die Kontaktaufnahme aus einer Region erfolgte, die Erasmus bislang nicht bereist hatte, was in der Korrespondenz bis zu diesem Zeitpunkt als singulär gewertet werden muss. Außerdem verdeutlicht dies die Verbreitung erasmischer Schriften und hebt zugleich aus dem bis 1511 veröffentlichten Œuvre das ‚Moriae Encomium‘ hervor, da diese positive Kritik nach nur circa zehn Wochen formuliert wurde.822 Erasmus erhielt aber auch deutliche, negative Kritik. Als wohl ärgster Gegner des ‚Encomium Moriae‘ trat Martin van Dorp, „ein konservativer, Erasmus aber nicht

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Vgl. Herding / Mertens, Jakob Wimpfeling. Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 280, S. 688f., hier: S. 689. Vgl. dazu: Allen I, Nr. 224, S. 462-465, hier: S. 465, Z. 40-44: Quam, mi humanissime Desideri, desiderabiliter a me lectam persuasi concivi gentilique meo, Matthiae Schurerio, denuo a se impraessum iri, ut plurimi nostratium tuarum lucubrationum lectores avidissimi fructum ex ea capiant atque voluptatem. Ausgehend davon, dass das ‚Moriae Encomium‘ wenige Tage nach Abfassung der Widmung (9. Juni) veröffentlicht wurde. Allen (a.a.O.) weist zu Recht darauf hin, dass kein Datum der Erstausgabe zu nennen ist.

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feindlich gesonnener Professor in Löwen“823 auf. Dieser wandte sich im September 1514 an ihn und wies darauf hin, dass viele vorige Verehrer von Erasmus abgefallen seien und er doch mit einer Gegenschrift wieder Ruhe bewirken könne.824 Außerdem wurde Erasmus von Edward Lee und Alberto Pio angegriffen, Martin Luther sah ihn fortan als vir duplex an.825 – Auch kritische Zeugnisse sind Belege für eine Zunahme des Bekanntheitsgrads und mehren diesen. Ein schlechtes Werk von einem unbedeutenden Autoren hätte wohl kaum negative Kritiken hervorgerufen oder so viel Unruhe verursachen können, wie Dorp sie schilderte. Überlagert wurde dies durch den wesentlich größeren Anklang, den der Text fand. Der geschilderte Einsatz Wimpfelings um einen Nachdruck durch Schürer untermauert dies, darf jedoch nicht als Einzelfall eines begeisterten Erasmus-Lesers gewertet werden. Im Frühjahr 1512 hob Rhenanus in einem an Faber Stapulensis gerichteten Brief die Verdienste deutscher Humanisten um die lateinische Sprache hervor. In diesem Zusammenhang zählte er zahlreiche Personen auf – unter ihnen Hermann von dem Busche, Wimpfeling, Konrad Pellikan, Sebastian Brant, die Brüder Amerbach, Reuchlin, Konrad Peutinger, Ulrich Zasius und Heinrich Bebel. Erasmus von Rotterdam jedoch, den Rhenanus inferior Germania zurechnete, sei der kundigste in beiden Sprachen.826 – Mag dieses Urteil auch durch die persönliche Freundschaft zu Erasmus als etwas übertrieben eingeschätzt werden, so macht es doch deutlich, dass in der Entwicklung des Rotterdamers ein entscheidender Wechsel stattgefunden haben muss. Gegenüber dem französischen Humanisten und Theologen Faber Stapulensis zum Ausdruck zu bringen, dass Erasmus Deutscher sei, wenngleich er sich die meiste Zeit seines Lebens in England oder Frankreich aufgehalten hat, verweist auf dessen hinzugewonnene Bedeutung. Denkbar ist, dass sich dieses Beispiel vor allem auf die Neuausgabe der ‚Adagia‘ bezog. Diese erschien im August 1513 bei Froben in Basel und war ein Nachdruck der 1508 von Manu-

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Faludy, Erasmus von Rotterdam, S. 131. Vgl. Allen II, Nr. 304 (datiert auf ca. September 1514; versandt aus Löwen). – Thomas Morus verteidigte in einem langen Brief vom 21. Oktober 1515 an Dorp das ‚Lob der Torheit‘ gegenüber einigen Löwener Kritikern. Vgl. dazu Rogers, The Correspondence of Sir Thomas More, S. 27-74. Vgl. Schoeck, Erasmus of Europe, S. 99. Zu den Kritikern des ‚Novum Instrumentum omne‘ sei verwiesen auf Myron P. Gilmore, Italian Reactions to Erasmian Humanism, in: Obermann / Brady jr. (Hgg.): Itinerarum Italicum, S. 61-118, hier: S. 112. Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 24, hier: S. 41.

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tius angefertigten Ausgabe. Gegenüber Ammonio berichtete Erasmus Ende des Jahres, irgendein Drucker habe dort ohne sein Wissen einen Nachdruck veranstaltet.827 Kurz darauf erfuhr er bereits, wie es dazu gekommen war: „Initiator dieser Ausgabe war der 28-jährige Beatus Rhenanus.“828 Ribhegge hebt ganz recht hervor, dass Erasmus von Rhenanus sehr verehrt wurde.829 Dennoch wäre der Einsatz um einen Nachdruck der ‚Adagia‘ keinesfalls aus bloßer Verehrung zustande gekommen. Es boten sich offensichtlich Absatzaussichten, die sich jedoch wohl kaum durch die früheren Ausgaben der ‚Adagia‘ ergeben hatten. Zwar hatten sie Anklang gefunden, doch war dies stets auf den regionalen Bereich beschränkt geblieben und zudem nur auf jene Gegenden, in denen Erasmus persönlich gewesen war. Die hier veränderte Situation ist daher erneut nur auf das ‚Moriae Encomium‘ zurückzuführen und galt nicht nur für das oberrheinische Gebiet: Am 12. Dezember 1512 hatte der Augsburger Stadtschreiber Konrad Peutinger bereits an Reuchlin geschrieben, dass ihm das elegante und äußerst notwendige ‚Moriae Encomium‘ in die Hände geraten sei, das er mit Begeisterung lese.830 Während seines Englandaufenthaltes verfasste Erasmus jedoch auch andere Schriften, von denen hier insbesondere ‚De Copia‘ und ‚De ratione studii‘ hervorzuheben sind, die zumindest in London Verbreitung fanden, da John Colet sie als Handbücher in seiner Schule benutzte. ‚De duplici copia verborum ac rerum commentarii duo‘ bot einen Wortschatz der lateinischen Sprache und wurde nach der Pariser Erstausgabe im Juli 1512831 besonders im oberrheinischen Gebiet bis zum Tode des Erasmus 1536 mehrmals nachgedruckt: Schürer brachte sie in Straßburg Ende 1514 sowie im Herbst 1516 heraus,832 während Froben in Basel (in letzter Ausgabe mit Episcopi827

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Vgl. Allen I, Nr. 283, S. 543-548, hier: S. 547, Z. 153-159: Quidam ea formulis excudit Basileae, sed ita imitatus aeditionem Aldinam ut parum attentis eadem videri possit. Commiseram exemplar emendatum ac locupletatum Francisco, qui libros ferme omnes solitus est huc importare, ut vel Badio vel ex illius sententia committeret alii. Is bonus vir recta Basileam deportavit, ei in manus dedit qui iam excuderat, ut haec tum demum aedat cum sua divendiderit, hoc est post decennium. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 72. Ebd. Vgl. König, Konrad Peutingers Briefwechsel, Nr. 103, hier: S. 174: Nunc inter legendum elegans et pernecessaria Moria Erasmi Roterodami nostras in manus pervenit, qua non solum nos iureconsultos Sisyphi saxum revolventes, sed et plaerosque superciliosos et irritabiles theologos taxat; ita hos solet appellare […]. Vgl. das Widmungsschreiben vom 29. April 1512 bei Allen I, Nr. 260, S. 510-512. Vgl.Allen II, S. 31ff.; III, S. 19.

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us) eigene Ausgaben in den Jahren 1517, 1526 und 1534 herstellte.833 Ebenfalls 1512 wurde ‚De ratione studii‘ von Badius in Paris verlegt, ein genaues Datum lässt sich jedoch nicht ausmachen. Erasmus verband darin Ratschläge für Studenten, wie ein Studium ordnungsgemäß und erfolgreich zu absolvieren sei, mit Anleitungen für den Unterricht der Lehrenden.834 Daneben sind noch weitere Titel zu nennen, an denen Erasmus während seines Cambridge-Aufenthaltes arbeitete: „Er nutzte die Zeit, um eine Ausgabe der Werke des Hieronymus vorzubereiten, und er arbeitete bereits an seiner griechisch-lateinischen Ausgabe des Neuen Testaments, die 1516 erscheinen sollte. Daneben brachte er kleinere Schriften zu Lukian, Seneca und Plutarch im Druck heraus, die er als Geschenke an seine Förderer nutzte, auf die er immer noch angewiesen war.“835

Auf den ersten Tag des Jahres 1513 ist die Widmungsvorrede von Plutarchs Schrift ‚De tuenda bona valetudine precepta‘ datiert.836 Wann die Erstausgabe, die in London hergestellt wurde, abgeschlossen war, lässt sich nicht rekonstruieren, auf jeden Fall aber vor dem 10. November 1513. (Zu diesem Zeitpunkt druckte sie Martens in Löwen nach.837) John Yonge, der geehrte Adressat des Erasmus, war Kleriker und Jurist und nach Allens Ansicht zu diesem Zeitpunkt prädestiniert, als Gönner zu fungieren.838 Unklar ist jedoch, ob die Taktik des Erasmus aufging, da sich weder ein Beleg für Zuwendungen noch ein Antwortschreiben Yongs finden lassen – anders im Falle einer Textausgabe Lukians: Der Druck der ‚Dialogi‘ war erst am 1. Juni 1514 in der Offizin des Badius abgeschlossen, obwohl für 1512 geplant.839 Erasmus widmete sie William Warham, dem Erzbischof von Canterbury, der ihm bereits frühere Unterstützung hatte zukommen lassen und von dem er sich neuerliche Zuweisungen erhoffte.840 Besonders eindrücklich wird dies im Vorwort der Ausgabe, in dem er den Bischof

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Vgl. Allen II, S. 348, 551, 557; VII, S. 71; XI, S. 6, 31. Vgl. Allen I, Nr. I, S. 9, Z. 7f.: scripsi libellum De ratione studiorum et instituendi pueros, quod is ingenuos aliquot bonaeque spei adulescentulos erudiendos haberet. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 70. Vgl. Allen I, Nr. 268, S. 520f. Es folgte eine weitere Ausgabe in Köln am 17. Januar 1514 (ebd.). Ebd. Vgl. Allen I, Nr. 283, hier: S. 547, Z. 159-162: Complures item libellos ex Plutarcho ac Luciano versos commiseram Badio tradendos, ut superioribus quos habet adiungeret; et hos illi, uti suspicor, tradidit, utque plures mittam rogat. Vgl. Allen I, Nr. 261, S. 512f.; Nr. 293, S. 561f.

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u.a. als unicus meus Mecoenatus841 bezeichnete. Der Erzbischof reagierte darauf, indem er Erasmus eine Pension zukommen ließ, die er aus einer Parochie in der Grafschaft Kent bezog.842 „Mountjoy verschaffte ihm eine weitere Pension, so dass Erasmus erstmals ein festes Einkommen hatte.“843 (Erasmus war zu diesem Zeitpunkt wohlgemerkt 48 Jahre alt!) Zusätzlich sind noch andere Widmungen zu belegen, mit denen er hoffte, weitere Einkünfte oder Patronage erzielen zu können: Die Übersetzung eines Plutarch-Textes eignete er Thomas Wolsey zu, der Anfang des Jahres noch dem Bistum Tournai vorstand, aber im Herbst bereits Erzbischof von York war.844 Schon im Juli 1513 hatte er Heinrich VIII. ebenfalls einen Text Plutarchs gewidmet. In beiden Fällen ist zwar kein Benefiz nachweisbar, doch brachte Erasmus gegenüber Servatius Roger noch Mitte 1514 seine Überzeugung zum Ausdruck, dass er Unterstützung erhalten werde.845 Trotz dieser für ihn erfreulichen Entwicklung sah sich Erasmus im Frühjahr 1514 veranlasst, England zu verlassen. Im März 1514 schrieb er Anton von Bergen,846 dass er in England zahlreiche Freunde gefunden habe, von denen einige recht einflussreiche Bischöfe seien. Besonders der Erzbischof von Canterbury begünstige ihn, soweit es möglich sei. Dennoch habe sich das politische und gesellschaftliche Klima grundlegend geändert, alles werde teurer und die Freigebigkeit des Einzelnen lasse zunehmend nach.847 Es verwundert daher nicht, dass

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Allen I, Nr. 261, S. 512, Z. 6. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 70. Aus dem Gesamteinkommen hat Faludy (Erasmus von Rotterdam, S. 134) gefolgert: „Wenn wir das mit den zehn Pfund vergleichen, die der Leiter des neugegründeten Christ’s College bekam, müssen wir annehmen, daß Erasmus wahrhaft verschwenderisch leben konnte, daß er unmäßige Summen für Manuskripte ausgab oder seine Gönner ihre Zusagen brachen.“ Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 70. Vgl. Allen I, Nr. 284, S. 549f.; Nr. 297, S. 573f. Vgl. Allen I, Nr. 296, S. 564-573, hier: S. 569, Z. 131-133: Rex et Episcopus Linconiensis, qui nunc per regem omnia potest, magnifice multa promittunt. Vgl. Allen I, Nr. 288, S. 551-554. Ebd., S. 551f., Z. 5-14: Non quod mihi displiceat Britannia aut Mecoenatium poeniteat. Sunt et hic amici complures, multorum episcoporum non vulgaris in me benignitas; tum vero Cantuariensis Archiepiscopus sic me fovet, sic complectitur ut, si frater esset aut si pater esset, non possit amantius. Ex huius dono pensionem habeo sacerdotio resignato satis amplam. Tantundem addit alter ille Mecoenas de suo; accedit non parum ex procerum benignitate, multoque plus accederet, si vel paululum ambire velim. Sed bellum quod adornatur genium huius insulae subito vertit. Rerum omnium charitas hic indies crescit, decrescit liberalitas. Ob die Einschätzung der Lage in England nur vorübergehend war oder Erasmus eher durch die Aussicht auf Zusammenarbeit mit dem Basler Drucker Froben auf das Festland übersetzte, lässt sich nicht entscheiden. Im April 1518 schrieb er jedenfalls an Morus: Quod in

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er sich sogleich nach Hammes, dem Sitz Mountjoys in der Nähe von Calais, begab. Spätestens am 8. Juli 1514 befand er sich wieder außerhalb Englands, wie ein Brief an Ammonio deutlich macht.848 In Hammes fand er auch die Zeit, Servatius Roger einen ausführlichen Brief zu senden, in dem er darlegte, warum er nicht wieder ins Kloster zurückgekommen sei: Über viele Dinge sei er unglücklich, doch am meisten über die klösterliche Lebensform, da sie seinem Geist und seinem Körper völlig widerspreche – seinem Geist, weil er vor den täglichen Ritualen zurückschrecke und die Freiheit liebe, seinem Körper, weil er, obgleich er einen geordneten Tagesablauf bevorzuge, die verschiedenen Aufgaben und Pflichten nicht habe tragen und ertragen können.849 – Diese Entsagung des klösterlichen Lebens verwundert vor dem Hintergrund, welche Bedeutung das Kloster und seine Brüder für Erasmus in früheren Jahren einnahmen. Während seines Studiums flüchtete er sich geradezu aus Paris in die Obhut der Gemeinschaft in Steyn und auch in der Folgezeit stattete er Besuche ab, wenn er in der Nähe war. Den Kontakt zu einigen Klosterbrüdern suchte Erasmus über Jahre hinweg und vertraute darauf, wieder zurückkehren zu können, sollten der Erfolg seiner Schriften oder der Erfolg auf der Suche nach Unterstützern ausbleiben. Dass er diese deutliche Abkehr von der Ordensgemeinschaft, der er so viel zu verdanken hatte, vornahm, ist daher auf den ersten Blick mehr als erstaunlich. Bei genauerem Hinsehen kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass sich die Situation des Erasmus grundlegend gewandelt hatte, sein Lebensunterhalt durch die beiden Pensionen gesichert war und ihn die veränderte Lage derart selbstsicher werden ließ, dass er sich dem klösterlichen Leben vollends zu entsagen getraute. Dies verifiziert die in Bezug auf den Erfolg des ‚Moriae Encomium‘ gemachten Beobachtungen, die in gewisser Weise auch von Erasmus geteilt wurden: In Rom finde sich kein Kardinal, der ihn nicht als

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aulam pertractus es, unum hoc me consolatur, quod sub optimo Rege mereberis: nobis certe et litteris ademptus es. Vgl. Allen III, Nr. 829, S. 294-296, hier: S. 295, Z. 4-6. Vgl. Allen I, Nr. 295. Vgl. Allen I, Nr. 296, S. 564-573, hier: S. 566, Z. 27-33: Scis enim me multis in rebus infortunatum esse. At hoc unum caeteris omnibus gravius semper duxi, quod in huiusmodi vitae genus detrusus essem a quo cum animo tum corpore essem alienissimus: animo, quod a caeremoniis abhorrerem et libertatis amans essem; corpore, quod etiamsi maxime placuisset vitae institutum, corporis natura non ferebat eiusmodi labores.

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seinen Bruder ansehe, in England kein Bischof, der sich nicht freue, von ihm begrüßt zu werden oder ihn bewirten zu dürfen.850 Ähnlich überraschend fiel auch der publizistische Erfolg seiner Schriften nach dem ‚Moriae Encomium‘ aus: „Über den Kölner Buchhändler Franz Birckheimer wurde aus Straßburg und Basel an Erasmus der Wunsch herangetragen, weitere Bücher von ihm zu drucken.“851 Woher Ribhegge diese Informationen hat, ist nicht ersichtlich, wenngleich sie gemessen an den Indizien nach der Veröffentlichung des ‚Lobs der Torheit‘ durchaus denkbar sind, da dies auch kein Einzelfall ist: Der Nachdruck der ‚Adagia‘ durch Froben ist nur ein vergleichbares Beispiel. Erasmus – auch dies brachte die veränderte Situation mit sich – musste nun nicht mehr die Drucker davon überzeugen, eines seiner Werke zu veröffentlichen. Stattdessen traten sie an ihn heran mit der Bitte um Sendung von Manuskripten oder um Erlaubnis für Nachdrucke. Dass dies, wie das Beispiel der von Rhenanus arrangierten ‚Adagia‘-Ausgabe von 1513 zeigt, teilweise ohne Wissen des Verfassers geschah, hebt die Bedeutung des Erasmus unwiderlegbar hervor. In gleicher Weise kann die Korrespondenz zumindest der Jahre 1511 bis 1514 interpretiert werden. Auch wenn für die Jahre 1509 und 1510 mit Sicherheit nur ein Bruchteil der tatsächlich erhaltenen und versandten Briefe des Erasmus überliefert wurde, sprechen doch alle bislang versammelten Indizien dafür, dass die hier unbekannten Briefe weder in ihrer Quantität noch in ihrem Inhalt mit der 1511 einsetzenden Entwicklung vergleichbar sind.852 Wenngleich hier allein neunzehn Briefe mit Andrea Ammonio gewechselt wurden, sind für diese zwölf Monate die zahlenmäßig meisten Briefe nachweisbar. Abgesehen davon, dass auch für diesen Zeitraum nicht einmal alle Briefe überliefert wurden, sprechen die vorliegenden bereits eine eindeutige Sprache:853 Aus den fünfzehn an Erasmus adressierten Briefen – fast die Gesamtzahl aller nachweislich erhaltenen Briefe für die vorange-

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Ebd., S. 568f., Z. 98-110: Et si non probor ab omnibus (quod nec studeo), certe primis omnium placeo. Romae nullus erat Cardinalis, qui me non tanquam fratrem acciperet, […] Atque hic honos non tribuebatur opibus, quae etiam nunc non habeo nec desydero; non ambitioni, a qua semper fui alienissimus; sed litteris duntaxat, quas nostrates rident, Itali adorant. In Anglia nullus est episcopus qui non gaudeat a me salutari, qui non cupiat me convivam, qui nolit domesticum. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 72. Heesakkers (Erasmus Epistolographus, S. 38) liegt daher wohl falsch, wenn er die Meinung vertrat, das ‚Lob der Torheit‘ habe keinen Einfluss auf einen Anstieg der Briefe gehabt. Vgl. Allen I, S. xvif.

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gangen sechzehn Jahre – muss geschlossen werden, dass man den Kontakt zu ihm sucht, was ein zusätzlicher Beleg für die beschriebene Veränderung seiner Situation ist. Außerdem handelt es sich bei diesen Briefen nur in wenigen Fällen um Antwortschreiben, so dass die (neuerlichen) Kontaktaufnahmen meist von Seiten der Briefpartner und nur selten von Erasmus ausgingen. Ausgehend von einer Vermarktung des ‚Moriae Encomium‘ zwischen dem 9. Juni, dem Datum des Widmungsschreibens, und August 1511, der Veröffentlichung des Straßburger Nachdrucks,854 kann dies als Interpretation für die ermittelten Briefzahlen herangezogen werden: Mindestens elf, je nach Erscheinen des ‚Lobs der Torheit‘ sogar dreizehn von insgesamt fünfzehn855erhaltenen Briefe sind zeitlich nach der Publikation einzuordnen. Von größerer Aussagekraft sind indes sicher jene Äußerungen, die über Erasmus getätigt wurden – zumal sich der Eindruck aufdrängt, dass für 1512/13 erneut nur ein Teil seiner Korrespondenz vorliegt, bis dass 1514 wieder das frühere Niveau erreicht ist. So zeigt es sich auch, dass der Name des Erasmus bis 1513 bereits bis in den mitteldeutschen Raum vorgedrungen war und ihm hohes Ansehen verschafft hatte: Mutianus Rufus, der in Gotha mit so namhaften Personen wie Georg Spalatin, Heinrich Urban und Ulrich von Hutten einen Humanistenzirkel gegründet hatte, benannte in einem Brief an Urban vom Juli 1513 die seiner Meinung nach größten theologischen Autoritäten: Bossus, Zenobius, Baptista, Erasmus, Reuchlin veri sunt theologi et nullis strepunt nugis.856 Die Aufnahme des Erasmus in diese Reihe ist wohl auf das ‚Moriae Encomium‘ zurückzuführen, denn andere einflussreiche Texte, die theologisch-kirchlichen Inhalt hatten, gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Dies bestätigt Mutianus in gewisser Weise in einem Brief, der kurz darauf an Petreius adressiert war: Hier hob er nicht nur eigens hervor, dass er selbst Mitschüler des Erasmus in der von Hegius geleiteten Schule in Deventer gewesen sei, sondern dass

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Vgl. Allen I, Nr. 222, hier: Vorbemerkung, S. 459. Da bereits auf einige von ihnen Bezug genommen wurde, bietet sich im Folgenden ein Blick in jene Korrespondenz an, die Zeitgenossen untereinander gewechselt haben. Lobende Worte und gegenseitige Huldigungen unter Humanisten gehörten letztlich zum guten Ton in einem Brief. Krause, Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, Nr. 266, hier: S. 328. Eine ähnliche, unter Umständen noch exklusivere Reihe an namhaften Theologen bietet Mutianus in einem Brief an Herbord von der Marthen, der auch Mitglied des örtlichen Humanistenzirkels war (ebd., Nr. 289, hier: S. 356): Stapulensis, Budaeus, Erasmus, Reuchlin, Zenobius, ceteri cottidie castigant vel ecclesiae leges, annuente Leone X. primae sedis antistite, vel hebraicam graecamque disciplinam emendant et proferunt in lucem.

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dieser auch das pulcherrimum encomium [Moriae] verfasst habe.857 Angesichts der Erwähnungen des Erasmus oder seiner Texte, die ab 1513 kontinuierlich zunehmen,858 verwundert es nicht, dass auch die Qualität der Äußerungen ansteigt: So bezeichnete Rhenanus ihn in einer an Studenten gerichteten Dedikationsepistel als den besten Lehrer und sprach im Folgenden kurz den vermeintlichen Tod des Erasmus an.859 Das Gerücht hielt sich einige Monate und bislang ist nicht geklärt, was die Ursachen waren. Wohl gegen Ende des Jahres wandte sich Pirckheimer an Rhenanus und brachte deutlich erleichtert zum Ausdruck, dass es ihm das Allerangenehmeste gewesen sei, zu erfahren, dass Erasmus noch lebe. Nicht ohne großen Seelenschmerz hätte er den Tod verarbeiten können. In diesem Zusammenhang sprach er von Erasmum nostrum Roterodamum und erklärte sogleich, dass er diesen zwar noch nie gesehen habe, aber wegen seiner Gelehrsamkeit und gesegneten Begabung wie einen der seinen liebe.860 Derartige Äußerungen sind nicht nur in ihrer zeitlichen Folge auf das ‚Moriae Encomium‘ zurückzuführen, das wiederum den Anlass bot, auch andere Texte des Erasmus zu lesen. Wohl am 26. Juli 1513 berichtete Melanchthon dem späteren süddeutschen Reformator Ambrosius Blaurer, welche Schriften man in Tübingen lese. Unter diesen führte er auch Lukian an, wobei man hier nicht zweifelsfrei entscheiden kann, ob es sich um eine Ausgabe des Erasmus handelte.861 Dies ist jedoch durch-

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Krause, Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, Nr. 270, hier: S. 334. Vgl. die Auswertung der Korrespondenz der Zeitgenossen, S. 195-199 dieser Arbeit. Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 35 (datiert auf den 13. August 1513), hier: S. 60: Neque vero non admonitos praeterierim Britannos, a Germanis originem ducentes, cultiorum literarum studiosissimos, quamquam illis adhortatione nihil opus est, usis iampridem optimo in literis praeceptore Erasmo nostro Roterodamo, cuius imaturum obitum et rei literariae dispendiosum dici non potest quam feram acerbe. Vgl. Reicke, Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 291, hier: S. 320f.: Sed omnium gratissimum fuit intelligere, E[rasmum] nostrum Roterodamum vivere. Nam eum vitam cum morte mutasse non sine magno anime dolore audieram. Nostrum dico, quamvis hominem nunquam viderim; atamen ob doctrinam ac ingenii foelicitatem non solum tanquam nostrum diligo, sed et vehementer amo. Ähnlich erleichtert über die Unwahrheit der Todesnachricht zeigte sich der Ravensburger Michael Hummelberg in einem Brief an Peutinger vom 27. November 1513 (vgl. König, Konrad Peutingers Briefwechsel, Nr. 138, hier: S. 233): Adcaepi nuperrime ex Parisiorum Lutetia Iod. Badii Ascensii, viri utcunque docti et mei studiosissimi, literas ex eo mihi iucundas, quod eam famam, quae de Erasmi nostratis immaturo obitu apud nos increpuit, vanam atque mendacem significat […]. Vgl. Badische Historische Kommission, Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer, Nr. 4, S. 6: Iam Herculem Lucianicum, puto rhetoricam praefatiunculam praeter grammatica, iam Homerica, Hesiodi(c)a leguntur, et magica Theocriti auspicabimur proxime […].

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aus denkbar, da sie vermutlich eine weitere Verbreitung fand als häufig angenommen. Michael Hummelberg bat in einem Brief, den er am 28. Oktober 1513 aus Ravensburg an Peutinger adressierte, um Sendung eines Lukiantextes, den er gerne lese wolle. Dass es sich in diesem Fall tatsächlich um eine erasmische Ausgabe handelte, geht aus dem Folgenden hervor, in dem er berichtete, ihm seien bereits die zwischen Erasmus und Morus gewechselten Dialoge geschenkt worden.862 Knapp einen Monat später schrieb er erneut Peutinger und wies darauf hin, dass der Pariser Drucker Badius nun bereits etwas mehr Dialoge Lukians, die Erasmus bearbeitet hatte, in der Druckpresse habe.863 – Bereits anhand dieser wenigen Beispiele wird mehr als deutlich, dass ein klares Interesse an erasmischen Texten spätestens seit 1513 bestand und Erasmus in Regionen Bekanntheit erlangt, die er noch nie besucht hatte und in denen er keinen bleibenden Eindruck hatte hinterlassen können. Dass sich jedoch gerade in diesem geographischen Raum die Lobesworte auf den Verfasser des ‚Moriae Encomium‘ überschlugen, hat noch größere Aussagekraft und kann exemplarisch für weite Teile Europas gelten: So erklärte Rhenanus in einer Dedikationsepistel an Lukas Paliuros, der 1512 in Basel zum Magister Artium promoviert worden war und 1514 eine eigene Schule gründete,864 dass Erasmus die Pflichten des Lehrers doctissime erklärt habe.865 (Er meinte damit die Schrift ‚De ratione studii‘ von 1511.866) Wimpfeling bezeichnete Erasmus gleich in zwei Briefen – im August / September 1513 an Hieronymus Gebwiler und im Juli 1514 an Sebastian Brant 867 – als decus Germaniae, die Zierde Deutschlands.868 Circa

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Vgl. König, Konrad Peutingers Briefwechsel, Nr. 135, hier: 229: Luciani philosophicum ‚Convivium‘ legendum mittas. Sunt mihi et alii eius dialogi ab Erasmo et Moro, homine corpore pusillo, sed animo et eruditione maximo, Latinitate donati et nonnulli Graeci. Ebd., Nr. 138, hier: S. 234: Badius sub literario praelo iam habet plusculos Luciani dialogos ab Erasmo recentius Latina civitate donatos […]. Es handelte sich dabei um den Nachdruck der Ausgabe von 1507. Badius bot ab 1514 die Exemplare zum Verkauf an (vgl. Allen I, Nr. 283, hier: S. 547, Z. 159-162). Vgl. Peter G. Bietenholz, Art. Lukas Klett, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 2, S. 263f. Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 38, S. 63: Scribit de praeceptoris officio et discendi ratione, quam rem ad Guil. Thaleium Erasmus, Rhodolphus ad Barbirianum uterque doctissime explicaverunt. Ebd., Anm. 3. Vgl. Miriam U. Chrisman, Art. Hieronymus Gebwiler of Kaysersberg, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 2, S. 81f. Vgl. Herding / Mertens, Jakob Wimpfeling. Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 309, S. 757; Nr. 311, S. 762-766, bes. S. 763.

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ein Jahr später wandte er sich direkt an Erasmus, wobei die Herausgeber der Wimpfeling-Korrespondenz den Inhalt des Briefes treffend zusammenfassen: „[Er betonte darin] seine mangelnde Eignung, um im Auftrag der Sodalitas literaria von Straßburg Erasmus zu grüßen und von ihm umgehende Nachricht über den Stand seiner Angelegenheiten zu erbitten. Man sei (in Straßburg) davon überzeugt, daß ihn die Basler Universität als den größten Gelehrten entsprechend kultiviert empfangen habe, und hoffe besonders, daß Beatus Rhenanus, der in liebender Verehrung an Erasmus hänge, es im Basler philosophischen Kreis an keiner Fürsorge fehlen lassen werde. Die gesamte literarische Gesellschaft in Straßburg empfehle sich ihm.“869

Das daraus ersichtliche Ansehen, das sich Erasmus wohl spätestens seit 1513 erworben hatte, bedarf keiner weiteren Kommentierung – zumal sich zahlreiche vergleichbare Zeugnisse anführen lassen, zu denen auch ein Brief Reuchlins vom April 1514 zu zählen ist.870 Mit diesem wandte er sich das erste Mal an Erasmus, nachdem dieser ihm bereits im Frühjahr 1510 geschrieben hatte.871 Damals hatte Reuchlin den Brief unbeantwortet gelassen – er hielt es wohl nicht für notwendig, dem noch recht unbekannten Erasmus zu antworten. Nun, vier Jahre später jedoch, hatte sich die Situation grundlegend verändert und Reuchlin nahm seinerseits den Kontakt auf, um Beistand im Streit mit Pfefferkorn zu erbitten. Seine Lage hatte sich offensichtlich derart zugespitzt, dass er Erasmus ersuchte, ihn im Zuge der Bücherverbrennungen auch öffentlich zu verteidigen.872 – Wenngleich Reuchlin mehrere Personen in gleicher Absicht kontaktierte, so verdeutlicht es doch, dass das Wort des Erasmus mittlerweile gehört wurde und Autorität besaß. Im August antwortete Erasmus auf dieses Ansinnen und drückte Reuchlin gegenüber seine Bewunderung und Hochachtung aus.873 Zu Ende des Briefes hin nannte er ihn totius Germaniae vere unicum decus et ornamentum incomparabile874 – der Eindruck

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Ebd., Nr. 312, S. 766. Der Brief ist datiert auf den 1. September 1514 und findet sich bei Allen II, Nr. 302, S. 7-9. Dort (S. 7, Z. 7) bezeichnete er Erasmus auch als den Gelehrtesten unter den Gelehrten (inter doctos doctissimum). Vgl. Geiger, Johann Reuchlins Briefwechsel, Nr. CLXXXV, S. 215. Vgl. Geiger, Johann Reuchlins Briefwechsel, Nr. CXIIIa, S. 119-121. Geiger, Johann Reuchlins Briefwechsel, Nr. CLXXXV, S. 215: nunc saltem per tuam defensionem contra librorum incendiarios restituar. Zum Antwortschreiben des Erasmus vgl. Geiger, Johann Reuchlins Briefwechsel, Nr. CXC, S. 224f. bzw. Allen II, Nr. 300, S. 3-5. Geiger, a.a.O., S. 225. Vgl. auch Allen II, Nr. 305, hier: S. 24, Z. 248-251: Absolutissimum virum dominum Ioannem Reuchlinum, tot literis, tot linguis praeditum ut plura corda

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entsteht, derartige Formulierungen, wie sie auch in Bezug auf Erasmus nachweisbar sind, seien in Korrespondenzen unter Humanisten keine Seltenheit. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass nur die renommiertesten Vertreter, d.h. die Köpfe der humanistischen Elite, mit solchen Belobigungen belehnt wurden. Daher sind derartige Belege in Bezug auf Erasmus durchaus von großer Bedeutung, manifestiert sich in ihnen doch seine Entwicklung. Außerdem liegen sie in seinem Fall in unvergleichlich hoher Anzahl vor. Ihren Anfang haben diese Attributsbeschreibungen im Jahr 1512 genommen und danach traten sie immer zahlreicher und gesteigert auf. Es ist daher logische Konsequenz, diese Veränderung dem ‚Lob der Torheit‘ zuzuschreiben – zumal solche Ehrbekundungen nicht nur aus deutschen oder englischen Gebieten kamen: So schrieb Hieronymus Aleander, dass Erasmus schon all das erreicht habe, was er sich immer am meisten gewünscht habe.875 Von John Babham aus Oxford wurde Erasmus der Gelehrteste genannt und als ‚Schützer der Musen‘876 bezeichnet. Alle diese Äußerungen ähneln doch sehr stark dem, was Thomas Mann über Goethe schrieb: „[Es] erschien übrigens wirklich seine Existenz der Mitwelt in fürstlichem Licht, was seinen Ausdruck in bestimmten brieflichen Anreden fand.“877

Gestützt wird der vorige Eindruck zudem von anderen Huldigungsworten, die in ihrer Qualität wohl eine noch deutlichere Sprache sprechen: Ein eindrückliches Beispiel findet sich in einem Brief Melanchthons an Ambrosius Blaurer vom Spätsommer 1514.878 Es heißt dort: Latina est, Erasmica est.879 ‚Lateinisch ist, was erasmisch ist‘ bedeutet das Gleiche wie ‚Erasmus ist das Maß aller Dinge‘. Eine Aussage dieser Qualität sucht ihres Gleichen, doch bemerkenswert ist im Falle des Erasmus, dass sie seit 1513/14 keine Ausnahme mehr darstellte: Ulrich Zasius nannte ihn nicht nur den großen Rotterdamer, sondern drückte seine Bewunderung für die Majestät seiner geradezu

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quam Ennius habere videatur, unicum mea sententia totius Germaniae decus, lumen et ornamentum, tam procul hinc abesse doleo, ut aegre literis etiam colloqui liceat. Vgl. Allen I, Nr. 256, S. 506, Z. 117f. (Ende Februar 1512 an Erasmus). Vgl. Allen I, Nr. 259, S. 510, Z. 15 (12. April 1512 (?) an Erasmus). Thomas Mann, Vom zukünftigen Sieg der Demokratie. Drei Essays, Zürich 1937 (Neudruck: 2005), hier: S. 82. Vgl. Scheible, Melanchthons Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 4, S. 40f. Ebd., S. 40.

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göttlichen Gelehrtheit aus.880 Zum Briefende erreichte er den Höhepunkt der Klimax, indem er über Erasmus schrieb: Vale, decus orbis, non dico Germani, sed omnium viventium splendor.881 Eindeutig wurde Erasmus unter die führenden Köpfe des Humanismus gezählt – manche sahen in ihm gar das Oberhaupt. Gegen den Versuch, die drei führenden Humanisten zu benennen, wehrte sich Mutianus Rufus, da er als der Dritte neben Erasmus und Reuchlin genannt wurde, sich aber nicht mit diesen messen wollte. Im Herbst 1514 schrieb er an Urban, dass diejenigen, die jenes Triumvirat erschaffen, ihn entweder verspotten wollten oder, was ziemlich ähnlich sei, schlecht über die angesehensten Humanisten (Erasmus und Reuchlin) urteilten.882 Doch in manchen Fällen war nicht das Urteil der Gelehrten ausschlaggebend, sondern dasjenige des Erasmus, wie es z.B. in einem Brief an Zwingli deutlich wird, den er von seinem Studienfreund Johannes Dingnauer Ende des Jahres 1514 erhalten hatte. Darin heißt es, Zwingli werde, wenn er vor Ort sei, wissen, was die Gelehrten über einen seiner Dialoge denken, besonders aber, was das außerordentliche, einzigartig und äußerst gelehrte Musterbeispiel für alle sehr gelehrten Menschen, Erasmus von Rotterdam, darüber denke.883 – Zu diesem Zeitpunkt befand sich Erasmus bereits in Basel, wohin er von Hammes über Löwen und Liège spätestens Ende August 1514 gelangt war.884 Die Stim880

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Vgl. Allen II, Nr. 303, S. 9f., hier: S. 9, Z. 1; vgl. a.a.O., Z. 2f.: sed obstabat maior divinae eruditionis tuae maiestas, ita ob oculos observabatur, ut non auderem. Ebd., S. 10, Z. 13f. Vgl. Krause, Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, Nr. 423, S. 490: Qui triumviratum illum creant, vel me derident vel, quod vero similius est, male judicant de summis illis viris; qui ita excellunt, ‚quantum lenta solent inter viburna cupressi.‘ Vgl. dort auch Anm. a. Vgl. Egli, Zwinglis Briefwechsel, Bd. 1, N. 11, S. 30f.: Quid autem de Dialogo tuo senciant apud nos docti et precipue unicum omnium doctissimorum hominum doctissimum specimen Erasmus Roterodamus, audies, postquam coram fueris, quod nunc fieri arbitro, cum ad nos magisterii mei ob honorem veneris. Ähnlich schrieb auch Pirckheimer am 9. September 1514, als er gegenüber Rhenanus seinen innigen Wunsch zum Ausdruck brachte, mit Erasmus bekannt gemacht zu werden. Vgl. Reicke, Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 342, hier: S. 491: Audio siquidem Erasmum Roterodamum, non absque honoris praefatione nominandum, Basileae nunc agere, quem unum ex omnibus incognitis notissimum mihi amicitia copulari summopere cuperem. Quamvis enim gratiam imperialem meruerim, variorum principum favorem acquisiverim, hominum clarorum ac doctorum familiaritatem consecutus sim, reliqua denique amicorum turba belle mihi pollere videar, amicitiam tamen viri tam eruditi ac clari, non in ultimis bonis collocarem, sed et rebus preciosissimis longe anteponerem. So empfahl auch Johann Sapidus am 15. September 1515 Johannes Oekolampad nach mehrmaligem Bitten Erasmus (vgl. dazu Staehelin, Briefe und Akten zum Leben Oekolampads, Nr. 17, S. 24). Das Itinerar ergibt sich aus folgenden Briefen: Allen I, Nr. 296 (Hammes, 8. Juli 1514 an Servatius Roger), evtl. auch noch Nr. 297 (hier ist unklar, ob der Brief noch

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mung, die sich in den zeitgenössischen Briefen findet, war auch unterwegs deutlich greifbar, wie Faludy betont: „Die Reise, die Erasmus im Sommer 1514 rheinaufwärts machte, glich einem wahren Triumphzug. In jeder Stadt erwarteten ihn Abordnungen, Essen wurden ihm zu Ehren gegeben, und er wurde mit Geschenken überhäuft.“885 Dies lässt darauf schließen, dass der Name Erasmus fortan nicht mehr nur in humanistischen oder theologischen Kreisen ein Begriff war, wenngleich die Feierlichkeiten sicher in den meisten Fällen von den örtlichen Humanisten(zirkeln) initiiert wurden.886 Deutlich wird dies u.a. durch die Einladung an Erasmus durch die Straßburger sodalitas literaria.887 Am 21. September 1514 berichtete Erasmus an Wimpfeling von seiner Reise und dem begeisternden Interesse, das ihm entgegen gebracht wurde: Noch Wochen später sei er sprachlos über den Zusammenlauf so vieler gelehrter und bedeutender Männer, die ihn äußerst gastfreundlich aufgenommen und geradezu mit Ehren überhäuft hätten.888 Aufs Äußerste fühle er sich geschmeichelt, von so vielen ausgezeichneten Män-

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aus Hammes versandt wurde, aber er war im Juli an Thomas Wolsey adressiert), Allen II, Nr. 298 (Löwen, 1. August 1514 an Johann Nevius de Hondschoote), Nr. 299 (Liège, August 1514 an Andreas von Hoogstraten), Nr. 300 (Basel, August 1514 an Reuchlin). Faludy, Erasmus von Rotterdam, S. 143. Vgl. Huizinga, Erasmus. Eine Biographie, S. 94f.: „Dort [= in den deutschen Gebieten] erwarteten ihn Freuden des Ruhmes, wie er sie noch nicht gekostet hatte. Die deutschen Humanisten begrüßten ihn als das Licht der Welt […]. Sie jubelten ihm zu und betonten, er sei selbst ein Deutscher und eine Zierde Germaniens.“ Vgl. dazu Charles Schmidt, Histoire littéraire de l’Alsace: à la fin du XVe et au commencement du XVIe siècle, Teil I, Paris 1879 (Neudruck: Hildesheim 1966), hier: S. 232. Zu den Mitgliedern des Straßburger Humanistenzirkels vgl. Wilhelmi, Zum Leben und Werk Sebastian Brants, S. 34: „Außer [Jakob] Wimpfeling und [Sebastian] Brant gehörten dieser literarischen Gesellschaft Thomas Aucuparius (Vogler), Hieronymus Gebwiler, Johannes Guida, Peter Heldung, Ottomar Luscinius (Nachtigall), Thomas Rapp, Johannes Rudolfinger, Johannes Ruser, der Drucker Matthias Schürer, Jakob Sturm von Sturmeck und Stephan Tieler an.“ Vgl. dazu auch die Aufzählung der prominentesten Mitglieder im Brief Wimpfelings an Erasmus vom 1. September 1514 (Allen II, Nr. 302, S. 7-9, Z. 11-17. Vgl. Allen II, Nr. 305, S. 17-24, hier: S. 17, Z. 16-25: Nam quoties mihi venit in mentem tam celebris eruditissimorum hominum coetus, quam obviis, ut aiunt, ulnis me novum hospitem exceperit, quam singulari consuetudinis iucunditate fessum refecerit, quanta benignitate foverit, quanto studio germanum suum complexus sit, quanto candore quamque amice suspexerit etiam hunc homuncionem longe positum infra mediocritatem, quibus ornarit, immo pene onerarit, officiis, quam hospitaliter dimiserit, quam officiose produxerit, partim apud me pudore quodam suffundor, quippe mihi conscius quam istis tam magnificis officiis non respondeat nostra tenuitas et curta, quemadmodum ait Persius, domi suppellex […].

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nern Beifall bekommen zu haben.889 Gerade auch in Straßburg habe der Bürgermeister ihn mit unglaublicher Freundlichkeit in Empfang genommen und mit keinesfalls üblichen Ehren beschenkt.890 Er könne nicht in Worten ausdrücken, geschweige denn in einem Brief, wie sehr er sich über all dies gefreut habe und wie angenehm ihm gewesen sei, so viele herausragende Menschen, so viel Weisheit, Integrität, ja geradezu Majestät zu sehen.891 Erasmus steigerte indirekt diese ihm entgegen gebrachten Ehrungen, indem er deren Gebern die größtmögliche Urteilskraft unterstellte – schließlich seien sie im Besitz des römischen Wissens, der athenischen Weisheit und der spartanischen Enthaltsamkeit.892 Zugleich versuchte er auch, die entsprechenden Personen größtenteils namentlich aufzuzählen, was in der Edition immerhin fünfzig Verse einnimmt.893 – Von Straßburg aus reiste er offenbar nach Schlettstadt weiter. Auch dort sei er von den primores reipublicae begrüßt worden, frage sich aber immer noch, wer die Information seines Kommens weitergegeben habe. Sodann seien ihm durch einen städtischen Boten drei Krüge des besten Weins als Gastgeschenk gebracht worden, aber solche Krüge, dass es auch zehn Sieben-Liter-Behälter hätten sein können.894 Ähnliche Ehrungen seien ihm auch in Basel zugekommen: Beatus Rhenanus, Gerhard Listrius,

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Ebd., S. 17f., Z. 29-31: Quin et ipse mihi […] nonnihil placeo blandiorque, quod viris longe probatissimis videar, non ausim dicere probatus, sed certe non improbatus fuisse. Ebd., S. 18, Z. 54-58: Iam vero non me fugit et illud vobis deberi, quod ornatissimus Argentinensis reipublicae uterque praefectus magistratus, qui me praesentem tam admiranda complectebatur humanitate, tam non vulgari prosequebatur honore, nunc absentem, et tam procul absentem, salutationis obsequio prosequitur. Ebd., S. 18, Z. 62-68. Ebd., S. 19, Z. 85-87: Licuit apud vos in civitate una cunctarum laudatarum dotes conspicere, Romanorum disciplinam, Atheniensium sapientiam, Lacedaemoniorum continentiam. Ebd., S. 20f., Z. 119-169. Ebd., S. 21, Z. 172-175: Ibi continuo primores reipublicae, haud scio cuius indicio, de meo adventu facti certiores, per publicum nuncium treis exquisitissimi vini misere cantaros xenii nomine, sed eos cantaros ut vel decem tricongiis satis esse possint. Vgl. The Correspondence of Erasmus. Vol. 3: Letters 298 to 445. 1514 to 1516, translated by R. A. B. Mynors / D. F. S. Thomson, annotated by James K. McConica, Toronto / Buffalo 1976, hier: S. 30, Z. 177-180: „There the town magistrates, hearing I know not how of my arrival, immediately sent me three flagons of really excellent wine as a present by the hand of the town crier, and such flagons as might hold up to ten two-gallon measures.“ Vgl. Opera Omnia II, Adagiorum Chiliades II, Centur. VIII, Prov. LXXIII, Sp. 656: Atque ita vescentem indicat dici solere ἀδδηφάγον et κάβασον a κάβος, quod est tritici mensura, quemadmodum Latini bibacem dicunt tricongium. Vgl. auch Adagiorum Chilias secunda, hrsg. von Felix Heinimann / Emanuel Kienzle, Amsterdam 1988 (Opera Omnia Desiderii Erasmi Roterodami, recognita et adnotatione critica instructa notisque illustrate II.4), hier: S. 196.

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Bruno Amerbach und manch andere hätten ihn in Empfang genommen und kurz darauf sei er im Auftrag der Professoren durch den Dekan der theologischen Fakultät zum Essen geladen worden, bei dem das gesamte Lehrpersonal aller Fakultäten anwesend gewesen sei.895 All diese Informationen zu seiner Reise ins oberrheinische Gebiet und zu den Begrüßungen und Ehrungen sind seinem Brief an Wimpfeling entnommen. Obwohl auf den ersten Blick keine zweite Quelle ähnliches berichtet, wird seine Reise in der Forschung als „ein nationales Fest“896 und als „Triumphzug“897 umschrieben. Folglich drängt sich die Frage auf, ob es sich hier nicht um eine Fehldeutung handelt – schließlich kann Erasmus mit seinen Schilderungen immens übertrieben haben, weil er bestimmte Ziele damit verfolgte. Meiner Ansicht kann aus drei Gründen der Einschätzung der Forschung in diesem Punkt jedoch zugestimmt und den Darstellungen im Brief an Wimpfeling Glauben geschenkt werden: 1. Erasmus hat eigens für den Empfang in Schlettstadt ein Lobgedicht von 38 Versen verfasst, das 1515 von Froben gedruckt wurde.898 (Nun könnte er hier zwar ebenfalls deutlich übertrieben oder gar fälschlich berichtet haben, doch musste er davon ausgehen, dass spätestens nach der Veröffentlichung jene Personen auf das Gedicht angesprochen würden, die er darin namentlich nannte. Dieses Risiko wäre sicherlich zu groß gewesen und hätte peinliche Folgen gehabt, die das Gegenteil seiner vermeintlichen Absicht bewirkt hätten.) 2. In dem erwähnten ausführlichen Schreiben an Servatius Roger noch aus Hammes hob Erasmus hervor, dass es keine Region gebe, weder in Spanien, weder in Italien, noch in Deutschland, Frankreich, England oder Schottland, die ihn nicht als Gastfreund einlade.899 Es wäre sehr abwegig, wenn Erasmus hier an dritter Stelle (nach dem Schreiben an Wimpfeling und der Ode auf Schlettstadt) völlig falsche Informationen gab, zumal 3. Ulrich von Hutten im Juni 1515 nochmal die Reise des Erasmus thematisierte: 895 896

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Vgl. Allen II, Nr. 305, hier: S. 22, Z. 179-214. Gerhard Ritter, Erasmus und der deutsche Humanistenkreis am Oberrhein, Freiburg im Breisgau 1937 (Freiburger Universitätsrede 23), S. 9. Ernst-Wilhelm Kohls, Erasmus und sein Freundeskreis am Oberrhein, in: Roland Crahay / Marcelle Derwa / Robert Joly (Hgg.): Hommages à Marie Delcourt, Brüssel 1970 (Collection Latomus 114), S. 269-278, hier: S. 272f. Ebenso: Faludy, Erasmus von Rotterdam, S. 143; vgl. auch James D. Tracy, Erasmus Becomes a German, in: Renaissance Quarterly 21.3 (1968), S. 281-288. Vgl. The Poems of Desiderius Erasmus, introduced and ed. by Cornelis Reedijk, Leiden 1956, hier: Nr. 98, S. 316-318. Vgl. Allen I, Nr. 296, hier: S. 568, Z. 98-100: Nec ulla est regio, nec Hispania, nec Italia, nec Germania, nec Gallia, nec Anglia, nec Scotia, quae me ad suum non invitet hospitium.

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Demnach habe Eitelwolf vom Stein900, der zu diesem Zeitpunkt wohl noch in Diensten Albrechts, des Kurfürsten von Mainz und Magdeburg, stand, bei jeder Gelegenheit in höchsten Tönen und mit größter Verehrung über Erasmus gesprochen. Nachdem er erfahren hatte, dass Erasmus nach Frankfurt aufgebrochen sei und sich mit Reuchlin und Hermann von dem Busche treffen wolle, habe er sich seinerseits ebenfalls sogleich in der Absicht auf den Weg gemacht, dem Rotterdamer ein ‚sokratisches Convivium‘ zu bereiten. Aufgrund einer Erkrankung sei er jedoch erst am Tag nach des Erasmus Abreise in Frankfurt eingetroffen und habe in großem Schmerz verkündet, er beabsichtige, Erasmus als Gastfreund einzuladen, denn schließlich habe Deutschland niemand Größeren als ihn.901 – In Addition dieser und ähnlicher Argumente ist nur schwerlich zu bestreiten, dass Erasmus tatsächlich in der von ihm berichteten Weise empfangen und verehrt wurde. Die Verehrung, die Erasmus in diesen Gegenden entgegengebracht wurde, stammte nach Faludys Einschätzung nicht allein aus humanistischen Kreisen, sondern auch aus der Mittelschicht der Städte, die nicht nur den Autoren Erasmus, sondern auch den Reformer Erasmus – insbesondere wegen seiner philosophia Christiana – würdigen wollte.902 Es handelte sich hier jedoch nicht nur um eine Euphorie in Rheinnähe; bereits Mitte des Jahres hatte er Servatius Roger davon berichtet, dass er gerade von den Gelehrtesten am meisten gelobt werde.903 Daher verwundert es auch nicht, sondern beschreibt viel-

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Vgl. Karl Hartfelder, Art. Stein, Eitelwolf vom St. (Hololykos), in: Allgemeine Deutsche Biographie 35 (1983), S. 606. Böcking, Ulrichs von Hutten Schriften, Bd. 1, Nr. 26, S. 40-45, hier: S. 43, Z. 35-S. 44, Z. 8: Erasmi Roterodami in quodcunque scriptum incideret, bene de Germania sperandum monuit, eiusque declamationem quandam summa cum veneratione circumferebat. Nundinis praeterea cum esse Francofordii illum et simul Capnionem ac Hermannum Buschium intellexisset, cupidissime eo concessit; accidit tamen, ut non videret Erasmum: nam quo die Socraticum, ut ipse ferebat, convivium apparabat, vocaturus quicunque istic politioris literaturae assertores essent, morbo calculi praepeditus est et forte sequenti die abiit Erasmus. […] ‚Disperdeam‘, inquit, ‚si unquam molestior mihi calculus fuit, hospitaliter accepturo eum virum, quo maiorem non habet Germania.‘ Vgl. dazu: Faludy, Erasmus von Rotterdam, S. 143. Vgl. Allen I, Nr. 296 (vom 8. Juli 1514), hier: S. 568, Z. 94-106: At non sum cum hoc conferendus, fateor; sed tamen nunquam mutavi locum, nisi vel peste cogente, vel studii causa vel valetudinis, et ubicunque vixi, (dicam enim de meipso fortassis arrogantius, sed tamen vere) probatus sum a probantissimis et laudatus a laudatissimis. […] Et si non probor ab omnibus (quod nec studeo), certe primis omnium placeo. – Dies war wohl vor allem früheren Schriften zu verdanken. So wies Beatus Rhenanus noch 1515 darauf hin, dass sich das ‚En-

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mehr die verbreitete Ansicht, wenn Zasius Ende 1514 ihn mit Erasme ter maxime heros904 anschrieb. Zasius gestand weiter, überall das hervorragende Talent des Erasmus zu verbreiten, diesen mit seinem unbedeutenden Lobpreis zu feiern und dessen verehrungswürdige und für jedes Zeitalter wundersame Gelehrtheit hervorzuheben. Außerdem wünsche Pius Hieronymus Baldung, den Zasius als kaiserlichen Ratgeber vorstellte und der später Kanzler von Tirol wurde,905 mit Erasmus bekannt gemacht zu werden, ja er sehne sich gar, dessen Freund zu sein. Zasius sah in Erasmus die Zierde der Gelehrten, eine Zierde, die in vergleichbarer Weise wohl kaum irgendeine nachfolgende Generation zu Gesicht bekommen werde.906

In summa lässt sich mit Ende 1514 konstatieren, dass Erasmus eine berühmte Person war. Nicht nur die Auswertung seiner eigenen Korrespondenz oder der von Zeitgenossen machen dies deutlich, sondern auch die Art und Weise, wie über ihn oder mit ihm kommuniziert wurde. Zahlreiche Personen nahmen zu ihm meist ehrfürchtig Kontakt auf und sahen es als erstrebenswert und Beleg für ihre eigene Bedeutung an, mit ihm befreundet zu sein. Dass Reuchlin ihn um öffentliche Unterstützung im Zuge des Pfefferkorn-Streites bat, ist gemessen an anderen Indizien ein nur vergleichbar geringes Merkmal, obwohl es für sich allein betrachtet bereits sehr bezeichnend ist. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang auch Korrespondenzen, die aus Regionen gestartet wurden, die Erasmus noch nicht bereist hatte, wie auch Belege, die deutlich machen, wie er in sämtlichen Städten empfangen wurde. Das Erste zeugt davon, dass seine Name – wohl nicht nur durch den Kontakt unter Humanisten bedingt, sondern mindestens genauso aufgrund seiner Schriften – wie auch die

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comium Moriae‘ bestens verkaufe (vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 47, hier: S. 75): Ex Moriae mille et octingentis exemplaribus non nisi sexaginta supersunt. Statim igitur denuo imprimetur, ubi poterunt addi (si voles) Scarabeus, Sileni, Gryllus Plutarchi, Parasitica et Muscae encomium Luciani. Allen II, Nr. 319, S. 42f., hier: S. 42, Z. 1. Vgl. Peter G. Bietenholz, Art. Pius Hieronymus Baldung, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 1, S. 89. Vgl. Allen II, Nr. 319, S. 42, Z. 18-21: Huius eminentiam circunfero; hunc mea quamlibet exigua praedicatione celebro; eam venerandam et omni aetati admirabilem doctrinam celebro; pro numine adorandam iubeo […]. Ebd., S. 43, Z. 32-34: Is [= Pius Hieronymus Baldagnus, vgl. Z. 23-25] tibi notior esse cupit, amicus esse desyderat; in tuas ardet literas, quibus ut eum impartias et rogo et hortor. Ebd., S. 43, Z. 45f.: Vale, decus doctorum, quod simile vix aliqua videbit posteritas.

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von ihm verfassten Texte sich immer weiter verbreitet hatten. Das Zweite kann ohne weiteres als Beleg dafür dienen, dass er nicht mehr nur in der gelehrten Teilöffentlichkeit – insbesondere unter Humanisten und Theologen –, sondern auch darüber hinaus bis hin zu illiteraten Teilen der Gesellschaft ein Begriff war. Allerdings erstreckte sich dies wohl nur auf jenen regionalen Bereich, durch den er gereist war und wo eigens für ihn Empfänge stattfanden. Da es noch Jahre dauerte, bis die erste volkssprachliche Übersetzung eines erasmischen Textes im Reich erschien, ist davon auszugehen, dass selbst die lesefähigen, aber nur der Volkssprache mächtigen Bewohner der von Erasmus durchzogenen Gegenden lediglich durch mündliche Kommunikation erfuhren, dass es sich hier um eine Berühmtheit handelte. Was Erasmus auszeichnete und ihn erst auf diesen Bekanntheitsgrad brachte, blieb den meisten von ihnen wohl unbekannt.

6.) 1514 bis 1521: Basel und Löwen Im August 1514 traf Erasmus in Basel ein.907 Seine Absicht war, eng mit Froben zusammenzuarbeiten908 und seine beiden Hauptziele zu verwirklichen: die Edition des Hieronymus sowie eine Ausgabe des Neuen Testaments.909 Angesichts der Euphorie um Erasmus, der zu-

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Vgl. Allen II, S. vii. Vgl. Kohls, Erasmus und sein Freundeskreis am Oberrhein, S. 272: „Doch als der Basler Drucker Johann Froben im Jahre 1513 aus freien Stücken einen Nachdruck der ‚Adagia‘ […] in der aldinischen Kursive veranstaltete und davon ein Exemplar an den damals in Cambridge weilenden Erasmus sandte, verstand dieser sofort das Zeichen. Plötzlich und in fieberhafter Eile brach Erasmus seine Zelte in England ab […].“ Vgl. Allen II, Nr. 322, S. 46f., hier: S. 47, Z. 21-26. Vgl. auch Shaw, A Study of the Collaboration Between Erasmus of Rotterdam and His Printer Johann Froben, S. 40. – Die Offizin Johann Frobens war berühmt für ihre patristischen und humanistischen Ausgaben; vgl. dazu: John F. D’Amico, Theory and practice in Renaissance textual criticism, S. 49. – Wie Erasmus über seine beiden Drucker Manutius und Froben dachte, vgl. Stephan Füssel, Die Bedeutung des Buchdrucks für die Verbreitung der Ideen des Renaissance-Humanismus, in: Barbara Tiemann (Hrsg.): Die Buchkultur im 15. und 16. Jahrhundert, Bd. 2, Hamburg 1999, S. 121-161, hier: S. 128. – Bereits 1515 mit zunehmender Popularität wandten sich Drucker an Erasmus mit der Bitte, Schriften veröffentlichen zu dürfen. So schrieb Beatus Rhenanus an Erasmus (vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 48, S. 76; datiert auf 30. April 1515): Frobenius Novum Testamentum a te cupit habere, Lucubratiunculas quoque tuas, Enchiridion videlicet christiani militis, ut emendes et mittas, rogat. – Nach Einschätzung Schulte Herbrüggens (Erasmus, England, das Neue Testament und die Universitätsbibliothek Düsseldorf, S. 140) kam Erasmus im Jahr

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nächst bis März 1515 in Basel weilte,910 ist die Wertung George Faludys nicht verfehlt: „1514 hatte Erasmus das Gefühl, den Anbruch eines ewigen Frühlings zu erleben; als er zwanzig Jahre später auf diese Zeit zurückblickte, erschien sie ihm als der strahlende Herbst vor einem anscheinend endlosen Winter.“911 (Dieser Eindruck spiegelt sich auch in seinem Briefwechsel wider: Die Zahlen der überlieferten Schreiben explodieren geradezu seit 1514.912) Daneben sind die knapp sieben Monate, die Erasmus in Basel weilte, von großer Produktivität und mehreren Veröffentlichungen geprägt, was seine Gesundheit kaum zu ertragen vermochte:913 Im Dezember 1514 erschien eine Neuausgabe der ‚De duplici copia‘, die zuvor bei Badius in Paris verlegt worden war, als Erasmus 1512 auf dem Kontinent war. Zeitgleich veröffentlichte Schürer auch die ‚Parabolae sive Similia‘, eine Exzerptsammlung – vergleichbar den ‚Adagia‘ und ‚Apophthegmata‘. Froben schloss im März 1515 seine Druckarbeiten an einer neuen Ausgabe der ‚Adagia‘ ab, die nach Worten des Erasmus so an Umfang und Kommentierung zugenommen hatten, dass sie ein gänzlich neues Werk zu sein schienen.914 Auch eine Neuausgabe des ‚Encomium Moriae‘ verließ im März 1515 die froben-

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1514 zum ersten Mal der Gedanke, sein griechisches Neues Testament drucken zu lassen. Ebenfalls 1514 – am 21. September – schrieb Erasmus an Jakob Wimpfeling, dass er eine lateinische Neuübersetzung des Neuen Testaments in Erwägung ziehe (vgl. Allen II, Nr. 305, hier: S. 23, Z. 222f.). – Im Oktober 1515 beklagte Erasmus gegenüber Ulrich Zasius die enorme Doppelbelastung durch die Arbeit an der Hieronymus-Ausgabe und am Neuen Testament; hier verglich er sich auch mit den Mühen des Herkules (ebd., Nr. 366, S. 157, Z. 2-5: Nos laboribus propemodum obruimur, et gemina difficultate, nempe Hieronymi et Novi Testamenti, sic distringimur ut existimem Herculi minus fuisse negocii cum excetera et cancro.). – Irmgard Bezzel (Erasmusdrucke des 16. Jahrhunderts in bayerischen Bibliotheken: ein bibliographisches Verzeichnis, Stuttgart 1979, S. 5) hat bewiesen, dass in bayerischen Bibliotheken heutzutage die meisten Erasmusschriften aus Druckereien des oberrheinischen Gebietes stammen, insbesondere aus Basel und Straßburg. Der fruchtbare Kontakt zu Froben findet somit auch hier einen Beleg. Dies belegen Allen II, Nr. 325, versandt aus Basel (datiert auf 7. März 1515; adressiert an Thomas Ruthall, der von 1516 bis 1523 Bischof von Durham war), sowie Nr. 327, in St. Omer verfasst (datiert auf den 13. April 1515; adressiert an Rhenanus). Faludy, Erasmus von Rotterdam, S. 144. Vgl. die Auswertung des Briefwechsels, S. 172-177 dieser Arbeit. Vgl. Allen II, Nr. 322, hier: S. 47, Z. 22-27: Eduntur universa divi Hieronymi monumenta, argumentis et scholiis a me illustrata, nec sine summis sudoribus emendata, notatis ac semotis quae notha fuerant admixta. Emendavimus totum Novum Testamentum, additis scholiis; molimur obiter et alia. His laboribus sic obruimur iam sextum ferme mensem, ut vix valetudinem tueri possimus. Vgl. Allen II, Nr. 322, hier: S. 47, Z. 21f.: Eduntur Adagiorum Chiliades sic emendatae, sic locupletatae, ut novum opus videri possit.

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sche Offizin.915 Vor seiner Abreise hatte Erasmus noch eine Ausgabe der ‚Lucubrationes‘ Senecas abgeschlossen, deren Drucklegung bereits im April begann,916 sowie das Vorwort für die HieronymusAusgabe von 1516 fertig gestellt.917 – Der enge Kontakt zu den oberrheinischen Druckern zeigt sich auch darin, dass Erasmus auf seinem Weg nach England die Reise mit Schürer antrat, der ihn mindestens bis Mainz begleitete, wo er das erste Mal Reuchlin traf.918 Von dort aus zog er weiter nach Frankfurt am Main, um hier gemeinsam mit dem Geschäftspartner Frobens, Wolfgang Lachner, die Buchmesse zu besuchen.919 Ob Erasmus nur Interesse halber die Frühjahrsmesse besichtigte oder eventuell gar aus Werbezwecken von Froben dazu gedrängt wurde, lässt sich nicht klären. Klar ist jedoch, dass die Bewunderung, die ihm bei der Rheinreise ein Jahr zuvor entgegengebracht wurde, auch für das Jahr 1515 zu konstatieren ist: Warum sonst hätte Wimpfeling dafür Sorge getragen, dass die Gasthauskosten in Frankfurt bereits beglichen waren, als Erasmus abreiste?920 Außerdem führt Ribhegge weiter aus: „Bei einem Aufenthalt in Köln lernte Erasmus den Humanisten Johannes Caesarius kennen, der dort wie dessen Schüler Hermann von Neuenahr und Buschius an der Artistenfakultät lehrte. Sie alle zählten zu Erasmus’ Bewunderern.“921 Auch als sich Erasmus seit Anfang Mai 1515 in London aufhielt,922 nur wenige Wochen später wieder in Antwerpen eintraf und Anfang August wieder in Basel,923 rissen die Bewunderungsworte nicht ab, sondern nahmen – die Quantität der Briefe haben es bereits gezeigt – noch an Anzahl zu. So war Pirckheimers Aussage, Erasmus sei sein wichtigster Freund, im Vergleich zu den fol-

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Vgl. C. G. van Leijenhorst, Art. Gerardus Listrius, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 2, S. 335f., hier: S. 335. Daneben Allen II, Nr. 337, bes. S. 113, Z. 893-895. Vgl. Allen II, Nr. 325, S. 51-54, hier: S. 51 (Vorbemerkung). Vgl. Allen II, Nr. 326, S. 54-59. Vgl. Herding / Mertens, Jakob Wimpfeling. Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 316, S. 780782, hier: S. 782. Ebd. Ebd.: Habeo gratiam, quod vestra benignitate discesserim immunis e diversorio Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 77. In England wurde ihm von Wolsey, der mittlerweile zum Erzbischof von York avanciert war, eine Präbende in der Picardie in Aussicht gestellt (vgl. dazu Allen II, Nr. 360, S. 149f., bes. Z. 15-18). Da Erasmus sich offensichtlich zu viel Zeit ließ mit einer Antwort, wurde sie an jemand anderes gegeben (ebd., Anm. 15). Davon erfuhr er erst am 23. November 1515 (vgl. Allen II, Nr. 371, S. 162f.). Zum Itinerar vgl. Allen II, S. viif.

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genden Ausführungen noch die unbedeutendste.924 Mutian bezeichnete ihn in einem Brief an Johann Lang gar als den instaurator theologiae925 und brachte wenige Wochen später seine Überzeugung zum Ausdruck, Erasmus übersteige das Menschenmögliche; daher rief er auch Urban, den Adressaten seines Schreibens, dazu auf, Erasmus geradezu göttlich zu verehren.926 Neben vergleichbaren Äußerungen sind in den Korrespondenzen verstärkt auch Bitten um Zusendung erasmischer Werke zu beobachten: Keine zwei Wochen, nachdem Rhenanus an Erasmus geschrieben hatte, der Druck der SenecaAusgabe mache gute Fortschritte und das ‚Encomium Moriae‘ finde außerordentlich guten Absatz,927 wandte er sich mit der Bitte an ihn, verschiedene Texte zu senden, vor allem aber das ‚Enchiridion‘ zu veröffentlichen.928 Daneben hob er hervor, Froben habe versprochen, für die NT-Ausgabe so viel an Erasmus zu zahlen wie er irgendwo anders bekäme.929 – Am 1. Juni 1515 erbat Mutianus Rufus von Urban die ‚Canones‘ des Erasmus und wohl auch dessen ‚Enchiridion‘.930 Wenige Wochen später sandte Mutianus acht Groschen an Nepotian mit der Aufforderung, sich den ‚Cato‘ des Erasmus zu kaufen.931 – An diesen Beispielen wird deutlich: Es waren wenige erasmische Titel, die ihrem Verfasser Bekanntheit verschafft und zugleich für die Lektüre seiner anderen, zunächst weniger bekannten Texte gesorgt haben.932 Die Euphorie, die sich bei seiner Reise den Rhein aufwärts beobachten ließ, hielt immer noch an und sein Ansehen – wenngleich schwer zu messen – stieg offensichtlich noch weiter. Selbst die führenden deutschen Humanisten bewunderten ihn. Deutlich wird dies u.a. da924

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Vgl. Reicke, Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 355, S. 532f., hier: S. 533, Z. 1-7: Si alicui de amicorum splendore gloriari licet, me non plane ultimum hac in re esse arbitror, utpote qui non solum hominum privatorum, sed et illustrium ac maximorum cum Germaniae tum Galliae et Italiae principum amicicia mihi excellere videar. Verum ita me bona adiuvet fortuna, inter universos amicos istos nulli secundus, sed maximus et praecipuus es, mi eruditissime ac iucundissime Erasme. Vgl. Krause, Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, Nr. 534, S. 599-601, hier: S. 601. Vgl. Krause, Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, Nr. 500, S. 564f., hier: S. 564. Vgl. Allen II, Nr. 328, S. 62-65, hier: S. 62, Z. 1f. (datiert auf 17. April 1515); ebd., S. 64, Z. 47f.: Von den 1800 Exemplaren des ‚Encomium Moriae‘ seien nur noch sechshundert übrig. Daher werde sofort ein Nachdruck unternommen. Vgl. Allen II, Nr. 330, S. 65f., hier: Z. 1-5 (datiert auf 30. April 1515). Allen II, Nr. 328, hier: S. 63, Z. 36f. Vgl. Krause, Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, Nr. 491, S. 555f., hier: S. 555 und Anm. 4. Ebd., Nr. 507, S. 580f. (datiert auf 19. Juli 1515). So hat Reuchlin etwa auch die ‚Naenia‘ gelesen und gerühmt, worüber sich Erasmus sehr erfreut zeigte. Vgl. dazu Allen II, Nr. 471, S. 350f., hier: S. 350, Z. 6-8.

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ran, dass nach Aussage des Crotus Rubeanus Hermann von dem Busche und Johannes Reuchlin geradezu verstummt seien vor der Beredsamkeit und der geschliffenen Ausdrucksweise des Erasmus bei ihrem Zusammentreffen im Jahr zuvor.933 Dass dies auch Monate nach der Begegnung noch für Gesprächsstoff sorgte, verdeutlicht, in welchem Maße Erasmus in aller Munde war – zumindest der lateinfähigen Teilöffentlichkeit. Dass dies nicht nur für den humanistischen Bereich galt, sondern ebenso für die theologischen Verdienste des Erasmus, wird greifbar in der bereits erwähnten Formulierung eines instaurator theologiae934 durch Mutianus. Im Übrigen war dies keine singuläre Einschätzung: So betonte Johannes Murmellius in einem Brief an Johannes Bugenhagen, dass es in Fragen der Formulierungsgabe und der Auslegung griechischer Bücher keinen Besseren gebe als Erasmus.935 Der Humanist Erasmus wurde offensichtlich von anderen Humanisten verehrt, der Theologe Erasmus von anderen Theologen. Deutlich werden daran nicht nur die Anerkennung und Wertschätzung des Erasmus durch Fachleute, sondern auch die autoritative Stellung, die er in der Teilöffentlichkeit der Gelehrten und Lateinkundigen einnahm. Vor diesem Hintergrund ist es auch keine Ausnahme mehr, wenn Zasius ihn etwa als doctrinarum decus936, als Zierde der Wissenschaften, anschrieb. Zugleich nannte er ihn auch den dreifach größten Helden, der mit Leichtigkeit alle anderen Gelehrten Deutschlands mit seinen Latein- und Griechischkenntnissen überrage. Selbst Lukian könne sich nicht mit Erasmus messen und die ‚Adagia‘ seien ein unvergleichbares Werk. Alle Gelehrten bewundern Erasmus, so Zasius.937 – Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Rotterdamer bereits wieder in Basel, korrespondierte jedoch mit Personen, die weit über die Grenzen des Reichs hinaus lebten. Wenngleich dies in der res publica litera-

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Ebd., Nr. 533, S. 597-599, hier: S. 599 (datiert auf 11. Juni 1515). Ebd., Nr. 534, S. 599-601, hier: S. 601 (datiert vermutlich auf den 13. Juni 1515 und adressiert an Johann Lang). Vgl. Vogt, Dr. Johannes Bugenhagens Briefwechsel, Nr. 2, S. 4-6, hier: S. 6 (datiert auf 1. September 1515): Scribendi autem charactere et eloquentia graecorumque interpretatione librorum Erasmus Roterodamensis – et hic non contemnendus theologus – cedit nemini. Allen II, Nr. 344, S. 122f., hier: S. 122, Z. 2 (datiert auf 9. August 1515). Ebd., S. 122, Z. 7-9: Salve igitur, Desyderi Erasme, ter maxime heros, facundiae Graecarum Latinarumque litterarum omnium Germaniae procerum facile princeps […]; S. 123, Z. 18-20: Lucianus ille rhetor et sophista celeberrimus, si vivat, ex pari tecum congredi nolit, ita tuis eum disertissimis urges declamationibus […]; ebd., Z. 26-32; ebd., Z. 40-42: Tantum dico dignum te esse quem unum docti omnes admirentur, in quem celebrationis omne genus ipso quod dicitur horreo congerant.

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ria nichts Besonderes und im überlieferten Briefwechsel des Erasmus bereits seit Jahren zu beobachten war, erreichte er spätestens 1515 doch eine neue Ebene: Bis in die höchsten Kreise vor allem des Klerus unterhielt Erasmus nun Kontakte. Am 15. Mai 1515 sandte er einen Brief an Raffaelle Riario, der nicht nur Neffe des vorigen Papstes Sixtus VI., sondern bereits seit 1477 selbst Kardinal war. (Percy S. Allen beschreibt ihn als einen der einflussreichsten Prälaten in Rom, der aussichtsreichster Gegenkandidat bei der Papstwahl 1513 gewesen sei.938) Am gleichen Tag adressierte Erasmus auch ein Schreiben an Domenico Grimani, der zuvor Patriarch von Aquileja und als Literatenmäzen bekannt war.939 Keine Woche später wandte sich Erasmus sogar an Papst Leo X. mit der Bitte, ihm seine Hieronymus-Ausgabe widmen zu dürfen,940 der ihm im Folgemonat dankbar antwortete.941 Das Ansehen des Erasmus wird besonders deutlich in Formulierungen derartiger Persönlichkeiten: Selbst Leo X. fühlte sich geehrt, von einem nicht gewöhnlichen Mann, wie er es ausdrückte, kontaktiert zu werden, sondern von jemandem, der über höchste Gelehrsamkeit und summa eloquentia verfüge.942 Mit diesem Brief versandte der Papst zugleich ein Schreiben an Heinrich VIII., in dem er ihm Erasmus als einen der führenden Köpfe in Wissenschaft und Literatur empfahl.943 Nicht dass er darum gebeten worden sei, sondern er selbst habe ein Interesse daran, dass Erasmus großzügige Behandlung erführe, wenn er einmal der Gunst, der Protektion und des Unterhalts bedürfe.944 – Sowohl mit Riario als auch mit Heinrich VIII. und Giovanni de‘ Medici (Leo X.) hatte Erasmus bereits vor Jahren bei seinen Aufenthalten in England und Italien Kontakte geschlossen.945 Dieser war aber über die Jahre weitgehend erlahmt. Erasmus war indes allen noch ein Begriff, aber es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie ihm ausschließlich aufgrund früheren Kontaktes freundlich begegneten. Ausschlaggebend waren wohl eher seine Verdienste und seine mannig938 939 940 941 942

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Vgl. Allen II, Nr. 333, S. 68-73, bes. die Briefeinleitung (S. 69). Vgl. Allen II, Nr. 334, S. 73-79, bes. die Briefeinleitung (S. 73). Vgl. Allen II, Nr. 335, S. 79-90. Vgl. Allen II, Nr. 338, S. 114f. Ebd., S. 114, Z. 4-8: Hoc etiam erant ambo illustriora, quod non a quovis homine, sed a viro doctissimo et nobis probatissim, quem et in minoribus cognovimus, illa nobis accidebat gratulatio, quam summa scribentis fides et summa eloquentia commendaret. Vgl. Allen II, Nr. 338, S. 114f.; Nr. 339, S. 116f., hier bes. Z. 10-16. Ebd., Nr. 339, S. 116f., Z. 21-28. So etwa im Brief Leos X. an Heinrich VIII. (ebd., Z. 13-16): notum quidem nobis et domestico congressu antea cum in minoribus essemus, sed deinde longe magis ex eis ingenii monumentis quae litteris mandavit, non notum solum verum etiam maxime probatum.

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fach unter Beweis gestellte Gelehrsamkeit – wie es auch im Brief Leos X. an Heinrich VIII. zum Ausdruck kommt. Bildung und Fähigkeiten des Erasmus waren zu diesem Zeitpunkt schon länger nicht nur in der res publica literaria bekannt, sondern auch in den höchsten weltlichen und kirchlichen Kreisen. Dass man auch öffentlich von dem Schreiben Leos X. an den englischen König wusste, wird daran deutlich, dass dies noch Ende des Jahres in zeitgenössischen Korrespondenzen Erwähnung fand. Rhenanus, wenngleich er in engem Kontakt zu Erasmus stand, machte dies in einer Dedikationsepistel und damit wohl einem größeren Personenkreis als lediglich dem Adressaten bekannt.946 Die Bewunderung, die ihm entgegengebracht wurde, machte weder vor sozialen noch regionalen Grenzen Halt. In diesem Punkt ist eine Einschätzung Johannes Kierhers, eines wie Rhenanus aus Schlettstadt stammenden Humanisten, treffend, auch wenn er sie im Konjunktiv verfasst hat: Alle, so Kierher, sollen Erasmus einstimmig loben, besingen und öffentlich verkündigen. Schließlich sei er eine einzigartige Zierde der schönen Künste.947 – In ähnlicher Qualität wurde zunehmend die Gelehrsamkeit des Erasmus in Briefen thematisiert, wobei die Formulierungen durchaus variierten: Erasmus verdiene aufgrund seiner einzigartigen Fähigkeiten in beiderlei Sprachen, dem Lateinischen und dem Griechischen, die Siegespalme, so Michael Hummelberg gegenüber Rhenanus.948 Ulrich Zasius sprach Erasmus als amplissime heros an und verlieh seiner Überzeugung Ausdruck, weder in Deutschland noch in Italien gebe es jemanden, der ihm vergleichbar sei. Aufgrund dieser Wortwahl verwundert es auch nicht mehr, dass sich Zasius in seinem Brief von der decus litterarum und dem litteratorum princeps verabschiedete.949 Willibald Pirckheimer hob hervor, dass Erasmus ihm keinen größeren Gefallen tun könne, als in eine gemeinsame freundschaftliche Beziehung zu treten und diese

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Vgl. Horawitz / Hartfelder, Nr. 54, S. 80f. (datiert auf 31. Dezember 1515), hier: S. 80: Nam cum Frobenius istuc me exemplum esse missurum intellexisset, quin istum Brevem, inquit, Pontificis et alterum item, quo Britanniae regi commendavit Erasmum […]. Vgl. Allen II, Nr. 355, S. 144-146 (datiert auf 16. September 1515), hier: S. 144, Z. 810: omnes uno ore Erasmum laudent, loquantur, praedicent, unum vere doctum, unum modestum dulcemque convivam dictitantes; ebd., S. 145, Z. 47f.: Vale, unicum bonarum literarum decus, et Kierheri ausus boni consule. Vgl. auch die Briefanrede (ebd., S. 144, Z. 1): Erasme doctissime iuxta et disertissime […]. Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 52, S. 78f., hier: S. 79 (datiert auf 16. September 1515): Ipse igitur Erasmus unus est, cui utriusque linguae palmarium suo iure debeatur […]. Vgl. Allen II, Nr. 357, S. 146f., hier: Z. 1, 5-9, 27f. (datiert auf 21. September 1515).

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aufrechtzuerhalten.950 Dass dies für ihn eine unvergleichbare Ehre und Auszeichnung darstellte, begründete er damit, dass er in Erasmus den Erneuerer der lateinischen Sprache, den Offenbarer der wiedergeborenen freien Künste und die einzigartige Zierde Deutschlands sah.951 Dass Eramus in seinem Antwortschreiben Pirckheimer auf ähnliche Weise – als praecipuum rei litterariae decus952 – qualifizierte, lässt jedoch am Wert dieser Aussagen zweifeln. Das scheint nicht berechtigt zu sein. Handelte es sich um allgemein übliche Floskeln, mit denen sich Humanisten gegenseitig schmückten, müssten sie in erasmischen Briefen häufiger zu beobachten sein.953 Natürlich sind humanistische Korrespondenzen bekannt für ihre lobenden und überaus anerkennenden Worte gegenüber dem Adressaten; sowohl Qualität als auch Quantität der Ehrbezeugungen, mit denen Erasmus belehnt wird, sind allerdings einzigartig. Fast kein Brief lässt sich seit 1514 in der überlieferten Korrespondenz finden, der nicht in diesem Stil an Erasmus gerichtet ist. Im Übrigen handelt es sich bei dem hier genannten Brief an Pirckheimer auch um eine geringere Qualität der Aussage, wenn man genau hinsieht: Er wurde nämlich als praecipuum decus bezeichnet – als außerordentliche Zierde oder als Person, die eine führende Rolle einnimmt. Erasmus hingegen wurde fast in jedem Brief als unicus – als einzigartig im Sinne von unvergleichbar – angeredet. Die Einzigartigkeit kommt daneben durch die Briefwechsel, die Erasmus etwa mit den römischen Kardinälen unterhielt, zum Ausdruck oder der Empfehlung durch den Papst. Einsatz für Erasmus konnte aber auch Verteidigung bedeuten, was ebenfalls Kennzeichen seiner Berühmtheit ist. So ergriff Morus in einem langen Brief an Martin van Dorp Position für Erasmus, der seinerseits kurz zuvor ausführlich alle Bedenken der Löwener Theo-

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Kurz nach Juli 1515 wandte sich Pirckheimer neuerlich an Rhenanus, um ihm für seine Vermittlung bei der Kontaktaufnahme zu Erasmus zu danken. Vgl. dazu Reicke, Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 364, S. 560f., hier: S. 560. Vgl. Allen II, Nr. 359, S. 148f., hier: Z. 15-17; 26f. (datiert auf 1. Oktober 1515): Vale, Latinae linguae instaurator, bonarum litterarum reserator ac unicum Germanie decus. Allen II, Nr. 362, S. 151f., hier: S. 152, Z. 35 (datiert auf 16. Oktober 1515). Dass dies jedoch nicht der Fall ist, wird bereits an zwei Beispielen deutlich: Im Oktober 1515 beschrieb er Zasius als herausragenden Professor, als Herrn und unvergleichlichen Freund (vgl. Allen II, Nr. 366, S. 158, hier: Z. 13f.). Peter Gilles wurde in einem Brief vom September 1515 als amicorum optime verabschiedet, wobei hier der Elativ, nicht der Superlativ übersetzt werden müsste, sähe Erasmus doch sonst in zahlreichen Personen seinen besten Freund (ebd., Nr. 356, S. 146, hier: Z. 14f.).

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logen gegenüber dem Vorhaben, das Neue Testament zu überarbeiten und herauszubringen, zu beseitigen gesucht hatte. Diese waren aufgrund des ‚Encomium Moriae‘ entstanden, wobei die größte Kritik aus Löwen kam. (Auch dies muss seinen Platz im Berühmtwerden des Erasmus finden, da öffentliche Schelte einerseits Indiz für einen nicht unbedeutenden Autor ist, andererseits aber dessen Berühmtheit je nach Grad und Ausmaß der Kritik zusätzlich steigert.) Morus verteidigte Erasmus in der Art, dass er zunächst die Bedeutung des Erasmus hervorhob, denn schließlich sei er durch Schriften oder Hörensagen allen bekannt und werde von allen bewundert.954 Außerdem hätten Oxford wie auch Cambridge Erasmus ins Herz geschlossen.955 (Natürlich wollte er dadurch Dorp einschüchtern und Erasmus vor derartiger Kritik schützen.956) Im gleichen Monat wurden die ‚Epistolae obscurorum virorum‘ – von deutschen Humanisten in barbarischem Latein verfasst – veröffentlicht957, die die meist scholastisch geprägten Gegner Reuchlins der Lächerlichkeit preisgaben. Die öffentliche Bedeutung des Erasmus kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass er kurz nach Erscheinen der Briefe bereits ein Exemplar aus Hagenau erhielt. Dabei wollte Wolfgang Angst, der Absender, natürlich nicht in erster Linie Erasmus nur eine Freude machen.958 Bietenholz geht da-

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Vgl. Rogers, The Correspondence of Sir Thomas More, Nr. 15, S. 27-74 (datiert auf 21. Oktober 1515), hier: S. 29, Z. 38-40: Apud hos de Erasmo et de te item sermonem ingenero: illum ex litteris ac fama, te vero etiam alias noverant.; S. 36, Z. 217f.: Tantum abest ut Erasmus, cuius et ingenium et doctrinam mirantur omnes, futurus sit in disputando omnibus prorsus Dialecticis, […]. Vgl. auch Roland Crahay, Les censeurs louvanistes d’Érasme, in: Joseph Coppens (Hrsg.), Scrinium Erasmianum, Bd. 1, Leiden 1969, S. 221-249. Ebd., S. 38, Z. 271-273: Iam Oxonia Cantabrigiaque tam charum habent Erasmum, quam habere debent eum, qui in utraque diu cum ingente scholasticorum fruge, nec minore sua laude versatus est. Auch Erasmus hatte sich mit einem Verteidigungsbrief an Dorp gewandt und darin deutlich sein Programm dargelegt: In jeder Schrift wolle er dasselbe erreichen, nur eben die Präsentation im ‚Encomium Moriae‘ war eine mehr als ungewöhnliche; im ‚Enchiridion‘ habe er die Hauptlinien des christlichen Lebens herausgearbeitet; in der ‚Institutio Principis Christiani‘ habe er Methoden aufgezeigt, einen christlichen Fürsten zu erziehen, und die gleichen Absichten habe er auch im ‚Encomium Moriae‘ verfolgt – nur eben auf humoristische, satirische Weise. Vgl. Allen II, Nr. 337, S. 90-114, hier: S. 93, Z. 86-94 (datiert auf Ende Mai 1515). Vgl. Aloys Bömer (Hrsg.), Epistolae obscurorum virorum; Fidel Rädle, Die Epistolae obscurorum virorum, in: Boockmann (Hrsg.), Kirche und Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich, S. 103-115. Vgl. auch Kühlmann (Hrsg.), Reuchlins Freunde und Gegner. Kommunikative Konstellationen eines frühneuzeitlichen Medienereignisses. Vgl. Allen II, Nr. 363, S. 152f. (datiert auf 19. Oktober 1515).

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

von aus, dass die Dunkelmännerbriefe vor allem Resultat der Zusammenarbeit zwischen Angst, Hutten und Crotus Rubeanus waren.959 Es ist daher leicht anzunehmen, dass er beabsichtigte, Erasmus ebenfalls zu einer öffentlich sichtbaren Parteinahme zu animieren. Dies wurde unter Umständen auch ohne Rücksicht auf die Zustimmung des Erasmus erzielt, indem dieser sowohl in der zweiten Ausgabe von 1516 als auch der dritten von 1517 namentlich als Unterstützer Reuchlins angeführt wurde. „Er sei, sagt dort [in der Ausgabe 1516] ein Kaufmann, ‚ein Mensch für sich‘ (‚Erasmus est homo pro se‘). Er halte sich von allen Parteiungen fern. Er habe aber Reuchlin verteidigt, ‚auch in einem Brief an den Papst‘.“960 Auch dies ist ein eindeutiger Beleg für die Berühmtheit des Erasmus, auf dessen Beistand bei geringerer Bedeutung ohne weiteres hätte verzichtet werden können. Doch dies ist keineswegs der Fall, wie auch Formulierungen in den Briefen belegen: Er könne seine Bewunderung gegenüber Erasmus, das summum Germaniae decus, nicht in Worte fassen, schrieb Johannes Caesarius am 3. Dezember 1515 aus Köln.961 Ebenfalls als Germaniae lumen et decus bezeichnete Zasius ihn am 16. Dezember und nannte ihn daneben heros meus.962 Nur zehn Tage später brachte er im nächsten Brief mit litterarii orbis lumen eine nur leicht variierte Formulierung.963 Dass auch die früheren sowie im Vergleich zu prominenten Titeln weniger bekannten Schriften des Erasmus gelesen wurden, ist spätestens für das Jahr 1516 mehrfach zu beobachten und unterstreicht die Berühmtheit des Erasmus, was nicht zuletzt auch die Quantität der überlieferten Korrespondenz belegt.964 So behauptete Basellius, nichts sei ihm angenehmer als die Lektüre

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Vgl. Peter G. Bietenholz, Art. Wolfgang Angst of Kaysersberg, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 1, S. 58f., hier: S. 58. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 80. Vgl. Allen II, Nr. 374, S. 172-174, hier: S. 173, Z. 1-7; S. 174, Z. 40f. Vgl. Allen II, Nr. 376, S. 175f., hier: S. 175, Z. 1; S. 176, Z. 24. Erasmus antwortete auf diese Formulierungen, indem er betonte, Zasius übertreibe das Lob und in diesem Maße stünde es ihm keinesfalls zu. Natürlich ist dies als Bescheidenheitstopos zu werten. Vgl. Allen II, Nr. 379, S. 177f., hier: S. 178, Z. 8f. Vgl. Allen II, Nr. 380, S. 178f., hier: S. 178, Z. 1. Ähnlich belobigende Worte sind in steigender Intensität auch für das Jahr 1516 nachweisbar: So forderte Mutianus Rufus Urban auf, ihm zweimal zehn Gulden zukommen zu lassen, um zwei Herren die ‚Bibliothecula‘ des Erasmus zu finanzieren (vgl. Krause, Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, Nr. 616, S. 641). Im Februar 1516 schrieb Nikolaus Basellius Erasmus als omnium doctissimorum doctissim[us] an und bezeichnete ihn als den Gelehrtesten aller Deutschen (vgl. Allen II, Nr. 391, S. 201-204, hier: S. 202, Z.1f., 14f.). Vgl. die Auswertung des Briefwechsel, S. 172-177 dieser Arbeit.

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der erasmischen ‚Lucubrationes‘.965 Erasmus scheine gar Demosthenes, Isocrates und anderen gleichzukommen und aufgrund seines Verdienstes, die lateinische Sprache auch im Reich grundlegend gereinigt und erneuert zu haben, sei es nicht verwunderlich, dass alle Bibliotheken Erasmus, das Germaniae decus, feierten.966 In diese Hochstimmung hinein fiel im Februar 1516 die Veröffentlichung des zunächst unter dem Titel ‚Novum Instrumentum‘ von Erasmus erarbeiteten Neuen Testaments.967 Die Bedeutung des Erasmus wurde nicht nur durch die Ausgabe gemehrt, sondern auch durch das freudige Einverständnis des Papstes, sie ihm zueignen zu dürfen.968 Das Vorwort zu der bei Froben erschienenen Erstausgabe stammte von Oekolampad, der darin auch gegenüber der vermutlich überwiegend theologischen, nicht rein humanistischen Leserschaft Erasmus als Zierde der Wissenschaften bezeichnete und ihn damit auch unter Theologen zu einer herausragenden Autorität erhob.969 Mit dieser Ausgabe, die „von einer intensiven Pressekampagne begleitet“970 war, traf Erasmus das Interesse der theologischen Forschung, die sich in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts intensiv auf Überar-

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Die Erstausgabe war bereits 1503 in Antwerpen erschienen (vgl. Allen XII, S. 25). Vgl. Allen II, Nr. 391, hier: S. 202f., Z. 28-30; S. 203, Z. 34-43, 46-50, 53. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 81: „Der eigentliche Text des Neuen Testaments wird zweisprachig, griechisch und lateinisch, in zwei nebeneinander gedruckten Kolumnen wiedergegeben. […] Die darauf folgenden Erläuterungen (‚annotationes‘) zum Textteil hatten fast den gleichen Umfang wie der Text selbst. Das ‚Novum Instrumentum‘ war vom Titel wie von seiner Anlage her eigentlich ein ‚Arbeitsbuch‘.“ Das Besondere und Neue dieses Textes war, dass es Erasmus als erstem gelungen war, einen vollständigen griechischen Text des Neuen Testaments aus verschiedenen Handschriften herzustellen. Heinz Holeczek (Der Humanist Erasmus, S. 20) nannte diese Veröffentlichung das große „Ereignis, welches das Urteil über den biblischen Humanismus des Erasmus und seinen Beitrag zur Reform der Theologie und der Kirche weiterhin bestimmte[.]“ Schulte Herbrüggen, (S. 147), sah die besondere Tat des Erasmus darin, der „weltweit ungeduldig wartenden Christenheit den kritisch geprüften griechischen „Archetypus“ des NT im Druck zugänglich gemacht zu haben“. Peter Schenk (Erasmus von Rotterdam, S. 394) hat die Ansicht vertreten, Erasmus sei durch die Veröffentlichung des Neuen Testaments „endgültig zu einer Autorität der theologischen Wissenschaft und damit zum führenden Intellektuellen in Europa“ geworden. Vgl. Allen II, Nr. 384, S. 181-187 (datiert auf 1. Februar 1516). Vgl. Staehelin, Briefe und Akten zum Leben Oekolampads, Bd. 1, Nr. 21, S. 26-28, hier: S. 26: Quamquam Erasmus noster, literarum omnium decus ac delitiae pro insigni modestia sua in hoc opere praeter minutias et merendam, nihil exhibiturum se alicubi praefatus sit […]. Augustijn, Erasmus von Rotterdam, S. 84.

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beitungen des Vulgatatextes konzentrierte.971 Wenngleich in der Eile, der polyglotten Ausgabe in Alcalá zuvorzukommen,972 nicht die besten Handschriften Berücksichtigung gefunden hatten und Erasmus bereits 1519 eine überarbeitete Fassung herausgab,973 gab es eine breite Zustimmung zu seinem Bibeltext: „Die Exemplare würden in London begierig gekauft und gelesen, berichtete Colet, und Bischof Fisher schrieb aus Rochester an Erasmus, er schulde ihm großen Dank. Hermann von Neuenahr berichtete aus Köln, die Ausgabe werde von allen Menschen guten Willens geschätzt. Begeistert war die Reaktion des Pariser Humanisten Guillaume Budé. […] Er habe den halben Sonntag damit verbracht, um in den Einführungstexten der ‚Paraclesis‘ und der ‚Apologia‘ zu lesen.“974

Ein vergleichbarer Erfolg war insbesondere der ‚Paraclesis‘ auch in den Volkssprachen in der weiteren Entwicklung des 16. Jahrhunderts vergönnt: In deutscher Sprache erschienen 16 verschiedene Ausgaben, in englischer sogar 18. Dabei handelte es sich um jenen erasmischen Titel, der sowohl am häufigsten in volkssprachlicher Übersetzung erschien als auch eine nahezu gleich starke volkssprachliche Rezeption im Reich und in England erfuhr.975 Da die deutschsprachigen Übersetzungen fast ausnahmslos in den Jahren 1520/21 erschienen, die englischsprachigen zu einem Großteil 1533-35 ist von einem tagesaktuellen Schrifttum auszugehen.976 Nicht von ungefähr wurde das erasmische Plädoyer für eine gesellschaftlich flächendeckende religiöse Bildung insbesondere in jenen Jahren der volkssprachlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht, in denen auf Reichsebene nach Moellers Ansicht der „Höhepunkt sowohl in Luthers literarischer Produktion als auch in deren Erfolg“977 zu sehen ist. Für Situation in England ist vor allem auf die Bannandrohung des Erzbischofs von Canterbury sowie

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In diesem Zusammenhang sei nur erinnert an die Psalmenausgaben von Reuchlin und Faber Stapulensis, die lateinische Bibel Luthers von 1529 sowie die ‚Biblia Sacra‘ des Andreas Osiander. Vgl. Augustijn, Erasmus von Rotterdam, S. 83; Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S., 82. Dies wurde ebenfalls bei Froben in Basel erstellt. Verbesserte Auflagen folgten in den Jahren 1522 und 1527. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 82. Vgl. die Auswertung der Übersetzungen erasmischer Schriften im 16. Jahrhundert, S. 207-212 dieser Arbeit. Vgl. Galle, Katalog deutschsprachiger Übersetzungen erasmischer Texte im 16. Jahrhundert, S. 186-188, sowie ders., Katalog deutschsprachiger Übersetzungen erasmischer Texte im 16. Jahrhundert, S. 194. Moeller, Das Berühmtwerden Luthers, S. 86.

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den ‚Act of Supremacy‘ hinzuweisen. Was das deutsche Beispiel betrifft, so avancierte Erasmus offensichtlich ungewollt als ‚Trittbrettfahrer‘ Luthers zu einer noch größeren Berühmtheit als er es ohnehin schon war. – Es wäre allerdings verfehlt, davon auszugehen, dass sich die unmittelbar nach Erscheinen geäußerte Kritik lediglich in der Gelehrtenwelt und ausschließlich in lateinischer Sprache abspielte. Natürlich waren die namentlich bekannten Gegner des erasmischen NT Größen in der Gelehrtenwelt.978 Hauptkritikpunkt war für sie die Abkehr des Erasmus vom „scholastischen Traditionalismus, der jede Veränderung an überkommenen Texten der ‚Vulgata‘ ablehnte. […] Damit wurde er zugleich eine Zielscheibe ständiger theologischer Kritik.“979 Daher war es von ihren Standpunkten aus nicht zu dulden, dass Erasmus in seiner Ausgabe auch Änderungen am Vaterunser und dem Magnificat vorgenommen hatte. Diese beiden letztgenannten Umarbeitungen wurden vor allem auch außerhalb der Gelehrtenwelt kritisiert. Prediger hoben dies mehrfach in ihren Kanzelreden hervor und zwar so intensiv, dass Erasmus bald schon darüber klagte,980 wurde er doch auch als der Antichrist in Person bezeichnet.981 Wie häufig und in welcher Breite seine Ausgabe des NT in Predigten thematisiert wurde, ist kaum zu beantworten, aber es lässt sich resümieren, dass er sich damit auch als Theologe in der Gelehrtenwelt etabliert hatte und in der volkssprachlichen Öffentlichkeit sein Name weitere Verbreitung fand. Ob diese Verbreitung für ihn eher positiv oder negativ war, ist ebenfalls nur schwer zu entscheiden.982 In jedem Fall aber förderte dies das Be-

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Insbesondere wurde laute Kritik geäußert von Jacobus Latomus, der in Löwen tätig war, vom Engländer Edward Lee und vom Spanier Diego López Zúñiga, der Mitarbeiter der complutensischen Polyglotte in Alcalá war. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 83. Vgl. Allen II, Nr. 541, S. 487-492, bes. S. 490, Z. 82-86 (datiert vermutl. auf 26. Februar 1517; adressiert an Wolfgang Fabricius Capito): Nuper hic quidam apud plebem in sacra scilicet concione lachrymabili voce deploravit actum esse de divinis literis ac theologis qui hactenus fidem Christianam suis humeris fulsissent, posteaquam extitissent qui sacrosanctum Evangelium atque adeo ipsam orationem Dominicam emendarent; […]. Vgl. auch Allen III, Nr. 948, S. 540-548, bes. S. 544f., Z. 104-135 (datiert auf 22. April 1519; addressiert an Petrus Mosellanus). Ebd., S. 545, Z. 136-140. Belegbar ist jedoch, dass sich seine Anhänger und Bewunderer auch für seine theologischen Verdienste einsetzten. So mißbilligte Wimpfeling in einem Vorwort, gerichtet an die Leser der Traktate des Nikolaus von Dinkelsbühl, den Brauch der meisten Mönche, ihren theologischen Schriften scholastische Erörterungen beizufügen. Ausdrücklich berief er sich dabei auf Lorenzo Valla und Erasmus (vgl. Herding / Mertins, Jakob Wimpfeling, Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 328, S. 811-813, hier: S. 812).

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rühmtwerden des Erasmus in verschiedenen Teilöffentlichkeiten und gereichte seiner weiteren Entwicklung nicht zum Schaden. Erasmus, der im Juni und Juli nach Antwerpen, Brüssel und St. Omer gereist war, befand sich im August zu einem erneuten Kurzaufenthalt in England. Während dieser Reise war der wohl wichtigste Kontakt, den er schließen konnte, derjenige zum Großkanzler von Burgund, Jean Le Sauvage. Dieser ernannte ihn sogar zum Rat,983 doch scheint Ribhegge recht in der Annahme zu gehen, wenn er darin mehr einen Titel denn eine Funktion sieht. So waren damit auch keine regelmäßigen Einkünfte verbunden.984 Entscheidender ist jedoch, dass Le Sauvage mit diesem Schritt offensichtlich Erasmus an den burgundischen Hof binden wollte,985 da es augenscheinlich – selbst für höchste Beamte – prestigeträchtig war, Erasmus nicht nur zu ehren, sondern als Autorität, die er zu diesem Zeitpunkt zweifellos war, für sich gewinnen zu können. Dass Le Sauvage daran vieles setzte, wird deutlich in seinem Brief vom 8. Juli 1516, in dem er Erasmus eine Präbende in Courtrai in Aussicht stellte.986 Dafür war allerdings ein päpstlicher Dispens erforderlich, der ihn von seinen Ordenspflichten entband und den Erasmus im August von London aus bei Leo X. beantragte.987 Zwar hielt sich Erasmus – nach einem Brief vom 27. August 1516 aus Calais zu schließen – wieder auf dem Kontinent und in den Folgemonaten im burgundischen Herrschaftsgebiet auf, doch forderte Leo X. in seinem Antwortschreiben von Anfang 1517,988 dass die Entbindung von den Ordensgelübden in London stattfinden solle. Aus diesem Grunde weilte Erasmus zumindest im April in England,989 um sich spätestens ab Juli zu einem vierjährigen Aufenthalt in Löwen

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Vgl. Allen I, Nr. 1, hier: S. 51, Z. 129-133: Illic decreverat reliquum aetatis peragere; verum ubi ne tum quidem praestarentur promissa, subduxit se in Brabantiam, invitatus in aulam Caroli nunc Caesaris, cui consiliarius factus est opera Ioannis Silvagii, Cancellarii magni. Caetara sunt tibi nota. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 83. Ebd. Vgl. Allen II, Nr. 436, S. 276f. Vgl. auch Allen II, Nr. 460, S. 338f. (datiert auf 3. September 1516). Hier (S. 338, Z. 1-7) drückte Rhenanus seine große Freude darüber aus, dass der Großkanzler solch eine immense Unterstützung leiste. James D. Tracy (Erasmus. The Growth of a Mind, S. 129) bezeichnete Le Sauvage als den größten Beschützer des Erasmus zu diesem Zeitpunkt und schließt sich damit an Allen, Allen II, Nr. 301, S. 5-7, hier: S. 6, Z. 35-38 (Erasmus an Mountjoy, datiert auf 30. August 1514) an. Vgl. Allen II, Nr. 446, S. 288-291. Vgl. Allen II, Nr. 517, S. 433-436; Nr. 518, S. 436f., Nr. 519, S. 438. Vgl. Allen II, Nr. 577, S. 553.

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niederzulassen.990 Lediglich in benachbarte Städte sowie zu einem Kurzaufenthalt nach Basel reiste er, hielt sich ansonsten jedoch auf Bitten Le Sauvages meist in der Nähe des burgundischen Hofes auf. Die spätestens seit dem ‚Novum Instrumentum‘ in allen Teilöffentlichkeiten – wenngleich natürlich unterschiedlich stark – vorauszusetzende Berühmtheit des Erasmus wusste er für weitere Veröffentlichungen zu nutzen. Für das Jahr 1516, bevor er also die Dispens erhielt, sind die Werke des Hieronymus sowie die ‚Institutio principis christiani‘ und die ‚Querela pacis‘991 von besonderer Bedeutung. Die Ausgabe des Kirchenvaters Hieronymus verband das bereits seit Jahren bekannte philologische Geschick des Erasmus mit seinem Anspruch, auch als angesehener Theologe betrachtet zu werden. Was die Bedeutung des Textes für Erasmus betrifft, so kommt dies eindrücklich in einem Brief Wimpfelings zum Ausdruck, in dem er dem Adressaten Werner von Bärenfels riet, anstatt Kriegsdienst zu leisten lieber Cicero, Hieronymus und Erasmus zu lesen.992 Das Widmungsschreiben der Ausgabe ist auf den 1. April 1516 datiert,993 das Werk wurde aber erst im Herbst veröffentlicht.994 Geehrt wurde damit William Warham, der Erzbischof von Cambridge, dem Erasmus einiges an Förderung zu verdanken hatte.995 Wenn er zuvor seine Veröffentli-

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Vgl. Allen III, Nr. 596 (datiert auf ca. 10. Juli 1517, adressiert vermutl. an Warham). Vgl. dazu Otto Herding, Querela Pacis. Stil und Komposition, in: Academie Royale Neerlandaise des sciences et des sciences humaines (Hrsg.), Actes du Congres Erasme, S. 69-87. Vgl. Herding / Mertens, Jakob Wimpfeling. Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 326, S. 807f., hier: S. 808. Über den Adressat, der gelegentlich mit dem lateinisierten Namen Wernher[us] de Ursirupe (ebd., S. 807) erscheint, lässt sich nicht mehr sagen als auch schon Herding / Mertens (ebd., Anm. 1) angegeben haben: „Werner IV. von Bärenfels, † 9.I.1541.“ Vgl. Allen II, Nr. 396, S. 210-221. Eine überarbeitete Ausgabe folgte in den Jahren zwischen 1524 und 1526 und wurde ebenfalls von Froben in Basel erstellt (vgl. dazu u.a. Allen VI, Nr. 282, 284, 392). 1533 druckte sie auch der Pariser Drucker Chevallon nach (vgl. Allen X, Nr. 83, 123f.). Gegenüber Reuchlin erklärte Erasmus in einem Brief vom 27. August 1516, dass ihm Warham sehr zugetan sei, habe ihm Geld zukommen lassen wollen und ihm bei seiner Abreise ein Pferd sowie einen vergoldeten Ring geschenkt. Papst Leo X. habe ihn gar dem englischen König empfohlen und auch Herzog Karl habe ihm ein Geschenk zukommen lassen. Die meisten Bewunderer, so Erasmus, habe ihm seine Ausgabe des Neuen Testaments beschert und immer noch habe er in England die meisten Förderer. Vgl. dazu: Allen II, Nr. 457, S. 330f., hier: S. 331, Z. 30-33, 40-51. Der Brief stellt das Antwortschreiben des Erasmus dar auf Allen II, Nr. 418, S. 249f. (datiert auf 5. Juni 1516). Hier hatte Reuchlin die Werke des Erasmus ein wieder-

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chungen zumeist höheren Klerikern, angesehenen Humanisten und einflussreichen Beamten in der Absicht zugeeignet hatte, (finanzielle) Gegenleistungen zu erhalten, so war Erasmus spätestens seit 1514 in der Position, dass er diese Unterstützungen seinerseits erwidern konnte: Die erlangte Berühmtheit steigerte den durch eine Widmung öffentlich demonstrierten Dank enorm durch die Ehre, die den Adressaten zuteil wurde. Er war nicht mehr der nur in einer Teilöffentlichkeit bekannte Humanist, sondern der ‚Gelehrteste des Zeitalters‘, der angesehenste Humanist und der beinahe ähnlich geschätzte Theologe Erasmus, der durch derartige Widmungen (wie auch schon an Leo X.) ein enormes Maß an Dank für frühere Protektion zurückgeben konnte. Doch konnte er auch selbst noch davon profitieren, da er nun seine Beziehungen zu angesehenen Persönlichkeiten einem noch breiteren Publikum deutlich machen konnte. Dies ist etwa im Fall der ‚Institutio principis christiani‘ zu beobachten, die er Herzog Karl von Burgund, dem späteren Kaiser Karl V., zueignete.996 Auch die Beteuerungen des Erasmus, er habe das Widmungsschreiben in seiner Eigenschaft als burgundischer Rat verfasst,997 können nicht darüber hinwegtäuschen, dass er weiterhin strategisch die Adressaten seiner Publikationen auswählte, um auch jetzt noch davon profitieren zu können. Die Kritiken am ‚Encomium Moriae‘, durch das er einem größeren Publikum bekannt wurde, noch mehr aber die Kritiken an seiner NTAusgabe, das eine noch größere Beachtung fand, hatten ihm schließlich verdeutlicht, dass auch seine Berühmtheit der Protektion bedürfe. Die öffentliche Demonstration seines Netzwerks und seiner Kontakte bis in die höchsten Kreise von Kirche und weltlicher Herrschaft waren nun vermutlich noch wichtiger als zuvor.998 Beide Bereiche thematisierte Erasmus in gewisser Weise auch in seiner ‚Institutio‘, indem er Ratschläge für die Erziehung eines Fürsten auf Grundlage des christlichen Glaubens gab. Vergleichbar den Fürstenspiegeln des

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holtes Mal gerühmt und offenbart, dass er ihn aufgrund seiner Begabungen beneide (ebd., S. 249, Z. 1-4, 14-21). Vgl. Allen II, Nr. 393, S. 205-208 (datiert auf März 1516). Vgl. Allen I, Nr. 1, hier: S. 19, Z. 24-33. Dass diese Kontakte auch tatsächlich öffentlich bekannt waren, zeigt schon allein, dass Paul Gereander in einem Brief an Reuchlin im Juni 1516 eigens hervorhob, dass Kardinal Grimani Erasmus auf das Höchste gelobt habe (vgl. Geiger, Johann Reuchlins Briefwechsel, Nr. CCXX, S. 250). Dass Erasmus es nicht nur bei der Erlaubnis der Widmungen beließ, wird daran deutlich, dass er Anfang August bereits Leo X. gegenüber erklärte, das Neue Testament, das ihm gewidmet wurde, sei gerade von den gelehrtesten Männern für sehr gut befunden worden, insbesondere vom Baseler Bischof (vgl. Allen II, Nr. 446, S. 288-291, bes. S. 290, Z. 53-59).

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Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, allen voran dem Werk Niccolò Machiavellis, versuchte auch Erasmus, Einfluss auf die Politik seiner Zeit zu nehmen. Ribhegge scheint in diesem Zusammenhang zu Recht eine deutliche Verwandtschaft zur ‚Utopia‘ des Thomas Morus zu sehen, die im gleichen Jahr erschien. „In beiden Schriften findet eine erstaunliche kritische Auseinandersetzung mit der Feudalität der bestehenden Gesellschaft Europas statt.“999 Erasmus gelang es in seinem Werk auf einzigartige Weise, Kritik zu üben, ohne die Fürsten der Zeit anzugreifen oder deren Herrschaftsweise gänzlich in Frage zu stellen.1000 Daher verwundert es auch nicht, dass dieser Text unter den ersten erasmischen Titeln war, die in die deutsche Sprache übersetzt wurden.1001 Auch überrascht angesichts dieser drei bedeutenden Werke des Jahres 15161002 – des ‚Novum Instrumentum‘, der Hieronymus-Ausgabe1003 sowie der ‚Institutio principis christiani‘ – der Umfang der überlieferten Korrespondenz des Folgejahres nicht mehr. Dazu beigetragen hat aber sicher auch die im Jahr 1517 bei Froben veröffentlichte ‚Querela pacis‘1004, die wie auch die ‚Institutio‘ des Vorjahres von Le Sauvage bei Erasmus in Auftrag gegeben worden war. Der Anlass für die ‚Querela‘ war durch die Friedensverhandlungen zwischen Kaiser Maximilian I., König Franz I. und Herzog Karl von Burgund gegeben. Wie Erasmus es bereits im Falle der personifizierten Torheit im ‚Encomium Moriae‘ umgesetzt hatte, sprach er in der ‚Klage des Friedens‘ nun durch Eirene, die Göttin des Friedens. Er forderte darin einen Waf-

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Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S 84. Bereits im Juli 1518 folgte ebenfalls bei Froben ein Nachdruck dieses Titels. Vgl. dazu den Brief an Le Sauvage, der Erasmus im Übrigen überhaupt zur Erstellung der ‚Institutio‘ bewegt hatte, bei Allen III, Nr. 853 (datiert auf 15. Juli 1518). Für das 16. Jahrhundert sind drei verschiedene, deutschsprachige Ausgaben belegt: 1521, Augsburg; 1521, Zürich; 1566, Frankfurt am Main (vgl. dazu: Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 16f., Nr. 8-10). In englischer Sprache erschien nachweislich nur eine Übersetzung, nämlich im Jahr 1550 (vgl. dazu: Devereux, Renaissance English Translations of Erasmus, S. 130). Zu einem nicht geringen Teil hat Erasmus die Drucklegungen dieser drei umfangreichen Werke Beatus Rhenanus zu verdanken. Nicht umsonst schrieb dieser am 21. Februar 1516 an Bonifatius Amerbach, dass er jeden Tag für Erasmus aufopfere (vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 57, S. 82f., hier: S. 83). Dass die Ausgabe der Kirchenväter nicht gering zu veranschlagen ist neben den anderen beiden großen Veröffentlichungen, wird u.a. daran deutlich, dass gerade hier Ausdruck und Wortwahl des Erasmus besonders bewundert wurden. Vgl. z.B. den Brief des Mutianus Rufus an Johann Lang aus dem Jahr 1517 (vgl. Krause, Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, Nr. 549, S. 616-618). Vgl. dazu Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 91-95.

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fenstillstand sowie ein Ende gewalttätiger Auseinandersetzungen im christlichen Abendland und „sprach das gebildete Publikum der christlichen Gesellschaft Europas an.“1005 Bereits im folgenden Jahr druckte Martens in Löwen eine neue Ausgabe.1006 Für den Erfolg der ‚Querela‘ spricht auch, dass sie unter den ersten erasmischen Titeln war, die in die deutsche Volkssprache übertragen wurden: Für 1521 sind zwei Quartausgaben, erschienen in Augsburg und Zürich, nachweisbar. Die erste englischsprachige Ausgabe wurde offensichtlich erst 1559 veröffentlicht.1007 Mit insgesamt 232 erhaltenen und versandten Briefen ist der Höhepunkt zumindest des ausgewählten, 35 Jahre umfassenden Zeitraums erreicht. Überraschend ist nicht, dass die an Erasmus adressierten Briefe ähnlich wie auch schon zuvor seine Leistungen in den höchsten Tönen loben. So erklärte Ulrich Zwingli, dass ihn die Einzigartigkeit der erasmischen Bildung geradezu erschrecke, sei sie doch umfangreicher als der Erdkreis. Außerdem sei Erasmus doch jener Zeitgenosse, der sich am meisten Lorbeer durch seine Schriftstudien und die Bereinigung der heiligen Schriften erworben habe.1008 Keine Ausnahme, sondern geradezu symptomatisch für das Ansehen des Rotterdamers ist das Geständnis des Heinrich Glareanus, dass ihm

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Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 92. Zu beiden Ausgaben, die 1517 bei Froben sowie 1518 bei Martens erschienen, vgl. Allen III, Nr. 604, S. 16f., hier: S. 17, Anm. zu Z. 10; V, S. 420; VIII, S. 213. Vgl. Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 17f., Nr. 11f.; Devereux, Renaissance English Translations of Erasmus, S. 179f., Allen I, S. 19; III, S. 14. Vgl. Allen II, Nr. 401, S. 225f. (datiert auf 29. April 1516), hier: S. 225, Z. 1-4; S. 226, Z. 24f. Ähnliche Formulierungen sind auch in anderen Briefen zu beobachten: Zasius bezeichnete Erasmus als magnus heros und seinen patronus (vgl. Allen II, Nr. 390, S. 201, hier: Z. 1, 8). Gegenüber Paul Gereander bezeichnete Melanchthon ihn als optimus maximus literarum praeses (vgl. Scheible, Melanchthons Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 7, S. 45-51, hier: S. 49). Bruno Amerbach schrieb Erasmus als doctissime Erasme und als bonarum literarum Aesculapi[us] an (vgl. Allen II, Nr. 464, S. 343f., hier: S. 343, Z. 1; S. 344, Z. 22). Zahlreich sind die Fälle, in denen Erasmus als herausragende Person, seine Eigenschaften und Begabungen als einzigartig hervorgehoben werden. Rhenanus betonte gegenüber Lukas Edenberg, niemand sei mit Erasmus vergleichbar (vgl. Horawitz / Hartfelder, Nr. 62, S. 89f., hier: S. 89). Reuchlin fragte in einem Brief an Nikolaus Ellenbog, ob es jemanden gebe, der nicht das liebe, was Erasmus schreibe (vgl. Geiger, Johann Reuchlins Briefwechsel, Nr. CCXXXI, S. 263f.). Ellenbog bezeichnete Erasmus in seinem Antwortschreiben als den Gelehrtesten (ebd., Nr. CCXXXII, S. 264f., hier: S. 264). Joachim Vadian gestand zwar gegenüber Reuchlin, dass sich im Streit mit Pfefferkorn zahlreiche herausragende Männer für ihn eingesetzt hätten, der liebste von ihnen sei ihm aber Erasmus (ebd., Nr. CCXXIX, S. 261f., hier: S. 262).

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nichts lieber sei als Erasmus. Gleich, was seine Beschäftigung sei, stets habe er Erasmus vor Augen. Selbst wenn er esse oder schlafe, sei Erasmus, den er als meum sydus und meum decus bezeichnete, dabei.1009 Erasmus war – und das beweisen nicht nur die Korrespondenzen – ein großes Gesprächsthema. Die Formulierung, Erasmus sei in aller Munde gewesen, wäre jedoch nicht zutreffend, da diejenigen Teilöffentlichkeiten, die nicht über die nötigen Lesefähigkeiten verfügten, nur vereinzelt und auf anderen Kommunikationswegen von ihm, seinen Texten und den Diskussionen über ausgewählte Titel erfahren konnten. In den Briefwechseln seiner Zeitgenossen wurde hingegen häufig über ihn geschrieben.1010 Dabei kann der Eindruck gewonnen werden, als sei er in zunehmendem Maße auch Gesprächsgegenstand unter Theologen – vor allem denjenigen, die zu Reformatoren avancieren würden. Christoph von Scheurl setzte Spalatin davon in Kenntnis, dass einige äußerst interessante und lesenswerte Texte des Erasmus in Umlauf seien. Aus dem Oeuvre ragten vor allem das ‚Encomium Moriae‘ sowie einige griechische Schriften heraus.1011 – Interessant ist, dass Scheurl den gleichen Hinweis knapp ein halbes Jahr später auch Jodocus Trutvetter gab.1012 Offensichtlich hatte er noch weitere Titel des Erasmus mit Begier gelesen, denn kurz darauf bezeichnete er Erasmus 1009

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Vgl. Allen II, Nr. 463, S. 341-343 (datiert auf 5. September 1516), hier: S. 341, Z. 1-4, 13-16; S. 343, Z. 78f. Dies belegen vor allem Beispiele, in denen nicht nur seine Veröffentlichungen, sondern auch seine Lebensumstände thematisiert wurden, kommt darin doch ein Interesse zum Ausdruck, das über den Inhalt seiner Schriften hinausgeht. So berichtete Justus Jonas in einem Brief an Melchior von Aachen von Entbindung des Erasmus von seinen Ordenspflichten (vgl. Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas, Nr. 11, S. 9f.). Geradezu euphorisch schrieb Johannes Caesarius an Reuchlin, er habe einen Brief des Erasmus erhalten (vgl. Geiger, Johann Reuchlins Briefwechsel, Nr. CCXLIV, S. 278-280, hier: S. 279f.). In einer auf den 23. Februar 1518 datierten Dedikationsepistel, die Rhenanus für Pirckheimer verfasst hatte, verglich er diesen durch Aufzählung mehrerer Attribute mit Erasmus. Zwar blieb Erasmus dabei im wahrsten Sinne das Maß aller Dinge, doch allein die Nebeneinanderstellung bedeutete für Pirckheimer eine herausragende Ehre (vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 72, S. 102-104, hier: S. 102). In einer weiteren Dedikationsepistel, deren Adressat diesmal Michael Hummelberg war, sprach Rhenanus von Erasmus als dem Beschützer der Theologie und der Artes (ebd., Nr. 78, S. 119f., hier: S. 119). Gegenüber Kurfürst Friedrich von Sachsen betonte Reuchlin, Erasmus überrage alle anderen in seinen Fertigkeiten der lateinischen Sprache (vgl. Geiger, Johann Reuchlins Briefwechsel, Nr. CCLXV, S. 303f., hier: S. 303). Vgl. von Soden / Knaake, Christoph Scheurl’s Briefbuch, Nr. 126, S. 13f., hier: S. 13. Ebd., Nr. 145, S. 28f., hier: S. 29.

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gegenüber Johann Eck als den deutschen Cicero.1013 Auch Martin Luther schrieb in ähnlicher Begeisterung über Erasmus: In einem Brief vom 6. Mai 1517 an Georg Spalatin bezeichnete er den Herausgeber des ‚Novum Instrumentum‘ als Erasmus eruditissimus.1014 Wie es die (graphische) Auswertung des Briefwechsels verdeutlicht hat, nahm offensichtlich auch die Euphorie um Erasmus zu, was nur an zwei Beispielen verdeutlicht werden soll: In einem Brief vom 22. März 1517 wandte sich Rhenanus von Basel aus an den im Burgundischen weilenden Erasmus und berichtete, dass viele Personen ihn aufsuchten, die zuvor Erasmus am Hofe Herzog Karls gesehen hätten. Ein jeder von ihnen berichte, mit welch außergewöhnlicher Zuneigung Erasmus von Karl behandelt werde, wie die wichtigsten Beamten zu ihm aufblickten und die übrigen Hofmitglieder ihn verehrten. Alle, die derartiges erzählten, kämen mit Texten beladen wieder zurück. Rhenanus wiederholte, dass die Studenten Erasmus liebten, und er selbst sich frage, ob Erasmus und Rudolph Agricola mehr mit Cicero, mehr mit Lysias oder doch mehr mit Demosthenes vergleichbar seien.1015 Dass Erasmus in diesem Brief mit den antiken Rhetoren ver-

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Ebd., Nr. 155, S. 39f., hier: S. 39. Vgl. WA. Briefe, Bd. 1, Nr. 39, S. 96f., hier: S. 96, Z. 10-12. In ähnlicher Weise sind die Urteile über Erasmus auch für die Jahre 1518/19 gehalten. Einige kurze Beispiele mögen dies verdeutlichen: Justus Jonas stellte ihn als Perle des Jahrhunderts vor (9. November 1518 an Melchior von Aachen, vgl. Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas, Nr. 19, S. 16f., hier: S. 16). Eobanus Hessus sprach von Erasm[us] amabil[is] und hob dessen geistige Größe hervor (18. November 1518 an Justus Jonas, Kawerau, a.a.O., Nr. 20, S. 17f., hier: S. 17). In einem weiteren Brief an Jonas konstatierte er auch, dass Erasmus alle anderen überrage (9. Januar 1519; ebd., Nr. 21, S. 18f., hier: S. 19). Das Interesse an Biographie und Situation des Erasmus kommt nicht zuletzt auch in der Lektüre seines ‚Compendium‘ zum Ausdruck (so Rhenanus an Zwingli, 13. Februar 1519, vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 88, S. 136 bzw. Egli, Zwinglis Briefwechsel, Nr. 59, S. 136f., hier: S. 137, bes. Anm. 7f.). Zwingli wiederum berichtete Rhenanus davon, dass Oswald Myconius das ‚Compendium‘ gleich mehrmals gelesen habe (Egli, a.a.O., Nr. 60, S. 138f., hier: S. 139). Der Dominikaner Johann Faber sah den Stil des Erasmus als prachtvoll an (vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 89, S. 137 ). Mutianus Rufus drückte seinen Eindruck aus, Justus Jonas eifere für Erasmus (vgl. Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas, Nr. 23, S. 20f., hier: S. 21). Johannes Grolierius bezeichnete Erasmus als den Führer der Wissenschaften (vgl. Horawirtz / Hartfelder, a.a.O., Nr. 92, S. 139f., hier: S. 140), Ambrosius Yphofer nannte ihn unicum literarum asylum (ebd., Nr. 102, S. 149 ) und Luther wandte sich mit der Bitte um Freundschaft an ihn (vgl. Allen III, Nr. 933, S. 516-519, bes. S. 518, Z. 11-17). Vgl. Allen II, Nr. 556, S. 511f., hier: S. 511, Z. 5-9; S. 512, Z. 34-36.

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glichen oder von den ihn umgebenden Personen hoch geschätzt wurde, war nichts Außergewöhnliches mehr. Neu war hingegen, dass man offensichtlich eine lange, teilweise mehrere Tage dauernde Reise auf sich nahm, um Erasmus mit eigenen Augen sehen zu können. Der Eindruck findet seine Bestätigung darin, dass auch andere Personen gleiches berichteten und geradezu von einem Kult gesprochen werden kann, der in diesen Jahren derartige Formen annahm, dass demjenigen Ehre und beruflicher Erfolg zuteil wurde, der einen an sich adressierten Brief des Erasmus vorweisen konnte.1016 Nicht nur für Helius Eobanus Hessus bestand der größte Ruhm darin, Erasmus treffen zu dürfen;1017 Ende 1518 setzten regelrechte Pilgerreisen zu Erasmus ein.1018 So schreibt Hermann Wiegand mit Blick auf die Reise des Eobanus Hessus zu Erasmus: „Während der Anlaß der Reise ist, Erasmus für den Erfurter Humanistenkreis zu gewinnen […], ist in dem poetischen Bericht Eoban Hesses über diese Reise [– gemeint ist das ‚Hodoeporicon a profectione ad Desiderium Erasmum Roterodamum‘ –] davon kaum etwas zu spüren. Im Zentrum seiner Reiseerfahrung steht durchaus die persönliche Begegnung mit dem Humanistenfürsten.“1019

Hessus widmete die Schrift Justus Jonas wegen dessen Verehrung für Erasmus1020 und verglich den Herausgeber des ‚Novum Instrumen-

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Vgl. Vredeveld, The poetic works of Helius Eobanus Hessus, S. 44: Quod si quis ab Erasmo epistolam ad se elicere forte posset, illa vero ingens haberi gloria et hic praeclarus triumphus agi. Ebd.: Si autem accederet veluti cumulus colloquii et congressus Erasmici et ut ad eum alicui aditus pateret, tum demum sibi in terris is, cui hoc contigerat, beatus videri. Ebd., S. 48: Tum autem honorifici tunc fuere sermones Eobani de Erasmo, tam plena praedicatio, tanta amplificatio virtutis illius, ut nullius non animus cupiditate visendi Erasmum incenderentur, quidam etiam ut commoverentur ad idem iter statim ingrediendum et proficiscendum eo usque ubi convenire possent Erasmum […]. Etiam Ioannes Draco Francus ad Erasmum tum profectus fuit, qui et ipse multis et variis difficultatibus exercitatus pietate et constantia celebre nomen consecutus est, cum litterarum et artium bonarum scientia iam tum cederet nemini. Noch 1520 beglückwünschte Justus Jonas in einem Brief Draco zu seiner Reise zu Erasmus und bat ihn um ausführliche Beschreibung der Erlebnisse (vgl. Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas, Nr. 43, S. 47). Hermann Wiegand, Hodoeporica. Studien zur neulateinischen Reisedichtung des deutschen Kulturraums im 16. Jahrhundert, Baden-Baden 1984 (Saecula Spiritalia, Band 12), S. 58. – Über diese Schrift findet sich auch ein späteres Urteil, in dem es heißt (ebd., S. 61): „Ohne Zweifel hat er mit Rücksicht auf den großen Erasmus, den man nicht bloß als den gelehrtesten, sondern auch als den frömmsten Mann der Zeit pries, etwas des Guten zu viel getan.“ Der Besuch des Hessus bei Erasmus findet auch Erwähnung bei Ribhegge (Kontakte und Kontroversen, S. 120). Ebd.

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tum‘ mit dem neutestamentlichen Paulus, woran „die Wichtigkeit der Erasmus-Begegnung für Hesse“1021 deutlich wird.1022 – Sogar aus Italien reisten begeisterte Erasmus–Anhänger an: „Die ersten Bildungswallfahrer aus Italien suchen Erasmus auf und zeichnen bei ihrer Rückkehr ein Portrait des Humanisten, das deutlich hagiographische Züge aufweist.“1023 Als zweites Indiz für die Erasmus-Euphorie sind die weiterhin anhaltenden Begrüßungszeremonien und Festlichkeiten in jenen Städten anzuführen, die Erasmus auf seinen Reisen durchzog. In einem Brief vom 6. Oktober 1518 schrieb Adolf Eichholtz,1024 der in Köln, Bologna und Orléans die Rechte studiert hatte und Anfang 1518 wieder nach Köln zurückkehrt war, dass er bereits schon lange, bevor Erasmus seine Reise angetreten hatte, für einen gebührenden Empfang Sorge getragen habe. Offensichtlich ließ sich der Stadtrat nicht lange bitten, sondern verteilte öffentlich Wein unter das Volk – entsprechend der Pracht seines Ranges und seiner Berühmtheit.1025 Vor diesem Hintergrund darf das Bedauern des Erasmus, manche Theologen seien ihm gegenüber sehr voreingenommen in ihrer Kritik, nicht zu stark bewertet werden.1026 Schließlich beruhigte Rhenanus ihn damit, dass sich die Leser regelrecht um seine Ausgabe des NT scharten und man ständig neue Texte aus seiner Feder erwarte.1027 Zwar klagte Erasmus auch

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Wiegand, Hodoeporica, S. 62. Die Reisen zu Erasmus wurden nicht allein aus Interesse oder Neugierde angetreten, sondern mehrten auch das Ansehen des Reisenden, war die Aufnahme von Strapazen doch auch Kennzeichen für Kultiviertheit, Bildung und elitären Anspruch. Außerdem konnte sich der Reisende darauf verlassen, dass sein Besuch bei Erasmus für Gespräche sorgte. So informierte z.B. auch Valentin Tschudi in einem Brief vom 9. Juni 1519 Zwingli darüber, dass Wilhelm Nesen im März eigens zu einem kurzen Besuch bei Erasmus nach Löwen aufgebrochen war (vgl. Egli, Zwinglis Briefwechsel, Nr. 84, S. 185f., hier: S. 185 und Anm. 3). Silvana Seidel Menchi, Erasmus als Ketzer. Reformation und Inquisition im Italien des 16. Jahrhunderts, Leiden / New York / Köln 1993 (Studies in Medieval and Reformation Thought XLIX), S. 22. Vgl. dazu: Peter G. Bietenholz / Ilse Guenther, Art. Adolf Eichholtz, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 1, S. 426. Vgl. Allen III, Nr. 866, S. 390-392, hier: S. 391, Z. 28-33, bes. Z. 30-32: Iam etiam longe antea disposueram quod senatus Agrippinensis publice vinum propinasset pro tui status ac honorum magnificentia […]. Hinzu kommen hier die beinahe schon üblichen Ehrbezeugungen wie Erasme, virorum omnium literatissime (S. 390, Z. 1) und Vale, tocius literarii orbis maximum famigeratissimumque decus, imprimis vero tocius Germanie splendor et gloria (S. 392, Z. 40-42). Vgl. Allen II, Nr. 732 (datiert auf 6. Dezember 1517). Vgl. dazu: Allen II, Nr. 575, S. 549-552 (datiert auf 24. April 1517), bes. S. 549f., Z. 25; Nr. 581, S. 557f. (datiert auf 10. Mai 1517), bes. S. 558, Z. 21-26: Paraphrasis apostol-

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knapp zwölf Monate später wiederum über die negative Sicht seiner Schriften unter manchen Theologen1028 und Scheurl etwa beobachtete auch, dass Johann Eck nicht selten lautstark Kritik übte,1029 doch überwogen die positiven Rückmeldungen bei weitem.1030 Warum hätte Johann Faber sonst in seinen an den Konstanzer Bischof gewidmeten Deklamationen behauptet, Erasmus habe die Theologie wieder aufleben lassen?1031 Aus welchem Grund hätte Scheurl anderenfalls im Februar 1519 Eck aufgrund seiner Kritik an Erasmus in aller Deutlichkeit klarmachen wollen, dass er sich Hass und Missgunst aller Erasmianer, aller Reuchlinisten, aller begabten Studenten und verständigen Theologen einhandele?1032 Auch Ende 1519 konstatierte Caspar Hedio immer noch vor allem aus Löwen stammende Tadel an Erasmus.1033 – Mit Blick in die Quellen kann jedoch nur der Eindruck gewonnen wer-

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icarum epistolarum tua cupidissime expectatur: sed et De componendis epistolis opus et Antibarbaros, nec non Copiam retextam et auctam, omnes desyderant studiosi. Vgl. Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas, Nr. 18, S. 16 (datiert auf 17. Oktober 1518). Dies warf er Eck auch persönlich vor. Vgl. von Soden / Knaake, Christoph Scheurl’s Briefbuch, Nr. 177, S. 61f., hier: S. 61. Dass Melanchthon gegenüber Bernhard Maurus die Vorteile der ‚Adagia‘ hervorhob und seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, dass derjenige die Jugendlichen zu Höherem führe, der sie mit Hilfe der ‚Adagia‘ unterrichte, ist nur ein Beispiel für die zahlreichen hervorragenden Urteile über erasmische Texte. Vgl. dazu: Scheible, Melanchthons Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 40, S. 99-103, hier: S. 103. Ähnlich ist auch das Lob einzuordnen, das Johann Alexander gegenüber Konrad Peutinger zum Ausdruck brachte, wobei hier allerdings der Titel nicht klar auszumachen ist (vgl. König, Konrad Peutingers Briefwechsel, Nr. 197, S. 312-316, hier: S. 313, Anm. 3): „Gemeint ist entweder des Erasmus ‚Ad ill. princ. Philippum, Austriae ducem, Maxim. caes. filium, de triumphali profectione Hispaniensi deque felici in patriam reditu Panegyricus‘, der 1505 bei Jod. Badius Ascensius in Paris erschienen ist, oder die Klage des Erasmus über den frühen Tod Philipps des Schönen in seinem an Hieronymus Busleiden gerichteten Widmungsbriefe zum Supplement seiner Lukianausgabe von 1506 […].“ Zum Absender des Briefes vgl. Ilse Guenther, Art. Johannes Alexander Brassicanus, in: Contemporaries of Erasmus, Bd.1, S. 191f. Vgl. Staehelin, Briefe und Akten zum Leben Oekolampads, Bd. 1, Nr. 58, S. 89f., hier: S. 89: Magnus ille Erasmus, vir longe doctissimus, quantus quantus est, theologiae vere a mortuis resuscitandę incumbit et tot suis vigiliis multo utilissimis multa passim preclara ingenia, quae alioqui corrumperentur, ad verę theologiae studium deviis relictis ceu classico evocat, quo pio conatu tantum profęcit (nullo invidentium oblatratu a pulcherrima provincia deterritus), ut iam resipiscat mundus et sacras literas non e qualibuscunque lacunis, sed ipsis fontibus petere incipiat. Vgl. von Soden / Knaake, Christoph Scheurl’s Briefbuch, Nr. 192, S. 82-84, hier: S. 82. Vgl. Egli, Zwinglis Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 107, S. 236-239, hier: S. 238, Z. 7-10, Anm. 8.

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den, dass die negative Kritik gering war im Vergleich zu den Lobesworten, mit denen er belehnt wurde. Außerdem war die Einschätzung des Paschasius Berselius vom 17. September 1517 keine Momentaufnahme und kein Einzelfall, sondern hätte ebenso in den nächsten zwei Jahren andauernd geäußert werden können: Berselius, der zwischen 1518 und 1520 Student in Löwen und wohl auch Korrektor in der dort ansässigen Offizin des Dirk Martens war,1034 hob nochmal eigens hervor, dass Erasmus von den angesehensten Bischöfen, den besten Königen und den gelehrtesten Professoren verehrt und gerühmt werde. Für ihn werde das der schönste Tag sein, an dem er einen Brief von Erasmus erhalte. Nichts werde ihm angenehmer sein, als dass die Bücher des Erasmus endlich in Löwen einträfen.1035 Es besteht keinerlei Zweifel, dass Erasmus die unangefochtene Autorität war und er schon länger nicht mehr als bloßer Humanist, sondern gleichermaßen auch als Theologe geschätzt wurde.1036 Daher ist

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Vgl. dazu: J. Hoyoux, Art. Paschasius Berselius, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 1, S. 140. Vgl. Allen III, Nr. 674, S. 95-97 (datiert auf 17. September 1517), hier: S. 97, Z. 37-42. Erasmus galt ihm als litterarum et litteratorum decus (ebd., Z. 46). Dies wird aus verschiedenen Quellenbelegen deutlich, von denen hier nur eine unkommentierte Auswahl geboten werden soll. Zwingli wandte sich am 24. April 1519 an Rhenanus, um ein Exemplar des erasmischen NT zu erbitten (vgl. Egli, Zwinglis Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 73, S. 162f., hier: S. 162). Aufgrund früherer Äußerungen Zwinglis und der kurz darauf folgenden Bitte um Zusendung des von Erasmus arrangierten Dialogs Lukians (datiert auf 7. Juni 1519; ebenfalls adressiert an Rhenanus; vgl. Egli, a.a.O., Nr. 82, S. 181f., hier: S. 181) ist auszuschließen, dass er mit Skepsis und Kritik an die Lektüre ging. Selbst der scharfe Kritiker Martin van Dorp bezeichnete Erasmus in einem Brief gegenüber Rhenanus vom 3. August 1519 noch als den Führer der Bildung (vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 121, S. 169). Vor dem Hintergrund seiner mehrmaligen und heftigen Kritik ist diese Einschätzung besonders aussagekräftig für das Ansehen des Erasmus, da offensichtlich jedes andere, leicht kritische Wort über Erasmus nicht mehr ernst genommen worden wäre. Untermauert wird dies von den Aussagen des Justus Jonas, Erasmus sei für ihn der Führer der christlichen Welt (1519, adressiert an Johann Lang, vgl. Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas, Nr. 30, S. 30f., hier: S. 31) sowie der Vergleich des Erasmus mit der Helligkeit und Strahlkraft eines Sterns (1519, adressiert an Johannes Draco; ebd., Nr. 31, S. 31f., hier: S. 32). Die gleichrangige Würdigung der Verdienste des Erasmus auf humanistischem wie theologischem Gebiet hob Eobanus Hessus beispielsweise in einer Rede anlässlich des Rektorats des Justus Jonas hervor: Niemand, so Hessus, könne sich mit Erasmus messen; er habe die theologischen Wahrheiten ans Licht geholt. Hessus schloss daran noch explizit ein Lob auf das ‚Enchiridion militis christiani‘ an (ebd., Nr. 34, S. 35-40, hier: S. 40). Ähnlich thematisierte auch Mutianus Rufus den Dualismus von Humanismus und Theologie im Wirken des Erasmus, als er ihn gegenüber Rhena-

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es auch nicht stilistisch, sondern wortgetreu aufzufassen, wenn Erasmus am 30. Mai 1519 gegenüber Luther betonte, dass ihm sämtliche Bischöfe gewogen seien.1037 Doch für Frühjahr und Sommer 1519 ist eine Veränderung zu beobachten, die sich in der quantitativen Auswertung seiner Korrespondenz zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt vermuten lässt. Seit dem Jahr 1517, das allerdings auch mit Abstand den höchsten Wert an (überlieferten) Briefen aufweist, nehmen diese zunächst bis 1521 kontinuierlich ab. Dies beweist jedoch weder einen Bedeutungsverlust des Erasmus, noch lässt es von einer abnehmenden Berühmtheit sprechen. Doch fällt bei genauerem Hinsehen auf, dass die an Erasmus adressierten Briefe ganz deutlich an Anzahl von Jahr zu Jahr geringer werden, während die von ihm versandten Schreiben quantitativ wesentlich langsamer sinken. Mit anderen Worten: Die zahlreichen Kontaktaufnahmen mit Erasmus lassen deutlich nach, er selbst aber verfasst unwesentlich weniger Briefe. Die Interpretation dieser Entwicklung muss wohl folgendermaßen sein: Wenn etwa Justus Jonas Anfang August 1519 – und dieser Brief ist kein Einzelfall – an Petrus Mosellanus und Johann Lang schrieb, er bete zu Christus, dass Mosellanus Ähnliches wie Erasmus erreichen möge,1038 so spricht dies weiterhin für die führende Rolle des Erasmus in der Gelehrtenwelt. Die sich spätestens ab Mitte 1519 verändernde Situation für Erasmus wird ebenfalls in einem Brief des Justus Jonas deutlich, den dieser ungefähr zwei Wochen früher an Lang gesandt hatte: Er konstatierte darin, dass Erasmus die Kirche neu geordnet habe, aber seine Lehre drohe, zerstört zu werden.1039 Auch diese Äußerung ist kein Einzelfall und stellt keine übertriebene Besorgnis eines überzeugten ErasmusAnhängers dar. Dieses Beispiel muss vielmehr als ein Indiz dafür gewertet werden, wie das Tagesgeschehen den kurz zuvor noch ganz

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nus als theologischen Führer und einzigartigen Stilisten darstellte. Daher vergehe auch kein Tag, merkte Mutianus an, an dem er nicht irgendeinen erasmischen Text lese (vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 77, S. 118f., hier: S. 119). Auch bereits seit Jahren gebräuchliche Formulierungen, die Erasmus zu charakterisieren und seine Fähigkeiten hervorzuheben suchen, sind weiterhin zu beobachten: Albert Burer bezeichnete ihn als ille orbis terrarum doctissimus (datiert auf 10. November 1519; adressiert an Rhenanus; Horawitz / Hartfelder, a.a.O., Nr. 129, S. 181-183, hier: S. 182) und Caspar Hedio vertrat die Ansicht, Erasmus verfüge über einen allmächtigen oder allumfassenden Geist (datiert auf 21. November 1519; adressiert an Zwingli, vgl. Egli, Zwinglis Breifwechsel, Bd. 1, Nr. 102, S. 225-227, hier: S: 226). Vgl. Allen III, Nr. 980, S. 605-607, hier: S. 605f., Z. 28f. Vgl. Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas, Nr. 28, S. 28f., hier: S. 29. Vgl. Kawerau, a.a.O., Nr. 27, S. 27f., hier: S. 28.

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deutlich zu beobachtenden Kult um Erasmus überlagerte. Im Jahr zuvor hatte Luther den ‚Sermon von Ablaß und Gnade‘ veröffentlicht und damit auch auf volkssprachlicher Ebene seine Kritik am Ablasswesen, die er zuvor schon in den 95 Thesen geäußert hatte, einer breiten Öffentlichkeit dargelegt. Dass die Diskussionen um Luther, um die Kritik an der Kirche und deren Zukunft im Mittelpunkt der Informationen und des tagesaktuellen Interesses standen, verdeutlichen die Zahlen der publizierten Lutherschriften sowie die Auflagestärken jener Texte, die ebenfalls über Ablasskritik hinausgingen und in aller Breite die Missstände in der Kirche anmahnten. – Dennoch kann man aufgrund dieser Entwicklung nicht von einem Bedeutungsverlust des Erasmus ausgehen. Sehr passend ist wohl das Bild, dass er sich fortan mit Luther die Bühne teilen musste. Schließlich ist es ja nicht so, dass die Wallfahrten zu Erasmus und die europaweite Verehrung im gleichen Moment abbrachen. Im Übrigen waren die öffentlichen Diskussionen um Luthers Bestrebungen zunächst größtenteils noch auf das Reich beschränkt, Erasmus aber eine in sämtlichen europäischen Ländern gefeierte Größe. Für den deutschsprachigen Raum lässt sich daher die Entwicklung folgendermaßen interpretieren: Bleibt man bei dem Bild der zwei Protagonisten, so ist dies einerseits als Kennzeichen für das unvergleichlich rasante Berühmtwerden Luthers zu bewerten, der zwei Jahre zuvor als Theologieprofessor wohl kaum über die Stadtgrenzen Wittenbergs hinaus bekannt war. Mitte des Jahres 1519 war er aber bereits das vordringliche Thema in der deutschsprachigen Öffentlichkeit. Vor dem Hintergrund des in dieser Zeit andauernden Erasmus-Kultes belegt dies nicht nur die brennende Sorge der Bevölkerung um die Zukunft der Kirche oder die Macht der Medien, die bereits in dieser frühesten Phase der Reformation sichtbar wurde und der nach Wahl der Volkssprache offensichtlich nichts entgegenzusetzen war; es belegt zudem den Grad der Berühmtheit, der mit dem des Erasmus zumindest im Reich durchaus vergleichbar ist und in wesentlich kürzerer Zeit zustande kam. Andererseits macht diese Entwicklung aber auch die Berühmtheit des Erasmus in den deutschsprachigen Reichsteilen deutlich: Gemessen an den Inhalten, die seit 1517, spätestens seit 1518 fast ausnahmslos die gesamte Öffentlichkeit bestimmten, wurden offensichtlich nur noch die von Luther und anderen geäußerten Kritiken an der Kirche sowie die Fragen um deren Zukunft thematisiert. (Auflagestärken und Vergleiche von Publikationen, die nach unterschiedlichen Inhalten ausgewertet wurden, machen dies unwiderlegbar deutlich.) Dass diese alles überlagernde Thematik Erasmus nicht gänzlich von der Bühne verdrängte, spricht für sein überragendes Ansehen und seine Autorität. Daneben wurde

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er auch häufig zu den reformatorischen Entwicklungen kontaktiert, was seine Anerkennung als Theologen erneut unterstreicht. Er konnte aber auch davon profitieren, dass er als ebenbürtiger Humanist gleichsam ein zweites Standbein besaß – und die öffentliche Meinung war davon augenscheinlich auch überzeugt, so dass seine Berühmtheit keinen Schaden nahm. Es fällt in diesem Zusammenhang nochmal die unterschiedliche Macht der Sprachwahl auf: Wenngleich es schwierig ist, die Berühmtheit unterschiedlicher Personen zu vergleichen, so drängt sich doch der Verdacht auf, dass das schnelle Berühmtwerden Luthers und seiner Thesen nicht nur den Zeitgeist traf, sondern vor allem auf die recht frühe Wahl der Volkssprache für seine Publikationen zurückzuführen ist. Nicht belegbar, aber höchst wahrscheinlich ist, dass Luther daher auch einer wesentlich größeren Öffentlichkeit bekannt war als Erasmus, obwohl dieser bereits seit Jahren gefeiert wurde. Für eine schätzungsweise gleichrangige Berühmtheit beider seit spätestens 1519 lassen sich zahlreiche Quellenbelege anführen. Es genügt an dieser Stelle ein aussagekräftiges Beispiel, das sich in einem Brief des Petrus Mosellanus an Johann Lang findet: Er konstatierte darin, dass der Würzburger Bischof alle Gelehrten gleichermaßen fördere – ausgenommen Erasmus und Luther. Diese beiden unterstütze er deutlich über das übliche Maß hinaus.1040 Dennoch ist mit Blick auf die Situation des Erasmus eine Parallelentwicklung zu beobachten: Neben den bereits für frühere Jahre belegbaren Ehrbezeugungen, die 1519 und 1520 noch zunahmen und Erasmus geradezu divinisierten,1041 schei-

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Vgl. Staehelin, Briefe und Akten zum Leben Oekolampads, Nr. 68, S. 104-106, hier: S. 105 (datiert auf 26. Dezember 1519). So sprach Justus Jonas in einer Vorrede zu einer Ausgabe des paulinischen Briefes an die Gemeinde in Korinth gar wörtlich vom Erasmus divinitus (vgl. Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas, Nr. 35, S. 40-42, hier: S. 40). Am 10. Januar 1520 drückte Rhenanus gegenüber Zwingli die Überzeugung aus, Leo X. scheine Erasmus nicht gebührend zu würdigen – schließlich habe Erasmus offensichtlich ab einem bestimmten Zeitpunkt das Menschenmögliche gar überschritten (vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 144, S. 198f., hier: S. 199). Ähnlich ist die Bezeichnung des Erasmus doctissimus in einem Brief des Otto Brunfels an Rhenanus vom 5. Februar 1520 einzuordnen (ebd., Nr. 150, S. 206f., hier: S. 207) sowie die durch Wimpfeling getätigte Aufzählung der führenden Humanisten, an deren oberster Stelle Erasmus seinen Platz fand (Brief an Jakob Villinger, datiert auf 1. Mai 1520, vgl. Herding / Mertens, Jakob Wimpfeling. Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 343, S: 840-846, hier: S. 842f.). Gegenüber Melchior von Aachen bezeichnete Justus Jonas den Rotterdamer als rex potentissimus literarum. Vgl. Kawerau,

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

nen sein Name und seine Leistungen gleichzeitig bedrohlich vom Tagesgeschehen bedrängt worden zu sein. Deutlich wird dies u.a. an den Kritiken, die nochmal verstärkt das von Erasmus arrangierte Neue Testament in den Blickpunkt nahmen. Ursächlich dafür war die Überarbeitung des ‚Novum Instrumentum‘ von 1516, die 1519 zunächst bei Froben unter dem Namen ‚Novum Testamentum‘, im gleichen Jahr aber auch noch bei Martens in Löwen gedruckt wurde.1042 Zugleich als Beleg für den großen Erfolg dieser Ausgabe als auch als Indiz für die religiös-theologisch aufgeladene Atmosphäre im Reich sind die elf Ausgaben, die – ausgenommen die beiden genannten – bis 1523 nachweisbar sind. Dabei stellten sechs verschiedene Drucker die folgenden Auflagen in Basel, Löwen, Leipzig, Straßburg, Hagenau und Paris her.1043 Außerdem habe es, so Percy Stafford Allen, nach 1521 zahlreiche unauthorisierte Nachdrucke gegeben.1044 Die daran geübte Kritik stammte insbesondere aus Löwen und fand nicht in den Korrespondenzen allein statt, sondern wurde öffentlichkeitswirksam geführt. Es drängt sich daher der Verdacht auf, es seien nicht in erster Linie der Sache wegen Vorwürfe gemacht worden, sondern man wollte Erasmus schaden. Bekannt und vielfach diskutiert wurde diese Auseinandersetzung in zeitgenössischen Briefwechseln und bis spätestens Anfang 1520 war auch eine Verteidigungsschrift gegen die aus Löwen stammenden Angriffe erschienen. Diese thematisierte Zwingli auch in einem Brief an Oswald Myconius, allerdings ließ er offen, ob sie von Erasmus gleichsam zur Selbstverteidigung verfasst wurde oder von einem Anhänger, der seine Parteinahme auch öffentlich sichtbar machen wollte.1045 Auch Albert Burer sprach gegenüber Rhenanus von der Schrift Lees gegen das erasmische NT und bemerkte eigens, dass Lee in Erasmus einen Häretiker sehe.1046 Die veränderte Lage kommt dabei am ehesten in den Worten des Erasmus zum Ausdruck: Am 27.

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Der Briefwechsel des Justus Jonas, Nr. 36, S. 42f., hier: S. 42 (datiert auf 29. März 1520). Die Basler Neuausgabe hatte Erasmus während seines Kurzaufenthaltes 1518 dort erarbeitet und ihr ein Vorwort des Papstes vorangestellt, das er auf Vermittlung seines Freundes Paulus Bombasius erhalten hatte. Vgl. dazu: Allen III, Nr. 865, S. 888890. Vgl. auch: Jean Hadot, Le Nouveau Testament d´Érasme, in: Colloquium Erasmianum, S. 59-67. Vgl. Allen III, S. 265, 380f., 387-389, 421f., 595; IV, S. 385, 555f.; bes. IV, S. 58, Vorbemerkung. Allen IV, S. 58, Vorbemerkung. Vgl. Egli, Zwinglis Briefwechsel, Nr. 113, S. 250-252, hier: S. 251 und Anm. 5. Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 159, S. 214f., hier: S. 215 und Anm. 1 (datiert auf 19. März 1520).

Überprüfung der Erkenntnisse anhand der Biographie

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Mai 1520 beklagte er gegenüber Rhenanus, dass alle seine Schriften verkehrt würden. Neben seinen Stellungnahmen zur vorgebrachten Kritik betonte er hier auch, dass er niemals Briefe geschrieben habe, um sie später zu veröffentlichen, was doch wie Bescheidenheitstopos wirkt.1047 Wollte er dadurch Zurückhaltung und Bescheidenheit zum Ausdruck bringen, um in Zeiten größter Kritik sympathisch zu erscheinen und die Leser für sich zu vereinnahmen? Diesen möglichen Eindruck schmälerte Erasmus jedoch bereits durch die Ergänzung, schon 1507 habe jemand in Siena eine Sammlung erasmischer Briefe erworben und ihm zukommen lassen.1048 Er unterstrich damit – nolens, volens – Ansehen und Bedeutung seiner Person, die – so mag man interpretieren – bereits seit so langer Zeit bestanden, dass es geradezu frevelhaft sei, ihn anzugreifen. Schließlich war er doch schon

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Dabei schloss im Oktober 1516 Martens in Löwen die Druckarbeiten zu den ‚Epistolae aliquot illustrium virorum‘ ab, die eine Sammlung von zwanzig Briefen enthielt, die Erasmus mit den führenden Personen in Klerus und Humanismus gewechselt hatte. Eine erweiterte Neuausgabe erfolgte bereits im April 1517. Vgl. dazu Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 95. Was die Intention dieser Ausgaben betraf, so scheint die Annahme Ribhegges mehr als plausibel zu sein (ebd.): „Die Briefbände hatten sicherlich auch die Funktion, Erasmus vor seinen Kritikern zu schützen.“ Bereits 1518 erfolgte ebenfalls eine Korrespondenzausgabe bei Froben, die Erasmus in einer neuen Ausgabe im Jahr 1519 auf „410 Seiten und 333 Briefe aus verschiedenen Lebensabschnitten […] [–] allein 106 Briefe aus der Zeit vor 1509 [–]“ vermehrte (ebd.). Dies setzte die Sicherung früherer Briefwechsel voraus, die Erasmus sicherlich nicht aus Archivierungsgründen bewahrt hatte, sondern wohl in der Absicht, sie später eventuell zu edieren. Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 167, S. 226-229, hier: S. 226f. (datiert auf 27. Mai 1520). – Mit der Veröffentlichung zunächst persönlicher Briefe wurde nicht nur ein größeres Publikum, sondern auch eine neue Öffentlichkeit erreicht. Betonte Erasmus noch in seinem Leitfaden zum Briefschreiben ‚De conscribendis epistolis‘, der 1522 erschien, dass ein Brief einem Gespräch unter Abwesenden gleiche, so wurden nun doch Leser in ganz Europa an den Inhalten beteiligt, wie Ribhegge (Erasmus von Rotterdam, S. 96) am Beispiel der Korrespondenz zwischen Erasmus und Budé deutlich gemacht hat: „Sie umfasste nicht nur die jeweiligen Briefpartner, sondern auch deren Bekanntenkreise in Deutschland, den Niederlanden und in England für Erasmus und in Frankreich für Budé. Die neue ‚literarische Republik‘ ließ die Leser an den Diskussionen partizipieren, deren Themen anfangs noch stark religiös geprägt waren.“ – Vgl. auch De ratione conscribendi epistolas liber, in: Desiderii Erasmi Roterodami Opera omnia I, Sp. 340-484, hier: Sp. 367: Ea consuetudo e modiis hominum moribus, in Epistolam, quae, ut dixi, colloquium est inter absentes, translata est. Vgl. Jean-Claude Margolin (Hrsg.): De conscribendis epistolis (ASD I.2), S. 277: Ea consuetudo e mediis hominum moribus, in epistolam, quae, ut dixi, colloquium est inter absentes, translata est. Bereits 1521 erschien eine unauthorisierte Ausgabe der Schrift in Cambridge (vgl. Allen I, Nr. 71, S. 198f., hier: S. 198, Vorbemerkung). Die authorisierte Erstausgabe erfolgte 1522 bei Froben (ebd.).

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seit einigen Jahren einer Öffentlichkeit bekannt – und im Übrigen einer größeren Öffentlichkeit als oftmals angenommen, wie nicht nur die Empfänge in jenen Städten beweisen, durch die er reiste. Schon 1518, bevor es zu dem u.a. durch Pilgerreisen zu Erasmus gekennzeichneten Kult kam, wurde er beispielsweise auf einer Schiffreise von einem Zöllner erkannt – eine Begebenheit, die Ribhegge treffend zusammenfasste: „‚Es lässt sich kaum beschreiben, wie sich der Mann vor Freude aufführte.‘ Er brachte Erasmus in sein Haus, wo auf einem Tisch dessen Bücher lagen, und rief Frau, Kinder und Freunde herbei. Als die Schiffer zur Abfahrt riefen, schickt er ihnen zwei Kannen Wein, damit sie sich geduldeten. Von Boppard aus ging es nach Koblenz, wo ihn der bischöfliche Offizial zum Essen einlud […].“1049

Vor dem Hintergrund derartiger Berichte mag unter Umständen in Bezug auf die Veröffentlichungen seiner Korrespondenzen etwas zu viel zwischen den Zeilen gelesen werden (– dass erasmische Briefe stilisiert verfasst sind, braucht an dieser Stelle nicht mehr betont zu werden); dennoch ist der Eindruck, Erasmus habe Probleme, sich in der für ihn neuen und ungewohnten Situation zurechtzufinden, nicht von der Hand zu weisen. Doch neben der Auseinandersetzung mit scholastischen Theologen wurde für ihn auch die Frage nach seiner eigenen Haltung zu Luthers Bestrebungen immer drängender.1050 So 1049 1050

Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 98. Nach Schenks Ansicht (Erasmus von Rotterdam, S. 395) bezog Erasmus keine klare Stellung und argumentierte stets widersprüchlich oder ausweichend. Schenk (ebd.) führte das Verhältnis zwischen Erasmus und Luther folgendermaßen weiter aus: „Während Erasmus glaubt, Fehlentwicklungen und Missstände innerhalb der Kirche durch das Walten der klassischen Bildung korrigieren zu können, sieht Luther das Problem in den Strukturen der römischen Kirche selbst. Die immer radikaler werdenden Positionen Luthers bieten zudem den Gegnern des Erasmus die Chance, ihn als Anhänger Luthers und als Feind der Kirche hinzustellen. Diese Haltung hat Erasmus den Vorwurf eingetragen, gegenüber dem großen Reformator zweideutig und unehrlich gewesen zu sein. Er suchte jedoch auch früher schon Festlegungen und enge Bindungen möglichst zu vermeiden. Zudem zeigte er sich stets radikalen, nicht auf Ausgleich bedachten Positionen gegenüber reserviert.“ – Dass dieser Eindruck nicht von allen Zeitgenossen geteilt wurde, belegt ein Brief Konrad Mutians an Johann Lang, in dem er die Meinung vertrat, Erasmus habe die Theologie wieder hergestellt (vgl. Krause, Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, Nr. 634, S. 650-654, hier: S. 651). – Meissinger (Erasmus und die öffentliche Meinung, S. 24) äußerte sich folgendermaßen zum Verhältnis zwischen Erasmus und Luther: „Gleich der erste große Brief, den Erasmus kurz vor der entscheidenden Leipziger Disputation (Juni 1519) an den Kurfürsten in der Sache Luther geschrieben hat, liest sich wie der autoritative Leitartikel einer großen Zeitung. Er wurde von den Wittenbergern sofort veröffentlicht und hat die respublica litteraria damals nahezu geschlossen für Luther gewonnen; wobei schon damals der weise, aber vergebliche Wink nicht fehlte, Luther möge sich im Ton mäßigen.“ Ribhegge (Kontakte und

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sah Scheurl bereits im Frühjahr 1520 eine Lagerbildung, die Erasmus zunehmend Probleme bereitete: Gegenüber Melanchthon verlieh er seiner Überzeugung Ausdruck, dass er, Erasmus, die Blockbildung völlig ablehne und begründete dies mit dem Argument, dass in seinen Augen alle Christen seien.1051 Dennoch kam es zu unterschiedlichen Parteiungen und auch ein Großteil der erasmischen Anhängerschaft formierte sich, mobilisiert u.a. von Ulrich Zasius. Beispielhaft sei hier auf dessen Brief an Rhenanus vom 5. Juni 1520 hingewiesen. Darin unterstrich er, Erasmus habe eine göttliche Begabung und aus seinem Œuvre verdiene insbesondere das ‚Enchiridion militis christiani‘ unsterbliches Lob.1052 Das Licht des Erasmus, führte er fort, durchziehe die christliche Welt und er brauche die Kritik namentlich Lees nicht zu fürchten, da er unerschütterliches Ansehen besitze. Auch wenn Erasmus gleichsam das Schmuckstück aller herausragenden Wissenschaften sei, so müsse er dennoch durch die Humanisten vor Kritik geschützt werden.1053 Der Empfänger des Briefes brachte seinerseits die Ablehnung gegen das Vorgehen Lees in einem Brief an Jakob Spiegel zum Ausdruck – über ein Vorgehen, das völlig unangebracht sei. Daher werde Lee, so prophezeite Rhenanus, in ewiger Schande leben. Wie um die Leistungen und die Würde des Erasmus hervorzuheben, fügte er noch eine Werkübersicht des Rotterdamers an.1054 Erasmus selbst wandte sich – und dies verdeutlicht die Situation – Mitte 1520 an Luther und bat ihn, seinen eigenen Namen und die seiner Freunde nicht in Schriften zu verwenden, schließlich sei er bereits verdächtig.1055 Wie könnte diese Äußerung anders interpretiert

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Kontroversen, S. 118) hat zudem darauf aufmerksam gemacht, dass noch im März 1519 Luther bei Erasmus Unterstützung gesucht hat. Ribhegge (a.a.O., S. 121) vertritt auch die Ansicht, Erasmus habe Luther mehr geschützt als bislang bekannt sei. Aber wahrscheinlich gerade wegen seiner undurchsichtigen Haltung zu Luther avancierte Erasmus nach Einschätzung Massauts (Érasme, un rénovateur sans frontiers, S. 12) zum ‚enfant errible‘ der katholischen Kirche: „De 1517 à 1521, Érasme, qui est devenu „l’enfant terrible de l’Église romaine“, est au faîte de sa gloire et il frémit d’enthousiasme.“ Vgl. von Soden / Knaake, Christoph Scheurl’s Briefbuch, Nr. 214, S. 112f., hier: S. 113 (datiert auf 1. April 1520). Dass dies keine singuläre Einschätzung war, hat auch Ribhegge (Erasmus von Rotterdam, S. 97) in Bezug auf die Neuausgabe verdeutlicht: „In Basel brachte er auch eine Neuausgabe des ‚Enchiridion‘ heraus, die in dem erregten Klima des beginnenden Streits um Luther sofort ein Publikumserfolg wurde.“ Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 168, S. 229-231, bes. S. 230. Ebd., Nr. 170, S. 232-235, bes. S. 233 (datiert auf 14. Juni 1520). Vgl. WA.Briefe, Bd. 2, S. 156-158, hier: S. 157, Z. 66-69 (datiert auf 1. August 1520).

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

werden als damit, dass Erasmus nicht nur um seinen Ruf fürchtete, sondern um seine Zukunft? Wohlgemerkt war wenige Wochen zuvor die Bulle ‚Exsurge Domine‘ erlassen worden, die Luther den Bann androhte, sollte er nicht einen Teil seiner Thesen widerrufen. Der Brief des Erasmus erreichte Luther mitten in der sechzig Tage dauernden Widerrufsfrist. Auch wenn weiterhin Belege deutlich machen, dass erasmische Texte zahlreich gelesen wurden und sein Ansehen noch sehr hoch war,1056 so lässt sich mit der Äußerung des Otto Brunfels resümieren, dass im Verlauf des Jahres 1520 Erasmus der Rang durch Luther streitig gemacht wurde.1057 Dass er aber im Laufe der Geschehnisse um Luther fürchtete, fehlinterpretiert zu werden und Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, war bereits 1518 der Fall. Gerade im ‚Enchiridion militis christiani‘ hatte er deutliche Kritik am Ablasswesen geäußert und wurde daher nicht ohne Grund dazu gedrängt, sich öffentlich zur Unterstützung Luthers zu bekennen: „Im Januar 1519 schrieb Melanchthon an Erasmus: ‚Martin Luther, der deinen Ruf eifrig unterstützt, wünscht, dass seine Meinungen von dir gebilligt werden.‘ […] Schon 1516 hatte der Sekretär Kurfürst Friedrichs, Georg Spalatin, ein Freund Luthers, versucht, mit Erasmus Kontakt aufzunehmen.“1058 Die Kontakte zu beiden sächsischen Landesherren bestanden bereits schon früher und Erasmus hatte ihnen seine Sueton-Ausgabe gewidmet.1059 Dass er damit den späteren Lutherschützer Kurfürst Friedrich und gleichzeitig Herzog Georg, der der katholischen Konfession treu blieb, ehrte, ist auch charakteristisch für seine Haltung gegenüber der reformatorischen Bewegung in ihren frühen Jahren. Einerseits engagierte er sich um Unterstützung Luthers und seiner Ziele, bald aber auch darum, gerade diesen Verdacht los zu werden. Ribhegge formulierte daher ganz richtig: „Erasmus bemühte sich, eine Verurteilung Luthers als Ketzer zu verhindern. Er hat Luther in den Jahren 1519 bis 1521, bis zum Reichstag von Worms, mehr geschützt, als dies Luther selbst bewusst war und bis heute anscheinend

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So formulierte Mutianus Rufus am 1. Juli 1520 in einem Brief an Johann Lang, dass, wer Erasmus lobe, der auch die Beredsamkeit rühme. Vgl. dazu Krause, Der Briefwechsel des Mutianus Rufus, Nr. 636, S. 654-658, hier: S. 656f. Auch Wimpfeling versuchte offensichtlich Erasmus beizustehen, indem er ihm unvermittelt gestand, sich immer wieder am ‚Enchiridion‘ und am ‚Compendium‘ zu erfreuen. Vgl. dazu Allen IV, Nr. 1067, S. 190f., hier: S. 191, Z. 6f. (datiert auf 19. Februar 1520). Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 182, S. 252f., hier: S. 252 (datiert auf 11. November 1520). Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 99. Vgl. Allen II, Nr. 586, S. 578-586 (datiert auf 5. Juni 1517).

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auch vielen Historikern bewusst ist, […]. Die Korrespondenz, die Erasmus mit zahlreichen Persönlichkeiten in Europa über Luther führte, spricht eine deutliche Sprache.“1060 Ribhegge bot für diese Sicht allerdings keine wirklich überzeugenden Argumente. Zutreffend scheint dies eher bis einschließlich 1518 zu sein. Erasmus konstatierte nämlich noch in einem Brief an Johann Lang vom 17. Oktober, dass Luther bei allen verständigen Menschen großen Beifall finde. Auch sei er davon überzeugt, dass die Thesen Luthers – ausgenommen den Passagen über das Fegefeuer – allen gefallen haben. Er selbst aber zweifle, ob die Vorgehensweise Luthers richtig sei, da die Kritik am Papsttum doch eher den Fürsten vorbehalten sein sollte.1061 Etwa ein halbes Jahr zuvor hatte auch Erasmus Thesen zum Ablasswesen verfasst, die er unter dem Titel ‚Conclusiones de veniis pontificum‘ an Morus gesandt hatte.1062 Aufgrund dieser thematischen Nähe zu den Thesen Luthers wie auch dem folgenden ‚Sermon von Ablaß und Gnade‘ konnte Erasmus leicht in Verbindung mit ihm gebracht werden. Dies war nicht erst der Fall, als ein auf den 19. Oktober 1519 datiertes Schreiben des Erasmus, in dem er Albrecht von Brandenburg seine Position in der Luthersache darlegte, von Anhängern Luthers abgefangen und publiziert wurde.1063 Natürlich diente dieser Akt dazu, öffentlich für den Wittenberger Unterstützung zu demonstrieren, und betont einmal mehr die öffentlichkeitswirksame Positionierung des Erasmus. Gerade von den scholastischen Theologen in Löwen und Köln wurde ihm daraufhin vorgeworfen, Luther zu stützen. „Er war sich bewusst, dass die Angriffe auf Luther auch seinem Werk galten.“1064 Das hatte er bereits Ende Mai gegenüber Luther zum Ausdruck gebracht. Aus Löwen schrieb er, dass die lutherischen Schriften für unvergleichliches Aufsehen gesorgt haben, aber sich nach wie vor bei vielen nicht der Verdacht ausräumen ließe, dass er selbst nicht nur für deren Abfassung mit verantwortlich sei, sondern als Bannerträger der Bewegung angesehen werde.1065 Sein Bestreben, sich von der reformatorischen Bewegung, namentlich von Luther ein Stück weit zu distanzieren, war besonders von Nöten, als die drei Lu-

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Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 104. Vgl. Allen III, Nr. 872, S. 408-410, hier: S. 409f., Z. 12-25 (datiert auf 17 Oktober 1518). Vgl. Allen III, Nr. 785 (datiert auf 5. März 1518). Vgl. Allen IV, Nr. 1033. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 100. Vgl. Allen III, Nr. 980, S. 605-607, hier: S. 605, Z. 4-6 (datiert auf 30. Mai 1519).

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

therschriften des Jahres 1520 – ‚An den christlichen Adel deutscher Nation‘, ‚Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche‘ und ‚Von der Freiheit eines Christenmenschen‘ – ihrem Verfasser enorme Bekanntheit verliehen, nicht zuletzt weil sie in lateinischer und deutscher Sprache erschienen. Der Versuch des Erasmus, seinen Ruf und seine Autorität ein wenig zu rehabilitieren und sich dadurch vor übertriebenen Angriffen möglichst zu schützen, erstreckte sich bis in die 1520er Jahre: Seine Paraphrasen zu den vier Evangelien widmete er Kaiser Karl V., Erzherzog Ferdinand von Österreich, Heinrich VIII. von England und König Franz I.1066 Die Hoffnung auf Wiederherstellung seines Rufs wird besonders greifbar, wenn man sich die überaus zahlreichen deutschsprachigen Übersetzungen der Paraphrasen zu den paulinischen Briefen vergegenwärtigt, die zuvor erschienen waren.1067 Zu diesem Zeitpunkt war bereits deutlich geworden, welche Öffentlichkeit durch den Gebrauch der Volkssprache erreicht werden konnte und auch Erasmus hatte dies an seinen, meist von Leo Jud in Zürich übertragenen Paraphrasen beobachten können.1068 Insofern ist es nur konsequent, in den Widmungen an die vier wohl bedeutendsten weltlichen Herrscher seiner Zeit das ganz entschiedene Bestreben um möglichst breite Rezeption zu sehen. Erasmus hatte offensichtlich langfristigen Schaden davongetragen, als man ihn mit Luther in Verbindung brachte. So ist es nur leicht nachvollziehbar, dass er bereits seit 1519 alles daran setzte, zunächst diesen Verdacht auszuräumen, im Verlauf sich aber weiter vom Wittenberger zu distanzieren, was bereits wenige Beispiele belegen: Am 5. November 1520 war Erasmus zu einem Treffen mit Kurfürst Friedrich von Sachsen in Köln zusammengekommen, da dieser seine Meinung in der Luthersache einho-

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Die Paraphrase zu Matthäus erschien 1522 bei Froben. Ebenda wurden auch die Paraphrasen zu den übrigen Evangelien im folgenden Jahr gedruckt. Vgl. dazu: Allen IV, S. 609, 611; V, S. 143, 158, 275, 313, 322, 330, 349, 352, 388. Bis 1524 waren zahlreiche Übersetzungen erschienen: 1521 acht Übersetzungen in Zürich, die alle von Leo Jud angefertigt waren (vgl. Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 20, Nr. 15f.; Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 296, Nr. 74a-g, 75). 1522 eine Übersetzung von Urbanus Regius in Augsburg sowie eine von Leo Jud in Zürich (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 22, Nr. 17, 20; Holeczek, a.a.O., S. 296f., Nr. 76f.). 1523 erschienen zwei Übersetzungen sowie eine in Augsburg, die allesamt von Jud erstellt wurden (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 22, Nr. 18f.; Holeczek, a.a.O., S. 297, Nr. 78-80). 1524 erschienen Übersetzungen in Augsburg, Dresden und Leipzig, wobei hier die Übersetzer nicht namentlich nachweisbar sind (Bezzel, a.a.O., S. 24, Nr. 21; S. 26, Nr. 22; Holeczek, a.a.O., S. 297, Nr. 81f.). Vgl. Galle, Katalog deutschsprachiger Übersetzungen erasmischer Texte im 16. Jahrhundert, S. 187f.

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len wollte. „Nach dem Bericht Spalatins [– der das Gespräch dolmetschte –] erklärte Erasmus, der Fehler Luthers sei es gewesen, dem Papst an die Krone und den Mönchen an den Bauch gegriffen zu haben.“1069 Dennoch setzte sich Erasmus für eine Lösung des Konfliktes ein und schrieb für Friedrich seine Vorstellungen nieder.1070 In welchem Maße sie dafür verantwortlich waren, dass der Kurfürst am nächsten Tag die Auslieferung Luthers nach Rom ablehnte, lässt sich allerdings nicht entscheiden. Abgesehen davon keimte in Erasmus immer mehr die Einsicht, dass seine eigenen Ansichten mit denen Luthers nicht mehr vereinbar waren, wie sich spätestens in dessen kirchenkritischen Schriften des Jahres 1520 herausstellte.1071 Daher verwundert es auch nicht, dass Erasmus im Februar 1521 in einem Brief seine Befürchtung in Worte fasste, dass man Luther nur entfliehen könne, um eine noch schwierigere Lage zu verhindern.1072 Zur gleichen Zeit wurde Erasmus auch von außen, vorrangig den Theologen in Löwen, wo er sich immer noch aufhielt, dazu gedrängt, in aller Öffentlichkeit darzulegen, dass er Luther nicht unterstütze, sondern sich in Distanz zu ihm befän-

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Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 104. Vgl. Erasmi Opuscula. A Supplement oft he Opera Omnia, hrsg. von Wallace K. Ferguson, Den Haag 1933 [ND Hildesheim 1978], S. 332: Lutherus peccavit in duobus, nempe quod tetigit coronam Pontificis, et ventres monachorum. Vgl. die ‚Axiomata Erasmi Roterodami pro causa Martini Lutheri Theologi‘, abgedruckt bei Ferguson, Erasmi Opuscula, S. 329-337. Dies bestätigt selbst Ribhegge (Erasmus von Rotterdam, S. 105), der gerade in diesen Jahren einen wesentlich deutlicheren Einsatz des Erasmus für Luther meinte ausmachen zu können: „Luthers radikale Kritik an der kirchlichen Sakramentenlehre und damit verbunden an den Institutionen der Kirche in seiner Schrift über die ‚Babylonische Gefangenschaft der Kirche‘ vom Oktober 1520 ließ aber allmählich Erasmus zu der Einsicht kommen, dass Luther ganz andere Ziele verfolgte als er selbst und dass sich die Anhänger Luthers inzwischen zu einer eigenen kirchlichen Partei formierten.“ Allerdings ist Ribhegge insofern Recht zu geben, als Erasmus im Hinblick auf den Wormser Reichstag mehrere Personen aus dem Umkreis Karls V. kontaktierte in der Absicht, von einer Verurteilung Luthers abzusehen. Vgl. dazu u.a. Allen IV, Nr. 1195 (datiert auf 25. März 1521; adressiert an Marlianus). Bereits am 4. Oktober 1520 hatte Erasmus auch Kontakt zu Gattinara, den Kanzler Karls V., aufgenommen, der seinerseits 5. April 1521 aus Worms antwortete (vgl. Allen IV, Nr. 1150 bzw. 1197). Vgl. Allen IV, Nr. 1186, S. 444f., hier: S. 444, Z. 9f. (datiert auf 1. März 1521, adressiert an Nikolaus Everard). Andere beobachteten, dass der Ruf des Erasmus durch Luther Schaden genommen hatte. So besaß Luther für Albert Burer größere Fähigkeiten als Erasmus, wie er bereits am 30. Juni 1521 an Rhenanus schrieb: Aiunt Erasmum nondum eum spiritum nactum esse, quem habeat Lutherus. Die Begründung dafür war, dass sich Erasmus im ‚Enchiridion‘ mehr auf Platon als auf Christus berufen habe. Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 206, S. 280f., hier: S. 281.

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de.1073 Mit der folgenden langsamen Abkehr von Luther, die für die Zeitgenossen lediglich als Zurückhaltung wahrgenommen wurde, ging zwangsläufig der Bruch früherer Kontakte einher. So kam es zu einer deutlichen Auseinandersetzung und dem Ende der Freundschaft mit Hutten. „Die Differenzen lagen nicht nur im Persönlichen begründet, sondern in der Unvereinbarkeit der jeweiligen Haltungen. Huttens antirömische Militanz nahm nationalistische Züge an. An der Gemeinschaft der europäischen Gebildeten war ihm nicht gelegen.“1074 Zuvor hatte Hutten ihm vorgeworfen, sich nicht für Luther zu entscheiden, obwohl er sich selbst gerade mit seiner nationalen Zielsetzung von beiden entfernte. Ebenso ist ein Bruch mit Aleander, den Erasmus bereits in Italien bei Manutius kennengelernt hatte,1075 zu beobachten – genauso wie auch eine Verschlechterung seines Ansehens in England, die Ribhegge nicht zu Unrecht vor allem auf die Kritik Lees am Neuen Testament zurückführte.1076

Insgesamt gesehen waren die Jahre von 1514 bis ca. 1520 geprägt von einer Erasmus–Euphorie, die nach Faludys Einschätzung Erasmus als ‚ewiger Frühling‘ vorkommen mussten. Seit 1515 wurde – die zeitgenössischen Korrespondenzen belegen dies – der Kontakt zu Erasmus gesucht und auch die Erwähnungen seines Namens nahmen zu. Auch wenn die Korrespondenz des Erasmus aufgrund der sinkenden Werte ab 1518 eventuell einen anderen Eindruck vermitteln könnte, so befand sich Erasmus doch auch noch seit Luthers Auftreten auf dem Höhepunkt seines Ruhmes – ein Zeitraum, der sich für Holeczek auf die Jahre 1515 bis 1521 erstreckte1077. Insbesondere aufgrund des ‚Encomium Moriae‘ wurde er auf Reisen frenetisch begrüßt. Besuche in größeren Städten glichen dem Einzug eines Triumphators. In den Briefwechseln herrscht eine nicht weniger große Begeisterung vor: Erasmus wurde mit Ruhmestiteln bedacht, die von Jahr zu Jahr übertroffen wurden – und dies quantitativ wie qualitativ. Im Zenit seines Ruhmes stand Erasmus allerdings erst seit Ende 1518, vor allem aber

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Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 105. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 107. Die Auseinandersetzung machte sich vor allem an der Frage fest, ob in der Luthersache richtig verfahren wurde. Erasmus war dabei der Ansicht, so Ribhegge (Erasmus von Rotterdam, S. 109), „dass Aleander gegenüber Luther erfolgreicher hätte sein können, wenn er seinen, Erasmus‘, Ratschlägen gefolgt wäre.“ Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 108. Vgl. Holeczek, Der Humanist Erasmus, S. 22.

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1519 und 1520. Dies wird nicht nur in den Briefzahlen auf höchstem Niveau deutlich, sondern auch an anderen Indizien, wie etwa den ‚Pilgerreisen‘, die fortan nachweisbar sind. Der Grund in dieser nochmals gesteigerten Euphorie ist wohl in der Veröffentlichung des Neuen Testaments zu sehen – eine Euphorie, die bis etwa Ende 1520 anhielt und von Stefan Zweig sehr eindrücklich beschrieben wurde: „[J]etzt werben die Mächtigen um ihn, und allemal ist es ein Schauspiel, glorreich zu sehen, wenn irdische Gewalt und Geld dem Geiste zu dienen genötigt sind. Kaiser und Könige, Fürsten und Herzöge, Minister und Gelehrte, Päpste und Prälaten wetteifern in Untertänigkeit um des Erasmus Gunst: Kaiser Karl, der Herr beider Welten, bietet ihm eine Stelle in seinem Rat, Heinrich VIII. will ihn nach England, Ferdinand von Österreich nach Wien, Franz I. nach Paris ziehen, aus Holland, Brabant, Ungarn, Polen und Portugal kommen die lockendsten Anträge, fünf Universitäten streiten um die Ehre, ihm einen Lehrstuhl zu verleihen, drei Päpste schreiben ihm ehrfürchtige Briefe.“1078

Zwei Zeiträume sind in dem hier fokussierten Zeitraum von besonderer Bedeutung: das Jahr 1516 und die Jahre 1519/20. Mit Blick auf das Berühmtwerden des Erasmus hat die Ausgabe des Neuen Testaments von 1516 zunächst für seine Etablierung als Theologe gesorgt und die negative Kritik hat ihn – wie auch bei der Neuausgabe von 1519 – letztlich noch bekannter gemacht. Rückblickend muss konstatiert werden, dass ihm diese Kritik nicht geschadet hat – der sich in Empfängen und Wallfahrten niederschlagende Kult um seine Person unterstreicht dies. Ebenso ist ein zunehmendes Interesse an seiner Person nachweisbar, das sich nicht zuletzt in der Lektüre und den Nachdrucken jener Texte niederschlägt, die Erasmus teilweise Jahrzehnte zuvor verfasst hatte. Sodann galt es für ihn jedoch ganz deutlich seit 1519/20, die öffentliche Bühne mit Luther zu teilen.1079 Dass

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Zweig, Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam, S. 102. Die veränderte Situation schlägt sich nicht zuletzt auch in den unterschiedlichen Formulierungen über Erasmus in den Jahren 1519 bis 15120 nieder: In einer Dedikationsepistel bezeichnete ihn Rhenanus am 13. Dezember 1520 gemeinsam mit dem poeta laureatus Hermolaus Barbarus als clarissimi viri (vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 187, S. 258f., hier: S. 259). Im Vergleich zu vorigen Lobesworten ist die Interpretation durchaus zulässig, Erasmus sei hier ‚nur noch‘ ein sehr berühmter Mann. Andererseits sah ihn Paul Volz noch am 8. Februar 1521 als ‚unseren Anführer‘ (primicerium nostrum) an. Vgl. Horawitz / Hartfelder, a.a.O., Nr. 215, S. 297f., hier: S. 298 (adressiert an Beatus Rhenanus). Während Franciscus Cerinus Erasmus mit dem Attribut piissimus umschrieb und Wolfgang Schiver ihn als doctissimus doctorum bezeichnete, tadelte ihn Thomas Blaurer wohl aufgrund dessen, dass Erasmus Jonas davor gewarnt hatte, sich Luther anzuschließen. Vgl. dazu Egli, Zwinglis Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 170, S. 427-434, hier: S.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

dessen Berühmtwerden in ungleich kürzerer Zeit erfolgte, liegt – abgesehen von den höchst unterschiedlichen Startbedingungen – offensichtlich vor allem an der öffentlichkeitswirksamen Kritik, die er selbst äußerte, aber auch hervorrief. Seine immer häufiger zu beobachtende Wahl der Volkssprache als auch einschneidende Ereignisse wie Bannandrohung und Wormser Reichstag dienten als zusätzliche Motoren dieser Entwicklung. Für Erasmus bedeutete dies, dass er sich seit Ende 1520, insbesondere aber 1521 immer häufiger erklären, seine Haltung in der Luthersache darlegen und den Verdacht ausräumen musste, den Wittenberger zu unterstützen. Dieser zunehmende Druck verdeutlicht nicht nur, in welchem Maße die Diskussion um Luthers Bestrebungen die öffentliche Meinung bestimmte, sondern hebt auch die in diesen Jahren immer noch vorhandene öffentliche Bedeutung des Erasmus hervor. Zudem äußerte sich darin auch die immer deutlicher zu Tage tretende Lagerbildung, die sich aufspaltete in Unterstützung für Luther oder Ablehnung Luthers.1080 Seitdem wurden kaum noch Empfänge für Erasmus organisiert – wohl aber für Luther.1081 Dass sich Erasmus immer drängender einer Standortbestimmung und einer öffentlichen Erklärung ausgesetzt sah, lässt den Eindruck entstehen, er sei von den Geschehnissen geradezu überrollt worden. Dies schlägt sich nicht zuletzt auch in seinem überlieferten Briefwechsel nieder, da gerade in diesem Zeitraum immer mehr Briefe von ihm versandt als empfangen wurden. Auch sein Wechsel von Löwen, wo die Kritik und der (öffentliche) Druck auf seine Person immer lauter wurden, nach Anderlecht untermauern diesen Eindruck.1082 Charak-

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428 (datiert auf 23. Januar 1521; adressiert an Zwingli); Horawitz / Hartfelder, a.a.O., Nr. 203, S. 276-278, hier: S. 277 (datiert auf 12. Mai 1521; adressiert an Rhenanus); Schieß, Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer, Nr. 32, S. 35, Anm. 1 (datiert auf 1. Juni 1521; adressiert an Ambrosius Blaurer). So belehnte Michael Hummelberg ihn gegenüber Rhenanus sozusagen ‚nur noch‘ mit dem Attribut magnus (vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 204, S. 279f., hier: S. 279; datiert auf 23. Mai 1521). Seltener finden sich belobigende Worte, die an frühere Zeiten erinnern. Um nur zwei Beispiele aus dem Jahr 1521 aufzugreifen: Konstanze Peutinger schrieb ihrem Vater, der wohl schon länger verreist war, am 20. April, dass seine Bücher nach seiner Rückkehr verlangten. Aus dem Kontext ergibt sich, dass es sich dabei namentlich um die Texte des Erasmus, des Plinius und des Hieronymus handelte. Vgl. dazu: König, Konrad Peutingers Briefwechsel, Nr. 210, S. 339-341, hier: S. 340. Daneben wandte sich Peutinger am 9. Dezember an Erasmus und schwelgte in seinem Brief in Erinnerungen an frühere Gespräche (ebd., Nr. 290, S. 358-360, hier: S. 358f.). Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 106. Nach seiner Korrespondenz zu urteilen ist er Ende Mai 1521 nach Anderlecht gezogen: Am 27. Mai sandte er den nachweislich letzten Brief aus Löwen (adressiert

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teristisch für die Situation, in der sich Erasmus spätestens 1521 befand, wie auch für seinen Opportunismus, den Luther mit dem Bild umschrieb, Erasmus sei wie ein Aal, der nicht zu greifen sei,1083 ist ein Brief, den er während eines Kurzaufenthaltes am 5. Juli in Brüssel an Richard Pace1084 richtete. Erasmus schreibt darin, er könne sich nicht ausreichend darüber wundern, in was für einem Geist Luther schreibe, sicher sei jedoch, dass er die Bewahrer der bonae litterae mit ungeheuren Vorwürfen bedacht habe. Vieles habe Luther gewiss sehr deutlich gelehrt und angemahnt. Wenn er doch nur nicht seine guten Eigenschaften mit untragbaren Übeln beschädigt hätte! Denn auch wenn Luther all dies im Vertrauen auf Gott geschrieben hätte, so wäre er (Erasmus) trotzdem nicht bereit gewesen, für die Wahrheit seinen Kopf zu riskieren. Leichtfertig ergänzt Erasmus, dass schließlich nicht alle ausreichend Kraft besäßen, ein Martyrium auf sich zu nehmen. Außerdem fürchte er, dass, wenn es zu Tumulten gekommen wäre, er sich selbst wie Petrus verhalten hätte. Er folge den Päpsten und Kaisern, wenn sie gute Entscheidungen träfen, weil dies pflichtbewusst sei; sollten sie aber schlechte Entscheidungen treffen, so ertrage er es, weil es für ihn sicherer sei.1085

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an Rhenanus; vgl. Allen IV, Nr. 1206). Sein nächster Brief ist auf den 31. Mai datiert und bereits in Anderlecht verfasst worden (adressiert an Maximilian van Horn; vgl. Allen IV, Nr. 1208). Zu van Horn vgl. Paul van Peteghem, Art. Maximilian van Horn, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 2, S. 205. Hier in Anderlecht befand er sich – abgesehen von einer kurzen Unterbrechung vom 12. bis 29. August, während der er sich in Brügge aufhielt (vgl. Allen IV, Nr. 1223-1231) – bis in den Oktober 1521 (ebd., Nr. 1240), um sodann wieder nach Basel zurückzukehren, wo er um den 21. November wieder eintraf (ebd., Nr. 1241). Vgl. WA.Tischreden, Bd. 1: Sammlungen Veit Dietrichs und Rörers, Nr. 131, S. 55, hier: Z. 32f.: Eramus est anguilla. Niemand kan yhn ergreiffen denn Christus allein. Est vir duplex. MacCulloch (Die Reformation 1490-1700, S. 150) hat in Pace nicht nur einen „englischen Humanisten und ranghohen Kirchenmann[…]“, sondern auch den Verfasser der Satire ‚Iulius exclusus e coelis‘ gesehen. Dass man diese veröffentlichte Kritik an Papst Julius II. fälschlich Erasmus zugeschrieben habe, dürfte jedoch mehr als fraglich sein. Vgl. Allen IV, Nr. 1218, S. 540-542, hier: S. 541, Z. 28-36: Quo spiritu ille scripserit non queo satis demirari, certe bonarum litterarum cultores ingenti gravavit invidia. Multa quidem prelcare et docuit et monuit. Atque utinam sua bona malis intolerabilibus non viciasset! Quod si omnia pie scripsisset, non tamen erat animus ob veritatem capite periclitari. Non omnes ad martyrium satis habent roboris. Vereor enim ne, si quid incideret tumultus, Petrum sim imitaturus. Pontifices ac Cesares bene decernentes sequor, quod pium est; male statuentes fero, quod tutum est.

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7.) 1521 bis 1530: Löwen, Basel und Freiburg i. Br. Die 1520er Jahre hätten für Erasmus nicht unterschiedlicher sein können: Während er unter manchen vormaligen Anhängern, insbesondere in Frankreich und im Reich, zur persona non grata avancierte, waren gleichzeitig aus Regionen Europas, die er niemals selbst besucht hatte, euphorische Stimmungen erwachsen, die an den Kult um seine Person in den Jahren 1515 bis 1520 erinnerten. So hat Silvana Seidel Menchi darauf hingewiesen, dass sich in Padua eine bedeutende Stätte der Erasmus-Rezeption entwickelt habe,1086 was u.a. an beeindruckenden Zahlen der venezianischen Druckerei Gregorio de Gregoriis deutlich wird: Dieser verlegte „in fünf Jahren (zwischen 1522 und 1526) 32 Werke des Erasmus, die auf 21 Bände verteilt waren[.]“1087 Dabei habe insbesondere das ‚Encomium Moriae‘ in Italien Bearbeitungen und Nachahmungen erfahren.1088 Auch sind ehrfürchtige Worte nachweisbar, die an die Hochphase der Erasmus-Verehrung erinnern, aber deutlich seltener, nur noch vereinzelt zu finden sind. So wurde er von Johann Faber als Leuchte der christlichen Welt, von Ambrosius Blaurer gar als Herkules bezeichnet.1089 Paul Volz sah in Erasmus nicht nur den Befreier der christlichen Wahrheit, sondern versuchte auch, ihm in der Abkehr von scholastischen Lehrmeinungen nachzueifern.1090 Gegenüber Zwingli brachte Erasmus seine Überzeugung zum Ausdruck, der gesamte ordo cardinalicius sei ihm wohl gesonnen und somit nicht nur die Dominikaner.1091 Ein bedeutendes literarisches Zeugnis für die Erasmus-Verehrung der frühen 1520er Jahre stellt ein Epigramm Gerard Geldenhouwers aus Nijmegen dar,

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Seidel Menchi, Erasmus als Ketzer, S. 24: „Obwohl die Rezeption des Erasmus zu Anfang die Diskontinuität einer spontanen Entwicklung aufwies, bildete sich doch innerhalb kurzer Zeit Padua als Zentrum heraus, wo Erasmus zwischen 1520 und 1525 eine Gruppe von einflußreichen Bewunderern gewann. Zu ihnen gehörten der Rhetorikprofessor Marino Becichemo, die Humanisten Bernardino Angelico Guarino aus Cagli und Marco Bevilacqua aus Forlí [und einige andere].“ Ebd., S. 26. Ebd., S. 30. Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 221, S. 304-307, hier: S. 305 (datiert auf 7. April 1522; adressiert an Rhenanus); Badische Historische Kommission, Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer, Nr. 43, S. 50-53, hier: S. 52 (datiert auf 6. August 1522; adressiert an Thomas Blaurer). Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 225, S. 310 (datiert auf 3. September 1522; adressiert an Rhenanus). Vgl. Allen V, Nr. 1314, S. 129f., hier: S. 129, Z. 5f. (datiert auf ca. 3. September 1522): Certum habeo Cesarem esse amico in me animo. Ordo cardinalicius totus mihi fauet.

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in dem er Erasmus den Römer Cicero übertreffen ließ.1092 Seidel Menchi hat zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade dieser Vergleich „einige Jahre später in der gegen Erasmus gerichteten Kampagne von Gewicht“1093 war, womit die zeitgleich immer schärfere Kritik an ihm angesprochen wäre. Ein Hauptgrund scheint dabei das schon erwähnte Verhältnis zu Luther gewesen zu sein und daraus resultierend die Haltung des Erasmus zur reformatorischen Bewegung.1094 Dass er in den Vorjahren dazu nicht klar Stellung bezogen hatte, gereichte ihm nun zum Nachteil, indem ihm manche Kritiker gar Häretikertum unterstellten. Unter Zeitgenossen war es schon seit längerem ausgemacht, dass es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Häuptern der beiden geistigen Bewegungen – dem Humanisten Erasmus und dem Kirchenreformer Luther – kommen musste. Diese Befürchtungen formulierte Glareanus in einem Brief an Zwingli vom 4. März 1522 und hob eigens hervor, dass Luther bereits 1516 Bedenken gegenüber Erasmus geäußert habe.1095 Der Adressat prophezeite Rhenanus das Gleiche gegen Ende März.1096 Doch neben Luther hatte Erasmus mit zahlreichen Kritikern zu kämpfen, wie u.a. Michael Hummelberg in einem Brief

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Vgl. dazu: Seidel Menchi, Erasmus als Ketzer, S. 24. Ebd. Vgl. Schenk, Erasmus von Rotterdam, S. 395: „In dem Maße, in dem Luthers Forderungen massiver werden, sein Anhang wächst und auch die politischen Auswirkungen immer deutlicher werden, ist Erasmus Lage immer schwieriger. Beide Parteien versuchen, die unzweifelhafte Autorität des Erasmus für ihre Interessen zu instrumentalisieren, beide fühlen sich vom zaudernden Erasmus getäuscht. Der Reichstag in Worms (1521), auf dem es zum Bruch Luthers mit Kirche und Kaiser kommt, erlaubt aber kein weiteres Zaudern mehr. Die Kollegen in Löwen setzen Erasmus mächtig unter Druck, endlich eindeutig Stellung zu beziehen.“ – Die Forschung ist sich uneins, was die Stellung des Erasmus zur Reformation betrifft. So gibt es zwei Hauptpositionen, wonach Erasmus einerseits derart beschrieben wird, dass „er sich von größeren politischen und religiösen Auseinandersetzungen möglichst fernhielt und eher einen Ortswechsel in Kauf nahm als eine erhebliche Störung seiner Arbeit“ (HansJoachim Diesner, Stimmen zu Krieg und Frieden im Renaissance-Humanismus, Göttingen 1990, S. 26), andererseits aber auch als ein Kritiker der Kirche, der „nicht nur einen Mißbrauch lächerlich machte, sondern eine Institution verdammte“ (H. A. Enno van Geldern, The Two Reformations in the 16th Century. A Study of the Religious Aspects and Consequences of Renaissance and Humanism, The Hague 1964², S. 139). Vgl. Egli, Zwinglis Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 198, S. 494f., hier: S. 494 (datiert auf 4. März 1522). Ebd., Nr. 199, S. 496-498, hier: S. 496 (datiert auf 25. März 1522).

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verdeutlichte.1097 Anfang September 1522 gab Erasmus Zwingli ein Urteil ab über seine Schrift ‚Apologeticus Archeteles adpellatus‘,1098 die gleichsam sein Glaubenszeugnis ist. Dabei riet Erasmus, stets sachkundige Personen zu kontaktieren, bevor er irgendetwas veröffentliche. In diesem Fall fürchte er nämlich, dass sich Zwingli in große Gefahr begebe und zudem auch dem Evangelium im Weg stehe.1099 – Die hier geäußerte Vorsicht und Zurückhaltung ist geradezu symptomatisch für die Situation des Erasmus zu diesem Zeitpunkt. Gerade vor dem Hintergrund, dass er in Texten wie dem ‚Encomium Moriae‘ seinen Worten selten Zügel angelegt hat – wenngleich es ihm auch oft gelang, seine Kritik zu verschleiern –, ist der hier getätigte Aufruf zu Mäßigung und Sensibiltät bemerkenswert. Erasmus war offensichtlich vorsichtig geworden, da Kritik an und Abkehr von dem zuvor euphorisch Gefeierten wohl ihre Spuren hinterlassen hatten. Die hier gewählte Formulierung edas in vulgus kann daneben nicht nur die bloße Veröffentlichung eines Textes – gleich, in welcher Sprache – meinen, sondern auch, Inhalte dem (lesefähigen) Volk zugänglich zu machen. In diesem Fall ist von der Wahl der Volkssprache auszugehen und unterstreicht die mit Sicherheit von Erasmus gemachte Beobachtung, mit volkssprachlichen Texten andere Dimensionen einer Leserschaft erreichen zu können. Luther hatte dies zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich gemacht und Erasmus warb seinerseits für den Gebrauch der lateinischen Sprache: Als er 1522 seinen Leitfaden zum Briefschreiben unter dem Titel ‚De conscribendis epistolis‘ veröffentlichte,1100 erschien auch das Neue Testament in deutscher Sprache, bearbeitet von Luther.1101 Zwar hatte Erasmus bereits 1516 eine volkssprachliche Übertragung der Heiligen Schrift begrüßt und kann nicht als Gegner volkssprachlicher Literatur angesehen werden, doch das Erscheinen dieser beiden Texte im Jahr 1522 verdeutlicht die Entwicklung: Während Luther immer mehr an Popularität gewann – und zwar auch, weil er sich der Volkssprache bediente –, plädierte Erasmus nicht nur für

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Ebd., Nr. 232, S. 572-574, hier: S. 573 (datiert auf 26. August 1522; adressiert an Zwingli). Vgl. Allen V, Nr. 1315, S. 130f. (datiert auf 8. Septemberg 1522). Am 23. August 1522 waren die Druckarbeiten in der Zürcher Offizin Froschauers abgeschlossen (ebd., S. 131, Anm. 1). Ebd., S. 131, Z. 5-7: Consule doctos amicos antequam aliquid edas in vulgus. Vereor ne ista Apologia conciliet tibi magnum periculum et Euangelio officiat etiam. Vgl. das Widmungsschreiben bei Allen V, Nr. 1284, S. 63-65 (datiert auf 25. Mai 1522; adressiert an Nikolaus Beraldus). Vgl. WA Die deutsche Bibel, Bde. 6f.

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die lateinische Sprache, sondern publizierte auch weiterhin lateinische Schriften. So erschien etwa ein Psalmenkommentar des Arnobius, den er dem neuen Papst Hadrian VI. widmete.1102 Während seiner Lehrtätigkeit als Theologieprofessor an der Universität Löwen hatte Erasmus ihn kennengelernt. Der Geehrte dankte und sprach nicht nur eine Einladung nach Rom aus, sondern forderte Erasmus auch auf, gegen Luther zu schreiben. Die Einschätzung, im Jahr 1522 hätte Luther bereits alles in dem Maße überlagert, dass Erasmus keinerlei Beachtung mehr geschenkt wurde, ist damit widerlegt. Wenngleich die Luthersache eine große Herausforderung für den neuen Kirchenobersten darstellte und er für jegliche Unterstützung dankbar sein musste, so war – wie bereits aus diesem singulären Beispiel hervorgeht – Erasmus immer noch eine Autorität, deren Wort gehört wurde. Zudem war in den folgenden Wochen auch vereinbart worden, dass Erasmus seine Vorschläge für eine Beilegung der innerkirchlichen Konflikte an den Papst richte.1103 In diesem Schreiben, das auf den 22. März 1523 datiert ist, steht allerdings die Klage des Erasmus im Zentrum, dass er von niemandem mehr beachtet werde. Während er zuvor in 600 Briefen – in anderer Deutung: in unzähligen Briefen – als ter maximus heros, princeps literarum, sydus Germaniae, sol studiorum, antistes bonarum literarura oder vindex syncerioris theologiae beschrieben wurde, so werde nun entweder über ihn geschwiegen oder er werde in gänzlich anderen Farben gezeichnet.1104 Hinzukomme noch, so Erasmus, dass Luther ihm zahlreiche seiner Freunde genommen habe1105 und er in Rom durch Schmähschriften diffamiert, von Predigern in Brabant

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Vgl. Allen V, Nr. 1304, S. 99-111 (datiert auf 1. August 1522). Vgl. Allen V, Nr. 1329 (datiert auf 22. Dezember 1522; adressiert an Hadrian VI.); Nr. 1338 (datiert auf 23. Januar 1523; verfasst von Hadrian VI.). Vgl. Allen V, Nr. 1352, S. 257-261, hier: S. 258, Z. 30-37: An apud hos valeat autoritas Erasmi, apud quos nihil habet ponderis autoritas tot academiarum, tot principum, ac summi donique Pontificis? Gratia si qua fuit, aut sic refrixit ut pene nulla sit, aut prorsus intoriit, aut in odium etiam versa est. Qui antea sexcentis epistolis describebar ‚ter maxiraus heros‘, ‚princeps literarum‘, ‚sydus Germaniae‘, ‚sol studiorum‘, ‚antistes bonarum literarura‘, ‚vindex syncerioris theologiae‘, nunc aut sileor aut longe diuersis coloribus depingor. Vgl. dazu Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 115f.: „Die Mehrheit der deutschen Reichsstädte schloss sich nach anfänglichem Zögern der Räte – mit Ausnahme Kölns – schließlich der Reformation an, auch die Stadt Straßburg am Oberrhein. Damit verlor Erasmus den Rückhalt, den er anfangs in den Reichsstädten gehabt hatte. Ein jubelnder Empfang, wie ihn ihm die Stadt Straßburg 1514 bereitet hatte, als man ihn als ‚Zierde Deutschlands‘ begrüßte, war in den 1520-er Jahren nicht mehr möglich. Sogar in Basel verlor Erasmus allmählich an Rückhalt […].“

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gar als Häretiker dargestellt werde.1106 – Erasmus, daraus seine Konsequenzen ziehend, nahm immer mehr Abstand von den Reformatoren und insbesondere auch von Luther, dessen Vorgehensweise er bereits zuvor kritisiert hatte. Thomas Mann hat in diesem Zusammenhang den Dichterfürsten mit dem Humanistenfürsten verglichen: „Daß man als Wirklichkeit nicht will, was man im Gefühle gewollt, ist ein immer wiederkehrendes Vorkommnis, und Goethes Stellung zur Revolution wiederholt genau die des Erasmus zur Reformation, die anzubahnen dieser so viel getan, und die er dann mit humanistischem Dégout ablehnte.“1107

Auch unter den Humanisten gab es eine große Zahl von Kirchenkritikern, die sich Reformen wünschten, doch sahen sie sich durch das zunehmende Entfremden des Erasmus von Luther und anderen Reformatoren und den daraus resultierenden Auseinandersetzungen einer Zerreißprobe ausgesetzt,1108 die nur noch ein ‚Entweder-Oder‘ zuließ. Dass sich Erasmus vor eine ähnliche Entscheidung gestellt sah, wird schon daran deutlich, dass Herzog Georg von Sachsen ihn am 9. Juli 1522 erneut darum bat, gegen Luther zu schreiben,1109 und zugleich Zwingli ihm das Bürgerrecht der Stadt Zürich anbot, das Erasmus Anfang September dankbar ablehnte.1110 Natürlich sind auch für das Jahr 1522 belobigende Worte auf Erasmus nachweisbar, die in ihm den optimarum literarum princeps unicus nostri aevi sehen,1111 ihn als Glück und Zeugen für die litterae bezeichnen1112 oder hervorheben, dass ihm Ehren von Bischöfen, Kanonikern und Bürgern zuteil wurden.1113 Allerdings sind diese Formulierungen zahlenmäßig deutlich

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geringer festzustellen und von gemeinhin minderer Qualität als in früheren Jahren. Dass die hier erwähnten Äußerungen allesamt im Briefwechsel des Beatus Rhenanus zu finden sind, ist kein Zufall, sondern macht deutlich, dass der Raum, in dem Erasmus thematisiert und rezipiert wurde, wesentlich enger geworden war. Dies ist insofern überraschend, als in den Jahren 1521/22 mit Abstand die meisten erasmischen Schriften in die deutsche Sprache übertragen wurden.1114 Allerdings erklärt sich die Entwicklung bereits aus den Titeln, die übersetzt wurden, da daran deutlich wird, dass nicht Erasmus um seiner selbst willen auch der volkssprachlichen Leserschaft zugänglich gemacht werden sollte, sondern seine Texte in den Dienst der reformatorischen Sache gestellt wurden. Anderenfalls wären volkssprachliche Versionen der erfolgreichsten erasmischen Schriften zu erwarten gewesen – allen voran das ‚Encomium Moriae‘, die ‚Adagia‘, das ‚Enchiridion‘ oder die ‚Institutio‘.1115 Doch dies war nicht der Fall; stattdessen weisen bereits die Titel der übertragenen Schriften deutliche Tendenz zu tagesaktuellem Geschehen auf und befassen sich mit Fragen der Kirche, der Religion und der Rechtgläubigkeit. Es handelt sich dabei um mehrere Einzelauslegungen der ‚Annotationes in Novum Testamentum‘,1116 wobei die Bibelverse schon auf das (kirchen-) reformerische Interesse hindeuten: „Nehmet auf euch mein Joch und lernt von mir […]; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“1117 „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen […].“1118 „Alle ihre Werke aber tun sie, damit sie von den Leuten gesehen werden.“1119 „Aber ich will in der Gemeinde lieber fünf Worte reden mit meinem Verstand, damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in Zungen.“1120 Daneben wurde im Jahr 1521 in fünf verschiedenen Ausgaben ein Ratschlag des Eras-

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Vgl. Galle, Erasmus-Rezeption im Reich und in England, S. 31f. Von diesen Titeln erschienen nur das ‚Enchiridion‘ und die ‚Institutio‘ jeweils lediglich in zwei Übersetzungen im Jahr 1521. Vgl. dazu: Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 15, Nr. 5f.; S. 16, Nr. 8f. Insgesamt erschienen von den hier genannten Auslegungen 34 Übersetzungen im Jahr 1521 und 4 im Jahr 1522. Vgl. dazu: Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 32f., Nr. 31-37; S. 33f., Nr. 38-42; S. 36, Nr. 43f.; Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 292-295, Nr. 41-73. Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart 1985, hier: Matth. 11, 29. Ebd., Matth. 16, 18. Ebd., Matth. 23, 5. Ebd., 1. Korinther 14, 19.

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mus zur causa Lutheri präsentiert.1121 Es handelte sich dabei um eine Flugschrift, bei der der Anteil des Erasmus sich nicht klar ausmachen lässt. Holeczek ist jedoch auf überzeugendem Weg zu dem Resultat gelangt: „[Die] Druckfassung dürfte eindeutig aus der Feder des Erasmus stammen[.]“1122 1522 erschienen zwei Übersetzungen der ‚Epistolae ad Diversos‘, deren Inhalt ebenfalls den gegenwärtigen Fragen um Einheit und Zukunft der Kirche entsprach: So war in der ersten Ausgabe ein Brief des Erasmus an William Warham, den Erzbischof von Canterbury, enthalten, in dem er die ‚Assertio septem sacramentorum‘ Heinrichs VIII. positiv hervorhob, in der dieser die sieben Sakramente gegen die Kritik Luthers verteidigt hatte.1123 Hinzugefügt war noch ein Brief des Erasmus an den Basler Theologen Ludwig Baer. Diese Auswahl entsprach auch der lateinischen Vorlage, die unter dem bezeichnenden Titel ‚Erasmi Roterodami duo epistolia de causa Lutherana‘ im Jahr zuvor veröffentlicht wurde.1124 Die zweite Ausgabe der ‚Epistolae‘ erschien zwar auch – wie die vorige – in Straßburg, unterschied sich aber inhaltlich von ihr: Enthalten war darin nur die Übersetzung eines Briefes, den Erasmus an Mountjoy gerichtet und in dem er die Luthersache thematisiert hatte. Holeczek hat in Bezugnahme auf die vorige Ausgabe ganz recht den dezidiert tagesaktuellen Gehalt hervorgehoben:1125 „Die knappe Ankündigung an Warham, er werde schließlich auch gegen Luther schreiben, führt Erasmus im Brief an Mountjoy ausführlicher und differenziert aus[.]“1126 Besonderes Interesse verdienen auch die 1522 in Augsburg, Basel und Leipzig gedruckten Übersetzungen der erasmischen ‚Exhortatio ad studium evangelicae lectionis‘. Darin sprach sich Erasmus nämlich nicht nur dafür aus, dass die Lehre des Evangeliums jedem zugänglich

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Diese erschienen in Augsburg, zweimal in Basel, in Erfurt und Halberstadt. Vgl. dazu: Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 299, Nr. 94-96. Ebd., S. 135. Ebd., S. 163. Ebd., S. 160, 162f. Die lateinische Version wurde vermutlich im September oder Oktober 1521 bei Martin Landsberg in Leipzig fertiggestellt (ebd.). Die gleiche thematische Ausrichtung liegt auch im Falle der Übersetzung der ‚Epistola apologetica ad reverendum in Christo patrem et illustrem principem Christophorum, episcopium Basiliensem‘ vor, worin sich Erasmus über größere Freiheit gegenüber kirchlichen Gebräuchen und Gesetzen aussprach. Sie erschien ebenfalls 1522 in Augsburg. Vgl. dazu: Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 39, Nr. 54f.; Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 300, Nr. 105f. Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 166.

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sein solle, sondern forderte auch von jedem aktive Bereitschaft zur Bibellektüre.1127 Die Möglichkeiten dazu wurden durch die Übersetzer seiner biblischen Arbeiten bereitgestellt. Zahlreiche Ausgaben sind somit für die Jahre 1521/22 für die ‚Nova praefatio in Novum Testamentum‘, die ‚Paraclesis‘ und (auszugsweise) für die neutestamentlichen Paraphrasen belegt.1128 Auch anhand dieser Titel kann ein Eindruck für die öffentliche Bedeutung des Erasmus in den frühen 1520er Jahre gewonnen werden: Es bestand zwar ein Interesse an seinen Texten – allerdings nur so weit, wie sie die aktuelle Lage thematisierten oder Lösungsvorschläge für gegenwärtige Fragestellungen bereit hielten. Daher ist noch einmal zu betonen: Erasmus wurde volkssprachlich nicht um seiner selbst willen rezipiert, sondern die an den Übersetzungen beteiligten Personen – die Philologen, Drucker oder Verleger – verfolgten verschiedene Interessen, die von lediglich finanziellem Profit bis hin zur Instrumentalisierung des Erasmus und Unterstützung eigener Ansichten reichen konnten. Nicht von ungefähr kommt es, dass sich mit Leo Jud, dem Vertrauten Zwinglis, mit Georg Spalatin, dem Beichtvater des sächsischen Kurfürsten, und mit dem Reformator Urbanus Rhegius die intensivsten ErasmusÜbersetzer aus dem reformatorischen Lager rekrutierten.1129 Es ver-

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Vgl. dazu Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 38f., Nr. 51-53; Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 298, Nr. 88-90. Ebenfalls für 1522 sind zwei Übersetzungen der ‚Expostulatio Jesu cum homine suapte culpa pereunte‘ nachweisbar, von der Bezzel (a.a.O., S. 45, Nr. 60, 62) behauptete: „Kein Gedicht des Erasmus hat die Zeitgenossen so sehr beeindruckt wie die ‚Expostulatio Jesu‘[.]“ Wie Bezzel zu dem Schluss kam, ließ sie offen. Belegen lässt sich indes, dass die lateinische Vorlage 1511 in Gent erstmals erschien und in den folgenden Jahren häufig verschiedenen Texten beigefügt wurde (ebd.). Die ‚Nova praefatio in Novum Testamentum‘ erschien in Übersetzung in 19 Ausgaben im Jahr 1522 (vgl. Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 37, Nr. 45f., 4850; Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 287-289, Nr. 4-10, 12, 13d, 14d; S. 291, Nr. 29-36). Bereits für 1520 sind neun verschiedene Ausgaben der ‚Paraclesis‘ nachweisbar (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 27, Nr. 24; S. 29, Nr. 25-28; Holeczek, a.a.O., S. 289f., Nr. 15-22). 1521 folgten nochmal zwei Ausgaben, 1522 drei (Bezzel, a.a.O., S. 29, Nr. 29; Holeczek, a.a.O., S. 290, Nr. 23-26). Von den Paraphrasen sind neun Übersetzungen für das Jahr 1521, aber nur eine für 1522 belegt; alle sind in Zürich erschienen (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 20, Nr. 15f.; S. 22, Nr. 17, 20; Holeczek, a.a.O., S. 296f., Nr. 74a-g, 75-77). So zeichneten Jud und Regius vor allem für die Übersetzungen der Paraphrasen verantwortlich, während sich Spalatin auf die ‚Paraclesis‘ konzentrierte. Zu den Übersetzern vgl. Peter G. Bietenholz, Art. Leo Jud, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 2, S. 248-250; Rainer Vinke, Art. Urbanus Rhegius, in: a.a.O., Bd. 3, S. 151-153; Irmgard Höss, Art. Georgius Spalatinus, in: a.a.O., Bd. 3, S. 266-268.

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wundert daher allerdings auch nicht, wenn Erasmus im Dezember 1522 darüber klagte, dass nicht mehr über Wissenschaft gesprochen werde, sondern nur noch über Kritiker und den angemessenen Umgang mit ihnen.1130 Diese Äußerung bedarf indes einer Relativierung, umschreibt sie doch nur die Situation des Erasmus im Reich sowie die Kritik, die nur vereinzelt und von wenigen Personen aus dem Ausland geäußert wurde. Ansonsten liefe man Gefahr, andere Entwicklungen aus dem Blick zu verlieren – wie etwa jene in Polen und Spanien in den 1520er: In den Osten hatte Erasmus Kontakt über Justus Decius gewonnen,1131 der zwar aus dem oberrheinischen Gebiet stammte, aber bis 1520 in Diensten einer Krakauer Bankiersfamilie stand, um sodann Sekretär König Sigismunds von Polen zu werden. So verwundert es auch nicht, dass erasmische Werke in Krakau nachgedruckt wurden und Ribhegge nicht übertrieben die Stellung des Erasmus schon vor 1522 umschreibt als: „Er war eine Leifigur, an der sich die polnischen Humanisten orientierten.“1132 Nachvollziehbar wird diese Einschätzung aus folgenden Gründen: Erasmus erhielt fortan großzügige Geschenke sowie finanzielle Zuwendungen nicht nur vom König und von hohen Adligen, sondern auch von Bürgern.1133 Daneben sind aber auch Besuche polnischer Adliger bei Erasmus belegt, die an die Pilgerreisen vor 1520 erinnern lassen.1134 Daran werden der Fortbestand der res publica literaria deutlich sowie der Ertrag, den Erasmus immer noch aus den in den Jahren zuvor geschlossenen Kontakten ziehen konnte. Dies galt auch noch für die zweite Hälfte der 1520er-Dekade,

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Vgl. Allen V, Nr. 1327, S. 151f., hier: Z. 2-10 (datiert auf 9. Dezember 1522; adressiert an Zwingli): Facile ferrem temeritatem alienam, nisi hec res gravaret et bonas litteras et bonos viros et rem Euangelicam: cui, dum stulte fauent,officiunt, adeo ut si quis cupiat extinctam doctrinam Christi, non possit meliorem praestare operam. Exiit et aliud nugamentum nugacissimum de Pontifice. Qui scripsit, si addidisset nomen suum, fortiter insanisset. Nunc periculosas nec minus insulsas nugas absque titulo prodidit. Si tales sunt omnes Lutherani, mihi valebunt, quotquot sunt. Zum Kontakt zwischen Erasmus und Decius vgl. Allen V, Nr. 1393; VII, Nr. 1958, 2031; VIII, Nr. 2175; X, Nr. 2874; XI, Nr. 2960f. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 151. Vgl. auch Claude Backvis, La fortune d´Érasme en Pologne, in: Colloquium Erasmianum, S. 173-202. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 152f. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 153: Es handelte sich dabei u.a. namentlich um die Neffen des polnischen Primas Johannes a Lasco. Ebd., S. 157: „Seit dem Besuch der Laski-Brüder bei Erasmus in Basel war es zur Mode geworden, dass junge Polen auf dem Weg zum Studium nach Italien oder bei ihrer Rückkehr Erasmus einen Besuch abstatteten.“ Vgl. auch Jean-Claude Margolin, Laski lecteur et annotateur du ‚Nouveau Testament‘ d’Erasme, in: Coppens (Hrsg.), Scrinium Erasmianum, Bd. 1, S. 93-128.

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wie der Kontakt zu Jan Antonin1135 exemplarisch verdeutlicht: Der aus Ungarn stammende Arzt hatte Erasmus in Basel kennengelernt und behandelt. Seitdem standen beide in Briefverkehr,1136 auch nachdem Antonin nach Krakau umgesiedelt war. Hier gewann er offensichtlich nicht nur Kontakt zur weltlichen, kirchlichen und humanistischen Elite, sondern machte auch über die Stadtgrenzen Krakaus hinaus den Namen Erasmus und seine Schriften noch bekannter.1137 Daher ist auch der Hinweis Ribhegges nicht verfehlt: „Antonin informierte Erasmus über führende Erasmianer in Ungarn und Polen und riet ihm dringend, mit diesen Kontakt aufzunehmen.“1138 Die Bedeutung des Erasmus innerhalb der polnischen Elite bzw. der Politik im Königreich Polen manifestiert sich indes nicht so sehr darin, dass König Sigismund ihm für einen Brief dankte, durch den er dem Monarchen eine deutliche Zunahme an Ehre und Ansehen verschafft habe, wie Sigismund es formulierte;1139 die Bedeutung kommt vielmehr in Situationen zum Ausdruck, die eindeutig eine Instrumentalisierung des Rotterdamers durch die Politik in Polen belegen: So wurde ein früherer Brief des Erasmus, den er an den polnischen König gerichtet hatte, gedruckt und vom Herausgeber Stanislaus Hosius1140 dem Krakauer Bischof gewidmet. Hinzugefügt war ein weiterer Brief, den Erasmus im Oktober 1525 an Konrad Pellikan gerichtet und in dem er die zunehmende Entfernung der schweizer Reformatoren von den Dogmen der Kirche

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Dazu: Halina Kowalska, Art. Jan Antonin, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 1, S. 63f. Vgl. z.B. Allen VI, Nr. 1602, S. 153f. (datiert auf 28. August 1525; adressiert an Antonin); Nr. 1660, S. 249-252 (datiert auf 21. Januar 1526; verfasst von Antonin); Nr. 1698, S. 325f. (datiert auf 28. April 1526; adressiert an Antonin). Neben Antonin spielten auch andere Personen eine gewichtige Rolle bei der Verbreitung erasmischer Texte in Polen. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 155: „Jan Laski hatte Erasmus auf den jungen, aus Krakau stammenden Humanisten Stanislaus Hosius aufmerksam gemacht […]. Hosius war zunächst Lehrer am Hof des Krakauer Bischofs Konarski und dessen Nachfolgers Tomicki gewesen und hatte Werken des Erasmus wie ‚De copia‘ und ‚Hyperaspistes‘, die in Krakau nachgedruckt wurden, Lobgedichte auf Erasmus beigefügt.“ Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 154. Erasmus hatte sich zuvor in einem Brief an Sigismund gewandt und – ähnlich früheren Schriften – die Frage des Friedens in der Politik thematisiert. Vgl. dazu Allen VII, Nr. 1819, S. 59-65 (datiert auf 15. Mai 1527). Die Antwort des Königs findet sich bei Allen VII, Nr. 1952, S. 330-332 (datiert auf 19. Februar 1528). Vgl. Halina Kowalska, Art. Stanislaus Hosius, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 2, S. 206f.

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kritisiert hatte.1141 Die Begründung dafür, warum Hosius auch diesen Brief habe veröffentlichen wollen, lieferte er im Vorwort, indem er betonte, „dass er damit den Lutheranern entgegentreten wolle, die ‚durch ihre Schriften ihre Schmähungen auch auf unser Vaterland und unseren Vater des Vaterlands König Zygmunt ausspucken‘[.]“1142 Es handelte sich dabei um eine politisch-religiöse Beeinflussung, die mit Berufung auf die Autorität des Erasmus versucht wurde (– zu diesem Zeitpunkt stand er offensichtlich in höchstem Ansehen in Polen). Da er in seinem Brief an Sigismund zum Frieden gemahnt und direkten Bezug zur Niederlage der Ungarn in Mohács hergestellt hatte, verschlechterten sich seine Beziehungen zwangsläufig zu den Habsburgern in Wien, nicht zuletzt weil der neue polnische König mittlerweile auch zum König über Ungarn erhoben worden war. Aufgrund seiner langjährigen Kontakte zu den Habsburgern sprach sich Erasmus in einem Brief an Antonin besorgt über die Entwicklung aus1143 und versuchte fortan, die Kontakte nach Polen und Ungarn zu reduzieren, um nicht weiter Missfallen in Wien zu erregen. Es gelang ihm, sowohl die Verbindung nach Osten aufrecht zu erhalten als auch seine Integrität in den Augen der Habsburger wieder herzustellen, was sich im Angebot Ferdinands niederschlug, Wien zu besuchen.1144

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Vgl. Allen VI, Nr. 1637, S. 206-212, hier: S. 211, Z. 87-95 (datiert auf ca. 15. Oktober 1525; adressiert an Pellikan): Quorsum autem proficit illis tot veterana orthodoxorum cita tio? Utcunque torquent, involuunt ac fucant illorum dieta, nullum adducunt locum qui palam loquatur ibi non esse corpus et sanguinem Domini. Hortantur ad spiritualem communicationem corporis et sanguinis Domini; quid mirum si hoc commendant quod in utriusque sumptione potius est, et quod nisi accedat, perniciem adfert sumptio carnalis? Obsecro te, quid hic est quur deficiam ab eo quod tot seculis docuit et usurpavit Ecclesia catholica? Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 155. Vgl. auch Kasimir von Miaskowski, Jugend- und Studienjahre des ermländischen Bischofs und Kardinals Stanislaus Hosius, in: Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde Ermlands 19 (1914-16), S. 329-394. Vgl. Allen VII, Nr. 1916, S. 269-271, hier: S. 269, Z. 12-18 (datiert auf 9. Dezember 1527; adressiert an Antonin): Regi cordatissimo non displicuisse litteras gaudeo; aeditas esse nec probo nec improbo. Opinor vobis constare consilii vestri rationem. Mallem praefationes et versiculos omissos, non ob aliud nisi quod laudant invidiosius. De munere extorquendo nolim agi. Videbor enim hoc aucupatus, quum nihil minus cogitarim. Hac in re sum obsecutus animo Ioannis a Lasco, iterum atque iterum eadem ad me scribentis. Vgl. Allen VII, Nr. 2000, S. 404f., hier: S. 405, Z. 47-54 (datiert auf 17. Juni 1528; verfasst von Johann Faber): Regis enim beneficio ac pietate nuper admodum in eiusmodi ordinem redacta sunt omnia, ut omnium professorum stipendia satis opimis auctuariis sint loquupletata; eoque id potissimum consilio, quod Graece, Latine et ex pari Hebraice doctissimi quique, ubi ubi terrarum agant, explosis sophistis ad ista munia obeunda convocentur. Sed quo delabor? Curabitur a me ut Rex ipse propria manu ad te propediem scribat. Vgl. auch Allen

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Eine ähnliche Entwicklung wie die hier geschilderte in Polen ist für den gleichen Zeitraum auch in Spanien zu beobachten – allerdings mit dem Unterschied, dass die Kontaktaufnahme in diesem Fall von Erasmus ausging.1145 Aufgrund der andauernden, teilweise auch zunehmenden Kritiken aus Löwen wandte er sich an Gattinara, den er als Nachfolger Le Sauvages als Kanzler Karls V. kennengelernt hatte.1146 In diesem Brief vom 29. April 1526 klagte er über alles, was ihm zuwiderlaufe:1147 Die deutschen Reformatoren, allen voran Luther, hätten ihn auf das Feindseligste angegriffen und erreicht, dass man in ihm denjenigen sehe, der am meisten dem Evangelium widerspreche;1148 daneben mühe sich schon seit längerer Zeit Jacobus Latomus1149 in unerträglichem Hass gegen ihn und mobilisiere den Dekan der theologischen Fakultät und manch andere gegen ihn, besonders die Mönche;1150 mittlerweile sei es gar so, dass jeder für Luther, aber

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VII, Nr. 2005, S. 412f. (datiert auf 15. Juli 1528; adressiert an Ferdinand); Nr. 2006, S. 413f. (datiert auf 16. Juli 1528; adressiert an Johann Faber). Die entscheidenden Personen im Umkreis Karls V. hatte Erasmus bereits während seiner Zeit in Burgund kennengelernt. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 148: „Am burgundischen Hof in Brüssel war damals der Kreis der spanischen Freunde des Erasmus entstanden, die 1522 den jungen Karl nach Spanien begleiteten. Mit Karl zog gewissermaßen auch Erasmus in Spanien ein, obwohl er Spanien nie besucht hat. Dafür waren hier seine Schriften und deren spanische Übersetzungen präsent.“ Zu Gattinara vgl. John M. Headly, Art. Mercurino Arborio di Gattinara, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 2, S. 76-80. Vgl. Allen VI, Nr. 1700, S. 327f. Ebd., S. 327, Z. 8-15: Declarant esse verissimum quod dicam, Luteranorum in me fremitus. Profitentur et exprobrant libellis rabiosis preter alios Huttenus, Otho Brunsfeldius, postremo Luterus ipse: qui iusto volumine respondit meae Diatribe, sed sic ut antehac in neminem scripserit hostilius, neminem extitisse qui magis obstiterit Euangelio (sic appellant haeresim suam) quam Erasmus. Fatentur hoc cordatissimi quique, neminem magis fregisse spiritus Luteranorum quam me. Latomus hatte wie Erasmus im Collègue Montaigu in Paris studiert, doch – im Gegensatz zu Erasmus – die Scholastik begierig aufgenommen, so dass er nun neben Natalis Beda der erbittertste Kritiker des Erasmus in Löwen war. Vgl. dazu auch: James K. Farge, Art. Jan Standonck, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 3, S. 281f., hier: S. 282. Daneben vgl. Allen V, Nr. 1256, S. 7-12, hier: S. 8, Z. 23-29, Anm. zu Z. 24 (datiert auf 19. Januar 1522; verfasst von Juan Luis Vives, adressiert an Erasmus); Allen VI, Nr. 1717, S. 350-352, hier: S. 350, Z. 7-13 (datiert auf 6. Juni 1526; adressiert an Pirckheimer): Pontifex bis misit mandatum ad Academiam Lovaniensem, ut blaterones illos coher[c]erent, et per Rectorem totius Academiae nomine fieri coeptum: reuersus Latomus cum suo collega presserunt rem. Interim is cui commissa fuerat executio (theologus est), persuasus a Latomi collega, quo nullum animal sceleratius vivit, scripsit clanculum Datario, quod mutarit consilium, excusaret se Pontifici. Allen VI, Nr. 1700 (wie Anm. 62), S. 327, Z. 24-30: Latomus iam pridem implacabili odio laborat, tum in me tum in bonas litteras. Is instigat Decanum et alios, presertim monachos:

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gegen Erasmus kämpfe.1151 Aufgrund seiner Verdienste um die linguarum et bonarum litterarum studia wie auch die Rückbesinnung der Theologie ad fontes entbehre die vielfach geäußerte Kritik jeglicher Rechtmäßigkeit.1152 – Im gesamten Brief ist zu spüren, dass Erasmus die Kritik, die von allen Seiten, insbesondere aber von deutschen Reformatoren und den Theologen in Löwen auf ihn traf, zu viel wurde.1153 Er fürchtete nicht nur um sein eigenes Ansehen, sondern sah zunehmend auch seine Verdienste im theologischen Bereich, die er zweifellos vorzuweisen hatte, gefährdet. Offensichtlich fasste Gattinara den Brief gleichsam als eine Art Hilferuf auf und sicherte im Oktober 1526 – wie kurz zuvor schon Karl V. – seine Unterstützung zu:1154 Der Kanzler wandte sich im folgenden Jahr, als die öffentliche Zusicherung des Beistands auf die Löwener Theologen augenscheinlich noch nicht ausreichend Eindruck gemacht hatte, direkt an die dortige Fakultät und ergriff für Erasmus Partei. Allen sei bewusst, so Gattinara, wie sehr sich Erasmus um die Christiana repub[lica] verdient gemacht habe. Dies zeige sich daran, dass selbst unter den Spaniern, in diesem entfernten Winkel der Welt, kein Name auch nur annähernd gefeiert werde wie der des Erasmus.1155 – Wahrscheinlich noch am gleichen

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quorum immoderatis affectibus nisi monarcharum sapientia frenos iniecerit, recta tendent in exitium linguarum ac politioris litteraturae, et sub spetioso titulo ledentur innoxii. Ebd., Z. 31f.: et pro Lutero pugnat quisquis nunc impugnat Erasmum. Ebd., S. 328, Z. 36-49: Ego, quod negari non potest, excitavi linguarum ac bonarum litterarum studia. Theologiam scholasticam, nimium prolapsam ad sophisticas argutias, ad fontes diuinorum voluminum et ad veterum orthodoxorum lectionem revocavi: mundum pharisaicis ceremoniis indormientem ad veram pietatem expergefacere studui. Nulli factioni me unquam adiunxi, nec ipse factionem ullam collegi. In tot meis lucubrationibus nullum adhuc damnatum dogma possunt ostendere; tametsi sunt qui nonnulla torqueant depraventque ad suspitionem aut calumniam. Verum hic temporum status, quo subinde noua dogmata exoriuntur, – inter que nuper illud, in Eucharistia non esse nisi signum corporis dominici, subito latissime propagatum est, – non prebet ocium talibus cavillationibus; quas vel in Paulinis Epistolis liceat comminisci, si contingat inimicus interpres. Noch am 29. April 1527 klagte Erasmus in einem Brief an Gattinara, dass sich in Löwen ein Franziskaner befinde, der keinerlei Skrupel besitze und fortwährend seinen Ruf beschädige. Vgl. dazu Allen VII, Nr. 1815, S. 53f., hier: S. 53, Z. 28-31: Ecmondano mortuo extitit Lovanii Franciscanus quidam, qui in publicis praelectionibus subinde per stringit nomen meum. Hoc genus hominum neminem metuit; et si quid immineat periculi, mutant sedem et in tuto sunt. Allen hat den hier genannten Franziskaner als Francis Titelmans identifiziert (ebd., Anm. zu Z. 29; vgl. auch Nr. 1823, S. 69f.). Vgl. Allen VI, Nr. 1731, S. 373 (datiert auf 4. August 1526; verfasst von Karl V.); Nr. 1757, S. 420f. (datiert auf 1. Oktober 1526; verfasst von Gattinara). Vgl. Allen VI, Nr. 1784A, S. 459-461, hier: S. 460, Z. 17-19 (datiert auf ca. 10. Februar 1527): Norunt omnes quam sit Erasmus de Christiana repub[lica] benemeritus, ita ut hic apud Hispanos in mundi angulo nullius nomen aeque ab omnibus celebretur.

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Tag informierte er Erasmus über dieses Schreiben und suchte ihn zu beruhigen.1156 Auch längerfristig setzte er sich für Erasmus ein und so beschrieben Ribhegge und Briesemeister die Situation in Spanien in den 1520er Jahren ganz richtig: „Der Aufenthalt Karls V. in Spanien von 1522 bis 1529 und der Einfluss seines Hofs auf das spanische Leben hatten dazu geführt, dass zunehmend Werke des Erasmus ins Spanische übersetzt wurden. ‚Fast zwei Jahrzehnte lang war kein anderer ausländischer Zeitgenosse in Spanien so einflußreich, so begeistert aufgenommen, aber auch so heftig umstritten wie Erasmus von Rotterdam.‘“1157

Tatsächlich war die Zahl der Bewunderer des Erasmus in Spanien groß.1158 Briesemeister hat jedoch auch zu Recht auf zunehmende Kritiken aufmerksam gemacht: Diese wurde nicht nur von Mönchen geäußert, bei denen insbesondere das ‚Enchiridion‘ und die ‚Colloquia‘ für Missfallen gesorgt haben;1159 auch der päpstliche Gesandte in Spanien, Baldassare Castiglione, habe seine Abneigung deutlich gemacht, wie Erasmus mitgeteilt wurde.1160 Dass dies kein Einzelfall war und schon gar nicht ohne Wirkung blieb, hat die Konferenz von Valladolid deutlich gemacht. Im Zentrum der Beratungen, die von der Inquisition initiiert und geleitet wurden, stand die Beurteilung des erasmischen Schriftguts bzw. die sich anschließende Frage, ob seine Ausführungen mit den Dogmen der römischen Kirche in Einklang zu

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Vgl. Allen VI, Nr. 1785, S. 461f. (datiert auf 10. Februar 1527). Dass der vorige Brief mit höchster Wahrscheinlichkeit am gleichen Tag verfasst wurde, geht daraus hervor, dass Gattinara scribo verwandte, um zu betonen, dass er (gerade) auch an die Löwener Fakultät schreibe (ebd., S. 461, Z. 24). Sofern er bereits früher damit begonnen, den Brief aber noch nicht abgeschlossen hätte, wäre wohl an dieser Stelle scribam benutzt worden. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 145. Dietrich Briesemeister, Erasmus und Spanien, in: Buck (Hrsg.), Erasmus und Europa, S. 75-90, hier: S. 75 (zitiert nach Ribhegge, a.a.O.). Vgl. dazu: Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 146. Vgl. Allen VI, Nr. 1742, S. 393-398, hier: S. 397, Anm. zu Z. 176 (datiert auf 1. September 1526; verfasst von Johann Maldonatus). Dass die gleichen Titel aber auch gerade in der Volkssprache großen Erfolg erzielten – was der Hauptanlass für die Kritik von Seiten mancher Mönche gewesen sein dürfte, hat Maldonatus ebenfalls hervorgehoben (ebd., Z. 172-178): In harum gratiam et omnium qui literas Latinas ignorant, plaerique multi eruditi viri laborant in vertendis in linguam nostram opusculis tuis; et iam Enchiridion Hispane loquens prodiit, neque valent typographi multis excussis millibus satisfacere ementium multitudini. Dialogi etiam nonnulli ex Colloquiis Hispani facti volitant per manus virorum foeminarumque. Vgl. Allen VI, Nr. 1791, S. 471-475, hier: S. 473f., Z. 37-43 (datiert auf 13. März 1527; verfasst von Pedro Juan Olivar).

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bringen waren.1161 Da jedoch der Briefwechsel zwischen Erasmus und Karl V., der die Konferenz zum Thema hatte,1162 in der Volkssprache veröffentlicht wurde, war es von kirchlicher, genauer: inquisitorischer Seite nicht mehr möglich, ein Verbot erasmischer Schriften durchzusetzen. Das Vorhaben, den Einfluss des Erasmus innerhalb Spaniens zurückzudrängen, war damit gescheitert und Bataillon hat wohl nicht zu Unrecht die folgenden Jahre bis 1532 als eine erasmische Invasion umschrieben.1163 – Dennoch ist die hier nachweisbare Kritik kein rein spanisches Phänomen gewesen. Auch in Gegenden, in denen seine Texte in großem Stil gedruckt wurden und sich eine große Anhängerschaft befand, stand Erasmus in den 1520er Jahren nicht mehr nur in positivem Licht. Allerdings ist davon auszugehen, dass negative Sichtweisen und Äußerungen in allen Ländern auf Minderheiten, teilweise sogar lediglich auf einzelne Personen zurückzuführen sind. Dennoch ist zweierlei festzuhalten: 1. Die öffentliche Diskussion um die Rechtgläubigkeit und die Integrität des Erasmus fand größtenteils in der Dekade von 1520 bis 1530 statt. Daher ist es nur konsequent, diese Entwicklung insbesondere auf die kirchlichen Reformbestrebungen sowie die Gegenmaßnahmen der Altgläubigen zurückzuführen. 2. Wenngleich nur geringe Personengruppen, gelegentlich nur Einzelne diese Thematik öffentlich aufgriffen, ist die Kritik zumeist in deutlicher Weise geäußert worden. Dass die Wortwahl nicht selten in schärfstem Tonfall erfolgte, wird daran deutlich, dass sie im spanischen Fall sogar zur Untersuchung erasmischer Texte durch die Inquisition führte und Erasmus sich ebenso häufig nicht nur klagend, sondern geradezu hilfesuchend an die (weltlichen) Obrigkeiten der entsprechenden Herrschaftsgebiete wandte. Diese Beobachtungen finden ihre deutlichste Bestätigung im Fall Frankreichs: Ihren Anfang nahmen die Auseinandersetzungen 1525, als Beda sämtliche Fehler, die er in der erasmischen Paraphrase zum Lukasevangelium festgestellt hatte, veröffentlichte.1164 Anzunehmen ist wohl, dass der Anlass durch die immer zahlreicher erschienenen Übersetzungen erasmi-

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Vgl. dazu: Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 147. Es handelte sich dabei um folgende Briefe: Allen VIII, Nr. 1873, S. 158-160 (datiert auf 2. September 1527; adressiert an Karl V.); Nr. 1920, S. 276-278 (datiert auf 13. Dezember 1527; verfasst von Karl V.). Vgl. Bataillon, Érasme et l’Espagne, S. 301: „L’invasion erasmienne[.]“ Ebd., 319: „Mais, en l’espace de deux ou trois ans, Érasme conquérait l’Espagne. L’érasmophilie du public devenait insatiable.“ Vgl. dazu Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 138-144, bes. S. 138.

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scher Texte in die französische Sprache gegeben war,1165 denn Beda kritisierte auch, der volkssprachlichen Leserschaft derartige Inhalte zugänglich zu machen.1166 Dabei stand vermutlich nicht die Vermittlung biblischer Inhalte im Zentrum der Kritik1167 als vielmehr die Befürchtung ähnlicher Entwicklungen wie im Reich.1168 Schließlich hatten sich kurz zuvor die Bauern in Deutschland erhoben und in Paris versuchte man, Ähnliches zu verhindern. Darüberhinaus lässt sich aus diesem Beispiel auch ablesen, welche Autorität Erasmus in den 1520er Jahren in Frankreich ‚noch‘ darstellte und wie gewichtig sein Wort bzw. das in die Volkssprache Übertragene war.1169 Dennoch musste er auf die Vorhaltungen reagieren: Erasmus antwortete Beda auf seine Vorwürfe, führte manche von ihnen ad absurdum und legte damit die Grundlage für einen heftigen Briefwechsel in den Folgemonaten.1170

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Vgl. Allen VI, Nr. 1579, S. 81-86, hier: S. 86, Z. 177-184 (datiert auf 21. Mai 1525; verfasst von Beda): Tui nescio quis amans in Gallicum traduxit eloquium, videlicet Encomium Matrimonii, Orationem Dominicam et Symbolum: si plures sunt, iam non nemini. Versiones autem ipse ad nostram Facultatem fuerunt, ut iam Lutetiae fit, praesentatae, quo sciretur expediret eas imprimi necne. Ad id muneris commissi, quae in ipsis versionibus non sana compererant, palam pro more Facultatis recitaverunt. Quibus auditis obstupuere omnes, tua certe non probantes dogmata. Ebd., S. 85, Z. 154-160: Iam, tuae charitati dico, suis damnis experitur modo dominus Episcopus Melden[sis] quidnam fructus plebs illiterata suae dioeces[is] ex lacobi Fabri sudoribus in eo negocio collegerit. Si vero in Germania rusticis viris et mulierculis religionis incrementum in eam traductae linguam Scripturae contulerint, vos certius nobis nosse potestis: qua de re quid variis locis expertissimus Doctor de Gersono scriptum reliquerit, utinam legere tibi complacuisset. Genau dies nutzte Erasmus auch als Gegenargument, indem er betonte, es sei ihm bislang unbekannt gewesen, dass die Übersetzung biblischer Texte in einzelne Volkssprachen von kirchlicher Seite verboten sei. Vgl. dazu: Allen VI, Nr. 1581, S. 87-107, hier: S. 105, Z. 733f. (datiert auf 15. Juni 1525; adressiert an Beda). Ebd. Deutlich werden daran im Übrigen das Festhalten der Theologen an der lateinischen Sprache und ihr Bewußtsein, dass das Lateinische nicht nur Informationsmedium für einen abgeschlossenen Raum darstellte, sondern daneben auch als Selektions- und Machtinstrument eingesetzt werden konnte. Als Gegenargument lässt sich freilich anführen, die von Beda formulierten Besorgnisse seien lediglich auf die Inhalte erasmischer Texte, nicht aber auf deren Verfasser zurückzuführen. Dem ist jedoch insofern zu widersprechen, als die gleichen Inhalte eines weniger bekannten Autors weder in ihrer Rezeption und Wirkung vergleichbar erfolgreich noch alleiniger Gegenstand längerer Beratungen in der theologischen Fakultät von Paris gewesen wären. Es handelt sich dabei um folgende Briefe: Allen VI, Nr. 1596 (datiert auf 24. August 1525; adressiert an Beda); Nr. 1609 (datiert auf 12. September 1525; adressiert an Erasmus); Nr. 1610 (datiert auf ca. September 1525; adressiert an Beda); Nr. 1620 (datiert auf 2. Oktober 1525; adressiert an dens.); Nr. 1642 (datiert auf 21. Oktober 1525; adressiert an Erasmus); Nr. 1679 (datiert auf 13. März 1526; adressiert an Be-

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Auch wenn hier der Streit nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden soll, so ist ein Resultat bemerkenswert: Beda gelang es in seiner Kritik, die theologische Fakultät der Sorbonne im Frühjahr 1526 dazu zu bringen, die ‚Colloquia‘ des Erasmus zu verurteilen. Ob die Antwort des Erasmus seinen Protest stilistisch überhöhen sollte, ist nicht zu entscheiden – wohl aber, dass er mit allen Mitteln zur Tat schritt. Schließlich, so Erasmus, kämen aber mittlerweile Bücher bei ihm an, die in so bitterem Ton verfasst seien, dass man sie nicht mal mehr mit den Schriften Luthers gegen ihn vergleichen könne.1171 Im weiteren Verlauf versuchte er deutlich zu machen, dass jegliche Kritik an seinen theologischen Fertigkeiten unberechtigt sei – letztlich belege dies bereits seine Ausgabe des Neuen Testaments, die nun schon in einer Anzahl von über 100.000 Exemplaren gedruckt worden sei.1172 Vergleichbar mit der Entwicklung in Spanien suchte Erasmus auch in dieser Auseinandersetzung den Beistand des Landesherrn.1173 Dass Franz I. seine Bitte nach Unterstützung nicht abschlagen werde, wusste er bereits aus dessen, gemeinsam mit Budé angestrengtem Versuch, Erasmus für das neugegründete Collegium trilingue zu gewinnen.1174 „Ausdrücklich nahm Erasmus in dem Brief an den König Louis de Berquin in Schutz, der seine Schriften ins Französische übersetzt hatte und der gleichfalls von den Pariser Theologen angegriffen wurde.“1175 Die Macht der Fakultät

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da); Nr. 1685 (datiert auf 29. März 1526; adressiert an Erasmus). Vgl. auch die Briefe des Erasmus an die theologische Fakultät der Sorbonne – a.a.O., Nr. 1664, (datiert auf 6. Februar 1526); Nr. 1723 (datiert auf 23. Juni 1526) – sowie an das Parlament in Paris (ebd., Nr. 1721). Ebd., Nr. 1723, hier: S. 364, Z. 4-6. Ebd., S. 365, Z. 32f. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 141: „Gegenüber dem Pariser Parlament beklagte sich Erasmus [– vgl. Allen VI, Nr. 1721 –], dass Béda und Cousturier mit ihren ‚wütenden Schriften‘ ihm im Kampf gegen die Lutheraner in den Rücken fielen. Erasmus wusste, dass Franz I. und seine Schwester Marguerite schon früher Angriffe aus dem Parlament und aus der Fakultät auf Erasmus abgewehrt hatten.“ Zu Cousturier vgl.: James K. Farge, Art. Pierre Cousturier, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 1, S. 352f. Ebd., S. 143. Vgl. Allen VI, Nr. 1722, S. 360-363 (datiert auf 16. Juni 1526; adressiert an Franz I.). Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 143. Dass Berquin für die zahlreichen Übersetzungen erasmischer Texte verantwortlich zeichnete, hatte Beda bereits in kritisch-warnendem Ton gemutmaßt. Vgl. Allen VI, Nr. 1579, hier: S. 85, Z. 184-188: Puto interpretem, quem nonnulli suspicantur Ludovicum de Berquin fuisse, tibi, charissime frater, non multum suo contulisse studio; et formidandum ne futura tibi et Fabro sit communis sors cum Magistris nostris, quos a multis certum est male saepius audire. Zu Berquin vgl. auch: Franz Bierlaire / Peter G. Bietenholz, Art. Louis de Berquin, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 1, S. 125-142.

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wie auch die Sorge um den inneren Frieden zeigten sich besonders darin, dass eben dieser Übersetzer 1529 zum wiederholten Male wegen Häresieverdachts angeklagt und in der Folge gehängt wurde. Die daraus ersichtliche Besorgnis des Erasmus und der notwendige Handlungsbedarf veranlassten ihn, sich auch an die Schwester des französischen Königs zu wenden.1176 In welchem Maß sie sich für Erasmus einsetzte, ist nicht eindeutig auszumachen. Franz I. erreichte indes ein Verbot, die ‚Annotationes‘ Bedas, in denen er hauptsächlich seine Angriffe formuliert hatte, weiterhin zu drucken. Dennoch ist die Aussage Ribhegges nicht verfehlt: „Die Fakultät arbeitete weiter gegen Erasmus, Lefèvre und andere Humanisten.“1177 Schließlich beabsichtigten diese, so war die einhellige Meinung unter den Theologen der Sorbonne, das Luthertum in Frankreich einzuführen. – Doch darf die geradezu militante Abneigung gegen die Bestrebungen Luthers sowie die Anhänger des Erasmus nicht darüber hinweg täuschen, dass Erasmus auch noch gegen Ende der 1520er Jahre eine Autorität in Frankreich war und über einflussreiche Fürsprecher verfügte. Neben den Kontakten zu Franz I. und Marguerite von Navarra stand er weiterhin unter Humanisten – und auch unter (hohen) Klerikern – in höchstem Ansehen. Gleichwohl trübten die Auseinandersetzungen mit den Pariser Theologen zunächst diesen Eindruck, doch zeigte sich gerade in diesem Zusammenhang, wie breit doch der Rückhalt des Erasmus in der französischen Öffentlichkeit war. Über die Verbreitung und Kenntnis seines Namens wie auch seiner Schriften lässt sich indes nur mutmaßen. Die Kritik Bedas an französischsprachigen Übersetzungen scheint dabei nicht übertrieben zu sein, sondern darauf hinzudeuten, dass die Rezeption tatsächlich breiter war als oft angenommen. Von einer Art erasmischen Invasion, wie man im spanischen Vergleichsfall sprechen kann, kann hingegen in Frankreich nicht die Rede sein. Angesichts dieser Auseinandersetzungen, die Erasmus mit mehreren Regionen Europas in den 1520er Jahren zu führen hatte, hat Glareanus die Situation gegenüber Zwingli treffend zum Ausdruck gebracht, als er bereits am 23. Januar 1523 bemerkte, Erasmus sei alt und wolle sich ausruhen – die verschiedenen Lager gäben ihm aber nicht die Möglichkeit dazu, sondern versuchten, ihn auf ihre Seite zu ziehen.1178 Es kommt darin die Bedeutung zum Tragen, die Erasmus

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Vgl. Allen VII, Nr. 1854, S. 118 (datiert auf 13. August 1527). Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 143. Vgl. Egli, Zwinglis Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 270, S. 7-10, hier: S. 8, Z. 7-9. Was die Versuche angeht, Erasmus auf die eigene Seite zu ziehen, sei nur exemplarisch auf

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auch nach den anfänglichen Turbulenzen um Luther und nach dem Wormser Reichstag besaß. Wie gesehen, galt dies nicht nur für die deutschsprachigen Reichsteile, sondern auch für andere europäische Regionen – die geschilderten Entwicklungen in Polen, Spanien und Frankreich stellen nur ausgewählte Beispiele dar. Glareanus untermauerte diese Einschätzung noch durch die Aussage, dass Sämtliches, was Erasmus schreibe, in aller Hände sei.1179 1524 sind ebenfalls verehrende Worte nachzuweisen, doch haben sie bereits deutlich an Anzahl abgenommen und stammen meist von denselben Personen.1180 Alles wurde hier überschattet von der Auseinandersetzung mit Luther in der Frage, ob der Mensch von Gott einen freien Willen geschenkt bekommen habe oder nicht. Obwohl Luther darum gebeten hatte, Erasmus möge nicht gegen ihn schreiben, und dies damit begründet hatte, man solle sich nicht gegenseitig vernichten,1181 veröffentlichte Erasmus im September einen Text,1182

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das Schreiben Herzog Georg von Sachsens hingewiesen, der im Mai 1524 erneut Erasmus zur (öffentlichen) Distanzierung von Luther aufrief. Vgl. dazu: Allen V, Nr. 1449, S. 456-459, hier: S. 458, Z. 33f. (datiert auf 21. Mai 1524). Egli [wie Anm. 1178]. So bezeichnete Zwingli ihn in einem Brief an Wendelin Oswald vom 23. Februar 1524 als vir Grece latineque doctissimus (ebd., Nr. 326, S. 148-151, hier: S. 150, Z. 29-31). Thomas Blaurer fasste seine Bewunderung gegenüber Erasmus in einem Schreiben vom 17. November 1523, das an den Rotterdamer gerichtet war, zum Ausdruck (vgl. Allen V, Nr. 1396, S. 347f.). Auch 1525 sind ähnliche Äußerungen zu beobachten, doch wird hier besonders deutlich, dass sie meist von denselben Personen stammen: Michael Hummelberg bezeichnete Erasmus gegenüber Rhenanus am 8. Mai als unicum literatorum decus und als ille heros praeclarus (vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 238, S. 329). Gegenüber Vadian drückte Zwingli am 28. Mai seinen Wunsch aus, Erasmus hätte eine seiner Schriften übersetzt (vgl. Egli, Zwinglis Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 371, S. 331-334, hier: S. 334, Z. 2f.). Im September sprach sich Hummelberg wiederum über Erasmus aus und nannte ihn in einem Brief an Rhenanus die gloria eruditorum (vgl. Horawitz / Hartfelder, a.a.O., Nr. 242, S. 338f., hier: S. 339). Jakob Bedrot gestand gegenüber Ambrosius Blaurer: Deus fortassis συνεργάσεται, ut Erasmice loquar. Vgl. dazu: Badische Historische Kommission, Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer, Bd. 1, Nr. 104, S. 132f. (datiert auf 19. März 1526). Vgl. Allen V, Nr. 1143, S. 444-447, hier: S. 447, Z. 67-70 (datiert auf ca. 15. April 1524): Quem si distulerit tibi Dominus dare, interim a te peto ut, si aliud prestare non potes, spectator sis tantum tragoediae nostrae, tantum ne socieris et copias adiungas adversariis, presertim ne edas libellos contra me, sicut nec ego contra te edam. Der Text wurde im Herbst 1524 bei Froben in Basel gedruckt und noch im gleichen Jahr erfolgten Ausgaben bei Hillen in Antwerpen und Cervicornus in Köln (vgl. Allen XII, S. 17). Dies betonte Erasmus auch am 4. September 1524 gegenüber Hein-

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der sich – wie bereits aus dem Titel ‚De libero arbitrio‘ hervorging – mit dem freien Willen des Menschen befasste. Erasmus nannte die Schrift zudem eine ‚diatribe‘, wollte diese daher nicht als Dialog mit Luther, sondern als Abhandlung verstanden wissen – genauer gesagt: Er wollte sich nicht mit sämtlichen Positionen Luthers befassen, sondern einzig die Frage nach der Willensfreiheit thematisieren. „Erasmus wog die Fragestellung am Beispiel zahlreicher Autoren und unter Auslegung vieler Bibelstellen aus dem Alten und Neuen Testament ab. Er kam zu dem Ergebnis, dass Gott dem Menschen ein Moment von Freiheit gelassen habe […]. Denn wozu sei der Mensch gut, wenn Gott ihn nur bearbeite wie der Töpfer den Ton oder der Bildhauer einen Stein?“1183

Um rasch eine möglichst breite Unterstützung seiner Ansichten zu gewinnen, sandte er den fertigen Text an Korrespondenten in England, Polen und dem Vatikan.1184 Diese Maßnahme scheint vor dem Hintergrund der einsetzenden Kritik, die insbesondere von deutschen Reformatoren und Luther-Anhängern geäußert wurde, mehr als notwendig gewesen zu sein. Bereits am 6. September 1524 schrieb Erasmus an Spalatin, dass Luthers Verschwörer, nachdem ihm (öffentlich) widersprochen worden sei, dessen Werk fortsetzten.1185 Auch seien sie damit beschäftigt, wütende Schriften zu verfassen, so als ob sie ohne Titel und ohne Erdachtes auskämen, und Lehrsätze einzustreuen, so als ob dadurch das Evangelium zu verteidigen wäre.1186 Man möge zwar einwenden, derartiges Geschrei trage nichts zum Evangelium bei, doch gerade die Anführer der Bewegung wie Capito, Hedio, Oekolampad und Zwingli unterstützten dieses Geschrei.1187 – Dass Erasmus mit seiner ‚diatribe‘ endgültig mit zahlreichen Reforma-

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rich VIII. (Allen V, Nr. 1493, S: 541, hier: Z. 4f.): Iacta est alea, exiit in lucem libellus De libero arbitrio; audax, mihi crede, facinus, ut nunc res habent Germaniae. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 131. Vgl. auch Erasmus von Rotterdam, Vom freien Willen, übers. von Otto Schumacher, 7. Aufl., Göttingen 1998; Greta Grace Kroeker, Erasmus and the Freedom of Will, in: Kaufmann / Schubert / von Greyerz (Hgg.), Frühneuzeitliche Konfessionskulturen, S. 249-261. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 131. Vgl. Allen V, Nr 1497, S. 550f., hier: S. 551, Z. 5f.: Contempto Luthero suum agunt negocium coniurati. Ebd., Z. 10f.: Scribunt libellos furiosos absque titulis, aut fictis, et addunt dogma, sic esse defendendum Evangelion. Ebd., Z. 13-15: Dices, Rabule sunt nihil ad Evangelion. Sed hos rabulas fovent duces, Capito, Hedio, Oecolampadius, Zwinglius.

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toren brach, ist in verschiedenen Briefen zu beobachten.1188 Allerdings scheint die Entwicklung zwangsläufig auf diesen Bruch hinausgelaufen zu sein, schließlich hatte Luther ihm bereits im April 1524 vorgeworfen, den Papisten zuliebe von ihm abgerückt zu sein.1189 Im Übrigen weisen schon kleine Briefdetails auf die sehr angespannte Lage hin: Die übliche Anrede, die selbst unter Fremden oder gar Kritikern gebräuchlich war, ist hier möglichst knapp gehalten und beschränkt sich auf die Worte: Lutherus Erasmo.1190 – Zum Vergleich: Selbst Beda begann in Zeiten heftigster Auseinandersetzung seine Briefe an Erasmus etwa mit folgender Höflichkeit: Eruditissimo viro ac domino domino Erasmo Roterodamo, mihi in Christo charissimo. Salve, doctissime vir.1191 – Luthers Reaktion wurde bekanntlich ein gutes Jahr später veröffentlicht.1192 Indem er libero im erasmischen Titel durch servo ersetzte, war schon durch die Überschrift klar, dass er eine konträre Position vertrat.1193 Da Luther gegenüber Spalatin geäußert hatte, es sei nicht in Worte zu fassen, was für einen Ekel er in Bezug auf die ‚diatribe‘ empfinde,1194 kann bereits auf die Schärfe seiner Antwort geschlossen wer-

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So vertrat Justus Jonas noch am 11. November 1525 gegenüber Graf Albrecht von Mansfeld die Ansicht, dass die Diatribe des Erasmus dem Evangelium deutlich widerspreche (vgl. Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas, Nr. 93, S. 95). Sogar im Frühjahr 1526 ist die Auseinandersetzung zwischen Erasmus und Luther noch Briefthema: Selbst jetzt noch konnte sich Zwingli darüber echauffieren, dass Erasmus derart zügellos gegen Luther geschrieben habe (vgl. Egli, Zwinglis Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 459, S. 542-544, hier: S. 544, Z. 1-3; datiert auf nach 7. März 1526; adressiert an Vadian). Wenn Bugenhagen gegenüber Oekolampad gestand, er habe eine Untersuchung zu verfassen beabsichtigt, die deutlich mache, wie gottlos Erasmus geschrieben habe, bevor er sich mit dem freien Willen auseinandergesetzt habe, so darf dieses versteckte Lob als Ausnahme gewertet werden (vgl. Vogt, Dr. Johannes Bugenhagens Briefwechsel, Nr. 9, S. 20f, hier: S. 21; datiert auf 6. Oktober 1526). Vgl. Allen V, Nr. 1443, hier: S. 445, Z. 4-8: Primum nihil causor quod alieniorem te erga nos habueris, quo magis esset tibi integra et salva causa tua contra hostes meos Papistas. Denique non aegre tuli admodum quod editis libellis, in aliquot locis pro illorum gratia captanda aut furore mitigando, nos acerbiuscule momorderis et perstrinxeris. Ebd., S. 445. Vgl. Allen VI, Nr. 1685, hier: S. 298. Luther hatte beabsichtigt, eine Antwort zeitnah herauszubringen, wurde jedoch aufgrund des Bauernkrieges zunächst daran gehindert. Vgl. dazu: Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 132. Vgl. WA Schriften 18, S. 551-599. Vgl. WA Briefe 3, Nr. 789, S. 367f., hier: S. 367, Z. 29-31 (datiert auf 1. November 1524): Incredibile est, quam fastidiam libellum de lib[ero] arbi[trio]; necdum vltra ii quaterniones eius legi; Molestum est, tam inerudito libro respondere tam eruditi viri. Luther gab als Datum feria 3 omnium Sanctorum 1524 (ebd., Z. 32) an, was weder auf den 1. No-

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den.1195 Indirekt sprach er Erasmus den Glauben ab, indem er ihm vorwarf, dass Christus kein einziges Mal Erwähnung finde, so als ob ein christlicher Glaube ohne Christus auskommen könne.1196 „Luther argumentierte persönlich und verletzend und zweifelte selbst die Frömmigkeit und Gläubigkeit des Erasmus an. […] Für Luther berührt[e] die Frage der Willensfreiheit einen zentralen Punkte seiner Rechtfertigungslehre und der Theologie des Verhältnisses von Gott und Mensch.“1197 Aus diesem Grund ist seine heftige Reaktion verständlich – genauso wie die innerhalb von zehn Tagen niedergeschriebene Antwort des Erasmus, die unter dem Titel ‚Hyperaspistes‘ erschien.1198 Der erste Band dieses Textes erschien 1526, der zweite 1527.1199 Spätestens mit dieser neuerlichen Reaktion des Erasmus drängt sich der Eindruck auf, es ginge nur noch um persönliche Auseinandersetzungen zwischen Erasmus und Luther

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vember 1524 hinweist noch auf die Datierung Ribhegges (Erasmus von Rotterdam, S. 132), der vom 12. November 1524 ausging, da Allerheiligen auf den 1. November terminiert ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich um den Dienstag (feria tertia) nach Allerheiligen, d.h. um den 3. November handelt. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 132: „Wie stark Luther die Kritik getroffen hatte, zeigte sich daran, dass sich fast ein Drittel seines Textes mit der Persönlichkeit des Erasmus befasste.“ Gegenüber Spalatin bezeichnete er Erasmus gar als Viper. Vgl. WA Briefe 4, Nr. 989, S. 41f., hier: S. 42, Z. 28f. (datiert auf 27. März 1526): Praeterea vipera illa irritata iterum in me scribit Erasmus Rot. Vgl. WA Schriften 18, hier: S. 609, Z. 15-21: Sed illud magis est intolerabile, quod caussam hanc liberi arbitrii inter ea numeras, quae sunt inutilia et non necessaria, Et loco eius nobis recenses, quae ad pietatem Christianam satis esse iudices, qualem formam certe describeret facile quilibet Iudaeus aut gentilis Christi prorsus ignarus, nam Christi ne uno quidem iota mentionem facis, ac si sentias, Christianam pietatem sine Christo esse posse, tantum si Deus natura clementissimus totis viribus colatur. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 133. Vgl. Allen VI, Nr. 1691, S. 313f., hier: S. 313, Z. 9-11 (datiert auf 16. April 1526; adressiert an Herzog Georg von Sachsen): Ceterum nunc prodiit Hyperaspistes Diatribae decendio absoluta; in qua certe cura summa civilitate refellis illius calumnias et sycophantias, tua fortiter defendens. Vgl. auch WA Briefe 4, Nr. 989, S. 41f., Anm. 10: „Am 13. März versandte Erasmus Exemplare seines Hyperaspistes I an Michael Boudet und Natalis Beda […]. In den Begleitschreiben bemerkte er, die Gegner hätten ihn mit Luthers De servo arbitrio auf der Frankfurter Frühjahrsmesse überraschen wollen, so daß eine Entgegnung von ihm erst auf der Herbstmesse hätte erscheinen können, und sie unterdes menses aliquot impune hätten triumphieren können. Aber ein Freund [Simon Pistoris?] hätte ihm aus Leipzig ein Exemplar zugesandt, freilich immerhin so spät, daß ad legendum, respondendum et excudendum kaum 12 Tage zur Verfügung gestanden hätten (Allen 6, 284, 16 –20. 287, 74 –78). In einem Briefe an Emser c. 19. März bezeichnet Erasmus die von ihm trotz Müdigkeit und Krankheit und von Froben und dessen Personal vollbrachte Leistung als ‚unglaublich‘; Froben habe auf 6 Pressen Tag für Tag tres ogdoadas paginarum, d. h. 3 Oktavbogen = 24 Oktavblätter (das 156 Oktavblätter zählende Werkchen also in c. 6 Tagen) gedruckt (Allen 6, 295, 12 ff.).“ Vgl. Allen VI, Nr. 1667, S. 262f. (datiert auf 20. Februar 1526; adressiert an die Leser des ‚Hyperaspistes‘).

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und bei weitem nicht mehr vorrangig um thematische Erörterungen.1200 Deutlich wird dies einerseits daran, dass Luther auf Briefebene direkt Erasmus antwortete, um sowohl möglichst schnell zu reagieren, als auch die Auseinandersetzung aus dem öffentlichen Bereich ins ‚Private‘ zu ziehen, um weiteren Schaden von seiner Person abzuwenden.1201 Andererseits verdeutlicht dies aber auch der Inhalt jenes Briefes, der wiederum die Antwort des Erasmus war: Darin machte er u.a. den Vorwurf, Luther rufe durch sein arrogantes, beleidigendes und Verwirrung stiftendes Verhalten nur Spaltungen hervor. Er unterstrich dies zusätzlich mit der Unterstellung, Luther stürze nicht nur den geistlichen Bereich ins Chaos, sondern auch den weltlichen, womit er Bezug nahm auf die Unruhen des Bauernkrieges.1202 – Gerade in den Anfeindungen aus Spanien oder von den Pariser Theologen wandte sich Erasmus auch an die weltlichen Herrscher, um nach Unterstützung zu suchen. Im Fall Luther hingegen schrieb er den sächsi-

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Wie heftig die Auseinandersetzung war, ist auch der erasmischen Korrespondenz zu entnehmen: Gegenüber Wimpfeling beschrieb Erasmus am 25. November 1524 seine Wandlung vom Gelehrten hin zum Kämpfer. Vgl. dazu: Allen V, Nr. 1517, S. 581, hier: Z. 3: Vides me ex musico retiarium esse factum. Vgl. WA.Briefe, Bd. 3, Nr. 729, S. 270f. Die Datierung auf 18. April ist hier zwar als unsicher gekennzeichnet, dürfte aber wohl vordatiert werden, da Erasmus am 11. April (vgl. nächste Anm.) darauf Bezug nahm. – Ähnlich wie Luther die öffentliche Kritik fürchtete, schrieb auch Erasmus in seiner Auseinandersetzung mit der theologischen Fakultät der Sorbonne den dortigen Professoren, dass er sich dafür öffentlich bedanken wolle, wenn die Kritik im Privaten geäußert werde. Vgl. dazu: Allen VI, Nr. 1664, hier: S. 258, Z. 10-12: Haec qualiacunque sunt, si privatim ad me scripsisset, et pro recte notatis et pro perperam notatis habiturus eram gratiam. Gegenüber Beda bat er sogar um Kritik an seinen Schriften – allerdings um private Kritik. Als Gegenleistung wolle er sich im Vorwort bei Beda bedanken. Vgl. dazu: Allen VI, Nr. 1571, S. 65-69, hier: S. 68, Z. 19-24 (datiert auf 28. April 1525): Nunc apparo quartam editionem. Quod si non gravaberis indicare quid merito possit offendere doctos ac bonos, apud me sane magnam inieris gratiam; idque scriptis etiam testatum efficiam, mihi tuum officium fuisse gratissimum. In quo si te candidum praestabis et integrum, exosculabor synceritatem Christiano theologo dignam: sin asperius et inimicius id feceris, tamen boni consulam. Die gleiche Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Kritik thematisierte Erasmus auch gegenüber Nikolaus Everard. Vgl. dazu Allen V, Nr. 1469, S. 498-505, hier: S. 504, Z. 213-221 (datiert auf 26. Juli 1524): Obiicit ex privatis ad quendam literis, quod parum honorifice meminerim duorum honorabilium virorum Egmondi et Hulsti. Res ipsa docuit quam sint honesti; alteri est ademptus gladius, alter vix effugit iudicium. Ecmondanum novi: verum non ego solus. Et populus novit non minus stultum quam insanum. Hulstum vidi tantum, sed et hunc nosse potui, quemadmodum novimus Phalaridem ac Neronem. Hi quum tribus verbis leviter attacti sint in epistola privatim scripta, quid erat necesse libello vulgato traducere, quorum famae tam tenere metuit? Zu Everard vgl. James D. Tracy, Art. Nicolaas Everaerts, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 1, S. 446f. Vgl. Allen VI, Nr. 1688, S. 306f., hier: S. 307, Z. 28-40 (datiert auf 11. April 1526).

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schen Kurfürsten an, der bekanntlich eine Schutzpolitik Luthers veranstaltete, um ihm die Verfehlungen seines Untertans aufzuzeigen: Zahlreiche Schmähungen habe er über sich ergehen lassen müssen; nun aber werde in Luthers Werk, das in 12.000 Exemplaren europaweit vertrieben werde, auch noch der Eindruck vermittelt, Erasmus lästere Gott und die Bibel.1203 Aufgrund dieser Unterstellungen bitte er den Kurfürsten darum, Luther in die Schranken zu weisen.1204 „Erasmus’ Appell an den Kurfürsten blieb wirkungslos. […] Dagegen drängte Johanns Vetter Herzog Georg Erasmus, den Kampf gegen Luther fortzusetzen.“1205 Welche Kreise die Auseinandersetzung zwischen dem Führer der Reformation und dem Fürst der Humanisten zogen, wird daran deutlich, dass auch englische Freunde Erasmus dazu drängten, weiter gegen Luther zu schreiben: Insbesondere Thomas Morus zeigte ihm den Handlungsbedarf auf und gestand, er werde es in keinster Weise nachvollziehen können, wenn Erasmus den Kampf seinerseits beenden werde.1206 Doch gab Ribhegge die Reaktion treffend wider: „Erasmus dachte nicht daran, sich, wie More es mit seinen Schriften gegen die englischen Protestanten tat, in das Schlachtengetümmel zwischen Häretikern und Anti-Häretikern einzureihen.“1207 Wohl auch um derartige Auseinandersetzungen zu vermeiden, in denen ihm Beilegung oder gar Einigkeit nicht möglich schienen, entschied sich Erasmus stattdessen, sich ab sofort wieder stärker seinen Schriften widmen zu wollen. Zahlreiche Veröffentlichungen sind nach dem Streit um den freien Willen des Menschen nachzuweisen, die bis 1530 jährlich etwa in gleicher Anzahl erschienen. So wurde eine Neuausgabe der ‚Colloquia‘ gegen August / September 1524 zum Verkauf angeboten.1208 Neben den Schriften, die sich direkt mit der Willens-

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Vgl. Allen VI, Nr. 1670, S. 267-272, hier: S. 271, Z. 69-72 (datiert auf 2. März 1526; adressiert an Kurfürst Johann von Sachsen): Ille libris iam nunc in duodecim milia exemplariorum propagatis scribit me non credere Deum esse, scribit me ridere Scripturas sacras; iudicans interim de aliena conscientia, quod est solius Dei. Ebd., Z. 77-80. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 134. Vgl. Allen VI, Nr. 1770, S. 441-443, hier: S. 442, Z. 23-26 (datiert auf 18. Dezember 1526): Sin id est in causa quod quidam ferunt, periculi metum eius operis meditationem excussisse tibi, ne audeas ulterius progredi, nec satis mirari possum nec dolori meo moderati. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 134. Diese Ausgabe wurde von Froben hergestellt (vgl. Allen V, Nr. 1476, hier: S. 510f.) 1526/27 erfolgte ein Nachdruck bei Colineus in Paris (vgl. Allen VII, Nr. 1875, hier: S. 165) sowie 1529 wieder bei Froben (vgl. Allen VIII, Nr. 2103, hier: S. 100; Nr. 2229, hier: S. 295). Die nachweislich letzte Ausgabe der ‚Colloquia‘ zu Lebzeiten des

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freiheit beschäftigten, und jenen, die 1524 neu aufgelegt wurden, erschienen im Erstdruck die Titel ‚De immensa Dei misericordia concio‘1209, ‚Exomologesis sive de modo confitendi‘1210, ‚Modus orandi Deum‘1211 und die ‚Peregrinatio apostolorum Petri et Pauli‘1212. Leicht drängt sich bereits anhand der Titel der Eindruck auf, dass sich Erasmus nur noch auf theologischem Gebiet aufhielt. Das ist jedoch nur bedingt zutreffend, da er zugleich Neuausgaben – teilweise in überarbeiteter Form – genuin humanistischer Texte arrangierte, die ebenfalls erschienen.1213 Richtig ist jedoch in jedem Fall, dass nicht nur der Streit mit Luther, sondern ganz allgemein die religiös aufgeladene Atmosphäre Erasmus auch weiterhin dazu veranlasste, nicht nur theologisch-exegetische Texte zu verfassen, sondern auch seelsorgerlichkathechetische. Die Fragen nach dem wahren Glauben und der richtigen Lehrmeinung hat die Öffentlichkeit sehr stark bewegt und so verwundert es auch nicht, dass Erasmus Lehrtraktate, wie etwa den genannten Titel ‚Modus orandi Deum‘, niederschrieb.1214 Ein ähnliches Bild vermitteln die veröffentlichten Schriften der folgenden Jahre bis 1530.1215 Seine Tätigkeit zeigt sich exemplarisch auch in einem

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Erasmus erschien bei Froben im September 1531 (vgl. Allen IX, Nr. 2566, hier: S. 373). Vgl. Allen V, Nr. 1456, hier: S. 475. Vgl. Allen V, Nr. 1426, hier: S. 411. Froben druckte die Schrift 1530 nach (ebd.). Vgl. Allen V, Nr. 1502, hier: S. 559. Vgl. Allen V, Nr. 1414, hier: S. 390f. Dazu gehören folgende Titel: Der ‚Catalogus omnium Erasmi lucubrationum‘ (Erstdruck 1523), die ‚Grammatica institutio‘ des Theodor Gaza (Erstdruck 1516), die ‚Opera Omnia‘ des Hieronymus (Erstdruck 1516), der ‚Commentarius in Nucem Ovidii’ (Erstausgabe) sowie der darin erschienene ‚Commentarius in duos hymnos Prudentii‘. Ähnlich sind die neutestamentlichen Paraphrasen einzuordnen, die in Erstausgabe oder Nachdruck 1524 erschienen. Hier sind die Paraphrasen zu folgenden Büchern zu nennen: Apostelgeschichte (vgl. Allen V, Nr. 1418, hier: S. 599), Timotheusbrief (vgl. Allen IV; Nr. 1043, hier: S. 123), Jakobusbrief (ebd.). Für 1525 ist mit der ‚Lingua‘ nur ein Erstdruck belegt; für 1526 folgende Titel: ‚Christiani matrimonii institutio‘, ‚Detectio praestigiarum cuiusdam libelli‘, ‚Hyperaspistes‘, ‚Responsio ad epistolam paraeneticam Alberti Pii‘; für 1527: ‚Supputatio calumniarum Natalis Bedae‘; für 1528: ‚Ciceronianus‘, ‚De recta Latini Graecique sermonis pronuntiatione‘, ‚Deploratio mortis Ioannis Frobenii‘; für 1529: ‚Annotationes in leges pontificias et caesareas de haereticis‘, ‚De pueris instituendis‘, ‚Paraphrasis in Elegantias Vallae‘, ‚Responsio ad collationes cuiusdam iuvenis Gerontodidascali‘, ‚Responsio aduersus febricitantis cuiusdam libellum‘, ‚Vidua christiana‘. Unabhängig von den Anlässen, die zur Erstellung der einzelnen Texte geführt haben, ist bereits an den Titeln erkennbar, dass sich Erasmus mit diesen gleichermaßen dem theologischen wie humanistischen Bereich annahm. Dies lässt

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Brief an Ferry de Carondelet1216: Darin bat Erasmus um Zusendung aller alten Codices, die sich in irgendeiner Bibliothek fänden und insbesondere die Evangelien oder apostolischen Briefe enthielten. Zum Dank werde er ihn im Vorwort einer aus den Codices resultierenden Veröffentlichung namentlich nennen.1217 Hatte Erasmus zuvor Unterstützer und Gönner durch seine Widmungsreden geehrt, ging er nun offensichtlich dazu über, all jene Personen in seinen Vorreden hervorzuheben, die ihm in irgendeiner Weise Beistand gewährt hatten. Der Vorteil war, dass er dadurch gleich mehrere Personen nennen konnte, was in Zeiten größter Kritik nicht von Nachteil war.1218 Schließlich hielt die Kritik an seinen Schriften und Positionen, wenn auch etwas vermindert, doch weiterhin spürbar an. Gegenüber Morus klagte er am 30. März 1527 über eben jene Kritik, woraus nun die

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die Schlussfolgerung zu, dass er sowohl tagesaktuelle Fragen mit eigenen theologischen, teilweise deutlich kathechetischen Texten zu behandeln suchte, als sich auch auf seine humanistischen Interessen zurückbesann. In den Jahren zuvor, etwa seit 1516, waren die meisten, zumindest seiner prominentesten Schriften theologischen Inhalts. Dass jedoch nicht der Eindruck ensteht, humanistische Texte hätten keinen Gegenwartsbezug aufzuweisen, sei nur auf den ‚Ciceronianus‘ hingewiesen: Die Zeit in Basel wurde für Erasmus nicht zuletzt wegen einer neuen Form humanistischer Ausrichtung, die er nicht gutheißen konnte und die er meinte, bekämpfen zu müssen, schwieriger. In dieser Entwicklung verfolgten einige Humanisten die Absicht, die Bildung von ihren Inhalten loszulösen. Vgl. dazu Ribhegge, Die Korrespondenz des Erasmus, S. 383: „Diese Form des Humanismus, die sich in der Hingabe an die alten Literaturen und antiken Sprachen erschöpfte, hat Erasmus in einem seiner späten Dialoge, dem ‚Ciceronianus‘ von 1529, gewitzt und ironisch bekämpft und der Lächerlichkeit preisgegeben.“ Die schriftstellerische Tätigkeit in den Jahren von 1525 bis 1529 spiegelt sich auch in zahlreichen Neuauflagen wider. Auch wenn Erasmus einige seiner Bestseller wie die ‚Adagia‘ und das Neue Testament neu auflegte, so wurden diese nach Peter Schenks Auffassung doch noch von den ‚Colloquia familiaria‘ übertroffen (Erasmus von Rotterdam, S. 395). In diesen vertraulichen Gesprächen brachte Erasmus seine gesamte humanistisch-christliche Gedankenwelt zum Ausdruck, wobei er auch gegen Kirche, Mönchsorden und die theologischen Gegner aus Löwen wetterte (ebd.). Vgl. Peter G. Bietenholz, Art. Ferry de Carondelet, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 1, S. 271f. Vgl. Allen VI, Nr. 1749, S. 411f., hier: S. 411, Z. 11-14 (datiert auf 7. September 1526): Si quid ista bibliotheca haberet veterum exemplarium, praesertim in Evangeliis et Apostolicis Epistolis, pergratum facies si miseris. Dabitur hoc pacto occasio celebrandi et tui Collegii et tui proprie nominis. So handhabte Erasmus es u.a. auch in der vierten Auflage des von ihm erstellten Neuen Testaments. Vgl. dazu: Allen VI, Nr. 1794, S. 477-479, hier: S. 478, Z. 10-14: Emisimus iam quartum Novum Testamentum cum Annotationibus: in quibus relegendis comperi me locis compluribus honorificentissimam tui facere mentionem. Scio tibi plus deberi laudis, nec ignoro nihil opus nostram lucernulam in tuae gloriae solem intulisse.

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Konsequenz erwachsen sei, dass die höchsten Prälaten ihn fürchteten, die geringsten aber – wörtlich – auf ihn kackten und pissten.1219 Der gesamte Brief thematisiert die Kritik aus Paris, Löwen, Spanien und Polen, die auf Erasmus einschlug.1220 Geradzu beruhigt hob er hervor, dass wenigstens in Rom keine Schriften gegen ihn veröffentlicht werden.1221 Das Resultat bestand für Erasmus darin, dass er der Anführer keiner Partei sein und letztlich auch niemandem Genüge leisten könne.1222 Insbesondere seit der Auseinandersetzung mit Luther und Kritiken aus anderen Regionen Europas war Erasmus nicht nur umstritten, sondern manchen Lagern gar verhasst. Daher verwundert es auch, wenn bereits im November 1526 Ambrosius Blaurer seine Befürchtung in Worte fasste, das Werk des Erasmus drohe zerstört zu werden.1223 Ähnlich prophezeiten Johannes Bugenhagen und Justus Jonas in einer gemeinsamen Denkschrift im Juli 1527, Luther werde gegen Erasmus schreiben, damit dieser seine Skepsis ablege und sich auf andere Themen konzentriere.1224 Dass diese Situation für Erasmus nicht nur im Frühjahr und Sommer 1527 vorlag, wird an einem Brief deutlich, den er auf den Tag genau zwei Jahre nach der Klage gegenüber Morus in ganz ähnlichem Ton an Ludwig Baer1225 richtete: Keine Gruppe, so klagte Erasmus, empfinde keinen Hass gegen ihn. Unter

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Vgl. Allen VII, Nr. 1804, S. 5-14, hier: S. 13, Z. 258-260: A summis orbis presulibus timeor, ab hominibus abiectissimis conspuor, concacor et commingor. Ebd., S. 7, Z. 70: item aliis nonnullis que clam moliuntur Theologi Lutetiae; S. 11, Z. 206209: At ego declaravi Theologis Lovaniensibus in tam parvo libello inesse supra septuatginta splendida mendacia, preter convicia plusquam scurrilia. Nec pauci sunt Lovanii tenebriones qui quicquid collibuit in me scribunt; S. 10, Z. 180-184: Ab hoc gradu pergerent ad funditus abolendas bonas litteras. Tragoediam Hispaniensem cognosces ex epistola Maldonati. Puta similem aut atrociorem fuisse in Polonia. Res geritur cum conspiratione gentium Pharisaicarum. Ebd., S. 13, Z. 257f.: Rome tamen non audent quicquam excudere in Erasmum. Quod fatum meum! Ebd., S. 7, Z. 36f.: Ego nullius humanae factionis dux esse possum; S. 9, Z. 136f.: Sed ut ad rem: in hoc fatali tumultu, in quo vix ulli queas satisfacere, decreveram quod esset ocii, recognoscendis lucubrationibus ac vertendis Grecorum commentariis impendere, iamque diu flagitatum opus De ratione concionandi absolvere. Vgl. Egli, Zwinglis Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 545, S. 757f., hier: S. 758, Z. 1-3 (datiert auf 4. November 1526; adressiert an Zwingli). Vgl. Vogt, Dr. Johannes Bugenhagens Briefwechsel, Nr. 22, S. 64-73, hier: S. 73. Der Titel der Denkschrift lautete ‚De tentationibus et infirmitate D. M. Lutheri non contemnenda historia scripta a D. Joanne Bugenhagio Pomerano et D. Justo Jona‘ (ebd., S. 64). Zu Baer vgl.: Peter G. Bietenholz, Art. Ludwig Baer, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 1, S. 84-86.

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all diesen Feinden seien jedoch die Dominikaner die erbittertsten.1226 – Allerdings muss hier auch betont werden, dass Erasmus sich an einen Basler Bürger wandte und ihm jene Stimmung schilderte, die hauptsächlich mittlerweile im Reich und dort insbesondere unter Reformatoren vorherrschte. Allein der spanische Fall zeigte, dass sich sein Name und sein Ansehen in anderen Ländern Europas fundamental unterscheiden konnten. So verwundert es nicht, dass er immer wieder auch ehrfürchtige Bitten um Freundschaft und Kontakt erhielt.1227 1530 hatte Erasmus – vielleicht auch aufgrund seines Umzugs von Basel nach Freiburg1228 – offensichtlich neuen Mut gewonnen und war nicht zuletzt durch die Euphorie in Spanien auch im Reich deutlich rehabilitiert.1229 Während Erasmus über die zahlreichen Anfeindungen klagte, erreichten ihn mehrere Briefe, die vom Triumph seiner Schriften und Gedanken in Spanien berichteten.1230 Auch durch diese Botschaft gewann er die Kraft, gegen Kritiker vorzugehen. Im Februar 1530 wandte er sich an die Franziskaner und griff sie heftig an, indem er ihnen vorwarf, die meisten von ihnen hätten nur zu hassen gelernt.1231

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Vgl. Allen VIII, Nr. 2136, S. 116-122, hier: S. 118, Z. 80-83: Nulla est secta quae me non capitaliter oderit, sed horum praecipue qui Dominicum corpus nobis auferre conantur: et tamen apud episcopos quosdam ac principes insimulor, quasi cum illis colludam. So etwa auch 1527 von Juan de Vergara: vgl. Allen VII, Nr. 1814, S. 40-52 (datiert auf 24. April 1527). Der Umzug hat Mitte April 1529 stattgefunden. Vgl. dazu: Allen VIII, S. xxviii. Die Gründe für den Umzug waren (Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 158): „Das politische Klima in der Stadt änderte sich, als Oekolampad und der Guardian der Franziskaner Pellican, beide frühere Mitarbeiter des Erasmus, sich den Lutheranern anschlossen. […] Die öffentliche Meinung in Basel war seit der Mitte der 1520er-Jahre zwischen Katholiken und Lutheranern gespalten, und es kam immer häufiger zu Konflikten. Erasmus lehnte es ab, sich für die reformatorische Bewegung instrumentalisieren zu lassen. Im Frühjahr 1529 kam es zum Bruch.“ Das Ansehen des Erasmus wird nicht zuletzt auch an seiner Umgebung in Basel deutlich: Vor dem Bruch aufgrund konfessioneller Differenzen hatte er beste Kontakte zu den Professoren, dem Basler Bischof und der Frobenschen Offizin (Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 158). Vgl. Allen VII, Nr. 1899, S. 222-225 (datiert auf 7. November 1529; verfasst von Conrad Gochlenius); Nr. 1908, S. 252-255 (datiert auf 29. November 1527; verfasst von Johann Maldonatus). Vgl. Allen VIII, Nr. 2275, S. 363-366, hier: S. 365, Z. 67-69 (datiert auf Februar 1530). Neben diesem Text deuten auch die 1530 in Erstausgabe veröffentlichten Texte auf eine neu gewonnene Streitbarkeit hin: Mit der ‚Admonitio adversus mendacium et obtrectationem‘, dem Titel ‚De bello Turcis inferendo‘ sowie der ‚Responsio ad epistolam apologeticam incerto autore proditam‘ bezog er zu tagesaktuellen Themen deutlich Stellung. Einzig seine Ausarbeitung unter dem Titel ‚De civilitate mo-

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Neben regionalen sind natürlich auch weiterhin Unterschiede zwischen den Teilöffentlichkeiten – und ganz allgemein: zwischen der volkssprachlichen und lateinfähigen – belegbar. Positive wie negative Kritiken an erasmischen Schriften, die im Ausland geäußert wurden, sind dem rein deutschsprachigen Leserkreis sicherlich größtenteils unbekannt geblieben.1232 Der Streit mit Luther um die Willensfreiheit des Menschen wurde neben mündlichen Kommunikationswegen auch auf Lektüreebene dem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht. Insgesamt vier Übersetzungen der ‚De libero arbitrio διατριβη‘ wurden in den Jahren 1525, 1526 (in zwei verschiedenen Ausgaben) und 1528 gedruckt.1233 Außer den ‚Colloquia‘, die 1524 in drei verschiedenen Übersetzungen sowie einem Druck von 1527 erschienen,1234 weisen alle übrigen erasmischen Titel, die zwischen 1525 und 1529/30 in volkssprachlicher Übertragung veröffentlicht wurden, deutlich theologischen Charakter auf. Es handelt sich dabei um folgende Titel: Die ‚Causa helvetica orthodoxae fidei. Disputatio Helvetiorum in Baden‘1235, die ‚Detectio praestigiarum cuiusdam libelli germanice scripti, ficto autoris titulo, cum hoc inscriptione, Erasmi et Lutheri opiniones de Coena domini‘1236, die ‚Expostulatio ad qu-

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rum puerilium‘, die als vierter Titel erstmals 1530 erschien, weist diesen angriffslustigen Charakter nicht auf, sondern beschreibt in ruhiger, beobachtender Weise das Verhalten junger Menschen. Lediglich die Auseinandersetzung zwischen Erasmus und seinen spanischen Kritikern wurde der deutschsprachigen Öffentlichkeit zugänglich gemacht, als 1529 und 1530 jeweils zwei verschiedene Übersetzungen der ‚Apologia adversus articulos aliquot per monachos quosdam in Hispaniis exhibitos’ erschienen (vgl. Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 51f., Nr. 69f.; Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 301, Nr. 110-113). In dieser Schrift erwehrte sich Erasmus u.a. gegen den Vorwurf spanischer Mönche, er leugne die Trinität. Vgl. Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 42, Nr. 58; S. 44, Nr. 59; vgl. auch Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 300, Nr. 101-104. Vgl. Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 57-59, Nr. 80-82, 84. Erasmus richtete sich darin an verschiedene Repräsentanten der Eidgenossenschaft und gab eine klare Stellungnahme zur Frage des Altarssakraments ab, wodurch er sich deutlich den Meinungen Leo Juds entgegenstellte, der zuvor zahlreiche seiner Paraphrasen übersetzt hatte. Aus diesem Grund war er auch nicht der Übersetzer dieses Titels, der 1526 in volkssprachlicher Version erschien, sondern Thomas Murner. Vgl. dazu Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 301, Nr. 108. Dieser Titel erschien in lateinischer Sprache erstmals um Juni 1526 bei Froben. Erasmus hat wohl für die Übersetzung der Schrift gesorgt, die vermutl. noch im gleichen Monat oder spätestens im Juli ebenfalls von Froben gedruckt wurde (vgl. dazu Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 301, Nr. 109). Ebd., S. 203: „Trotz seiner heftigen Ablehnung der Zeiterscheinung, jede theologische Frage in der breiten volkssprachlichen Öffent-

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endam amicum‘1237, den Leitfaden ‚Modus orandi deum‘1238, die ‚Nova praefatio in Novum Testamentum‘1239 sowie die ‚Precatio dominica in septem portiones distributa‘1240. Eindeutig wurden hier erasmische Texte aufgrund tagesaktueller Fragen in die Volkssprache übertragen. Insofern wurde Erasmus – dies zeigt sich erneut – der volkssprachlichen Leserschaft bis mindestens 1530 wohl vor allem als Theologe präsentiert. Nicht in erster Linie um seiner selbst willen wurden manche Titel übersetzt; vielmehr wurden sie in den Dienst aktueller Fragen gestellt.

Insgesamt gesehen muss die Dekade von 1521 bis 1530 in Bezug auf die Entwicklung des Erasmus sehr differenziert bewertet werden. Zum Einen ist – das machen auch die qualitativen wie quantitativen Auswertungen der Korrespondenz deutlich – sein Berühmtwerden ganz offensichtlich von einem Status abgelöst worden, der wohl treffend mit dem Begriff des Berühmtseins umschrieben wird. Eine Euphorie, wie sie noch 1519 zu beobachten und vielfältig zu belegen ist, liegt in der Folgezeit nicht mehr vor. Dass Erasmus aber dennoch weiterhin eine Berühmtheit war, die auch im öffentlichen Bereich wahr-

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lichkeit zu behandeln, hatte Erasmus die feste Absicht, [...] entstellende[...] Behauptungen über seinen Glauben gründlich auszuräumen[.]“ Vgl. dazu: Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 191-197, hier: S. 191f.: „Tatsächlich hatte Erasmus einen Brief an einen nicht namentlich genannten Bekannten in Umlauf gesetzt bzw. setzen lassen, der, wie sich rasch herausstellte, gegen Konrad Pellikan gerichtet war. Es wurde als Expostulatio lateinisch und deutsch verbreitet[.]“ Dass Erasmus sein Schreiben auch in der Volkssprache sehen wollte, belegt, dass er sich auch in seiner unmittelbaren Basler Umgebung den nötigen Rückhalt erwerben wollte. Pellikan zählte schließlich mittlerweile zu seinen entschiedenen Gegnern in Basel, seitdem gerade in der Eucharistielehre die konträren Positionen zu Tage getreten waren (vgl. dazu: Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 140; Allen VI, Nr. 1638-1640, 1644). 1526 erschien die Übersetzung (ebd., S. 301, Nr. 107). In Verbindung zur gleichzeitig verfassten ‚De libero arbitrio‘ ist der Titel ‚Modus orandi deum‘ gleichsam als Pendant anzusehen. Die im Mittelpunkt stehende Frage ‚Was heißt beten?‘ weist auf den seelsorgerlich-kathechetischen Charakter der Schrift, die 1525 in deutschsprachiger Übersetzung erschien. Vgl. dazu Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 48, Nr. 66. Die Übersetzungen der ‚Nova praefatio in Novum Testamentum‘ wurden 1525 in drei verschiedenen Ausgaben veröffentlicht. Vgl. Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 37; Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 292, Nr. 39f. Auch hier gibt der Titel – ‚sonntägliches Gebet‘ – bereits den rein religiösen Charakter der Schrift wider, die 1530 in Übersetzung erschien (vgl. Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 46, 48, Nr. 65).

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genommen wurde, ist aufgrund mehrerer Indizien sicher: Die zunächst ständig nachweisbaren Versuche der Beeinflussung, vor allem sich für oder gegen die reformatorische Bewegung zu entscheiden, wie auch hernach deutliche Kritiken an seiner Person sowie seinen Standpunkten belegen seine Bedeutung. (Ribhegge hat auch ganz zu Recht die erstmals finanziell gute Situation des Erasmus hervorgehoben, die während seiner Basler Jahre vorlag.1241) Dennoch ist eindeutig zu beobachten, dass Erasmus von den Geschehnissen um Luther und den damit verbundenen Bestrebungen zur Reform der Kirche überrannt wurde, so dass das Tagesgeschehen und die tagesaktuellen Diskussionen im Vordergrund standen und Erasmus zumeist nicht mehr aktiv gestalten konnte, sondern eher von den Meinungsmachern eingebunden wurde. Was seine öffentliche Position anbelangt, kann der Wandel vom Berühmtwerden hin zum Berühmtsein daher verglichen werden mit dem Wechsel von einer aktiven Rolle hin zu einer passiven. Erst gegen Ende dieser Dekade rückte Erasmus – nicht zuletzt aufgrund seines Wechsels nach Freiburg1242 und den damit neu gewonnenen Möglichkeiten – erneut etwas mehr in das öffentliche Bewusstsein, wenngleich von einem neu einsetzenden Berühmtwerden keine Rede sein kann.1243 Deutlich wird die wieder zuteil gewordene Bedeutung im Zusammehnang mit dem Augsburger Reichstag, in dessen Zusammenhang Erasmus wie folgt Einfluss nahm: „Zu dieser Zeit trafen 36 Briefe aus Augsburg bei Erasmus in Freiburg ein und 28 Briefe sandte Erasmus nach Augsburg. Bei den Verhandlungen der streitenden Konfessionsparteien auf den vorausgegangenen Reichstagen hatte Erasmus eine vermittelnde Haltung eingenommen. Man hat die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt zu den Religionsgesprächen in Augsburg gekommen wäre, wenn nicht Erasmus in den Jahren zuvor in seinen Briefen ständig dazu gedrängt hätte.“1244

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Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 121: „Hier [in Basel] wohnte er von 1522 bis 1529. Erstmals lebte Erasmus im Wohlstand, was auch sein Testament von 1527 belegt.“ Erasmus war nicht der einzige Gelehrte, der aus genannten Gründen Basel verließ. Dass dies von vielen bedauert wurde, macht auch ein Brief Oekolampads an Vadian 29. April 1529 deutlich. Vgl. dazu: Staehelin, Briefe und Akten zum Leben Oekolampads, Bd. 2, Nr. 658, S. 322f., hier: S. 322: Dolet fortasse, Erasmum et quosdam e doctoribus, qui nominis sui claritudine patriam amplius illustrare putantur, hinc migrasse. Eine weitere Entwicklung des Berühmtwerdens ist lediglich für die volkssprachliche Teilöffentlichkeit denkbar, da gerade in den 1520er Jahren zahlreiche erasmische Texte in Übersetzung erschienen. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 168. Vgl. auch Johannes Beumer, Erasmus von Rotterdam und sein Verhältnis zu dem Deutschen Humanismus mit besonderer Rücksicht auf die konfessionellen Gegensätze, in: Coppens (Hrsg.), Scrinium Eras-

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Wie stark sein Einfluss tatsächlich auf die Durchführung und die Beschlüsse der Religionsgespräche war, muss folgenden Untersuchungen anheim gestellt werden. Dass er nicht gänzlich ohne Teilnahme war, ist jedoch wahrscheinlich. Schließlich verfügte er weiterhin über enormen Einfluss und einen solchen Grad an Berühmtheit, dass man ihm auch in Freiburg einen Empfang bereitete.1245

8.) Ausblick: Die späten Jahre Das oberrheinische Gebiet war dem ‚Europäer‘ Erasmus bis zu seinem Tode zur Heimat geworden. Seit April 1529 hielt er sich ausschließlich in Freiburg auf – sofern man sich auf die Abfassungsorte seiner Briefe konzentriert.1246 Im Juni 1535 zog er nach Basel um,1247 wo er auch am 12. Juli 1536 verstarb. Der Wechsel nach Freiburg geschah nicht fluchtartig, doch verdeutlichte Erasmus damit endgültig, was er von Reform und Aufspaltung der Kirche hielt. Insofern ist in diesem Ortswechsel auch keineswegs die Suche nach einem ruhigen Alterswohnsitz zu sehen. Stattdessen waren die Jahre von 1530 bis 1536 von intensivster schriftstellerischer Tätigkeit geprägt: Wenngleich die räumliche Nähe zur Basler Offizin Frobens nicht mehr in dem Maße gegeben war wie zuvor, wurden dort nun mit Abstand die meisten Erstausgaben und Neuauflagen erasmischer Titel angefertigt. Insgesamt erschienen von 1530 bis zu seinem Tode 54 (!) Titel im Erstdruck oder in neuer Auflage.1248 Dabei sind vier verschiedene Gruppen von Schriften auszumachen: 1. überwiegend humanistische Inhalte, die in neuen Ausgaben erschienen;1249 2. überwiegend theo-

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mianum, Bd. 1, S. 165-201; Ernst-Wilhelm Kohls, Erasmus und die werdende evangelische Bewegung des 16. Jahrhunderts, in: a.a.O., S. 203-219. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 161. Vgl. Allen VIII, S. xxvii-xxxii; IX, S. vii-xii; X, S. vii-xii; XI, S. viif. Vgl. Allen XI, Nr. 3025, S. 141f. (datiert auf 18. Juni 1535; adressiert an Erasmus Schets); ebd., S. ix-xi. Pro Jahr sind Titel in folgenden Anzahlen erschienen: 1530 – 12; 1531 – 7; 1532 – 13; 1533 – 6; 1534 – 7; 1535 – 5; 1536 – 4. Hier sind folgende Titel zu nennen: ‚Ciceronianus‘ (1530 fertiggestellt bei Froben; vgl. Allen IX; Nr. 2600, S. 419f.; datiert auf 4. Februar 1532, adressiert an Peter Tomiczki); ‚Colloquia‘ (1531 bei Froben; vgl. Allen IX, Nr. 2430, S. 124f., hier: S. 125, Anm. zu Z. 44; datiert auf 22. Februar 1531; verfasst von Mathias Kretz); ‚De duplici copia verborum ac rerum commentarii duo‘ (1534 bei Froben und Episcopius; vgl. Allen XI, Nr. 2945, S. 5-7, hier: S. 6; datiert auf 13. Juni 1534, verfasst von

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logische Inhalte, die in neuen Ausgaben erschienen;1250 3. tagesaktuelle Inhalte, die im Erstdruck erschienen; 4. sonstige Erstausgaben. Die

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Johann Herwagen); ‚Opuscula aliquot Erasmo Roterodamo castigatore‘ (1533 bei Froben; vgl. Allen II, Nr. 298, S. 1-3, hier: Vorbemerkung S. 1). Dazu gehören die Neuausgaben folgender Schriften: ‚Exomologesis sive modus confitendi‘ (1530 bei Froben erschienen; vgl. Allen V, Nr. 1426, S. 411f., hier: Vorbemerkung S. 411); die Paraphrase zum Timotheusbrief (1532 und 1534 bei Froben; vgl. Allen IV, Nr. 1043, S. 123f., hier: bes. Vorbemerkung S. 123; datiert auf November 1519; adressiert an Philipp von Burgund); die Paraphrase zum Jakobusbrief (1532 und 1534 bei Froben; Nr. 1043, hier: bes. Vorbemerkung S. 123). Daneben sind auch zahlreiche Textausgaben sowohl in Erstausgabe wie auch in erneuter Auflage in den 1530er Jahren erschienen, deren Gattungszugehörigkeit nicht immer zweifelsfrei zu klären ist. Daher hier die Titel aller Editionen: ‚Agricola‘, Georgius: ‚Bermannus sive de re metallica‘ (Erstausgabe Froben, 1530; vgl. Allen VIII, Nr. 2274, S. 362f.; datiert auf 18. Februar 1530; adressiert an Andreas und Christoph von Conritz); Alger: ‚De veritate corporis et sanguinis in Eucharistia‘ (Erstausgabe Faber Emmeus in Freiburg, 1530; vgl. Allen VIII, Nr. 2284, S. 377-382; datiert auf 15. März 1530; adressiert an Balthasar Mercklin); Aristoteles: ‚Opera‘ (Erstausgabe Bebel in Basel, 1531; vgl. Allen IX, Nr. 2433, S. 140-142; datiert auf ca. Februar 1531; verfasst von Simon Grynaeus; Nr. 2434, S. 142f.; datiert auf ca. Februar 1531; adressiert an Grynaeus; Nr. 2473, S. 244f., hier: S. 245; datiert auf 2. April 1531; adressiert an Peter von Mornyeu); Basilius: ‚De spiritu sancto‘ (Erstausgabe Froben, 1532; vgl. Allen X, Nr. 2643, S. 13-16; datiert auf 30. April 1532; adressiert an Johann Dantiscus; Nr. 2703, S. 84; datiert auf 27. August 1532; adressiert an Bonifatius Amerbach); Basilius: ‚Duae homiliae de laudibus ieiunii‘ (Erstausgabe Faber Emmeus, 1532; vgl. Allen IX, Nr. 2617, S. 458f.; datiert auf März 1532; adressiert an Johann Koler); Basilius: ‚Opera‘ (in griech. Sprache) (Erstausgabe Froben, 1532; vgl. Allen IX, Nr. 2611, S. 435-440; datiert auf 22. Februar 1532; adressiert an Jacobus Sadoletus; Nr. IX, Nr. 2526, S. 328f., hier: S. 328; datiert auf 25. August 1531; adressiert an Reginald Pole; X, Nr. 2648, S. 20-22, hier: S. 21; datiert auf 8. Mai 1532; verfasst von Sadoletus; Nr. 2871, S. 305f.; datiert auf 13. Oktober 1533, verfasst von Baptista Egnatius); Demosthenes: ‚Opera‘ (Erstausgabe Herwagen in Basel, 1532; vgl. Allen X, Nr. 2695, S. 73-75; datiert auf 2. August 1532; adressiert an Johann Georg Baumgartner); Haymo: ‚Pia brevis […] in omnes Psalmos explanatio‘ (Erstausgabe Faber Emmeus, 1533; vgl. Allen X, Nr. 2771, S. 162-165; datiert auf 38. Februar 1533; adressiert an Jan van Heemstede); Hieronymus: ‚Opera omnia‘ (Neuausgaben: Chevallon in Paris, 1533; vgl. Allen X, Nr. 2758, S. 144-147; datiert auf ca. Ende Januar 1533; adressiert an die Leser; Nr. 2734, S. 121-123, hier: S. 123; datiert auf 29. Oktober 1532; adressiert an Gerrit van Assendelft; Froben und Episcopius, 1534; vgl. Allen II, Nr. 298, S. 1-3, hier: Vorbemerkung S. 1; datiert auf 1. August 1514; adressiert an Johann Nevius); Origines: ‚Opera latine […] partim versa, partim recognita‘ (Erstausgabe Froben und Episcopius, 1536; vgl. Allen XI, Nr. 3128, S. 335f.; datiert auf 22. Juni 1536; adressiert an Erasmus; verfasst von Tielmann Gravius); Terentius: ‚Comoediae‘ (Erstausgabe Froben und Episcopius, 1532; vgl. Nr. 2584; Allen IX, Nr. 2554, S. 358f., hier: S. 359; datiert auf 9. Oktober 1531; adressiert an Anselm Ephorinus; X, S. 102f., hier: S. 102; datiert auf 9. September 1532; adressiert an Jan Boner; XI, Nr. 3010, S. 123f.; datiert auf 12. April 1535; verfasst von Se-

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beiden letzteren Gruppen sollen hier eine besondere Beachtung finden, da aus ihnen abzulesen ist, inwiefern sich Erasmus zu gegenwärtigen Problemen zu Wort meldete bzw. mit welchen Thematiken er sich außerdem beschäftigte.1251 Insbesondere jene Erstausgaben, die einen Gegenwartsbezug aufweisen, sind von verschiedenen Inhalten geprägt. So verwundert es auch nicht, dass 1530, im Jahr des Augsburger Reichstags, Erasmus seine Haltung zur Türkenfrage in der Schrift ‚Consultatio de bello Turcis inferendo‘1252 darlegte. Für den Kaiser stand schließlich die kirchenreformerische Auseinandersetzung nicht allein im Zentrum des Reichstages, sondern die drohende Türkengefahr. In welcher Breite sich Erasmus thematisch beschäftigte, beweist

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verin Boner); Xenophon: ‚Hieron‘ (Erstausgabe Froben, 1530; vgl. Allen VIII, Nr. 2307, S. 417f., hier: S. 417; datiert auf 7. April 1530; verfasst von Anton Fugger; Nr. 2336, S. 462-464, hier: S. 463; datiert auf 28. Juni 1530; verfasst von Cornelius Schepper; IX, Nr. 2617, S. 458f., hier: S. 459); Johannes Chrysostomos: ‚Aliquot Homiliae ad pietatem summoper conducibus‘ (in latein. Sprache) (Erstausgabe Froben, 1533; vgl. Allen IX, Nr. 2422, S. 106-109, hier: S. 107; datiert auf 30. Januar 1531; adressiert an Germanus Brixius; X, Nr. 2775, S. 171f., hier: Vorbemerkung S. 171; datiert auf 8. März 1533; adressiert an Bonifatius Amerbach; X, Nr. 2787; S. 189191, hier S. 189; datiert auf 4. April 1533; verfasst von Christoph von Stadion); Johannes Chrysostomos: ‚In Acto Apostolorum‘ (in latein. Sprache) (Neuausgabe Froben, Basel; erschienen in den Opera des Chrysostomos; vgl. Allen VIII, Nr. 2253, S. 321-323, hier: S. 322; datiert auf ca. 13. Januar 1530; adressiert an Vergara; Nr. 2263, S. 343-346, hier: S. 344; datiert auf 31. Januar 1530; adressiert an Cuthbert Tunstall; Nr. 2291, S. 390-393, hier: S. 391; datiert auf 27. März 1530; adressiert an Brixius; IX, Nr. 2359, S. 3-6, hier: S. 6; datiert auf 5. August 1530; adressiert an Christoph von Stadion; Nr. 2379, S. 30-41, hier: 32; datiert auf 5. September 1530; adressiert an Germanus Brixius); Johannes Chrysostomos: ‚In Epistolam ad Corinthios posteriorem‘ (in latein. Sprache) (Erstausgabe Froben, 1530; erschienen in den Opera des Chrysostomos; vgl. Allen VIII, hier: S. 322, 344, 391; IX, Nr. 2379, hier: S. 32); Johannes Chrysostomos: ‚Opera‘ (in latein. Sprache) (Erstausgabe Froben, 1530; vgl. Allen VIII, hier: 322, 344, 390f.; IX, Nr. 2371, S. 20-22, hier: S. 22; datiert auf 29. August 1530; adressiert an Pirckheimer; Nr. 2379, hier: S. 31, Anm. zu Z. 18); Livius (Erstausgabe Froben, 1531; vgl. Allen IX, Nr. 2435, S. 143-145; datiert auf 1. März 1531; adressiert an Charles Blount; Nr. 2459, S. 196f., hier: S. 197; datiert auf 18. März 1531; adressiert an Mountjoy); ‚Novum Testamentum‘ (Neuausgaben: Froben, 1532 und 1535; vgl. Allen IV, Nr. 1010, S. 58f., hier: Vorbemerkung S. 58; datiert auf 1. September 1519; adressiert an den Leser; XI, Nr. 2951, S. 13f., hier: S. 13; datiert auf 3. Juli 1534; adressiert an Johann Genesius Sepulveda). Im Erstdruck erschienen auch die ‚Apophthegmata‘, eine anthologische Sammlung ähnlich den ‚Adagia‘, 1531 sowie in Nachdrucken 1532 und 1535. Sie finden in der hier genannten dritten Gruppe jedoch keine weitere Berücksichtigung, da sie nicht aktuellen, aber humanistischen Inhalts sind. 1530 bei Froben gedruckt. Vgl. dazu: Allen VIII, Nr. 2285, S. 382-385 (datiert auf 17. März 1530; adressiert an Johann Rinck).

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bereits die ebenfalls 1530 erschienene Erstausgabe ‚De civilitate morum puerilium‘, die er Heinrich von Burgund widmete.1253 Dieser nahm sein Studium in Löwen auf und Erasmus war offensichtlich der Ansicht, wichtig sei für den jungen Studenten nun ein Handbuch guter Manieren und richtiger Umgangsformen. Daneben verfasste der Rotterdamer aber auch Schriften, die ihn ganz persönlich betrafen: So bezog er einerseits Stellung zu den Zensurbeschlüssen der Sorbonne,1254 andererseits verarbeitete er sein fortgeschrittenes Alter literarisch in der Schrift ‚De praeparatione ad mortem‘1255. Die meisten Erstausgaben der 1530er Jahre sind jedoch eindeutig theologischen Inhalts, wobei das Streben nach Kircheneinheit die Frage nach dem rechten Glauben noch überwiegt.1256 Neben Kommentaren zu den Psalmen 14, 22 und 33, die 1530 bzw. 1531 erschienen,1257 sind die Jahre von 1532 bis 1536 vor allem vom erasmischen Gedanken der Kircheneinheit geprägt. Dafür stehen folgende Titel: ‚Precatio ad

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Vgl. Allen VIII, Nr. 2282, S. 371f. (datiert auf März 1530). Der Erstdruck wurde von Froben 1530 fertiggestellt. Dazu wie zu den Nachdrucken und Übersetzungen vgl. Allen, a.a.O., S. 371. Die Schrift erschien 1532 bei Froben unter dem Titel ‚Declarationes ad censuras Lutetiae vulgatas‘ und noch im gleichen Jahr in zweiter Ausgabe. Vgl. dazu: Allen IX, Nr. 2579, S. 395-397, hier: S. 397; datiert auf 2. Dezember 1531; adressiert an Campeggio; Nr. 2587, S. 405-408, hier: S. 406; datiert auf 14. Dezember 1531; adressiert an Conrad Gochlenius; X, Nr. 2735, S. 123f., hier: S. 124; datiert auf 31. Oktober 1532; adressiert an Quirinus Talesius. 1534 erschienen bei Froben (vgl. Allen XI, Nr. 2961, S. 30-35; datiert auf 22. August 1534; adressiert an Justus Decius; VIII, Nr. 2266, S. 349f., hier: Vorbemerkung S. 350, datiert auf Februar 1530; adressiert an Thomas Boleyn). Letzteres wurde vor allem in der erasmischen Erörterung zum Apostolikum versucht, 1533 bei Froben unter dem Titel ‚Explanatio symboli Apostolorum‘ erschienen. Vgl. dazu: Allen X, Nr. 2772, S. 165f.; datiert auf ca. März 1533; adressiert an Thomas Boleyn; Allen VIII, hier: Vorbemerkung S. 350; XI, Nr. 3049, S. 217-222, hier: S. 218; datiert auf 31. August 1535; adressiert an Peter Tomiczki. Unter den Titeln ‚Commentarius in psalmum 22‘ bzw. ‚Commentarius in psalmum 33‘, jeweils bei Froben in den Jahren 1530 bzw. 1531 erschienen (vgl. Allen VIII, Nr. 2266, S. 349f.; vgl. auch Anm. 10; IX, Nr. 2428, S. 122f.; datiert auf 21. Februar 1531; adressiert an Conrad von Thuengen; IX, Nr. 2385, S. S. 50-52, hier: S. 50f., datiert auf 17. September 1530; verfasst von Jacobus Sadoletus; Nr. 2443, S. 157-168, hier: S. 158; datiert auf 7. März 1531; adressiert an Sadoletus). Die Auslegung des 14. Psalms wurde 1536 bei Froben unter dem Titel ‚De puritate tabernaculi sive ecclesiae christianae‘ veröffentlicht. Vgl. dazu Allen XI, Nr. 3081, S. 266 (datiert auf 2. Januar 1536; adressiert an Christoph Eschenfelder). Zu Eschenfelder vgl.: Hansgeorg Molitor / Peter G. Bietenholz, Art. Christoph Eschenfelder, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 1, S. 443.

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dominum Iesum pro pace ecclesiae‘1258, ‚De sarcienda ecclesiae concordia‘1259 und ‚Purgatio adversus epistolam non sobriam Martini Lutheri‘1260. Desweiteren finden sich unter den Erstausgaben mehrere Titel, die auf die richtige Glaubensvermittlung abzielen und weitere Verunsicherungen unter den Gläubigen sowie eine zunehmende Pluralität der Lehrmeinungen verhindern sollen.1261 Lediglich zwei Titel scheinen nicht recht in dieses Spektrum zu passen: das ‚Carmen Erasmi divae Genovefae praesidio a quartana febre liberati‘1262 und die ‚Responsio ad Petri Cursii defensionem, nullo adversario bellacem‘1263. Das Gedicht zu Ehren der Heiligen Genovefa widmete er das letzte Mal an eine Heilige. „Laut Aussage des Gedichts erfüllte er damit ein Versprechen, das er mehr als dreißig Jahre zuvor 1496/97 in Paris Genovefa, der Patronin der Stadt, gegeben hatte […].

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Die Erstausgabe erschien bei Faber Emmeus in Freiburg 1532 (vgl. Allen IX, Nr. 2618, S. 459f.; datiert auf 5. März 1532; adressiert an Johann Rinck). 1533 bei Froben veröffentlicht. Vgl. Allen VI, Nr. 1608, S. 162f., hier: S. 162, Anm. zu Z. 11f.; datiert auf 6. September 1525; adressiert an Nikolaus Coppin; X, Nr. 2906, S. 356-360, hier: S. 356; datiert auf 19. Februar 1534; adressiert an Johann Koler; XI, Nr. 2950, S. 12, hier: Vorbemerkung; datiert auf 1. Juli 1534; verfasst von Jakob V. von Schottland. Dieser Titel beinhaltet eine Auslegung zum 38. Psalm und ist daher ein weiteres Beispiel für die Psalmenauslegungen des Erasmus in den 1530er Jahren (vgl. die vorletzte Anm.). Vgl. dazu auch: Jacques-V. Pollet, Origine et Structure du ‚De Sarcienda Ecclesiae Concordia‘ (1533) d’Érasme, in: Joseph Coppens (Hrsg.), Scrinium Erasmianum, Bd. 2, S. 183-195 1534 bei Froben in Basel gedruckt. Für das gleiche Jahr ist ein Nachdruck in Augsburg belegt. Vgl. Allen X, Nr. 2918, S. 372-374, hier: Vorbemerkung S. 372 (datiert auf ca. Anfang April 1534; adressiert an Georg Agricola); Nr. 2933, S. 384f., hier: S. 384 (datiert auf 11. Mai 1534; adressiert an Erasmus Schets); XI, Nr. 2947, S. 7-10, hier: S. 9 (datiert auf 24. Juni 1534; verfasst von Johann Koler). Beispielhaft für diese Gruppe von Veröffentlichungen ist das homiletische Lehrbuch ‚Ecclesiastes sive de ratione concionandi‘, das 1535 bei Froben in Erst-, 1536 bereits in Zweitausgabe erschien. Vgl. Allen XI, Nr. 3076, S. 259f. (datiert auf 15. Dezember 1535; adressiert an Damianus de Goes). Zu diesem vgl.: Elisabeth Feist Hirsch, Damiāo de Gois: The Life and Thought of a Portuguese Humanist 1502-74, Den Haag 1967 (Archives internationales d’histoire des idées 19). Ähnlichen Lehrcharakter besitzen auch die ‚Precationes aliquot novae‘ – erschienen 1535 bei Froben, deren Sinn und Inhalt Hilmar M. Pabel (Conversing with God: prayer in Erasmus’ pastoral writings, Toronto 1997, hier: S. 155-190, bes. S. 155) zu Recht in eine Reihe mit anderen Gebetsbüchern des 16. Jahrhunderts stellt. 1532 von Faber Emmeus in Freiburg gedruckt. Vgl. Allen I, Nr. 50, S. 164f., hier: bes. S. 164, Anm. zu Z. 3 (datiert auf Januar 1497, adressiert an Nikolaus Werner). 1535 bei Froben und Episcopius in Basel gedruckt. Vgl. Allen XI, Nr. 3032, S. 172186; datiert auf ca. August 1535, adressiert an Johann Koler. Zu Petrus Cursius vgl.: Marco Bernuzzi, Art. Pietro Corsi, in: Contemporaries of Erasmus, Bd. 1, S. 344.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

Reedijk wie Vredeveld sehen keinen Widerspruch zwischen der Kritik des Erasmus an der Heiligenverehrung und diesem Votivgedicht und betonen, daß in ihm letztlich aller Dank Christus gilt.“1264

Die ‚Responsio‘ hingegen war eine Reaktion auf die Schelte des Petrus Cursius, in der dieser ein flammendes Plädoyer für den Ciceronianismus auf Grundlage eines italienischen Patriotismus gehalten hatte. Ähnlich wie bereits zuvor Alberto Pio, gegen den Erasmus ebenfalls auf Briefebene vorging,1265 verteidigte auch Cursius den lateinischen Stil Ciceros gegenüber Ausländern und sprach somit auch dem Rotterdamer die Befähigung eines guten lateinischen Ausdrucks ab.1266 Auch wenn Erasmus sich durch Verteidigungsschriften wie diese gegen Angriffe schützen musste, kann nicht geschlussfolgert werden, er habe all sein Engagement darauf verwenden müssen, Ruf und Ansehen zu wahren. Die zahlreichen Titel, die in Erstausgaben oder in Neuausgaben und Nachdrucken erschienen, belegen eine umfangreiche schriftstellerische Aktivität. Die negativen Kritiken stehen in keinem Verhältnis zu den zahlreichen Würdigungen, die ihm in seiner Freiburger Zeit zuteil wurden und die sich nicht nur auf die wiederholten Einladungen nach Brabant beschränkten.1267 Die Überbetonung der Kritiken ist auch deswegen nicht geboten, weil z.B. Warham ansonsten seine weiterhin aus England geleisteten Pensionszahlungen an Erasmus sicherlich eingestellt hätte.1268 Ebenso hielten die ehrenden Bezeugungen an,1269 so dass etwa Augustinus Steuchus sich nichts sehnlicher wünschte, als einen Brief von Erasmus zu erhalten. Valeri-

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Roland Stieglecker, Die Renaissance eines Heiligen. Sebastian Brant und Onuphrius eremita, Wiesbaden 2001, hier S. 88f. Vgl. dort auch S. 80-94. Vgl. dazu. z.B. die 1531 bei Froben im Erstdruck erschienene Schrift ‚Adversus rhapsodias calumniosarum querimoniarum Alberti Pii quondam Carporum principis‘. Vgl. dazu Seidel Menchi, Erasmus als Ketzer, S. 33-66: Erasmus Lutheranus. Ein Konstrukt der italienischen Theologie 1520-1535, bes. S. 37 und Anm. 21f. (ebd.). Auch nach Kleve, Besançon und Burgund wurde Erasmus mehrfach eingeladen. Vgl. dazu Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 184f. Ebd., S. 193. Ebd., S. 194: „Auch im Alter wurde es nicht wirklich einsam um Erasmus. Die starke Anziehungskraft, die von seinem Namen und seinen Schriften ausging, führte dazu, dass immer wieder auch jüngere Bewunderer den Kontakt zu ihm suchten. […] 1525 hatte der Antwerpener Fernhandelskaufmann und Bankier Erasmus Schets Kontakt zu Erasmus aufgenommen, nachdem er an Erasmus Briefe aus Spanien übermittelt hatte. Er profitiere, schrieb Schets, ein wenig von der Gemeinsamkeit ihres Namens.“ Daneben sind weiterhin auch Besuche von Personen belegt, die teilweise weite Strecken auf sich nahmen, um Erasmus zu sehen (ebd., S. 195).

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an Ubidigus bezeichnete ihn gegenüber Rhenanus als vir ille quum doctus impense tum ad communem omnium studiorum utilitatem vigilantissimus1270. Zudem zeigte sich auch in den letzten Jahren vor seinem Tode, dass die Anfeindungen Pariser, Löwener oder spanischer Theologen meist nur auf die regionale Ebene beschränkt blieben. Schließlich war die Forderung des Johann Angelus Odonus, der 1535 auch ein Lobgedicht auf Erasmus verfasste, nicht verfehlt, ihm die Kardinalswürde zu verleihen – schließlich habe sich doch bereits zuvor in zahlreichen Wohltaten von Seiten der Päpste und mancher Kardinäle Wohlwollen gegenüber dem Rotterdamer gezeigt.1271 Wenige Monate später berichtete Erasmus selbst, er solle von Papst Paul III. den Kardinalshut erhalten.1272 Er lehnte das Angebot jedoch mit der Begründung ab: „Soll ich, ein armes kleines Lebewesen, das sozusagen nur noch einen Tag zu leben hat, jetzt in den Wettkampf gegen die Müßiggänger, die Gewalttäter und die Reichen eintreten, nur um reich zu sterben?“1273 Es ist wohl nicht übertrieben interpretiert, aus dieser Aussage dreierlei herauszulesen: Erasmus war der (öffentlichen) Auseinandersetzung überdrüssig, zum anderen lebte er tatsächlich in einem gewissen Wohlstand – zumindest konnte er es sich leisten, das Angebot wegen zu hoher Belastung abzulehnen – und außerdem sah er sein Ende nahen. Es war ihm jedoch noch ein knappes Jahr vergönnt. Er starb am 12. Juli 1536 in Basel. Sein Name lebte weiter, so dass er 1539 von Johannes Herold gerade1270

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Vgl. Allen IX, Nr. 2513, S. 289-307 (datiert auf 25. Juli 1531; verfasst von Steuchus) bzw. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 429, S. 573, hier: S. 574 (datiert auf ‚vor 1536‘; verfasst von Valerian Ubidigus). Vgl. Allen XI, Nr. 3002, S. 81-104, hier: S. 96f., Z. 648-658 (datiert auf ca. März 1535; adressiert an Erasmus): Nam duorum pontificum, Decimi nempe Septimique, testatissimam in te charitatem (Tertium enim hunc Paulum, ut scimus esse literarum pietatis pacisque cum primis studiosum, ita dubium non est quin tibi maxime bene cupiat, qui hisce provehendis ac stabiliendis totum vitae tempus impenderis: imo iam cognovimus a multis certae fidei doctrinaeque viris Roma venientibus, eum tibi et purpuram suae proximam, censumque dignitati parem, semel atque iterum obtulisse): horum igitur Pontificum Italorum eximiam in te benevolentiam, et maximorum Cardinalium propensissimum favorem quid attinet referre, quum et ipsa omnibus sint sole clariora? Ebd., S. 99, Z. 751-760: Sed impios istos ac furiosos homines, vel, ut verius David Hieronymusque vocat, canes libenter suae rabidae relinquimus exedendos τῇ διαβολῇ. Non paucis alioqui nos tueri poteramus, exemplo nimirum Britanniae, Hispaniae, Galliae, et Germaniae; in quibus etsi unus aliquando et alter emerserit eruditae pietatis tuae sycophanta, in his tamen ipsis regionibus, et maximos Reges et clarissimos Cardinales et potentissimos piissimosque Principes et Episcopos, ac ipsos in primis Caesares, tum innumerabiles probatorum hominum ac eruditorum centurias et chiliadas, bonos denique ac studiosos omnes, habuisti semper et nunc habes tibi amicissimos faventissimosque. Vgl. Allen XI, Nr. 3049, S. 217-222 (datiert auf 31. August 1535; adressiert an Peter Tomiczki). Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 207.

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Berühmtwerden am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

zu divinisiert wurde1274 und in den Folgejahren noch zahlreiche Ausgaben seiner Werke erschienen.1275 Mit Blick auf die volkssprachlichen Übersetzungen fällt auf, dass von 1530 bis 1536 zahlreiche Titel veröffentlicht wurden, aber ebenfalls noch weit nach dem Tod des Erasmus etliche – mitunter auch neue – Übersetzungen zu belegen sind.1276

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Vgl. Horawitz / Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Nr. 329, S. 458f., hier: S. 458 (datiert auf 1. November 1539; adressiert an Rhenanus). In alphabetischer Reihenfolge handelt es sich um folgende Titel: ‚Bellaria epistolarum Erasmi Rot. et Ambrosii Pelargi vicissim missarum‘ (Erstdruck durch den Kölner Alopecius, 1539; vgl. Allen VIII, Nr. 2169, hier: Vorbemerkung, S. 181); ‚Catalogus omnium Erasmi lucubrationum‘ (Neuausgabe Froben, 1537; vgl. Allen I, Nr. I, hier: Vorbemerkung, S. 1); Paraphrasen zum Timotheusbrief (Neuausgaben Froben, 1540f.; vgl. Nr. 1043, hier: bes. Vorbemerkung S. 123) und zum Jakobusbrief (Neuausgaben Froben, 1540f.; ebd.); Seneca: ‚Opera‘ (Neuausgabe Herwagen, 1537; vgl. Allen XI, S. 344; datiert auf 17. Juli 1536; Herwagen an Rhenanus); ‚Missa Sancti Ioannis Chrysostomi […] ab Erasmo Roterodamo […] versa‘ (Erstdruck durch den Pariser Wechel, 1537; Neuausgabe Froben, 1539; vgl. Allen IX, Nr. 2359, hier: Vorbemerkung S. 4); Johannes Chrysostomos: ‚Opera‘ (in latein. Sprache) (Neuausgabe Chevallon, 1536; vgl. Allen IX, Nr. 2359, S. 3-6, hier bes. Vorbemerkung, S. 4; datiert auf 5. August 1530; adressiert an Christoph von Stadion). In alphabetischer Reihenfolge handelt es sich um folgende Titel, von denen 27 in den 1530er Jahren bis zum Tod des Erasmus erschienen, 19 danach: ‚Apologia adversus articulos aliquot per monachos quosdam in Hispaniis exhibitos‘: Die Übersetzung wurde 1530 in Nürnberg und in Erfurt gedruckt (vgl. Holeczek, Erasmus Deutsch, S. 301, Nr. 112f.); ‚Christiani matrimonii institutio‘: Straßburg, 1542 (vgl. Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 65, Nr. 95); ‚Colloquia‘: Leipzig, ca. 1535; Augsburg, 1537 und 1545; Neuburg a. d. Donau 1545; Erfurt, 1549/50; ‚De civilitate morum puerilium‘: Augsburg, 1531; Leipzig 1532; Nürnberg, ca. 1537 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 62f., Nr. 89-91); ‚De laudibus ieiunii‘: Nürnberg, 1534 in zwei verschieden gesetzten Drucken der gleichen Übersetzung (vgl. Holeczek, a.a.O., S. 303, Nr. 128f.); ‚De praeparatione ad mortem‘: Hagenau, 1534; Frankfurt am Main, 1546 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 50, Nr. 67f.); ‚De puritate tabernaculi sive ecclesiae christianae‘: Dresden, 1536 – wohl noch zu Lebzeiten erschienen; Leipzig, 1537 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 55f., Nr. 77f.; Holeczek, a.a.O., S. 303, Nr. 132f.); ‚De sarcienda ecclesiae concordia deque sedandis opinionum dissidiis‘: Straßburg, 1533; Erfurt, 1534 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 55, Nr. 75f.; Holeczek, a.a.O., S. 303, Nr. 130f.); ‚Enchiridion militis christiani‘: Augsburg, 1543 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 15, Nr. 7); ‚Encomium matrimonii‘: Augsburg, 1542 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 65, Nr. 94); ‚Epistola ad Johannem Slechta‘: Straßburg, 1531; Nürnberg, 1531 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 54, Nr. 74; Holeczek, a.a.O., S. 302, Nr. 117f.); ‚Epistola contra quosdam, qui se falso iactant evangelicos‘: Freiburg, 1530; Hagenau, 1532; Nürnberg, 1530 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 52f., Nr. 71f.; Holeczek, a.a.O., S. 301f., Nr. 114-116); ‚Epistolae duae ad reverendissimum cardinalem Campegium‘: Straßburg, 1531 – in drei Ausgaben; Wittenberg, 1531 – in vier Ausgaben; Magdeburg, 1546; Coburg, 1546 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 53, Nr. 73; Holeczek, a.a.O., S. 302f., Nr. 119-127); ‚Expostulatio Jesu cum homine suapte culpa pereunte‘: Augsburg, 1532 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 45, Nr. 61); ‚Insitutio

Überprüfung der Erkenntnisse anhand der Biographie

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Gerade jene Titel, die in den 1530er Jahren in volkssprachlicher Version veröffentlicht wurden, weisen mit dem Streben nach Kircheneinheit, Erläuterungen zum rechten Glauben wie auch der Türkenfrage deutlich aktuelle Thematiken auf. Dies wiederum spricht dafür, dass offensichtlich die Inhalte der erasmischen Werke in den Dienst gegenwärtiger Interessen gestellt, nicht aber in erster Linie um der Bekanntheit ihres Autors willen in die Volkssprache übertragen wurden. Anderenfalls wäre sicherlich der Tod des Erasmus ein zusätzlicher Motor für volkssprachliche Übersetzungen gewesen. Dies lässt sich jedoch nicht feststellen. Unterstrichen wird durch diese Beobachtung indes die öffentliche Bedeutung des Erasmus sowie seine Berühmtheit, wobei das Interesse an seinen Schriften über den Tod hinaus nur das geringste Indiz darstellt: Dass Übersetzer wie Drucker vielfach der Ansicht waren, erasmische Texte auch in der Volkssprache zugänglich machen zu müssen, hat sicherlich nicht nur weiterhin seine Position in dieser Teilöffentlichkeit gestärkt, sondern hebt auch die Intentionen hervor, in der Breite Informationspolitik zu betreiben sowie mit Hilfe erasmischer Autorität Einfluss auf aktuelle Diskussionen zu nehmen. Indem diese Entwicklung einherging mit der gelegentlich erstmaligen Übertragung früherer erasmischer Texte, wie etwa dem ‚Encomium Moriae‘, wird nicht nur deutlich, dass nicht bloß jene Schriften mit Aktualitätsbezug einen wirtschaftlichen Faktor für Übersetzer und Drucker darstellten, sondern Erasmus auch in der volkssprachlichen Teilöffentlichkeit weiter rezipiert und seine Berühmtheit gefestigt wurde.

principis christiani‘: Frankfurt am Main, 1566 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 17, Nr. 10); ‚Lingua‘: Straßburg, 1544 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 65f., Nr. 96); ‚Encomium Moriae‘: Ulm, 1534 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 64, Nr. 93); ‚Paraclesis‘: Zürich, 1542 und 1552 (vgl. Holeczek, a.a.O., S. 290, Nr. 27f.); Auszüge der ‚Paraphrases in Novum Testamentum‘: Zürich, 1542; ebd., um 1542 sowie um 1552 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 26, Nr. 23; Holeczek, a.a.O., S. 297f., Nr. 83-85); ‚Precatio dominica in septem portiones distributa‘: Basel, s.a. (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 46, 48, Nr. 65); ‚Ultissima consultatio de bello Turcis inferendo‘: Frankfurt am Main, 1531 (vgl. Bezzel, a.a.O., S. 63f., Nr. 92).

IV.

Berühmtsein am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

Dass die Entwicklung des Berühmtwerdens des Erasmus gegen 1519/20 ihren Endpunkt erreichte, ist bereits mehr als deutlich geworden. Allerdings handelte es sich hier nicht um das Ende eines Verlaufs, der sodann wieder abnahm und Erasmus seiner öffentlichen Bedeutung und seines Ansehens beraubte; vielmehr muss hier von einem Höhepunkt des Berühmtwerdens ausgegangen werden, der nicht nur in den zahllosen Ehrbezeugungen in seiner Korrespondenz, sondern ebenso in Pilgerfahrten, Einladungen, Kontaktaufnahmen und anderen Beispielen greifbar wird. Zugleich markiert dieser Höhepunkt auch den Wechsel vom Berühmtwerden zum Berühmtsein. Deutlich wird dies neben anderen überzeugenden Beobachtungen vor allem auch daran, dass Erasmus seine öffentliche Bedeutung auch in jenen Jahren zu wahren vermochte, in denen innerkirchliche Reformversuche und -debatten die Öffentlichkeit auf beispiellose Weise dominierten. Hier sind jedoch insofern zwei Einschränkungen zu machen, als diese Aussagen weder für ganz Europa noch für jede Teilöffentlichkeit (im Reich) gelten. Insbesondere die Entwicklungen in Polen und Spanien in den 1520er Jahren haben gezeigt, dass hier das Berühmtwerden des Erasmus erst einsetzte, während er in England, Italien, dem Reich und anderen Regionen bereits eine, wenn nicht die Autorität war. Da es nicht möglich ist, die Teilöffentlichkeiten in sämtlichen Ländern Europas wie auch die unterschiedlich geartete Rezeption des Erasmus herauszuarbeiten, soll hier und im Folgenden weiterhin der Hauptfokus auf das Reich gerichtet sein. Dabei fällt auf, dass der beschriebene Wandel hin zu einem Berühmtsein zumindest für die Teilöffentlichkeit der Lateinkundigen zutreffend ist – von Humanisten über Theologen bis hin zu sonstigen Personen, die am lateinischen Diskurs teilnehmen konnten. Gleiche Aussagen zu treffen für die nur volkssprachlich Lesekundigen oder gar die Gruppe der Illiteraten ist ungleich schwieriger, da zumindest für Letztere auf Quellenbelege größtenteils verzichtet werden muss. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Erasmus auch hier bereits 1520 ein bekannter Name war, was sich nicht nur an den für ihn veranstalteten Empfängen zeigte, sondern auch an anderen angeführten Beispielen, bei denen in Predigten auf ihn Bezug genommen wurde oder er auch für

Möglichkeiten der öffentlichen Einflussnahme

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Personen ein Begriff war, die nicht am Gelehrtendiskurs teilnehmen konnten.1277 Dennoch wird Erasmus in dieser Teilöffentlichkeit sein Berühmtwerden in den 1520er Jahren fortgesetzt haben. Ein bedeutender Faktor für die Verbreitung seines Namens und seiner Schriften unter den volkssprachlich Lesekundigen – vermutlich auch darüber hinaus – waren die nun zahlreich veröffentlichten Übersetzungen erasmischer Texte. Zusammengenommen ist die Berühmtheit des Erasmus von den 1520er Jahren bis zu seinem Tod nicht von der Hand zu weisen. Mit Blick auf die Öffentlichkeit und die sie bestimmenden Diskussionen und Interessen drängt sich die Frage auf, inwiefern Erasmus seine Stellung als berühmte Person nutzen konnte. Einige Andeutungen wurden diesbezüglich bereits im vorigen Teil gemacht, doch es empfiehlt sich, einen eingehenderen Blick darauf zu werfen, welche Möglichkeiten der öffentlichen Einflussnahme sich ihm boten, aber auch inwiefern Zeitgenossen sich auf ihn beriefen – eventuell auch gegen seinen Willen –, um eigene Ziele zu verfolgen.

A. MÖGLICHKEITEN DER ÖFFENTLICHEN EINFLUSSNAHME 1520-1536 Um sicher zu gehen, dass in der Öffentlichkeit dem eigenen Wort Gehör geschenkt wird, waren im frühen 16. Jahrhundert wie auch heute – wenngleich unterschiedliche – Voraussetzungen zu erfüllen. Verfügte man nicht über eine soziale Stellung qua Geburt oder Ausbildung, durch die Äußerungen wie Weisungen wirkten – etwa im Falle der weltlichen oder geistlichen Herrschaftselite –, waren nicht nur Akzeptanz, sondern auch Position innerhalb einer möglichst einflussreichen Gruppe notwendig. Für Erasmus war dies in Form der res publica literaria gegeben. Konnte er bereits in früheren Jahren die hier geschlossenen Kontakte nutzbar machen, so war ihm spätestens nach Erlangen einer exponierten Stellung unter Humanisten die Position eines opinion leaders zu Teil geworden. Der gelegentlich auftauchende Titel als Fürst der Humanisten umfasste mehr als die Stellung des princeps innerhalb der Gruppe. De facto verbirgt sich dahinter eine geradezu fürstliche, sozusagen pseudoherrschaftliche Stellung, die

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Deutlich wurde dies u.a. am Beispiel des Rheinzöllners, der Erasmus erkannte und eigens für ihn ein Festmahl ausrichtete.

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Berühmtsein am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

sich freilich nicht in staatlichen Entscheidungen manifestierte. Vielmehr ist zu beobachten, dass Erasmus eine derartige Position in der den Humanistenbereich überspannenden Öffentlichkeit innehatte, dass manch eine öffentliche Forderung ähnlich schnell realisiert wurde, als sei sie herrschaftlicher Befehl gewesen. Gerade daran wird deutlich, dass Ansehen und Einfluss des Erasmus außerhalb des humanistischen Milieus ähnlich stark waren. Doch waren dies letztlich erst die Ergebnisse seines Berühmtwerdens und der in diesem Zusammenhang sich konzentrisch ausweitenden Kontakte, die nicht nur an Zahl zunahmen, sondern auch immer mehr bedeutende, einflussreiche Personen in Kirche, Staat, Verwaltung und gelehrter Welt vorwiesen. Nicht selten wurden diese Beziehungen zunächst aufgrund von erasmischen Schriften geschlossen, die den entsprechenden Personen gewidmet wurden. Im weiteren Verlauf gingen die Kontaktaufnahmen indes häufig nicht mehr von Erasmus aus, sondern von anderen, was als weiteres Indiz für seine wachsende Bedeutung zu werten ist. Konnte bereits durch den öffentlich sichtbaren Kontakt zu einer Person, die durch eine Schrift geehrt wurde, in gewisser Weise Einfluss demonstriert und Politik betrieben werden, so war Gleiches im Falle der von Erasmus bekleideten Ämter wohl nicht möglich.1278 Offensichtlich genügten aber schon seine Bedeutung und sein bis 1520 bereits weit über die res publica literaria hinausgehendes Netzwerk, um etwa Freunden Unterstützung zukommen zu lassen. Zwei Fälle, in denen er sich für Humanistenfreunde einsetzte, mögen hier ausreichen, um die Möglichkeiten der Einflussnahme zu veranschaulichen: Die zunächst von Beda, ab 1526 von zahlreichen Vertretern der Sorbonne geäußerten heftigen Kritiken an Erasmus weiteten sich rasch auch auf französische Erasmus-Anhänger aus. In diesem Zusammenhang wurde bereits auf Louis de Berquin verwiesen, der besonders stark angegriffen wurde, hatte er doch bereits mehrere Texte des Erasmus in die Volkssprache übertragen. Nicht zuletzt weil sich Erasmus dazu veranlasst fühlte, seinem Übersetzer zur Seite zu stehen, adressierte er ein (ebenfalls bereits angesprochenes) Schreiben an Franz I.1279 Er suchte dadurch den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen und Berquin, „der bereits mehrfach wegen Häresieverdacht ge-

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Es wurde bereits auf die Frage hingewiesen, ob Erasmus nach Verleihung einer Ratswürde auch Aufgaben zu erfüllen hatte oder es sich nicht vielmehr um eine Ehrbezeugung handelte. Vgl. Allen VI, Nr. 1722, S. 360-363.

Möglichkeiten der öffentlichen Einflussnahme

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fangen genommen worden war“1280, vor neuerlichem Strafvollzug zu bewahren. Um nicht noch weiteres Misstrauen zu erregen, betonte Erasmus eigens, er meine mit Kritikern nicht alle Mönche und Theologen, sondern diejenigen, die offensichtlich durch ihre ungelehrte Ruchlosigkeit (öffentlich) mehr vermöchten als andere, die sich auf gelehrten Anstand besinnen.1281 Auch wenn Erasmus den König nicht wortwörtlich um Beistand bat, verstand dieser doch, was von ihm gefordert wurde – spätestens gegen Ende des Briefes, als die pietas de Berquins hervorgehoben wurde, die ihn doch baldigst von falschen Anschuldigungen befreien werde.1282 Wahrscheinlich nicht ohne Grund wählte Erasmus genau diese Vokabel, da sie doch nicht nur die Frömmigkeit im Sinne eines gottgefälligen Lebens meint, sondern auch als Vaterlandsliebe verstanden werden kann. Die hier vorgestellte Unbescholtenheit und Rechtschaffenheit eines Untertans musste zwangsläufig den Einsatz des Königs bewirken. Wohl nur durch die Einflussnahme des Erasmus und den richtigen Einsatz seiner Berühmtheit fühlte sich Franz I. zum Handeln veranlasst, dessen Folgen Ribhegge zusammengefasst hat als: „Berquin […] wurde wieder freigelassen. Der König veranlasste, dass der weitere Druck von Bédas ‚Annotationes‘ untersagt wurde. Das Parlament fügte sich.“1283 Auch wenn diesem Erfolg nur eine Dauer von wenigen Jahren beschieden war, danach wieder deutlicher gegen Erasmus opponiert und Berquin 1529 nach erneuter Anklage gar gehängt wurde, verdeutlicht dieses Beispiel doch die Einflussmöglichkeiten des Erasmus. Diese zeigen sich auch in zahlreichen anderen, teilweise weniger öffentlichen Fällen, in denen er seine Kontakte nutzbar machen konnte. Hier sei exemplarisch nur auf die Vermittlung des Juan Luis Vives an den englischen Hof hingewiesen, die Erasmus über Morus zu Wege brachte.1284 Dort wurde Vives mit der Erziehung Marys, der Tochter Katharina von Aragons, betraut, was vermutlich ebenfalls auf das Engagement des Erasmus zurückzuführen war.1285 Schließlich hatte Erasmus engeren Kontakt zu Katharina

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Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 143. Vgl. Allen VI, Nr. 1722, hier: S. 362, Z. 57f.: Non loquor de omnibus monachis ac theologis, sed de quibusdam, quorum indocta improbitas plus valet quam aliorum docta modestia. Ebd., S. 363, Z. 80f.: Ludovici Berquini pietas hoc promeretur, ut quamprimum liberetur a calumnia. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 143. Ebd., S. 164. Diese Anstellung bekleidete Vives vermutlich bereits im Juli 1521, da er gegenüber Erasmus ausdrückte: Pecunia Reginea me huc usque alui, et alo. Vgl. dazu: Allen IV, Nr. 1222, S. 549-551, hier: S. 550, Z. 17 (datiert auf 10. Juli 1521).

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Berühmtsein am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

schließen können, nachdem er für sie auf Mountjoys Betreiben hin die ‚Institutio christiani matrimonii‘ verfasst hatte. Darin hatte er u.a. Scheidungsfragen thematisiert und widmete die Schrift der Königin etwa zur gleichen Zeit, als Heinrich VIII. sich von ihr trennen wollte. Die Einschätzung Ribhegges, Erasmus habe sich in den Scheidungsplänen Heinrichs zurückgehalten,1286 ist daher nicht ganz zutreffend, hatte er doch mit seiner ‚Institutio‘ in gewisser Weise Partei für Katharina ergriffen und ihr Mut zugesprochen. Insofern ist der Verdacht auch nicht von der Hand zu weisen, dass er nicht nur maßgeblich die Vermittlung Vives‘ an den Hof betrieben, sondern auch dessen Anstellung als Erzieher lanciert hat. Der Einfluss sowie die Möglichkeiten, die eigene Berühmtheit zu nutzen, zeigen sich aber nicht nur im humanistischen Bereich. Da Erasmus spätestens 1519, wohl aber schon 1516 nach Veröffentlichung des von ihm arrangierten Neuen Testaments, eine feste Größte im theologischen Bereich war, kann hier Ähnliches angenommen werden. Untermauert wird dies durch ein Beispiel des Jahres 1522, als der Papst versuchte, Erasmus zu instrumentalisieren und sich somit dessen Berühmtheit zu Nutze zu machen. Mit der Veröffentlichung eines Psalmenkommentars des Arnobius, das Erasmus Hadrian VI. widmete, wollte er den neuen Papst zu seinem Amt beglückwünschen.1287 Die obligatorische Gegenleistung Hadrians VI. bestand in einer Einladung nach Rom sowie der Verlockung, dort sowohl Zugang zu Büchern als auch zu bedeutenden Personen zu haben.1288 Dieses Angebot verband der Papst mit der Aufforderung, gegen Luther zu

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Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 164: „Vives stand in der Scheidungsfrage auf der Seite der Königin. Erasmus hielt sich betont zurück und schrieb etwas salopp an Vives: ‚Es liegt mir fern, mich in die Sache zwischen Jupiter und Juno einzumischen, zumal da ich mich nicht auskenne. Ich würde eher Jupiter zwei Junos geben, als ihm eine zu nehmen.‘“ Ribhegge hat hier Bezug genommen auf das Schreiben des Erasmus an Vives vom 2. September 1528; vgl. Allen VII, Nr. 2040, S. 469-471, hier: S. 471, Z. 41f.: Negocio Iovis et Iunonis absit ut me admisceam, praesertim incognito. Citius tribuerim uni duas Iunones quam unam adimerem. Vgl. Allen V, Nr. 1304, S. 99-111 (datiert auf 1. August 1522; adressiert an die Leser, gewidmet Papst Hadrian VI.). Vgl. Allen V, Nr. 1324, S. 143-150, hier: S. 149, Z. 110-118 (datiert auf 1. Dezember 1522): Quod si rem hanc, quam, salutis creditarum nobis ovium Christianaeque tranquillitatis desyderio, tantopere abs te poscimus, voles pleniore adhuc obsequio augere, fac hieme transacta et aëre Romano, qui aliquot iam mensibus peste laborat, purgato, ad nos quamprimum venias, sed incolumis ac letus. Erit tuus aduentus et nobis et amicis quos hic habes gratissimus. Iuvabit item te non parum ad hoc opus, quod tam praestare debes quam potes, magna quae penes nos est librorum copia et frequens cum viris piis et eruditis hisce de rebus commentatio.

Möglichkeiten der öffentlichen Einflussnahme

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schreiben,1289 und lieferte eine Begründung mit, die vor dem Hintergrund gemachter Beobachtungen nicht als captatio benevolentiae zu bewerten ist: Schließlich habe Erasmus, so der Papst in seinem Brief vom 1. Dezember 1522, „die geistige Kraft, das breite Wissen und eine Gewandtheit des Schreibens, über die, soweit er wisse, nur wenige verfügten, wenn überhaupt jemand anders.“1290 Eine von Erasmus ausgehende Einflussnahme und somit das aktive Nutzen der eigenen Berühmtheit wird indes an anderen Beispielen deutlich: Wesentlich eindrücklicher lassen sie sich nämlich gerade innerhalb politischer Diskussionen untersuchen, da diese nicht nur für eine deutlich größere Öffentlichkeit von Belang und Interesse waren, sondern auch die tatsächliche Bedeutung des Erasmus aufzeigen, da er nicht zur politisch-herrschaftlichen Elite gehörte. Inwiefern er dennoch auch in diesem Bereich seine Berühmtheit nutzen konnte, soll an zwei Beispielen belegt werden – anhand der insbesondere während des Augsburger Reichstages diskutierten Türkenfrage sowie den innerkirchlichen Auseinandersetzungen,1291 die auch noch nach dem Reichstag in Regensburg (1532) geführt wurden. Weil der Versuch einer innerkirchlichen Einigung der Klärung der Türkenfrage vorangestellt war, wird auf diesen Aspekt zunächst der Blick gerichtet, auch wenn die Einbeziehung des Erasmus erst nach dem Reichstag von 1532 stattgefunden hat. Mit Absicht wurden damit zwei Fälle ausgewählt, die natürlich nicht nur in die herausgearbeitete Phase des Berühmtseins fallen, sondern auch relativ spät in der erasmischen Biographie einzuordnen sind. Zwei Gründe sind für die Wahl verantwortlich: Zum einen kommen damit die Möglichkeiten der öffentlichen Einflussnahme besonders zur Geltung, da seine Bedeutung zu diesem Zeitpunkt zwar bereits zurückgegangen war, Erasmus augenscheinlich jedoch noch immer über Einfluss verfügte. Für frühere Zeiten, insbesondere die 1520er Jahre, müssen jene Einflussmöglichkeiten daher noch höher eingeschätzt werden. Da aber in obigen Ausführungen ein Hauptaugenmerk eben auf der Dekade vor 1530 lag, soll durch diese Wahl – und das ist der zweite Grund – ein mögliches Ungleichgewicht beseitigt werden.

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Vgl. Martius, Erasmus von Rotterdam und seine Freunde, S. 526. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 116. Vgl. Allen V, Nr. 1324, hier: S: 145, Z. 2628: Inest enim tibi magna ingenii vis, varia eruditio, scribendi promptitudo, quanta nostra memoria paucissimis aliis, ne dicamus nullis [.] Hier sind vor allem die Auseinandersetzungen von Interesse, die nach dem Augsburger Reichstag – teilweise auch als Konsequenz – zu beobachten sind.

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Berühmtsein am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

1.) Beispiel: Innerkirchliche Auseinandersetzungen nach den Reichstagen in Augsburg (1530) und Regensburg (1532) Am 20. Juni 1530 eröffnete Karl V. den Reichstag in Augsburg.1292 Für ihn standen zwei Hauptthemen im Zentrum der Verhandlungen: Einerseits sollten Maßnahmen gegen die vorrückenden Türken beschlossen werden, die 1526 nach der Schlacht gegen die Ungarn bei Mohács größere Gebiete für sich gewinnen konnten. Ein weiteres Vordringen sollte unterbunden, wenn möglich verlorene Gebiete zurückerobert werden. Andererseits war dafür die Beilegung der innerkirchlichen Auseinandersetzungen in weiten Reichsteilen erforderlich, die ihrerseits die politische Stabilität bedrohten. Die Reformatoren waren daher aufgefordert, ihre Standpunkte darzulegen. Allerdings zeigte sich hier bereits eine Schwierigkeit, die theologischen Ansätze in Einklang zu bringen, da selbst das reformatorische Lager keine einheitlichen Ansichten präsentieren konnte.1293 Während insbesondere Melanchthon versuchte, mit Hilfe der maßgeblich von ihm formulierten ‚Confessio Augustana‘ auch eine rechtliche Existenzberechtigung für die Protestanten zu schaffen, reichten die süddeutschen Städte Straßburg, Konstanz, Lindau und Memmingen ebenfalls eine Bekenntnisschrift ein.1294 Ein weiteres, separates Bekenntnis trug Zwingli unter dem Titel ‚Fidei ratio ad Carolum imperatorum‘ vor.1295 Zwar hatte es bereits im Vorfeld Bemühungen gegeben, ein gemeinsames evangelisches Bündnis zu schaffen, doch offenbarten sich die innerprotestantischen Differenzen auf dem Augsburger Reichstag sehr deutlich. Wenngleich die Bildung politischer Bündnisse zum Schutz des evangelischen Glaubens als elementare Folge dieser Auseinandersetzungen bewertet werden kann, konnte während des Reichstages keine Einigung erzielt, geschweige denn zu einer kirchli-

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Für einen Überblick vgl. MacCulloch, Die Reformation 1490-1700, S. 240-243. Nach dem Verlauf des Marburger Religionsgesprächs im Jahr zuvor war dies freilich keine Überraschung mehr. Vgl. dazu auch Wolf-Friedrich Schäufele (Hrsg.), Die Marburger Artikel als Zeugnis der Einheit, Leipzig 2010. Da sie von diesen vier Städten gemeinsam eingebracht wurde, ergab sich der Titel ‚Confessio Tetrapolitana‘. Vgl. dazu auch Karl-Heinz zur Mühlen, Die Reformation und die Reform des Reiches und der Kirche im 16. Jahrhundert, in: Karl-Heinz zur Mühlen, Reformatorische Prägungen. Studien zur Theologie Martin Luthers und zur Reformationszeit, hrsg. von Athina Lexutt / Volkmar Ortmann, Göttingen 2011, S. 261-276, bes. S. 270f.

Möglichkeiten der öffentlichen Einflussnahme

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chen Einheit zurückgekehrt werden.1296 Aus kaiserlicher Sicht war daher nach den Verhandlungen nicht klar, ob der Zusammenhalt des Reiches weiterhin gewährleistet werde. Diese Unsicherheit verstärkte sich, als sich die protestantischen Gebiete 1531 im Schmalkaldischen Bund zu einem Verteidigungsbündnis vereinten.1297 Es handelte sich hier nicht nur um eine Parteiung auf theologischer Ebene, wie auch Athina Lexutt hervorgehoben hat: „So schlossen sich 1532 Kursachsen, Hessen, Bayern, Dänemark und Frankreich im Saalfelder Bund zusammen […], um gegen die Königswahl Ferdinands im selben Jahr zu opponieren, der in der Zeit der Abwesenheit Karls dessen bestellter Vertreter war – ein klares Signal, dass der Bund sich nicht nur auf religiöse Themen zu konzentrieren gedachte.“1298 Allerdings galt für das Jahr 1532 wohl noch, dass der politische Konflikt nur auf theologischer Ebene zu lösen sei. Hatte der Kanzler des albertinischen Sachsens, Simon Pistorius, noch während des Augsburger Reichstags am 27. Juni 1530 geschrieben, durch eine Einbeziehung des Erasmus wäre sicher eine Vermittlung erzielt worden,1299 setzte Melanchthon dies 1532 in die Tat um.1300 Dass dieser dem Rotterdamer Erfolg in den Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten zutraute, während doch das Verhältnis insbesondere zu Luther nicht mehr zu bereinigen war,1301 verdeutlicht die Macht, die ein öffentliches Wort des Erasmus (noch immer) besaß. So wandte sich Melanchthon am 25. Oktober 1532 mit der Klage an Erasmus, dass die Fronten derart verhärtet seien, dass jeglicher Ver-

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Stattdessen wurde weiterhin an den Bestimmungen des Wormser Edikts festgehalten. Die Reichsacht gegen Luther wurde daher auch nach dem Reichstag aufrecht erhalten. Die Protestanten wurden dazu aufgefordert, sich bis April des folgenden Jahres zu unterwerfen. Vgl. Athina Lexutt, Die Reformation. Ein Ereignis macht Epoche, Wien 2009, hier: S. 106f. Ebd., S. 107. Vgl. Allen VIII, Nr. 2333, S. 459f., hier: S. 460, Z. 42-44 (adressiert an Erasmus): Utinam tu adesses et haberes qui tuum sequerentur iuditium! persuasum enim haberem te verum posse prestare et Aristarchum et compositorem. Während des Augsburger Reichstages beschränkte sich die Einbeziehung des Erasmus auf Informationen, wie Ribhegge (Erasmus von Rotterdam, S. 169) deutlich gemacht hat: „Erasmus erhielt in Freiburg zahlreiche Berichte aus Augsburg über den Ablauf des Reichstags, unter anderem von Simon Pistoris […], von Johann Vlatten, dem Kanzler des Herzogs von Kleve, und dem flämischen Diplomaten Cornelius Schepper, einem Erasmianer am Hof Karls V.“ Vgl. Martius, Erasmus von Rotterdam und seine Freunde, S. 529. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 197.

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Berühmtsein am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

mittlungsvorschlag verworfen werde.1302 Daher fordere er ihn zu Folgendem auf: Illud tamen oro te quantum possum, ut etiam tuam autoritatem, si qua erit occasio, ad pacem faciendam conferas, et horteris eos qui rerum potiuntur ne bello civili magis dissipent Ecclesias. 1303

Durch die nur aufgrund seiner Autorität erfolgversprechende Mahnung an die Mächtigen könne er nochmal vor aller Welt seine Weisheit unter Beweis stellen.1304 Die gleiche Macht des Wortes wurde Erasmus auch von katholischer Seite konstatiert, so dass sich Anfang 1533 Julius von Pflug, der zu diesem Zeitpunkt noch in albertinischen Diensten stand, ab 1542 Bischof von Naumburg war, in ähnlichem Bestreben an Erasmus wandte.1305 Er klagte ebenfalls über das Übel, das die gesamte natio nostra1306 bedrücke. Daher wünsche er sich von Erasmus ein Heilmittel, das wirksam sei.1307 Dass Erasmus von beiden Parteien um Vermittlung gebeten wurde – die Briefe Melanchthons und Pflug sind nur ausgewählte Beispiele –, unterstreicht seine öffentliche Bedeutung, die er in den 1530er Jahren noch immer besaß, wenngleich sie sicher nicht mehr so herausragend war wie noch in den 1520er Jahren. Nicht zuletzt aufgrund dieser Bitten reagierte er mit der Veröffentlichung der Schrift ‚De sarcienda ecclesiae concordia‘1308. Warum er sie Pflug und nicht Melanchthon widmete,1309 lässt sich allerdings nicht klären. Die Annahme, bereits durch die Adressierung habe er eine Parteinahme zum Ausdruck bringen wollen, ist indes nicht zutreffend. Stattdessen hat Ribhegge zu Recht geurteilt, dass Erasmus die verschiedenen Positionen möglichst objektiv darzulegen suchte.1310 Grundlage der Schrift stellt ein Psalm dar:

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Vgl. Allen X, Nr. 2732, hier: S. 120, Z. 12f.: Sed quia nihil moderati placet utrique parti, nostra consilia repudiantur. Ebd., Z. 13-16. Ebd., Z. 26-29: Tu si quid poteris adferre opis labenti Reip., effice ut quod ille fieri inquit in bonis poematis, in hoc quasi ultimo actu vitae tuae, totus orbis terrarum sapientiam tuam praecipue perspiciat. Vgl. Allen X, Nr. 2751, S. 139f. (datiert auf 4. Januar 1533). Ebd., S. 140, Z. 2f. Ebd., S. 140, Z. 9-14: Quo magis cupio ut, sicui integrum sit salutarem, hoc est non acerbam, facere medicinam, is curationem illius hoc tempore suscipiat. Quippe cum tanta oblata sit occasio medendi, reliquum nihil est quod quaeras. Sentis facile quid velim ego. Nihil tamen praescribo. Video enim quid tempora haec postulent; sed quid ego exigere debeam, non video. Erschienen im Sommer 1533 bei Froben in Basel. Vgl. Allen X, Nr. 2852, S. 281 (datiert auf 31. Juli 1533). Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 196.

Möglichkeiten der öffentlichen Einflussnahme

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Tractavi Psalmum 83 in quo divinus ille Spiritus mire nobis commendat Ecclesiae concordiam.1311 Die Auslöser des Streits sah Erasmus im sturen Beharren auf den eigenen, teilweise falschen Sichtweisen und den gelegentlich unberechtigten Diffamierungen der Gegenseite. Er hielt es aber weiterhin nicht für abwegig, zu einem Ausgleich zu gelangen. „Zum Schluss gibt sich Erasmus vorsichtig hoffnungsvoll. Mit moderaten Vorschlägen und gedämpften Leidenschaften ließe sich die Eintracht der Kirche erhalten. Im Sinne des Psalms könnten alle gemeinsam rufen: ‚Quam amabilia tabernacula tua, domine virtutum‘[.]“1312 Dass verschiedene lateinische Nachdrucke dieser Konkordienschrift wie auch deutschsprachige Übersetzungen 1533/34 publiziert wurden, bestätigt nicht nur das Ringen um innerkirchliche Einigung, sondern erneut die Berühmtheit des Erasmus. Auch wenn sich in der Folge die rivalisierenden Parteien weiter voneinander entfernten, wird an diesem Beispiel die Bedeutung des Erasmus greifbar. Aufgrund seines Ansehens und seiner Autorität wurde er von anderen Personen um Einflussnahme gebeten und konnte seiner Position deutliches Gehör verschaffen – Nachdrucke und Übersetzungen belegen dies. Dass sein Plädoyer für kirchliche Einheit nicht für eine tatsächliche Wende sorgte, muss indes nicht als Gradmesser seiner Einflussnahme gewertet werden. Offensichtlich waren – wie auch die Ziele des Schmalkaldischen Bundes zeigten – die Fronten zu starr und die Ziele nicht mehr nur auf den theologisch-religiösen Bereich beschränkt, als dass zu diesem Zeitpunkt eine Einigung hätte erzielt werden können.

2.) Beispiel: Türkenfrage Den zweiten Hauptpunkt während der Verhandlungen in Augsburg stellte die Türkenfrage dar, die nach der Belagerung Wiens im Vorjahr äußerst aktuell und dringlich war. Im Gegensatz zu Kircheneinheitsbestrebungen, zu denen Erasmus von anderen gedrängt wurde, handelte er in der Türkenfrage aus eigener Initiative. Mit seiner ‚Consultatio de bello turcico‘ wollte er vermutlich Einfluss auf die Augsburger Verhandlungen nehmen, wurde die Schrift doch im März 1530 und damit kurz vor Reichstagsbeginn veröffentlicht.1313 Darin

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Vgl. Allen X, Nr. 2852, S. 281, hier: Z. 19f. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 197. Vgl. Allen VIII, Nr. 2285, S. 382-385 (datiert auf 17. März 1530; adressiert an Johann Rinck).

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Berühmtsein am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

ging er nicht nur auf die Geschichte der Türken und ihre jüngsten Erfolge (Mohács / Wien) ein, sondern baute seinen Ratschlag mit Hilfe einer Psalmenauslegung auf. Gerade diese Schrift stellt ein eindrückliches Beispiel seiner politischen, zumeist pazifistischen Überzeugung dar, weist aber auch eine frappierende Ähnlichkeit zu Luthers Türkenschriften des Jahres 1529 auf.1314 Indem Erasmus zum einen die Türkenbedrohung den christlichen Fürsten anlastete, nahm er Bezug auf frühere seiner Schriften, insbesondere auf das ‚Enchiridion militis christiani‘ und die ‚Institutio principis christiani‘, und erneuerte sein Plädoyer für Orientierung an Gottes Willen und für Pazifismus in der weltlichen Politik;1315 zum anderen ergab sich für ihn auf Grundlage des 28. Psalms die Konsequenz, dass Christen „ob katholisch oder protestantisch, gleicherweise schuld daran [seien], dass Gottes Zorn sie durch die Türken trifft.“1316 Wenngleich Luther die Türkenangriffe auf den Zorn des Teufels zurückführte, stellten sie auch für ihn eine göttliche Strafe dar: Daruemb so halt feste und sey sicher, das der Tuercke gewislich sey der letzte und ergeste zorn des teuffels widder Christum, damit er dem fass den boden ausstoesset, und seinen grym gantz ausschuettet widder Christus reich, Dazu auch die groesseste straffe Gottes auff erden uber die undanckbarn und gotlosen verechter und verfolger Christi und seines worts Und on zweiffel der vorlauff der hellen und ewiger straffe.1317

Angesichts der Distanz zwischen Erasmus und Luther, eine immer noch andauernde Folge des Streits um die Willensfreiheit, muss jedoch die Ähnlichkeit beider in der Ursachenforschung der Türkenproblematik deutlich betont werden. Es darf jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass sich beide näher standen, als es ihnen lieb war, oder es in der Folge gar zu einer Aussöhnung gekommen wäre. Der gravierende Unterschied zwischen beiden Zitaten ist darin zu sehen, dass Erasmus explizit protestantischen und katholischen Christen die Schuld zuschrieb und somit auch hier seinem Glauben an eine Kir-

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Vgl. dazu: ‚Vom kriege widder die türcken‘, erschienen gegen 23. April 1529 und gewidmet Landgraf Philipp von Hessen (WA.Schriften 30.2, S. 81-148; zur Datierung vgl. ebd., S. 96); ‚Eine Heerpredigt widder den Tuercken‘, erschienen nach Abzug der Türken von Wien (WA.Schriften 30.2, S. 160a-197a). Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 176: „Offensichtlich beurteilte Erasmus den Türkenkrieg primär als einen Eroberungs- und weniger als einen Verteidigungskrieg. Die beste Lösung wäre, die Türken ohne Gewalt zu unterwerfen, so wie einst die Apostel die Völker der Welt unter die Herrschaft Christi gebracht hätten.“ Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 175. Luther, Eine Heerpredigt widder den Tuercken, hier: S. 162a, Z. 19-25.

Möglichkeiten der öffentlichen Einflussnahme

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cheneinheit Ausdruck verlieh. Wichtiger ist an dieser Stelle indes die Frage, inwiefern Erasmus auf die Türkenproblematik Einfluss nahm – eine Frage, die sich nicht leicht beantworten lässt angesichts zahlreicher zeitgenössischer Schriften anderer Autoren. Am Beispiel des Zürcher Reformators Theodor Bibliander hat Georg Christ eindrücklich verdeutlich, in welchem Maß hier die erasmische Schrift zur Türkenfrage gewirkt hat.1318 Dabei hat auch er deutliche Übereinstimmungen zwischen diesen beiden und Luther ausgemacht und resümiert: „Bibliander, Erasmus und Luther sind sich einig, dass das Christentum die einzig wahre Religion ist. Diese Auffassung führt sie aber nicht dazu, einen ‚Zusammenprall von zwei Kulturen‘ oder Religionen zu sehen. Alle drei relativieren den religiösen Gegensatz zwischen Türken und Christen und sehen durchaus, dass Aberglaube und Unmoral in den eigenen Reihen genauso verbreitet sind wie bei den Türken.“1319

Mit Blick auf die Initiative des Erasmus ist zunächst festzuhalten, dass seine deutliche Wortmeldung in Form der ‚Consultatio de bello turcico‘ von ihm ausging und keinen Anstoß von außen erhielt. Im Gegensatz zum vorigen Beispiel, das das Streben nach Kircheneinheit zum Thema hatte, sah Erasmus Handlungsbedarf und vertraute mit Blick auf Beachtung und Rezeption der Schrift auf sein Berühmtsein. Dass dies nicht unberechtigt war, beweist die volkssprachliche Übertragung der ‚Consultatio‘, die bereits 1531 in Frankfurt am Main veröffentlicht wurde.1320 Daneben gibt es auch Indizien, die deutlich machen, dass seine Argumentation in weiten Teilen dem Zeitgeist entsprach. So betrieb auch Nikolaus Olahus, der Sekretär Marias von Ungarn, in einem auf den 25. Oktober 1530 datierten Brief Ursachenforschung über die Hauptgründe für den Vormarsch der Türken.1321 Auch wenn sich kein Beleg für seine Lektüre der erasmischen Schrift finden lässt, kam er zu denselben Ergebnissen: Zuvorderst hätte eine Einigung in Glaubensfragen erzielt werden müssen, um gemeinsam gegen die Türkengefahr vorgehen zu können. Dass es jedoch auf dem Augsburger Reichstag nicht zu einer solchen Annäherung gekommen

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Vgl. Georg Christ, Theodor Biblianders Türkenschrift. Ein Reformator und Humanist über Religion, Moral und kriegerischen Erfolg, in: Christ-von Wedel / Leu (Hgg.), Erasmus in Zürich. Eine verschwiegene Autorität, S. 309-326. Ebd., S. 325. Vgl. Bezzel, Erasmus von Rotterdam 1469-1536, S. 63f., Nr. 92. Vgl. Allen IX, Nr. 2399, S. 68f. (adressiert an Erasmus).

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Berühmtsein am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

sei, müsste vor allem den Fürsten angelastet werden.1322 Olahus stellte damit genau wie Erasmus eine kirchliche Einigung als Voraussetzung für eine Lösung der Türkenfrage dar. Ebenso war auch für ihn das unbewegliche Festhalten an den eigenen Positionen von Seiten der unterschiedlichen Lager ursächlich dafür, dass zumindest in dieser Frage der Reichstag ohne Erfolg geblieben war. Ob die ‚Consultatio‘ des Erasmus ähnlich erfolglos war, lässt sich nicht zweifelsfrei klären, ist aber aus mindestens zwei Gründen mehr als unwahrscheinlich: Erstens belegt die Übertragung in die Volkssprache eine weitere Verbreitung der erasmischen Standpunkte. Zweitens verlieh sowohl die Publikation einer tagesaktuellen Thematik wie auch der deutschsprachigen Übersetzung der erasmischen Berühmtheit einen neuerlichen Schub – und welchen Erfolg eine gegenwartsbezogene Schrift haben konnte, war nicht zuletzt in den zahlreichen frühreformatorischen Lutherschriften deutlich geworden. Auch wenn die ‚Consultatio‘ unter Umständen nicht die erhoffte Wirkung hatte, so vermochte sie in der Öffentlichkeit zumindest den Namen des Erasmus auf ein Neues hervorzuheben. Dass dieser Eindruck nicht leicht von der Hand zu weisen ist, wird daran ersichtlich, dass Erasmus in diesem Fall nicht als der große Humanist und Gelehrte der Antike in Erscheinung trat, sondern als politischer Theologe, der auch auf seine Gegenwart Einfluss zu nehmen suchte.

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Ebd., S. 69, Z. 33-43: Spes erat maxima Caesarem, regem et caeteros Germaniae principes in hoc imperiali conventu ea deliberaturos quae ad propellendos ex Hungaria Turcas pertinere viderentur. Secus tamen quam opinabamur contigit. Nam omnis fere tractatus in altercationibus est consumptus, et praetextu fidei religionisque nostrae conservandae alia omnia sunt neglecta, ita ut nihil penitus tractatum esse hoc in conventu aut finitum dicere possis quam promissa quadraginta millia peditum et octo millia equitum ad futuram contra Turcae generalem expeditionem: hac tamen lege, si Caesar Germaniam pacaverit ac principes in negocio fidei concordes reddiderit.

379 B. FORMEN DER ÖFFENTLICHEN EINFLUSSNAHME DURCH ANDERE Das Berühmtsein des Erasmus konnte freilich auch von außenstehenden Personen nutzbar gemacht werden. Die Berufung auf seine Autorität konnte der persönlichen Einflussnahme äußerst zweckdienlich sein, selbst wenn sie unter Umständen gegen den Willen des Erasmus zustande kam. In gewisser Weise begann die öffentliche Einflussnahme bereits mit dem Drängen, Erasmus möge sich zu Wort melden und Partei ergreifen. Deutlich wurde dies an den Beispielen, dass Hadrian VI. sowie Herzog Georg von Sachsen ihn dazu anhielten, sich gegen Luther zu äußern. Auch die Bitte Melanchthons, Erasmus möge seinen Einfluss nach den erfolglosen Einheitsbestrebungen auf dem Augsburger Reichstag – wenngleich mehr als fraglich ist, ob die Reformatoren tatsächlich noch eine Einheit anstrebten – endlich zum Ausdruck bringen, entspricht dieser Form der äußeren Einflussnahme. Daneben sind aber auch zahlreiche andere Belege anzuführen, wonach erasmische Äußerungen in den Dienst der eigenen Sache gestellt wurden. Es sind in diesem Zusammenhang wohl so verschiedene Fälle zu beobachten, wie es Medien und Kommunikationsmöglichkeiten gab. Da bereits im Vorfeld auf verschiedene Situationen eingegangen und bislang der Schwerpunkt auf druckgestützte Information und Kommunikation gelegt wurde, soll die öffentliche Einflussnahme durch Zweite am Beispiel von Zitaten verdeutlicht werden, mit denen die Verfasser die eigene Argumentation zu stützen trachteten. Überzeugende Beispiele hat Barbara Helbling angeführt, die bei Zürcher Gegnern Zwinglis zu beobachten sind.1323 Anlass für die Auseinandersetzung zwischen Zwingli und seinen konservativen Kontrahenten war insbesondere sein Predigtstil, der 1521/22 vor allem unter den örtlichen Chorherren für heftige Kritik sorgte. Dies verwundert allerdings auch nicht, wurden ihre Ansichten doch mehrfach von Zwingli angeprangert. Einer der schärfsten Zwingli-Kritiker unter ihnen war Konrad Hofmann, der u.a. mit einer Schrift gegen ihn vorging. Helbling hat in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass „manche Beanstandung das selbstherrliche, rücksichtslose und als arrogant

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Vgl. Barbara Helbling, Erasmus als Referenz bei Zwinglis Gegnern in Zürich, in: Christ-von Wedel / Leu (Hgg.), Erasmus in Zürich. Eine verschwiegene Autorität, S. 53-74.

380

Berühmtsein am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

empfundene Auftreten Zwinglis [betraf], mit dem er einige psychologische Grundregeln verletzte, die für den Prediger im Umgang mit seinen Hörern verbindlich sein müssten.“1324 Zwingli hoffte in diesem Streit auf Parteinahme und Fürsprache von Seiten des Erasmus. Auf die zahlreichen Briefe an den Rotterdamer, die man in diesen Jahren wechselte, wurde bereits verwiesen. Dass er ihm zudem im Sommer 1522 das Bürgerrecht der Stadt Zürich antrug, erscheint vor diesem Hintergrund in gänzlich anderem Licht. Insofern ist bereits dieses Angebot nicht nur als Ehrbezeugung aufzufassen, sondern verdeutlicht einmal mehr die Berühmtheit des Erasmus zu Beginn der 1520er Jahre wie auch die Versuche, durch den Kontakt zu Erasmus die eigene Position zu stärken. Das Vorhaben Zwinglis musste in diesem Punkt jedoch daran scheitern, dass sich Hofmann in der unter dem Titel ‚Klagschrift‘ veröffentlichten Kritik ausgerechnet intensiv an Erasmus orientierte. Beispielhaft für die zahlreiche Bezugnahme auf Erasmus ist hier die Warnung Hofmanns, Zwingli „möge kontroverse Themen nicht von der Kanzel herunter dem ‚gemeinen Volk‘ auf Deutsch darlegen“1325. Um seinerseits der eigenen Argumentation mehr Autorität zu verleihen, berief er sich namentlich auf Erasmus, indem er schrieb: Aber das sag ich darby / das in den schuolen / und under den gelertten zuo sichrer und besßrer erforschung und erfarung der warheit / mengerley nutzlich und fruchtparlich mag geseit / gehandlet und disputiert werden / das in dem gemeinen volck groß ergernisß und schaden brächte / all meidung und erzellung mengerley meinungen der lereren mit iren anzügen / und verglichung oder zesamenschätzung der lerer der heiligen gschrifft / gegeneinander und dero glichen // als das schinbar ist in den Büchern des vilgelertten doctorß Erasmi, der zuo merer besßerer und sicherer verstentnisß der warheit vil gewarnet / geschoben und geoffenbaret hat den gelertten / das dem gmeinen volck grosß ergernisß brächte // darumb sin will und meinung ist / besonnder vast wider inn / als er selber schribt / das die selben ding dem gmeinen volck söltten fürgehept und erscheint werden / dero glichen findet man ouch in andern büchernn[.]1326

Es wäre müßig, den weiteren Verlauf der Auseinandersetzung wiederzugeben. Festzuhalten bleibt jedoch, dass Zwingli als Sieger hervorging und er die Zürcher Chorherren spätestens nach 1524 derart

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Ebd., S. 62. Ebd., S. 65. Vgl. auch Gottfried W. Locher, Zwingli und Erasmus, in: Coppens (Hrsg.), Scrinium Erasmianum, Bd. 2, S. 325-350. Anton Schindler, Die Klagschrift des Chorherrn Hofmann gegen Zwingli, in: Heiko A. Oberman [u.a.] (Hgg.): Reformiertes Erbe. Festschrift für Gottfried W. Locher zu seinem 80. Geburtstag, Bd. 1, Zürich 1992 (Zwingliana XIX), S. 325-359, hier: S. 342f.

Formen der öffentlichen Einflussnahme

381

eingeschüchtert hatte, dass sie von weiterer Kritik absahen.1327 Im Zuge dieses Streits muss jedoch das Faktum Beachtung finden, dass beide Parteien den Beistand des Erasmus suchten – Hofmann durch direkte Bezugnahme, Zwingli auf Briefebene. Auch wenn in den 1520er Jahren eine Entfremdung zwischen Erasmus und dem Zürcher Reformator stattgefunden hat, ist fraglich, ob die von Hofmann geäußerte Kritik mit Berufung auf Erasmus in dessen Sinne war. Sollte dieser aber von den Vorwürfen Hofmanns in Kenntnis gesetzt worden sein, könnte dies als Ursache dafür angesehen werden, dass er eben nicht wie gewünscht Partei für Zwingli ergriff. An diesem Beispiel wird jedoch auf eindrückliche Weise deutlich, welche öffentlichkeitswirksame Bedeutung mit der Berühmtheit des Erasmus verbunden war. – In ähnlicher Weise zeigt es sich auch in einem spanischen Fall: Nach der Plünderung und Verwüstung Roms durch deutsche Landsknechte und spanische Söldner, dem ‚Sacco di Roma‘, im Jahr 1527 wurde die Hauptschuld Karl V. angelastet. Alfonso de Valdés, der seit 1522 Sekretär des kaiserlichen Kanzlers Gattinara und wie dieser Anhänger und Briefpartner des Erasmus war, verfasste daraufhin einen Dialog, in dem er den Kaiser verteidigte und den ‚Sacco di Roma‘ als Strafgericht der Sünden Roms darstellte. Auch in diesem Fall wurde Bezug auf Erasmus genommen und nicht nur aufgrund fast wörtlicher Zitate aus der ‚Querela pacis‘ muss man mit Ribhegge zu dem Schluss kommen: „Der Hof versuchte, Erasmus für seine propagandistischen Zwecke einzuspannen.“1328 Am 15. Mai 1529 informierte er Erasmus über seinen Dialog und legte ihm seine Intention dar:1329 Sein Ziel sei es gewesen, den Kaiser von jeglicher Schuld zu entlasten und sie stattdessen auf den Papst bzw. seine Berater abzuwälzen. Dies habe er zu Wege gebracht, indem er vieles aus den erasmischen ‚Lucubrationes‘ entnommen habe.1330 – In diesem Fall ist belegbar, dass Erasmus von seiner Instrumentalisierung durch Valdés nicht erbaut war. Schließlich

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Vgl. Helbling, Erasmus als Referenz bei Zwinglis Gegnern in Zürich, S. 74: „Zwingli hatte den Chorherrn auf der ganzen Linie besiegt, dieser selber hatte sich vor dem Publikum [während einer Sitzung im Januar 1524] lächerlich gemacht. […] [Die konservativ gesinnten Bürger Zürichs] blieben dem neuen Glauben gegenüber kritisch, meldeten sich aber nicht mehr zum Wort. Auf eine weitere öffentliche Konfrontation wollten sie es nicht ankommen lassen und sahen auch, dass Kritik an Zwingli gefährlich werden konnte.“ Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 150. Vgl. Allen VIII, Nr. 2163, S. 169-174. Ebd., S. 172, Z. 75-79: Utque datam liberarem, quasi praeludens, Dialogum de capta ac diruta Roma scripsi, sed sic ut Caesarem omnino a culpa liberarem, et in Pontificem, aut verius in illius consultores, totam transfunderem; multaque his admiscui, quae ex tuis lucubrationibus excerpseram.

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Berühmtsein am Beispiel des Erasmus von Rotterdam

geht aus einem Brief vom Oktober 1528 – und damit vor dem Schreiben des Valdés – hervor, dass er eine derartige Argumentation ablehnte. Gegenüber Jacobus Sadoletus betonte er darin, dass der ‚Sacco di Roma‘ nicht nur der Stadt Rom, sondern allen Völkern geschadet habe. Schließlich sei Rom ein bedeutender Ort für die christliche Religion und darüber hinaus erstarrten durch die dortige kriegerische Willkür die freien Künste oder kämen gänzlich zum Erliegen.1331 Es ist leicht abzulesen, dass der Dialog von Valdés nicht die erwartete Zustimmung bei Erasmus fand – ganz abgesehen von den Zitaten, die sicherlich gegen seinen Willen eingewoben wurden. Nachdem der Vertrag von Barcelona im Juni 1529 eine Annäherung zwischen Kaiser und Papst bewirkt hatte, scheint Valdés außer eigenem Schaden nicht viel erreicht zu haben – auch wenn der Vertrag zu Gunsten Karls V. ausgefallen war.1332 An dieser Stelle darf jedoch nicht der voreilige Schluss gezogen werden, der Dialog hätte nicht die erwünschte Wirkung entfaltet, weil die Autorität des Erasmus ihm nicht genügend Bedeutung verliehen hätte. Stattdessen muss davon ausgegangen werden, dass in diesem Fall die politischen Entscheidungen über die Propaganda erhaben waren. Daneben verdeutlicht dies auch, dass die Berühmtheit für Erasmus nicht nur mit Vorteilen verbunden war, sondern sozusagen der Missbrauch seiner Schriften in den Härtefällen zuweilen der Richtigstellung und Korrektur bedurfte. Die öffentliche Einflussnahme durch Zweite – das haben beide Beispiele gezeigt – konnte die Berühmtheit des Erasmus festigen oder gar mehren, konnte hingegen dem Ansehen auch schweren Schaden zufügen. Für Erasmus war es freilich nicht möglich, auf alle Fälle, in denen er – gelegentlich auch gegen seinen Willen – instrumentalisiert wurde, einzugehen. In positiver Interpretation stellt auch diese Beobachtung ein Indiz für den Grad seines Berühmtseins dar.

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Vgl. Allen VII, Nr. 2059, S. 509-511, hier: S. 510, Z. 45-50 (datiert auf 1. Oktober 1528): Nimirum orbis hoc excidium erat verius quam urbis. Tot opinionum dissidiis labefacta nutat Christiana religio. Bellonae furor nusquam abest, et in tanto tumultum fremitu Musae liberalesque disciplinae aut prorsus iacent frigentque aut conterritae silent. Vgl. Ribhegge, Erasmus von Rotterdam, S. 151: „Der ‚Sacco di Roma‘ hatte zur Ernüchterung geführt. Karl V. und Papst Clemens VII. näherten sich in dem Vertrag von Barcelona vom Juni 1529 einander an. Der Papst war jetzt allerdings vom Kaiser abhängig.“

V. Schluss

Hodie nullus – cras maximus – das im Titel der Arbeit aufgegriffene ‚Adagium‘ des Erasmus ist für sein Berühmtwerden nur bedingt zutreffend. Zwar avancierte er dank einer Publikation binnen weniger Wochen zu einer europaweit bekannten und berühmten Person, doch war der Prozess seines Berühmtwerdens zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht beendet. Es ist vielmehr von einer jahrzehntewährenden Entwicklung auszugehen, die trotz Monomedialität auf verschiedenen Kommunikationswegen zustande kam. Die Voraussetzung dieses Prozesses waren Texte – sowohl handschriftliche wie Briefe, als auch gedruckte Veröffentlichungen. Die Wahl des Quellenkorpus wie auch die Art ihrer Auswertung haben sich daher nicht nur als gerechtfertigt, sondern als überzeugendes und tragfähiges Konzept erwiesen. Die Rezeption seiner Veröffentlichungen wie auch seines Namens auf mündlicher Kommunikationsebene lässt sich indes nur schwer nachweisen. Dennoch haben verschiedene Beispiele verdeutlicht, dass er bereits Jahre zuvor unter lediglich volkssprachlich Lesekundigen bekannt war, bevor die erste deutschsprachige Übersetzung zum Kauf angeboten wurde. Belege finden sich in zeitgenössischen Predigten, die u.a. in Zürich gehalten wurden, oder auch im Falle des Zöllners, der Erasmus zu einem Zeitpunkt erkannte, als dieser, so hätte man im Vorfeld schlussfolgern müssen, nur in der res publica literaria von sich reden gemacht hatte. Ähnliches ist insbesondere während der Reise rheinaufwärts zu beobachten, als sich interessierte Bauern auch nicht vor einer Anreise scheuten, um die ‚berühmteste und gelehrteste Person des Zeitalters‘ zu sehen. Nach den gewonnenen Erkenntnissen zu urteilen scheint der Fluss von Informationen aus der theologischen Teilöffentlichkeit in den laikalen Bereich intensiver gewesen zu sein als bislang angenommen. Diesen Eindruck gewinnt man unweigerlich, wenn man Predigten zur Hand nimmt, in denen Kleriker u.a. auch Erasmus zum Gegenstand ihrer Ausführungen machten. Natürlich ist dies erst zu konstatieren, nachdem er sich bereits als Theologe einen Namen gemacht hatte. Daneben kann die Bedeutung des Druckgewerbes für das Berühmtwerden des Erasmus nicht ausreichend betont werden. Noch

384

Schluss

wenige Jahrzehnte zuvor wäre dies nicht vorstellbar gewesen. Gerade seit Ende des 15. Jahrhunderts, als Erasmus publizistisch tätig war, hatte die Ausbreitung des Druckgewerbes ein dichtes Netz an Offizinen gestrickt. Dass sich manche von ihnen bereits zu international operierenden Unternehmen entwickelt und sich unterschiedliche Reputation erworben hatten, belegt die Konsolidierung des Gewerbes. Insofern erkannte Erasmus genau zur passenden Zeit die Möglichkeiten, die Drucke in sich bargen. Zwei Sachverhalte können dies veranschaulichen: Einerseits konnten die Verbreitung von Druckzentren sowie die wirtschaftliche Zusammenarbeit mehrerer Offizinen untereinander eine überregionale Verbreitung von Druckerzeugnissen gewährleisten. Andererseits hatte es bislang noch kein derart dominierendes Ereignis wie die 1517 einsetzenden reformatorischen Bestrebungen gegeben, in deren Zusammenhang Luther, bald darauf seine Anhänger und in geringerem Maß auch seine Gegner Macht und Möglichkeiten des jungen Mediums ausschöpften. Insofern konnte Erasmus mit der Phase seines Publizierens in den zwei Dekaden von 1499 bis 1519 keinen günstigeren Zeitraum erlangen. Dass er danach von reformatorischem Schrifttum überflügelt wurde, ist indes in der weitgehenden Wahl der Volkssprache zu sehen. Profitieren konnte er auch vom humanistischen Netzwerk, das in der Regel gute Kontakte zu örtlichen Druckwerkstätten unterhielt und einen weiten Austausch von Texten ermöglichte. Dass sich Erasmus der Bedeutung des Druckgewerbes im Klaren war, ist letztlich bereits aus dem Faktum zu ersehen, dass er – sofern möglich – stets auf die Herstellung seiner Texte in der jeweils prestigeträchtigsten oder für die Textgattung jeweils am besten geeigneten Offizin Wert legte. Es verwundert daher nicht, dass langfristig gesehen jene Drucker, mit denen Erasmus am intensivsten zusammenarbeitete, zugleich auch die renommiertesten im Europa von 1500 bis 1536 waren. Zum Ausgangspunkt, dem Berühmtwerden des Rotterdamers, zurückkehrend, ist die Frage, ob im frühen 16. Jahrhundert eine größere als bislang angenommene Durchlässigkeit zwischen sozialen und gesellschaftlichen Sektoren bestand, nur konsequent. Sich lediglich auf Erasmus stützend, muss diese Frage verneint werden, da seine Entwicklung als Ausnahmefall zu werten ist. Das Maß an Berühmtheit, das Erasmus bis in die 1520er Jahre erlangt hatte, ist nur von Luther noch übertroffen worden, der aber bereits qua Geburt und dank des sozialen Hintergrunds seines Elternhauses gänzlich andere Startbedingungen hatte. Die Abfolge begünstigender Ereignisse in der Biographie des Erasmus stellt ebenfalls eine Ausnahme dar, wenngleich

Schluss

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seine Entwicklung keinesfalls nur positiv gesehen werden darf. Bis circa 1510 sind immer wieder finanzielle Engpässe nachweisbar, die seine wirtschaftliche Sicherheit bedrohten und berechtigte Zukunftssorgen aufkommen ließen. Die im erasmischen Briefwechsel bis zu diesem Zeitpunkt häufig zu beobachtende Besorgnis war kein Klagen auf hohem Niveau! Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die fehlende familiäre Unterstützung durch verschiedene Formen von Patronage aufgefangen wurde – wenngleich zunächst sehr schleppend, jedoch zunehmend mit steigender Bekanntheit. Ohne vielfältige Unterstützung von verschiedenen Personen wäre Erasmus mit Sicherheit jeglicher soziale Aufstieg verwehrt geblieben. Auch seine Begabung hätte dies in keiner Weise beeinflussen können. Stattdessen hatten die zahlreichen Unterstützer auf ihre Weise großen Anteil an dem Berühmtwerden des Erasmus, deren Reihe bereits gewissermaßen von seinem Vormund eröffnet wurde. Ohne dessen Entscheidung, die beiden ihm anvertrauten Brüder einem Kloster zu überantworten, wäre der Zugang zu Bildung und Literatur vermutlich verschlossen geblieben. Auch wenn Erasmus der unfreiwillige Klostereintritt zunächst nicht leicht gefallen ist, muss dessen Bedeutung für die Entwicklung des jungen Mannes aus genannten Gründen gänzlich neu bewertet werden. Es ist zu resümieren, dass ihm in seiner Situation nichts Besseres widerfahren konnte als diese Entscheidung seines Vormunds, die langfristige Auswirkungen hatte: Nur so wurden ihm die notwendigen Grundlagen für ein Universitätsstudium zu Teil. Die damit verbundenen Kosten wurden von Heinrich von Bergen übernommen, der somit als erster finanzieller Unterstützer des Erasmus auftrat, dem zahlreiche folgen sollten. Ebenso zahlreich wie vielfältig waren die Benefizien in der weiteren Entwicklung des Erasmus, die in finanzieller Hinsicht bis zur Vergabe von Pfründen reichten. In ideeller Hinsicht ist manch eine Unterstützung erfolgt, die Erasmus Protektion und Beistand beschert hat und ihn somit vor zahlreichen Kritiken bewahrte. Die Korrespondenzen des Erasmus und seiner Zeitgenossen machen unwiderlegbar deutlich, dass er mit ansteigender Berühmtheit selbst vom Protegierten zum Protektor, vom Klienten zum Patron avancierte. Dass dies zugleich innerhalb der res publica literaria wie auch in der Teilöffentlichkeit der Theologen zu beobachten ist, markiert den Wandel seiner Entwicklung, der gemeinhin als ‚Durchbruch‘ umschrieben werden kann. Mag auch nur ein Teil der tatsächlich gewechselten Briefe vorliegen, so evoziert die Übereinstimmung der quantitativen wie qualitativen Auswertungen ein nicht bestreitbares

386

Schluss

Bild, das Eindruck gibt von der Entwicklung des Erasmus und aussagekräftige psychologisierende Folgerungen zulässt. Dies ermöglicht zudem eine bessere Einordnung der unterschiedlichen Erfolge erasmischer Veröffentlichungen. Es handelt sich dabei um eine nicht zu unterschätzende Erkenntnis, da nur für einen Bruchteil des gesamten Oeuvres gesicherte Fakten zur Auflagenstärke und zur Anzahl der Nachdrucke vorliegen.1333 Diesem Desiderat trägt das im Anhang befindliche Verzeichnis Rechnung, das Aufschluss gibt über all jene Schriften, auf die im Briefwechsel eingegangen wird. Auch die mindestens ebenso zentrale Frage, welcher Titel den europaweiten Ruhm des Erasmus begründet hat, kann Dank der Auswertungen beantwortet werden: Das ‚Encomium Moriae‘, das ‚Lob der Torheit‘, das 1511 erstmals publiziert wurde und dem englischen Freund Thomas Morus gewidmet war, war unzweifelhaft dafür verantwortlich, dass Erasmus aus dem Kreis des Humanistennetzwerkes und den persönlich geschlossenen Kontakten heraustrat in eine größere Öffentlichkeit – größer und umfassender in geographischer wie sozialer, teilöffentlicher Hinsicht. Erst nach Erscheinen des ‚Encomium Moriae‘ sind in auffallender Anzahl Kontakte in jene Regionen belegbar, die Erasmus noch nicht bereist hatte. Resultierten die zuvor stattgefundenen Briefkontakte aus persönlichen Zusammentreffen und vor allem aus der Initiative des Erasmus, so wurde nun vielfach der Kontakt zu ihm gesucht. Dies spricht sowohl für den Erfolg des genannten Titels und die weite Verbreitung des Buchhandels als auch für den bedeutenden Wandel im Berühmtwerden des Erasmus. Zugleich zeigt sich aber auch, dass ein ‚Durchbruch‘ in ähnlicher Weise in der volkssprachlichen Teilöffentlichkeit erst später erfolgen musste. Von Neuem erscheint hier die lateinische Sprache als separierendes Instrument, das die Mitglieder der res publica literaria, die Theologen und – ganz allgemein – die Gelehrten von der übrigen Gesellschaft trennte. Eine eigene Rezeption des lateinischen ‚Encomium Moriae‘ wie auch aller anderen Texte des Erasmus war der volkssprachlichen Leserschaft – ganz zu schweigen von den Illiteraten – nicht möglich. Die Hinwendung zu anderen Kommunikationswegen, die einen Informationserwerb ermöglichten, war daher mehr als notwendig – schließlich haben verschiedene Beispiele belegt, dass Erasmus nach 1511 vereinzelt auch Lateinunkundigen bekannt war. Die insbesondere von Klerikern ge-

1333

Dies gilt natürlich nur für die zu Lebzeiten des Erasmus arrangierten Neuauflagen seiner Werke. Für die im gleichen Zeitraum erstellten unautorisierten Nachdrucke liegen indes deutlich weniger Belege vor.

Schluss

387

äußerte Kritik, die nach der von Erasmus arrangierten und 1516 veröffentlichten Ausgabe des Neuen Testaments noch deutlich an Schärfe gewann, hat indes mit Blick auf das Berühmtwerden des Rotterdamers nicht geschadet. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Angriffe nur noch zur Mehrung seiner Berühmtheit beigetragen haben – und dies aufgrund von Predigten oder anderen Formen mündlicher Kommunikation – nicht zuletzt auch unter Illiteraten oder lediglich der Volkssprache Lesekundigen. Diese Entwicklung lässt sich in sämtlichen Teilöffentlichkeiten beobachten: Während die ‚gelehrte Welt‘ in Reisen zu Erasmus, in Empfängen und größtmöglichen Ehrbezeugungen ihre Bewunderung zum Ausdruck brachte, erkannten Übersetzer den finanziellen wie auch ideellen Nutzen, der mit Übersetzungen erasmischer Texte verbunden war. Es verwundert daher nicht, dass die volkssprachliche Rezeption, die im Reich 1519 einsetzte, bald schon ihren Höhepunkt erreichte und einige Jahre anhielt. Allerdings ist hier auch zu beobachten, dass erasmische Texte nicht allein um ihrer selbst übersetzt wurden, sondern zu einem Großteil in den Dienst der reformatorischen Bewegung gestellt wurden. Dass fast ausschließlich theologische Werke des Erasmus in den 1520er Jahren in die Volkssprache übertragen wurden, kaum aber humanistische, legt den Schluss nahe, dass die öffentliche Diskussion von der reformatorischen Entwicklung uneingeschränkt dominiert wurde. Dies ist leicht nachzuvollziehen, betraf sie doch auch sämtliche Lebensbereiche aller Teilöffentlichkeiten im Reich. Dass dies auch Auswirkungen auf die öffentliche Bedeutung des Erasmus hatte, ist nicht verwunderlich: Während seine Texte erstmals in der Volkssprache zugänglich waren, wurde die Protagonistenrolle auf der Bühne der ‚gelehrten Welt‘ spätestens 1521 von Luther übernommen, nachdem beide seit circa Ende 1519 gleichwertige Hauptdarsteller waren. Diese Entwicklung bestätigt sich in den zeitgenössischen Korrespondenzen: Die Ehrbekundungen, die in den an Erasmus adressierten Briefen noch wenige Zeit zuvor Normalität waren, nahmen an Zahl deutlich ab – wie auch die Gesamtzahl der an ihn gerichteten Korrespondenzschreiben. Die Anzahl seiner eigenen Briefe blieb indes vergleichsweise hoch, da die vielfach an Erasmus herangetragene Bitte, er möge sich in der reformatorischen Entwicklung öffentlich und klar positionieren, Erklärung verlangte. Dass er häufig ausweichend argumentierte, brachte zusätzliche Kritik und führte zur Abkehr mancher Lutheranhänger. Die bereits zu diesem Zeitpunkt zu erahnende Distanzierung des Erasmus vom Wittenberger Reformator kulminierte gegen Mitte der 1520er Jahre im Streit um die Willensfreiheit des Menschen. Der Bruch mit großen Teilen des reformatorischen Lagers war damit besiegelt. Auswirkun-

388

Schluss

gen auf die Berühmtheit des Erasmus hatte dies nur bedingt, beschränkte sich die Rezeption dieser Auseinandersetzung doch weitgehend auf den deutschsprachigen Raum. In anderen Regionen Europas hatten erasmische Schriften zur gleichen Zeit Hochkonjunktur. Auch wenn das ‚Encomium Moriae‘ europaweit gefeiert worden war, gestaltete sich das Berühmtwerden seines Verfassers in jedem Land Europas anders. Die Umschreibung einer ‚erasmischen Invasion‘ in Spanien gerade in den Jahren von 1520 bis 1530 bringt diese Entwicklung treffend zum Ausdruck. Ähnlichen Stellenwert hatten die Texte des Rotterdamers in diesen Jahren auch in Polen – hier jedoch überwiegend begrenzt auf die res publica literaria. Diese Beispiele haben deutlich gemacht, dass nicht von dem einen Berühmtwerden gesprochen werden kann. Einerseits ist innerhalb der Gesellschaft des Reichs von verschiedenen Prozessen von Berühmtwerden auszugehen – und zwar mindestens von zweien: Zum einen nämlich von dem Prozess in den Teilöffentlichkeiten derjenigen, die aufgrund ihrer Lateinfähigkeiten aktiv und selbständig die Werke des Erasmus rezipieren konnten, und zum anderen von dem Prozess, der in auf Bezug auf Personen zu beobachten ist, die mangels dieser Fertigkeiten erst mit volkssprachlichen Übersetzungen oder gar auf mündlicher Kommunikationsebene in unterschiedlichem Maß mit erasmischen Ansichten vertraut gemacht werden konnten; andererseits gilt das gleiche Phänomen auch für jede andere europäische Kultur, wobei hier sowohl die zeitlichen Phasen als auch Verlaufsform und Intensität des Berühmtwerdens jeweils individuell waren. Insofern ist die Abnahme öffentlicher Bedeutung des Erasmus bei zunehmender Überlagerung der reformatorischen Ereignisse in 1520er Jahren nicht als ausschließlicher Endpunkt seines Berühmtwerdens zu sehen. In anderen Regionen Europas war sein Berühmtwerden schließlich zur gleichen Zeit in vollem Gange. Für die Situation im Reich muss jedoch von einem Ende dieser Entwicklung ausgegangen worden, in deren Konsequenz nicht ein totaler Bedeutungsverlust erfolgte, sondern ein Wandel festzustellen ist – ein Wandel vom Berühmtwerden des Erasmus hin zum Berühmtsein. Die Wahl dieser Formulierung ist mehr als berechtigt, vergegenwärtigt man sich die Bedeutung des Erasmus während der Reichstagsverhandlungen in Augsburg und Regensburg oder auch im Zusammenhang mit der Türkenfrage. Andere Beispiele ließen sich ergänzen und bestätigten den Eindruck: Erasmus konnte sein Berühmtsein nutzen, um etwa Einfluss zu nehmen auf Entscheidungsfindungen, bei denen er selbst nicht anwesend war. Voraussetzung für diese Wirkung war nichts anderes als seine öffentliche Bedeutung, die aus seinem Berühmtheitsstatus resultierte. Noch überzeugender als

Schluss

389

die eigene Einflussnahme sind in diesem Kontext die Versuche anderer, Erasmus für die Verwirklichung ihrer eigenen Interessen zu instrumentalisieren: Er wurde in der einen oder anderen Situation um öffentliche Parteinahme gebeten, da sein Berühmtsein zugleich Autorität und seine Meinung politisches Gewicht bedeuteten; daneben sind aber auch noch weit aussagekräftigere Fälle zu beobachten, in denen Äußerungen des Erasmus in die eigene Argumentation eingebunden wurden. Besonders bedeutsam ist diese Beobachtung, wenn die Berufung auf Erasmus ungefragt oder gar gegen seinen Willen erfolgte. Ziel war nicht, ihn zu denunzieren und diskreditieren, sondern zum Erreichen der eigenen Vorhaben sich seiner Autorität zu bedienen.

Die exemplarisch an Erasmus von Rotterdam gewonnenen Erkenntnisse zum Berühmtwerden und Berühmtsein im frühen 16. Jahrhundert lassen drei allgemein gültige Schlussfolgerungen zu: 1. Im frühen 16. Jahrhundert war eine Karriere aus niederer sozialer Schicht, ganz zu schweigen von einem Berühmtwerden, wohl einzig durch Bildung möglich. Da der Zugang zu Bildung, insbesondere zu einem Universitätsstudium, nur wenigen, d.h. höheren sozialen Milieus offen stand, war dies nur schwerlich möglich und bedurfte äußerst günstiger Umstände. Die reformatorische Schulreform brachte zwar eine gewisse Veränderung – in zeitlicher Hinsicht doch erst nach dem Tode des Erasmus. Landes- und Reichsherrschaft wie auch städtische Verwaltung und höheres Kirchenwesen rekrutierten sich fast ausschließlich aus höheren bis elitären gesellschaftlichen Kreisen und ließen Mitgliedern niederen Standes kaum Aufstiegsmöglichkeiten. Insofern waren Karriere oder gar ein Berühmtwerden aus eigener Kraft nicht denkbar. Finanzielle Gönner, ideelle Förderer und schützende Protektoren waren in diesem Zusammenhang unverzichtbar. Die Bedeutung des frühneuzeitlichen Klientelsystems ist daher nicht hoch genug zu bewerten. Die Beziehung zwischen Patron und Klient beruhte auf einem ganz ähnlichen Prinzip, wie man es für die römische Antike mit den Worten ‚do ut des‘ zu umschreiben sucht. Nur in den wenigsten Fällen waren Zuwendungen – welcher Art auch immer – auf Großherzigkeit und Mildtätigkeit des Gönners zurückzuführen. In aller Regel wurde eine Gegenleistung erwartet, die u.a. in Form von Widmungen und Buchvorreden erfolgen konnte. Sofern der Klient –

390

Schluss

in diesem Fall: der Literat – aus der wechselseitigen Verbindung nicht nur finanzielle Sicherheit gewann, bedeutete die öffentlich demonstrierte Gegenleistung für den Mäzen Prestigegewinn und Steigerung seines Ansehens. Dass dies im weiteren Verlauf auch Auswirkungen etwa auf seinen politischen Einfluss haben konnte, muss nicht eigens erwähnt werden. 2. Für das Berühmtwerden war Kommunikation erforderlich – und dies betraf nicht nur einen Literaten. Für mündliche wie schriftliche Informationskanäle galt das Gleiche: Es musste eine Entscheidung zwischen der Volkssprache und dem Lateinischen getroffen werden. In der Konsequenz konnten unterschiedlich große Teilöffentlichkeiten wie auch verschiedene soziale Milieus erreicht werden. Am Beispiel Luthers wird deutlich, dass ein volkssprachlich schreibender Autor zunächst eine weitaus größere Leserschaft, im Weiteren aber auch leichter die Gruppe der Illiteraten ansprechen konnte. Nicht allein der wissenschaftliche Diskurs fast der gesamten Frühen Neuzeit fand jedoch in lateinischer Sprache statt. Das bedeutet, dass die volkssprachliche Teilöffentlichkeit auf Weitergabe von Informationen angewiesen war. Das Lateinische nahm daher nicht nur den Status einer elitären Sprache ein, sondern diente auch als Instrument der Abgrenzung. Sowohl Kleriker, als auch Humanisten und – wenn man so will – die gesamte ‚gelehrte Welt‘ war sich dieses Instruments bewusst, hatten sie dadurch doch alle in unterschiedlichem Maß Einflussmöglichkeiten auf die gesamte Öffentlichkeit. Letztlich konnte von ihnen darüber befunden werden, was in der Volkssprache Gehör finden durfte und was nicht. Vielfach waren die Reaktionen der volkssprachlichen Teilöffentlichkeit nicht vorhersehbar. Eine tiefgreifende Veränderung ist erst im Zuge der reformatorischen Bewegung zu beobachten. (Das Beispiel Ulrich von Hutten macht in diesem Zusammenhang die Unterschiede zwischen volkssprachlicher und lateinischer Formulierung deutlich.) Im Gegensatz dazu konnte ein lateinisch schreibender Humanist nur einen kleinen Teil der Gesellschaft im Reich als Rezipienten erwarten. Aufgrund des ihm in der Regel zur Verfügung stehenden Netzwerks, das ihn mit Gleichgesinnten in ganz Europa verband, machte seine Leserschaft nicht vor territorialen oder volkssprachlichen Grenzen Halt, sondern hatte internationalen Charakter. 3. Keine noch so intensive und nachhaltige Förderung von Seiten eines Patrons vermochte aufzuwiegen, was der ideelle Austausch mit Gleichgesinnten bedeutete. Für Humanisten bot die res publica literaria diesen Raum und brachte mehrere Vorteile: Selbst die größten städti-

Schluss

391

schen Sodalitäten verfügten nur über wenige dutzend Mitglieder und bedurften daher überregionaler Kontakte, war man doch am gegenseitigen Gedankenaustausch interessiert, lieferte Anstöße und während man sich an der Lektüre von Texten anderer erfreute, erhoffte man sich ähnlichen Erfolg für die eigenen Werke. Die örtlichen Zellen waren Teil einer europaweiten geistigen Bewegung, die ihre Existenz aus der wechselseitigen Beziehung schöpfte. Verbindendes Element war die lateinische Sprache. Von Humanisten in der näheren Umgebung erfuhr man Korrektur und Unterstützung, bevor ein Text der gesamten res publica literaria präsentiert wurde. Doch ging es nicht nur um den Erfolg eigener Schriften – auch unter Humanisten herrschte ein Klientelsystem, von dem man profitierte. Im Regelfall gehörten die Mitglieder des Humanistennetzwerkes höheren sozialen Schichten an, nahmen aber Interessenten in ihre Reihen auf, die durch Leistung in Dichtung, Sprachfertigkeit oder Quellenstudien überzeugten. Der gegenseitige Einsatz füreinander zeigt sich u.a. in Empfehlungsschreiben im Falle von Ämtervergaben. Es handelte sich hier um eine der überaus seltenen Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs. Für Unterstützung bedankte man sich wie auch in anderen Patronatsverhältnissen überwiegend durch Widmungen, Vor- und Nachreden oder gar eigenständigen Oden. Am Beispiel des Erasmus wurde deutlich, dass er zunächst im Humanistennetzwerk in Beziehung zu verschiedenen Personen die Klientenrolle einnahm; mit wachsendem Renommee wurde er nicht nur für viele zum Vorbild, sondern avancierte selbst zum Patron.

Das Beispiel des Erasmus von Rotterdam hat sich aufgrund seiner außergewöhnlichen Biographie ausgezeichnet für die vorliegende Untersuchung geeignet. Gerade aus diesem Grund muss aber auch Folgestudien das Urteil darüber vorbehalten bleiben, wieviel – abgesehen von den drei angeführten, definitiv allgemein gültigen Erkenntnissen – auch auf andere Personen des frühen 16. Jahrhunderts übertragbar ist. Trotz der unehelichen Herkunft, die für Erasmus Zeit seines Lebens einen Makel darstellte, eine derartige Entwicklung genommen zu haben, ist zweifellos eine Ausnahme im ausgewählten Zeitraum. Auch wenn daher ein Vergleich mit dem Berühmtwerden von Zeitgenossen in vielen Bereichen Unterschiede aufzeigen wird, drängte sich die Wahl des Erasmus geradezu auf, da somit Bedingungen, Voraussetzungen und förderliche wie hinderliche Kriterien in diesem Zusammenhang besonders eindrücklich und überzeugend zu Tage treten.

392

Schluss

Daneben bietet auch der Katalog aller zu Lebzeiten des Erasmus erschienenen Schriften neben Informationen zu den offiziellen und den wenigen bekannten unautorisierten Nachdrucken ein gutes Arbeitsinstrument zu weitergehenden Forschungen. Die sich auf die Allen-Ausgabe beziehenden Stellennachweise ermöglichen einen leichten Zugang.

VI. Anhang: Verzeichnis aller Werke des Erasmus von Rotterdam, auf deren Publikation in seiner Korrespondenz aufmerksam gemacht wird. Es handelt sich bei dieser Auflistung um eine Zusammenstellung all jener Schriften des Erasmus von Rotterdam, die im Original, d.h. in lateinischer Sprache erstmals oder wiederholt ediert wurden. Als Grundlage wurde der Index des von Percy Stafford Allen publizierten Briefwechsels des Erasmus gewählt. Dies bietet die Möglichkeit, einen Überblick über alle publizierten Werke des Erasmus zu seinen Lebzeiten, aber auch einen sicheren Ausgangspunkt für weitergehende Studien zu gewinnen. Zur Benutzung des Verzeichnisses: Zunächst sind alle genuin erasmischen Werke aufgeführt, im Folgenden alle Texteditionen von antiken Schriftstellern oder Kirchenvätern, die Erasmus erstellte und veröffentlichte, bzw. all jene Werke, zu denen Erasmus nur geringe Teile, wie z.B. einleitende Vorworte, beigetragen hat.1334

A. GENUIN ERASMISCHE SCHRIFTEN

Titel

Jahr

Drucker

Druckort

1500

Philippi

Paris

1508

Manutius

Venedig

1509ff.

Schürer

Straßburg

1513 1515

Froben Froben

Basel Basel

Adagia

1334

Verweise I. 297, 313 I. 456, 523, 570 I. 17; X. 167 I. 63, 515 II. 23, 47

Die Verweise sind nach folgendem Schema aufgebaut: Bandnummer. Seitenzahl(en). n.= Anmerkung bzw. Vorbemerkung.

394

Adversus mendacium et obtrectationem utilis admonitio Annotationes in leges pontificias et caesareas de haereticis

Anhang: Werkverzeichnis

1517-1518 1520

Froben Froben

Basel Basel

1526

Froben

Basel

1528

Froben

Basel

1528 1529

Gryphius Gryphius

Lyon Lyon

III. 236 V. 436 VI. 190, 192, 284 VII. 438440 VII. 439 VIII. 115

1533

Froben und Episcopius

Basel

X. 123

1536

Froben und Episcopius

Basel

XI. 279f.

1530

Faber Emmeus (?)

Freiburg

1531

Secerius

Hagenau

1529

Egenolph

Straßburg

VII. 298 n.; IX. 123, 334 VII. 298 n.; IX. 123, 334 VIII. 283n. I. 19, 34; III. 456; VI. 57n., 58n. I. 22; III. 33, 50f., 64f., 134, 248

Antibarbari

1520

Froben

Basel

Apologia ad J. Fabrum Stapulensem

s.a., evtl. 1517 (vgl. XII.16)

Martens

Löwen

s.a.

Theobald

Antwerpen

1519

Froben

Basel

III. 519n., 555

1528

Froben

Basel

VII. 170179, 181-

Apologia ad J. Latomum Apologia ad monachos

395

Genuin erasmische Schriften

1529

Froben

Basel

184, 348354; VIII. 4550

1522

Froben

Basel

V. 52n.

1521

Martens

Löwen

IV. 582, 584

1521 1522

Froben Froben

Basel Basel

1524

Froben

Basel

Adversus rhapsodias calumniosarum querimoniarum Alberti Pii quondam Carporum principis […]

1531

Froben

Basel

IX. 282, 320

Apologia adversus P. Sutorem

1525

Froben

Basel

VI.130133

Apologia de ‚in principio erat sermo‘

1520

Martens

Löwen

IV. 194f.

1524

Froben

Basel

1524

Hillen

Antwerpen

1524

Cervicornus

Köln

1522

Froben

Basel

V. 330, 350, 385; VI. 77, 116; VII. 397; IX. 92, 395; X. 172 I. 25; IV. 311 n., 312 n., 581f.

quosdam hispanos

Apologia ad sanctium Caranzam

Apologia ad Stunicam

Apologia de libero arbitrio diatribe

Apologia de loco ‚omnes quidem resurgemus‘

IV. 622

396

Anhang: Werkverzeichnis

Apologia pro declamatione de laude matrimonii

1519

Froben

Basel

III. 93 n., 480 n.

Apologia qua respondet invectivis

1520

Hillen

Antwerpen

IV. 109 n., 238, 244f.

1531 1532

Froben Froben

Basel Basel

1535

Froben

Basel

Argumenta in omnes epistolas apostolicas nova

1518

Martens

Löwen

Αστραγαλισμος (Colloqu.)

1529

Froben

Basel

Aut regem aut fatuum (Adag.)

s.a.

k.A.

k.A.

22 axiomata pro causa M. Lutheri

s.a.

k.A.

k.A.

IV. 370 n.

Bellaria epistolarum Erasmi Rot. et Ambrosii Pelargi vicissim missarum

1539

Alopecius

Köln

VIII. 181 n.

Dulce bellum inexpertis (Adag.)

1517

Froben

Basel

II. 550

Carmen de casa natalitia Jesu

s.a., evtl. 1496 (vgl. XII.18)

Denidel

Paris

I. 3, 154158, 300

1523 1524

Froben Froben

Basel Basel

1537

Froben

Basel

Apophthegmata

Catalogus omnium Erasmi lucubrationum

IX. 125133; X. 26, 89f.; 124 III. 423, 428f., 432-434; V. 539 VII. 346 n.

I. 1ff., 71; V. 309 n., 435, 437, 484 n.,

397

Genuin erasmische Schriften

491 Christiani matrimonii institutio

Froben

Basel

März 1528 März 1529 Okt. 1529

Froben Froben Froben

Basel Basel Basel

März 1530

Froben

Basel

1518

Froben

Basel

Febr. 1518 / 1519

Stephanus

Paris

Feb. 1519

Froben

Basel

März 1519

Martens

Löwen

1522 Aug. / Sept. 1524 Febr. 1526 / 1527

Froben

Basel

III. 464ff.; XI. 287 III. 464466; IV. 120-122; V. 26, 510f. V. 26

Froben

Basel

V. 510

Colineus

Paris

März /Sept. 1529

Froben

Basel

Sept. 1531

Froben

Basel

VII. 165; VIII. 93 VIII. 100, 295; IX. 125 IX. 373

s.a.

Caesar

Gent

I. 21, 388

Ciceronianus

Colloquia

Concio de puero Jesu

VI. 368370, 425, 431, 442

1526

V. 313 n.; VII. 304, 325-327, 361, 377; VIII. 1721; IX. 169, 379; X.394 III. 464ff.; XI. 287 III. 496

398

Anhang: Werkverzeichnis

Conficiendarum epistolarum formula

Jul. 1520

Hillen

Antwerpen

IV. 456 n.

Consilium […] in causa evangelica

1526

k.A.

k.A.

VI. 6ff., 401

Consultatio de bello Turcis inferendo

1530

Froben

Basel

VIII. 382ff., 393

De civilitate morum puerilium

1530

Froben

Basel

VIII. 371f.

Declamatio contra tyrannicidam

1506

Badius

Paris

I. 18, 365 n., 422

Declamatio de Morte

1517

Froben

Basel

II. 502 n.; III. 16f.

Oratio Episcopi […]

1518

Martens

Löwen

I. 159 n.; III. xxiii

1532

Froben

Basel

Sept. 1532

Froben

Basel

1521

Siberch

Cambridge

1522

Froben

Basel

1521

Martens

Löwen

Juli 1512

Badius

Paris

Dez. 1514

Schürer

Straßburg

Declarationes ad censuras Lutetiae vulgatas

De conscribendis epistolis

De contemptu mundi epistola De duplici copia verborum ac rerum commentarii

IX. 397, 406; X. 124 X. 124, 335 I. 198 n.; V. 63 I. 9, 18, 198f., 271-273; V. 63-65 IV. 457f. I. 193, 514, 515, 516 II. 31ff.;

399

Genuin erasmische Schriften

Okt. 1516

Schürer

Straßburg

Apr. 1517

Froben

Basel

Mai 1526

Froben

Basel

III. 19 II. 348, 551, 557 VII. 71

Aug. 1534

Froben und Episcopius

Basel

XI. 6, 31

De immensa dei misericordia concio

1524

Froben

Basel

I. 21,; V. 475, 491f.

De octo orationis partium constructione

1515

Froben

Basel

II. 118120; 389; VI. 4

Deploratio mortis Ioannis Frobenii

März 1528

Froben

Basel

VII. 225229

duo

De praeparatione ad mortem

1534

Froben

Basel

De pueris statim ac liberaliter instituendis

1529

H. Froben, Herwagen, Episcopius

Basel

De puritate tabernaculi sive ecclesiae christianae

1536

Froben

Basel

De recta Latini Graecique sermonis pronuntiatione dialogus

1528

Froben

Basel

1529

Froben

Basel

X. 360 n.; XI. 31, 218; VIII. 350 n. I. 341; VII. 523 n., 538 n.; VIII. 217f. I. 53; XI. 266; 272; 353 VII. 304, 327f., 361, 375, 377; VIII. 17 VIII. 244

400

Anhang: Werkverzeichnis

De sarcienda ecclesiae concordia

1533

Froben

Basel

VI. 162; X. 356; XI. 12 n., 289

Detectio praestigiarum cuiusdam libelli Germanici scripti ficto authoris titulo, cum hac inscriptione ‚Erasmi et Lutheri opiniones de coena domini’

Juni 1526

Froben

Basel

VI. 206 n., 338 n.

Disputatiuncula de tedio, pavore, tristicia Iesu […]

evtl. 1503

Martens

Antwerpen

I. 20, 245-249; III. 328

Ecclesiastes sive de ratione concionandi

1535

Froben

Basel

1536

Froben

Basel

1503

Martens

Antwerpen

1515 1515 1516

Schumann Schürer Schürer

Leipzig Straßburg Straßburg

Enchiridion militis christiani

I. 34, 69; III. 555; V. 140; VII. 9, 252; VIII. 341; XI. 219, 259 XI. 259 I. 373375; 570; II. 158; III. 361377; VI. 105; VII. 34, 45 II. 505 II. 288 II. 353

401

Genuin erasmische Schriften

1518

Froben

1519

Corver

Encomium artis medicae

1518

Martens

Encomium matrimonii

1518

Martens

1524

Froben

1530

Froben

1533

Froben

Exomologesis sive modus confitendi

Explanatio symboli […] Hyperaspistes diatribae adversus servum arbitrium Martini Lutheri; tom. I Hyperaspistes diatribae adversus servum arbitrium Martini Lutheri; tom. II Institutio principis christiani

III. 414, 424 Zwolle III. 83 I. 18; II. 492 n.; Antwerpen III. 17 n., 253 I. 18; III. 17 n.; VI. 105; VII. Antwerpen 356; XI. 86; VII. 524; X. 302 I. 20; III. Basel 349 n.; V. 411 n. Basel V. 411 n. VIII. 350 n.; X. Basel 165f., 269, 373; XI. 218 Basel

1526

Froben

Basel

1527

Froben

Basel

1516

Froben

Basel

VI. 262f., 359, 399, 404, 448; VII. 8f., 116f., 148, 158f., 185f., 275 n.; IX. 92, 172, 396 I. 19, 39, 44, 65; II. 205208, 416

402

Anhang: Werkverzeichnis

Jul. 1518

Froben

Basel

Institutum christiani hominis

1514

Martens

Löwen

Lingua

Aug. 1525

Froben

Basel

Loca quaedam in aliquot Erasmi Lucubrationibus per ipsum emendata

1529

Froben

Basel

1503

Martens

Antwerpen

1515

Schürer

Straßburg

Modus orandi deum

1524

Froben

Basel

Moriae Encomium

1511

Gourmont

Paris

Lucubrationes, Lucubratiunculae

n.; III. 77 n., 79, 161 n., 255, 350352, 424, 491 n.; V. 504 III. 350352 II. 1-3; III. 101; V. 50; VI. 9 n. VI. 90; 134-139, 154, 179, 183, 257, 413f.; VII. 357

VIII. 4750

I. 295, 405, 229 n.; II. 64f. II. 121 f., 138 V. 559f.; VI. 55, 58, 90; IX. 166 I. 459 n., 465; III. 4, 63, 83, 169, 547; VI. 96,

403

Genuin erasmische Schriften

445, 474; IX. 153 n., 213; X. 211

Oratio de virtute amplectenda Panegyricus ad illustrissimum principem Philippum, archiducem Austriae […]

Parabolae sive similia

Paraclesis ad christianae philosophiae studium

MatthäusParaphrase

I. 514, 518

1512

Badius

Paris

1515 1517

Froben Manutius

Basel Venedig

nicht vor 1516

Froben

Basel

1503

Martens

Antwerpen

I. 229232 I. 6, 19, 65, 395403; III. 79

II. 589 II. 64 n., 251 n., 348, 353, 419 n., 494

s.a.

Martens

Antwerpen

1514

Schürer

Straßburg

1515

Martens

Löwen

I. 17, 561; II. 32-35 I. 413 n.

Nov. 1516

Badius

Paris

III. 202

1516

Froben

Basel

III. 383 n.; V. 3; VII. 34

Basel

I. 20; IV. 609, 611; V. 4-7, 158, 275, 313, 352; IV. 609

1522

Froben

404

Anhang: Werkverzeichnis

n.; V. 4 n. I. 21; V. 322, 349, 352-361, 388; VI. 316 I. 20, 44; V. 312322, 330; IX. 217 I. 20, 44; V. 143, 158, 163172, 313; VI. 29 VII. 415 I. 21; V. 350, 389391, 399, 417 I. 20, 43; III. 136140 II. 558; III. 120, 160f., 249, 290 I. 43; III. 480-491; VII. 154

MarkusParaphrase

1523

Froben

Basel

LukasParaphrase

1523

Froben

Basel

1523

Froben

Basel

1527

k.A.

k.A.

1524

Froben

Basel

1517

Martens

Löwen

Jan. 1518

Froben

Basel

KorintherParaphrase

ohne Jahr

Martens

Löwen

GalaterParaphrase

1519

Martens

Löwen

III. 555, 560f.

EpheserParaphrase

vor 05. Febr. 1520

k.A.

k.A.

IV. 180186

TimotheusParaphrase

vor 14. Dez. 1519

Hillen

Antwerpen

IV. 123f.

Johannes (Evang.)Paraphrase

Apostelgeschichte-Paraphrase

RömerParaphrase

405

Genuin erasmische Schriften

Mrz. 1520 Mrz. 1521 Jul. 1521 Feb. / Mrz. 1522 1522 1523 1523 / 1524 1532 1534 1540

Froben Froben Froben

Basel Basel Basel

Froben

Basel

Froben Froben Froben Froben Froben Froben

Basel Basel Basel Basel Basel Basel

1541

Froben

Basel

1521

Martens

Löwen

Dez. 1520 (?)

Martens

Löwen

Mrz. 1520

Froben

Basel

Mrz. 1521

Froben

Basel

Jul. 1521 Feb. / Mrz. 1522 1522 1523 1523 / 1524 1532 1534 1540

Froben

Basel

Froben

Basel

Froben Froben Froben Froben Froben Froben

Basel Basel Basel Basel Basel Basel

1541

Froben

Basel

Petrus / JudasParaphrase

s.a.

Martens

Löwen

Johannes (Ep.)Paraphrase

Dez. 1520 (?)

Martens (?)

Löwen

HebräerParaphrase

JakobusParaphrase

IV. 436f. IV. 416418 IV. 123f. IV. 416418

IV. 123f.

IV. 283286; IV. 416 IV. 416418, 434f.

406

Anhang: Werkverzeichnis

Paraphrasis in elegantias L. Vallae

1531

Faber Emmeus

Freiburg

I. 108 n.f.; III. 465; IX. 98f.; X. xxiii

Carmen Erasmi divae Genovefae praesidio a quartana febre liberati

1532

Faber Emmeus

Freiburg

I. 164

1507

Badius

Paris

I. 239 n.

März 1518

Froben

Basel

II. 502 n.

Ode de laudibus Britanniae

1500

Philippi

Paris

I. 5, 239241, 265

Precatio ad dominum Iesum pro pace ecclesiae

1532

Faber Emmeus

Freiburg

IX. 458, 463, 482

Epigrammata

Precatio dominica in septem portiones distributa

s.a.

Froben

Basel

I. 21; III. 349 n.; IV. 18 n.; V. 343345, 349, 382; VI. 65 n., 86, 105; X. 269

Precationes aliquot novae

1535

Froben

Basel

XI. 70, 107 n.

Progymnasmata quaedam primae adolescentiae Erasmi

1521

Martens

Löwen

IV. 455457

Prologus in supputationem calumniarum natalis Bedae

1526

Froben

Basel

VI. 258f.; VII. 7, 150

407

Genuin erasmische Schriften

Commentarius in primum psalmum

1515

Schürer

Straßburg

I. 21; II. 60-62, 197, 258; XI. 83

Commentarius in secundum psalmum

1522

Froben

Basel

I. 21; V. 100 n.

Commentarius in tertium psalmum

1522

Froben

Basel

V. 412415

Commentarius in quartum psalmum

1525

Froben

Basel

VI. 1f.; VII. 529; XI. 218

Commentarius in psalmum 22

1530

Froben

Basel

VIII. 349f., 428, 431; IX. 50f.

Commentarius in psalmum 33

1531

Froben

Basel

IX. 122f., 158

Commentarius in psalmum 38

Purgatio adversus epistolam non sobriam Martini Lutheri

Querela pacis

1528

Froben

Basel

VII. 429f., 497, 499, 529, 541; VIII. 431

1534

Froben

Basel

X. 372 n., 384

1534

k.A.

Augsburg

XI. 9

1517

Froben

Basel

1518

Martens

Löwen

I. 18, 43; II. 416 n.; 502 n.; III. 13-15, 17 n.; V. 420; VIII. 213

408

Ratio verae theologiae (Methodus)

Responsio (cf. Apologia) ad annotationes Ed. Lei

Responsio (cf. Apologia) ad collationes cuiusdam gerontodidascali

Anhang: Werkverzeichnis

1518

Martens

1520

Froben

Apr. 1520

Hillen

Mai 1520

Hillen

Mai 1520

Froben

1529

I. 21; III. 175-178, 613 n.; V. Löwen 285-289, 301, 480 n.; VII. 34 Basel IV. 107 Antwerpen IV. 110 n., 238, Antwerpen 244 n., 256, 259, 277, Basel 276f.; VII. 173f.

Sylvius

VIII. 258261, 311, Antwerpen 334f., 421; X. 222

Responsio (cf. Apologia) ad epistolam paraeneticam Alberti Pii

1529

Froben

Basel

VI. 199203; VII. 525; VIII. 67, 80, 101

Responsio (cf. Apologia) ad fratres Germaniae inferioris

ohne Jahr

Faber Emmeus

Freiburg

VIII. 445, IV. 29, 46

Responsio (cf. Apologia) ad Petri Cursii defensionem, nullo adversario bellacem

1535

J. Froben und Episcopius

Basel

XI. 172186, 270

409

Genuin erasmische Schriften

Responsio (cf. Apologia) adversus febricitantis cuiusdam libellum

Spongia adversus aspergines Hutteni

Supputationes errorum in censuris natalis Bedae

Vidua christiana

Virginis matris apud Lauretum cultae liturgia

1529

1523

1527

Froben

Froben

Froben

Basel

VIII. 69 n., 142, 408

Basel

I. 27, 38; V. 309 n.311, 335 n.-336; 346, 349, 361, 376, 415, 421; VI. 170, 227

Basel

VII. 7, 150; VIII. 49; X. 190

1529

Froben

Basel

1523 1525

Froben Froben

Basel Basel

1529

Froben

Basel

VIII. 15, 55f., 66, 80, 85, 69, 101, 142, 176, 295, 420 n., 460, 479; IX. 87; X. 152; XI. 86 V. 341f.; VI. 73, 288, 300; XI. 96

410

B. EDITIONEN, ÜBERSETZUNGEN, VORWORTE

AGRICOLA, GEORGIUS: Bermannus sive de re metallica

1530

Froben

Basel

VIII. 362f.

ALGERUS: De veritate corporis et sanguinis in Eucharistia

1530

Faber Emmeus

Freiburg

VIII. 377382

AMBROSIUS: De interpellatione Iob et David

1529

H. Froben, Herwagen, Episcopius

Basel

AMBROSIUS: Liber de apologia David

1529

H. Froben, Herwagen, Episcopius

Basel

AMBROSIUS: Opera omnia

1527

Froben

Basel

ARISTOTELES: Opera

1531

J. Bebel

Basel

ARNOBIUS: Opera

1522

Froben

Basel

VII. 538; VIII. 219; IX. 374f. VII. 538; VIII. 219; IX. 374f. VII. 82, 118126, 163, 455 IX. 133143, 245 I. 16; V. 73, 99111,

411

Editionen, Übersetzungen, Vorworte

145, 196, 395 VI. 58 n., 454, 467470 I. 36; V. 121, 613; VII. 343; VIII. 107, 110, 145161, 190, 322f., 431

ATHANASIUS: Lucubrationes aliquot

1527

Froben

Basel

AUGUSTINUS: Opera omnia

1529

Froben

Basel

BASILIUS: De spiritu sancto

1532

Froben

Basel

X. 1316, 84

BASILIUS: Duae homiliae de laudibus ieiunii

1532

Faber Emmeus

Freiburg

IX. 458f.

BASILIUS: In Esaiam commentariolus

1518

Froben

Basel

BASILIUS: Opera [in griech. Sprache]

1532

Froben

Basel

I. 467470; III. 524 IX. 328, 435440; X. 21, 26, 306

412

Anhang: Werkverzeichnis

CALCAGNINUS, COELIUS: Libellus elegans de libero arbitrio

CATO

1525

Froben

Basel

1514

Martens

Löwen

s.a.

Philippi

Paris

CICERO: De officiis 30. März 1507 Gourmont

CICERO: Tusculanae quaestiones

Paris

August 1520

Froben

Basel

1523

Froben

Basel

QUINTUS CURTIUS RUFUS: De rebus gestis Alexandri magni

1518

Schürer

Straßburg

CYPRIAN: Opera

1519

Froben

Basel

VI. 80f. I. 12, 67, 561; II. 1-3, 14, 254, 275, 316, 389; III. 98 n.-100 n.; VI. 366f. I. 355 n.-357; IV. 65 n.-67; VIII. lvii I. 355 n. I. 355 n. V. 337341 III. 55, 116, 129131, 338 I. 16, 43; III. 600,

413

Editionen, Übersetzungen, Vorworte

609; IV. 2329; V. 3-18, 529 DEMOSTHENES: Opera

Sept. 1532

Herwagen

Basel

X. 61, 73-75

EUCHERIUS: Epistola ad Valerianum propinquum de philosophia Christiana

s.a.

Martens

Löwen

III. 98100

1506

Badius

Paris

1507

Manutius

Venedig

1528

Faber Emmeus

Basel

EURIPIDES: Hecuba et Iphigenia

FAUSTUS: De gratia Dei et humanae mentis libero arbitrio

I. 4f., 417420, 430, 439f., 514; II. 254; V: 519, 529; VIII. 26; XI. 183 I. 61, 439441; II. 388; VIII. 392 VII. 285, 406408; VIII. 305

414 GALEN: Exhortatio ad bonas artes, praesertim medicinam, de optimo docendi genere, et qualem oporteat esse medicum

Anhang: Werkverzeichnis

VI. 325f., 336, 346

1526

Froben

Basel

Juli 1516 Nov. 1516 1518 01. Mrz. 1518

Martens Froben Froben Martens

Löwen Basel Basel Löwen

Mai 1524

Martens

Löwen

GENNADIUS: Catalogus illustrium virorum

1516

k.A.

k.A.

III. 99

HAYMO: Pia brevis […] in omnes Psalmos explanatio

1533

Faber Emmeus

Freiburg

X. 162165

WILLEM HERMANS: Sylva odarum

20. Jan. 1497

Marchand

Paris

I. 160164

HIERONYMUS: Epistolae Hieronymi tres ab Erasmo recognitae

1518

Gymnich

Köln

III. 256

THEODORUS GAZA: Grammatica institutio

I. 428 n.

415

Editionen, Übersetzungen, Vorworte

1516

Froben

Basel

1524-1526

Froben

Basel

HIERONYMUS: Opera omnia

I. 63, 328; II. 26, 47, 50, 5459, 71f.,76 -78, 88f., 149, 187, 209221, 226, 236, 248, 250, 290, 331, 344, 348, 354, 356, 375, 378, 406, 417, 490 V. 465468, 471473, 492f., 562f.; VI. 282, 284, 392; VII. 15, 76, 78,

416

Anhang: Werkverzeichnis

476; VIII. 49; IX. 234

1533

Chevallon

Paris

HILARIUS: Opera

1523

Froben

Basel

IRENAEUS: Opus

1526

Froben

Basel

Sept. 1514

Martens

Löwen

Aug. 1519

Schürer

Straßburg

ISOCRATES: Paraenesis ad Demonicum JOHANNES CHRYSOSTOMOS: Aliquot Homiliae ad pietatem summoper conducibus [in latein. Sprache]

1533

Froben

Basel

X. 83, 123f., 144147 I. 16; V. 73, 172192; VII. 206 V. 564; VI. 334, 384391, 416; VII. 206, 414 I. 365, 368; III. 100 IX. 107; X. 171 n., 172, 189

417

Editionen, Übersetzungen, Vorworte

JOHANNES CHRYSOSTOMOS: Aliquot opuscula [in griech. Sprache] JOHANNES CHRYSOSTOMOS: Conciunculae sex de fato et providentia Dei [in griech. Sprache] JOHANNES CHRYSOSTOMOS: De Babyla martyre [in griech. Sprache] JOHANNES CHRYSOSTOMOS: De orando Deum libri duo [in latein. und griech. Sprache] JOHANNES CHRYSOSTOMOS: De sacerdotio [in griech. Sprache] JOHANNES CHRYSOSTOMOS: In Acto Apostolorum Homiliae [in latein. Sprache]

1529

1526

1527

1525

1525

1527

Froben

Froben

Froben

Froben

Froben

Froben

Basel

VIII. 41-45, 238

Basel

VI. 252f.; VII. 427

Basel

VII. 57, 82, 126f., 427

Basel

VI. 58f.; VII. 427

Basel

VI. 4452, 56; VII. 427

Basel

VIII. 322, 344, 391; IX. 6, 32

418

Anhang: Werkverzeichnis

1530

JOHANNES CHRYSOSTOMOS: In Epistolam ad Corinthios posteriorem Homiliae [in latein. Sprache] JOHANNES CHRYSOSTOMOS: In Epistolam ad Galatas [in latein. Sprache] JOHANNES CHRYSOSTOMOS: In Epistolam ad Philippenses Homiliae [in latein. und griech. Sprache]

JOHANNES CHRYSOSTOMOS: Lucubrationes [in latein. Sprache]

1530

1527

1526

1527

Froben

Froben

Froben

Froben

Froben

Basel

VIII. 322, 344, 391; IX. 6, 32

Basel

VIII. 322, 344, 391; IX. 32

Basel

VII. 82, 9598, 113, 190; IX. 20

Basel

VI. 378f., 381; VII. 427

Basel

VI. 58 n., 375 n., 479, 483491; VII. 23, 56, 112

419

Editionen, Übersetzungen, Vorworte

JOHANNES CHRYSOSTOMOS: Missa Sancti Ioannis Chrysostomi […] ab Erasmo Roterodamo […] versa

JOHANNES CHRYSOSTOMOS: Opera [in latein. Sprache]

1537

Wechel

Paris I. 467 n.; IX. 4 n.

1539

Froben

Basel

1530

Froben

Basel

1536

Chevallon

Paris

JOSEPHUS: Пερι αυτοκράτορος λογισμου […]

s.a.

Cervicornus

Köln

LACTANTIUS: De opificio Dei

1529

Froben

Basel

LIVIUS: Historiae

1531

Froben

Basel

LUCIAN: Astrologia

1514

Badius

Paris

VIII. 291, 322, 344, 390f., 431, 470, 491; IX. 36, 22, 31 n., 95, 173, 182 IX. 4 n., 107 n. III. 310312 VIII. 61f., 103 IX. 143145, 197 I. 519f.

420

Anhang: Werkverzeichnis

LUCIAN: Complures dialogi

1512

Martens

Löwen

I. 517 I. 512514, 517, 547 I. 8; VIII. xxi

LUCIAN: Dialogi

1514

Badius

Paris

LUCIAN: Historia longaevorum

s.a.

Badius

k.A.

LUCIAN: Icaromenippus

1514

Badius

Paris

I. 493, 496

1506

Badius

Paris

I. 416f., 422426, 429431, 434f.; IV. 16 n., 21

1516

Aldus Manutius

Venedig

II. 589

1517

Froben

Basel

1516

Froben

Basel

LUCIAN: Opuscula

NOVUM INSTRUMENTUM

II. 502f. II. 4, 23, 78, 141, 164172, 229ff., 181187, 257, 268, 281, 290, 313, 321, 371,

421

Editionen, Übersetzungen, Vorworte

NOVUM TESTAMENTUM

1519

Froben

Basel

1519

Martens

Löwen

Schumann

Leipzig

Cratander

Basel

Morchard

Straßburg

Anshelm Froben oder Martens Froben Froben Froben Froben Froben

Hagenau

18. Okt. 1519 + 1520 Aug. 1520 + Mrz. 1521 Sept. 1520 + 1521 1520 1520 14. Juni 1521 1521 Juli 1522 Jan. 1523 Okt. 1523

Basel bzw. Löwen Basel Basel Basel Basel Basel

404, 473, 490; III. 263ff., 415, 467, 544ff.; VII. 15, 476 III. 265, 380f., 387389, 421f., 595; IV. 385, 555f. IV. 58f.

IV. 58 n., 92f., 425, 541, 583; V. 398

422

Anhang: Werkverzeichnis

Nov. 1523 s.a.

OPUSCULA ALIQUOT ERASMO ROTERODAMO CASTIGATORE (i.e. Catonis praecepta, Mimi Publiani, Septem Sapientum celebria dicta, Institutum Christiani Hominis […])

ORIGINES: Fragmentum commentariorum in Evangelium secundum Matthaeum

Froben Froben

Basel Basel

1527

Froben

Basel

1532

Froben

Basel

1535

Froben

Basel

Sept. 1514 Sept. 1515 Okt. 1515 Okt. 1516 Nov. 1517 Nov. 1518 Aug. 1519 Okt. 1520 Juni 1526 Nov. 1533

Martens Martens Schürer Schürer Schürer Martens Schürer Froben Froben Froben

Löwen Löwen Straßburg Straßburg Straßburg Löwen Straßburg Basel Basel Basel

1534

Froben und Episcopius

Basel

1527

Froben

Basel

V. 394; VI. 90, 93, 403, 411, 478; VII. 7 IV. 58 n. XI. 13, 283

II. 1 n.

VII. 74, 82, 101103, 163; VIII. 345; XI. 338

423

Editionen, Übersetzungen, Vorworte

ORIGINES: Opera latine […] partim versa, partim recognita

1536

H. Froben, N. Episcopius

Basel

I. 52ff.; XI. 335, 354

OVID: Commentarius in Nucem Ovidii

1524

Froben

Basel

I. 12; V. 350, 363365, 366 n.

PLAUTUS: Comediae

s.a.

k.A.

k.A.

I. 13

PLINIUS: Historia Naturalis

1525

Froben

Basel

VI. 1621

PLUTARCH: De tuenda bona valetudine precepta

1513

Pynson

London

I. 520f., 530, 558; III. xxiv

PLUTARCH: De vitiosa verecundia

1526

Froben

Basel

VI. 256f.

Basel

VI. 7072, 249, 284

PLUTARCH: Libellus (De non irascendo; De curiositate)

1525

Froben

PLUTARCH: Opuscula

1514

Froben

Basel

PLUTARCH: De discipline adulatoris et amici

s.a.

k.A.

k.A.

I. 529f., 548f., 573f.; II. 26; III. 7781 I. 8, 44, 528; III. xxvi

424

Anhang: Werkverzeichnis

PRUDENTIUS: Commentarius in duos hymnos Prudentii

1524

Froben

Basel

PUBLILIUS SYRUS: Mimi

SENECA: Lucubrationes

SENECA: Opera

SENECA: Tragoediae SEPTEM SAPIENTUM CELEBRIA DICTA

1515

Froben

Basel

1529

H. Froben, J. Herwagen

Basel

1537

Herwagen

Basel

1514

Badius

Paris

I. 13; V. 366f. I. 12; II. 1-3; III. 100f. I. 540; II. 23, 26, 5154, 62f., 65, 228, 277; V. 517f. VII. 7, 470, 506, 544; VIII. 25-41, 105, 171, 293, 431 XI. 344 I. 13, 514f., 517 II. 207

425

Editionen, Übersetzungen, Vorworte

SUETONIUS

1518

Froben

Basel

TERENTIUS: Comoediae

1532

H. Froben, N. Episcopius

Basel

LAURENTIUS VALLA: In Latinam Novi Testamenti interpretationem […] Adnotationes

1505

Badius

Paris

XENOPHON: Hieron

1530

Froben

Basel

ZASIUS: Lucubrationes

1518

Froben

Basel

I. 16; II. 578586; III. 6971, 255, 527 n., 528; V. 518 IX. 359, 401403; X. 102; XI. 123f. I. 14, 64, 406412; VIII. 185 VIII. 361f., 417, 463; IX. 459 III. 383385

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http://www.eurodesk.eu/edesk/images/noboundary.jpg (29.11.2011). http://www.gateway-bayern.de/index_vd16.html (16.04.2012). http://www.erasmus.org/index.cfm?fuseaction=site.show&CTX_ID= 2DE370E8F1F6C1694E0507DEF03F B4BE (29.11.2011). Das Kartenmaterial wurde erstellt http://www.stepmap.de (04.04.2013).

mit

Hilfe

von

VIII. Register A. PERSONEN Der Name Erasmus von Rotterdam wurde aufgrund der Häufigkeit seines Vorkommens nicht eigens im Register verzeichnet. Aemiliis,

114

Aemilius de

Aperbacchus,

Agricola, Georg

361

Argyropulos,

Agricola,

244

Johannes

Johannes Agricola, Rudolf 48, 84, 254, 306 Albrecht, Gf.

346

von Mansfeld Aleander,

131f., 259, 285, 322 29, 412

74, 243, 358, 410

Assendelft,

358

Gerrit van 282

Thomas Augustinus

76, 161, 411

Baarland,

246

Adrian

Gr., Kg. v. Makedonien Alexander,

74

Aristoteles

Aucuparius,

Hieronymus Alexander d.

276

Petreius

309

Babham, John

280

Badius, Josse

241, 266, 272, 278, 288, 309, 398, 403,

Johannes Alighieri, Dante

50

Alopecius, Hero

364, 396

Amerbach,

98, 270, 303, 330,

Baer, Ludwig

332, 352

358f.

Baldung, Pius

286

Bonifatius Amerbach,

270, 284, 304

Bruno Ammonio,

98, 194, 197-200,

Andrea

202, 226, 268, 271,

Andrelinus,

173, 230, 236, 241

274f. Faustus 245

Jakob Antonin, Jan

424f.

Hieronymus Banisius, Jakob

226

Barbaro,

43

Francesco Barbarus,

74, 323

Hermolaus Bärenfels,

Angst, Wolfgang 295f. Anthoniszoon,

406, 413, 419f.,

301

Werner von Basellius,

296

Nikolaus 335f.

Batt, Jakob

163f., 194, 197-201,

468

Register 230, 232, 235f., 238, 240-246, 248, 253

Baumgartner,

149, 358

Johann

50, 119

Giovanni Boerio,

251

Bernardo

Bebel, Heinrich

40, 112, 270

Bebel, Johannes

358, 410

Beckmann, Otto 62 Beda, Natalis

Boccaccio,

337, 340-343, 346-

Boerio,

251, 256

Gianbattista Boerio,

251

Giovanni

348, 350, 368, 406,

Boleyn, Thomas

360

409

Bombasius,

153, 256, 262, 314

Bedrot, Jakob

344

Bembo, Pietro

94

Bonaventura

76

Bensrot,

238

Boner,

114

328

Boner, Jan

Hieronymus

Nikolaus Beraldus,

358

244f., 258, 273

Borsselen,

240

162f., 229f., 233f.,

Borsselen,

Anton von Bergen,

Adolf van

Heinrich von,

236, 244, 248, 252,

Bf. von

385

Cambrai Berquin,

342, 368f.

Louis de Berselius,

310 326 377

Theodor Birckheimer,

Ambrosius Blaurer,

275

49, 255

Bottis, Henri de

98

Botzheim,

157, 159, 330

Boudet,

347

Boyle, Robert

111

Bracciolini,

43, 161

Poggio 30, 285, 319

Albrecht von, Ebf. von

197-200, 277, 280, 324, 326, 344, 352 197-200, 323f., 344

Thomas

Mainz u. Magdeburg Brant, Sebastian

Blount Lord

163, 194, 197-201,

Mountjoy,

231, 235-237, 240,

William

243f., 251f., 258,

Blount, Charles

254f.

Bostius, Arnold

Brandenburg,

Franz Blaurer,

49, 236, 240, 244f.,

Michael

Marco Bibliander,

Anna van

Johann von

Paschasius Bevilacqua,

358

Boner, Severin

Nikolaus Bergen,

Paulus

61, 85, 111, 125, 152, 265, 270, 278, 282

Brixius,

359

Germanus

262, 268, 273f., 300,

Brunfels, Otto

318

332, 359, 370

Bruni,

74, 94

359

Leonardo

469

Personen Budé, Guillaume Bugenhagen, Johannes

98, 158, 276, 298, 315, 342 197-200, 291, 346, 352

Burer, Albert

314, 321

Burgund,

360

Cervicornus, Chevallon, Claude Cicero, Marcus Tullius

244

Nikolaus von Burgund,

163, 358 270, 285, 289, 291

Cochläus,

382 245 76

235, 241

361

Nikolaus Cordus,

Celio

358

Christoph von Coppin,

261, 412

358

Andreas von Conritz,

289, 296, 305

173, 237f., 246, 251, 253f., 266, 271, 298

Conritz, 39

Johannes

Caminad,

Clonne,

Colet, John

Johannes

Calcagnini,

Clemens VII.,

248, 309

Hieronymus

Caesarius,

232, 243, 301, 306,

Johann

von dem

Butzbach,

11, 29f., 52, 93f.,

Florent de

Hermann Busleyden,

419

Pp.

Philipp von Busche,

301, 358, 364, 416,

327, 362, 412

Heinrich von Burgund,

344, 395, 419

Eucharius

20

Euricius

Vinzent

Corver, Simon

401

Augustin

Cousturier,

342

Campeggio,

86, 360, 364

Lorenzo Canisius, Peter

104

Capito,

158, 299, 345 s. Paul IV., Pp.

351

Ferry de 339

Baldassare Catull, Gaius

231

358

Johann s. Leo X., Pp.

Decius, Justus

334, 360

Demosthenes

297, 306, 358, 413

Desmarez, Jean

248f.

Dingnauer,

281

Johannes Dinkelsbühl,

Valerius Celtis, Konrad

197-200, 265

Cerinus,

323

Franciscus

Johann

Giovanni s.

Pietro

Castiglione,

95, 197-200

de Medici,

Giovanni Carandolet,

361f., 408

Cuspinian, Dantiscus,

Wolfgang Caraffa,

Pierre Cursius, Petrus

299

Nikolaus von Dorp, Martin van

21, 43, 108, 270, 294f., 310

470

Register

Draco, Johannes 307, 310 Duns Scotus,

232

Johannes Dürer, Albrecht

Filelfo, Fisher,

15

161

Francesco 249

Christopher

Eberlin, Johann

85, 129f.

Fisher, Robert

237, 250, 268f., 298

Eck, Johannes

122, 128, 306, 309

Flersheim,

93

Edenberg,

304

Lukas Egnatius,

hold von 258, 358

Baptista 308

Ellenbog,

304

Emser,

s. Faber, Johann Emmaus 122, 347

Ennius, Quintus 280 358

Anselm Episcopius, Nikolaus Eschenfelder,

Winchester Franck,

244

Franz I., Kg. von 149, 303, 320, 323, Frankreich Friedrich III., Kurf. von

Hieronymus Ephorinus,

252

Sebastian

Nikolaus Johann

Foxe, Richard, Bf. von

Eichholtz, Adolf

Emmeus Faber,

Franz Bert-

46, 94, 102, 147, 305, 318, 320f.

Sachsen Froben, Hieronymus

169, 242, 272, 357f.,

342f., 368f.

Froben, Johann

169, 226, 399, 410, 423-425 77, 168, 225-227,

361, 394, 399, 408,

231, 241f., 246f.,

410, 422f., 425

267, 271-273, 275,

360

278, 284, 287-290,

Christoph

293, 297f., 301,

Euripides

251, 413

303f., 314f., 320,

Everard,

321, 348

344, 347, 349f.,

Nikolaus Eyb,

353f., 357-362, 364, 50

374, 393-412, 414-

Albrecht von Faber

425 270, 298, 343

Stapulensis,

Emmaus

Fugger, Anton Gaguin, Robert

165, 173, 230f., 236

336f., 358, 361, 394,

Gattinara,

165, 173, 230f., 236,

413f. 320, 323, 336f., 373

Ehzg. von

Mercurino di Gebwiler,

Kaysersberg, 74, 94, 238, 253, 265

321, 337-339, 381 152, 278, 282

Hieronymus Geiler von

Österreich Ficino, Marsilio

358

226, 306, 309, 326, 406, 408, 410f.,

Ferdinand,

328

Christoph

Jakob Faber, Johann

Froschauer,

Johann

122

471

Personen Geldenhouwer,

326

Gerard Gellert,

91

Gutenberg, 361, 406

Georg, Hzg. von 318, 330, 344, 347, Gerard,

309, 311, 345

Heemstede,

358

159

Hegel, Georg

Jan van

341

Gilles, Peter

168, 226, 294

Glareanus,

304, 327, 343f.

Heinrich 353, 360 225, 361

Friedrich Hegius,

276

Heinrich II.,

216

Kg. von Heinrich VII.,

13, 92, 145, 243, 280, 330 240

Kg. von

Gourmont,

266, 402, 412

England

Gilles de 358

Tielmann

262, 273, 292f., 320, 323, 344f., 370

Heldung, Peter

282

Henneberg,

122

Berthold von,

Gray, Thomas

111

Gregoriis,

326

Gregorio de Grimani,

262

England Heinrich VIII.,

Gonell, William

Gravius,

48, 160, 248, 254,

Alexander

Kg. von

Damianus de Wolfgang von

110

Wilhelm

Frankreich

Conrad

Goethe, Johann

Hadrian VI., Pp. 329, 370, 379 Hedio, Caspar

Gerson, Jean de

Goes,

84

Johannes

232f.

Gereander, Paul 302, 304

Gochlenius,

282

349, 379

Cornelius Gerard, Rotger

Guida, Johannes

Fürchtegott

Sachsen

326

Bernardino

Christian Genovefa, Hl.

Guarino,

Ebf. von Mainz Herbenus,

260, 262, 292, 302

Domenico

162f.

Matthaeus Herbord

s. Marthen,

Grocyn, William 237, 257

Herkules

20, 277, 288, 326

Grolierius,

Hermans,

163, 232, 234, 238

Kard.

Herbord von der 306

Willem

Johannes Grynaeus,

358

Gryphius,

242, 394

Sebastian Guarini, Guarino

Herwagen,

169, 358, 364

Johannes

Simon

225

Hesiod

277

Hessus, Helius

20,306-308, 310

Eobanus

472 Heumann,

Register 44

Christoph

Kirchenvater Hillen, Michael

Jonas, Justus 20, 266, 272, 287, 301, 324, 350

Jud, Leo

344, 395f., 398, 404,

Julius II., Pp.

380f.

Konrad Holbein,

15

Hans d. J.

94, 305-307, 310f., 313, 323, 346, 352

408 Hofmann,

373

Hzg. v. Kleve

August Hieronymus,

Johann III.,

136, 143, 320, 333 255f., 261, 265f., 268, 325

Juno

370

Jupiter

370

Kant, Immauel

38, 65f., 143

Karl V., Ks.

71, 157, 162, 236,

Homer

47, 277

238, 251, 256, 259,

Hoogstraten,

282

300-303, 306, 320,

Andreas von Horatius

337f., 340, 372, 125, 131, 146

381f.

Flaccus,

Karneades

165

Quintus

Katharina von

369f.

Horn, Jacob van

159

Aragon,

Horn,

325

Kg.in von

Maximilian

England

van Hosius,

Kierher, 335f.

Stanislaus Hummelberg, Michael

293

Johannes Koberger,

77, 277f., 293, 305,

Anton

324, 327, 330, 344

Koberger,

75f., 225 76

Johann

Hus, Johannes

142

Hutten,

53, 85, 126-135,

Koler, Johann

358, 361

137, 216, 276, 284,

Krantz, Albert

87, 109, 120f.

296, 322, 337, 390,

Kretz, Mathias

357

409

Krünitz,

52

Ulrich von

Ickelsamer,

58

Jakob IV.,

259

361

Lang, Johann Lascaris,

Schottland

Kurf. von Sachsen

290, 303, 311, 313, 319

Kg. von

Friedrich I.,

332

Martin

Schottland

Johann

289

Wolfgang Landsberg,

Kg. von Jakob V.,

Johann Georg Lachner,

Valentin

102f.

258

Johannes Lasco, Johannes a

334-336

473

Personen Latimer,

237f., 257

37, 45, 47, 49, 53,

William Latomus,

57, 61-63, 65, 67-69, 299, 337, 394

72, 79-86, 90, 92f.,

Jacobus Laurinus,

102f., 105f., 109f., 330

114, 128, 130-132,

Marcus Le Sauvage,

137-145, 154, 159, 300f., 303, 337

175f., 197-200,

Jean

202f., 207, 209, 211,

Lee, Edward

151, 270, 299, 314

215f., 219, 225, 247,

Lefèvre

s. Faber Stapulensis,

256, 268, 270, 289,

d'Étaples,

Jakob

299, 306, 311-313,

Jacques Leibniz,

316-325, 327-331, 44

334, 336f., 342-350,

Gottfried

352-354, 356, 361,

Wilhelm Leo X., Pp.

370, 373, 376-379, 132, 168, 245, 259,

384, 390, 396, 400f.,

262, 266, 292, 300-

407

302, 313

Lysias

306

Leo, Ambrosius

158

Machiavelli,

303

Lessing,

30

Niccolò

Gotthold

Maecenas,

Ephraim

Gaius

Libanius

248

Linacre,

237f., 257

Thomas Linck,

Maldonatus,

Manutius, Aldus 76-78, 82, 226, 241, 103

257-259, 262, 267, 271, 287, 322, 393,

283

Gerhard 29, 359, 419

Locher

111

Philomusus, 299 81

377

Kg.in von Böhmen u.

266, 272, 277f., 286,

Ungarn

291, 419f.

Marion, Jean

76

282

Martens, Dirk

168, 246, 267, 272,

Ottomar Luther, Martin

369

England Maria,

Melchior

Luscinius,

Navarra Kg.in von

Diego

Lukian

342f.

Kg.in von Maria I.,

Jakob

Lotther,

403, 413, 420 Marguerite,

Livius, Titus

López Zúñiga,

339, 352f.

Johann

Wenzeslaus Listrius,

146

304, 310, 314f., 39413, 15-17, 24, 33,

398, 400-408, 412-

474

Register 414, 416, 420, 422

Marthen,

263, 276

s. Maria I., Kg.in

Mutian, Konrad

303, 306, 310f., 316,

309

318

Bernhard 80, 121, 147, 303 s. Leo X., Pp. 266

Lorenzo de Meiel, Balthasar

121

Melanchthon,

24, 46, 51, 78, 94,

Philipp

126, 144, 150, 159, 164, 197-200, 219,

Melchior von

Myconius, Nesen, Wilhelm

308

Neuenahr,

289, 298

Hermann von Nevius de Johann Newton, Isaac

111

317f., 372-374, 379

Obrecht,

255f.

94, 305f., 313

Johann Odonus, Johannes

Milton, John

111

Oekolampad,

Montaigne,

243

Johannes

Balthasar

Olahus, 358

Peter von

200, 237f., 251, 264266, 268, 270, 274, 278, 294f., 303, 319, 349, 351f., 369, 386 299, 311, 313

Murmellius, Johannes

297, 345f., 353, 356 377f. 339

Pedro Juan Origines, Kirchenvater Osiander,

239, 245f., 254, 358, 422f. 298

Andreas Oswald,

344

Wendelin Oupeye,

Petrus Mountjoy

152, 197-200, 281,

Nikolaus Olivar,

43, 98, 108, 151, 153, 168, 173, 197-

Mosellanus,

363

Angelus

Michel de

Morus, Thomas

282, 358

Hondschoote,

358

Mornyeu,

306, 314

277, 280, 304, 309,

Aachen Mercklin,

106

Oswald

Giovanni de Medici,

Myconius, Friedrich

Ks. Medici,

153, 197-200, 263, 276, 281, 290f., 296,

von England

Maximilian I.,

258

Marcus

von der

Maurus,

138, 354

Thomas Musurus,

Herbord Mary

Murner,

162

s. Blount Lord

Lambert d’

Mountjoy,

Pace, Richard

325

William

Paliuros, Lukas

278

291

Paracelsus

53, 119

Paul III., Pp.

363

475

Personen Paul IV., Pp.

262

Paulus, Apostel

239, 308

Pausanias

259

Peisistratos

47

Pellikan,

270, 335f., 353, 355

Konrad Peraudi,

40

Raimund 282

Aulus Petit, Jean

266

Petrarca,

44, 50, 93f., 118f.

95, 98, 129, 151, 168, 197-200, 277, 281, 289, 293f., 305, 337, 359

Pistoris, Simon

347, 373

Platon

259, 321

Plinius,

324, 423

Plutarch

259, 272f., 286, 423

Pole, Reginald

358

Poliziano,

94

Angelo Poppenruyter,

239

Johann

Francesco Petreius

Willibald

Gaius d. J.

Kard. Persius Flaccus,

Pirckheimer,

s. Aperbacchus, Petreius

Quintilian,

30, 231

Marcus Fabius

Petrus, Apostel

325, 331, 405

Rapp, Thomas

282

Peutinger,

74, 197-200, 270f.,

Regius,

158, 320, 333

Konrad

277f., 309, 324

Pfefferkorn,

29, 76, 126f., 145,

Johannes

151, 279, 286, 304

Pflug,

Urbanus Reuchlin, Johannes

49, 64, 74, 85, 94, 126f., 136, 145, 150f., 159, 197-200,

374

Julius von,

263, 270f., 276, 279,

Bf. von

281f., 285f., 289291, 295f., 298,

Naumburg Philipp II., Kg. v. Makedonien Philipp,

301f., 304f., 309

29 Rhenanus,

32, 77, 82, 95, 151,

Beatus

153, 157, 162, 197200, 225f., 229, 236,

376

238, 246, 251, 256,

Lgf. von

259f., 263f., 270f.,

Hessen Philippi,

275, 277-279, 281,

240f., 393, 406, 412

283, 285, 287f., 290,

Johann Piccolomini,

94

293f., 300, 303-306,

Aeneas Sylvius Pico della

308, 310f., 313-315, 238, 253

317, 321, 323-327,

Mirandola,

331, 344, 363f.

Giovanni Pieter, Br. des

Riario, 159

Erasmus

Rinck, Johann

Pindar

259

Pio, Alberto

270

259f., 262, 292

Raffaele Kard. Roger, Servatius

359, 361, 375 49, 160, 167, 201, 251f., 255f., 273f.,

476

Register 281, 284f.

Rubeanus,

291, 296 282

Rufus, Mutianus s. Mutian, Konrad 248f.

Nicolas, Ruser, Johannes 282 252, 288

Sepulveda,

424 359

Johann Siberch, John

226, 398

Sickingen,

126

Franz von Sigismund,

Thomas Sabellicus,

77, 272, 289f., 364,

Genesius

Bf. von Arras Ruthall,

Lucius Annaeus

Johannes Ruistre,

39

Abraham Seneca,

Crotus Rudolfinger,

Scultetus,

74

Silvagius,

Marcus Antonius

334-336

Kg. von Polen 300

Johannes

Sachs, Hans

102

Sixtin, John

237

Sacon, Jacques

75f.

Sixtus VI., Pp.

292

Salomo

121

Sokrates

216, 243, 285

Sapidus, Johann 152, 281

Solon

47

Scaliger,

Spalatin, Georg

125

Julius Caesar Schedel,

50

Hermann Schepper,

Christoph Schiller,

317

359, 373

Springinklee,

76

62, 95, 140, 197-

Stadion,

Hans 200, 305, 309, 317

Christoph

243

von, Bf. von

323

Stein,

Schön, Erhard

76

Steinhöwel,

Schönsperger,

15

Heinrich Steuchus,

Johann d. J. 247, 400, 421

Matthias

50, 111, 119, 136 362f.

Augustinus Stewart,

Valentin Schürer,

285

Eitelwolf vom

Wolfgang

Schumann,

359, 364

Augsburg

Friedrich von Schiver,

333, 345-347 Spiegel, Jakob

Cornelius Scheurl,

102, 139f., 143, 242, 276, 305f., 318, 321,

259

77, 152, 241f., 247,

Alexander

266f., 269-271, 282,

Stewart, Jakob

259

288f., 393, 398-400,

Sturm von

282

402f., 407, 412, 416,

Sturmeck,

422

Jakob

477

Personen Talesius,

360

Quirinus

406, 425 Veere, Anna van s. Borsselen,

Tetzel, Johann

67

Thaleius,

278

Vergara,

167

Vergilius Maro,

Guilielmus Theodericus,

Juan de

Franciscus Thuengen,

Anna van 353, 359 30, 125

Publius 360

Conrad von

Vitrier, Jean

245, 254

Vives, Juan Luis

369f. 373

Tieler, Stephan

282

Vlatten, Johann

Titelmans,

338

Volz, Paul

323, 326

Warham,

257f., 272, 301, 332,

Francis Tomiczki,

357, 360, 363

Peter, Bf.

Canterbury 246

Jean de Trimberg,

112 305 308 257, 359

Werner,

Urswick,

102

Hermann von

Joachim Valdés,

313, 318, 348 Winckel, Petrus

163

296

Wolsey,

273, 282, 289

252

Valla, Lorenzo

Thomas, Ebf. von York

246 197-200, 304, 344, 346, 356 381f.

Wyle, Niklas von 117, 136 Yonge, John

272

Yphofer,

306

Ambrosius Zainer, Johann Zasius, Ulrich

Alfonso de Valla, Georgio

269f., 278f., 282,

153, 276, 281, 290,

Christoph von Vadian,

76, 152, 197-200, 284, 288f., 299, 301,

363

Christopher Utenheim,

255, 361 157

Valerian Heinrich

49, 233f., 236, 249,

Wied,

Jakob

von Durham

Urban,

364, 419

Wickram, Jörg

Wimpfeling,

Cuthbert, Bf. Ubidigus,

Wechel,

Nikolaus

Valentin Tunstall,

73

Christian

Jodocus Tschudi,

Washington, George

Hugo von Trutvetter,

362

Ebf. von

von Krakau Trazegnies,

William,

74

119 149, 270, 280, 286, 288, 291, 293f., 296,

44, 114, 161, 164,

304, 317, 425

226, 229, 238, 249f.,

Zenobius

276

253f., 299, 339, 350,

Zwingli, Ulrich

15, 104f., 197-200,

478

Register 237, 281, 304, 306, 308, 310f., 313f., 324, 326-328, 330, 333f., 343-346, 352, 372, 379-381

B. ORTSREGISTER Aachen

177, 218

217f., 225f., 231,

Aberdeen

177

241f., 246f., 267,

Alcalá

298f.

271-273, 275, 278f.,

Altenburg

177

281-283, 287-289,

Amboise

177

291, 298, 301f., 306,

Amsterdam

177

314, 317, 325f., 329,

Anderlecht

324f.

332, 334f., 344, 351,

Ansbach

177

353, 355-359, 361,

Antwerpen

74, 82, 177, 226,

363, 365, 374, 393-

246, 264, 266f., 289,

425

297, 300, 344, 362,

Basel

177

394-396, 398, 400-

Berlin

87, 123 178, 362

404, 408

Besanςon

Aquileja

292

Bois-St.-Martin

178

Arc-en-Barrois

177

Bologna

49, 153, 178, 251f.,

Arlon

177

Arras

248

Aschaffenburg

177

Boppard

316

Augsburg

15, 40, 52, 56, 63,

Bourg

178

68-70, 74, 81, 83,

Bourges

178

86, 110, 149, 177,

Breisach

178

211f., 217f., 247,

Brescia

178

271, 303f., 320, 332,

Breslau

178, 211, 217f.

356, 359, 361, 364f.,

Bretten

48

371-373, 375, 377,

Brügge

178, 325

379, 388, 407

Brühl

178

Brüssel

255-257, 260-262, 264, 308

Avignon

177

Baden

177

Bamberg

177, 211, 217

Buda

Barcelona

177, 382

Büderich

178

Basel

55, 68f., 77, 86, 97,

Burgos

178

105, 149, 152f.,

Cagli

326

168f., 177, 209, 211,

Calais

178, 274, 300

163, 178, 226, 300, 325, 337 69, 178

479

Orte Cambrai

162f., 165, 201,

Genf

180

229f., 233, 235, 244

Gent

180, 333

179, 226, 268f.,

Gentilly

180

272f., 287, 295, 301,

Genua

251

315, 398

Glarus

180

179

Gotha

180, 276

Chambéry

179

Gouda

Châteauneuf

179

Cambridge

Carpentras

48, 159f., 163, 167, 180

Chelsea

179

Granada

180

Chur

264

Greenwich

181, 260

Coburg

217, 364

Grimma

181

Courtebourne

245

Groningen

181

Courtray

179, 300

Hagenau

Cumae

262

Den Haag

179

Halberstadt

211, 217, 332

Deventer

160, 179, 248, 276

Halle

181

Dijon

179

Halling

181

Dillingen

179

Hamburg

57, 120, 218

Dole

179

Hammes

274, 281f., 284

Dresden

179, 211, 217f., 320,

Heidelberg

49, 55, 140, 181,

Durham

288

Heimbach

181

Ebernburg

179

Hemsdonck

232

Eisenach

179

Hirsau

181

Enghien

180

Houthem

181

Ensisheim

180

Hugshofen

181

Erfurt

19, 81, 151, 211,

Huy

181

217f., 307, 332, 364

Ingolstadt

181

Esslingen

180

Innsbruck

40, 181

Esztergom

180

Jena

181

Ferrara

180, 259, 261

Joachimsthal

182

Florenz

49, 252, 255f., 259

Kleve

362, 373

Forlí

326

Knole

182

Frankfurt

74f., 92, 123, 180,

Koblenz

182, 316

217, 285, 289, 303,

Köln

68, 126f., 131, 182,

364

Freiburg

269

347, 364f., 377

218, 272, 275, 289,

55, 97, 169, 180,

296, 298, 308, 319f.,

211, 217f., 226, 326,

329, 344, 364, 395f.,

353, 356-358, 361f.,

Gembloux

181, 211, 217, 295, 314, 364, 394, 421

414, 419

364, 373, 394, 406,

Königsberg

211f., 217f.

408, 410f., 414

Konstanz

182, 264, 309, 372

180

Kosteletz

182

480 Krakau

Register 24, 69, 120, 182,

285, 289

334f.

Marly

183

182

Meaux

183, 341

Ladenburg

182

Mechelen

183

Lambeth

182

Memmingen

99, 372

Landshut

211, 217

Middelburg

183

Langenargen

182

Mohács

336, 372, 376 183

Kremsier

Leipzig

68, 81, 140, 182,

Montbéliard

212, 217f., 247, 314,

München

212, 217

316, 320, 332, 347,

Mussy

183 326

364, 400, 421

Nijmegen

Lens

182

Nürnberg

Liège

131, 162, 182, 281f.

Lincoln

273

Lindau

372

Orléans

242, 244, 253, 308

Linz

182

Otford

184

Locarno

183

Ottobeuren

184

Lochau

183

Oxford

184, 237, 254, 280,

London

71, 183, 237, 261, 271f., 289, 298, 300,

212, 217, 225, 364

295 Padua

423 Löwen

56f., 63, 68, 75f., 86, 103, 106, 129, 183,

50, 184, 259, 261, 326

21, 47, 55, 69, 97,

Palencia

184

131, 153f., 168, 183,

Paris

14, 31, 49, 69, 82,

246, 248f., 264, 267,

151, 153, 162-166,

270, 272, 281f., 287,

173f., 184, 201, 215,

294f., 299f., 304,

229-236, 239-245,

308-310, 314f., 319,

249-255, 261, 263,

321, 324, 326f., 329,

266-268, 271f., 274,

337-339, 351f., 360,

277f., 288, 298, 301,

363, 394-398, 402-

309, 314, 323, 337,

408, 412-414, 416,

341-343, 348f., 352,

420-422

358, 360f., 363f.,

Lübeck

110, 212, 217f., 235

393f., 396-398,

Lüttich

s. Liège

402f., 406, 412-414,

Luzern

212, 217

Lyon

75f., 183, 242, 394

Passau

Maastricht

162f.

Pilsen

69

Madrid

183

Piotrkow

184

Magdeburg

30, 217f., 285, 364

Porrentruy

184

Mailand

183

Prag

69, 184

Mainz

122, 129, 131, 183,

Ravensburg

277f.

212, 217, 242, 247,

Richmond

184, 258

416, 419f., 424f. 184

481

Orte Rochester

184, 268, 298

Überlingen

186

Rom

69, 94, 132, 184,

Ulm

186

256, 259-262, 266,

Utrecht

160, 244

268, 274f., 321, 329,

Valencia

69

352, 370

Valladolid

186, 339

Schaffhausen

184

Veere

186, 235, 240, 244f.,

Schlettstadt

184, 283f., 293

Schmalkalden

373, 375

Venedig

52, 69, 76-78, 80,

s-

160

254f. 131, 186, 226, 241,

Hertogenbosch

257-259, 261, 267,

Siena

185, 259, 315

Soest

93, 123

Sondrio

185

Vic

186

Sopron

185

Vittoria

186

326, 393, 403, 413, 420

Speyer

185, 212, 217f.

Vollenhove

186

St. Andrews

259

Waldkirch

186

St. Cybardeaux

185

Weimar

186

St. Georgenberg 185

Weinsberg

186

St. Germain

185

Westminster

69, 186

St. Omer

244f., 288, 300

Wien

186, 323, 336, 375f.

Steckelberg

185

Winchester

251f.

Steinheim

185

Wittenberg

13, 15, 46f., 49, 63,

Stepney

185

69, 75, 79, 86, 111,

Steyn

160, 165, 167, 228,

139, 150, 164, 175,

233f., 253, 274

186, 203, 212, 217,

Stockholm

75

312, 316, 319f., 324,

Straßburg

68, 77, 80, 82, 86, 152, 185, 212, 217f.,

364, 387 Worms

93, 121, 124, 186, 318, 321, 324, 327,

241f., 247, 264,

344, 373

266f., 269, 271, 275f., 279, 282f.,

Würzburg

187, 313

288, 314, 329, 332,

Zaragoza

187

364f., 372, 393f.,

Znaim

187

398-400, 402f., 407,

Zürich

104f., 187, 212,

412, 416, 421f.

217f., 303f., 320,

Stuttgart

185

328, 330, 333, 365,

Toledo

185

Tournai

185, 273

Tournehem

235, 245

Tübingen

49, 78, 185, 277

Turin

49f., 248, 255

377, 379-381, 383 Zwolle

187, 247, 401